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Der Weg der Lethry
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Shyija´Xinrae





 Beitrag Verfasst am: 12 Mai 2006 18:05    Titel: Der Weg der Lethry
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Der Weg der Lethry


Teil 1: Unruhe.

Unruhe fängt immer nur an, sie endet niemals, sondern mündet nur in noch grössere Probleme, verstrickt sich, erhebt sich über jene die glauben das Schicksal kontrollieren zu können. Das kleine Anwesen der Xinrae´s brummte vor Unruhe. Zorijya hielt die Unruhe nicht mehr aus, dieser Streit der sich über die Familie legte, die Verfeindungen der anderen, es war untröstlich. Langsamen, wachen Schrittes ging sie in die Dunkelheit hinaus. Der Nebel verdichtete sich zusehends, einer der Nachteile in einer finsteren Nacht wenn man direkt an einem grossen Gewässer entlang geht. Zorijya zog den schweren Umhang auf ihren Schultern an der Halskordel noch weiter zu, so dass diese beinahe so eng anlag wie eine Robe die den Körper einhüllt. Die Fackel die sie trug knisterte vor sich und spendete nur wenig Licht. Das Knacken eines Astes liess sie stoppen. Sie wechselte die Fackel in die andere Hand und fasste an die Schlaufe, die Ihren Dolch hielt, aufmerksam sah und hörte sie sich um. Sie erblickte im Dunkeln eine ihr folgende Gestalt. „Wer ist da?“ rief sie ruhig in die Dunkelheit, den Griff aber fest um den Dolch gelegt.
Eine leise, ihr vertraute Stimme legte sich in die Dunkelheit, näher auf sie zukommend „nur ich, … Shyija!“

Sie lockerte den Griff um den Dolch und blitzte Shyija mit eisblauen Augen an „Warum folgst Du mir?“ sprach sie dann mit kaltem Unterton in der Stimme. Shyija blinzelte etwas, funkelte Zorijya mit ihren leuchtend grünen Augen an und meinte nur „ich muss raus aus diesem Haus, ich sah dich gehen und folgte dir.“ Zorijya nickte nur schweigend und setzte ihren Weg ins Ungewisse fort. Shyija folgte ihr ohne ein Wort. Eine Weile gingen sie schweigend, in der Dichte des Nebels, nebeneinander her, bis Shyija die Stille brach … „du willst uns verlassen? Deine Familie, deinen Sohn … uns alle? Oder was hast du vor?“ ein kühler, fragender Unterton ist in ihrer Stimme zu vernehmen. Zorijya blitzte nur mit ihren eiskalten Augen und sagte kühl, doch auch gleichzeitig barsch: „NIEMANDEN, werde ich verlassen … zu allerletzt meinen Sohn Verjiyl! Niemals!“ als sie dies aussprach, sah sie zurück zum Anwesen.
Starr vor Entsetzen blickte sie den lodernden Flammen entgegen, die sich leicht durch den Nebel hindurch abzeichneten. Ein kurzer krächzender Schrei kam Zorijya über die Lippen: „Verjiyl!“ … dann rannte sie los, den flammenden Haus entgegen, Shyija folgte ihr schnellen Schrittes und ein leises Lachen umhüllte sie mit den Worten…“So werden Sünden schnell gebüßt“ mit leichtem Hass in der Stimme, wohlbesagt und besiegelnd der Unruhe, die im Hause Xinrae herrschte.

Leises Hufgetrampel scheint immer näher zu kommen. Die unzähligen, schwarzen Gestalten näherten sich den beiden rasend, wohl fliehend davonlaufend und unerkennbar. Zorijya und Shyija blickten den Reitern, wohl unwissend, dennoch mit zornerfülltem Blick der Vorahnung nach und rannten in weiter in Richtung des Hauses. Dort angekommen, fiel ihr Blick auf das lodernde Feuer, dass das Anwesen Xinrae einhüllte, gelegt von den schwarzen Reitern. Hass und Verzweiflung spiegelte sich in beider Gesichter wider. Zorijya konnte nicht glauben, was sie sah … verzweifelt versuchte sie in die Flammen zu rennen, ihren Sohn retten wollend, dennoch prallte ihr die Hitze vorher schon ins Gesicht und eine sanfte, dennoch bestimmende Hand hielt sie zurück, die von Shyija. „Er schafft das allein!“ .. brüllt sie ihr entgegen. Verzweifelt, wenngleich auch kühl blicken sie beide am Haus empor, die Flammen beobachtend, eingestehend das man das Feuer nicht stoppen kann.

Nach einiger Zeit wendeten sie sich ab und gingen gemeinsam den Fluss im Nebel entlang, alles hinter sich lassend, nicht umblickend. Nicht wissend was mit ihren Sohn Verjiyl passierte, ob er stark genug war den Flammen entfliehen zu können, ausgewachsen genug war er ja, zehrte dies an Zorijya´s Gedanken. Sie sühnte nach Rache … die schwarzen Reiter ausfindig machen wollends. Sie sprach mit kalter Wut in der Stimme: „Das müssen sie büßen, sollte einer von uns ums Leben gekommen sein.“

Als Shyija’Xinrae zusammen mit ihrer Schwester Zorijya`Xinrae selbige Nacht durch die Wälder vor Rahal zieht, wird ihre Aufmerksamkeit durch Fußstapfen kaum 10 Fuß von ihr geweckt. Shyija’Xinrae kneift ihre Augen zusammen, um in der Dunkelheit jemanden erkennen zu können, als sie die grobe Berührung einer Hand auf ihrer Schulter verspürt. Langsam dreht sie sich um und erblickt einen Menschen, die Brust des Mannes ihr Gegenüber, was sie dazu zwingt ihren Kopf ein wenig anzuheben. „Seid gegrüßt, Fremder!“ flüstert sie ihm zu.
Zorijya beobachtete dies Geschehen mit Argwohn und abwartend im Hintergrund, der Mensch sie wohl nicht bemerkte neben Ihrer Schwester.
Der Mensch starrt Shvija an, sein Blick ist erfüllt von Hass. „Ihr wart es, ihr habt es getan!“ der Mann geht einen Schritt auf Shyija’Xinrae zu und starrt sie weiter an. „Wovon sprecht ihr?“ haucht sie leise, während sie seinen Blick gespielt ernst erwidert. „Ihr habt meine Vorfahren umgebracht, meinen Vater und meine Mutter!“ Shyija’Xinrae seufzt leicht auf. „Warum seid ihr von diesen Vorurteilen bespickt?“ „Es ist kein Vorurteil, ihr habt es getan!“ brüllt er etwas lauter und euphorischer. Shyija’Xinrae geht ein Stück an ihm vorbei, ohne ihm eines weiteren Blickes zu würdigen. „Hört auf mich so zu übergehen!“ Er geht hinter ihr her, legt abermals die Hand auf ihre Schulter und dreht sie aprupt und schroff zu sich. Zorijya stand immer noch etwas abseits im Hintergrund, im Dunkeln, das Geschehen beobachtend, mit zusammengekniffenen Augen, der Hass steht Zorijya ins Gesicht geschrieben. Dennoch wartet sie ab und bleibt entfernt auf ihrem Fleck im Dunkeln stehen. „Ich könnte keinem Lebewesen etwas zu leide tun!“ entgegnet sie gespielt ernst, so dass es dem Menschen nicht auffällt, dass die List in ihr spielt. Den Blick ab und an ins Dunkle zu ihrer Schwester gewandt mit aufglühenden Augen, was dem Herrn wohl nicht aufzufallen vermag, da er doch starr vor Wut weiterspricht und ihr abermals zu verstehen gibt, das sie die schuldige wäre, welche seine Eltern auf dem Gewissen hat. Zorijya´s Augen leuchten, hinterlistig auf, leise lachend, ein Lachen das nur sie hören konnte, über den aufgebrachten Mann.

Weiterhin starrt der junge Mann Shyija an, seine Blicke wandern über ihr von ein paar Narben versehenes Gesicht. „Und woher stammen eures Erachtens diese Narben?“ Er deutet mit seinem Finger darauf. Shyija’Xinrae legt den Kopf auf die Seite. „Ihr wisst, wir leben in den Wäldern, dort ist es gefährlich..!“ Er unterbricht sie. „JA, ihr lebt in den Wäldern und dort habt ihr meine Vorfahren kaltblütig erdolcht!“ Sie lächelt ihn an. „Ich bin nicht einmal der Kunst bewandert mit einem Dolch umzugehen“. „Das bedarf nicht allzu großer Kunst einen Menschen umzubringen!“ Er starrt sie weiterhin böse an. „Seht, ich könnte nicht einmal dem kleinsten Tier etwas zumute tun. Wie sollte ich dann bitte einen Menschen töten können?“ – „Ihr seid Lethar, es liegt euch im Blut!“ – „Aufgrund all den Erzählungen über uns?“ – „Ich glaube nicht an Erzählungen, ich glaube nur an das, was ich gesehen habe!“ – „Und, habt ihr jemals einen Lethar gesehen, welcher einen Menschen umbrachte?!“ entgegnet sie zynisch. Er schüttelt den Kopf „Nein, ihr versteckt euch in den Wäldern, lauert, bis ein Mensch kommt um eure Rache zu verüben!“ Sie setzt einen gespielt bedauerlichen Blick auf. „Hört, es tut mir leid, dass eure Eltern ums Leben gekommen sind… durch wen auch immer!“ Sie sieht, wie er vor Zorn errötet. „Ihr habt es getan, so gebt es doch zu!“ Er greift nach ihrem Arm. „Ihr habt es getan! Ihr, eure Rasse!“ Sie blickt ihn weiterhin mit ihren leuchtend-grünen Augen an, blinzelt kurz ins Dunkle zu Ihrer Schwester.
„Wenn ich eine kaltblütige Mörderin bin, wie ihr es so ausdrückt, warum habe ich euch dann nicht auf der Stelle umgebracht?“ erwidert sie und lächelt dabei erhaben.
„Aber hört, ich kann euch gerne helfen die wahren Mörder eurer Familie ausfindig zu machen!“ nickt sie recht zuversichtlich, während sie in ihrer Tasche ihre Hände zu Fäusten ballt. Er beginnt zu lachen. „Ihr seid ein hinterlistiges Volk, warum sollte ich gerade euch trauen?“ Sie nickt besänftigend. „Ihr habt wohl Recht. All die Geschichten, die über uns erzählt werden müssen euch sehr geprägt haben. Aber uns wird keine Chance gelassen uns zu beweisen, dass wir nicht viel von der Kunst des Tötens halten!“ Er unterbricht sie. „Hört auf, ihr habt sie getötet. So viel steht fest. Dafür werdet ihr bluten müssen.“ Shyija’Xinrae verzieht das Gesicht leicht, während ihre Augen die Dunkelheit suchend durchforsten und der Blick wieder auf ihrer Schwester innehält. Er hat ihr Handgelenk immer noch fest umschlossen und versucht, sie mit sich zu ziehen. Da sie nicht sonderlich groß und auch nicht allzu stark ist, fällt es ihr schwer, sich zu wehren.
Zorijya fängt den Blick ihrer Schwester auf und nickt ihr mit funkelnden Augen bedächtig zu, beugt sich leicht nach unten, um den Dolch aus der Gürtelschlaufe zu ziehen und tritt aus dem Dunklen hervor. Sie funkelte den Mann mit ihren eisblauen Augen listig an, der Dolch schimmerte silbern im Mondlicht, den sie in locker in der Hand hielt ohne den Mann damit zu bedrohen … leise aber bestimmend beginnt sie zu sprechen: „Ihr glaubt doch nicht allen ernstes, meine Schwester hier und jetzt dafür bluten lassen zu können?“
Man sah dem Mann an, dass er sichtlich erschrak, als eine zweite Gestalt, erkennend der gleichen Rasse, auf ihn zukam. Er musterte die Lethra von oben nach unten, blieb zuerst am aufblitzenden Dolch hängen, dann an ihren eisblau funkelnden Augen, die furchteinflösend auf ihn wirkten.
„Noch so eine“ … meinte er mit leicht zitternder Stimme, das Handgelenk Shyija´s unbemerkt lockernd, worauf Shyija ihre Augen schloss und als sie ihre Augen öffnet, erhellten sich ihre Augen, bis sie sich schließlich befreien konnte.
„Ja, noch so eine …. Mörderin, wie ihr meintet uns zu nennen!“ … sprach sie mit bewussten Zorn in der Stimme, der sie dennoch ruhig klingen lies. „Nennt uns nicht Mörder, dazu habt ihr nicht das Recht!“ meint sie mit Stolz in der Stimme, um dann wieder sanftmütig, den Dolch in der Hand drehend, weiterzusprechen. „Ihr habt nicht gesehen, wer eure Eltern oder was auch immer, getötet hat … ihr wart nicht dabei! Also zügelt eure Zunge oder ich muss sie euch herausschneiden, damit ihr keine Unwahrheiten mehr ans Licht bringt! Und das wollt ihr doch nicht?“ Zorijya legt den Kopf schief und sah ihn mit glimmenden eisblauen Augen fragend an, wohl abwartend seiner Reaktion.
Man sah wie sich die Augen des Mannes weiteten, wohl ängstlich, dennoch versuchend stark zu sein, eine Waffe zu ergreifen, gerüstet auf das, was geschah/geschehen würde. Stumm schüttelte er den Kopf, den Dolch nicht aus den Augen lassend.
„Dann verlasst diesen Wald! JETZT! Ehe ich mich vergesse!“ … meinte Zorijya bestimmend, nahm sich ihre Schwester zur Hand, um sich wieder in Ruhe auf den Weg zu machen. „und lasst uns in Ruhe unsere Buße tun!“ leise lachend an den Mann gerichtet mit einem listigen Funkeln in den Augen auf Ihre Schwester gerichtet, die dies ihr gleich tut.
Sie drehten dem Mann mit diesen Worten den Rücken zu und verschwanden wieder in der Dunkelheit, den Mann starr stehen lassend. Ohne ein weiteres Wort.

Sie reißt ihre Augen auf, ihr Herzschlag rasend vor Aufregung. Vorsichtig blickte sie sich um. Es schien, als würde sie in einem Waldstück eingenickt zu sein. Sie sah sich abermals in der Dunkelheit und dem Nebel um sich herum um. Die Blätter, welche sich vom Wind drehend um ihre Füße wandten, schienen im Mondlicht fast schon gold zu schimmern. Shyija konnte niemanden entdecken. War sie so weit gelaufen? Plötzlich hörte sie Äste knacken, leise Stimmen flüstern und ihren Puls rasen. Leise zog sie sich in den Schatten des Baumes zurück um nicht erkannt zu werden. Es war nicht die Angst, die sie an die Rinde des Baumes pressen lies, eher die Ungewissheit, was ihr bevorstehen würde. Fern von zuhause, ihre Erzeuger verloren, ihre Schwester aus den Augen. Aus einiger, sicherer Entfernung blickte sie auf die vor sich liegende Lichtung, erkennen wollend, wer sich ihr näherte. Ihre Augen, schmal wie zwei Striche huschten durch die Dunkelheit und blieben auf zwei Gestalten hängen. „Shyija?“ ein leises Zischen ging durch die Dunkelheit, vertraut und ihr nähernd. Da trat sie aus ihrem Schatten ins Licht, ihrer Schwester Zorijya gegenüberstehend. Neben ihr eine dunkle Gestalt, vorsichtig nickend und Shyija musternd. „Wir gehen!“ Zorijyas Tonfall schien gebieterisch und Shyija wollte nichts dagegen einwenden, also ging sie ruhig und geschmeidig wie eine Katze hinter Zorijya die Wälder entlang, schlang sich durch die Bäume und Büsche. Von weitem sah sie in der Ferne ein paar Lichter. „Wohin führt Vater uns?“ ihr Tonfall wirkte trocken, dennoch von Gier gepackt. „Rahal! Dort werdet ihr beiden vorerst unterkommen! Alles weitere erfahrt ihr dort.“ entgegnete eine tiefe, zischende Stimme des Mannes neben Zorijya. Shyija nickte. Was sollte sie auch anderes tun? Vorsichtig versuchte sie zu erkennen, wer er war, doch sie erkannte nichts weiter, als das er einer von ihnen war, was sie zu beruhigen schien. Langsam aber sicher näherten sie sich den Stadttoren Rahals, welche sich meterhoch vor ihnen zu erstrecken schienen. Shyija blickte nach oben, die Fackeln der Wachen schimmerten in der Dunkelheit. Sie hörte, wie der Begleiter ihnen die Gebote Rahals vorlas, sich kaum konzentrierend und nickend blickte sie sich weiter um. „Habt ihr die Gebote für euch aufgenommen?“ Shyija nickte immer noch und murmelte ein leises „Ja“, bevor sie die Stadttore passieren konnten.
Die Wachen sahen die drei Reisenden schweigend an, als sie an den Felsen entlang Richtung Norden liefen, bis sie vor einem Tempel standen. „Dort könnt ihr eure Gebete abhalten und zu Alatar sprechen! Und dort…!“ Er zeigte in eine Ritze an der Seite des Tempels. „Dort ist der Eingang zum Unterschlupf, dort solltet ihr beiden erst einmal sicher sein!“ Er deutete ihnen an, sich hineinzubegeben. Shyija ging hinter Zorijya in den Eingang und sah sich um. Ein kleiner Weg umgeben von heißer Lava führte sie tief in eine Höhle. Der Fremde nickte den beiden nur zu, deutete Zorijya an, dass sie sich für den Kampfe vorbereiten solle und nickte Shyija nur sanft zu. Dann verschwand er. Shyija’s Blicke blieben nun an Zorijya haften. „Wir werden uns hier ein neues Leben aufbauen!“ entgegnete diese und verschwand mit diesen Worten in der Dunkelheit.

Teil 2: Ein neues Leben

Zorijya und Shyija’Xinrae hatten sich sehr bald in die Reihen der Letharen eingefügt Sie hatten ihren Platz in den Reihen erkannt und diesen angetreten. Jeden Tag gab sich Shyija der Schneiderei hin, hatte sie sich doch in den Kopf gesetzt ihre Hand meisterlich führen zu können. Doch immer wieder ging sie an ihre Grenzen, kam einfach nicht weiter. Egal, was sie versuchte, es wollte ihr nicht gelingen. Ihre Hände tief in ihren Haaren vergraben mit einem düsteren Funkeln in die Augen warf sie die Stoffe in die Ecke. Sie war wütend, zornig. Die Zeit hatte Unmut mit sich gebracht, Aufregung und die innere Unruhe schien sich nicht legen zu wollen. Und sie war gefangen, momentan, zum Schutze ihrer Brut, welche sie in sich trug. Mory’tael, der Erzeuger ihres Kindes, hatte ihr dieses einzige Verbot auferlegt, an welches sie sich zu halten hatte, ansonsten würde sie mit ihrem Leben bezahlen. Es krampfte innerlich. Shyija konnte nie sagen, ob es die Brut war oder die innere Wut, was ihre Gedärme so zusammenzucken ließen. Sie nahm ihren Umhang, hüllte sich in diesen und trat in die kalte Nacht. Rahal, dort sollte sie geschützt sein. Dort durfte sie sich auch ohne Begleitung aufhalten, waren doch dort überall Wachen verteilt, die über sie wachen konnten. Die Garde der Rahalis zog an ihr vorüber, sie verfolgte diese aus den Augenwinkeln ehe sie von der taufrischen Wiese auf den harten Steinweg trat. Kleinere Steine schmerzten unter ihren Füßen, trug sie doch selten Schuhe, wenn sie sich nur so fortbewegte, um sich etwas Wasser zu holen um ihre Kehle zu beruhigen. Knarrend öffnete sich die Tür zur Taverne und Shyija drückte sich von dem Dunkel der Nacht in die sanfte und warm beleuchtete Taverne. „Wasser..!“ Sie deutete auf die Krüge und ein leises Krächzen verließ ihren Hals. Sie war durstig, sehr durstig. Der Wirt schenkte ihr nicht mehr Beachtung als jedem anderen Reisenden, der auf seinen Wegen zu verharren schien. Murrend stellte er ihr die Wasserkrüge auf den Tisch und sie streckte ihre Hände nach den Krügen aus. Wie durch Geisterhand schienen sich die Krüge zu ihr zu bewegen. Es war nicht viel, schließlich waren ihre Hände fast an den Krügen und dennoch bewegten sie sich ein Stück zu ihr. Stirnrunzelnd sah sie auf. „Mory..?“ Sie blickte fragend in das dämmernde Licht in der Taverne. Keine Antwort. “Mory, bist du da..?” Keine Antwort. Etwas entgeistert und nachdenklich wirkend drehte sie sich wieder zu ihren Krügen, trank hastig davon und eilte aus der Taverne. Wahrscheinlich hatte sie sich das nur eingebildet, wahrscheinlich war sie nur übermüdet und erlitt Wahnvorstellungen, doch trug die Ruhe der Nacht sie weiter durch die Stadt. Irgendwas war geschehen, sie spürte es. Nicht nur irgendwas war geschehen, mehrere Sachen hatten sich zusammengebraut. Shyija war nur noch nicht darauf gekommen, was es war. So schlich sie weiter durch die tiefe Nacht. Vereinzelt zogen Katzen und andere Getiere an ihr vorbei, Vogelgekreische war zu hören, als wieder einmal eine Katze ihren Hunger an einem solchen stillen wollte. Doch Shyija schien es nicht zu stören, ganz im Gegenteil. Ihre Kräfte schienen sie ob der Schwangerschaft immer wieder zu verlassen, wenn sie nicht genug Ruhe zu sich nahm. Sie war schon weit fortgeschritten in ihrer Zeit des Tragens der Brut. Und jeder einzelne Schritt schmerzte in ihren Gliedern, doch konnte sie auch nicht weiter liegen bleiben. Die Nacht, die dunkle Nacht, klar, schön, ruhig, erfrischend, bedrohlich. Bestens dafür geeignet, finstere Gedanken in den hintersten Zellen ihres Daseins hervorzubeschwören. Lange dachte sie über das Erlebnis nach, welches sie in der Taverne eben zu spüren bekam. Dieses innerliche Kribbeln, was sich von ihrem Unterleib bis hin zu ihren Fingerspitzen trug. Und auf einmal hatte sie etwas Festes in der Hand. Es war sicher Mory gewesen, welcher sie nur wieder einmal verwirren und zur Weißglut treiben wollte. Darum sollte sie sich also nicht weiter scheren. Und dennoch, die Gedanken daran hielten sie immer wieder ab. Sie ermahnte sich innerlich selbst. Sie durfte nicht andauernd darüber nachdenken, es war sicher nichts weiter, sie würde Mory’tael gleich morgen darauf ansprechen, ob er sich ebenso aus dem Nest geschlichen hatte und ihr nachgelaufen war. Und dann würde sich alles ganz einfach aufklären.

Teil 3: Rahal und der Fremde

Sie setzte sich auf die Treppe des Tempels, es schien langsam heller zu werden. Die Nacht schien sich langsam zu verabschieden um den Tag mit einem Handkuss zu begrüßen. Shyija raffte sich abermals auf, ging die Straßen entlang Richtung Stadttore. Sie wusste nicht, was sie dorthin trieb. Instinkt?
Sie konnte gar nicht so schnell schauen, wie jemand an ihr vorbeischoss. Erschrocken und aus Selbstschutz und Schutz ihrem Kinde gegenüber ging sie auf den Boden, krümmte sich zusammen. Doch schien der vermeidliche Angreifer längst weitergezogen zu sein. Ob er sie wirklich angreifen wollte oder war es nur ein Versehen? Die Frage sollte nicht lange unbeantwortet bleiben, da dieser abermals zurückkehrte. Und Shyija spürte, sie kannte diesen Mann. Es war selbiger, welcher ihr auch am Tag ihrer Ankunft begegnete. Er ging zu ihr. Schritt für Schritt. Shyija verharrte erst auf dem Boden, ehe sie sich aufrappelte. Sie hatte keinerlei Angst, nein. Starr ruhte ihr Blick auf ihm und sie trat im Kreis um ihn herum. „Du… Dich kenne ich doch!“ raunte er. Shyija antwortete nicht. „Du… du… dich hab ich doch im Wald gesehen!“ Shyija antwortete abermals nicht. „Zusammen mit dieser anderen Kranken!“ Ihre Augen verengten sich. Leise zischte sie etwas vor sich hin, was den Mann verwirren und verängstigen lies. Kurzzeitig schien er zurückzuweichen, ehe seine Hand zu seinem Dolch glitt, welchen er daraufhin zog. Doch Shyija stürmte nicht auf ihn los. Mit ihren Gedanken war sie klar bei Vater und bei der Brut. Es galt sie zu schützen, nicht ihr Leben war wichtig, nur das Leben ihrer Brut. Gespendet durch Mory, geschenkt von des Vaters Willen und Segen. Weiter drehte sie ihre zischenden Kreise um ihn. Sie versuchte ihn einzuschüchtern, doch scheinbar schien er mental stark zu sein. Immer wieder versuchte er ihr gegenüber Widerworte zu finden und fuchtelte mit seinem Dolch herum. Immer wieder wich Shyija seinem Dolch aus, umkreiste ihn weiter. Sie zischte auf eine ihm unverständliche Sprache weiter. Stück für Stück schaffte sie es ihn klein zu kriegen, ihn zu quälen. Er hielt sich die Ohren zu, scheinbar mussten sie schmerzen. Er drehte sich langsam aber sicher im Kreis, flehte darum, dass sie aufhören solle. Und Shyija gab nach. Nicht aus Mitleid, nur, um länger etwas zum Spielen zu haben. Um länger die Gewissheit zu haben, mit ihren Mächten etwas ausrichten zu können. Röchelnd stand er da, seine Kehle schien zu brennen. „Mörderin..!“ zischelte und röchelte er. Auf Shyijas Lippen legte sich nur ein Lächeln. „Noch nie in meinem Leben habe ich es gewagt jemanden des Mordes zu bezichtigen, von dem ich es nicht genau weiß!“ zischte sie. „Deine Worte sind von Lügen und Intrigen geleitet!“ Er versuchte sich langsam aber sicher wieder aufzurichten. Shyija lachte spöttisch. „Hast du mir noch irgendetwas mitzuteilen, was du mir nicht schon einmal mitgeteilt hast?“ Sie lächelte ihn schadenfroh an. „Ja.. das habe ich. Du bist des Todes!“ Seine Klinge des Dolches schnellte durch die Luft. Im gleichen Atemzug streckte Shyija ihre Hand zu ihm, hielt sie wie ein schützendes Schild vor sich und blickte ihm tief in die Augen. Langsam fing sie abermals an ihn zu umrunden, die Hand immer oben haltend. Ihre Augen glühten förmlich in der Dunkelheit. „Wage es nicht mir zu nahe zu kommen! Wage es nicht oder du bist des Todes!“ Es schien, als würde ihre Hand seinen Hals berühren, doch war sie Meter von ihm entfernt. Es war, als würde sich eine Schlinge um seinen Hals ziehen, an deren Seile sie langsam ziehen konnte, wie von Geisterhand. Sie lief weiter um ihn im Kreis herum, die Hand immer noch schützend zwischen ihm und ihr und ihrer Brut. Der Fremde röchelte und schnappte nach Luft, doch Shyija durchzuckte nur abermals ein leichtes Kribbeln. Es fing im Unterleib an, stieß sich nach oben vor und wurde von jedem einzelnen Millimeter des Durchschreitens ihres Körpers stärker. Umso stärker dieses Kribbeln wurde, umso weiter drängte sie ihn von sich. „Stirb..!“ zischte sie leise und drängte ihn weiter an die kalte, nasse Felsmauer. Und als würde sie ihre Hände schließen und ihn erwürgen wollen schienen sich ihre Finger zu verkrampfen und die Luft zerquetschen zu wollen. Nicht lange dauerte es, bis er sich nicht mehr regte und an der Steinmauer hing, bis sie ihre Hand herab nahm und er letztendlich zu Boden ging. Shyija erschrak. Nicht, dass sie soeben jemanden umgebracht hatte sondern eher darüber, dass sie nicht mehr genau wusste, wie sie das angestellt hatte. Sie sah auf ihre Hände. Sie hatte eben noch gedacht, dass sie in einer ganz anderen Welt wäre. Das sie auf einmal schweben würde und sie hatte alles um sich herum vergessen. Was war das nur? Ihre Finger kribbelten immer noch leicht, doch wurde es von Sekunde zu Sekunde schwächer. Sie packte den Fremden schleunigst an den Beinen, zog ihn hinter sich her, vorbei an den Stadttoren durch den Wald und warf ihn den Panthern im Wald als Fressen vor. Es dauerte nicht lange, bis der erste Panther auftauchte und über die Beute herfiel. Panisch und voller Angst vor dem, was mit ihr geschehen war rannte sie durch den dunklen Wald. Was war das? Sie rannte, Äste peitschten ihr ins Gesicht, doch das war ihr im Moment egal. Sie rannte quer durch den Wald, bis es ihr in die Seite stach und sie kaum noch Luft bekam. Krampfhaft hielt sie sich an einem der Bäume, bohrte ihre Krallen hinein, röchelte. Sie musste nach Hause, sie musste umgehend nach Hause. Sie fühlte sich verwirrt und die Panik ließ sie nicht los. So ging sie zurück in den Unterschlupf. Ihre Beine kribbelten, ihre Lunge schmerzte, ihr Kind strampelte innerlich wie wild und sie wusste nicht, was mit ihr los war. Sie würde Mory um Rat fragen. Er würde es wissen.

Teil 4: Die Wut der Brut

Schlaf hatte sie keinen gefunden. Als sie nach Hause kam fand sie in ihrer Truhe einen Brief. Zoryija war fortgegangen. Irgendwas hatte sie gestört. Mit irgendwas kam sie nicht zurecht. Shyija fühlte sich leer. Immerhin waren sie aus dem gleichen Blute. Ein Teil von ihr war fort, doch es war keine Trauer oder irgendein anderes Gefühl, es war einfach Leere. Leere, die sich dann in ein Gefühl wandelte: Zorn und Wut. Warum war Zoryija nur andauernd so egoistisch? Nie konnte sie an andere denken, immer nur an sich. Shyija trat die Stühle im Unterschlupf um, hob einen der Stühle an, zerschmetterte ihn auf dem Boden. „Du bist wütend, meine Lethra?“ Shyija sah auf. Blut rannte ihren Knöchel an ihren Händen hinab und sie ließ von den Stühlen ab und nickte leicht. Mory kam näher, sah sie an und packte dann mit seiner Hand nach ihrem Kinn, bohrte die Krallen in ihr Fleisch. Schnell zog sie die Luft ein. „Zügle dich, Lethra. Zügel deinen Zorn!“ zischte er ihr zu. Abermals nickte sie nur. Er hatte Recht. Sie musste ihren Zorn bändigen. „Was ist nur los mit dir?“ Doch er ließ von ihr ab, schenkte ihr keinerlei Blick mehr und ging mit den anderen hinaus.
Und so stand sie auf der Brücke. Alle waren zur Jagd gegangen, doch sie durfte nicht mit. Sie konnte Mory bisher nichts von ihren Erlebnissen erzählen, wollte er doch mit den anderen Letharen Leder erbeuten. Leder, das sie dann verarbeiten durfte. Es sollte ihr Recht sein. Sie richtete ihren Blick auf die unterhalb von ihr glühende Lava. Es schien so, als würde sie wieder alles um sich herum vergessen. Leise begann sie zu summen und auf Zehenspitzen zu tänzeln. Fast, als würde ein Bann auf ihr liegen. Sie riss ihre Arme nach oben und bewegte diese hin und her, den Augenschein weiter auf die Lava gerichtet, welche sich in dem Becken vor ihr nun ihren kreisenden Armbewegungen anpassten. Fasziniert schaute sie darauf, als sie abermals dieses Kribbeln überkam. Sie führte ihre Hände weiter im Kreis, durchzog mit ihren kreisenden Bewegungen die Lava, welche sich um das Podest mit dem Panther schlang und ein Stück nach oben drang. Sie war wieder in dieser ‚Welt’ und lachte hämisch vor sich hin. Nicht einmal die herbeieilenden Schritte hatte sie mitbekommen. „SHYIJA!“
Sie zuckte zusammen. „Was tust du da?“ Der Blick Mory’taels brannte auf ihrem Rücken. Schnell ließ sie ihre Arme sinken, was auch die Lava erstarren und in ihrer normalen Bewegung weiterziehen ließ. Langsam drehte sie sich zu ihm um. Sie konnte seinen Blick nicht deuten, doch das musste sie auch nicht. Denn in der nächsten Sekunde hatte er abermals nach ihrem Kinn gepackt. „Du wirst doch nicht mit Dingen spielen, von denen du keinerlei Ahnung hast, oder Lethra? Und du wirst doch nicht die Brut unnötiger Gefahr aussetzen wollen.. ODER LETHRA?“ Shyija schluckte und röchelte nur leise. „Komm mit, ich habe dir die Knochen der Dämonen mitgebracht, forme daraus einen Helm für unseren Lethrixor!“ Shyija sah ihn an. „Ich.. ich.. ich bin nicht fähig dazu, diese zu formen!“ Mory sah sie mit glimmenden Augen an. „WAS, verdammt, WAS kannst du eigentlich? Du bist unfähig, Shyija. Einfach nur unfähig! Geh ins Gebet!“ Er wollte sie fortschicken doch sie stand nur da und sah ihn an. Und dann begann sie zu sprechen, ihm zu erzählen, was ihr passiert war. Auch fragte sie ihn, ob er in der Taverne gewesen war. Als er dies verneinte, erklärte sie ihm alles, was an diesem Abend, in der letzten Nacht passiert war. Sie behielt ihn im Augenschein, versuchte seine Reaktionen und Gesichtsausdrücke zu deuten. Doch konnte sie aus seinem Gesicht kaum etwas lesen. Es war ruhig, aufmerksam. Ab und an runzelte er die Stirn, schien tiefgründiger nachzudenken. Dann stand er auf. „Lethra, komm!“ Sie erhob sich, ging mit ihm. „Stell dich hier hin!“ Sie gehorchte, stellte sich ihm gegenüber hin. „Schließe die Augen!“ Auch das tat sie. Er entfernte sich von ihr. „Lass die Augen geschlossen!“ Sie nickte leicht. Leise Töne summten ihr durch den Kopf, scheinbar ihre Brut beruhigen zu wollen, doch auf einmal fing es wieder an – das Kribbeln in ihrem Bauch, hinauf zu ihren Fingerspitzen. „Konzentriere dich!“ Mory’tael wandte sich herum, warf einen Wurfdolch in ihre Richtung und Shyija hob ihre Hand fast aus Reflex und brachte den Dolch in der Luft zum stoppen. Sie hob ihre Hand wie ein Schutzschild und ließ den Dolch schweben. Sie öffnete ihre Augen und erblickte Mory wie er stirnrunzelnd den Kopf schüttelte. „Die Brut..! Es ist die Brut! Und dein innerlicher Zorn..“ raunte er leise murmelnd. „Ich bin mir fast schon sicher!“
„Aber wie kann das sein?“ Shyija sah ihn fragend an. „Wenn ich das wüsste, Lethra. Ich bin selbst überfragt.“ Shyija seufzte leise. Ihr war klar, das Mory von Magie sprach. Magie? Shyija’Xinrae und Magie? Ob man sicher davon sprechen konnte, dass sie mit Magie umging? Nie zuvor war ihr bewusst geworden, nie zuvor hatte sie daran gedacht, dass sie der Magie bewandert war oder bewandert sein könnte, sicher wusste es niemand. So bewandert, wie er es war, wie andere Lethyren es waren. Und doch, wenn sie zurückblickte, wie sie groß wurde, dann schien es fast so, als hätte sie mehr Ahnung von Magie gehabt als all ihre Brüder und Schwestern in dem fernen Land aus welchem sie vertrieben wurden. War es ihre Vorbestimmung, dass ihre Magie erst nicht zum Vorschein kam? Hatte der Vater sie auf eine Probe stellen wollen? Oder kam ihre Magie wirklich nur durch die Vereinung von ihr und Mory’taels in sich? Immer wieder konzentrierte sie sich auf die Unterschiedlichsten Dinge, welche ihr teilweise gelangen, teilweise allerdings beeinflusste sie auch das Gegenteil. Mory saß oftmals bei ihr, nicht unbedingt ihretwegen, eher der Magie willens. „Du wirst lernen müssen, mit dieser Magie umzugehen! Ob sie nur für die Zeit deiner Brutzeit ist oder ob du sie auch danach noch haben wirst. Du wirst es lernen müssen. Sonst könntest du großen Schaden anrichten!“ Shyija nickte. Und sie wusste nicht, auf welch harten Weg sie sich einließ. Doch sie würde ihn durchstehen. Und selbst wenn sie sich nicht sicher war, ob diese Kunst sich der Magie hinzugeben nur für den Zeit ihrer Trächtigkeit anhielt, sie würde lernen. Ansonsten würde sie eine zu große Gefahr für all ihre Brüder und Schwestern abgeben.

Teil 5: Abendruhe, die Suche nach Vaters Rat

Shyija’Xinrae hatte sich an Mory’taels Worte gehalten. Sie zog sich in den großen Saal zurück, setzte sich auf eine der schwarzen Bänke und schloss ihre Augen. Sie wollte sich vollkommen auf ihre Worte konzentrieren, so erhoffte sie sich doch Hilfe von Alatar – dem allmächtigen Vater. Er würde seine Hand über seine Schützlinge halten und wenn nicht er ihr weiterhelfen konnte und wollte mit seinem Rat, wer dann? Leise begann Shyija zu murmeln.

„Allmächtiger Vater Alatar, ich rufe dich, ich flehe dich an, mich zu erhören. Vater, deinem Weg möchte ich folgen. Dir möchte ich dienen mit all meinen Fähigkeiten. Ich möchte Nutzen für dich tragen, ich, als Kind deiner Güte. Mein Wille ist es den Weg zu beschreiten, den du für mich wählst. Mein Wille ist es, deinem Rat zu folgen. Mein Wille ist es, dir zu folgen, selbst wenn mich dein Weg in den Tod führt. Ich möchte für dich schreiten, für dich leben in Wort und Tat. Vater, hilf mir. Steh mir bei. Ebne mir meine Wege, zeige mir, wohin mich deine Gesinnung führen mag. Öffne mir meine Sinne für deine Visionen, zeige mir, worin meine Kraft liegt. Vater, erhöre mich. Höre mich an. Geb mir die Kraft für dich zu sein, zu leben, zu schreiten, zu sterben. Zeige mir meine Wege, meine Gesinnung. Du hast etwas für mich auserwählt, ich trage dein Kind in mir. Das Kind meines Glaubens zu dir, welches ich behüte. Schenke mir deine Visionen, erhöre mich.“

Shyija atmete kurz durch, hielt ihre Augen weiterhin geschlossen. Sorgsam hielt sie ihre Hände gefaltet, den Kopf geneigt, ehe sie leise weitersprach.

„Vater, um deine Gunst möchte ich flehen. Mit meinem Gebet möchte ich dich, Allmächtiger, erreichen. Mit meinem Gebet flehe ich um Rat. Flehe um deine Güte, kläre meine Gedanken, meine Sinne. Halte mich ab von Verwirrung und Missmut. Dir will ich dienen, nur dir, Vater. So bitte ich dich, mich zu erhören.“

Shyija saß noch eine Weile ruhig verharrend da. Ihre Augen weiterhin geschlossen. In ihr spielten die Gedanken verrückt. Was war das, was sie in sich trug? Hatte die Verbindung, die sie zu Mory’tael hegte wirklich die Magie in ihr heraufbeschworen? Sie fühlte sich unsicher, wackelig auf ihren Beinen. Und sie wusste, die nächsten Tage und Wochen würden trotz ihrer Schwangerschaft ein hartes Stück Arbeit werden.

Teil 6: Verständnis und Unverständnis – Die Grenze des Seins

Mory ließ sie nicht aus den Augen. Immer wieder ließ er sie unterschiedlichste Dinge der Magie probieren. Die Einen scheiterten, die Anderen gelangen. Und immer hatte sie dieses Gefühl in ihrem Körper, was aus ihrem Unterleib ausging. Dieses Kribbeln. Sie leistete sich Magiekämpfe mit Mory, doch war sie meist zu schwach seine Magie zu blocken oder mit ihrer zu koppeln, um gemeinsam hervorzugehen. „LERNE, LETHRA!“ Mory wusste, was er tat. Er wusste, dass der Brut nichts geschehen würde und er wusste auch, dass er Shyija nun antreiben musste. Shyija wusste nichts weiter über Magie als das, was all die anderen auch wussten. Und ihr Wissen musste nun genährt werden. Es vergingen Tage, Wochen, in denen sie einiges lernte. Sie fing langsam aber sicher an ihr Wissen über die Magie gezielt einsetzen zu können. Zwar nicht in dem Können, wie Mory es tat, doch sie war wesentlich geschickter als zuvor. Sie ließ sich nichts weiter anmerken, immer übte sie nur dann, wenn sie mit Mory allein war. Ab und an passierten ein paar Missgeschicke, gerade zu Zeiten, als sie ihren Zorn und ihre Magie nicht kontrollieren konnte, doch fand sie immer beruhigende Worte. Die Brut. Es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sie auf die Welt kommen sollte. Vielleicht noch ein oder zwei Tage, nicht länger. Shyija spürte es innerlich. Und immer wieder stellte sie sich die Frage, ob ihre Magie dann wieder ging. Oder ob es doch Vorbestimmung war, die ihr erst mit dem Erreichen von Pflichtbewusstsein überreicht wurde. Viele Dinge schien sie noch nicht zu schätzen, viele Wissenslücken taten sich noch auf. Ihr Wissensdurst sollte gestillt werden, ihre Neugierde befriedigt. Doch wer hatte die Antworten auf ihre Fragen? Wer konnte ihr all das Wissen weitergeben, welches sie besitzen wollte? Sie zog sich Abend für Abend zurück in ihr Gebet. Wenn nicht Vater, wer sonst sollte ihr die Antworten auf all ihre Fragen geben? Die Unsicherheit in ihr wuchs von Tag zu Tag.
Stundenlang saß sie im Gebet. Doch scheinbar schien sie sich nicht konzentrieren zu können. Der Unterschlupf war ruhig, nur das Fließen und Zischen der heißen Lava war zu hören. Konnte ihr denn niemand Antworten geben? Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter. „Geh schlafen. Der Tag morgen ist lange und wir haben noch genug Übung vor uns. Du musst lernen!“ Sie zog sich in das kalte Kämmerchen zurück, legte sich auf die Felle, schlief ein.

Teil 7: Geburt, Geschrei und andere Stolpersteine

Abend. Wie immer. Mory war weit und breit nicht zu sehen. Sie stand vor der Taverne. Im Inneren war reges Treiben, doch Shyija brauchte Luft. Es stand etwas bevor, wovon sie keinerlei Ahnung hatte. Alles schmerzte so. Sie krallte sich in das Holz des Geländers der Taverne. Ein markerschütternder Schrei durchdrang daraufhin Rahal. Es war soweit. Sie ging zu Boden. Nicht jetzt, nicht heute. Nicht in einem Moment, zu welchem ihr Lethyr nicht zur Stelle war. Sie schloss die Augen. Sie hatte so viel gelernt, doch schien ihr das alles nun nicht zu nützen. Die Gewalt der Natur war stärker als die Magie, die ihr auferlegt wurde. Nach Stunden der Qualen war es geschehen, sie hatte einen Sohn zur Welt gebracht. Trotz ihrer Schwäche rappelte sie sich auf, nahm ihr Kind in den Arm, wickelte es in Stoffe um es vor Unwetter zu schützen. Danach trat sie ins Freie. Sie machte sich auf durch die Straßen zum Unterschlupf, als sie Geraschel hörte. Schnell umschloss sie das Kind, sah sich um. Ihre Augen funkelten kurz auf und sie schien nun besser zu sehen in der Dunkelheit. Auch eine Spielerei der Magie. Sie sah sich um. Doch niemand schien da zu sein. Und doch spürte sie die Anwesenheit eines Menschen. Sie war feinfühlig geworden in der letzten Zeit, warum auch immer, was sie aber natürlich nicht unbedingt als negativ empfand. Warum auch? Es war immer vorteilhaft zu wissen, ob sich jemand in der Nähe befand. Leise, für normal sterbliches Ohr kaum hörbar summte sie vor sich hin, kein melodisches Summen, eher ein eintöniges Summen und dennoch sorgte das Summen dafür, dass der Kleine ruhig in ihren Armen schlief. So klein und blau wirkte er fast ein wenig verletzlich. Bis jetzt wusste Shyija nicht, ob er mit Magie bewandert war wie sein Vater. Doch das würde sich mit der Zeit herauskristallisieren. Shyija war geschwächt, zog sich sehr schnell in den Unterschlupf zurück. Tage, Wochen vergingen, als sie ihre Brut zur Welt gebracht hatte. Sie kümmerte sich darum, wie ein Panther um dessen Junges. Umhegte und pflegte es, zog es heran. Die erste Zeit war gefährlich: War es zu heiß, wäre es schlecht gewesen, war es zu kalt, wäre es ebenso ungesund gewesen. Und dennoch wusste sie, dass nicht immer der Mittelweg gefunden werden konnte. Mehr konnte sie nicht tun, Zeriyon war auf sich alleine gestellt, seit dem Tag seiner Geburt. Und er war stark.

Wochen vergingen. Ruhe im Unterschlupf. So gut wie niemand wagte es sich, die junge Lethra zu stören. Sie war schwach, lag wie ein zusammengekauertes, kränkliches Tier in ihrem Eck im Unterschlupf. Sie war verwirrt, sie war krank. Doch krampfhaft biss sie jedes Mal wieder die Zähne zusammen, wenn sie sich aufrappelte um sich zu nähren. Sie umklammerte den massiven Holzstab und schlich sich auf ihm abstützend vorwärts, Richtung Ausgang des Unterschlupfes. Ihre Augen schmerzten bei Tageslicht, seither ging sie ausschließlich nachts hinaus. Sie schlich sich wie jeden Abend in die Taverne, deutete in einem der hinteren Räume der Taverne auf das, was sie haben wollte und kaum wenige Sekunden später hielt sie das Fleisch in der Hand. Anfänglich hatte sie sich noch gewundert, dass sie ihre Hand ausstreckte, unmittelbar vor dem Essen und auf einmal war es wie durch Geisterhand in ihren Händen. Doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt. Keuchend und kränklich wirkend schlich sie sich zurück ins Nest, ließ sich auf ihre Felle fallen. Sie hatte keine Kraft mehr. Sie fühlte sich leer gesaugt und schwach, was der Auslöser dafür war wusste sie nicht. Sie spürte nur, dass sie Tag für Tag schwächer wurde. War ihr Dienst für den Vater beendet? Oder war es abermals ein Hindernis, was es zu überwinden galt? Shyija strich sich den kalten Schweiß von der Stirn. Vielleicht war sie nicht diejenige, die zur Magie auserkoren war. Vielleicht machte die Magie sie krank. Sie wusste es nicht, sie machte sich auch keine weiteren Gedanken darüber. Wenn es des Vaters Willen war würde sie für ihn sterben. Wie ein kränkliches Tier vegetierte sie vor sich hin, röchelte, krächzte. Sie war sich nicht sicher. Hatte Vater von ihr abgelassen? War sie womöglich nicht fähig für ihn seine ihr vorbestimmenden Wege zu beschreiten? Shyija hatte die Schwangerschaft über Verbindung mit der Magie gehabt, doch langsam aber sicher merkte sie, wie sie aus ihrem Körper schwand. Mit jedem Moment wurde sie schwächer, so, als würde man ihr jeden Lebenshauch den sie vorher hatte aus dem Körper ziehen. Gemeinsam mit ihren Fähigkeiten für die Magie, die sie vorher in sich trug. Zeriyon lag neben ihr, eingewickelt in Felle, schlief seelenruhig. Er würde seinen Weg für den Vater kennen und wenn Shyija ihn schon nicht beschreiten konnte, sollte wenigstens Zeriyon dies tun. Von Schmerz und Pein geplagt schloss sie die Augen, verkrampfte sich auf dem Boden und flehte Vater in ihren Gedanken an, ihr Leben zu beenden.

Die Tür wurde mit einem Schlag aufgestoßen. Die Lethra sah kurz auf, sah die Schatten und die Umrisse Mory’taels. Seine Kleidung war zerfetzt, doch stellte sie keine weiteren Fragen, wusste sie doch die Antwort, welche sie bekommen würde. „Lethra..“ sprach er leise. Shyija sah erneut auf, raunte, krächzte, röchelte. Er musterte ihren Bauch, welcher wieder völlig in sich zusammengesunken war. „Ich fühle Schwäche, du wagst es doch nicht Schwäche zu zeigen?“ Die Lethra erhob sich bei seinen Worten. Auch wenn sie zitterte und ihr ganzer Körper bebte, kalter Schweiß von ihrer Stirn lief wollte sie nicht als schwach gelten. Leise wie auf samtenen Pfoten umrundete er sie, zog ihren Duft durch seine Nase ein. Er spürte ihre Schwäche, die Leere und Dunkelheit die in ihr wohnte, nur noch ein kleiner Hauch an Leben, der in ihr ruhte. Ihre Glieder schmerzten, krampfhaft umklammerte sie den Stab, auf welchen sie sich stützte. Kurz berührte er ihre Wange. „Wagst du es, Schwäche zu zeigen? Wagt meine Lethra es, die gute Erziehung meinerseits genoß, sich in ein Eck zu verkriechen und um den Tod zu flehen?“ Shyija’s Knöchel ihrer Hand wurden langsam weiß, so sehr umklammerte sie ihren Stab. Gequält schüttelte sie ihren Kopf, war sie kaum noch fähig zu sprechen. Ihre Lippen waren spröde, ihrer Haut fehlte jeglicher Glanz. Ihre anmütige Schönheit war wie verflogen. Mory’taels Hände wanderten von ihrer Wange weiter zu ihren Haaren. Er packte sie an diesen, zog ihren Kopf nach hinten. Shyija war zu schwach um auch nur ein wenig gegen ihn zu halten, fiel zurück auf den Boden, jaulte auf. Der Schmerz betäubte sie innerlich fast, durchzog ihren geschwächten Körper. Mory’tael sah sie an und schüttelte nur den Kopf. „Geh!“ Er deutete zur Tür. „Du weißt, was zu tun ist! FLEHE, Lethra, FLEHE um dein Leben!“

Shyija kniete sich in den Sand, stützte sich auf die verstaubten Bänke. Es war ihr egal, sie war zu schwach. Leise murmelte sie immer wieder wirre Worte vor sich hin, für einen jeden unverständlich, der nicht ihre Sprache sprechen würde. Sie wirkte reichlich gealtert und geschwächt, hatte Leben verloren, sah vom Leben mitgenommen aus. Weiße Strähnen durchzogen ihr Haar. Und doch sprach sie tapfer ihr Gebet. Sie fragte um Rat, um die Weisheit Alatars, um seine Hilfe, um seine Gunst und seine Gnade. Für einen Moment schloss sie die Augen, schwieg. Eine andächtige Minute für den Vater. Er würde ihr sagen lassen, was zu tun ist. Er würde ihr Leben beenden, wenn es an der Zeit war oder sie in neue Wege treten lassen, wenn er es für richtig empfand. Die kränkliche Lethra umklammerte erneut ihren Stab, zog sich qualvoll daran hoch und kroch langsam zurück in die Räumlichkeiten. Und doch achtete sie darauf, dass sie niemand anderes in diesem erbärmlichen Zustand sah außer Mory’tael. Das war schon schlimm genug. Sie ließ sich in ihre Felle sinken und schloss die Augen. Die Nacht trat herein und mit ihr unruhiger Schlaf, Unmut und riskante Träume, welche die Lethra im Schlaf durch die Felle wälzen lies. Mory’tael saß neben ihr. Immer wieder sah er zu ihr, doch rannte keinerlei mitleidsvoller Ausdruck über sein Gesicht. Er würde Vater selbst fragen, welcher Weg für seine Lethra vorgesehen war. Sollte es der Tod sein, würde er sie eigenhändig opfern. Niemals würde sich Mory’tael nachsagen lassen, dass seine Lethra, sein Besitz, Schwäche zeigen würde und sich ihrem Weg für den Vater nicht bewusst wäre. So viel Stolz hatte er ihr gegenüber gehabt, anfangs. Doch wurde mit der Zeit alles so sehr getrübt. Doch der Allmächtige würde ihm helfen. Ihm, welcher dem Vater am nächsten stand.

Mory’tael schien seine Antworten zu bekommen. Sie waren verschlüsselt, er selbst war nicht wirklich in der Lage, sie bis in die kleinste Kleinigkeit zu entschlüsseln, doch gab er sich Mühe. Seine Lethra sollte ihren Weg für den Vater beschreiten und dann sterben, wenn Vater es für richtig empfand. Und wenn er es jetzt als richtig empfinden würde, hätte er sie längst zu sich geholt. Aber er tat es nicht, er nahm ihr fast all ihr Leben und ließ sie leiden. Vater fügte ihr all den Schmerz und all die Plage zu, mit welcher sie sich Tag für Tag aus den Fellen trug. Mory’tael sah, wie sehr sie sich bemühte und wie sehr sie sich quälte, nur um vor ihm nicht schwach zu wirken. Sie musste starke Schmerzen haben, doch war ihm das egal. Für ihn zählte nur eines: Vater. Und genau das zählte ebenso für sie.

Teil 8: Der Weg Alatars

Die darauf folgende Zeit war die härteste Zeit, welche Shyija zu bewältigen hatte. Ihre Gedanken schienen sich aufzuhellen, von trüben Gedanken die nicht Alatar gedient hatten freizulegen. Mory’tael stand ihr zur Seite. Nicht offensichtlich, doch tat er alles, um ihr die Vision Alatars näher zu bringen. Er hatte sie vernommen, er hatte Alatars Lied in sich verspürt, seine Visionen durch seine Sinnesboten erhalten. Und mit dieser Vision auch den Weg, den Shyija nun qualvoll gehen musste. Was danach für seine Lethra kam, wusste er nicht. Was Alatar für Shyija auserkoren hatte wusste er ebenso nicht. All ihre Kraft hatte sie in ihrer Schwangerschaft für die Magie auferlegt und mit ihrer Geburt und dem scheinbaren verschwinden der Magie schwanden auch ihre Kräfte. Soviel war Mory’tael bewusst geworden. Zu schön wäre es gewesen, eine stolze Lethry an seiner Seite zu haben. Sein Besitz, eine Lethry, was wäre besser gewesen?
Und doch, würde sie die Prüfung ihres Lebens bestehen konnte er abermals seinen Stolz zeigen. Und er wusste, Shyija würde kämpfen.
Und das tat sie auch. Auch wenn sie noch so schwach war, setzte sie sich zu Mory’tael. Sie hörte ihm zu, was er ihr zu sagen hatte. „Lethra, es gibt einen Weg, den ich momentan für dich zu beschreiten habe!“ Shyija nickte leicht. „Ich weiß nicht, wohin er dich tragen wird, doch ist es des Vaters Wille, dass du den Weg deines Lebens beschreitest. Du hast zwei Richtungen. Leben.. oder Tod!“ Shyija nickte abermals, zog die Luft langsam ein, was in ihren Lungen abermals schmerzte und zu einem leisen Röhren versiegte. Langsam und Stück für Stück erklärte er seiner Lethra, was sie zu tun hatte. Vater verlangte von ihr ein Opfer. Das Opfer sollte sie bringen. Welches Opfer das war, konnte Mory ihr nicht sagen. „Lass deine List spielen, Lethra!“ Shyija nickte abermals. Sie war immer noch schwach, wenn auch gestärkter, als zu Zeiten der Geburt und den Wochen danach. Winter war ins Land gezogen, die Kälte und die Winde durchzogen den Unterschlupf. Shyijas Wille war gestärkt. Sie hatte die Perspektive, die Vision Alatars erhalten. Mory erklärte ihr, was Vater von ihr wollte. Er erklärte ihr, was sie zu tun hatte. Doch an der Ausführung hing es nur an ihr allein.

„Werde deinem Dienst an Alatar getreu, meine Lethra!“ zischte er und berührte abermals ihre Wange. „Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht!“ Es bedarf langer Vorbereitungen bis Shyija wieder so gekräftigt war, dass sie sich alleine ohne weitere Hilfe fortbewegen konnte, auf lange Strecken gesehen. Mory mischte ihr Tränke, die ihr helfen sollten, die sie stärken sollten. Bis schließlich ihr Tag gekommen war, der über Leben oder Tod entscheiden sollte.

Teil 9: Vorbereitungen, eine neue ‚Freundschaft’ und das Spiel mit der List

Jinia war ein junges Mädchen. Nachts war sie hilfesuchend durch Rahal geirrt, als Shyija auf ‚Beutezug’ ging. Jinia, zu keinem Glauben hingezogen, suchte Zuflucht. Tiefe Wunden klafften an ihrem Rücken, über ihrem Gesicht und Shyija war gar freudig von ihren bleibenden Narben angezogen. Die Schönheit der Narben faszinierten sie, wie sie auf der blassen Haut des Mädchens in den paar wenigen Sonnenstrahlen des Winters glitzerten. Es war fast so, als würde Jinia wirklich so naiv sein und glauben, dass Shyija ihr nur helfen wolle. Jinia dachte, Shyija hätte vollstes Vertrauen zu ihr, also schien auch Jinia Shyija zu vertrauen. Sie war ebenso wie Shyija Schneiderin. Und voller Güte bot Shyija an, Jinia die grundlegenden Dinge der Schneiderkunst zu zeigen. Sie wollte Jinias vollkommenes Vertrauen. Vollkommen. Jinia war rein. Sie war auserwählt. Manch anderer Anhänger Alatars wäre sicher stolz auf sich gewesen hätte er sich für Alatar opfern dürfen. Aber manch andere musste man eben zu seinen Glück zwingen – eben wie Jinia. Es waren ein, zwei Monate in denen sich Shyija und Jinia näher kennenlernten. Jinia dachte, sie hätte in Shyija eine wirkliche Freundin gefunden, hörte nie auf das, was die Anderen versuchten ihr über Letharen zu sagen. „Ihr habt keine Ahnung, ihr seid verseucht mit wirren Gedanken!“ Doch so richtig glauben wollte Jinia nie. Sie hatte ihre Glaubensrichtung nie festgelegt und wollte sich auch weiterhin nicht von einem Gott abhängig machen. Und so geschah es, dass sich die Nacht langsam über den Tag zog und grelle Schreie durch die Dämmerung stießen.

Der Abend verdunkelte sich nun immer mehr. Die Lethra tanzte durch die langen, leeren Korridore, vorbei an den leblosen Portraits der verstorbenen Ihresgleichen. Es schien, als wäre sie schon ein Stück gestärkter, als hätte sie jetzt schon ihr Ziel erreicht. Das Blut rauschte in ihren Adern, ihr Herz schlug schneller, und ihre Muskeln brannten vor freudiger Erschöpfung. Ihr Rücken war gerade, die Hüften schlank und die Gliedmaßen geschmeidig. Sie sprang in die Luft, drehte sich und landete mit der Eleganz eines Panthers. Pirouetten drehend lachte sie in den abendroten Himmel und die länger werdenden Schatten. Dafür werde ich sie alle noch einmal zum Tode verurteilen, dachte sie. "Ich lebe, und ich werde solange leben, solange es Leben gibt." Ihre Glieder schmerzten, ihre Lunge brannte und brachte sie immer wieder dazu fürchterlich zu husten.
Und plötzlich stand Jinia im Korridor. Jinia seufzte erleichtert auf. Vor dem Verschwinden ihrer Furcht hatte Jinia gar nicht gewusst, wieviel Angst sie wirklich gehabt hatte. Sie fühlte sich schwach und irgendwie erleichtert, da sie nun wusste, dass sie leben würde. "Shyija" rief sie. Die Lethra drehte sich um und lächelte dann. "Du bist nicht verletzt? Du bist all den Qualen entkommen?" sprach Jinia, wohl immer noch hatte sie den Abend in ihren Gedanken als soviel geschehen war. Mory hatte den Abend perfekt hingedreht, so dass es aussah, als würden Shyija und Jinia von den gefangenen, verfluchten Untoten angegriffen. Es war ein Spiel, der Spielbeginn für das, was in der nächsten Stunde spielen würde. Shyija eilte durch den Korridor auf Jinia zu. "Du bist so tapfer, nicht ein einziger Kratzer." Jinia nickte nur stumm vor Erleichterung Shyija wieder zu sehen, allerdings ahnte sie noch nicht, dass diese Lethra trotz ihrer besänftigten Worte vom Bösen berührt schien, so wie es Jinia alle gesagt hatten, doch Jinia war jung und dumm, sie hatte Shyija geglaubt und vertrauen geschenkt, dass die meisten Menschen lügten. Sie ließ sich auf Shyija ein, ließ sich die perfekte Freundschaft vorgaukeln. "Was haben sie von Dir verlangt, Shyija? Nachdem Du verschwunden warst, gab es Unmengen von Gerüchten. Manche sagten Du hättest deinen Letharen verlassen und wärst mit einem anderen davon gelaufen?! - lauter schreckliche Dinge eben. Du warst wie vom Erdboden verschluckt, ich dachte schon, sie hätten dich gezwungen dich den dunklen Mächten anzuschließen. Was wäre nur aus Mory geworden.. und aus deinem kleinen Sohn?"
"Oh die." Shyija hob die Arme und zuckte mit den Schultern. "Wen interessiert schon, was die verlangen. Ich habe meinen eigenen Willen, ich bin stark". Sie wirkte kühl und gleichgültig. "Und mein Lethar? Es geht ihm gut. Ebenso wie meinem Sohn."
Jinia zog eine Augenbraue nach oben und musterte sie. Shyija hatte sich verändert, sie war nicht mehr die fröhliche, unbesorgte Freundin, die sie einmal an ihrer Seite hatte. Die ungesunde Hautfarbe, die Art, wie die Lippen über den Zähnen spannten, all diese Dinge weckten in Jinia die Befürchtung, dass ihre Freundin bald sterben könnte. Tatsächlich hatte Shyija wieder ein wenig an ihrer Kraft verloren. Der Tag war lange gewesen, sie hatte vieles aushalten müssen, doch wenn es der Weg war, der zu beschreiten war, wollte sie ihn einstehen.
Shyija musterte Jinia und musste schmunzeln, als sie sah, wie ihre Gesichtszüge immer mehr Besorgnis aufwiesen. Sie würde sie in ihren letzten Minuten ihres Lebens qualvoll in den Wahnsinn treiben. Jinia würde nicht vergessen, was Shyija mit ihr anstellen würde. Und Shyija würde nie die wahnsinnigen Schreie aus ihren Sinnen lassen, die ihr später so viel Kraft schenken würden. Shyija lächelte verstohlen, ehe im nächsten Augenblick einer der Wächter zurückkehrte, welcher Shyija zuvor die Türen zu dem langen Korridor geöffnet hatte. Er nickte der Lethra nur leicht zu, fast unmöglich es als ein Nicken zu deuten. Er trug einen grossen Eimer und einen langen Stab. Shyija sprach nicht mit ihm, sie deutete nur auf den Eimer und dann auf den Boden an der Tür. Er schien zu wissen was zu tun war, stellte den Eimer und den Stab ab und verschwand wieder. Jinia bemerkte seine Angst, obwohl dieser doch auch sehr bösartig schien. Irgendetwas Grauenvolles würde geschehen. Sie konnte sich nur nicht ausmalen was. Immer wieder sah sie zu Shyija und wollte sprechen, doch drangen längst keine Worte mehr über Jinias Lippen.
"Ewiges Leben hat seinen Preis" sagte Shyija und wandte Ihre Aufmerksamkeit wieder zu Jinia. "Die Magie unseres Landes wird zunehmend schwächer. Die Letharen werden nicht als das angesehen, was sie sind. Die Magie der Lethyren - Sie wird immer anämischer, unbrauchbarer. Sie flackert wie eine Kerze, die weit nach unten gebrannt ist und langsam erlischt. Ewiges Leben verlangt nach Magie. Und ich will ewiges Leben. Ich will Ruhm. Ich will Macht. Genauso wie mein Lethyr. Für ihn, nur für ihn. Für Alatar lohnt es sich zu leben, Jinia. Doch du hast nie kapiert. NIE!".
Shyija ging den Korridor weiter hinunter, nahm den Eimer und steckte den Stab in die trübe, rotbraune Flüssigkeit. Sie rührte einen Augenblick darin herum, nahm etwas von dieser undefinierbaren Flüssigkeit heraus, drehte sich um und schleuderte diese auf Jinia. Sie schrie, sprang etwas zur Seite und versuchte die Spritzer von ihrer Haut und der Kleidung zu rubbeln. Das machte die Flecken zwar noch schlimmer, aber sie brannten weder ein Loch in ihre Haut noch zerfraßen sie ihre Kleidung. Allerdings gelang es ihr auch nicht, sie zu entfernen. Die Masse verschmierte nur immer mehr, wenn sie daran rieb.
"Was ist das?" ... rief sie wütend zu Shyija.
"Blut." Sie trat einen Schritt zurück, hob den Kopf und stieß einen hohen, durchringenden Schrei aus.
Jinia hörte das leise Flüstern von Wind und leise Worte eines Mannes. Zischende Worte. Sie hätte schwören können, dass dieser Kerker, oder was immer diese Zuflucht Shyijas und ihrergleichen darstellte, tief unter der Erde lag; aber die Stimmen des Windes waren nicht zu überhören. Wind, wo es keinen Wind geben konnte. Er wurde lauter, kam näher, und einen Moment später spürte Jinia ihn auf den Wangen. Mit ihm kam ein leichter, aber deutlich wahrnehmbarer Geruch von Verfall, von Fäulnis, Ruin ... Tod. Eine leichte Brise. Kalt. Stinkend. Böse.
Shyija nahm den Eimer in die Hand, ging auf sie zu. Jinia wurde klar, dass die Gerüchte über Shyija’s Gesinnung und ihrem Tatendrang und den Erzählungen über Letharen keine Gerüche mehr waren. Der Wind wurde stärker, lauter. Kleine Lichter begannen um Jinia herumzuflackern, fast als würde sie bewusstlos werden. Shyija strich vorsichtig über Jinias Haut und berührte die Stellen, an denen sie mit Blut bedeckt war. Und dazu immer wieder dieser Geruch. Eine sanfte Brise ... aber mit dem Gestank des Todes. Fast, als würde ihr Leben ausgesaugt werden.
Shyija sprach auf Jinia ein, in einer Sprache die sie nie zuvor gehört hatte. Jinia schloss die Augen, ihren Kopf hin und her windend und ihre Hände an die Ohren haltend. Das Blut lief an ihren Armen hinab. „Hört auf!“ Ihr Kreischen war durch die ganzen Korridore zu hören. Langsam, Stück für Stück wollte Shyija Jinia in den Wahnsinn treiben. Ihr Opfer für Alatar auf dem Altar darlegen. Und Jinia sah um sich herum nur noch wunderschöne, tanzende Lichter. Sie presste ihre Kleidung an sich, ehe Shyija weiter auf sie einsprach. Diese Sprache, es machte sie wahnsinnig. Ein verzweifelter Ruf nach Gnade war von Jinia zu hören, ein wortloses, hysterisches Geschrei. Sie grub ihre Fingernägel unter die Haut, kratze sich, riss daran. Zerkratzte ihr Gesicht, ihre Brust und riss sich die Kleider vom Leib. Jinias Körper – man konnte nicht mehr wirklich sagen, ob sie sich noch in ihm befand oder nicht - fiel vornüber gegen den Eimer voller Blut, ihre Glieder wippten unkontrolliert, als sie auf dem Steinboden aufschlug, dann lag sie auf dem Bauch, aufgedunsen wie ein Ertrunkener. Der Schrei war zu einem leisen Flüstern geworden: "Was hast du getan?" Shyija beugte sich über Jinia. „Hast du wirklich geglaubt wir wären.. Freunde? Hast du wirklich gedacht, du würdest mir auch nur irgendwas bedeuten? Hast du geglaubt, ich hätte.. Gefühle? Jinia, du bist so dumm und töricht. Du hast dir dein eigenes Grab geschaufelt. Du dienst mir, damit ich Vater dienen kann. Und jetzt ist es an der Zeit für dich zu gehen!“ Ein gehässiges Lachen durchdrang den Korridor. „Was hast du nur getan?“ winselte Jinia. Dann verstummte sie. Shyijas Griff zum Dolch erfolgte kaum zögerlich, eher von graziöser Natur. Shyija schien erneut, als wäre sie in einer anderen Welt. Mory sah ihr zu, wie sie Jinias leblosen Körper Richtung Norden schleppte. Shyija hatte Kraft bekommen. Durch all die qualvollen Schreie hatte sie Jinias Kraft scheinbar in sich gesogen. Jinia war noch am Leben, wenn sie auch benommen war, fast bewusstlos, doch sie lebte. Shyija nahm ihren rechten Arm, rammte den Dolch in ihre pulsierenden Adern. Das Blut, es war warm und frisch und es gehörte in das Becken. Lange hatte Vater kein neues Blut bekommen. Lange schon war das Blut in dem Becken kalt. Und nun sollte er neues bekommen. Vom Leben gewärmt, vom Leben genährt. Ob Jinia überleben würde? Wohl nicht. Aber ob Shyija das interessieren sollte? Sie sah auf Jinia, darauf, wie ihre Haut Stück für Stück blässer wurde und ihr letzter Lebenshauch aus dem Gesicht trat. Shyijas Sinne und Gedanken füllten sich mit Zufriedenheit. Mory’tael hielt sich noch immer im Hintergrund. Er sah seine Lethra an. Sie hatte das geschafft, was Vater von ihr forderte. Er konnte ihr neue Wege öffnen. Doch lag es an ihm, wann er dies tat. Shyija schloß für einen Moment die Augen. Es war, als würde sich alles um sie herum drehen, ehe sie zu Boden sank. Sie fiel wie ein Sack zu Boden, sank in sich zusammen. Schmerzen schienen sie abermals wie Gift zu durchdringen. Dieser Schmerz, sie konnte ihn fühlen und dennoch kam es ihr vor, als würde Vater ihr ein neues Leben schenken. Die Welt um sie herum verschwand. Sie wurde kalt, dunkel, leer. Und dennoch fühlte sie sich gut. Sie fühlte sich, als würde sie frisch geboren werden und zum erneuten Leben erweckt. Hatte sie das alles durchstehen müssen um ihren Weg für Alatar zu erkennen? Langsam schlug sie ihre Augen auf. „Shyija, steh auf! Wage es nicht, Schwäche zu zeigen!“

Teil 10: Der neue Weg

Eine schier unendliche Zeit verging. Sie hatte noch einiges zu lernen, einiges aufzuholen. Die Kälte, die Leere sowie die Dunkelheit, alles ließ langsam nach, Leben hauchte wieder zwischen ihren Knochen, ihren Rippen. Sie war verwirrt, für kurzen Moment, doch sammelte Shyija ihre Gedanken sofort. Ein Neuanfang? Eine neue Welt? Eine neue Gesinnung? Sie fühlte sich fremd und doch so vertraut. Und sie trat an Mory’taels Seite nach draußen. „Shyija, du wirst lernen, die Welt nun komplett anders zu sehen!“ Sie wandte ihren Blick von ihm ab und ließ ihren Blick über Rahal schweifen. Nichts hatte sich verändert. Zumindest sollte es nach außen so aussehen. Und sie blickte abermals zu Mory’tael, ihre Lippen zu einem hämischen Grinsen verziehend. Sie strich ihre Robe ab und zum Vorschein kamen feinste Gewänder. Ebenso wie bei ihm. „Komm, wir gehen unter die Menschen, wie immer. Als rechtschaffendes Ehepaar! Es ist an der Zeit, dass wir deine neuen Fähigkeiten entdecken und gezielt für uns nutzen!“ Sie schmunzelte, nickte, steckte ihre lange, schwarze Mähne nach oben und lief neben ihm den Weg entlang. Und nichts, auch gar nichts schien sich verändert zu haben und doch: Sie lief durch eine neue Welt. Und welchen Weg Alatar für sie bereitgelegt hatte konnten beide nur erahnen durch all das, was passiert war. Und ein zynisches Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als ihre Finger wieder dieses ihr bekannte Kribbeln verspürten. Eine neue Welt hatte sich für Shyija geöffnet. Und sie würde den Weg der Zeit beschreiten.
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Shyija´Xinrae





 Beitrag Verfasst am: 11 Jun 2006 21:58    Titel:
Antworten mit Zitat

Dunkel war die Nacht, ebenso der Unterschlupf in welchem sie sich endlich wieder geborgen fühlte. Zurückgekommen war sie aus dem entfernten Bajard, war die Kutschfahrt holprig und die Luft kalt und nass für einen beginnenden Frühling. Nicht, dass ihr die Kälte oder die Nässe etwas ausgemacht hätten. Hastig eilte sie in den Unterschlupf und schritt voran. Glühend heiße Lava umgab die Brücke, welche sie nach einer Weile wohl beschreiten mochte. Fast als hätte sie gespürt, dass er sie erwartete, eilte sie in den kleinen, dunklen Raum, betrat den Teppich, schritt nach vorn ehe sie sich vor ihm neigte. Die Luft war trocken, die Mauern gaben mit einem dunklen Schallen die Worte wieder, die er an sie richtete. "Was konntest du in Erfahrung bringen?"

Shyija erinnerte sich an die Worte, die Mory'tael zu ihr gesprochen hatte. Sie sollte nach Bajard, sie sollte sich auf die Suche nach etwas besonderem machen. Mory'tael wollte ihr nicht mehr sagen als das sie schon in dem Moment wüsste, dass sie es gefunden hätte. Und so tat Shyija, was ihr befohlen wurde in der Hoffnung und dem Flehen, dass Alatar ihren Geist leiten würde.
Doch Bajard war verlassen. Die meiste Zeit in der sie dort umherstreifte sah sie nur ein paar Bettler und Streuner, sie sprach mit ihnen, achtete auf Zeichen und ihre inneren Sinne. Sie würde also spüren, wenn sie am Ziel angekommen war? Doch sie spürte nichts. Wo verdammt nochmal würde sie das finden, was sie suchte von dem sie nicht einmal wusste, was sie suchen sollte? Doch war ihr Wille so stark, dass sie weiterzog. Immer wieder suchte sie Gespräche mit Passanten und Besucher, Einwohner und Händler. Immer wieder spielte sie die Nichtsahnende, spielte mit ihrer List und sprach mit gespaltener Zunge. Der Zorn in ihr wuchs von Tag zu Tag heran, mit ihrem Zorn lernte sie ihn zu verbergen, 'gefangen' unter den Menschen. Tagelang irrte sie in Bajard umher, immer wieder suchend nach den Antworten auf ihre Fragen. Doch schien der Krieg die Menschen aus Feigheit in ihren Häusern zu halten. Es machte Shyija noch viel zorniger, dass diese Menschen sich so verhielten. Diese Angst, die sie in jedem Eck Bajards roch brachte sie teilweise fast zum würgen.

"Nun, meine Lethra, was hast du zu erzählen, sprich!"

Shyija stand vor ihm. Sie wusste nicht, was ihr blühen würde. Sie wusste, dass ihr Lethyr kein Versagen duldete. Doch hatte sie alles erdenkliche getan, was in ihrer Macht stand. Wären diese verfluchten Menschen nur nicht so feige, wäre sie ihren Ziel vielleicht etwas näher gekommen.

"Ich war in Bajard, wie du es mir befohlen hast, mein weiser Lethyr. Ich verbrachte meine Zeit dort, sprach mit Passanten, umspielte die Bewohner und Besucher dort mit meinem Charme, doch keiner konnte mir irgendwie weiterhelfen. Das, was ich erfuhr wusste ich alles längst oder konnte es mir denken. Zumal Bajard so verlassen ist wie nie zuvor, der Krieg treibt diese schwächlichen Menschen aus Angst in ihre Häuser!"

Er saß da. Ruhig. Schien ihr sein Gehör zu schenken. Sie wusste nicht, was passieren würde, doch war sie gefasst darauf ihre Bestrafung zu erlangen.

"Macht dich dies zornig? Macht dich dein Versagen wütend?" zischte er ihr zu. Sie hob ihr Haupt etwas.

"Zorn, mein Lethyr, mag tief in mir ruhen. Doch bin ich mir sicher, erreiche ich mit meinem Zorn nicht das, was ich erreichen möchte. Vielmehr benötige ich... Geduld... der meinen Zorn weilen lässt um mich weiterzubringen und das zu schaffen, was du von mir verlangen magst!"

"Geduld, meine Lethra, Schwache Geister nutzen das Wort Geduld!" zischte er ihr zu und sah sie mit rot glimmenden Augen an. "Es macht uns zornig zu versagen und doch sind wir Herren der Lage durch unseren klaren Geist, durch das Verschleiern unserer Macht haben wir ihre Überheblichkeit zu unserer Stärke gemacht!"

"Geduld, mein weiser Lethyr... mag eine Schwäche sein... Eine Schwäche, die ich vorgebe zu heucheln um die Menschen um den Finger zu wickeln. Es bringt mir nichts Gewalt oder Zorn walten zu lassen um an mein Ziel zu kommen..." sprach sie abermals zu ihm worauf er leicht nickte. "Vielmehr die Gabe meinen Zorn zu zügeln und diesen für mich zu nutzen um an Informationen zu gelangen!"

Er sah sie an. Er sah sie lange an, ob er über ihre Worte nachdenken mochte konnte sie kaum einschätzen. "Ich bin zufrieden mit dem, was du mir übermittelt hast. Du hast deinen Geist bewiesen, doch es war auch nichts anderes was ich von dir erwartet habe. Du hast deinen Geist geschult, wie ich es dir befohlen habe. Du hast gelernt, deinen Zorn zu unterdrücken. Doch bist du fähig des Vaters Stimme zu nutzen?" Seine Augen erleuchteten abermals ein wenig heller. Shyija begann zu sprechen, "Er selbst war es der mir beistand, als ich Bajard besuchte um meinen Geist zu schulen, er..." , doch unterbrach sie schnell, da ihr kompletter Körper mit einem stechenden Schmerz durchzogen wurde. Sie sah zu Mory'tael, welcher seinen Blick immer noch auf sie gerichtet hatte, seine Augen mochten sie fast schon durchdringen wie die scharfe Spitze eines Pfeiles. Schmerzerfüllt zuckte ihr Körper reflexartig zusammen, ehe sie sich gequält wieder aufraffte. 'Keine Schwäche zeigen!' schoss es durch ihre Gedanken. Er behielt sie weiterhin im Auge. Sie spürte, wie ihr Zorn innerlich wuchs, fast als wolle er nach außen dringen. Krampfhaft kämpfte sie gegen den Drang an ihn loszulassen, freizulassen und gewähren zu lassen. Dieser Zorn war so schnell in ihr gewachsen, sie wusste erst gar nicht, was geschehen war. Doch schien sie nach geraumer Zeit wieder ruhiger zu werden, ihre Sinne und ihren Geist zu zügeln, um ihren Zorn zu schwächen.

"Du wirst den heutigen Tag in der Meditation verbringen, du wirst deinen Geist rein halten. Ich erwarte das du dies was eben in dir vorging beherzigst. Deinen Zorn zu zügeln, ihn vollends zu unterdrücken! Du wirst deinen Geist erforschen, dein dunkles Herz anhören, seinem Lied lauschen. Zorn und Kontrolle - beides wird sich die Waage halten. Auch wirst du dich auf sein Lied so konzentrieren um deinen Geist mit ihm in Einklang zu bringen. Dann wirst du erlernen wie du deinen Zorn auf andere Wesen zu lenken hast. Sieh es als einen Ausbruch deines Zornes. Durch das ansammeln der heilenden Energien des Liedes und dem Ausbruch wirst du sogar erlernen. Doch dazu fordere ich das dein Geist rein ist. Und nun gehe in die Meditation. Befreie deinen Geist!"

Shyija verstand. Sie wusste, die erste Aufgabe hatte sie zum Teil erledigt. Wenn sie auch nicht die nötigen Informationen mitgebracht hatte, zumindest hatte sie das erlernt, was wichtig war um ihre weiteren Wege beschreiten zu können. Langsam und bedächtig zog sie sich in ihr Gebet und in die Meditation zurück, um des Vaters Worte zu suchen.
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Shyija´Xinrae





 Beitrag Verfasst am: 14 Jun 2006 09:51    Titel:
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Sie tat, was man ihr auferlag. Was ihr Lethyr von ihr verlangte. Längst wusste sie, dass irgendwas mit ihr nicht stimmte. Sie hatten Anhaltspunkte, Vermutungen, fast schon Bestätigungen. Doch all das war nicht stimmig, wenn sie ihren Geist nicht rein halten konnte. Den Geist rein halten? War ihr Geist in diesem Moment nicht reiner als zuvor? Sie vermochte dies wohl nicht zu entscheiden.

Es war ruhig im Unterschlupf. Es war spät, es war dunkel. Shyija konnte selbst ihren eigenen Pulsschlag fast hören, so ruhig war es in dieser Nacht. Mühseelig setzte sie sich auf eine der Bänke, war ihr Bauch doch mittlerweile sichtlich gerundet. Allzu lange würde es nicht mehr brauchen, dann würde ihr weiteres Kind zur Welt kommen. Behutsam legte sie eine Hand auf ihren Bauch und wenn man genau hinsah hätte man ein zaghaftes Zucken ihrer Mundwinkel erkennen können. Es war Stolz, dass sie dem Vater erneut einen neuen Brutling schenken durfte. Sichtlicher Stolz. Sie sah, wie Zeriyon herangewachsen war. Er hatte sich prächtig entwickelt, konnte dem Vater mit seinem Leben dienen. Sachte neigte sie ihr Haupt ein wenig, ehe sie leise zu sprechen begann:

"Allmächtiger Vater, Herrscher und Begründer meiner Sinne und meines Lebens. Ich rufe dich, rufe nach deiner Kraft, nach der inneren Ruhe. Leite meine Gedanken, verforme sie zu deinem Lied. Schenke mir die Ruhe, Klarheit meiner Gedanken..."

Sie hielt ihre Augen geschlossen. Ein leiser Windhauch ließ ihre Kapuze zurückklappen, doch war ihr das in diesem Moment egal. Sie hielt ihre Augen weiterhin geschlossen. Fast als würde sie auf das, was um sie geschah hören wollen runzelte sie leicht ihre Stirn. Doch lag ihre Konzentration vielmehr auf ihren Gedanken. "Innere Ruhe finden, Shyija. Versuche deine Gedanken zu ordnen. Das kann doch nicht so schwer sein!" Man sah ihr die Konzentration an. Sie wusste, irgendwas musste sie tun um ihre Gedanken lenken zu können und nicht an zig Dinge auf einmal zu denken. "Versuche... versuche...!" Sie hielt ihre Augen weiter geschlossen. Ihr Haupt schon fast ein wenig erhoben, fast, als wolle sie zu Vater aufsehen und ihre Gedanken so besser filtern. Es vergingen Stunden. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt ihre Gedanken zu reinigen, und, sie würde es schaffen.
Weitere Stunden vergingen. "Shyija, nun konzentrier dich endlich... tu es für dich, für Vater, um seinen Weg beschreiten zu können! Reiß dich endlich zusammen!" Sie seufzte leicht, ehe sie die Luft durch ihre Zähne einzog und ihren Rücken streckte. Aufrecht saß sie da und suchte abermals ihre volle Konzentration, um sie auf ihre Gedanken zu lenken. Ihre Atmung wurde langsamer und ruhiger. Es war fast, als würde sie um sich herum alles auf einmal vergessen, nichts mehr realisieren. Ihr Brustkorb hebte und senkte sich immer wieder im selbigen Rythmus. Leicht flackerten ihre Augenlider, ihre Atmung blieb konstant und ruhig. Langsam begann ihr Haupt sich zu senken, ihre Stirn war weiter in Falten gelegt, doch schien ihr restlicher Körper entspannter als je zuvor. Er bildete eine Einheit mit der Reinheit ihrer Gedanken und Sinne.

Sie öffnete ihre Augen. Ein paar Mal blinzelte sie, doch stand sie nicht auf. Sie saß da. Sie fühlte sich anders. Sie fühlte sich definitiv anders. Kurz überflog sie ihren Körper, legte ihre Hände an ihr Gesicht um zu ertasten. Nach was sie suchte wusste sie nicht. Diese Veränderung. Diese Veränderung? Langsam bewegte sie ihren Kopf zur Seite, schien sich umzusehen. Ihre giftgrünen Augen zuckten ein wenig und ihre Atmung war nun wieder schneller als zuvor. Fast, als hätte man sie durch den halben Wald gehetzt. Sie konnte nicht sagen, wieviele Stunden vergangen war ehe sie aus ihrer Meditation zurückgekehrt war. Sie wusste nicht, wie sie es gemacht hatte das sie sich völlig auf ihr innerstes konzentrierte. Es war einfach geschehen. Ihr Körper fühlte sich so schwach an, geschwächt von dem, was sie in Gedanken durchlebt hatte. Und doch fühlte sie sich so stark, so anders. Ihre Hände kribbelten. Es war da, es war wieder da. Dieses Kribbeln.

Shyija erhob sich qualvoll. Auch, wenn ihr ganzer Körper schmerzte. Sie wusste, was sie tun musste. Den folgenden Abend würde sie vor Mory'tael treten. Ihr Geist war vollkommen ausgeruht. Er würde ihr die nächste Aufgabe übermitteln, welcher sie nachgehen sollte. Er würde ihren neuen Weg leiten.
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