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Baum und Halm
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 09 Mai 2006 20:56    Titel: Baum und Halm
Antworten mit Zitat

Die Lektionen eines gelebten Steins

Sie achtete nicht auf das Knacken der Äste draußen. Hier drin war Frieden, Ruhe. Kniend hob sie langsam den Kopf, sah von dem goldenen Symbol auf grün auf das weit größere Ebenbild, das sich darüber erhob, das Temorakreuz. Die Geste war routiniert an die Worte gebunden:
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit erhebe ich mein Antlitz, um meine Augen zu öffnen für alles, was wahr ist."
Hinter ihr krachte die Tür, als sie unsanft geöffnet wurde. Darnas Hand legte sich auf den Schwertgriff - wie es üblich an just dieser Stelle des Gebetes war. Zwei laute Schritte hinter ihr, deren charakteristischen Klang sie kannte: schwere Rüstung. Als Darna begann, ihre Waffe zu ziehen, war sie sich nicht sicher, zu welchem Nutzen. Routine führte ihre Hand nicht mehr allein, sondern auch ein Instinkt, aus Angst herrührend. Und die Angst wuchs, als sie hörte, daß in ihrem Rücken eine Waffe mit scharfem Ruck herausgerissen wurde. Wie gelähmt kniete die Knappin in noch genau der gleichen Haltung, wie zuvor.

"Erschlagen, in einem der Schreine?"
Die silberne Klinge schob sich in ihr Blickfeld und überdeckte das goldene Temorakreuz vor ihr im Boden.
Schwert... sie dachte an einen anderen Schrein, Bruchteile von Sekunden, und plötzlich gab es keine Fragen mehr, nur eine Antwort:
"Du bist hier sicher."
Mit nachdenklich leerem Blick wendete sie die Waffe und legte sie mit dem Griff von sich fort vor sich, sprach weiter:
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit entbiete ich mein Schwert..."
Die Person hinter ihr hielt inne, als sie die Worte vernahm.
"Korporal von Elbenau?" - und gleichermaßen erkannte Darna die Stimme: Luzcilla.
"um zu streiten für alles, was recht ist", betete die Knappin nun unbeirrt weiter. "Dein Licht erhelle mein Herz, dein Wort erfülle meinen Geist, deine Macht erhebe meinen Arm, der in Treue fechten soll für alle, die seiner bedürfen..."
Durch Darnas Gedanken hallten leise andere Worte: "Ich habe gehört, du kämpfst wieder für Rahal, Luzcilla Amarth..." Doch sie wandte nicht den Kopf, als die Kriegerin sich mühsam setzte.
"Ihr solltet das Gebet beenden, Korporal."
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit..."
"Ich möchte Euch nicht zur Rechenschaft ziehen müssen."
"...danke ich dir für diesen Tag", schloß sie, so wie sie es seit jeher tat.
Ein seltsames Schaudern lief Darna über die Haut. Es war zu seltsam, schien zu harmonisch gefügt, um Zufall zu sein. Was geschah hier?

"Ich habe eine Idee...", sprach die Gardistin in den Insignien des Feindes, "Ich zeige Euch meine Heimat."
"Rahal?"
"Aye!"
"Erklärt Euch." Noch immer verharrte Darna in der knienden Haltung, als weigere sie sich, die Zuflucht, die ihr dies bot, zu verlassen.
"Nun... eigentlich wäre es meine Aufgabe, Euch festzusetzen. Der Erhabene würde mich reich belohnen. Aber es liegt mir fern, eine Freundin zum Tode zu verurteilen - nur sollt Ihr endlich sehen, gegen was Ihr kämpft."
"Freundin..." Mißbilligung mischte sich in ihren Ton, als wären es ältere Tage, in denen sie sich mühte, Luzcilla die Regeln der Garde beizubringen, "Dergleichen wagt Ihr, Freundschaft zu nennen?"
"Freundschaft kennt keine Schlachtfelder oder Götter." Luzcilla stieß die Türen auf und ging nach draußen.
"Ihr müsst mich für wahnsinnig erklären, wenn Ihr allen Ernstes erwartet, daß ich Euch folge."
"Ich möchte ungern Gewalt anwenden."
"Es ist also doch eine Festnahme", stellte Darna trocken fest.
"Noch nicht!", erklang seltsam widersinnig scheinend die Antwort.

Die Knappin sah auf die in edlem Grün schimmernde Steinplatte, die goldenen Bahnen darauf, die sich harmonisch verbanden. Sie hatte alle sieben erneut aufsuchen wollen, um zu danken für das Erlernte, um... sie stockte. War sie drauf und dran, Luzcilla für nicht mehr als eine unliebsame Störung zu erachten?
Geistigkeit.
"Wie viele übersehen, daß in der Fülle von Erfahrungen jeder von jedem lernen könnte, weil jeder anderes erfährt, anderes erlebt, erduldet und erreicht?", gingen ihr die von ihr selbst geschriebenen Worte durch den Sinn. Die Tugend der Geistigkeit bedeutete für sie noch immer, lernen zu wollen. Stetig, ein nie endender Weg, der immer wieder zu sich selber führte und doch Erfüllung bot.
Sollte es Zufall sein, was hier geschah?
Sie glaubte nicht mehr daran, stand auf und verneigte sich - sprach die Worte, wie an den Schreinen zuvor: "Im Sinne der Geistigkeit bitte ich darum, diesem Pfad folgen zu dürfen und um Vergebung meiner bisherigen Verfehlungen auf diesem.

Sie hatte sich bis zum heutigen Tage geweigert, sich der Seite des Brudermörders auch nur ansatzweise zu nähern, aus Furcht vor der Verderbnis, die er barg.
Nun schien es, als hätte es keine andere Person als Luzcilla Amarth und diese Art von Druck gebraucht, um sie weiter zu lehren.
"Ihr könnt Euch etwas auf Eure 'Verdienstliste' setzen, Luzcilla - das erste Mal will ich etwas von der anderen Seite endlich ernsthaft verstehen können", sollte sie später sagen.
Doch die Lektion war hart, entsetzlich hart.
Sie nahm Luzcilla den Schwur ab, daß sie zurückkehren würde hierher, noch an diesem Tag und unversehrt - und die Kriegerin schwor mit ihrem Blut. Darna kannte sie soweit, daß sie bei aller Düsternis darauf vertrauen konnte, daß Luzcilla tatsächlich jedem die Kehle zu zerreißen trachten würde, der sie an der Erfüllung dieses Schwurs hindern wollte.
Es war auch alles, worauf sie neben Temora Gnade überhaupt noch vertrauen durfte, hielt man sich die Fakten vor Augen.

Rahal bei Nacht...
Sie hatte bislang irgendwie manche Erzählung nur für Schauermärchen gehalten, keine wirkliche Vorstellung gehabt. Eine andere Stadt eben, mit anderen Menschen darin... doch es war nicht so. Das blutig rote Licht, das von den Feuern an der Kirche verströmt wurde, die schwarzen Rüstungen mit den dunkelroten Umhängen, dieser gewaltige... Opferaltar... bei der Göttin, wieso hatte sie nur gefragt?
Egal, wie nachdrücklich Luzcilla sie "eingeladen" hatte, Darna weigerte sich, die Kirche des Brudermörders zu betreten. "Mögt Ihr den Schrein betreten und Euch daran nicht stören... doch stört Euch ruhig daran, wenn ich es andersrum täte."
Die Gardistin ließ sie gewähren. Sonst regierte Darna nichts in diesen Straßen als blanke Angst. Sie folgte Luzcilla, weil sie wusste, daß sie sonst verloren wäre. Sie war unendlich dankbar, daß sie so wenig bislang mit den Mächten Rahals zu schaffen gehabt hatte, daß man sie hier wohl nicht erkannte - sie war weder verhüllt noch sonstwie nicht als die erkennbar, die sie war. Einzig ihr bleiches Gesicht fügte sich vielleicht stimmig in das Bild der Stadt ein, hatte jedoch seine eigenen Gründe.
Wenn Letast... er kannte sie... war mächtig genug, Luzcillas Willen zu ignorieren...
Ihr Herz lag wie ein Eisklumpen irgendwo tief in ihrem Körper.

Und dann der Kerker.
Nachdem Luzcilla schlicht festgestellt hatte, daß sie selbst in ihrem Haus nicht offen reden konnten, brachte sie sie ausgerechnet zum Kerker. Was sollte das zu bedeuten haben? Darna schaute auf die Mauern, stoppte.
"Gefängnis betreten für Unbefugte verboten", stand auf einem Schild, zwei Wachen daneben. "Das schreiben die noch auf?", ging es ihr skeptisch befremdet durch den Sinn.
"Es ist in Ordnung", meinte Luzcilla nur, "Ihr müsst mir wohl vertrauen."
Welche Wahl hatte sie auch schon? Als Darna ihren Fuß über die Schwelle setzte, dachte sie, ob dies im Falle einer Täuschung die leichteste Festnahme einer Person wie ihr wäre, die Rahal je getätigt hätte. Sie musste an ihre außerordentlich höfliche Verhaftung von Anghar Tagkon denken, die in gewissem Rahmen ebenso absurd schien.
Es war der Kerker, der sich als die Grenze dessen abzeichnen sollte, was sie still zu ertragen fähig war. Luzcilla Amarth, Kerkermeisterin Rahals... eine fremde Gardistin, willfährige Schülerin an den Grausamkeiten des gefallenen Sohnes Eluives...
Als Darna klar wurde, wie hilflos sie hier wirklich war, daß es nicht einmal Sinn machte, sich selbst im Austausch für eine der gefolterten Gefangenen anzubieten, weil sie keinerlei Macht über die Konsequenzen dieser Tat gab und weil es vor dem Umstand, daß in den Kerkern Rahals ja nicht nur eine Person litt, wurde ihr schlecht, und es brauchte all ihre Disziplin, um sich nicht zu übergeben, nicht loszuschreien, sich nicht in hilfloser Wut gegen unverstehende Peiniger zu werfen.
"Beuge dich... beuge dich den Tatsachen... du kannst nichts tun, das einen Sinn ergäbe... hilf mir, Grundgütige, ich muß dies geschehen lassen..."

"Sagt mir, daß ich daran nicht schuld bin, Luzcilla... Das geschah nicht alles wegen diesem Gespräch, das wir führten, oder?"
"Nein, da stand es schon fest."
"Wozu dann das alles? Ich versteh das nicht."
"Politik."
"Also Verrat, von Anfang an?" Für einen Moment klang Darnas Stimme kühler. Wie hatte sie es wagen können?
"Aye! Ich kann Temora nicht folgen, konnte es nie, hätte es nie gekonnt. Nach dem Tod meiner Schwester... nunja, ich hatte den Kampfeswillen verloren. Ich habe aufgegeben. Ich wollte zurück, koste es was es wolle."
Zurück... zurück zu... DEM hier? Zu diesem Preis?!
"Ich hege und werde nie einen Groll gegen Euch hegen oder Euch gar hassen. Ihr seid eine besondere Person in meinem Leben, Ihr habt mich Wichtiges gelehrt, ohne es zu wissen. Ich verdanke Euch sehr viel."
"Ihr konntet an mir lernen, was falsche Hoffnungen sind", presste Darna bitter zwischen den Zähnen hervor.
"Sagt sowas nicht. Ich habe Euch gegenüber nie etwas vorgespielt."
"Dann sagt mir, wie Ihr Euch so aufgeben konntet."
"Ich habe zu viele Brüder zu Grabe getragen."
"IHr habt Euch selbst zu Grabe getragen", zischte Darna wütend zurück, doch Luzilla entgegnete nur:
"Mag sein."

Zurück...
Sie lehnte ihren Rücken gegen die kühle glatte Wand und rutschte daran hernieder, als sie mit schlaffer Geste die Kapuze zurückzog, spiegelte das kärgliche Licht sich in den tränengefüllten Augen, doch sie hatte keinen Atem zum Weinen.
"Was hast du?", fragte Luzcilla - brachte tatsächlich den Ernst auf, dies zu fragen.
"Ich verachte das, was hinter Euch steht, Luzcilla. Ich verachte Euren Verrat, den Ihr begangen habt. Ich verachte die Rüstung, die Ihr tragt...
und ich weine um den Menschen, der darin verloren ging."

"Wollt Ihr Eure Ruhe?"
Darna schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte gesehen - jetzt war es Zeit, zu hören. "Ihr seid an der Reihe, mich zu lehren...", flüsterte sie leise.
Sie hörte zu. Hörte alles, was Luzcilla von sich preiszugeben bereit war, und es barg tiefsten Schrecken. Manches schien ihr, wie ihr eigenes Leben, schien so ähnlich, daß sie verstand - verstehen musste, weil sie selber bereits mit ähnlichem konfrontiert schien.
Treue, Eide, Ehrfurcht vor dem Vater... doch es schien alles wie in düsteren Farben makaber nachgemalt, jede Wegzweigung, die Luzcilla genommen hatte, schien die falsche zu sein, hatte weiter ins Verderben geführt, bis selbst Darna einen Punkt erreicht sah, von dem es keine Rückkehr mehr zu geben schien.
Wie sollte ein Gemüt Frieden und ein Zuhause im Licht finden können, das sich selbst stets als Schandfleck in diesem Licht empfinden musste? Kadavergehorsam - das schien alles zu sein, was Luzcilla von sich wähnte, leisten zu können, ohne zu begreifen, wann Treue keine Tugend mehr war. Und ausgerechnet Rahal nahm ihre Dienste dankbar an...
Die Diener des Gottes, der sich erdreitete, seinen Namen und dessen Bedeutung noch mit Stolz zu rufen...
Sie brachen ihre Soldaten erst und lehrten sie dann auf brutale Art, gefügsam zu funktionieren. Es war verdreht, irrwitzig, krank. Selten hatte Darna sich so elendig gefühlt.

"Ich bin es gewohnt. Ich bin mit Leid und Schmerz aufgewachsen."
"...und nie darüber hinausgewachsen, scheint mir."

"Ich habe fast schon eine ganze Armee ausgebildet. Und alle sind mir treuer ergeben als irgendeinem Gott. MIR."
"Die einzigen Momente, in denen du spürst, daß du etwas wert bist?"
Treffer.
Ja, vielleicht hatte Luzcilla zuviel von sich verraten. Langsam glaubte Darna, gewisse Dinge zu begreifen. Ihr schwirrte der Kopf, doch Luzcillas wütender Blick sagte ihr zur Genüge, daß dies Wahrheit war, die schmerzte.
"Du bist mehr wert, Luzcilla - und beständig etwas wert. Nur hat man dir das ausgeredet."
"Ich erwarte sehnsüchtig den Tod, Darna. Ich will zurück zu meiner Familie. Ich habe keinen Wert mehr auf dieser Erde."
"Du tust mir leid."
Es waren die letzten Worte für diesen Abend, die letzten Wahrheiten.
Und als Darna sich im Innern des Schreines zum Schlafen niederlegte, hallte viel durch ihren Kopf, doch nur eine klare Frage:
Wann würden sie die Waffen kreuzen müssen?
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 19 Mai 2006 18:31    Titel:
Antworten mit Zitat

Was hinter der Fassade ruht

Entgeistert sah Eileen Viola nach. "Ich bin so undankbar zu ihr", meinte sie leise.
"Das würde mich wundern, Milady." Wieder ganz in sich ruhend, musterte Darna sie, versuchte in den letzten Tagen stetig, abzuschätzen, wie weit sich die Erwählte seiner Hoheit den Anforderungen beugte und sie füllte, die hier bei Hofe ganz von allein an sie gestellt wurden.
Verstehen und begreifen... schienen in Darnas Augen auch weiterhin zwei verschiedene Dinge zu sein. Eileen meinte, sie würde verstehen.
"Öffnet Eure Augen bitte für das Gesamte, Milady. Adel ist mehr." Anderes als Arroganz. Anderes als Unselbständigkeit und anderes als ungebunden und willkürlich. Mehr als Etikette. Mehr als Sorge für die Untergebenen.
Sie hoffte, Milady würde noch begreifen. Und mehr noch hoffte sie, es würde Eileen nicht auf dem Weg dorthin zerstören, die Gratwanderung zwischen der Bewahrung des Selbst und der Wahrung der von der Öffentlichkeit geforderten Fassade sie nicht zerreißen.
Die Gedanken rauschten durch ihren Kopf, kaum daß ein Lidschlag vergangen war.
"Ich beton die ganze Zeit wie sehr ... wie sehr es mich stört mich nicht frei bewegen zu können. Ich glaube, ich tu Viola weh damit."
"Gut, das mag leider möglich sein", gab Darna zu - es tat ihr selber ja nur nicht weh, weil sie unverdrossen an ihrer Pflicht festhielt, im festen Glauben, das Richtige damit zu tun, solange die Ehre gewahrt blieb. Vorhin erst hatte seine Hoheit dies unbedacht auf eine harte Probe gestellt.
"Es ist, was ich mit dem aufrichtigen Dienen meinte - wer Euch dient, hat oft nichts anderes als das, was er tut, zu geben, Milady."
Eileen nickte. Vielleicht begriff sie.
"Habt Dank, Darna." Es schien mehr als eine Floskel zu sein. Sie nahm die Worte zufrieden mit. Es war Zeit, nun Violas Wunsch nach einem Gespräch nachzukommen.

Mehrere Minuten später sah Darna seltsam berührt auf die verzierte Schwertscheide, die Viola ihr gerade gegeben hatte. Mit Stickereien in dem sorgfältig verarbeiteten Leder und feinen Brandprägungen, die erfolgreich der Rüstung gerecht zu werden suchten, die Herr Thancred aus schierem Silber gefertigt hatte.
Ein leicht befremdetes und doch wohliges Schaudern glitt ihr über die Haut. Warum? Sie hatte das Gefühl, das junge Ziehkind der Hinrahs kaum zu kennen. Warum diese Geste?
"Als Ihr die Rüstung letztens getragen habt ... es ging mir nicht aus dem Kopf ... nur etwas war mir aufgefallen."
Das schien die äußerste Fassade. Darna sah auf das Geschenk. Man konnte behaupten, es sei eben eine Schwertscheide. Doch war ruhte dahinter?
"Ich mag Euch."
Ein Schritt näher aufeinander zu. Es war Wahrheit, das sah Darna in Violas Augen. Dieses Kind im Frauenkörper... es konnte geben, wie ein Kind gab, offen, ohne weitere Gedanken. Konnte Darna nehmen?
"Ihr braucht nichts sagen."
"Doch...", erwiderte die Ritterin und nickte bedächtig, "Danke."

Was dann geschah, war schwer zu beschreiben. In manchen Gesten war nichts Falsches, so auch nicht, als Viola ihr in schlichter, wohl tiefländischer, doch bedeutungsgefüllter Geste die rechte Hand auf die linke Schulter legte. Es mutete so seltsam an und war dennoch richtig.
Vielleicht war Viola schon vorher gewachsen - aber während ihrer nächsten Worte gewann Darna das Gefühl, dabei regelrecht zusehen zu können.
"Der Jarl hatte damals recht, als er meinte, daß ihr etwas Großes seid. Seit ich hier bin, teile ich seine Meinung mehr denn je. Ich zolle Euch meinen Respekt, Lady Elbenau. Ihr habt ihn verdient und ich bin stolz, daß ich Euch unterstellt wurde."
Die Wärme, die diese Worte in Darna weckten, hatten das offene Kompliment durchaus mit als Grund. Eben, weil es offen war. Der Ritterin war nicht ganz klar, was Viola zu ihrer Meinung bewogen hatte - noch weniger, was den Jarl zu seiner Äußerung veranlasst haben mochte. Doch sie spürte sicherer als nach tausend schönen Erklärungen, daß weder falsche Schmeichelei noch blinde Erniedrigung vor ihrem Rang darin lagen.
Was immer sie getan hatte, um dies verdient zu haben - es war genau das, was sie stetig zu erreichen trachtete. Die Fassade zu füllen. Dem 'von' eine Bedeutung und einen Sinn zu geben. Mensch hinter dem Titel zu bleiben, und ein Mensch mit Titel zu sein.
Tagtäglich gab sie dafür alles. Und es konnte funktionieren, kaum Etwas machte sie glücklicher als dies.

"Ich erhalte, indem ich gebe."
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 05 Jun 2006 16:45    Titel:
Antworten mit Zitat

ein Baum des Lichtes

Sie senkte den Kopf nach vorne, suchte sich eine bequemere Haltung. Neben ihr schlief Viola tief und fest, so konnte sie sich wohl eine gewisse Zeit selber Ruhe gönnen.

Die Bilder des Tages holten sie wieder ein, verlangten nach einer eigenen Art von Aufmerksamkeit...
Das Kloster. Er stand nicht mal im Zentrum des Platzes, nur auf einem kleinen Stück Rasen und war dennoch das Herz. Der Baum leuchtete, so still und erhaben schön. Davor stand sie, die Frau mit den grünen Augen. Die Frage, die Darna bislang nicht zu stellen gewagt hatte, erklang ein weiteres Mal, daran erinnernd, daß sie heute Antwort gefunden hatte:
"Es tut mir leid. Kannst du mir verzeihen?"
Ja... sie konnte es, und das junge Mädchen, das inzwischen Ritterin war, war aus ihrer Schuld entlassen, doch nicht aus einer Pflicht:
"Lebe."

Sie lauschte in dem Teil ihres Seins, wo vorher Leere gewesen war, und die Freude darüber, sich freuen zu können, brachte ein Lächeln. Ja, sie wollte ihr Dasein genießen, die Freude am Leben spüren und mit anderen teilen, geben und erhalten.
Sie hob den Blick, um noch einmal die strahlend hellgrünen Blätter des Baumes bewundern zu können, doch mit etwas Überraschung war es nicht mehr der gleiche.

In sattem dunkelgrün streckten sich ihr die fünffingrig gelappten Blätter hundertfach entgegen, gehalten an filigranen biegsamen Zweigen und starken Ästen. Die mächtige Krone bildete ein dichtes Dach, in dem die Sonnenstrahlen wärmend spielten.
Sie wandte den Blick nach außen und bewunderte die üppigen weißen Blütenkerzen, die dem Baum als weiterer Schmuck dienten, ihm für eine Weile etwas majestätisches verliehen. Nachdenklich betrachtete sie die stacheligen Früchte in ihrer dicken grünen Schale, die trotzig jeden Dieb abzuschrecken gedachten - und sie lachte leise und zufrieden, als sie zwischen den breiten Wurzeln Kinder eifrig suchen sah, die über jede entdeckte glänzend braune Kugel darin in Begeisterung ausbrachen.
Sie würden nicht alle finden... geborgen, wenn auch nicht versteckt, würde die Saat zu ihrer Zeit neue zarte Wurzeln in den Boden graben.

Sie sah an dem Stamm herab zu ihren Füßen - ein junges Mädchen flüchtete sich dorthin, kauerte sich zusammen. Sie sah auf die schwarzen langen Haare, die zierlichen Schultern, es wirkte vieles zu groß an der jungen und nicht reifen Seele.
Sie wollte die Hände ausstreckten und sie umarmen, doch es rauschte nur tröstend in den Zweigen und Blättern.
"Ich kann dir nicht die Mutter sein, die du dir wünschst, Viola", dachte sie leise, "doch ich kann und will dir Halt geben..."

Als sie die Augen öffnete, war es noch immer Nacht, doch der Morgen dämmerte. Sie drehte den steifen Nacken und sah auf das schlafende Mädchen im Bett neben sich.
Sie wusste nun nachzuempfinden, was Aradan an ihrem Bett in Zeiten ihrer Not gehalten hatte, und sie empfand keine Schuldgefühle mehr deswegen - es war einfach richtig so gewesen. Sie sah in das schlafende Gesicht, sah die Spuren der getrockneten Tränen auf den Wangen.
"Mündel", ging es ihr leise durch den Sinn und sie richtete behutsam die Decke ein wenig, daß sie nicht herabrutschte. "Wenn es das ist, was du haben möchtest, ist es das, was ich dir geben kann..."
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 19 Jun 2006 23:00    Titel:
Antworten mit Zitat

Teil des Ganzen

"Könnt Ihr mir den Unterschied zwischen einer authoritäten Person und einer Respektsperson erklären, Herr Greif?"
Manchmal... nein, eigentlich jedes Mal erschien er ihr wie so ein stacheliges Gebilde, das man drehte und wendete, untersuchte, um glatte Stellen zu finden, an den Kern zu gelangen... wer schien hier glatt und unnahbar? Mit allem herausplatzend, was ihm scheinbar gerade so in den Sinn kam, drohte er ihr mehr als einmal den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Eine Herausforderung - oh ja.
Der rahaler Gardist... wie dick war der Anstrich des Brudermörders, der an dieser Fassade klebte? Adrian Greif behauptete fest und in gewissem Maße überzeugend, er wolle lernen, was die andere Seite bedeute, wolle lernen, weil etwas vom Prinzip Ehre ihn berührt hatte, etwas von diesem Licht ihn faszinierte. Was war Wahrheit, was war Lüge? Was waren die alten Lehren, wie tief waren sie in ihm verwurzelt?
Sie prüfte ihn. So gründlich, wie es ihr möglich war.

"Einer Authoritätsperson zolle ich Respekt, weil ich es will, weil mich ihr Auftreten beeindruckt. Eine Respektsperson ist zum Beispiel ein Vorgesetzter. Den kann ich auch verachten und zeige ihm gegenüber trotzdem Respekt."
Etwas in ihrem Magen krampfte sich zusammen. Verachten und trotzdem Respekt... brrr. Gelogener Respekt also. Da war er wieder, der rahaler Anstrich.
"Interessant, ich werte es eben genau anders herum - eine authoritäre Person ist in meinen Augen eine Person, die sich darüber bewusst ist, daß sie Macht hat und dies auch zeigt... 'heraushängen lässt', wie man so sagt. Sie verlangt Respekt. Ob sie ihn erhält, ist eine andere Frage. Eine Respektsperson hingegen ist jemand, der genügend Festigkeit beweist, damit andere Menschen ihr vertrauen - aus freiem Willen heraus Respekt zollen."

Es war ein ständiger Schlagabtausch, vorsichtiges Antesten. Und immer wieder versuchte er, sie aus der Reserve zu locken, den Wall aus zurückhaltender Diplomatie zu durchbrechen. Sie kamen voran, doch ihr schwante, daß wieder dieser Punkt kommen würde, an dem es nichts mehr zu erklären gab. Der Punkt, wo jemand auch bei einer loslassenden Hand stehen und ein paar Schritte alleine gehen können musste.
Doch wie weit musste sie ihn führen? Und wann? In ihrer letztendlichen Ratlosigkeit hatte sie letztens Viola zum Schrein der Gerechtigkeit geführt, hatte dort versucht, mehr zu erklären und das Erklärte begreifbar zu machen.
War das überhaupt richtig gewesen? Jeden der Schreine hatte sie von sich aus gefunden, für jeden hatte sich ihr selber gewissermaßen die richtige Zeit offenbart.
"Mit Verlaub, Lady von Elbenau... ich glaube, daß in Euch etwas mehr ruht, als in gewöhnlichen Menschen", hallten leise Rafaels Worte in ihr. War es recht, darin hier einen Unterschied zu akzeptieren? War es zuviel verlangt, daß jeder diese Pfade mit selbst gelenkten Schritten führen sollte?

"Ihr solltet sagen, was Ihr denkt - dann müsste ich nicht jedes Mal nachfragen."
Manchmal... nein, eigentlich jedes Mal war er ziemlich penetrant und unverblümt. Aber diesen Gedanken sagte sie nicht. "Ich denke gerade über Authorität und Respekt nach... und überlegte, ob es Sinn macht, Euch etwas Bestimmtes zu zeigen, aber ich denke, es wäre ... zu früh, vielleicht verkehrt."
"Jetzt habt Ihr meine Neugier geweckt."
"Deswegen hätte ich geschwiegen, aber Ihr wolltet ja fragen."
Manchmal... aber nur manchmal... war er auch amüsant.
"Jetzt will ich auch sehen - folgt Ihr dem ebenso leicht?"
Hrm.
"Ob Ihr wirklich sehen wollt oder überhaupt könnt, da bin ich mir noch weniger sicher..."
"Das werdet Ihr nie herausfinden, wenn Ihr es nicht probiert."
"Dieser Unterschied zwischen Authorität und Respekt... ob sich jemand dem beugt oder gebeugt wird... bedeutet Euch das irgendwas?"
"Es ist ein ziemlich entscheidender Unterschied. Immerhin ist das Eine um einiges stärker und bedeutender als das andere."
Die Frage, die sich aus seinen Worten heraus ergab, lag klar auf der Hand, doch sie stellte sie nicht.

Sie starrte diese Fassade an und wünschte sich, dahinter blicken zu können.
"Du siehst sie nur von außenwärts,
du siehst die Weste - nicht das Herz."

Es gab in ihrer Welt nur eine richtige Antwort auf diese Frage und es musste ihm klar sein. So, wie in des Brudermörders Welt wohl nur die andere Antwort richtig sein konnte.
Die Frage zu stellen, hieß, nicht zu vertrauen, selbst das offensichtlichste ängstlich zu hinterfragen. Auch die Konsequenzen aus beidem wären klar. Und immernoch konnte er - von ihrem Interesse wissend - ihr nach dem Mund reden, die Antwort geben, von der er wusste, daß sie sie hören wollte, und sie wären noch kein Stück weiter.
Nein. Dieser Weg war also falsch.
Er musste freiwillig gehen wollen, freiwillig... folgen wollen.
Während all dieser Gedanken hatte sie ihn nur gemustert, bis er schon fragte, ob er sich noch umdrehen solle, nun stand sie weiterhin wortlos auf und griff nach ihrem Umhang, ruhig, nicht überhastet. Es galt, nicht den falschen Eindruck zu erwecken, daß er sie mit seinen Kommentaren verscheucht hätte.

Er begriff. Er folgte ihr. Die ersten Schritte.
Irgendwann blieb sie vor der Brücke stehen. Diesmal war das nicht ihr Weg.
"Was ist das hier...?"
"Manche Fragen erhalten keine Worte als Antwort, Herr Greif... und manche Dinge sagen einem etwas, obwohl sie... nur Gegenstände zu sein scheinen. Mehr kann ich Euch dazu nicht erklären. Nicht jetzt."
"Sehr... verwirrend."
Endlich. Die Fassade der Selbstüberzeugung bröckelte. Sie nickte nur.
"Gefährlich?"
"Seht selbst, wenn Ihr wollt und könnt...", antwortete sie leise und wandte sich ein paar Schritte ab.
Als sie den Kopf nochmal wendete, sah sie, wie er die Brücke betrat und die Axt in seiner Rückenhaltung etwas lockerte. Es zog ihr das Herz zusammen. "Vor ihr braucht niemand Angst zu haben", hätte sie gerne geflüstert, doch sie schwieg, wartete, sah ihn auf der kleinen Insel verschwinden.
"Hoffentlich war das nicht leichtsinnig", murmelte sie und wischte mit dem Fuß vorsichtig über ein paar Grashalme. Es kam ihr in den Sinn, daß sie nicht nur ihn nun hatte loslassen müssen... sie hatte auch selber eine ntscheidung treffen müssen, die sie noch nicht wirklich zu rechtfertigen wusste. Trotzdem hoffte sie, daß es richtig war. Damit stand sie in seltsam anrührender Weise ebenso in diesen Momenten auf eigenen Füßen, vielleicht ebenso aufmerksam und sorgend beobachtet, wie nun der an sich fremde Mann hinter der schmalen Holzbrücke.
Sie sah zu der Silhouette des mächtigen Gebirges. "Schiefer...? Oder Granit?", hallte es von irgendwoher durch ihre Erinnerung, sie wusste es selber kaum zuzuordnen.

Während all dem wurde auf der Insel vor dem Symbol der Beugung eine Frage gestellt, die vielleicht so wichtig wie die Antwort selber war, denn sie war bereits ein Teil Begreifen:
"Was hat Demut mit Respekt und Authorität zu tun?"

Als er zurückkehrte, waren seine Fragen andere:
"Eure Neugier schon gestillt?"
"Es ist für mich nicht die Zeit, neugierig zu sein", entgegnete sie ruhig, "Ich beobachte nur."
"Ihr seid seltsam. Reichlich seltsam..."
Endlich konnte sie sich ein wärmeres Lächeln erlauben. Endlich schien er sich auch der Erkenntnis zu beugen, wie fremd die Dinge hier waren, wie fremd ihm ein Ritter der Gütigen sein musste - auch eine Form von Respekt. Ein Schritt. Ein Anfang.
"Das... ist meistens die Feststellung, wenn man hinter eine Fassade schauen kann", nickte sie zufrieden. Er wollte sehen. Er sah. Und sie ließ ihn sehen. Endlich schien ihr sein Betrachtungswinkel richtig dafür.

"Warum tut Ihr das eigentlich?"
"Weil ich es freiwillig tun kann, Herr Greif. Und weil ich lieber einmal mehr betrogen werde, als gar nicht mehr zu vertrauen."
"Verstehe ich nicht. Es gibt sicher viele Gläubige die für solche kleinen Ausflüge vor Euch auf den Knien rutschen und euch danken würden."
Sie atmete durch und schüttelte leicht den Kopf. Vielleicht hatte er sogar recht. Aber es wäre nicht richtig so.
"Diese Orte sind geborgen, aber nicht versteckt, Herr Greif... jeder... 'Gläubige' kann sie selber finden. Nur manche gibt es vielleicht, die einmal geführt werden müssen..."
"Das meine ich nicht und das wisst Ihr."
Aber es war wichtig. Er begriff nicht? Die Schreine waren kein Ausflugsziel...
"Jeder echte Gläubige sollte freiwillig gehen - Ihr seid nicht gläubig... aber Ihr seid freiwillig gefolgt, oder?"
"Bin ich, ja."
"Und das letzte Stück selber gegangen... mehr hoffte ich nicht."
Sie konnte nicht seinen Weg gehen. Sie konnte nicht an seiner statt seine Schritte wählen. Er hatte selber gewählt, was immer es gebracht hatte, für ein paar wichtige Momente hatte sie loslassen dürfen. Dankend neigte sie den Kopf.
"Aber Ihr investiert Zeit und Mühe...villeicht sogar unnütze."
"Ich gebe also, ja..."
"Und ich verstehe nicht, warum."

"Ich bin Ritter."
Sie sprach es lächelnd. Und mehr gab es dazu eigentlich nicht zu sagen.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 22 Jun 2006 15:16    Titel:
Antworten mit Zitat

Können wir Freunde bleiben?

Sie sah Viola über der Schulter von Leif hängen und weitere Illusionen zerfielen leise zu Staub. Es gab kein armes, einsames Mädchen, das Grund zur Angst gehabt hätte, auf der Straße zu landen. Es gab kein Mädchen, das von ihren Eltern verstoßen worden war. Sie hörte Violas Lachen und hörte darin, daß diese Wunden Medizin und Heilung gefunden hatten.
Da war Viola, und sie hatte einen liebenden Vater.

"Ich will nicht, dass durch ein Missverständnis eine gute Freundschaft darunter vielleicht leiden muss?" Freundschaft. Warum tat dieses Wort weh?
"Ich... wollte nur sagen, dass ich beruhigt bin, sie in haltenden Händen zu wissen..." Warum log sie dabei nicht?
"Ich würde mein Leben für Viola geben, Darna." Ja. Das sah sie jetzt, hielt die Augen dafür offen.
"Dein Leib ist nicht ihr einziger Schild." Es gab keine Konkurrenz - durfte sie nicht geben. Das würde sie sich nicht verzeihen können. Dem Vater sein Kind wegnehmen... nein. Niemals.

Doch warum tat es so weh?
Der Verstand wusste die Antwort und begriff sie nur nicht.
"Sie ist immer noch dieselbe die Sie vorher auch schon war."
"Ja, doch ich war bereit, ihr etwas wie eine Mutter zu sein, wenn sie es gewollt hätte - ich muss mich zurücknehmen. Das betrifft doch alles nicht nur alleine sie."


"Darna... es tut mir leid." Wahrheit.
"Ja, ist... ja nochmal in Ordnung gekommen. Sei erledigt." Wahrheit und Lüge. Wie könnte sie Viola je gram sein? Nur...
warum war da dieses Loch in ihrer Brust?

Sie spürte es eher, als daß sie es sah, wie Viola wortlos an ihr und Rafael vorbeihuschte, es war kein Platz für Worte, nicht hier, nicht jetzt. Sie hielt sich aufrecht und versuchte tapfer, mit Rafael über Urlaub zu scherzen, von dem sie wusste, daß sie ihn bitter nötig hatte. Sie fühlte sich müde, leer... und entsetzlich alt, als wäre die Welt heute an ihr vorbeigerauscht.
"Kann ich helfen?", fragte er leise.
Die Fassade brach - Augen konnten nicht lügen, ihre nicht.

"Wir waren heute den frühen Abend über da, haben mit Falk und Leif geredet. Viola hat sich erklärt, ich habe gesehen, wieviel Leif an ihr liegt - es wurde alles korrigiert."
"Und doch scheint Ihr nicht zufrieden."
Sie stützte den Ellenbogen auf den Tisch und die Stirn in die Hand, als sei der Kopf mitsamt seinem immer bohrenderer werdenden Schmerz zu schwer.

Warum?

"Es tut weh", gestand sie nun leise, "Ich hab... das doch auch nicht leichtfertig mal eben so angeboten, sie als mein Mündel anzunehmen...
Ich hab mir vor dem Gespräch mit seiner Hoheit schon Nächte damit um die Ohren geschlagen, zu planen, wie ich ein Haus finanzieren soll, um ihr ein Heim bieten zu können... und das waren noch die pragmatischsten Gedanken."

"Ihr habt... Euer Herz angeboten."
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 29 Jun 2006 15:27    Titel:
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mens sana in corpore sano

Es schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, heimlich das Schloß zu verlassen. Es war früh morgens, noch vor Sonnenaufgang. Die Hand protestierte weiter energisch dagegen, wie übel ihr mitgespielt wurde und rächte sich mit Schmerz, der Darna wach hielt.
Gedanken kamen und gingen. War sie in einen Dämmerschlaf gefallen, hatte sie von Schwertern und schwarzen Drachen geträumt. Unruhe. Heute würde sie gebraucht werden. Gebraucht...
"Mässigt Euch, Ritterin." Sie hatte es nicht vergessen. Sorge - und Tadel.

"Ich brauche Euch." Sie hatte sich gehen lassen. Sie sollte Vorbild sein, musste Vorbild sein, wollte es - wenn sie nicht Maß hielt, was zeigte sich dann jenen, die zu ihrem Stand aufsahen? Der Baum wurde benötigt, doch die letzten Tage hatten an ihren Wurzeln genagt, sie ausgehöhlt. Schwäche, wo keine sein durfte. Der Tadel war berechtigt gewesen, und die Unruhe trieb sie aus dem Bett.
Wenn sie keine Linderung fand, würde sie nicht von Nutzen sein. Körperlich nicht und... nicht einmal seelisch.

Sie spürte die Blicke der Gardisten. Nein, es war völlig unmöglich, unbemerkt das Schloß zu verlassen. Doch sie musste von hier fort, und sie wollte keine Diskussionen über sie, ihre Hand, ihre Anwesenheit.
So ließ sie auf ihrem Bett einen Zettel zurück, nur ein paar unbeholfene Striche darauf, die mit etwas Mühe ein Schwert erahnen ließen, die beiden schrägen Striche darüber ein Dach.
Sie ignorierte die Blicke der ersten Gardisten, marschierte in scheinbar gewohnter Ruhe auf das Tor zu. "Ich habe für den Angriff noch was vorzubereiten, ich werde rechtzeitig wieder da sein. Macht mir das Tor bitte auf, Ibert."
Kein Widerspruch, auch wenn sein zögerndes Stocken schon fast zu hören war. Sie hatte gestern schon mit Viola das Nordtor passiert, sie durchquerte es nun wieder. Doch ihr Ziel war nicht der kleine See...

"Ich komme in friedlicher Absicht." - ob sie irgendwann schliefen? Die ersten Vögel sangen bereits, und die Vorstellung fiel schwer, daß der Wald zu irgendeiner Zeit unbewacht war.
Sie war sich nicht einmal ganz sicher gewesen, ob sie ihn wiederfinden würde, doch die Schritte waren nur mit der Unsicherheit eines Menschen gesetzt, der nach langer Zeit nach Hause zurückkehrte.
Das Schwert. Immer wieder das Bild des Schwertes, das sich ihr aufdrängte.

Sie kniete vor dem grünen Stein nieder, neigte den Kopf, schloß die Augen. Eine Weile blieb es still.
"Ich bin hier sicher." Erneut ließ sie diese Erkenntnis in sich sinken und ließ ihren Gedanken Raum, horchte auf den Zusammenhang all dessen, was ihr durch den Kopf spukte.
"Vorsicht ist keine Feigheit. Und Leichtsinn kein Mut."
"Helden sind Menschen, denen es gelingt, fünf Minuten länger tapfer zu sein als die anderen."
"Bewundernswert das Land, das Helden hat - bedauernswert das Land, das Helden braucht..."

Sie hatte sich diesem schwarzen Drachen gestellt, doch hier stellte sie sich zur Gänze der Erkenntnis, daß nichts daran heldenhaft gewesen war. Wie ein verletztes Tier hatte sie sich gebärdet und nach allem gebissen, was in ihre Nähe gekommen war - sie hatte die Wut gegen die Erscheinungen aus dem Portal oder gegen das Portal selber wenden können, doch was wäre gewesen, hätte sich nicht an diesen der Zorn abreagieren können? Mit dumpfem Schrecken wurde ihr gewahr, mit welch erschreckender Blindheit dann jene unter der Wut litten, denen sie nicht galt.

"...deine Macht erhebe meinen Arm, der in Treue fechten soll für alle, die seiner bedürfen."
Wofür hatte sie gekämpft? Der Drache war tot, hatte sterben müssen, daran gab es nichts zu deuteln. Doch sie hatte nicht gekämpft, um andere zu schützen. Sie hatte nicht gekämpft, um ihr eigenes Leben zu verteidigen. Und erst recht ging es nicht um ein freundschaftliches Kräftemessen. Alles andere war falsch. Sie sah auf das goldene Schwert im grünen Gestein und wusste, daß es falsch sein musste.
In diesen Momenten dort vor dem Portal war sie es gewesen, die schwach war, sie hatte sich so hilflos gefühlt wie sonst selten. Es war schwer gewesen, sich den unabänderlichen Tatsachen zu beugen und darin noch irgendeinen Sinn zu erhoffen - sie hatte dort vor dem Portal das Vertrauen verloren. Das war falsch.
"Ziehe deine Klinge nie in Wut." Sie hatte es so oft gehört, nun erhielt es einen gelebten Sinn. Sie wollte Adrian befreien, sie wollte diesen kostbaren Menschen schützen. Dieses Ziel schien sich einzig mit Gewalt erreichen zu lassen, sie hatten mit Worten gefordert, gebeten, verhandelt, alles war abgelehnt worden.

Sie stand auf. Wie lange genau die Sonne schon am Himmel stand, wusste sie nicht, doch sicher lange genug.
"Tapferkeit heißt Vertrauen."
Sie würde Rafael helfen. Sie hoffte, daß alle die Nerven behielten, daß getan wurde, was notwendig war, und nichts weiter. Sie würde sich bemühen, das zu akzeptieren, was sich ergeben würde und ihr Bestes für ein gutes Gelingen dazusteuern.
Sie blinzelte in die Sonne über den grünen Laubdächern und genoß die Klarheit ihrer Gedanken. Linderung? Ja.
Längere Zeit registrierte sie nicht, wie wenig die Hand nur noch verletzt schien, der Schmerz verblasst wie die Zweifel, und blass auch die wenigen Narben, die noch von dem vergangenen Schrecken kündeten...
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 08 Jul 2006 15:30    Titel:
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Die Geister, die mich riefen

"Ihr sei seid a a alle de de des To To Todes ... a a alle die mi mi mich be be berhrt ha ha haben."
"ICH BIN UNSCHULDIG! LASST MICH GEHEN!"
Ihr wurde kalt. Sie kannte diese Stimme - nein - diese beiden Stimmen. Sallagar. Sie starrte auf das Gesicht vor sich und sah ihn, nun ungeachtet der Maske, die er trug. Und auch er hatte sie erkannt, war zurückgestolpert, wich ihr aus. Gütige... er wollte niemanden anstecken, ja, aber...

Mit einem ratschenden Geräusch teilte der Dolch den fein gewebten roten Stoff mit den kleinen aufgestickten goldenen Hirschen darauf. Sie wickelte ihn großflächig um ihre Hände, griff dann zu, trug den Bewusstlosen mit zur Kapelle der Allianz. Dort betteten sie ihn auf Stroh, und sie rollte den in zwei Hälften geschnittenen Umhang zusammen und legte ihn Sallagar als Kopfkissen unter.
"Ich will dir doch nur helfen, begreife doch endlich", dachte sie müde, gebeutelt von Frust und Sorge, Sorge um ihn, Sorge um Selissa, die weiterhin immer wieder auf ihren Arm starrte, wo der ihr fremde Mann sie angefasst hatte. War es wirklich die Pest? Dieser Ausschlag an seinen Armen und jedem freien Stück Haut sah unheimlich aus.
"Von Pest kriegt man schwarze Pusteln, keinen Ausschlag", erklangen Lady Eileens nüchterne Worte. Hoffnung? Lady Angelina würde sicher weiterwissen.
"Ich habe ihn unverzüglich in die Kapelle gebracht. Zur Not ersetze ich lieber das ganze Gebäude, als ihn hier irgendwo in der Stadt zu lassen, ich hoffe, das ist entschuldbar."
Rafael nickte. "Das war eine gute Entscheidung."

Die Beruhigung blieb nicht. Als sie sich schlafen legte, war es furchtbar warm, die dicken Vorhänge hielten nahezu jeden Windhauch ab, der durch die Fenster hätte kommen können - wenn es nicht so widerlich schwüles Wetter gewesen wäre. Im Sommer konnte das Nachthemd ungemein lästig werden, klebte überall und strangulierte sie nahezu, wenn sie sich drehte, der Stoff sich aber nicht.
Erinnerte sie sich nur, oder träumte sie bereits, als sie Lady Eileens Worte wieder hörte?
"Vielleicht hat man vergessen, sich an die Regeln für Kleingedrucktes zu halten."
"Diese Regeln werden jedem politisch ausgebildeten Adligen mit der Muttermilch eingeflößt", gab Darna mit gespielter Pikiertheit zurück. Der Adel und seine Regeln, ein beliebtes Thema zwischen ihnen...
"Dann seid Ihr geradezu hervorragend qualifiziert Frau von Elbenau."

Der Konter saß. Eileen wusste gar nicht, wie sehr der saß, das war Darna klar, und das Weiterwitzeln setzte ein, bevor ihr nachdenkliches Schweigen auffallen konnte.
"Adelig ist man durch seine Geburt, wie kommt Ihr also eigentlich auf die lustige Idee, darauf bestehen zu wollen, daß Euch ein 'von' gebührt, Elbenau?" Mit verächtlichem Lächeln schüttelte Gernot den Kopf. Ihre Hand ballte sich zur Faust.
"Adel kommt von 'edel'... Kelterburg." - es prallte ab.
"Es wird mir ein Vergnügen sein, nach Antritt meines Erbes seine Majestät darauf hinzuweisen, daß sowas wie dieses Erbrecht für Namen die Untergeben nur dazu verleitet, sich einzubilden, sie hätten irgendwelche Ansprüche."
"Seine Majestät wird sicher begeistert davon sein, daß Ihr seine Zuversicht in die Treue meiner Familie anzweifelt, von Kelterburg." - er hörte nicht zu.
"Gebührt es dem Sieger nicht, daß man sich vor ihm verneigt?" - sie schlug mit der Faust zu, doch er stand zu weit weg. Wo war ihr Schwert? Der Gurt hing nicht an ihrem Körper, es hing nicht an ihrer Seite...
"Du hast es einem Mörder hinterhergeschmissen, schon vergessen?"
"Nicht das Schwert loslassen..."
Nein!


Schweißgebadet saß sie kerzengerade im Bett, röchelte im nächsten Moment, zog den Kragen des Nachthemdes weiter. Inzwischen war es kalt geworden, sie zitterte. Ihr war viel zu warm und ihr Hals tat weh.
Sie war schon halb aus dem Bett, wollte nach Sallagar sehen, wie ging es Selissa wohl? Unsinn... seufzend legte sie sich wieder hin. Die Kapelle würde bereits abgeschlossen sein. Und Selissa war mit allem Notwendigen versorgt.
Sie versuchte durch Schlafen dem körperlichen Unwohlsein zu entfliehen, doch es gelang nur mäßig.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 10 Jul 2006 19:19    Titel:
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Ungeschliffen

Grippe hatte sehr sehr viele schlechte Seiten, doch sie hatte auch was Gutes: Wenn man gerade keine Kopfschmerzen hatte, hatte man viel Zeit zum Nachdenken.

Sie hatte es aus den Augenwinkeln gesehen, als sie Adrian in sein Gemach trugen... diese neugierigen Blicke, strahlenden Augen... sie hatte keine Zeit dafür gehabt. Und nun? Sie war durchs Schloß gestromert, "den Rittersaal suchend", natürlich...
"Und kannst du mir erklären, warum du deine Suche nicht gleich rechts vom Eingang beginnst?"
Es gab dafür nur eine Erklärung, Darnas Meinung nach - und sie konnte ihr nicht mehr entringen als ein Lächeln.

Sie dachte an hohe weiße Mauern bei Nacht, im Fackelschein auf den Wehrgängen goldene Rüstungen und rote Umhänge... das Paladinkloster hatte sie so fasziniert, daß es die mittellose Knappin ohne Herrn mitten in der Nacht und bei kaltem Wetter durch ein fremdes Gebirge getrieben hatte, auf der Suche nach einem weiteren Weg, ihnen nahezukommen... und wie sie diesen Weg auch anders als gedacht gefunden hatte.

Sie dachte an verfilzte Zöpfe und einen Apfel in der freimütig gebenden Hand, an schmutzige Füsse, die durch das fremde Schloß tappsten... waren hoheitlicher Prunk und Glanz ihr ebenso sehnsuchtsweckend fern vorgekommen?

"Du bist mein Gast. Und ich würde mich freuen, wenn du bleibst." Was faszinierte Darna so an diesem schmutzigen Mädchen? Es war dieses unbestimmte Gefühl, das sie manchmal ergriff... "lass mich hinter die Fassade sehen..." - dieses Gefühl, daß irgendwo... mehr war. Behutsam versuchte sie, sich ihr zu nähern, geradezu mit Furcht, sie zu verschrecken, so neugierig wie Selissa das Schloß musterte, wurde Selissa selber gemustert, jeder geäußerte Gedanke gewogen, jede Antwort auf ihre Fragen bemessen.
Selissa ihrerseits kam auf sie zu, so unbekümmert wie je, bei weitem nicht an die Ritterin gebunden, doch erschien es dieser bereits als Geschenk, daß das Mädchen ihre Gegenwart auch zu genießen schien.

Darna blinzelte und die Gedanken wurden schwerer zu halten. Vage flogen Bilder und Worte vorbei, Lehre, Scherze, Gefühle, Hoffnung, Zweifel.
Worte über ein Nest, über Aufgaben, Käfige, offene Türen, Treue... lauter Fetzen, zurück blieb die Erinnerung...
"Was ist ein Knappe?"
"Jemand, der zum Ritter ausgebildet wird. Wobei... ausgebildet... naja." Wieso kam ihr die Umschreibung nicht ganz passend vor?
"Ein Lehrling", versuchte Hudgarr zu verstehen.
"Vielleicht ist es in der Hinsicht tatsächlich mit einem Magier zu vergleichen... es braucht innere Voraussetzungen. Irgendwo im Herzen ist man eben Ritter.

Wie ein Edelstein... der geschliffen werden muß."

Dieser Glanz in Selissas Augen...
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 15 Jul 2006 20:43    Titel:
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Stolz bis zum Brechen

"Ihr solltet Euch dieses Getränk durchaus gönnen. Ich hoffe doch, ich muß es nicht erst anordnen?"
Sie sah von Adrian zu Sullivan, der Farion gerade seinen viel benutzten Trinkschlauch mit angurischem Met hinhielt. So eine Art Verbrüderungstrinken... sie musste an die Zwerge in Berchgard denken. Es schien, gute Diplomaten mussten auch die Kunst des zivilisierten Saufens beherrschen.
Genauso dachte sie mit mulmigem Gefühl aber auch an den Abend auf der neu entdeckten Insel, wo sie erst fröhlich bei Zwergenbier Falks Geschichte gelauscht hatte und nicht mehr gerade stehen konnte, als sie hörte, Letast triebe sich dort herum... nein, nein. Sowas sollte ihr nicht noch einmal passieren.
"Jetzt?", fragte sie kleinlaut und zog sich seit sehr langer Zeit wieder in die Unscheinbarkeitsaura der Knappenzeit zurück: "Ich bin nur ein Möbelstück, beachtet mich gar nicht" - es half nicht.

"Das Anstoßen auf die letztlich klärenden Gespräche wäre doch sicher die Pflicht für einen guten Gast?", fragte Adrian Calan McDraig mit einem kurzen Zwinkern. Pflicht... Der Regent nutzte in einem Anfall seines üblichen Schalks schamlos das Wissen aus, womit seine Ritterin zu packen war. Darna schwor sich, das würde er irgendwann heimgezahlt bekommen.
Calan reichte ihr den Met, Sullivan verschränkte die Arme und sah rüber. Sie konnte Sullivan noch immer nicht wirklich leiden. Das erste Mal, wo sie ihn getroffen hatte, war in Berchgard gewesen, vor Thancreds Haus - und der Hüne legte gerade in einem Wutanfall seine mächtigen Pranken um Adrenalons Hals. Auch wenn es auf diplomatischer Ebene geklärt war, daß er auf dem Markt dann auch noch in seiner ungehobelten Art mit Farion aneinandergeraten war, konnte sie ihm nicht so schnell verzeihen.
"Groll. 's is 'n Gift, min Maid, eyn schleichendes..."
Hier in Machad wäre es fast zum nächsten Eklat gekommen. "Knittaweib" nannte Sullivan sie dauernd, und unwirsch gruben sich mit dem Verziehen der Mimik die Narben immer tiefer in ihr Gesicht. Lange hatte es niemand mehr gewagt, sie damit zu beleidigen...
"Wenn Ihr mich noch einmal verknittert nennt, reicht es." Zweimal hatte sie Adrians Bitte um Nachsicht entsprochen, irgendwann war auch hier Schluß.
Doch der Angure hatte nichts mit "knitterig" gemeint...
"Sullivan... Die sagn RIDDER!!!", bellte Calan.

Und nun? Auch weiterhin hatte sie nicht im Entferntesten das Gefühl, daß Sullivan sie ernst nahm. Für irgendein kleines Südländerweibchen schien er sie zu halten, und jetzt musste sie auch noch dieses Zeug saufen und sich lächerlich machen, wenn sie hustete und es nicht vertrug?
Immer wurde sie gleich mit den harten Sachen konfrontiert, Zwergenbier, der ganze Schnaps im Heilerzelt nach der Schlacht in Berchgard...
Mürrisch griff sie nach dem Schlauch und setzte ihn an. Sollte sie sich eben auf Befehl des Grafen der nächsten Schmach aussetzen, pah! Augen zu und durch. Sie trank den ersten Schluck. Süß, aber - hui, der schien es in sich zu haben!
"Ich zähle bis zehn, dann dürft Ihr absetzen, Ritterin", hörte sie es neben sich und weitete entsetzt die Augen, starrte an dem Trinkschlauch vorbei Adrian an. "Das wirst du büssen..."
Seine Hoheit ließ sich Zeit mit dem Zählen. Und bei jeder Zahl sah man ihren Kehlkopf wandern. Sullivan fing schallend an, zu lachen. Calan grinste von einem Ohr bis zum anderen und selbst Sanjanas Blick war amüsiert, während Darna Adrian inzwischen trotzig fixierte und nach der "Zehn" noch ein weiteres Mal schluckte, den Schlauch absetzte, ihn zurückgab.
"Nicht zu tief einatmen. Behalt deine Gedanken zusammen. Nicht auf das Brennen im Magen achten." Dieser grollte - er hätte wohl nach dem fernen Frühstück lieber was zu essen gehabt.
"Ick waiß ney ob se det alls trinke kinn ohne um zu kippe...", hatte sich Sullivan während des Zählens vernehmen lassen.
"Nein, nicht umkippen. Nicht vor dem."

Calan schien zufrieden, lachte laut und klopfte ihr von hinten recht kräftig auf die Schulter. "Siehst Sullivan, die kann dir bald was vor machn.."
"Nicht nach vorne fliegen."
"Wos? Des kansch och!"
"Glaub ich dir."
"Offenbar hat es geschmeckt, Ritterin", lachte Adrian leise.
"Nicht den Kopf drehen." Sie schaute stur geradeaus. "Wer Violas Tee trinken kann, kann auch das vertragen."
Stärke zeigen.
"Nicht zu sehr einatmen. Nicht aufstehen. Nicht lallen. Nicht rot anlaufen. Nicht kotzen." Sie betete es innerlich wie ein Mantra immer wieder runter, sprach nur kurze Sätze, versuchte, sich auf das Wesentlichste an den Gesprächen zu konzentrieren und ihren Körper und die beginnende Rebellion zu ignorieren.
Adrian stand auf, oh nein... sie schloß kurz die Augen.
"Gütige, lass mich nicht umkippen. Nicht hier. Bitte nicht, bittebitte."
Sie stand langsam, aber gerade auf. Sie trat einen Schritt zurück und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Sie blieb stehen. Ja, das war ein Wunder.

Adrian war immernoch nicht fertig mit ihr.
"Ich denke, die Rückreise dürfte interessant werden, Ritterin von Elbenau."
"Ich zahls dir heim."
"Das Schiff wird doppelt so schön schwanken" - er wusste, daß sie Schiffsreisen nicht wirklich viel abgewinnen konnte.
"So furchtbar..."
"Wisst Ihr, Ritterin, Ihr hattet Glück."
"Oh, was freu ich mich."
"Ihr kamt in den Genuss von Met und musstet keinen Kaktusschnaps ertragen."
"Rafael. Dann weiß ich ja, mit wem ich mich verbünde."

Aber wenigstens konnten sie los. "Übergeb ich mich meinetwegen auf dem Schiff, aber nicht vor den Anguren."
Endlich kamen sie am Hafen an.
"Dea Chief hat jesagt ick so mit fahrn, det iha och ankimmt."
"NEIN!"
Auf dem Schiff lehnte sie sich in ein Ecke neben der Treppe nach oben und sank immer tiefer in den Schatten. Hoffentlich sah niemand ihr Gesicht, vermutlich war es grün. Nicht an die Wellen denken. Ihr Mantra hatte sich stark reduziert:
"Nicht kotzen. Nicht kotzen. Nicht kotzen. Nicht..."
Sie ging von Bord, steuerte auf den Hafendurchgang zu, bog um die Ecke - raus aus der Sichtlinie von Sullivan, der endlich zurückfuhr. Neben ihr lud jemand an der Kaimauer gerade toten Fisch aus...
Sie lehnte sich an ein paar Kisten und fühlte eine Hand auf ihrer Schulter.
"Hm, ich denke, ich habe wohl doch übertrieben."
"Schon gu...", sie atmete dabei ein, der Geruch der rohen Fische stieg in ihre Nase und das Hafenbecken wurde um ihr altes Frühstück ergänzt, bis sie nur noch Galle hochwürgte.
"Wenigstens nicht vor dem Anguren."
"Euer Gnaden Valeth, ich habe es offenbar zu weit getrieben, sie sollte deswegen nicht leiden. Wäre es möglich, dass die gütige Herrin ihr zu helfen willig wäre?"

Sowohl Sanjana als auch Temora waren es, und so war das nächste Wunder, daß Darna ein ausgewachsener Kater am nächsten Tag erspart bleiben sollte...

"Ihr habt Euch besser gehalten als ich es vielleicht hätte, meine Hochachtung, Ritterin. Wenngleich ich mich entschuldigen muss und wohl weiss, ich schulde Euch noch die Erduldung eines Gegenstreiches."
"Solange Euch das noch bewusst ist, macht es sowieso nur halb so viel Spaß, vergessen wir das also, Hoheit."
Das Unwohlsein wie weggeblasen, war sie wieder zu etwas Humor fähig, und vielleicht vergaß sie es sogar ganz.


"Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand."
("Von guten Mächten" - Dietrich Bonhoeffer)
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 24 Jul 2006 23:14    Titel:
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Zweck und Mittel

"Warum müssen wir uns eigentlich immer streiten?"
...
Darna richtete ihre Haltung gerader und sah auf die gepflegten Handschuhe aus feinem Rehleder, auf dem Hirschgeweihe zierend aufgeprägt waren. Sie lagen auf dem Bett, kurz vorher hatte sie sie in energischer Geste aus dem Gürtel gerissen und auf die Matratze geworfen. Sie hatte sich erst erschrocken, als sie registrierte, wie lange sie die Hand wohl schon an den Handschuhen während des "Gespräches" gehabt hatte.
Eileen fordern... die Lady ihres Herrn. Der sie aus eben diesem Grund, nicht mehr, nicht minder, verpflichtet war. Es wäre ja wohl das Letzte. Wieso schaffte Eileen es immer wieder, sie derartig zu verletzen?
"Du erwartest zuviel von ihr", versuchte sie innerlich festzustellen. Draußen redete Eileen weiter. Sie hörte zu, ohne wirklich zu lauschen. Es war alles gesagt. Handschuhe. Feine Handschuhe. An Eileens Händen waren Schwielen und Blasen. "Zuviel. Sie ist keine Lady. Und sie ist kein Ritter."
Welten waren aufeinandergeprallt...


"Wie seht Ihr das nun, mit dem Spionieren?"
Ohje. Was sollte diese Frage denn? Viola hatte ihr Sorgen gemacht, sie erschrocken, ohne böse Absicht vorgeführt, verletzt - doch sie hatten es regeln können. Und es war nicht ganz so gewesen, wie sie es befürchtet hatte. Viola hatte sich nicht als Junge verkleidet, weil sie lernen wollte, wie man besser spioniert.
"Ich weiß nicht, was du weiterhin damit vorhast", hatte Darna ihr gesagt, "ich bestimme nicht über deinen Lebensweg. Aber ich denke, ich gebe dir einen Teil meines Namens mit, und von diesem Teil will ich nie hören: 'Das ist Viola Ser'Rhal, die uns ausspioniert hat - die Schülerin der von Elbenau.'" Gütige, bewahre...
Eileen hatte zugehört. Spionage - was sollte daran schlecht sein?
"Was .. ist schlecht daran, wenn man spioniert, erklärt Ihr mir das bitte?"
"Es ist nicht ritterlich."
"Ist das die Erklärung schlechthin?"
"Für meine Werte ja, wobei ich durchaus genauer werden kann."
"Ihr seht das als... Gebot, von dem ein Ritter nie abweichen soll? Spionieren... Ihr führt eine Streitmacht gegen einen Feind. Ihr habt die Möglichkeit, jemanden zu entsenden, der nachsehen soll, wie der Feind steht, um die Lage beurteilen zu können."
"Das sind Späher, keine Spione" - sie kam nicht dazwischen, es zu sagen, und vielleicht war es auch unwichtig.
"Etwas, das Ihr braucht, um siegreich sein zu können. Um Blut im eigenen Heer zu sparen. Tut Ihr das?"
"Befürchtet Ihr, ich streite die Notwendigkeit von Spionen im Allgemeinen ab, Milady?"
"Es klingt so."
"Welch Unsinn." Sie war zu höflich, um es einfach zu sagen. Erklärungen würden sicher helfen.

"Ich bin Ritter", betonte sie nochmals, "Von einem Ritter erwartet man, daß er offen zu seinen Werten steht, daß er zeigt, was er ist, daß er zu seinem Wort steht und, wann immer es ihm möglich ist, 'mit offenem Visier kämpft'. So lange andere von diesen Dingen überzeugt sind, vertrauen sie einem Ritter, sobald er sein Wort gibt. Sie erwarten nicht, daß sein Wappen nur Lüge ist. Und ich bin Ritter, weil ich an diesen Werten halte, denn sonst würde ich eben dieses verlieren und zerstören."
Eileen nickte mehrmals. Es sah gut aus.
"Was Spione betrifft...", fuhr Darna fort, "ist aus eben diesen Gründen heraus absolut klar, daß ein verkleidet arbeitender Spion und das Wesen eines Ritters für eine Person allein unvereinbar sind. Wenn Spione militärische Notwendigkeit sind... muß ich mich dem beugen. Und ist dieser Zwang offensichtlich, wird das selbst mein Feind verstehen, wenn es zum Einsatz kommt.
Doch niemals darf ich zulassen, daß ich hinter dieser Lehre der Spione stünde oder sie gar weitergäbe - ich muß sie mißbilligen und meiden. Nicht wegen dem, was der Spion leistet. Sondern wegen dem, was ich vollbringen muß. Meine Integrität wahren."
"So würdet Ihr als Heerführer nicht den Befehl geben, den Feind in der Art wie es Viola eben tat auszukundschaften, weil es mit Eurer Ehre nicht vereinbar wäre."
"Doch, wenn es absolut erforderlich wäre - denn dann läge es in meiner Pflicht als Heerführer. Als Ritter suche ich bis dahin jedoch alle möglichen Alternativen."
"Wenn Ihr damit auch nur ein Leben in Euren Reihen retten könntet .. wäre es dann absolut erforderlich?", fragte Eileen. Darna zog die Brauen zusammen. Diese Frage war ebenso nicht absolut zu beantworten, wie Eileen einst Darnas Frage, ob sie Menschen in den Tod schicken konnte, nicht klar beantwortet hatte.

"Warum müssen wir uns eigentlich immer streiten?"
...
"Um es abzuschließen - die Wahrheit ist, denke ich, daß man nie ausschliessen kann, Leben zu retten, wenn man sich ein Bild über den Feind verschafft. Die Idee eines Hinterhalts ist, daß der Gegner nicht darauf kommt, es könnte einer da sein. Daß er eben nicht die Notwendigkeit sieht, zu spionieren. Also muß ich es immer tun... aus reiner Fürsorge, sonst riskiere ich, überrumpelt zu werden. Und nicht mal Temora sagt, daß das falsch wäre."
In Darnas Ohren rauschte es. Spionage... Hinterhalte... die Worte dröhnten durch ihren Kopf, Eileen schien ein Spiel mit dem Feuer als Selbstverständlichkeit zu nehmen, was sollte daran denn verkehrt sein. Deswegen schloß sie es ja auch ab - was Darna davon hielt, interessierte nicht, sie hatte Spionage gut zu finden, weil es ja notwendig war, fertig?
Noch beherrschte sie sich.

"Von einem Ritter wird nicht verlangt, blauäugig zu sein, Milady. Doch Ritter zu sein, bedeutet, daß schon die Art der Mittel wichtiger als der Zweck sein können. Wenn ich anfange, hinterhältig zu werden, um den Sieg zu erringen, sind dadurch vielleicht Menschenleben gerettet, doch es kostet mein Ritterdasein und womöglich gar den Ruf anderer Ritter. Wenn ich anfange, hinterhältig zu werden, stoße ich mit Sicherheit auf einen Gegner, der darin weit besser ist als ich - doch er kennt sich wiederum mit einer Sache nicht aus, die ich übe... den geraden Weg."
"Der Zweck ist, Menschen und Reich zu bewahren, Leben zu retten, wenn die Mittel dazu nicht taugen, muß man sie überdenken."
"Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel."
"Temora heiligt die Mittel."
Dieser Satz trieb Darna fast die Röte aus dem Gesicht.
"Nein, nicht alle", widersprach sie sofort. Eileen fuhr unbeirrt fort:
"Und wenn ein Hinterhalt Leben rettet, eine List den schnellen und unblutigeren Sieg bewirkt, dann ist sie recht."
"Dem muß ich widersprechen."
"Es geht nicht darum, mit dem Hinterhalt den Feind blutiger zu schlagen, es geht darum, Menschen zu retten - und insbesondere die unsrigen."
"Insbesondere die unsrigen...", dröhnte es nach, die Alarmglocken hörten nicht auf, in ihr einen Riesenterz zu veranstalten. Auf diesem Nährboden entstand Rücksichtslosigkeit. Doch jeder Widerspruch ließ sie dastehen, als wären ihr die zu rettenden Menschenleben, von denen geredet wurde, egal. Götterverflucht!
"Einen Gegner, der dieses Spiel weit besser beherrscht als wir haben wir schon lange gefunden. Und es wird Zeit, daß man hier aufwacht - da könnt Ihr den Kopf schütteln, so lange Ihr wollt. Temora verurteilt dieses Vorgehen nicht."
Die Lösung bestand doch nicht darin, daß man also anfing, dem Feind nachzueifern!
"Richtig. Und allein Euren Worten nach müsste ich argwöhnen, daß Ihr allein angesichts des Zieles vergesst, welchen Weg Ihr dorthin geht - ich muß Einspruch einlegen.
Das Ziel, Menschenleben zu retten, rechtfertigt keine Lügen. Das Ziel, zehn für einen zu retten, rechtfertigt keinen hinterhältigen Mord, um es auf die Spitze zu treiben. Ich betone nochmal, der Zweck heiligt nicht die Mittel, und es findet mit Sicherheit vor Temora kein Wohlgefallen, aus Pragmatismus heraus, und mag er noch so edel sein, alle Gebote des ehrenhaften Verhaltens mit Füssen zu treten, weil es effektiver ist."

"Meine liebe Darna" - schon die Worte reizten sie weiter. Dachte Eileen, sie spräche mit einem kleinen störrischen Kind? "Wenn ich mit einer einfachen Lüge ein Leben retten kann .. dann tu ich es."
"Deswegen seid Ihr kein Ritter."
"Nur, um es auf die Spitze zu treiben - wenn Ihr vor einem Mann steht, der Euch etwas fragt, das Messer am Hals eines Kindes, und Ihr wisst, sagt ihr A, dann schneidet er ihm den Hals durch, dann sagt auch ihr B. Sonst hätte ich mich sehr getäuscht."
"Vorher suche ich nach C."
"Das Kind stirbt, weil Ihr zögert! Zack! Aus - wegen Euch."
Sie hätte sie ohrfeigen mögen für diese Dreistigkeit, diese Provokation.
"Weil Ihr nicht B gesagt habt.
Bleibt realistisch, Darna."

NEIN!

"Dieser Realismus wird dieser sein, mit dem die Diener Alatars Euch und schon andere vor Euch auf ihre Seite zu ziehen versuchen - indem sie die Notwendigkeit zur Lüge zur angenehmen Gewohnheit machen. Die Letzte, die ich in dieser Art wie Ihr jetzt habe reden hören, war Luzcilla Amarth, die mir zu erklären versuchte, daß sie zu all diesen Morden nur gezwungen war und daß sie notwendig sind - sie sind es nicht."
Eileen hatte angefangen, ihr weiter um die Ohren zu hauen, daß sie sich vor der Wahrheit drücke, doch bei der Nennung von Luzcilla brach sie mitten im Satz ab.
"Mord .. ist etwas Niederes .. und die Leben des eigenen Volkes zu retten, ist sicher kein Mord. Man nennt es Strategie und jeder Heerführer nutzt es."
"Was Mord ist, entscheidet sich einzig und allein über das 'Wie', Milady."
"RUHE!"

...

"Warum müssen wir uns eigentlich immer streiten?"
"Tut nicht so, als ware ich ein gedankenloser, zögerlicher Träumer, der mal eben so für unsinnige Ideale Menschen riskiert und leichtfertig opfert - das ist fast mehr Beleidigung, als tragbar ist, Milady."
"Dann redet nicht wie einer!
Wenn ich das Mädchen mit dem Messer am Hals bin, dann werde ich einen Dolch dabei haben, Darna - weil Ihr zu lange braucht, bis Ihr C findet. Wer träumt hier?!"

Sie hatte sich lange nicht mehr einsam gefühlt im Schloß. Einsam mit der Art, wie sie war.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 28 Jul 2006 00:10    Titel:
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Sieh nicht, was andere tun

"Erkenne die genauen Gründe deines Zorns und benenne die Ursachen. Dann mache dir die guten Dinge bewusst, die dem entgegenstehen und lerne sie neu wertzuschätzen. Sie sind immer wichtiger und wahrer als das, was deinen Zorn erweckt."
Der Weg, auf dem sie sich befand, musste falsch sein, denn sie war nicht zufrieden. Sie fand keine Ruhe und hätte Eileen schon wieder anschreien können. Ein weiteres Mal schien der Gemahlin ihres Herrn völlig egal zu sein, wer sie war, was ihr Wort wert war und wie sie eine Lage einschätzte.
Nichts. Sie stand bei Eileen vor dem nichts, schien jedesmal gegen eine Wand anzureden. Niemanden wollte sie beleidigen, hatte sie gesagt, und einige Minuten später war es trotzdem noch egal, wenn zwei Ritter ihr beteuerten, daß der Graf nicht mit dem Essen vergiftet worden war.
Wertlos... ja, das war das kränkende. Mit entscheidenden, achtlosen Sätzen hatte Eileen immer wieder den Argwohn erweckt, sie, den Ritterstand, Ehre und Ideale als unpraktisch bis wertlos zu erachten.

"Es ist besser, Ehre zu verdienen, aber nicht erwiesen zu bekommen, als sie erwiesen zu bekommen und sie nicht zu verdienen", erklärte Rafael neben ihr.
Sie hatte sich um eine klare Analyse bemüht, bevor sie an die Beschwichtigung ging:
"Sie hat sich gesorgt. Sorge ist ein edler Beweggrund. Alles, was gut ist, kann verdorben werden."
"Es hätte sie jedoch stutzig machen sollen, daß wir ruhig bleiben."
Ja, doch es ging bei dieser Übung nicht darum, Argumente gegen jenen zu finden, auf das sich der Zorn richtete.
Knapp, sachlich, distanziert analysierend sprach sie weiter: "Ihre Sorge übertraf ihr Vertrauen zu mir. Ich habe dieses Vertrauen in letzter Zeit vielleicht verspielt." Sie hielt inne. Zu schwammig. "Ich habe es verspielt", stellte sie noch nüchterner fest. "Sie hat keinen Grund mehr, mir zu vertrauen. Ich habe sie beleidigt, als sie mich beleidigte. Ich habe sie beleidigt. Ich tat es mit Absicht. Ich nannte ein weit übertriebenes Extrem, um ihr völlig unmißverständlich vor Augen zu halten, was ich von ihrer Argumentation denke. Und weil ich sie verletzen wollte.
Ich weiß noch nicht, was ihr Zweck in Eluives Lied... im Schicksal ist. Sie idealisiert ihre Schwächen zu Tugenden, und ich kann es nicht akzeptieren. Ich kann es nicht verwinden, daß sie sorglos lügen würde, nur wenn sie denkt, daß sie deswegen das Reich schützt. Ich habe Angst bekommen, daß sie weit Schlimmeres womöglich täte, in der Meinung, damit Leben zu retten. Der Zweck heiligt meines Erachtens nach nicht die Mittel. Und ich hoffe, auch Temora tut es nicht."
Mit diesen Worten fand sie das Gefühl, das es ihr ermöglichte, aus ihrer zuvor überkorrekt aufrechten Haltung niederzuknien im Schrein der Ehre und sich als demütig Hilfesuchende begreifen zu können statt als störrischen Menschen, der sich in seiner Ehre verletzt sah. Sorge um Eileen. Eingeständnis der eigenen Fehler. Ratlosigkeit.

"Eileen hat dich zuerst verletzt. Dich beleidigt. Wie sollst du Ritter sein, wenn es ihr nicht in den Kram passt, was ein Ritter tut?"
Sie brachte diese Stimme zum Schweigen:
"Sieh nicht, was andre tun - der andern sind so viel.
Du kommst nur in ein Spiel, das nimmermehr wird ruh'n.
Geh nur Temoras Pfad, lass sonst nichts Führer sein,
so gehst du recht und grad - und ging'st du ganz allein."

Und mit Temora war niemand allein... die Einsamkeit, die sie im Schloß gefühlt hatte, verlor ihren Schrecken, gemahnte daran, nicht die Freunde um sich herum zu mißachten, doch im Vertrauen auf das Gefühl dafür, was gut und richtig war, das eigene Fähnlein nicht einfach in den Wind zu hängen.
Das war der Weg. Es brauchte Zeit, bis sie begriff.

"Sieh nicht, was andre tun..." - sie musste aufhören, Eileen ihre Fehler weiter vorzuhalten und es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen, das brachte nichts, außer, daß Eileen noch mehr das Vertrauen verlor - wenn sie es denn je wirklich besessen hatte oder je besitzen würde. Das spielte keine Rolle.
Sie musste wieder ihren eigenen Idealen folgen und durfte sich nicht einmal beirren lassen, wenn jene, die sie als ihre eigenen Leute erachtete, diesem Weg mit Unverständnis begegneten, gar Ablehnung. Adrenalon hatte sie kritisiert, es hatte Streit gegeben, doch sie hatte nicht ausfgehört, nach Perfektion zu streben.
Sie senkte den Kopf.
"Ich bin nachlässig geworden", stellte sie fest. Hatten all die Komplimente, Respektsbezeugungen sie nachlässig gemacht? Hatte das Erreichen der Ritterwürde sie gar dazu gebracht, daß sie nicht mehr mit der Energie nach Perfektion strebte, wie sie es zu Knappenzeiten getan hatte? Ihr schwante, daß daran Wahres sein mochte. Die gleiche Gefahr, die sie benannt hatte, wenn sie nicht täglich betete:
"Ich bin nicht gleich ein schlechter Mensch, wenn ich an einem Tag das Gebet versäume. Sondern ich verliere mit der Zeit die Festigkeit darin, mich täglich auf diese elementaren Dinge zu besinnen. Irgendwann kommen vielleicht Schuldgefühle hinzu. Und so entferne ich mich von ihr, nur ich selber allein."

Sie hob den Kopf.
"Ich habe kein Recht, von ihr zu erwarten oder gar zu verlangen, daß sie mich als Ritter wertschätzt. Ich muß Ritter sein, ohne Wenn und Aber. Ich drohe, zur Authoritätsperson zu werden, statt mich immer wieder als Respektsperson zu beweisen. Ich kann ihr nicht recht geben, aber ich muß zu meinen Fehlern stehen."
Und es musste gleichgültig sein, was Eileen davon hielt, Angst vor Unverständnis durfte sie nicht abschrecken. "Du hast keine Kontrolle über Eileens Handlungen. Nur über deine eigenen."
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 07 Sep 2006 14:45    Titel:
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Neue Wurzeln

Schwammig nur konnte sie sich an manche Dinge des Abends in der Vorratskammer entsinnen, an dem Rafael und sie die Alkoholbestände seiner Hoheit mit durchschlagender Wirkung dezimiert hatten.
Sie hätte so von sich aus kaum etwas nennen können, was diesen Abend geschehen war oder beredet wurde, doch teils kamen ihr Gedanken vertraut vor, erinnerten sie daran, daß da was gewesen war - so wie jetzt. "Ich bin nur ich selber, wenn ich alleine bin." Hatte sie es in diese schlichten, klaren Worte gefasst? Wahrscheinlich nicht. Doch sie hatten über etwas in der Art geredet, zumindest hielt dieser Verdacht sich hartnäckig.
Nach der anfänglichen Grausamkeit des Grafen, die beiden ritterlichen Schnapsleichen zu wecken, hatte er ihr diese drei Tage Urlaub gegeben. Sie hätte "einfach" weitergemacht, regelrecht erschreckend wurde ihr bewusst, wie leicht sie selber zu mißachten bereit gewesen war, was Freunde und Vertraute als Warnsignale registriert hatten: Sie ließ sich hinreißen, hatte Wutausbrüchen kaum mehr etwas entgegenzusetzen. Sie kam ihren Pflichten weiter gewissenhaft nach und verzettelte sich trotzdem heillos. Unvorhergesehene Schwierigkeiten waren keine willkommene Herausforderung, sondern ächzend hingenommene Belastung.
Niemand hatte ihr das vorgeworfen, im Gegenteil: Daß die Ereignisse der letzten Zeit, allem voran die Hexenjagd auf sie, trotz der Klärung Tribut forderten, schien irgendwie allen klar gewesen zu sein, nur ihr nicht so recht.
Ihr Verstand hatte alles verarbeitet. Alles, was notwendig war, um aufwallende Gefühle in den Griff zu bekommen. Doch was fehlte, war Lebensfreude. Abstand. Zeit für sich.

Der Blick wanderte nach links die Küste entlang. Es war nicht besonders schön hier. Kein feiner Sandstrand, keine überwältigende Aussicht von einer Steilküste. Hartes Gras und immer wieder knöchelhohes, sprödes Gestrüpp, kleine Rinnsale, die Teile der Erde zum Meer hin immer wieder in Matschabschnitte wandelten. Hier, wo sie stand, war es gerade mal trocken und sie hatte einige zu unbequeme Steine beiseite geräumt, ein Plätzchen für sich geschaffen. Nur für sich.
Der Blick wanderte nach rechts. Keine Menschenseele. Irgend etwas in ihr lauerte verkrampft darauf, daß sicher irgendwo gleich jemand auftauchen würde, mit ihrem üblichen Glück ein Rahaler auf sinnlosem Streifzug. Oder ein Bote, der sie verzweifelt suchte, wil es wieder irgendwo einen halben Weltuntergang gab.
Sie schaute hinter sich. Nichts. Auf dem Meer kein Schiff - was sollte es hier auch? Hier war niemand. Niemand außer ihr... Eine ganze Weile mochte das Spiel absurd anmuten, wie die Ritterin immer wieder den Kopf drehte und wendete, um kritisch die Umgebung abzusuchen.
Dieses Gefühl musste erst geglaubt werden, daß
hier
niemand
war.
Nichts.
Keiner.

Kein Besuch. Keine Wachen. Keine Termine.
Sie breitete die Arme weit aus und lachte einfach los. Keine Sorge, sich damit lächerlich zu machen - vor wem denn? Sie atmete tief ein. Herrliche Luft. Die Augen schließen und dem Merresrauschen zuhören.
Sie schaute einfach nur den vor ihr verebbenden Wellen zu und tastete wie ein Kind jedesmal nach dem Rand, genoß das Gefühl, sich an der dreckig werdenden Hose nicht zu stören. Als sie den Wellen näher sein wollte, bohrte sie die Ellbogen in den kühlen Matsch und beobachtete aufmerksam, wie das Wasser kleine Strudel um die Hindernisse bildete.
Sie schloß die Augen und genoß die Sonne, genoß das Wasser, genoß die Einsamkeit.
Wen scherte es gerade, wenn Dreck in ihre nassen Haare käme, als sie sich einfach auf dem Boden hinlegte? Sie erwachte, als ihr kühl wurde - sie zog nur den Umhang über sich und beobachtete am violett und rötlich verblassenden Himmel, wie ein abendlicher Stern nach dem anderen erschien und leuchtete.
Hier, jetzt, nur für sie einmal leuchtete. Es war ja sonst niemand hier und sie genoß das Gefühl, als sinke sie tief in die Erde, Kraft schöpfend.

"Leben."
Mit unendlicher Ruhe begann sie, neu zu leben.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 12 Okt 2006 16:12    Titel:
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Die Saat des Verrates

War Hudgarr vom wilden Affen gebissen worden, sie hierher zu bringen?
Wie lange hatten sie sich nicht mehr gesehen?
Dort, auf der Kreuzung vor dem Südtor... damals hatte sie es schon gewusst, doch sie hatte es fast vergessen gehabt: Sie würden sich eines Tages wieder begegnen.

"Würdest du bitte hineinkommen? Ich möchte nicht, daß meine Waffenschwester draußen steht."
Sie wäre fast auf dem Hacken umgedreht und wieder nach Varuna geritten.
"Ich bin nicht deine 'Waffenschwester'! Dunkler Spiegel... wir stehen nicht nebeneinander, sondern einander gegenüber."
Die Ritterin wappnete sich gegen das Kommende und trat über die Schwelle, hinein in das Revier von Luzcilla Amarth.
"Ich renn doch immer wieder sehenden Auges in diese Desaster", hatte sie draußen noch geschimpft. Hudgarr hatte sie gebeten - sein manches Mal so treudoofer Blick hatte von seiner ganzen Hilflosigkeit gekündet. Er wusste nicht weiter. Hoffte blind, daß sie... irgendwas zu tun wüsste, daß er nicht ratlos dem Sterben seiner geächteten Cousine zusehen müsse. Wie hätte sie ablehnen können?

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Später, zurück im Schloß, sank sie in der Totenkapelle der Königin auf ein Knie. Nach einem Herzschlag Überlegen zog sie das zweite nach.
Sie brauchte Distanz von Luzcilla und ihrem Wesen. Sie hatte Menschen erlebt, die beständig Gift versprühten... Luzcilla war auf andere Weise gefährlich - sie war verdorben. Und ihr Wesen arbeitete wie ein fauler Apfel in einer Vorratskiste, er ließ auch jene faulen und ausdörren, die zu lange in seiner Nähe blieben.
Die Ritterin brauchte Distanz. Reinheit.
"Zu dienen sei mir Pflicht und Freude", hallte ruhig ihre in solchen Momenten angenehm klingende Altstimme durch den kleinen Raum, "so beuge ich vor meinem weltlichen Herrn das Knie, gütige Herrin, doch vor dir beide."
Sie behielt den Blick auf das Temorakreuz vor ihr gerichtet, ihre Stimme wurde leiser: "War ich zu hart, erbitte ich deine Vergebung. In deinem Licht hoffe ich, voranschreiten zu dürfen, ohne blind nach links und rechts zu sein. Helfende Hand will ich reichen, wo Hilfe geboten ist."
Die Ritterin klang ernst. Es war ihr ernst. Jedes Mal widerte es sie an, wenn sie sah, wie die Güte ihres Glaubens schamlos ausgenutzt werden sollte. Heute hatte sie vor diese Gefahr einen schützenden Schild zu halten versucht, es hatte Strenge gegenüber einer vermeintlich Hilfesuchenden bedurft, und prompt hatte es für ein uneingeweihtes Gemüt auch den Anstrich von Herzlosigkeit, Ehrlosigkeit gehabt.
Sie durfte dieser Unwissenheit nicht nachgeben, auch wenn es weh tat. Für Erklärungen keine Zeit - würde Herr Silberklinge noch selber begreifen? Oder würde er neben Luzcilla in der Apfelkiste liegenbleiben?
"Eine Tür will ich öffnen, wo ohne Arg um Einlaß gebeten wurde", fuhr sie in ihrem Gebet fort, "Mein einziges Bitten, Herrin...
Lass mich die Augen öffnen, nach deinem Vorbild - das Wachen des Adlers. Lass mich lernen, was mir zu lernen beschieden ist. Lass mich sehen den dunklen Spiegel und lass mich sehen, was dein Licht.
Sei du mir ein Schild, daß ich dir ein Schwert sein darf."
Sie senkte den Kopf. Erhob sich nach einer Weile.

Sie hatte weh tun müssen.
Mochte die Gütige geben, daß es recht so war. Das Privileg und die Last eines Schwertes.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Überhaupt hatte sie nicht einmal erwartet, daß ihre eigenen Worte so schneidend sein konnten. Sie hätte Luzcilla angesichts ihrer Anmaßungen sicher gerne ihre aufflackernde Wut ins Gesicht gebrüllt, doch es war wohl ihre eigene Grenze inzwischen überschritten, daß dies in Darnas Augen einem Versagen gleich käme. Sie war "darüber hinweg", wie man so schön sagte.
Hatte ein Teil in ihr es vermisst, sich in Worten an ihrem dunklen Spiegelbild zu reiben? Eine andere Art von Kampf, ein anderes suchen nach Schwachstellen?
"Ein Krieger, der sich für unseren Kodex interessiert."
"Der Kodex, wie man gekonnt Reichsverrat begeht?"

"Ich werde wohl sterben, da ich Narben und Wunden habe, die Alatar heilte, für meinen Tribut an Blut und Aufopferung. Doch sein Segen verlässt mich."
"Einmal zu oft Letharen geärgert?", fragte die Ritterin kühl, fast schnippisch.
Luzcilla kicherte. "Nein, das war es sicher nicht. Es war etwas Größeres."

"Lasst Ihr Eure Waffenschwester sterben, ist Euer Haß mir gegenüber so tief?"
"Meine Verachtung Euch gegenüber hat besorgniserregende Ausmaße angenommen, Luzcilla. Aber Hassen - darin seid Ihr besser als ich. Und den 'Vorsprung' lass ich Euch zu gern."

"Kann ich dich unter drei Augen sprechen, Darna?"
"Ich fürchte, es ist alles gesagt. Oder sind dir noch ein paar Erpressungsversuche eingefallen?"

"Du hast deine ganz eigenen Methoden, andere auf die unterschiedlichsten Arten nach deinem Willen zu zwingen. Hat das, was du hier gerade tust, in Rahal geholfen? Dich selber zu demütigen?"
Es widerte sie an. Und Luzcilla begriff nicht.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Was wollte Luzcilla?
"Ich zähle also einmal durch... Rahal hilft Euch nicht. Selbst jemand wie dieser Herr Goldheilung hilft Euch nicht. Ehe Euch jemand aus Varuna hilft... nunja... In der Tat, Ihr scheint mir in Nöten."
"Ich habe jemanden ins Auge gefasst, jemand von dem ich es zwar nicht erwarten kann, aber zu dem ich das Vertrauen hätte."
"In welches von beiden Augen?", fragte Darna ungerührt nach, die leere Augenhöhle musternd, das von Luzcilla mit eigener Hand an Alatar geopferte Auge, das nun von einer unheimlich anmutenden goldenen Kugel ersetzt wurde, irgendein grünes Zeichen darauf... und beständig sickerte ein dünnes Blutrinnsaal daneben hervor.
"Das gesunde", gab Luzcilla spottend zurück und fügte an: "Nun, derjenige hat nicht so viel Glück wie ich, denn er ist blind! Besser gesagt - sie..."
Darna musterte sie lauernd.
"Na kommt schon, Darna - wie viele blinde Heiler hat die Stadt der Hure?"

"Ich frage mich gerade, wer hier blind ist", murmelte sie leise.
"Ihr unterschätzt die Dankbarkeit, das Leben geschenkt bekommen und nur das Augenlicht verloren zu haben."
Die angebliche Schwertschwester hätte Luzcilla gerade gern ihre Klinge in den Rachen gestopft.
"Ihr erwartet - nein, verlangt sogar... allen Ernstes von der Heiligkeit, daß sie etwas wie Euch hilft?", fragte sie stattdessen überraschend ruhig. Das Ventil, Luzcilla zu einem "Etwas" zu erklären, ihr jegliche Menschlichkeit darin abzusprechen, konnte sie dabei indes nicht unterdrücken.
"Du solltest mich kennen, daß ich genau das tue."
Ja. Sie kannte doch Luzcilla inzwischen? Was tat sie hier eigentlich noch?
"Die Gütige wäre vermutlich noch die Letzte und Einzige, die für Etwas wie Euch noch Barmherzigkeit aufzubringen vermochte, denn dazu braucht es inzwischen schon de Größe einer Gottheit", erklärte die Ritterin nüchtern. Einzig die offensichtlich nicht abzustreitenden Erscheinungen körperlichen Leids, wenn Luzcilla hustete und Blut spuckte, rührten ihrem Blick gerade noch Mitgefühl ab. "Aber wenn man mich Laien fragt... dafür fehlt es an einer ganz grundlegenden Sache."
"Die wäre?"

"Auf Gnade hoffen, ohne sie zu verlangen oder zu erwarten. Du hast nicht einmal mehr das Recht, um irgendwas zu bitten, Luzcilla, doch du forderst immernoch erzwungene Gefälligkeiten ein. Glaubst immernoch, daß irgendwer sich gezwungen sehen müsste, dir zu helfen. Glaubst immernoch, daß alles nur seinen Preis hat, den man finden muß. Alle Hebel versuchst du, an mir in Bewegung zu setzen, mich zu rühren, mich zu lenken. Ich bin aber nicht deine Spielpuppe, Luzcilla Amarth. Und untersteh dich, auch nur den Versuch zu wagen, mit Alyssa Arnis dieses Spiel zu spielen. Obwohl mir deine Niederlage Genugtuung bereiten würde."
Wer der Ritterin in diesem zwei Lidschläge währenden Moment ins Gesicht sah, konnte nichts als eine ungerührte Maske erblicken, in die Narben ein düster anmutendes Blid malten. Ein Schild, an dem alles abzuprallen schien.
"Daß Ihr das noch begreift - und selber begreifen müsstet Ihr es inzwischen wohl... Nein, Luzcilla - dafür fehlt mir inzwischen der Glaube."

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Was war Darna bereit, zu geben?
Luzcilla hatte sich vor ihr erniedrigt, das Knie gebeugt, den Kopf gesenkt - vor ihr. Nie war ihr eine derartige Geste so anwidernd schal vorgekommen.
"Ich kann dir nicht mehr geben."
"Und immer glaubst du, etwas geben zu müssen..."
"Ich hatte zuviel Hoffnung in dich gelegt, Waffenschwester."
"Zuviel Erwartung - Hoffen... das müsstest du erst lernen."
Nun stand Luzcilla abgestützt am oberen Ende der Treppe zum luxuriös eingerichteten Schlafgemach - und endlich war ihre Hilflosigkeit einmal schlicht, ehrlich und echt. Doch sie bat nicht Darna darum, sie hinunterzutragen.
Stattdessen bat Darna Idril darum, diese Hilfegeste übernehmen zu dürfen. Überrascht sah Luzcilla sie an.
"Das musst du nicht."
"Das muß ich nicht... ganz richtig...", erwiderte die Ritterin ruhig und beschwor vor ihrem geistigen Auge bittend das Symbol einer helfend dargebotenen Hand. Würde Luzcilla etwas begreifen können, was sie am eigenen Leib erfuhr?
Die Wärme der Gütigen durchfloß für einige Herzschläge ihren Körper und gab ihm die nötige Kraft. Scheinbar mühelos trug sie Luzcilla trotz der Rüstung wie ein Kind vor sich auf ihren Armen die Treppe runter, setzte sie auf einen Stuhl.

"Ich würde mich geehrt fühlen, wenn du Alyssa in meinem Wort um Hilfe bitten würdest."
Wieder. Hohl. Schon, als bei ihrem Eintreten alles versucht hatte, den Eindruck einer überaus höflich miteinander umgehenden Familie zu erwecken, zwang sich ihr der innerliche Kommentar auf, daß sie schon bessere Theaterstücke gesehen hatte. Dies hier war eine Parodie, eine Phrase. Luzcilla setzte die nächsten Hebel an:
"Ich hege Respekt vor Adrian. Und Alyssa."
"Adrian hast du schon verraten. Und nun soll ich dir ihre Heiligkeit ausliefern?"
"Ich hätte sie damals töten können und sollte es sogar."
"Nun verlangst du im Gegenzug, daß sie dich rettet."
"Genau das tue ich. Zahn um Zahn - Schlag um Schlag. Schuld! Jene hat sie mir noch gegenüber. Und du auch."

"Auch von Freiwilligkeit gibt es verschiedene Formen. Eine davon könnte dir gerade das Leben retten... vielleicht. Aber auch diese Möglichkeit zerstörst du, Stück für Stück, mit jedem Wort."

Luzcilla vernichtete diese Möglichkeit sogar regelrecht:
"Du bist immer noch zu feige, hinter deinen Taten zu stehen, ob falsch oder richtig. Deswegen ist damals auch dein Ritter gestorben, der dich ausbildete."
Hagen. Darna horchte in sich, darauf wartend, daß die Wut in ihr hochkochte, sich alles in ihr verkrampfte - doch da war nichts. Wieso auch? Einen flüchtigen Moment lang entsann sie sich an die damals tröstenden Worte aus Luzcillas eigenem Mund, so selten einmal hatte sie die Wahrheit gesprochen: Darna hatte innerhalb ihrer Möglichkeiten gehandelt, sich den Zwängen gebeugt. Ja, sie hatte Angst gehabt - und diese war verzeihbar gewesen, trotz Hagens Tod.
Wie durch ein Rauschen sprach Luzcilla weiter:
"Weil du in der Scheune nicht Weibs genug warst, ihm beizustehen. Weil du Angst vor der Konsequenz hattest."
"Du versuchst, in einer Wunde zu bohren, die verheilt ist."
Es war Wahrheit. Der hinterhältige Hieb pariert.

Sie ging. Idril rief ihr Ehrlosigkeit hinterher, der einzige Hieb, der heute Abend etwas schmerzhaftes an sich zu haben vermochte, doch es war das Urteil eines Menschen, der voreingenommen einen ersten Blick auf eine aufgezwungene Fassade warf... sie versuchte, es ihm nachzusehen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Und nun?
"Zwei Möglichkeiten, Hudgarr... Entweder, ihr Leiden ist echt... dann kann sie vielleicht gerettet werden, was ich kaum glaube, aber das entscheide nicht ich. Oder... Sie ist lange nicht in solch schlechter Verfassung, wie sie wirkt und kann sich mal wieder selber helfen - dann sind aber Mächte am Werk, die über die Grenzen dessen, was ein normaler menschlicher Körper geben kann, hinausgehen."
Niemand blutete beständig aus dem Auge, hustete Blut und blieb hinter aller Fassade so abgebrüht und berechnend, wie Darna es von Luzcilla argwöhnte.
"Wenn Zweites zutrifft, gibt es nicht viele Mächte, die dafür in Frage kommen, nicht wahr?"
Hudgarr nickte.
"Und in beiden Fällen sollte ihre Heiligkeit davon erfahren. Erfahren...", betonte sie, "und sich ein eigenes Urteil bilden. Da ist sie weiser als sehr viele Menschen zusammen."

"Ich werde berichten - und einen Gehörnten tun, um irgendwas für Luzcilla zu bitten."
Sie standen gegeneinander. Sie und ihre ... "dunkle Schwester" ...
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 01 Nov 2006 03:26    Titel:
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Gebrochenes Wort

„Ihr wollt unerlaubt Euch der Waffen bedienen? Das kann Euch eine Woche Strafdienst einbringen.“
„Wir wollen doch Leute von Ehre sein, oder? Ich sag nichts, und du versprichst, ebenfalls die Klappe zu halten. Dein Wort darauf. Oder kneifst du, hast du Angst, ich könnte dir wehtun?“
Darna hatte in ihrer Wut das Gesicht zu einer Grimasse verzogen, die Gernot gerne mit den Worten „wütender Köter“ umschrieb, und spie auf den Boden. „Mein Wort“, knurrte sie, „Morgen vor Sonnenaufgang.“


Es war nicht ihr Schwert. Es war ein Schwert - das Schwert.

Seit wann sie diese Träume hatte? Manchmal sah sie noch die goldschimmernde Klinge auf sich zurasen und fühlte, wie das diamantene Blatt ihren Leib wie Butter durchbohrte. Manchmal wollte sie schreien und konnte nicht.
Seit Rafael sie in der Vorratskammer des Grafenschlosses fast getötet hätte - getötet durch ein Ritterschwert. Seitdem hatte sie diese Träume?
"Kennst du so ein Gefühl, wie wenn dir etwas das erste Mal auffällt, aber es könnte auch schon vorher dagewesen sein?" Adrenalon nickte.
"Also kann es sein, dass du diese Träume seit den Sachen mit Hagen hast, aber diese erst wieder bewusst auftreten, seitdem das mit Rafael passiert ist?"
"Mit Hagen wäre aber nie etwas Ungewöhnliches mit einem Schwert gewesen."
"Vielleicht mit jemandem anderen zuvor?"
Sie wollte erst mit dem Kopf schütteln - und verharrte in der Bewegung. Es wäre Lüge gewesen.
"Also doch."
Ja. Aber...
"Ich habe damals versprochen, darüber zu schweigen. Und egal, wie dumm das war, es ist mein Wort."
"Du versprichst scheinbar ziemlich oft, über Weiss-der-Gott-was zu schweigen. Wenn du alles nur in dich rein frisst, ist das verdammtnochmal nicht gut für dich!"

Seit diesem Streit quälte sie der Gedanke, wie wichtig die Dinge um dieses Schwert sein mochten. Und fand es etwa seinen Ursprung in den Geschehnissen, die zeit ihres restlichen Knappen- und Ritterdaseins nun ihr Gesicht zu einer unverwechselbaren Maske verunstaltet hatten?
Sie hatte sich mit den Narben abgefunden. Sie gehörten zu ihr. Aradan hatte sie gelehrt, mit ihrer Angst im Kampf umzugehen. Seither betete sie, wenn sie kämpfte. Trotzdem - Schläge, die auf ihren Kopf zielten, konnte sie immernoch nicht wirklich leiden. Die Sehschlitze ihrer Helme waren ausgeklügelte Werke, um sie so klein wie möglich zu halten. Im Tjosten würde sie es nie so weit bringen wie ihr ehemaliger und verstorbener Ausbilder Sir Hagen von Weilenscheidt.
Das alles... waren Teile von ihr selbst. Doch was war mit diesem Schwert? Musste sie der Zeit mit Gernot so viel Bedeutung beimessen, wie der erlebten Hexenverbrennung ihrer Kindheit, als es um den Fluch ging? Wenn sie Eines gelernt hatte, dann doch wohl, daß diese Dinge wichtig sein konnten...

Dieses Schwert war wichtig.
Der Schrei war wichtig gewesen. Aradan bestätigte es. Hatte es mit dem Schwert zu tun? Eines, vor dem sie Angst hatte: daß sie die Tortur, nicht über Gernot und das Duell sprechen zu dürfen, erneut durchmachen musste.
Sie hatte damals, als sie mit den entzündeten Schnitten im Gesicht im Bett gelegen hatte, beharrlich geschwiegen. Trotz ihrer Hörigkeit vor Authoritäten hatte sie nichts zu Sir Hagen gesagt, der sie fragte. Sie hatte selbst vor Bruder Talarion kein Wort über die Lippen gebracht. Genauso entsetzlich hatte es wehgetan, vor ihrer Hochwürden Valeth schweigen zu müssen, als ihr Wort gegenüber Ryana sie band.
Alles noch mal?
Gütige Göttin... nochmal?

Und für was? Für Gernot? Für eine dumme Jugendsünde, die ihr inzwischen so fern war wie ihr altes Holzschwert, das vielleicht noch irgendwo in Elbenau vor sich hin moderte, Erinnerung sentimentaler Zeiten, als Klein-Darna unbedingt jedesmal Gelmir Ancalime spielen wollte?

Abwesend streichelte sie die schnurrende Katze Gelmira in ihrem Schoß. Aradan saß mit am Tisch in der Bücherecke des gräflichen Schlosses, und Selissa lauschte meist still dem Gespräch der beiden Ritter. Nun war sie die Knappin - nicht mehr Darna. Und ihrem Erleben offenbarte sich ein Teil alter Vertrautheit zwischen Lehrer und Schülerin, zwischen Freunden, deren Zuneigung geschwisterliche Innigkeit aufwies.
Was war wichtig?
Jedesmal führte das Erleben des Schwertes zur Erinnerung an dieses eine unselige Duell. Jedesmal... war eine Frage so offensichtlich. Was verband sie mit einem Schwert? Und plötzlich fiel es so leicht, zu reden. Diese Last zu lösen.
"Gernot war der Grund, warum ich überhaupt erst den gräflichen Hof von Felstenstein verlassen musste und Sir Hagen unterstellt wurde - eine sinnlose, aber in höchstem Maße erbitterte Fehde zwischen Gernot und mir.
Sie gipfelte darin, daß Gernot mich unter dem Vorwand zu einem Duell reizte, mich zu einer Festlichkeit in die Küche zu schicken, statt den Rittern an der Tafel aufwarten zu dürfen. Lächerlich."
Sie schüttelte den Kopf zu sich selbst. Es war so lächerlich.
"Doch ich nahm damals ja jedes Wort ernst und für bare Münze..." Ein Seufzen. Was wäre alles erspart geblieben ohne das? Es hatte wohl nicht sollen sein. "Das Duell sollte vor der Morgenmesse stattfinden - und Gernot zwang mir das Versprechen ab, darüber zu schweigen, daß er dafür aus der Waffenkammer zwei echte Schwerter, scharfe Klingen, entwenden ließ." Es war raus. Endlich konnte sie dazu stehen. "Gernot hat gewonnen, war älter, stärker, erfahrener als ich. Seit diesem Tag trage ich die Narben im Gesicht, die sich nach dem Kampf entzündeten, weil er mich im Dreck des Herbstwaldes liegen ließ, um die Schwerter noch rechtzeitig zurückzubringen."
Etwas zittrig atmete sie durch. Man musste den Stein, der ihr vom Herzen fiel, vermutlich sehen.

"Und seit dem verbindet Ihr mit dem Schwert vor allem jenes Erlebnis?", fragte Aradan sie.
"Ja - ich ertrage keine Schläge in Richtung meines Gesichtes, kann kaum vernünftig Tjosten deswegen und wie die Augenschlitze meines Helmes beschaffen sind, wisst Ihr ja...
Doch ich habe geschwiegen, aus einem... dummen, einfältigen Wort heraus, das nichts schützt außer einer Lüge und Schandtat."
"Und doch ist ein gegebenes Wort ein Wort", sagte er ruhig. Es war der berechtigte Tadel. Sie nickte.
"Ja - heute hab ich mein Wort gebrochen", flüsterte sie. In ihr waberten noch unruhig die Gefühle. Sie wollte dazu stehen können, es war eine so lächerliche wie erdrückende Last. In ihr hallte es nach... Wortbruch...
"Ich kann mir vorstellen, in welchem Konflikt Ihr steht oder standet, Milady."
Deswegen hatte sie sich ihm auch anvertrauen können. Adrenalon... verstand nicht. Er hatte ebenso nur ihr Bestes gewollt, und doch war es anders.

"Leider kann ich nicht viel mehr tun, als Euch dringlichst anraten, mit einer Templerin Temoras zu sprechen und gemeinsam mit ihr jene Begebenheit durchzugehen .. zu verworren ist allein die Vielzahl an Möglichkeiten, welche als Ursache in Betracht kommen. In jedem Falle scheint mir jedoch, daß jenes Leiden schwer wiegt, Milady und darum solltet Ihr Hilfe ersuchen."
Ja. Ja, das würde sie tun. Tun müssen und wollen. Mochte sie den Wortbruch auch nicht recht bedauern, so wusste sie doch, daß eine Form von Schuld darin lag. Und über all dem...

schwebte immernoch das Bild eines unbekannten Schwertes.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 06 Feb 2007 19:04    Titel:
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Sieben und zwei sind eins

Erst schloß sie die Tür, dann die Augen, sank auf ein Knie, dem Ort den ihm gebührenden Respekt zollend. Wenn sie hierherkam, um nachzudenken, hieß sie stets das Symbol willkommen, das in seiner Gänze zum sortieren, zusammenhalten und erweitern der Gedanken und eigenen Wege gemahnte.
"Morgen zum Frühstück erwarte ich über diese Angelegenheit Euren Bericht, Ritterin."
"Wollt Ihr nicht vorher mit Ihrer Heiligkeit darüber sprechen, Lady von Elbenau?"
"Wann denn - zwischen jetzt und dem kommenden Morgen, Euer Gnaden?"
Diese Herzschläge an Momenten, in denen sie wünschte, sich zerreißen zu können, um allem gerecht zu werden...

Sie sah auf das Temorakreuz, seine Mitte. Da war er also wieder, der Punkt, an dem sich Wege zu trennen schienen. Der Punkt, an dem eine Entscheidung unumgänglich schien, man einem Weg folgen und den anderen liegenlassen musste. Und wieder die Suche nach dem verdammten "C".
"Was war mir denn wichtiger, Befehl seiner Hoheit, oder blanke Vermutung, daß Ihre Heiligkeit dazu noch was zu sagen hätte?"
Hatte sie sich denn jetzt rausgewunden? Morgen würde sie das wenige, was sie wusste, berichten wie befohlen - und hatte Lucenius gebeten, in Erfahrung zu bringen, wann Ihre Heiligkeit sie zu empfangen wünsche. "Sehr diplomatisch gelöst, wirklich - so knapp hab ich noch nie eine Kurve gekratzt, glaube ich." Sie seufzte. "Ist es denn wirklich so unvereinbar?"
Sie sah auf die seitlichen Streben, die von der Mitte wegführten. Weltlicher Weg... Geistlicher Weg... Sie sah den oberen Bogen des Kreuzes, der es in sich geschlossen hielt.
"Ist es denn nicht eins, beidem zu dienen? Müsste in der Vollendung denn nicht beides harmonisch vereint sein, beides beidem dienen?"
Wieder kam ihr das Schwert in den Sinn, um das es gegangen war und wohl noch oft gehen würde. Ritterschaft wie Kirche würden sich hier aufgefordert sehen können. Die Waffe, die Temora führte...

Mit nachdenklicher Miene zeichneten die Fingerkuppen ihrer linken Hand behutsam auf das Temorakreuz das Symbolzeichen des Schwertes: nach oben den Griff bis direkt in die Gabelung des Bogens, die Streben wurden zu den Parierstangen und nach unten führte die Klinge. Es war eins, Teil des Ganzen, in diesem enthalten.
"Siebenfach ist unser Weg ... durch sieben Tugenden leitest Du uns an und gewährst uns deine Gnade.
Siebenfach ist dein Schild... und siebenfach wird sie dich hüten. Vergesst es nicht, Frau von Elbenau. Wie dunkel es auch sein mag, es werden Euch stets sieben Wege offen stehen. Die Wege der Tugenden. Keine Macht kann sie Euch verwehren."
- Ithamars Worte, lange schien es zurückzuliegen. Ein Schaudern ging über ihre Haut. Damals, als sie sich ausgeliefert hatte...
Mit Leichtigkeit fand unter den Fingerkuppen der Ritterin das Symbol des Tropfens seinen Platz im Bogen des Temorakreuzes. Und nun konnte sie auch wieder lächeln.
"Ja, die sieben Tugenden sind ein Weg. Scheinbar sieben Wege, die einer sind. Und im Geistlichen ist doch auch das Weltliche enthalten..."
Die Seitenstreben wurden unsichtbar malend um Waagschalen an ihren Enden ergänzt. Gerechtigkeit. In Form eines Gerichtes vielleicht die schnell am ehesten mit "Weltlichem" in Verbindung gebrachte Tugend.

"Ich bin Ritter, weil ich den Tugenden folgend meinem Herrn diene. Ich kann ihm dienen, weil ich den Tugenden folge. Er hat mich als Ritter, weil ich den Tugenden folgend Temora diene."
Es begann, sich zu vereinen. Die Augen suchten das Symbol ab. "Wahre ich alles zusammen, bin ich ehrenhaft..." Langsam zeichneten die Finger den Fuß des Kelches und als Schale ließ sie den Bogen oben offen, nickte zufrieden. "Die Macht der heiligen Orte und die weltlichen Gebäude, die sie als Schreine zeigen... es ist eins, es braucht beides. Ohne ihre weltliche Hülle würden nur wenigste zu ihnen finden, auch wenn die Macht dennoch dort wäre. Und ohne Macht wären die Gebäude einfach nur Steine."
Währenddessen hatte sie Probleme, das Herz im Temorakreuz unterzubringen. Im Bogen? "Zu klein. Nicht den Blick zu sehr auf's Innere konzentrieren, ich glaub, du siehst zu eng..."
Ehrfürchtig die weitschweifende Bewegung, vom untersten Punkt als Fuß die Bögen für das Herz außen herum an den Enden der Seitenarme anschließen zu lassen und sie, den Kreuzbogen mit berührend, am Mittelpunkt wieder aufeinander zu zu führen.
"Etwas über die Grenzen hinaus gedacht, und doch nicht haltlos..."
Mit einem Nicken fiel es leicht, abschließend eine Seite des Bogens und den Fuß zum Symbol der Demut zu formen.
"Teil des Glaubens ist Demut. Wie könnte es den Glauben kränken, daß das Geistliche das Weltliche braucht? Und Demut, Teil des Glaubens ist es, mit dem das Weltliche das Geistliche alles umfassend und damit als übergeordnet anerkennen kann. Nichts muß alleine stehen."

Es war nicht die Frage, welchen Weg sie beschreiten wollte. Es war die Frage, wie weit sie zu gehen bereit war.
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