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Mit dem Wind im Rücken und der Sonne im Gesicht
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Mit dem Wind im Rücken und der Sonne im Gesicht
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 08 Jun 2017 07:04    Titel: Mit dem Wind im Rücken und der Sonne im Gesicht
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»Mit dem Wind im Rücken und der Sonne im Gesicht«


Die Frage war nicht, wie man Freiheit beschreiben würde, sondern vielmehr was sie mit diesem Begriff verband oder woher der plötzliche Wunsch kam, alles hinter sich zu lassen, was ihr bisher irgendwie am Herzen gelegen hatte.
Das böse Munkeln in den dunklen Ecken der Häfen, die verführerischen Kindergeschichten über eine Welt in der es kein Leid gibt, die Erzählungen des Umfeldes, welche von Grausamkeiten und Leid summten. Wankelmütig war sie eigentlich nie gewesen, vielmehr war sie von klein auf darauf getrimmt worden, den für sie vorbestimmten Weg mit allen was dazugehörte zu beschreiten. Das sture Aufbegehren eines jungen Mädchens wurde eingetauscht gegen eine Art der höflichen Distanziertheit. Sturheit und Stolz waren Makel, die es zu begleichen galt und brachte der Wind doch mal volle Segel, so war es der stechende Blick des Kapitäns, welcher sie wieder auf den richtigen Weg rückte.

Man hatte sie geformt, den Menschen aus ihr gemacht, den ihre Familie in ihr sehen wollte – einen Menschen, der sich optimal in der Gesellschaft ihrer Heimat einordnen konnte und der so bestimmt sein Glück finden würde. Versprochen und vergeben – so wurde auch der weitere Weg in ihrem Leben ihr vor die Füße gelegt, ohne das sie sich Gedanken darum machen müsste, was als nächsten kommen würde. Eine kleine Glaskugel der heilen Welt, an der jegliche Zweifel in jungen Jahren abprallten – es war so, weil es so war. Es war so, weil es so gewollt war.
Gewollt von ihren Eltern, gewollt von Alatar. Es war keine Geschichte des Leids oder des Unglücks, vielmehr eine Geschichte, die sich zu einer fehlerhaften ihrer selbst entwickelte. Das war das Flüstern im Wind, das Rauschen im Meer und diese freche Möwe die in Worten aus Kindergeschichten sprach und sich langsam einen Weg durch die gläserne Wand in ihr Inneres bahnte. Aufgebauschte Segel, die selber der Kapitän oder ihr Versprochener nicht unter Kontrolle hatten – Wind, der das Schiff immer weiter und weiter trieb, bis zu diesem einen Punkt an dem scharfen Riff ihres Weges, von dem ihr immer erzählt wurde, sie würde daran zerschellen.

»Du musst selber deine Flügel entwickeln, kleiner Vogel.«
Auf den Schwingen der frechen Möwe löste die gläserne Kugel sich nach und nach im Nichts auf und holte das zurück ans Tageslicht, welches sorgsam verbaut wurde. Der eigene Willen, kümmerlich entwickelt – unterdrückt vom schweren Schiff der Familie – wurde während des Fluges ausgeprägter, die Möwen und Krabben trieben ihre Späße mit ihr und brachten sie dazu, selber zu entscheiden. Wie eine Münze, welche auf der einen Seite geprägt war von Disziplin, Distanz und Höflichkeit – auf der anderen jedoch das Bild eines kleinen Mädchens voller Träumen, Willkür und Leidenschaft zeichnete. Ihr Name wurde von den Wellen davon getragen und ausgetauscht, in der Hoffnung das niemand aus ihrem alten Leben sich zu ihr navigieren konnte.

Schwächten Zweifel die Segel doch mal ab ab, raubte die Reue dem Vogel manchmal die Macht zum fliegen – war da wieder das leise flüstern der Möwen und Krabben, die von Dingen erzählten, welche die eine Seite der Münze beflügelten. Ihrer ganz persönlichen, frechen Möwe war es zu verdanken, dass der Wind niemals gänzlich verebbte, dass sie niemals gänzlich aufhörte zu fliegen, bis jeder Zweifel zusammen mit den vergehenden Monden in das Meer gespült wurde. Vergessen war ihr Kapitän, vergessen war ihr Versprochener oder irgendetwas anderes des Familienschiffs.
Freiheit. Glück. Leid. Gute und schwere Zeiten.

Was war nun also Freiheit für diesen Vogel, der erst so spät gelernt hatte zu fliegen? Den Wind im Rücken, das Meer im Blick und die Sonne im Gesicht – freie Entscheidungen, einen Weg, den sie selber zu wählen hatte, ein Leben, welches ihr gehörte, unabhängig von fesselnden Worten oder starrem Glauben.

Möwen aber waren hinterlistige Tiere, die sich nahmen, was sie brauchten und so wählte auch ihre irgendwann einen Pfad, der sich nicht weiter mit dem ihren vereinbaren konnte – tosende Wellen, verärgerte Flügelschläge und das empörte Kreischen zeichnete das Bild des Abschieds. Sie folgte dem Flüstern im Wind und irgendwann befand sie sich auf einer Insel, welche die Freiheit verinnerlicht zu haben schien – und da war sie auch schon wieder, eine andere ... aber freche Möwe, die ihr erneut beibrachte zu fliegen.
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 11 Jun 2017 11:38    Titel:
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» Goldenes Glänzen «

Möwen fühlten sich rasch heimisch, sie waren zufrieden mit dem Meer und der Auswahl, welches es ihnen gab – sie waren unkompliziert, man wusste um ihr dreistes Wesen und wusste damit zu handeln. Dreistigkeit war nichts, was Rin mit Negativen behaftete – nicht immer, nicht sofort. Es gehörte zu dem Wind in den Segeln dieser neuen Reise und je weiter die Schwingen sie getragen hatten, umso mehr hatte sie sich selber dieses Verhalten angeeignet.
Sich das zu nehmen, was man wollte. Zu tun, was man wollte, den eigenen gräulichen Fleck am Boden überwinden, um sich dann triumphal dem positiven Ergebnis zu widmen – welches einen ... manchmal ... am anderen Ende erwartete. Dem Sieg den Rücken zu kehren war keine Option, dieses Schiff würde niemals zu Ruhen kommen und irgendwo, so verborgen es auch sein mochte, würde sie immer etwas glänzen sehen.

Goldenes Glänzen und ein sanftes, warmes Hauchen ließ dieses Wesen die Traumwelt verlassen und schon bald hatte das eigene Silber den Ursprung des Glänzens gefunden. Die warmen Strahlen, welche auf den Feuerball am Himmel zurückzuführen waren, quetschten sich durch jede hölzerne Ritze der Umgebung und brachten den goldenen Kreis zu reflektieren. Für einige Atemzüge blieb ihr nicht viel anderes übrig als gebannt das Schauspiel des, sich leicht bewegenden, Objektes zu beobachten – ehe sie registrierte, dass es genauere Formen und Umrisse sein eigen nannte. Die Kälte der letzten Nacht war schon lange vergessen, sie wurde überspielt von dem Wind, welcher über ihre Haut gestrichen und an ihrer Kleidung gezerrt hatte, als würde jener sie mit sich nehmen wollen und die Lichteransammlung im dunklen Schwarz, welche sich ihr offenbarte und unnachgiebig in das silberne Blau geprägt wurde. Schwarzes Meer zu ihren Füßen, blaues Meer schützend an ihrer Seite – Freiheit und Hoffnung.

Das Gefühl, als würde sie jeden Moment die kleinen Flügel ausbreiten können, um einfach in den Himmel hinauf zu steigen und die tiefe Gewissheit, den Anker hier werfen zu können trieben ihre Mundwinkel zu einem zufriedenen Lächeln hinauf. Die winzige Saat des Zweifels, die ihren Platz stets in der Magengrube gefunden hatte, wurde nicht genährt – wurde nicht beachtet. Als würde es nur mit vollen Segeln dem Ziel entgegen gehen. Doch die See war unnachgiebig und unvorhersehbar. Wirren Wellen gleich, die sich an den steinigen Klippen der Küste brachen wirbelten die Gedanken von einem zum anderen Punkt, fern in der Zukunft, doch ehe Dunkelheit sie heimholen konnte – ehe die Saat doch Beachtung fand - spürte sie wieder die Wärme, welche sie ummantelte und zurück in das Hier und Jetzt brachte.


Zuletzt bearbeitet von Arina Erlenhain am 11 Jun 2017 11:41, insgesamt einmal bearbeitet
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 13 Jun 2017 08:35    Titel:
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» Stille des Windes «

Erneut ein Erwachen, welches sie mit der schmiegsamen Wärme begrüßte und ihrer Kehle einen Laut der Zufriedenheit entlockte, während die Gedanken in die Schwärze der Nacht hinaus flatterten. Sonnenstrahlen in der Nacht, die zärtlich das Federkleid streiften, während die losen Gedanken sich im Firmament verirrten, gefolgt von dicken Regentropfen, die eben jenes Federkleid durchweichten – das schelmische Glitzern des Meerblaus, welches sie zu verfolgen schien – welches sie nicht mehr missen wollte. Würfel die gegeneinander wetteiferten, ein Jauchzen und Krächzen der aufgeregten Möwen über das Glück, welches entweder eintrat oder ausblieb. Das herausfordernde Wehen zwischen dem Silber und dem Blau und schließlich wurde den Segeln der Wind genommen, sodass das Schiff nur noch träge vor sich her schipperte, während die Möwen von vergangenen Tagen kündeten.

Ein geteiltes Leid, sei ein halbes Leid – weiß man um das Leid der anderen, so versteht man vielleicht ihr Wirken hinter dem Schleier. Der schuppenlose Drache, die panzerlose Schildkröte – der zahnlose Hai. Verletzlichkeit ... kein Gefühl, welches man willkommen heißt und doch konnte Rin nicht anders, als dies irgendwie zu tun. Die Hände wurden geöffnet, genommen wurde das, was man bekam und auch das, was man wollte. Mit Verletzlichkeit ... kommt Vertrauen – absurd, doch das Gefühl, welches sie umfasste war, nicht anders zu beschreiben und dann war da der Specht, der terrorisierend an die Rinde hämmerte.
» [...] Vertrau keinem auf der Isla. [...] Wem kann man schon vollends Glauben schenken, als sich selbst?«
Wohlmöglich waren ihre Wesenzüge als zu gutgläubig oder naiv zu beschreiben, auf der anderen Seite wog das Gewicht jener Worte so schwer, dass sie diesen nur zustimmen konnte. Letztendlich blieb nur die Frage, wie es sich auswirken würde und ob die Verletzungen, ob der fehlenden Schuppen oder Panzer, sie auf ein anderes Meer bringen würde.

Raue Sonnenstrahlen, die über ihre Schulter wanderten und sie, wie so viele Male davor, aus ihren Gedankengängen rissen und ein sanfter Hauch, der ihren Nacken strich. Das Hier und Jetzt war ihr willkommen, das Brummen an ihrer Seite ... die vielen verschiedenen Möwen und Krabben, die Insel mit all ihren Facetten und das Meerblau. Das Gefühl eine neue Heimat, ein neues Nest gefunden zu haben ... den Anker zu werfen, um hier zu stranden, schien ihr richtig, schien ihr weise.
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 15 Jun 2017 16:24    Titel:
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» Unstetige Winde «

Kein Wort war über ihre Lippen geglitten, keine Anmerkung, keine Geste, die irgendwie darauf hinweisen könnte, was sie befürchtete ... dass sie etwas befürchtete ... wahrscheinlich war es sowieso surreal, dass sie überhaupt ihre Gedanken darauf verschwendete – aber so waren Menschen nun mal. Unstetig wie die Winde und das Meer, mal hadernd, mal entschlossen – ein Auf und Ab. Den richtigen Moment zu finden, war allerdings eine Herausforderung, die sie sich durchaus stellte, was dazu führte, dass sie immer wieder ihre eigene Selbstdisziplin anzweifelte. Vielleicht war es auch schlicht noch zu früh um die Kontrolle in dieses stürmische Meer bringen zu wollen – wer war sie denn auch, der über solche Gewalten bestimmen wollte?

Ihr Gemüt war durchaus als tolerant zu bezeichnen und es fiel ihr auch erstaunlich leicht Bänder der Freundschaft und des Vertrauens zu knüpfen, das jenes auch gewisse Gefahren mit sich brachte, das wusste sie – aber ändern würde sie es dennoch nicht. Vergeben und Vergessen. So war es auch mit diesem einen, kleinen Abschnitt, von welchem ihr unter aufgeregtem Flügelflattern mitgeteilt wurde – nicht unbedingt, weil sie das Nest in seine Einzelteile ergründen wollte, sondern weil die freche Möwe sich offenbar rechtfertigen wollte. Die Worte, die damit vom Wind mit sich getragen wurden, brachten sie allerdings wieder zum Nachdenken. Nachdenken, Nachdenken, Nachdenken – manchmal nervte sie es, nicht einfach mal gar nichts denken zu können. Wie ernst war jemanden etwas, wenn man sein eigenes Sein dafür veränderte? Sich in Lücken presste, die eigentlich nicht zu einem passten? Gute Frage! Schon sehr ernst oder? Konnte so was, so einfach verschwinden? Noch eine gute Frage!

Dann war da auch noch die kleine Krabbe, welche sie nicht so richtig einzuschätzen wusste – doch traute sie den Zangen durchaus zu, gefährlich werden zu können. Statt sich jedoch von diesem Wesen fernzuhalten, was auch eigentlich gar nicht möglich war, suchte sie ihre Nähe – sie wusste, dass es besser sein würde, für die Zukunft. Allerdings war der Panzer dieser Krabbe durchaus hart und so fühlte sie sich nach jedem Gespräch nur minimal schlauer als vorher, auch wenn sie nach und nach das Gefühl bekam, das es besser wurde. Der Beschützerinstinkt der Möwe gegenüber war ausgeprägter Natur, aber Rin wäre auch enttäuscht, wäre es nicht so – auch wenn sie sich zu Anfang manchmal wünschte, dass es nicht so gewesen wäre. Es wäre einfacher, wenn der Sturm der Möwen nicht immer wieder kleine Rückschläge einfordern würde ... so viel einfacher.
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 20 Jun 2017 16:46    Titel:
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» Gekreuzte Säbel «

~Einen Moment der Unachtsamkeit, ein kurzer Gedanke, der ein weit entferntes Ziel suchte und schon witterte ihr Gegenüber die Lücke in ihrer Verteidigung. Sie registrierte die flinke Bewegung des Kämpfers gerade noch rechtzeitig um ihre Waffe hochzureißen – doch im selben Moment wurde ihr dieser schwerwiegende Fehler bewusst. Die Wucht, mit der die Waffe ihres weitaus kräftigeren Widersachers, auf ihre Klinge prallte, ließ einen stechenden Schmerz durch, ihren sowieso schon überanstrengten, Arm- und Schulterbereich zucken und ehe sie zur Seite hechten konnte, um diesen Druck zu entkommen, wurden ihr die Beine unsanft mit einem gezielten Tritt weggedrückt. In einer gnadenlosen Bewegung kollidierten die Schultern der Kämpfer und es riss sie letztendlich zu Boden. Die Kraft hinter diesem Angriff und die Wucht, mit der sie auf die hölzernen Planken aufschlug, trieb ihr für den Moment jegliche Luft aus den Lungen und sie konnte nur noch nach Sauerstoff schnappend, wie ein Fisch, auf den Rücken liegen, während kleine Sternchen vor ihrem Sichtfeld tanzten.
Sie vernahm das, gar enttäuscht wirkende, Schnaufen des Mannes, der sie gerade zu Boden geworfen hatte und doch... blieb sie liegen. Sie hatte das Gefühl, das ihr kein Muskel mehr gehorchen wollte und sie nicht in der Lage war, sich irgendwie noch mal aufzurappeln. Irgendwann... es fühlte sich wie eine Ewigkeit an... tauchte ein Schatten in ihrem Blickfeld auf, was sie dazu veranlasste den Kopf zur Seite zu drehen. Der breit gebaute Mann, dessen kantigen Gesichtskonturen von einem krausen Bart umgeben wurden, war neben ihr in die Hocke gegangen und sie spürte den abschätzenden Blick der Haselnussaugen. Schließlich drangen akzentschwere Worte an ihr Ohr, als er die Stimme erhob und die Hand sich anbietend in ihr Sichtfeld schob.
»War'n die Gedank'n wieder fern, pajarito?«
Ohne zu antworten, überredete sie ihre Hand die Seine zu ergreifen und schon schlossen die rauen Finger des Seemannes sich um ihr Handgelenk. Der Ruck, mit dem er sie unsanft auf den Boden stellte – gar als wäre er schlicht nicht dazu in der Lage umsichtig zu handeln – ließ wieder einen stechenden Schmerz durch ihre Glieder fahren. Sie erwiderte den Haselnussblick nur flüchtig, ehe ihr Blick über das Deck und schließlich über die unendliche Weite des Meeres wandert, als würde sie nach etwas suchen und das schien der Mann zu bemerken... Die grobe, große Hand des Mannes legte sich auf ihre Schulter und die Erinnerung verwischte.~


Nachdenklich verfing sich das Silberblau im Hier und Jetzt auf der Waffe, die gut ausbalanciert in ihrer Hand lag und die Morgenröte des Horizonts in sich spiegelte. Sie lag der Länge nach im Sand, den Kopf auf einen der Baumstämme am Lagerfeuer stützend – während sie dem Meer zugewandt war. Noch mal wurde die Waffe gerade in die Luft gestreckt, ehe sie ein wenig gedreht wurde – die grünlich flackernde Spiegelung des Leuchturmleuchtens riss sie aus ihren Gedanken. Langsam schlich ihr Augenmerk zum Ursprung des Leuchtens und eine gewisse Unzufriedenheit erfüllte sie, während sie sich im gleichen Moment darüber ärgerte. Alte Gepflogenheiten, die sie eigentlich schon vor vielen Monden ablegen wollte, holten sie in solchen Momenten wieder ein – das schlichte Unwissen, das ungute Gefühl... das Gefühl von Schwäche ein Geschenk anzunehmen, welches sie sich nicht direkt verdient hatte. Dinge, die einem anerzogen wurden, legt man nicht so schnell ab – dessen war sie sich bewusst und es tat ihr auch noch am selben Abend Leid, sich nicht so über das Geschenk gefreut zu haben, wie es wahrscheinlich angemessen gewesen wäre. Mit einer kleinen Falte auf der Stirn ließ sie die Waffe neben sich in den Sand sinken, während sie weiterhin das grüne Leuchten betrachtete und Vögeln gleich ließ sie die Gedanken wieder frei. Kragensaum ... ouhh... bitte! Mit einem Seufzen rappelte sie sich auf und machte sich auf den Weg – Ablenkung suchen.


Zuletzt bearbeitet von Arina Erlenhain am 20 Jun 2017 20:54, insgesamt einmal bearbeitet
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 25 Jun 2017 16:32    Titel:
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» Unruhige Gewässer «

~Der Schein von Kerzen und Öllampen beleuchtete die Szenerie, die sich ihr vor ihrem inneren Augen darbot. Schwere Vorhänge vor den endlos hohen Fenstern versperrten den Blick in beide Richtungen und doch hatte sich das Silberblau nachdenklich auf diesen verfangen. Sie trug noch immer den feinen, schneeweißen Seidenstoff, der sich in mehreren Lagen an den schlanken Körper schmiegte – ein traditionelles Kleid, für eine traditionelle Zeremonie. Noch während ihre Gedankengänge sich auf den Geschehnissen des Tages verfestigt hatten, registrierte sie die leisen Schritte hinter sich, und ohne, dass sie sich umsehen musste, wusste sie, wer dort den Raum betreten hatte. Zielsicher näherte die Gestalt sich und das Erste, was sie fühlte, waren die Lippen, die sich auf ihr Schulterdach drückten und die Hände an ihrer Taille, ehe leise Worte folgten.
»Du gehörst mir, Aireen.«
Die Worte lösten nicht die Freudensprünge in ihrem Inneren aus, welche man normalerweise von einer frisch verheirateten Frau erwarten würde – es war mehr eine schweigsame Akzeptanz und eine gewisse Zufriedenheit, dass sie es hätte schlimmer treffen können. Nicht weniger neutral, gar sachlich war ihre Antwort auf die Worte.
»Das tat ich schon immer.«
Sie drehte sich um und blickte in das dunkle Braun des Mannes, dem sie schon seit den Kindheitstagen versprochen war und nun konnte sie sich dem Lächeln nicht verwehren, welches die Lippen umspielte. Es war so, weil es so gewollt war – weil Alatar es so wollte. Kein Zweifel durfte zugelassen werden.~


»Die Botschaft wird hier nich' ankomm'n. Wer würd' 'ne Flüchtige aus 'nem alatarischen Reich... ausgerechn't in der Nähe der heilig'n Stadt such'n?«
Nachdenklich dachte sie an die Worte des vergangen Abends zurück, während der Blick sich auf die Zimmerdecke eingependelt hatte und ehe sie über ein richtig oder ein falsch nachdenken konnte, landeten ihre Erinnerungen in Düstersee, wo sie am Abend bei Tara eigentlich nur etwas einkaufen wollte. Zu ihrem Unglück ... traf sie dort gleich auf einem ganzen Haufen Würdenträger und das war etwas, was sie mit einer tiefen Unruhe erfüllte, auch wenn sie hoffte, diese möglichst gut versteckt zu haben. Erst recht der starrende Blick des Ritters hatte sie von Grund auf verunsichert und verwirrt – wusste er etwas? Hatte er eine Beschreibung gelesen und sie wiedererkannt? Offensichtlich wurde es Tom, der sie begleitet hatte, nach einer gewissen Zeit auch zu riskant, da er schnellstmöglich verschwinden wollte, doch zögerte Rin. Ein plötzliches Abhauen wirkte verdächtig, allerdings machte sie sich mit ihrem Verhalten, auch wenn sie blieb, ebenso verdächtig. Wie sie es auch drehte und wendete, sie würde ihre 'Flucht' aus der Schneiderei schon irgendwie, beim nächsten Mal, erklären können – auch wenn sie hoffte, dass sie so schnell diesen zutiefst verwirrenden Ritter nicht wiedersehen würde.
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 04 Jul 2017 13:44    Titel:
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» Ein Tässchen Tee und eine Flasche Rum «

~Die Strahlen der Mittagssonne drängten sich ungnädig durch die dünnen, durchsichtigen Vorhänge und erhellten die Räumlichkeiten, wodurch feine Staubkörner im Sonnenlicht sichtbar tanzten. Für den Moment zogen sie die Aufmerksamkeit des Mädchens, mit den weißen Haaren, auf sich, welches ob dessen ihre Teetasse, mit den filigranen Blütenmuster, sinken ließ. Das leise Klirren, als die Frau ihr gegenüber ihr Tässchen auf den Teller stellte, riss sie schließlich wieder aus den Gedanken und ließ ihre Aufmerksamkeit nach vorne wandern.
»Genug geträumt, Aireen?«
Auch wenn sich ein kleines Schmunzeln auf den Lippen der Frau bildete, wusste das Mädchen, dass ihre Geduld nicht von langer Dauer war und so senkte sie alsgleich entschuldigend ihren Kopf.
»Tut mir leid, Mutter.«
Ihre Mutter drückte sich schließlich auf, umrundete den ovalen Tisch, dessen Mitte von einem Zierdeckchen bedeckt wurde, und kam erst wieder neben Aireen zum Stehen. Automatisch, als wüsste sie, worauf ihre Mutter hinauswollte, begradigte sie ihre Haltung wieder zu einer aufrechten und geradlinigen. Sie spürte den Zeigefinger an ihrer Wirbelsäule, dann die Hände an ihren Schultern, als wollten jene sie noch mal ein wenig kontrollieren – dann folgte ein wohlwollendes Nicken.
»Immer schön aufrecht sitzen, keiner mag Frauen die wie ein nasser Sack durch die Gegend laufen... oder wie einer sitzen.«
Ein Lächeln auf dem Kindergesicht und ein zustimmendes Nicken folgte, während das silberblaue Augenpaar jeder Bewegung zu folgen schien. Die Gestalt ihrer Mutter war von durchweg strengen Konturen geprägt. Das ebenso weiße Haar war zu einem strengen Zopf hochgebunden, die Kleidung war als hochgeschlossen und steif zu bezeichnen – das alles wurde nur noch untermalt von den recht harten Gesichtszügen, die sie wohl von ihr geerbt hatte. Alles in einem malte sie das Bild einer aristokratischen, doch disziplinierten Frau, welcher man nicht widersprechen wollte.~


Irgendwie erinnerte der Tee bei Tara sie an ihre Mutter und die damit verbundenen Kindheitstage. Das war nicht unbedingt etwas Schlechtes, sie hatte ihre Kindheit nie als schlecht empfunden, schlicht, weil sie es nie anders kennengelernt hatte und Düstersee, sowie Tara, hatte etwas Vertrautes an sich. Ein Stück 'Normalität' in all diesem Unbekannten, welches sich ihr offenbarte. Einer der Gründe, warum sie gerne die Schneiderin aufsuchte, meist unter dem Vorwand etwas erwerben zu wollen – so vertraut ihr das Ganze auch erschien, so wusste sie, dass es eigentlich ein Risiko war, welches sie jedes Mal einging.
Ein Risiko, welches sie zurzeit einfach ignorierte ... zumal Risiken sowieso eine anziehende Wirkung auf die junge Frau hatten.

Des Weiteren konnte sie mittlerweile nicht mehr leugnen, konnte es sich nicht mehr mit Ausreden begründen oder irgendwie schönreden, dass sie diese eine freche Möwe wirklich mochte. Jeder Moment in der Nähe war, wie ein Stückchen Glück welches sie in der hohlen Hand halten konnte, um es für die Zukunft aufzubewahren – es war nicht mehr das reine Vergnügen oder die Einstellung, sich einfach dass zu nehmen, was man wollte, welches sie immer wieder zum Leuchtfeuer führte. Diese Erkenntnis hatte hinsichtlich der Vergangenheit etwas Beunruhigendes an sich, weswegen sie versuchte es so zu belassen, wie es die ganze Zeit über gewesen war. Diese Dinge auszusprechen würde alles nur starrer machen und in diesem einen Punkt zog sie diese minimale Ungewissheit einfach vor, auch wenn ihr bewusst war, dass ihr sicherlich in dem ein oder anderen Moment Worte über die Lippen gekommen waren, die sie eigentlich nicht hatte aussprechen wollen. Sie hatte das irrationale Gefühl, dass sie es lediglich in ihrer Freiheit einschränken würde und diese war doch überhaupt der Grund, warum sie sich aus ihrer Heimat verabschiedet hatte?
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 14 Jul 2017 19:23    Titel:
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» Gebrochene Flügel auf stürmischer See «

Vertrauen war, wie ein zerbrechliches Gefäß auf das man gut zu achten hatte – ein falscher Schritt, ein falsches Wort und das gläserne Gebilde segelte zu Boden und zerschellte in seine Einzelteile. Diese Einzelteile wieder zusammen zu sammeln und zum Ursprung zu konstruieren war eine schwere Aufgabe. Wie scharfkantige Splitter hatten die Worte sich in ihr Inneres gegraben und dort tiefe Wunden hinterlassen, ehe die wohl längsten zwei Tage ihres Lebens folgten. Ungewisse Tage, in denen sie nicht nur an ihn, sondern auch an sich selber zweifelte – hatte sie überreagiert?
Vielleich?
Wohlmöglich?
Unter Umständen?

Nein, das Gefühl, welches auf den Schock folgte, konnte sie eindeutig definieren und das war eine Mischung aus Enttäuschung und einer guten Portion von Verrat, auf welchen zähe, ungnädige Momente des Zweifelns folgten. Einen kurzen Augenblick, der kaum wenige Herzschläge andauerte, hatte sie sich gefragt, wie etwas gut und richtig sein konnte, das so schmerzhafte Wunden in der Lage war zu schlagen – doch der Anblick der Möwe allein hatte ausgereicht um zumindest jene Zweifel an dem "uns" zu beseitigen... denn selbst wenn auf drei Tage Schmerz nur ein guter folgte, was es das wert.
Vertrauen hin oder her, obwohl sie enttäuscht und verletzt war, führten ihre Schritte sie somit immer wieder in seine Nähe, schlicht als könnte sie nicht anders, als wüsste sie einfach nicht wohin mit sich... und der Schmerz in seiner Mimik, der sich ihr immer wieder offenbarte, die Reue und die Vorwürfe die er sich machte... es waren ebenso die ihre.
Ihm jedoch mitzuteilen, dass sie ihm nicht mehr vertrauen würde – war ein weiterer schwerwiegender Fehler, diesmal auf ihrer Seite. Anhand seiner Reaktion hatte sie deutlich erkennen können, wie sehr diese Worte ihn getroffen hatten... und bis zu diesem Zeitpunkt, wäre es ein Leichtes gewesen diese Differenz aus der Welt zu schaffen. Zumindest wünschte sie sich, sie hätte seine Worte einfach ignoriert oder hätte es sich nicht anmerken lassen... es war auch sicherlich nicht hilfreich, dass seine Stärke definitiv nicht das Finden von passenden Worten war und sie nicht wusste, wie sie mit solchen Gefühlen umgehen musste, geschweige denn sie zu beschreiben wusste. Es wäre einfacher gewesen, wenn zumindest einer der beiden dieser Situation gewachsen gewesen wäre, doch folgten erst zähe Stunden des Schweigens und des Meidens, ehe es schlicht eskalierte, als sie nicht mehr wusste, wie sie mit diesem Chaos in ihrem Inneren umzugehen hatte. Dabei war es nicht so, als hätten sie einen Streit bis auf das Äußerste ausgefochten – es blieb ruhig, die ganze Zeit und das war es wohl auch, was es noch schlimmer machte. Es war schlimm, weil deutlich wurde, wie sehr sie sich mochten, aber wie sie dennoch nicht in der Lage waren diese Differenz zu beseitigen. Zu viel Unsicherheit, zu viel Schmerz, zu viele Schuldgeständnisse auf beiden Seiten. Schließlich war es schlicht dieser einzige Wunsch, den sie aussprach.

»Ich will... das einfach alles vergessen.«
»Das will ich auch.«
»Was sollen wir machen...?«
»Versuchen dort weiterzumachen, wo wir vor zwei Tag'n war'n... und heute und gest'rn einfach...vergess'n... od'r es zumind'st versuch'n...?«


Was für ein irrationales Vorhaben, gesprochen aus Müdigkeit und Mattheit, weil man sich einer unüberwindbaren Wand gegenübersah und weil man sich schlicht wünschte, dass es so einfach wäre. Solche Dinge, die erst mal ausgesprochen und getan wurden, waren natürlich nicht so einfach zu vergessen. Doch wurde die stürmische See aufs Erste beruhigt und die gebrochenen Flügel durch die Wärme der Nähe verbunden, was ein ungeahntes Gefühl der Erleichterung in ihr auslöste. Leidenschaft, die es dennoch nicht schaffte alle Wunden zu schließen, aber immerhin eine Leidenschaft, von der Rin glaubte, sie würde sie irgendwie zusammenhalten. Doch so wie die ersten Sonnenstrahlen über das Meer krabbelten, so krochen auch die Zweifel und der Schmerz wieder hervor. Schmerz, weil er sie verletzt hatte und Schmerz, weil sie ihn verletzt hatte. Sie musste Raus, sie brauchte Bewegung – sie musste sich einen freien Kopf schaffen und vor allem mit irgendjemanden reden, der nicht involviert war. Jemand der schon Beziehungen hinter sich hatte, der sich damit auskannte und dem sie vertrauen konnte.
Tara...
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Thomas Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 14 Jul 2017 20:24    Titel:
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» Von der zerstörerischen Kraft fälschlich gewählter Worte «

Ein tiefes Durchatmen erfolgte, als die Augenlider langsam empor wanderten. Den linken Arm um Rin gelegt, eng an ihrem Körper anliegend, seine Brust an ihrem Rücken, lag er stillschweigend in dieser Position neben ihr, während er ihre Nähe, die er so sehr vermisste, genoss. Der Kopf wurde ein Stück weit nach vorne geneigt, sodass er ihr einen Kuss auf das Schulterdach auflegen konnte. Das Meeresblau wanderte für einen Moment nachdenklich zu dem Tresen, auf dem die beiden vor einigen Stunden noch leidenschaftlichen Sex hatten. Der rechte Mundwinkel hob sich daraufhin ein Stück weit an, senkte sich aber mindestens genauso schnell wieder. Manche könnten sagen, er hätte jenen Moment schlichtweg ausgenutzt -bis zu einem gewissen Punkt stimmte das vermutlich auch- aber tatsächlich war der Grund dafür schlicht, dass er die Leidenschaft, die die beiden vor seinem Fehltritt hatten, wiederaufleben lassen wollte.

"All's vergess'n" waren die Worte, die am gestrigen Abend seine Lippen verliessen. Wie gern er seinen eigenen Worten geglaubt hätte. Wie gern er einfach alles vergessen hätte, als wäre nichts gewesen. So sehr es sich auch wünschte, Gesagtes kann nicht mehr ungesagt gemacht werden. So war es auch mit ihren Worten, denn durch ihre Frage sagte sie ihm indirekt, dass sie ihm nicht mehr trauen würde. Etwas, was einen schmerzhaften Stich in seiner Brust verursachte. Fraglich, ob sie wusste, dass es ausgerechnet das Schlimmste war, was sie ihn hätte fragen können. Seine Gedanken wanderten unweigerlich wieder zum Abend am Lagerfeuer zurück, als er betrunken ankam und die Gefühle seiner Schwester verletzte - die Worte, die Rin ihm an jenem Abend an den Kopf warf, schwirrten wieder durch seinen Kopf und liessen den Schmerz nur noch stärker werden. Ja, sein Fehler war unverzeihlich, doch es erschien ihm unfair, dass eine unglückliche Wortwahl, deren Bedeutung er ihr erklärte - sie aber schlichtweg falsch verstand - alles zerstört hat, was er bisher aufzubauen versucht hatte. Die wütende Miene, die auf seine Dummheit -ein anderes Wort dafür gab es einfach nicht- zurückzuführen war, zusammen mit der Verletzten, die sich aufgrund ihrer Worte bildete, schlich sich langsam wieder in sein Gesicht. Zögernd wurde der Arm zurückgezogen, die Augen ruhten dabei noch einen Moment auf ihrem Seitenprofil, ehe er die Lippen zusammenpresste und sich auf die andere Seite legte - den Rücken zu ihr gewandt. Er war verzweifelt. Verzweifelt, weil er nicht wusste, was er tun soll, um sie davon zu überzeugen, dass er die Worte nicht so meinte, wie sie rüberkamen. Leise seufzend schloss er wieder die Augen, während er den Gedanken freien Lauf liess. Der Fakt, dass sie noch am gleichen Abend zum Leuchtturm zurückkehrte und auch blieb, gab ihm Hoffnung - auch wenn die Frage, ob sie ihm noch trauen könnte, welche sie ihm am vergangenen Abend stellte, jene etwas abschwächte. Würde sie ihm überhaupt wieder vertrauen können? Denn eines war klar: Sie würde es niemals vergessen.

Er mochte Rin. Mehr als er sich vermutlich selbst gestehen würde und sie mochte ihn auch, wenn die Worte wirklich wahr waren - wovon er ausging. Die Frage war aber, ob die Beziehung diese Sache bestehen würde. Immerhin war es keine Kleinigkeit, um die es ging. Ihre Persönlichkeit wurde von klein auf untergraben, sie wurde quasi dominiert und entwickelte erst ihr eigenes 'Ich' und dann kam Tom und sagte so etwas unfassbar Dummes. Erneut folgte ein tiefes Durchatmen, während das Meeresblau sich auf einem unbestimmten Punkt im Raum verankerte. Er hatte Angst. Ja, Angst, sie zu verlieren. Angst, dass sie ihn verlassen würde, weil sie ihm nicht mehr vertrauen konnte. Auf ihre Nähe, die er so genoss, verzichten zu müssen. Sie machte ihn glücklich. Aus dem anfänglichen Spass, den er mit ihr hatte, entwickelte sich etwas, was ihm wirklich bedeutete. Etwas, um das er kämpfen würde, so schwer es auch sein würde.
Die Augen schlossen sich langsam wieder und unweigerlich kamen ihm ihre Worte wieder in den Sinn. „Ich möchte... will, dass du weißt.... dass du... das Wichtigste für mich bist.“ Es fiel ihr nicht einfach, diese Dinge über ihre Lippen zu bringen. Das hat sie sich anmerken lassen. Er machte ihr aber keine Vorwürfe. Ob es mit der Vergangenheit zu tun hatte oder mit der Situation, spielte für ihn keine Rolle. In diesem Moment zählten einzig allein die Worte, die sie ihm sagte. Über diese Worte zu sinnieren, half ihm nämlich dabei, die Gedanken etwas beiseite zu schieben. So gelang es ihm auch, sich ein Stück weit zu beruhigen und für ein paar wenige Stunden einen ruhigen Schlaf zu finden.

Einige Stunden später…

Hätte er gewusst, was an diesem Abend noch auf ihn zukommen würde, hätte er schon längst zur Flasche gegriffen. Als wäre es nicht genug gewesen, dass er Rin verletzte und sich somit miserabel fühlte, musste seine Schwester ihm noch volltrunken vorwerfen, was für ein schlechter Bruder er sei. Das Alles zerrte an seinen Kräften. Er war erschöpft, verzweifelt und wütend. Ausgerechnet die beiden Personen, die ihm am Wichtigsten waren, hatte er enttäuscht.
Auch wenn er wusste, dass es nicht die beste Idee war, seine Sorgen im Rum zu ertränken, fand er -zumindest für den kurz anhaltenden Moment- einen kleinen Trost darin, nur um dann jedoch direkt wieder von all den umherwirrenden Gedanken in seinem Kopf überrumpelt zu werden.
Seufzend legt er das Gesicht in die flachen Hände, um einmal tief durchzuatmen. Warum? Warum musste er immer wieder solche Fehler begehen und die Personen, die ihm am meisten bedeuteten, verletzen? Rin war am Morgen schon wieder weg. Sie sagten, sie würden es versuchen. Versuchen, es zu vergessen, doch das sie am Morgen nicht dablieb, war nur wieder ein Zeichen dafür, dass es ein langwieriger Prozess werden würde. Klar, er hatte nicht erwartet, dass es einfach so verschwinden würde, aber er erhoffte sich zumindest, den Tag ansatzweise mit ihr verbringen zu können, was jedoch nicht der Fall war. Sie war seit den frühen Morgenstunden bereits weg, ohne sich zu verabschieden, ohne ihm etwas zu sagen, wohin sie gehen würde.
Die Lippen wurden kurz aufeinandergepresst, während die Finger sich um die Flasche schlangen, welche er kurz darauf wieder für einen grösseren Schluck an die Lippen ansetzte. Man konnte ihm die Müdigkeit, die nicht zuletzt auch ein Stück weit auf den Alkohol zurückzuführen war, deutlich ansehen. Er sah mitgenommen aus. Die Haare völlig zerzaust, schlimmer als sonst und das Gesicht wirkte etwas zusammengesackt, als hätte er seit Tagen keinen richtigen Schlaf mehr bekommen. Am liebsten hätte er seinen Kopf einfach abgelegt und geschlafen, aber dies hätte den jämmerlichen Eindruck, den er machte, nur verstärkt.
Langsam wurde die Flasche wieder gesenkt und vor ihm auf den Tresen abgestellt, als er auch schon die leisen Schritte vernahm. Die Augen rissen sich auf und, als hätte er seine Mimik verstecken wollen, wischte er sich einmal über das Gesicht. Als hätte er alles dafür geben wollen, damit man ihm sein Gemüt nicht ansieht -auch wenn es dafür schon viel zu spät war- setzte er noch ein müde wirkendes Lächeln auf. Tom hatte nicht erwartet, dass sie so schnell wieder zurückkommen würde. Die Überraschung, zusammen mit seiner Stimmung und dem Alkohol brachten ihn dazu erst einmal etwas vor sich her zu stammeln. Der Blick, mit dem sie ihm ansah, verursachte wieder einen Schmerz in seiner Brust, was er jedoch mit einem sanften Lächeln zu kaschieren versuchte. Sie wusste wohl genau, was in ihm vorging, welche Schmerzen er spürte, denn sie trat einfach auf ihn zu und legte die Arme um seinen Hals. Etwas überrumpelt von der Geste, atmete er erst einmal tief durch, bevor er seine Arme um ihre Hüfte schlang. Diese Geste wirkte wie ein Ventil, welches dabei half, sich ein Stück weit zu beruhigen. So, als würde er die Gedanken für den Moment beiseiteschieben können, denn die Haltung lockerte sich sogleich. Die Lippen, die sie auf seinen Hals auflegte verstärkte dies um ein vielfaches, sodass für einige Herzschläge sogar ein sanftes Lächeln seine Lippen umspielte. Jenes hielt jedoch nicht allzu lange an, denn als Rin erwähnte, dass sie auf dem Weg Toni antraf, schlich sich der verletzte Ausdruck wieder in sein Gesicht. Selbst sein Atem stockte kurz, weil er befürchtete, dass sie das Gleiche oder zumindest ähnliches zu hören bekommen hatte. Was sie später, als er fragte, mit ihrem Blick indirekt bestätigte. Er wollte nicht, dass Rin ihn so sieht, aber er konnte seine Gefühle nicht länger verstecken. Die letzten zwei Tage setzten ihm zu sehr zu und so bröckelte die Mimik für einige Herzschläge.
„Warum muss alles nur so schwer sein...“ sagte sie und alles was Tom über die Lippen brachte, war, dass er es nicht wüsste. Dabei wusste er innerlich ganz genau, dass er die Schuld trugt. Dass er der Grund ist, warum alles so schwer war. Irgendetwas hinderte ihn jedoch daran, es auszusprechen. Als würde er versuchen, es zu leugnen.
Die nächsten Momente waren geprägt von Blicken und Musterungen, während sie sich weiterhin über den Rum unterhielten, bis sie ihm eine Frage stellte, die er nicht wirklich zu beantworten wusste. „Was kann ich tun, damit es dir besser geht?“ Er fühlte sich bei der Frage unwohl. Wenn jemand diese Frage hätte stellen müssen, dann er. Immerhin trug Tom die Schuld für das Ganze. Dennoch machte er ihr klar, dass ihre Nähe ihm genügen würde. Dass es ihn ablenken würde, wenn sie da wäre, auch wenn er etwas Zeit bräuchte.
Im ersten Moment war er recht froh darüber, fast schon erleichtert, dass sie ihm versprach, dass sie für ihn da sein würde, doch als sie erwähnte, dass sie ihn für _die_ Nacht nicht alleine lassen würde, schwand die Freude auch schon wieder. Rin wollte also zuerst nicht dableiben. Sie wollte ihn alleine lassen. Tat es dann aber nicht, weil es ihm schlecht ging. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Es fühlte sich nämlich wieder so falsch an. Zum einen war er natürlich froh und schätzte es, dass sie für ihn dableiben würde, aber zum anderen fühlte er sich wieder schlecht, weil er das Gefühl hatte, ihr damit etwas aufzuzwingen, was sie nicht wollte. Immerhin bedeutete es, dass sie nicht in seiner Nähe sein wollte.
Anstatt seine Gedanken, wie so oft, für sich zu behalten, entschied er sich diesmal dazu, sie direkt mit der Frage zu konfrontieren. Er war sich selbst nicht sicher, was er damit bezwecken wollte. Vielleicht versuchte er sie damit zum Gehen zu bringen, damit er sich ein Stück weit besser fühlen würde? Aber was hätte er davon gehabt? Sie wäre gegangen, wäre noch mehr verletzt worden und alles wäre schlimmer geworden. Der Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie fragte, warum er ihr nicht glauben würde, wenn sie sagt, dass sie ihn nicht leiden sehen konnte, brachte ihn dazu, sich wieder über sich selbst zu ärgern. Wie konnte er das nur fragen? Warum konnte er nicht einfach seine verdammte Klappe halten und dankbar akzeptieren, dass sie dableiben würde? Das war nur wieder ein weiterer Beweis, dass er ständig alles unnötigerweise schwermachen musste.
Er konnte aber nicht leugnen, dass ihm die ganze Sache schwer zusetzte und so entschuldigte er sich auch recht rasch dafür, dass er es hinterfragte. Er wollte es wirklich nicht tun, aber er konnte in dieser Situation einfach nicht anders – er konnte nur schwer akzeptieren, dass sie sein Wohl über ihr eigenes stellte – obwohl dass genau das ist, was man in einer Beziehung erwarten würde?
Sie quittierte seine Entschuldigung mit einem zarten Kuss, welchen er natürlich sofort sanft erwidere. Erneut brachte jene Geste seine Haltung dazu, sich etwas zu lockern, als würde er die Gedanken wieder beiseiteschieben und sich entspannen können. Einige Herzschläge genoss er einfach wieder stillschweigend ihre Nähe und den Kuss auf seiner Schläfe, während er tief durchatmete. Die Geste war so banal und doch so unglaublich wirksam, als würde jene einen Schalter in seinem Kopf umlegen, die es ihm ermöglichte, alles für einen Moment zu vergessen.

Nicht sehr viel später landeten beide im Bett, auch wenn ihre Blicke ihn zwischenzeitlich noch etwas verunsicherten. Tief durchatmend wiederholte er ihren letzten Worte –„Ich bin bei dir mein Herz“- im Kopf, während er die Augen geschlossen hielt und sich an sie schmiegte. Auch wenn sie ihm den Trost spendete, den er brauchte, hörte er noch immer die leisen Stimmen in seinem Hinterkopf, die dafür sorgten, dass er lediglich ‚schlafend‘ verharrte und so erst nach einer gefühlten Ewigkeit zu seinem benötigten Schlaf kam.


Zuletzt bearbeitet von Thomas Erlenhain am 03 Jan 2018 14:38, insgesamt 5-mal bearbeitet
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 16 Jul 2017 20:22    Titel:
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» Von Vergissmeinnicht und Fingerhut «

Gedankenverloren starrte sie in die flackernden Flammen des Kaminfeuers und trotz der Hitze, welche sich ob der Nähe des Feuers über ihren Körper ausbreite, glaubte sie, dass ihr kalt wäre... was eigentlich gar nicht möglich war, aber es war vielleicht auch einfach dieses Unwohlsein und diese Gedankenflut, die sie nicht schlafen ließ und sie sie glauben ließ zu frieren. Es war die zweite Nacht, die sie bei Tara verbrachte und die Letzte, bevor die Schneiderin abreisen würde – dann würde auch dieses Haus leerer werden, wenn Bibi sich nicht zeigen würde. Der Gedanke allein zu sein, behagte ihr nicht – sie war noch nie in ihrem Leben richtig allein gewesen. Immer war irgendwer in ihrer Nähe gewesen und sei es nur ein Dienstmädchen.

Wie war es nun dazu gekommen?
»Du willst ihn nicht verlieren aber wiederum hast du Angst vor weiteren Enttäuschungen.«
»Ja... ja irgendwie schon.«
»Schon ein Grund, wieso ihr euch für paar Tage aus dem Weg gehen solltet. Damit du die Zeit findest, herauszufinden, was du wirklich willst.«

Sie hatte sich den Rat der Schneiderin zu Herzen genommen und zugestimmt diesen Schritt zu gehen. Sie wusste, dass Tom es nicht gutheißen würde, sie wusste, dass er darunter leiden würde und doch wusste sie in diesem Moment schlicht keine andere Lösung, als irgendwie dafür zu sorgen, dass sie in Ruhe ihre Gedanken ordnen konnte, ohne dass sie von seinem Anblick abgelenkt wurde. Ablenken – etwas was die Möwe durchaus konnte und auch an diesem letzten Abend wurde ihr Weg wieder in eine Bahn gelenkt, die sie nicht wollte – auch wenn er keine Schuld daran trug. Den ganzen Weg nach Cabeza malte sie sich in ihrem Kopf Situationen und Worte aus, mit denen sie es ihm möglichst schonend beibringen konnte – womit sie ihn nicht unnötig verletzen würde. Sie erinnerte sich noch an Tara Worte "Lass dich nicht einwickeln", als sie ihr sagte, dass sie ihm Bescheid geben würde – aber keiner hatte wohl mit Toni gerechnet, die volltrunken am Strand, vor dem Leuchtturm verharrte und Rin Dinge an den Kopf warf, die sie das Schlimmste befürchten ließ.
»Sag mir bitte nicht... dass du ihm das Gleiche gesagt hast.«
Natürlich hatte sie das in ihrem Zustand und so konnte sie nicht anders, als ihre Schritte zu beschleunigen – sie vermutet schon, in welchen Zustand er sich befinden würde, und wünschte sich für einen winzigen Moment, den Morgen einfach nicht gegangen zu sein.

Mit einem Seufzen drehte sie sich vom Feuer weg und starrte auf einen unbestimmten Punkt in die schwach beleuchtete Gegend des Kellergewölbes. Selbst rückblickend breitete sich ob des Anblicks, den Tom ihr in der Grotte geboten hatte, noch eine tiefe Sorge in ihr aus. Vermutlich war es auch schlicht dieser Anblick, dass sie wusste, was damit zusammenhing und die Sorge die sich daraufhin ausbreite, welches sie dazu brachte, anders zu handeln, als sie eigentlich vorgehabt hatte.
Sie hätte es nicht übers Herz bringen können ihm in dieser Situation noch zu sagen, dass sie ihn auf unbestimmte Zeit verlassen würde – die Angst, dass er daran zerbrechen würde, war viel zu tief in diesen Moment und so verwarf sie ihren ganzen Plan und schlang in einer tröstenden Geste die Arme um ihn. Sein Wohl für diese Nacht noch an oberste Stelle zu setzen, das würde sie noch schaffen und dann, wenn der erste Schmerz besänftigt war, würde sie gehen. Sie konnte es auch einfach nicht hinter sich bringen, ihn in diesem Zustand allein zu lassen, allein der Gedanken daran ließ ihren Brustkorb sich auf schmerzhafte Weise zusammenziehen. Eine Nacht. Eine letzte Nacht, die sie zwar an seiner Seite verharrte, welche ihr aber wenig Schlafmöglichkeiten brachte. Sie war zu aufgewühlt.

Sobald sich die ersten Sonnenstrahlen durch das Holz zwängten und die Räumlichkeiten erhellten, wollte sie sich auf den Weg machen. Sie wollte ihn nicht wecken, ein Abschied würde ihr schwerfallen und sie hatte Angst, dass sie sich dann doch einwickeln lassen würde. Ob sie schlicht zu lange gebraucht hatte eine Nachricht zu verfassen, oder ob ihre bloße Abwesenheit ausgereicht hatte, um die Möwe zu wecken, wusste sie nicht. Sie registrierte nur die überraschte Mimik, als er die Leiter hinabgeklettert war und sie bemerkt hatte, aber sie wusste nicht so recht, wie sie nun damit umgehen sollte. Wahrscheinlich waren die Worte, die sie wählte, deswegen so sinnlos ... schlicht um die Stille zu füllen, die sich mit der Zeit ausgebreitet hatte.
»Du bist schon wach...«
»Und du bist noch hier.«
»Noch, ja.«

Es brauchte noch einen ganzen Moment, bis sie sich richtig sortiert hatte, um ihn mitzuteilen, dass sie ein paar Tage weg sein würde – auch wenn sie den kurzen Funken von Schmerz dabei in seinem Blick erkennen konnte, so nahm er es doch besser auf, als sie gedacht hatte. Das machte es ihr unendlich leichter und auch der abschließende Kuss, dem es diesmal an Zurückhaltung fehlte, so wie es die ganzen letzten Tage nicht gewesen war, gab ihr noch ein bisschen mehr Hoffnung mit auf den Weg.

Sie drehte sich auf den Rücken, starrte einfach an die Decke des Kellergewölbes und verharrte einen stillschweigenden Moment einfach so – die Gedanken zogen weiterhin ihre Kreise, wobei es sich eigentlich um diese eine zentrale Frage drehte, und zwar "Wie konnte sie alles wieder in eine gerade Bahn biegen?". Die Stirn in Falten legend, schob sie sich ein paar der schneeweißen Strähnen aus dem Gesicht, ehe sie sich wieder zur Seite drehte und ein Beutelchen näher zog. Langsam zuppelte sie die Verschnürung auf und zog neben einem Brief, auch zwei Blumen hervor. Tom hatte es irgendwie geschafft die Sachen in ihren Rucksack zu schmuggeln, ohne dass sie es vor ihrer Abreise mitbekommen hatte. Die Blumen sagten noch mehr aus, als die Worte die er auf das Pergament gebracht hatte und sie konnte sich vorstellen, wie schwer das für ihn gewesen sein musste. Worte und Tom, waren nichts, was man für zusammengehörig befinden konnte, aber die Wahl der Blausternblüte und des Vergissmeinnicht wogen sowieso schwerer in ihrer Hand, als das der Brief es jemals konnte. Es bedeute das er sich einen ganz wichtigen Part aus ihren Leben, von ihren Erzählungen gemerkt hatte – er wusste, wofür die Blausternblüte stand und das Vergissmeinnicht, hatte er vermutlich ob des Namens gewählt. Sie bezweifelte, das er wusste, welche Verbindung sie mit jener Blume zog... aber das war auch irrelevant für den Effekt, welcher ihr im ersten Moment die Tränen in die Augen drückte. Nachdenklich betrachtet sie die Blüten und das Pergament, wobei sich eine Frage unweigerlich in ihrem Inneren manifestierte.
"Warum fühlte sie sich von den Worten dermaßen verletzt, wenn sie wusste, dass er mit diesen ohnehin nicht umgehen konnte? Wenn sie wusste, dass er sie niemals verletzen würde und das sie wichtig für ihn war?"
Ein letzter Blick auf das Vergissmeinnicht folgte, dann drückte sie sich mit einem Seufzen hoch – sie würde nun einfach einen Ausflug machen. Bewegung, einfach Bewegung.
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Thomas Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 16 Jul 2017 20:47    Titel:
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» Geplagt von unzähligen Gedanken, aber schlussendlich doch zuversichtlich «

»Sie ist nicht mehr da.« Das waren die ersten Gedanken, die Tom durch den Kopf schwirrten, als er am nächsten Morgen aufwachte und neben sich blickte. Tief durchatmend drückte er sich langsam von Bett hoch, während ein nachdenklicher Ausdruck seine Mimik prägte. Sie sagte, sie würde die Nacht bei ihm verbringen. Dass sie aber so schnell bereits wieder gehen würde, ohne sich zu verabschieden, hätte er nicht erwartet. Dagegen tun, konnte er aber auch nichts.
Nachdenklich ruhten die Augen für einen Moment in seiner Spiegelung im Spiegel. Er sah immer noch recht mitgenommen aus. Der Schlafmangel zeichnete sich deutlich in seinem Gesicht ab und die zerknitterten Kleider ergänzten das ganze Bild nochmals. Seufzend löste er den Blick vom Spiegel und schlenderte dann mit trägen Schritten auf die Tür zu, ehe er auch schon die Treppe hinab zum Wohnraum kletterte.
Das Meeresblau verankerte sich, unten angekommen, direkt etwas überrascht auf Rin – sie war doch noch da. Der Blick wurde direkt wieder etwas nachdenklicher und ein kleiner verletzter Eindruck schlich sich in jenen, als die Augen auf dem Brief landeten, welchen sie vor sich auf dem Tresen platziert hatte. Sie wollte einen Brief hinterlassen, mehr nicht. Keine Verabschiedung, nur ein einfacher Brief. Er wurde schliesslich aus den Gedanken gerissen, als Rin zum Sprechen ansetzte. Davor gab es keine begrüssenden Worte, kein Kuss, wie sonst vor dem Vorfall.

»Du bist schon wach...«
»Und du bist noch hier.«
»Noch, ja.«
»Verstehe. Du hätt'st mich auch weck'n könn'n.«
»Hätte ich, ja.«

Er warf ihr nichts vor. Kein bisschen. Immerhin konnte er sie verstehen. Es war eine schwierige Situation und selbst er hätte in ihrer Position Schwierigkeiten gehabt, sich für das Richtige zu entscheiden. Trotzdem hätte er es geschätzt, wenn sie von sich aus zu ihm gekommen wäre – wenn er sie nicht kurz vor dem Aufbruch unten angetroffen hätte.
Ihr schuldbewusster Blick war es, der ihm den nötigen Arschtritt verpasst hat, um sich auf sie zuzubewegen. Die Arme wurden direkt um ihren Oberkörper geschlungen, während er den Kopf leicht senkte und die Lippen sanft auf ihre Haare auflegte. Eine Geste, mit der er seine Zuneigung ihr gegenüber, wie so oft, zum Ausdruck bringen wollte.
Tief durchatmend, setzte er langsam wieder zum Sprechen an und bedankte sich dafür, dass sie geblieben war. Die Arme wurden dabei etwas fester um sie geschlungen, um die Worte ein Stück weit zu unterstreichen.
Sie sprachen noch eine Weile über ihr Vorhaben – dass sie für einige Tage weggehen würde, um etwas Zeit für sich selbst zu haben. Tom wusste, dass sie es tun würde. In gewisser Weise verletzten ihn die Worte wieder, nicht zuletzt, da er alles versuchte, um in ihrer Nähe bleiben zu können. Dann wiederum, verstand er sie. Nicht zuletzt, da etwas Abstand auch ihm gutgetan hätte, denn auch er musste seine Gedanken erstmal wieder ordnen.
Ein leises Seufzen entfuhr ihm wieder, während er sie nochmals ein bisschen fester an sich drückte. Erst ihre Worte befreiten ihn wieder aus seiner wirren Gedankenwelt.

»Vergess' nicht, wie sehr ich dich mag.«
»Niemals. Und du nicht, was ich für dich empfinde.«

Die Augen schweiften für einen Moment zu ihrem Rucksack, in dem er einen Brief versteckte. Die Komponente von Rins Hautbild bestand aus unzähligen Blumen – jede mit einer bestimmten Bedeutung. Daher fand er es für passend, zwei Blumen zum Brief dazuzulegen, die seine Gedanken auf diese Weise offenbaren sollten. Zusammengebundene Blüten eines Blausterns – jene sollten die Reue, die er für seine Worte verspürte, nochmal verdeutlichen. Dass er jene nicht so meinte – dass er sie nicht mit der falschen Wortwahl verletzen wollte. Es tat ihm noch immer unglaublich leid und da er ohnehin manchmal Probleme hatte, die richtigen Worte zu finden, entschied er sich für diesen Weg. Dann war da noch die Vergissmeinnicht-Blume. Schwierig. Diese Pflanze hatte mehrere Bedeutungen. Zum einen stand sie für zärtliche Erinnerungen – der Grund, warum er jene dazulegte. Es sollte an die vergangene Zeit erinnern, die die beiden zusammen verbracht hatten. Dann gab es noch andere Bedeutungen, wie zum Beispiel „wahre Liebe“, was das Ganze etwas ‚riskant‘ machte. Er war eher vorsichtig, was dieses Wort anging. Und doch machte er sich Gedanken darüber. Vielleicht war er nicht bereit, das auszusprechen – oder es fehlte schlicht etwas, damit er es tun könnte – möglicherweise hatte irgendetwas in seinem Unterbewusstsein dafür gesorgt, dass er ausgerechnet diese Blume gewählt hat, obwohl es sicherlich passendere gab. Er war sich nicht sicher. Was er wusste, war aber, dass er eine tiefe Zuneigung für sie verspürte. Dass er sie mehr mochte, als er sich zugestand. Was die Blume nur wieder beweisen würde.
Auch wenn es sich für ihn wie eine halbe Ewigkeit anfühlte, in denen er seinen Gedanken freien Lauf liess, richte er seine Aufmerksamkeit bereits nach wenigen Herzschlägen auf Rin. Ihre folgenden Worte entlockten ihm ein sanftes Lächeln. Schliesslich neigte er das Haupt seicht in einer verabschiedenden Geste. Zumindest wollte er es aufgrund seiner Unsicherheit zuerst dabei belassen, doch als er die Sorge in ihrem Blick sah, griff er just in dem Moment, in dem sie sich abwenden wollte, nach ihrem Handgelenk, um sie für einen letzten, zärtlich-sanften Abschiedskuss zu sich zu ziehen. Zögernd löste er jenen wieder, nur um ihr dann wieder ein sanftes Lächeln zu schenken.
Eine letzte Verabschiedung folgte, ehe sie den Turm verliess und langsam Richtung Hafen weiterzog. Die Hände flach auf dem Geländer legend, sah er ihr noch einen Moment lang nach und trotz der Verabschiedung, zierte das Lächeln weiterhin seine Lippen. Er war zuversichtlich. Zuversichtlich, dass sich alles wieder bessern und zum Alten zurückkehren würde - auch wenn es etwas dauern würde.


Zuletzt bearbeitet von Thomas Erlenhain am 03 Jan 2018 14:39, insgesamt 5-mal bearbeitet
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 23 Jul 2017 10:53    Titel:
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» Nach der Ebbe kommt die Flut «

Langsam neigte sie sich vor, um die Arme auf dem hölzernen Geländer zu verschränken - sich locker auf dem linken Bein abstützend, wurde das rechte leicht angewinkelt. Ein schabendes und stellenweise klirrendes Geräusch der Kettenglieder begleitete jene Geste, während das hellblaue Augenpaar mit dem silbernen Iriskranz über das weite Meer wanderte, dessen Wellen sich an dem schroffen Gestein auftürmten, welcher der Faro seinen Thron nannte. Träge kroch die Sonne über den Horizont, brachte somit den rötlichen Feuerschein auf das Wasser und auf ihr weißes Haupt. Wie so oft zerrte der Wind an allem, was nicht von fester Natur war und er half Rin dabei, die Gedanken noch ein Stück weiter forttragen zu lassen. Ohne Zweifel hatten jene Tage ihre Narben hinterlassen, doch hatte sie zumindest die Zuversicht gefasst, dass sie es geschafft hatten, die Wunden zu verschließen und auch die Hoffnung verharrte, dass die Narben mit der Zeit verblassen würden – gänzlich vergessen war ein Ding der Unmöglichkeit. Das wusste die Möwe wahrscheinlich genauso gut, wie Rin es selber wusste – aber es machte kaum einen Unterschied. Dieser eine Abend hatte den Umschwung gebracht, als sie den Mut fasste ihre wirren Gefühle in Worte zu verpacken und wenn sie daran dachte, mit welchen Worten er reagierte, erfüllte noch immer ein Kribbeln ihren Körper – wie am ersten Tag, als wäre nie etwas passiert, als würde die Zuneigung nur noch stärker werden und keinen Weg mehr zurück finden.
Er hatte es geschafft ihr die Angst vor dem Gefängnis zu nehmen, in welchen sie glaubte sich einzusperren, wenn sie es zugeben würde. Dieses Verlangen an seiner Seite zu verharren und den Weg mit ihm gemeinsam zu gehen, war stärker als die Angst, sich irgendwelche Freiheiten damit zu nehmen. Ob es nur ein irrationaler Gedanke war oder ob sie sich wirklich ein Stückchen ihrer Freiheit damit nahm, das wusste sie nicht – doch, selbst wenn, dann war es das wert, denn sie wollte keinen einzigen Moment mehr missen. War das Meer noch so unwillig, der Wind noch so zerrend und die kleine Krabbe noch so störrisch und abweisend... es wäre ihr egal.

Sie hatte sich in Vergangenheit oft Gedanken darüber gemacht, wie "Liebe" eigentlich zu definieren war. In ihren jungen Jahren glaubte sie, Liebe würde sich für den Mann entwickeln, den sie heiraten würde, später glaubte sie dann auch tatsächliche diese Gefühle für den Mann entwickelt zu haben, dem sie versprochen wurde – dass Liebe etwas mit "Besitz" und "Unterstützung" zu tun hatte, um fähige Nachkommen zu zeugen, die in Alatars Wort für das Reich streiten würden. Nichts Gefühlsduseliges, wie Schmetterlinge im Bauch und das Zeichnen von Herzchen auf einem Stück Pergament – so war sie nie gewesen.
Irgendwann, als sie Jahre in jener Ehe verbracht hatte und zum ersten Mal ein Fünkchen Freiheit gekostet hatte, glaubte sie Liebe für eben jenen Seemann zu empfinden, der sie aus ihrer Heimat auf den Segeln der Silbermöwe davon brachte. Die Ansicht wurde vertreten, dass eben jenes Gefühl, welches sie versuchte zu definieren, mit Faszination und roher Leidenschaft zu tun haben musste und später auch, dass es einen in ein tiefes schwarzes Loch der Einsamkeit schmeißen konnte, wenn eben jenes Gefühl nicht mehr erwidert wurde.
Und dann... kaum ein Jahreslauf später lernte sie die Möwe kennen, dessen ansprechendes Äußeres das Erste war, was in ihr den Wunsch weckte, bei dieser Person zu sein. Doch je mehr Zeit man verbrachte, je vielfältiger und je verwirrender wurden auch die Empfindungen. Ein Blick oder eine Reaktion, die man nicht kannte, löste Unsicherheit aus, weil man nicht wollte, etwas Falsches in den Augen des anderen zu tun – ebenso reichte aber auch eine schlichte Berührung aus um jegliche Unsicherheit, jegliche Zweifel dahin zu wischen, als hätte eine plötzliche Flut der Leidenschaft eingesetzt, welche die Ebbe der Zweifel verdrängte.
Der simple Wunsch immer und stetig in der Nähe zu sein, das Bedürfnis jeglichen Schmerz von seinen Schultern zu nehmen, alles zu vernichten was auch nur ansatzweise auf die Idee kommen würde, sich in den Weg zu stellen – das Verlangen einfach alles für eben jene Person zu sein. Vielleicht versperrte sie sich anfangs, weil es ihr zu viel war – weil sie nicht wusste, damit umzugehen, vielleicht war auch das einer der Gründe, warum die Worte sie dermaßen verletzten, obwohl es nur falsch gewählte waren?
Sie konnte es nicht beschreiben, dafür konnte sie mit Sicherheit sagen, dass sobald sie es eingesehen hatte, was sie für ihn empfand... sobald die Worte erst seine, dann ihre Lippen verlassen hatten, sich die tiefe Sicherheit in ihrem Inneren verwurzelte, dass er ihr niemals auch nur ein Haar krümmen würde. Diese undefinierbare, irrationale tiefe Überzeugung, an welcher man nicht rütteln konnte, dass sie ihr Leben und ihr Herz in seine Hände legen konnte.

Sie drückte den Rücken ein wenig durch, schob die schmalen Schultern zurück und lenkt den Blick schließlich in einer langsamen Geste zur Seite, sodass sie die Tür des Faros in Augenschein nehmen konnte. Tom würde noch eine Weile schlafen und sie hatte sich, auch wenn er sich weniger begeistert davon zeigte, angewöhnt in den frühen Morgenstunden auf kleine Ausflüge zu gehen. Als jemand, welcher die Hitze über alles liebte, genoss sie es förmlich mit den ersten Sonnenstrahlen aufzustehen und den Tag so zu beginnen - zusammen mit der Sonne und der Wärme der Person, die sie nicht missen wollte. Zwar ließ sie eben jene Person meist im Faro zurück, jedoch legte sie alles daran, so früh wieder dort zu sein, dass sie sich nach erfolgreichen Ausflug wieder an seine Seite schmiegen konnte – mehr brauchte sie auch gar nicht, um glücklich zu sein. Das war eine absolut simple Sache.

Die Hitze der Sonne, das Gefühl der Freiheit, eine Unze Wildkraut, etwas Rum und die Möwe.
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Thomas Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 29 Jul 2017 16:51    Titel:
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» Von Orchideen und Vergissmeinnicht «

Die erfrischende Meeresbriese, gepaart mit den wärmenden Sonnenstrahlen, welche er breitwillig über sein Gesicht wandern liess, entlockten ihm ein zufriedenes Lächeln. Die Sonne war erst vor kurzem aufgestiegen und zierte nun als grell leuchtender Punkt den morgendlichen Himmel. Noch immer zierte ein leicht rötlich-oranger Touch den Himmel, was den ganzen Anblick nochmals etwas atemberaubender machte. Wie sonst auch liess er in solchen Momenten den Gedanken freien Lauf und so führten jene ihn unweigerlich an die beiden Abende zurück. Das sonst matte Lächeln, welches er sein Eigen nannte, wurde im gleichen Moment wieder etwas sanfter.

Geschenke als Wiedergutmachung zu überreichen, war etwas, womit so manche sich erhofften, die Gunst der anderen Person wiederzuerlangen. Es war recht simpel. Alles was man zu tun hatte, war ein Objekt zu finden, von dem man wusste, dass sein Gegenüber Gefallen daran finden würde. Viele nutzten solche Dinge aus, um die Person von einem Fehler, den man begangen hat, abzulenken, gar jenen völlig vergessen zu lassen, um wieder ein leichtes Spiel zu haben. In gewisser Weise konnte man, sofern man die Situation kannte, welche sich zwischen der schönen Blume und Tom entwickelt hatte, das Gefühl bekommen, dass er das Selbe versuchte, als er ihr die drei Objekte überreichte. Das traf bei ihm jedoch nicht zu. Was er mit diesen Stücken zu tun versuchte, war lediglich, seine Gefühle ihr gegenüber ein weiteres Mal zu offenbaren, auf eine Weise, die ihr sehr gut bekannt war.

Die Schmuckstücke, die sie erhielt, waren alle auf eine besondere Art verziert. Nichts Banales, was es einfach nur schöner aussehen liess – jedes Stück wurde mit Blumen verziert und jede davon hatte eine gewisse Bedeutung.
Rosa Akazienblüten, repräsentativ für die Glückseligkeit - als Zeichen, wie glücklich Rin ihn mit ihrer Nähe machte, wenn immer er diese geniessen durfte. Etwas, auf das er in den letzten Tagen widerwillig verzichten musste.
Die Orchideenrispe, stellvertretend für die tiefe Zuneigung – Ein Gefühl, welches sich in der Zeit, die sie zusammen verbrachten, entwickelte. Eines, an dem man nicht mehr so einfach rütteln könnte, da es sich tief in ihm verankerte und von dort nicht mehr weichen wollte, als wäre es nun ein Teil seines Lebens.
Und zu guter Letzt war da noch die Enzianblüte, welche die Bewunderung der Schönheit symbolisierte – Das war die einzige Blüte, die er nicht weiter zu erklären hatte. Ihre Schönheit war etwas, was ihn beim ersten Treffen bereits in den Bann zog. Diese war nicht zuletzt anfangs dafür ausschlaggebend, dass er sich ihr näherte – geblieben war er jedoch, weil sie ihm sein Herz stahl.

Die Vergangenheit führte ihn unweigerlich dazu, viele Gedanken und besonders Gefühle, für sich zu behalten, hinter einem Schloss, tief in seinem Herz zu verschliessen und dort aufzubewahren, um sich der Gefahr, etwas Falsches zu sagen, nicht aussetzen zu können. Es war in gewisser Weise ein Selbstschutzmechanismus, denn er wusste, dass wenn er diese Dinge aussprechen würde, er sich auch verwundbar machen würde. Und doch… schaffte sie es mit ihren Worten, die sie an dem Abend an ihn richtete, jenen Mechanismus ausser Kraft zu setzen. Ganz einfach, als wäre es das Leichteste auf Erden. Jene Unsicherheit, das fehlende Vertrauen, welches mit seinem Fehltritt und den darauffolgenden Gesprächen einsetzte, waren wie weggespült. Als wäre eine riesige Welle über ihn gekommen, welches seine Gedanken wieder von diesen Dingen sauber gewaschen hatte.
Ihre Worte waren es, die ihn etwas realisieren liessen, was er hinter jenem Schloss versteckt hielt – vor dem er Angst hatte, es auszusprechen, gar im Glauben war, etwas zu zerstören, wenn er es tun würde. Doch je mehr sie sagte, umso stärker wurde der Drang, ihr alles zu offenbaren, was er schlussendlich auch mit gemischten Gefühlen tat. Er ging ein Risiko ein – eines, welches ihn unglaublich verunsicherte, bis die erlösenden Worte über ihre Lippen drangen und ihm zeigten, dass es das Risiko allemal wert war. So befreit, so glücklich, fühlte er sich schon lange nicht mehr.

Im Nachhinein betrachtet, vermochte jener Vorfall sogar die beiden zu etwas zu bewegen, was auf einem anderen Weg sicherlich noch mehr Zeit gebraucht hätte. Sie standen sich nun viel näher, das Band, welches die schöne Blume und Tom verband, war enger geknüpft, als zuvor. Die Sicherheit, der Gedanke, dass er wusste, dass er das Leben, sein Herz, ihr vollends anvertrauten konnte, war seither sein stetiger Begleiter.

Tief durchatmend, drängte er die Gedanken mit einem sanften und glücklichen Lächeln auf den Lippen hinfort, während er das Meeresblau nochmals einen Moment lang über die Wasseroberfläche schweifen liess. Sie hatten es geschafft. Zwar würden die hinterbliebenen Narben niemals schwinden, doch war er sich sicher, dass sie zumindest soweit verblassen werden, dass keiner von den beiden einen Gedanken daran verschwenden wird.
Mit den Händen, die flach auf dem Geländer aufgelegt wurden und als Stütze dienten, drückte er sich langsam wieder hoch, während das Meeresblaue Augenpaar zu der Hängebrücke pendelte. Rin würde bald von ihrem morgendlichen Ausflug zurückkehren und somit würde die zwar recht simple, aber für ihn vollends ausreichende Routine, um glücklich zu sein, beginnen.

»Deine Nähe, zu tun, was imm‘r man möchte, weil die Freiheit ein‘n dazu die Möglichkeit bietet, 'ne ordentliche Flasche Rum und 'n bisch’n Wildkraut – mehr brauch‘ ich nich‘, um glücklich zu sein.«


Zuletzt bearbeitet von Thomas Erlenhain am 03 Jan 2018 14:39, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Arina Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 03 Aug 2017 19:59    Titel:
Antworten mit Zitat

» Der umgestürzte Baum «

~•~
Eigentlich war es ein schöner Tag. Die erbarmungslose Hitze der Sonne brannte auf die Leiber nieder, doch ehe man es als zu heiß empfinden konnte, brachte der Wind die nötige Kühle mit sich, welche die Haut umschmeichelte. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen, lediglich das leise Kreischen der Möwen am Strand und das Rauschen des Meeres, dessen Wellen sich an der nahe gelegenen Klippe brachen, drang an die Ohren.
Der gewaltige Pfirsichbaum hinter ihrem Rücken spendete etwas Schatten und sorgte dafür, dass man hier ewig sitzen bleiben konnte und in der Ferne konnte sie eine kleine Holzhütte am Strand erblicken. Sie wusste nicht, wo sie war, sie hatte keinen blassen Schimmer, aber ihre Möwe wusste es, er hatte sie hier hingeführt – ein kleiner Ausflug, eine kleine Abwechslung vom Alltag und das war ihr willkommen.
Gerade noch vernahm sie das vertraute Summen an ihrer Seite, ehe die Worte sie aus ihren Gedankengängen rissen.
»Ich werd' eb'n was hol'n, mi amor.«
Ein kleines Blinzeln und ihr Augenmerk hatte sich auf dem Meerblau der Möwe verfestigt, welche sich nun streckte und einen Pfirsich vom Baum pflückte, welche er ihr sogleich entgegenstreckte.
»Ich bin zurück, eh' der Pfirsich anfängt zu faul'n.«
Eine kleine Falte schob sich ob der Formulierung auf ihre Stirn und das Silberblau landete einen Moment gar verwirrt auf den Pfirsich, welchen sie dennoch an sich nahm.
»Ich werd' immer auf dich warten... das weißt du, mein Sommer.«
Die Worte brachten das altbekannte charmante und doch matte Lächeln auf die Gesichtszüge der Möwe, ehe jene sich vorlehnte, um die Lippen kurz auf ihr Haupt zu drücken. Dann jedoch drehte er sich um und verschwand mit der Zeit am Horizont, je weiter er sich entfernte, je schwächer wurde die Sonne, welchen das Schauspiel begleitete. Die Schreie der Möwen wurden lauter, und ehe ihre Aufmerksamkeit auf den Baum hinter sich landen konnte, registrierte sie das merkwürdige Gefühl in der Hand. Verwirrt lenkte der Blick sich auf diese, nur um festzustellen, dass ein fauliger Flaum den Pfirsich bedeckte – angewidert, als hätte die Frucht ihr einen Schock verpasst, ließ sie jene fallen. Sie schaffte es sich nichtmal Gedanken darüber zu machen, wie der faulende Prozess so schnell hatte einsetzen können, da spürte sie etwas Warmes über ihre Schulter laufen. Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass es sich um eine heiße rötliche, dickflüssige Substanz handelte. Blut?
Rasch rappelte sie sich auf um ihr Augenmerk auf den Baum zu richten, welcher mittlerweile in einer eher spärlich beleuchteten Umgebung stand – viel war nicht mehr von der Idylle zu sehen. Sie brauchte auch nur einen Atemzug um den Ursprung der Flüssigkeit auszumachen, welche eine klaffende Wunde im Stamm des Baumes bildete. Aber seit wann bluten Bäume? Es wirkte gerade so, als wäre er aus Fleisch und Blut, wenn da die harte Rinde nicht um sein Äußeres liegen würde. Skeptisch näherte sie sich und wurde direkt von einem weiteren fauligen Pfirsich getroffen, der sich vom Geäst gelöst hatte... und es war nicht der Einzige. Nach und nach lösten die Früchte sich vom Baum, so absurd viele, dass sie gar nicht alle nur von diesem einen Baum stammen konnten und es blieb ihr nicht viel übrig als auf Abstand zu gehen, um nicht von den merkwürdigen Regen erwischt zu werden. So wie die Umgebung immer dunkler, kälter und bedrohlicher wurde, so veränderte sich auch die Wunde des Baumes, denn in das sickernde Rot mischte sich ein noch dickflüssigeres Gelb ein, welches einen üblen Geruch mit sich brachte. Immer größer wurde die klaffende Wunde, bis der Baum unter einem gefährlichen Knarzen in sich zusammenbrach, als hätte er all seine Stabilität durch das Loch verloren. Erschrocken zuckte sie zusammen und dann wurde alle wieder heller als sie in die Realität zurücktauchte ...
~•~


Heller, aber nicht unbedingt freundlicher. Sie brannte, ihr ganzer Körper glühte und zitterte zugleich, als sie langsam aus dem unruhigen Schlaf erwachte. Was genau sie aus diesem kaum erholsamen Zustand gerissen hatte, wusste sie nicht. Vielleicht war es der Traum, den sie die letzten Nächte, seitdem sie sich die Verletzung zugezogen hatte, immer hatte... vielleicht war es aber auch einfach nur das schmerzhafte Pochen der Wunde an ihrer Flanke, welches wieder an Kraft gefunden hatte, nachdem das Wildkraut aufgehört hatte zu wirken.
Sie hatte ihre Verletzung seit dem ersten Verband nicht gesehen und doch wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Das wusste sie durch die unerträglichen Schmerzen und die Fieberschübe, die ihren Körper erfassten und auch durch Toms Verhalten. Zwar war ihr Körper viel zu erschöpft und der Verstand zu träge, um richtig darüber nachzudenken, aber sie wusste ganz genau, dass sie diesen Zustand vor allem hasste, weil es ihm genau so wehtat, wie ihr selber.
Vielleicht versuchte sie deswegen beharrlich darauf zu bestehen, dass alles gut sei – obwohl es ihr offensichtlich dreckiger ging als jedem Straßenköter in Bajard. Neben dem Fieber und dem damit verbundenen Schüttelfrost fraß irgendetwas kontinuierlich ihre Kraft weg, sodass sie sich seit Tagen wie nach einem Wochenmarsch fühlte. Teilweise so stark, dass sie nicht mal die Augen aufhalten konnte und oft genug wirkte es sich auf ihren Verstand aus, der nur ansatzweise die Umgebung registrierten konnte – als würde ihr gesamter Körper auf minimaler Leistung laufen, wofür gewisse Komponenten einfach 'stillgelegt' werden. Irgendetwas sagte ihr, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie vollkommen die Fähigkeit verlieren würde, ihre Umgebung wahrzunehmen – als müsste ihr Körper erst alles hinunterfahren, ehe dieser neu gestartet werden konnte. Stück für Stück... fühlte sie, wie es diesem Punkt näherkam – als würde sie einfach nur unendlich lange schlafen wollen.

»Wäre das Meer die Tinte und der Himmel das Papier...«
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Thomas Erlenhain





 Beitrag Verfasst am: 05 Aug 2017 22:09    Titel:
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»Von Verzweiflung und Hoffnung«

Im dichten Nebel des Räucherwerks, welches Schmerzen linderte und den Körper beruhigte, diesen gar schläfrig machte, war es eine Kunst, klar im Kopf zu bleiben – eine Wunde dabei zu säubern und das auch noch mit der nötigen Vorsichtig, glich da fast schon einem Meisterwerk.
Zuerst wurde die Bandage entfernt, dann der Wundfluss und Eiter weggewaschen und anschliessend wieder die Salbe aufgetragen, bevor er die Bandage wieder um ihren Körper wickelte. Eigentlich ein recht simpler Vorgang, die Wunde musste immerhin nur einmal genäht wer und danach das Prozedere der Wundsäuberung in regelmässigen Abständen wiederholt werden.
Die Reaktionen auf seine Berührungen waren jedoch etwas, was ihm selbst Schmerzen zubereitete – sie leiden zu sehen, wie sie sich unter jenen windete, die Laute die sie von sich gab, bereiteten ihm mindestens genauso Schmerzen, als würde er diese schlicht mit ihr teilen. Es war erschöpfend.
Ehrlich gesagt wusste er nicht, was ihm mehr zu schaffen machte – dieser elendige Nebel, den er sonst in jeder anderen Lage vermutlich ausgiebig mit einer Buddel Rum genossen hätte, diese andauernde Schlaflosigkeit aufgrund der Sorgen, die er sich machte oder die Schmerzen, die er zu glauben verspürte. Vermutlich war alles gleich schlimm. Die Dämpfe halfen ihm aber zumindest ein wenig, sich nachts zu erholen, was bei dem ganzen Schlafmangel der letzten Tage ganz gelegen kam.

Es war definitiv nicht einfach. Ablenkung war das, was er in diesen Tagen brauchte, doch das war jeweils etwas, womit er nur bedingt Erfolg hatte. Klar, es gab Momente, in denen die Gedanken für eine Weile auf etwas anderes fokussiert waren – diese dauerten aber in der Regel nicht sehr lange an. Selbst wenn er es schaffte, seine Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren, erinnerte ihn eine Stimme im Hinterkopf wieder an die Blume.
»Nicht… geh’n… Beib hier.« Wie eine lästige Fliege kehrten diese Worte immer wieder in seinen Kopf zurück und plagten ihn dort. Es war schwer abzuschätzen, wie viel sie in ihrem Zustand mitbekam, doch war eines klar: Die Worte, die sie so oft an ihn richtete, klangen sorgenvoll. Ob es mit ihren Alpträumen zu tun hatte? Möglich. Konnte er nicht sagen. Es reichte jedoch, dass er sich mehr Sorgen machte und sich wirklich nur selten vom Faro entfernte, um jederzeit da zu sein, wenn sie seine Hilfe bräuchte.
Und wenn es nicht diese Stimme war, dann zumindest die Schmerzen, welche stets durch seinen Körper drangen, wenn immer er eine falsche Bewegung tätigte.
Zurückblickend war es wohl ein Wunder, dass die beiden es lebendig aus der Höhle schafften. Naja... wie pflegt er zu sagen? »Fortuna ist stets an meiner Seite.«

Tage vergingen, in denen er sich so gut um sie kümmerte, wie es nur möglich war. Heilsalben, Räucherwerke, Medikamenta, Essen, gar Tee – alles was es benötigte, um die Genesung voranzubringen, besorgte er. Dafür ging es sogar das Risiko ein, in Adoran geschnappt zu werden, nur um sich nach einem geeigneten Heiler umzusehen. Fortuna war natürlich auch dort wieder allgegenwärtig und so fand sich recht schnell eine Person, die ihm das brachte, was er benötigte – wofür er unendlich dankbar war.
Dennoch schien die Sorge ab einem Punkt immer weiter zu wachsen, sodass schlussendlich ein Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung seine Gedanken heimsuchte. Zu wissen, dass man einer Person, die man liebte, nicht weiterhelfen konnte, so sehr man es auch versuchte - das raubte ihm die Kraft endgültig.
Just in dem Moment, in dem diese Gefühle ihn überkamen, verliessen jedoch noch einige Worte seine Lippen, die nach einem Versprechen klangen, die Lippen, ehe er dem dringend benötigten Schlaf verfiel. »Bald wird es dir schon wied'r bess'r geh'n, mi corazón.« Dass in den Worten ein Funken Hoffnung drinsteckte, mit dem er sich selbst Kraft zu schenken versuchte, war dabei nicht zu leugnen.
Glücklicherweise hatte er mit seinen Worten nicht unrecht. Wenn auch nur zögernd, als handelte es sich um einen hartnäckigen Dreckklumpen in der Küche, den man lange zu bezwingen versuchte, liess das Fieber langsam wieder nach. Gleich verhielt es sich mit der Schwellung der Wunde, diese wurde zunehmend kleiner. Alles deutete daraufhin, dass die Heilung der Wunde bald einsetzen würde. Und auch wenn das noch kein Grund war, sich zu freuen, da solche Wunden und Fieber meist unberechenbar waren, so wurde die Verzweiflung langsam zurückgedrängt und mit einem Gefühl der Hoffnung ersetzt. Vermutlich würde er sogar das erste Mal seit Tagen wieder richtig schlafen können.


Zuletzt bearbeitet von Thomas Erlenhain am 03 Jan 2018 14:39, insgesamt 2-mal bearbeitet
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