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Gedanken, Erinnerungen, lose Zettel: Aus einem Notizbuch
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Gedanken, Erinnerungen, lose Zettel: Aus einem Notizbuch
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 12 Jan 2018 00:10    Titel:
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    ___________________________________________________________


    "UND ÜBERÜBERÜBERÜBERÜBERÜBERÜBERMORGEN! UND...!"
    Ihre eigene Stimme, die verhallt. Das Portal des Anwesens des Praeceptors, das sich leise schliesst.
    Salzspuren auf den Wangen. Das erstickte Gefühl mühsam bezwungener Tränen, das sie seit Jahren nicht mehr gekannt hatte.
    Und des Praeceptors Taschentuch in ihrer Hand.

    Bis morgen.
    Und übermorgen.
    Und überübermorgen.
    Und...

    Das Knirschen ihrer eigenen Schritte im Schnee, als sie sich umwendet. Adoran entgegen. Der Welt müde. Für heute.
    ___________________________________________________________


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 12 Jan 2018 00:11, insgesamt einmal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 12 Jan 2018 16:00    Titel:
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    (aus: Verfluchte Zeit!)


    Wann hatte sie das letzte Mal geweint?

    Sie hatte keine Vorstellung. Und wenn, dann waren es oft eher Zornestränen gewesen, über andere, über sich selbst. Nun aber war es das eisige Gefühl drohenden Verlusts, in Kronwalden, vor dem Anwesen des Praeceptors.
    Der Praeceptor, der nicht mehr der Praeceptor sein wollte. Müde des ewigen Kampfes. Müde der ewigen Anschuldigungen und Vorverurteilungen, müde der Rechtfertigung, müde des Sprechens, ohne angehört zu werden.

    Die Tränen waren ihr ohne Vorwarnung gekommen.
    Der Praeceptor war ihr Mentor gewesen von Anfang an. Ohne ihn hätte sie sich nie im Lied zurecht gefunden, damals in Neu-Tirell, als jeder Novize bereits zu wissen schien, wie man mit dem Lied arbeitete, und nur sie daran verzweifelte, etwas sehen zu müssen, das sich ihr nicht offenbarte.
    Sie schätzte seine Art zu denken, sie schätzte seine Direktheit. Und sie schätze, dass er eben zu jenen Wenigen gehörte, die den Mund aufmachten. Der nicht nur Abnickten, was die Lautesten sagten. Der sich einmischte und eine Meinung hatte.

    War es das Alter, dass ihm die Energie genommen hatte? Oder war die letzte Debatten mit Auenbacher und der Hexe? Der Moment, in dem seine Erfahrungen und vor allem sein Wissen um eben das Ritual, das den Schlamassel ausgelöst hatte, ignoriert und fortgewischt worden waren? Wie der letzte Tropfen in einem langsam aber stetig gefüllten Fass.
    Es war nicht herauszufinden. Nicht, solange das Elend anhielt. Nicht, solange der Fluch – falls es einer war – wirkte. Und je länger er es tat, desto größer das Risiko, dass seine Wirkungen auf den Praeceptor seine Kreise zogen. Ein Konzil ohne ihn als Kopf, das konnte sie sich nicht vorstellen. Das wollte sie sich nicht vorstellen. Und zur Hölle mit dem im Zorn verkündeten Magistratitel!
    Wie die Tränen sie überkommen hatte, so hatte ihre Umarmung vermutlich den Praeceptor überkommen.

    Stumm stapfte Elinor durch den Schnee, durch die Nacht. Adoran entgegen. Der Schnee knirschte leise unter ihren Schritten. Geäst knarzte und rauschte im Nachtwind. Irgendwo raschelte es im Unterholz.

    Die Selbstgerechtigkeit des Menschen war ihm sein Himmelreich.
    Was natürlich, das musste gesagt sein, sie selbst mit einschloss. Und schon der Gedanke, die Hoffnung, sie selbst hätte dieses Phänomen durchschaut und den Versuch der Besserung unternommen war selbst wieder ein deutliches Symptom besagter Selbstgerechtigkeit.

    Genau diese ernüchternde Erkenntnis bewies nur, dass weitere Anschuldigungen - „Warum habt Ihr ihm nicht zugehört? Warum habt Ihr ihn von einem Ritual ausgeschlossen, zu dem er vielleicht das fehlende Wissen hat?“ - den Teufelskreis schließen würden. Anschuldigungen waren bereits zu viele gefallen.
    Was blieb?
    Weiterzumachen.
    Einen Bericht zu schreiben.
    Die Leute zur Zusammenarbeit zu ermuntern.
    Informationen zu verteilen.
    Vielleicht auch, ein zweites Mal nur weitgehend geduldet am eigenen Konzil zu stehen und zuzusehen, wie andere agierten.
    Wenn es das war, was nötig war, um diesen Schlamassel zu beenden, dann musste es wohl sein. Alles, um dem Praeceptor seine Energie, seinen Kampfgeist, seinen Mut zurückzugeben. Und das Lied wieder zu flicken.

    Als in der Ferne die Mauern des Adoraner Nordtors im Schnee aufragten, waren noch die Fußspuren jener auszumachen, die dort heute in großer Zahl Adoran betreten hatte. Elinors Züge wurden härter, und sie hasste sich für diese Schwäche, die sie doch nur wieder einen Schritt näher daran brachte, nicht anders zu sein als Jene, die gestern dem Praeceptor den Rest gegeben hatten.
    Mit einem erstickten Laut des Zorns trat sie nach einer Schneewehe am Wegesrand, die glitzernd im schwachen Mondlicht auseinanderstob – rutschte aus und ging unsanft zu Boden.
    Diesmal waren es Zornestränen, die sich ihrer bemächtigten.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 12 Jan 2018 16:28, insgesamt 5-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 07 März 2018 21:37    Titel:
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___________________________________________________________

    Stille.
    Leer liegt der weiträumige Saal da.
    Kein Laut aus dem Palast dringt heran.
    Konzentration bis zum Bersten.
    Jede Facette ihres Geistes konzentriert auf die Aufgabe vor ihr, auf den kleinen Gegegenstand der harmlos vor ihr im Inneren des am Boden gleißenden Pentagramms schwebt.

    Minuten sind vergangen, seit der Knappe dem ersten Schritt dessen beiwohnte, das hier geschaffen wird.
    Stunden sind vergangen.
    Der Abend ist vergangen.
    Die Nacht ist einziger Beobachter.

    Sture Akribie, penible Sorgfalt.
    Schweißperlen auf der Stirn.
    Endlich der letzte Funken Energie, der das Werk vollendet, der verbindet, was zu verbinden ist, der vollbringt, was zu vollbringen ist.
    Sie umschließt den Gegenstand fest mit zittriger Hand.
    Das gleißende Pentagramm auf dem königlichen Bodendekor vergeht.
    Sie setzt sich auf den Boden, mitten im leeren Saal, mitten im stillen Palast, und legt die Stirn auf die Knie.
    Ihre eigenen Atemzüge dröhnen in ihren Ohren.


___________________________________________________________


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 08 März 2018 14:57, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 18 Aug 2018 21:28    Titel:
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    (aus: Stein um Stein)


    Der Wind rauschte sanft in den Bäumen, raschelte im satten Sommerlaub, wogte in den grünen Wipfeln. Vögel zwitscherten fröhlich in den Ästen, Getier huschte durchs Unterholz. Es war eine friedliche Kulisse, die sich des Krieges, der sich ringsum abspielte, nicht gewahr war.

    Mit entschlossenem Flügelschlag löste sich eine kleine Meise aus der grünen Zuflucht des Waldrandes. Bei ihrem ersten Flug zur besetzten Angurenfestung waren es nur wenige Posten der Rahaler gewesen, die sich nach der Nachtruhe wieder zur Belagerung eingefunden hatten. Doch auf dem Rückflug waren es schon mehr gewesen, und nun war die Festung bereits nahezu wieder umstellt. Wenn man sich allerdings von der freien Wiese davor fernhielt...

    Die Last am Meisenbeinchen schien mit jedem Flügelschlag mehr zu werden, obschon das Spanholzschächtelchen eher die Größe eines bescheidenen Zuckerwürfels hatte. Aber nun war es fast vollbracht. Noch immer stieg Rauch von den schwelenden Überresten des Seitenturms auf, der finster und unheilverkündend neben der verschanzten Angurenfestung kauerte. Einige letzte Flügelschläge – ein weiterer Umweg, um den neugierigen Augen eines Rahaler Legionärs zu entgehen. Endlich, die rettenden Zinnen der Festung. Keine Spur von Sir Heinrik, aber dort stand Luninara im Gespräch.

    Elinor tschilpte erleichtert, flattert, um nicht den Rahaler Truppen ins Auge zu fallen, um die Festungsecke herum und wartete erschöpft auf den Zinnen auf Luninara.
    Die nicht kam.
    Das durfte doch nicht wahr sein!
    Wieder tschilpte sie laut, spürte ihren als Kohlmeise ohnehin so hektischen Herzschlag noch schneller, als gesund sein konnte. Keine Luninara.
    Fast wollte sie fluchen als sie sich abermals mühevoll von den Zinnen abstieß, zurück um die Ecke flatterte, taumelnd, unstet mit dem Gewicht an einem Bein.
    Mit aller Konzentration die sie noch aufbringen konnte, wob sie ein geistiges Band um Luninara zu kontaktieren.
    Endlich! Die Scharfschützin setzte sich in Bewegung und steuerte die ruhige Ecke der Festung an.
    Fast wurde es der Meise schwarz vor Augen, als sie endlich zur Landung ansetzen wollte. Das Gewicht zog und zerrte an ihrem Bein.
    Und plötzlich kamen die Steine der Zinnen deutlich schneller auf sie zu, als geplant, und alles entsetzte Flattern schien zu spät.

    Ein Hoch auf die Reflexe der Scharfschützen, dachte Elinor wie im Dämmerzustand, als Luninaras Hand die Meisenbruchlandung noch gerade verhinderte. Momente vergingen, Ewigkeiten vergingen, ehe Elinor wieder klar denken konnte. Die Meise schüttelte das Köpfchen, wob ein weiteres geistiges Band, erklärte Luninara, warum sie hier war, wurde in die Sicherheit der Mauern zu Sir Heinrik getragen.

    Pläne wurden erörtert, benötigtes Material erwogen, eine Probe des obskuren Schleims in der Festung genommen und in das winzige Schächtelchen gegeben. Dann fand sie sich abermals in Luninaras Hand wieder. Herrje, was war sie erschöpft. Aber der Flug musste noch sein. Ein stiller Punkt war rasch gefunden. Mit Starthilfe von Luninara schwang sie sich abermals in die Luft, mit aller Kraft, die ihr als kleine Meise noch blieb flatterte sie mit ihrer unnatürlichen Last am Beinchen los, zurück in den Schutz des Waldes, der sie alsbald mit sanftem Rauschen umfing.
    Vögel zwitscherten fröhlich in den Ästen, Getier huschte durchs Unterholz. Es war eine friedliche Kulisse, die sich des Krieges, der sich ringsum abspielte, nicht gewahr war.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 18 Aug 2018 21:29, insgesamt einmal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 06 März 2019 15:47    Titel:
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    (aus: Die Rabendienerstatue im Wald von Tirell)


    Geschwätz!
    Wie sie es satt war, dieses elende, immerwährende, monotone Geschwätz, wann immer der Westen auf den Osten stieß oder der Osten auf den Westen. Und auch wenn es eindeutig war, dass das Geschwätz des Westens notwendigerweise das hohlere von beiden Seiten war, so stand es auch Lichtenthal nicht gut zu Gesicht, sich darauf einzulassen, wenn es keinen Zweck verfolgte.

    Und das tat es gerade nicht, nach diesem halbwegs spontanen, unfreiwillig komischem Ausflug. Mehr oder weniger unvorbereitet auf die ihr spontan überlassene Führungsrolle, hatte Elinor ihre Absichten erklärt – die Rabendienerstatue im Wald von Tirell magisch und klerikal zu untersuchen. Sollte sich danach kein Hinderungsgrund ergeben, konnte man die Statue praktischerweise gleich zerstören.

    Als der Hinderungsgrund in Form einer Rotte Letharen, Rabendienern und sonstigen Westlern sie aufspürte – zweifellos auf Grund der geradezu grotesken Zusammenstöße mit einigen Rahaler Wanderern – waren zumindest die Untersuchungen erfolgreich abgeschlossen und Elinor ganz zufrieden, keine militärische Führungsrolle inne zu haben.
    Aber dann ging dieses Geschwätz los.

    Im Schatten der Zeder, auf der sie bereits mehrfach stundenlang gesessen hatte, hinter den Reihen des Regiments und des Ritters, atmete sie tief durch, nahm für einen surrealen Moment den Geruch des feuchten Waldbodens, das Gezwitscher der Vögel in den kahlen Baumwipfeln intensiver wahr als die Gerüsteten um sie herum, als das Klirren und Zurren hastig aufgestockter Restrüstung und die schweren Schritte der wenigen tatsächlichen Kämpfer ihrer Gruppe, die sich in Position begaben.
    Dann drangen sie alle wieder in ihr Bewusstsein. Der Lethar namens 'Züddarak' – oder so ähnlich – der sich darauf verstand, die Worte seines Gegenübers so zu wiederholen und so geschickt zu plaudern, dass das leichtfertige Gegenüber sich zu reden verleiten ließ. Die geradezu liebenswerte Unkoordiniertheit des kleinen, zusammengewürfelten Lichtenthaler Trupps im krassen Kontrast zu den deutlich besser vorbereiteten Kämpfern in den finsteren Farben des Westens. Und dann dieses Geschwätz. „Verzweifelter Feldzug“, „ketzerischer Unglaube“, Temora hab Mitleid!

    Am endete wankte der geschlagene Trupp wieder zum Kloster. Elinor konnte sich nicht erinnern, je ein Scharmützel oder eine Schlacht anders beendet zu haben. Die Blessuren an Körper und Geist hatten aufgehört, an ihrem Stolz zu nagen. Sie war pragmatischer geworden. Nahm zur Kenntnis, dass das eigentliche Ziel der Unternehmung erfolgreich gewesen war, registrierte, an welchen Stellen sie ihre persönliche Kampftaktik verbessern konnte, stimmte im Stillen Merrik zu, dass die öffentlichen Kampfübungen relevant waren – und nahm sich vor, ihrem Widerwillen zum Trotz nun auch öfter einmal hinzugehen.
    Eins aber stellte sie zufrieden: Das ewige Geschwätz war zumindest für einen Moment unterbrochen worden. Auch wenn Worte die Waffe ihrer Wahl waren, so waren Taten leeren Worthülsen bei weitem vorzuziehen. Und vielleicht rüttelte der neuerliche Vorfall Lichtenthal in seiner Gemütlichkeit auf. Brachte es dazu, wieder wachsamer zu werden, sich nicht auszuruhen auf dem Umstand, dass die Mauern der Städte solide waren und der Westen wohl im Grunde nicht minder bequem als der Osten.
    Es war Zeit, dem Westen die Stirn zu bieten. Wenn nicht militärisch, dann anderweitig.

    Es war Zeit, dass sich etwas tat.

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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 17 März 2019 15:40    Titel:
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    Das Kratzen und Ätzen des Möbelrückens auf den kalten Bodenfließen des Konzils hallte momentelang durch die hohen, leeren Hallen wie das Wispern jener Geister, die den Neubau nie erlebt hatten. Und verklang.
    Die Kohlebecken knisterten und knackten. Draußen die Alltagsgeräusche der Stadt: Wagenräder und Gelächter, Schritte und Stimmen. Von fern her. Eine andere Welt.
    Ein Sonnenstrahl auf den Gründerstatuen. Gestalten der Vergangenheit. Eine Regenwolke tauchte die Statuen wieder in Nachmittagsdüsternis, Arenvir zuletzt.

    Statuen, Mauern, Säulen, Bögen, Kerzen. Wie ein Mausoleum.

    Müde betrachtete Elinor den umgeräumten Vorraum. Arcomagus Eibenbruch blickte von einem Pergament auf. Er sah blasser aus als früher. Schmaler in der neuen Kriegsmagieruniform, die der Praeceptor – der abgereiste Praeceptor – als eine seiner letzten Amtshandlungen eingeführt hatte. Kurz lächelte der alte Verwalter ihr zu. Dann senkte er den Kopf wieder. Er war nie ein Mann vieler Worte gewesen, aber nun erschien er ihr stiller denn je.
    Er, Merrik, und Elinor. Nur sie waren geblieben.

    Rastlos wandte sie sich wieder um, lauschte den eigenen Schritten, die hohl und trostlos im großen Saal wiederklangen, blieb an den Büsten der ehemaligen Praeceptoren hängen die ihr leblos entgegen starrten. Spotteten sie? Mahnten sie? Oder hätten sie kein Interesse an den Geschicken einer Magierakademie, die bereits klein geworden war, als sie sie vor drei Jahren kennengelernt hatte, und von der kaum noch etwas geblieben war – außer der Neubau, der geradezu trotzig im Zentrum der Stadt aufragte, dort wo der Palast viel besser hingepasst hätte. Wie ein letztes Aufbäumen vor dem entgültigen Fall.

    Sie fühlte sich fremd und fehl am Platz in dem Gebäude, das dafür ausgelegt war, Schülern und Lehrern Heimstatt zu sein, Forschung und Studium, Philosophie und Gedankenaustatt zu beheimaten. Wo Schritte und Stimmen und Gelächter nötig wären, um es mit Leben zu füllen. Stattdessen Stille und Staub.

    Wie oft konnte ein Phönix sich aus der Asche erheben, ehe er entgültig an Kraft verlor und mit einem letzten Aufflammen vergehen musste?

    Elinor seufzte, griff nach ihrer Teetasse, die sie auf des Praeceptors Aquarium abgestellt hatte, und wärmte den kalten Inhalt mit einem geistigen Anstubser wieder auf.
    Noch war es nicht soweit.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 18 März 2019 17:23, insgesamt einmal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 01 Mai 2019 19:50    Titel:
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    Phanodain.
    Als sie neu am Konzil war, so neu wie ihr die Gabe des Liedwirkens neu war, hatte sie sich erstmals wirklich mit Phanodain beschäftigt. Aufgewachsen mit Gebeten an Eluive und Temora gleichermaßen, war der Name des Fuchses kein unbekannter – aber auch keiner, mit dem sie sich viel befasst hätte.
    Im Laufe der Wochen und Monde fand sie ihn häufiger auf ihrer Zunge, zunächst als obligatorische Floskel, aufgeschnappt. Dann als liebgewonnene Tradition. Irgendwann als tröstliches Mantra.
    Phanodains Segen.

    Erst mit dem Neubau des Konzils hatte sie so recht begonnen, sich wieder mit der Geschichte der Götter zu befassen, mit Geschichten und Schriften, die sie seit Jahren nicht mehr groß beachtet hatte. Zwischen den Kisten aus den Trümmern geretteter Bücher sitzend, hatte sie Seite um Seite gelesen, während die Kerzen herunterbrannten und der Tee kalt wurde.
    Phanodain war nicht eben der Lieblingsgott der Schriftwerke, zumindest deutete die Quantität seiner Erwähnungen nicht darauf hin. Und doch fand Elinor seit Tagen einen unerklärlichen Drang in sich, ihn und seine Geschicke weiter zu verfolgen, auch jetzt, wo die alten Magier mit ihrem Wissen um die Geschichte und Götterlehre fort waren.

    Nicht viel war vom Konzil des Phönix geblieben. Egal wie prachtvoll der Neubau im Zentrum Adorans in die Höhe ragte, die meiste Zeit lag es still dort, und ihre Schritte hallten einsam in den leeren Hallen. Doch eines, eines konnte dem Konzil kein Unglück, kein Pech, keine schlechten Zeiten nehmen: Den Geist Phanodains in seinem Herzen.
    Seinen Geist weiter präsent zu halten, Wissen zu sammeln und weiterzugeben, das durfte nicht aufhören. Wenn für keine heutige Generation, dann für eine folgende.
    Es war ganz gleich, wie leer das Konzil war. Ein Neuanfang war nuneinmal gern holprig, und der Phönix aus der Asche hatte es vermutlich auch nie leicht. Doch einen Anfang machte er, stets aufs Neue, unaufhaltsam, niemals entmutigt, mit stoischer, strahlender Entschlossenheit.

    Die Einrichtung des Neubaus war nahezu abgeschlossen, alle Gebäudeteile endlich nutzbar. Und ein Schrein zu Ehren Phanodains, beschloss Elinor, sollte den Abschluss bilden, den Abschluss und den Aufbruch.
    Der Phönix erhob sich wieder aus der Asche.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 06 Mai 2019 11:16    Titel:
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    ___________________________________________________________


    Einsame Schritte im großen Lehrsaal, in der Halle, auf der Treppe. Das Knistern des Feuers, das jede Ecke des großen Raumes erfüllt, so still ist es.

    Zeit, über die Leere hinweg zu sehen und Leben anderweitig zu suchen.

    Zweifel, überall Zweifel.
    Welche Position sie einzunehmen gedenke.
    Ob sie nicht zu bescheiden sei. Ob sie sich nicht zu viel rausnähme. Ob sie nicht zu wenig tue. Ob sie sich nicht zu viel einmische. Ob sie nicht zu konfliktscheu sei. Ob sie nicht zu scharfzüngig sei. Ob sie sich nicht zu sehr aufopfere. Ob sie nicht zu egoistisch sei.
    Wenn die Leute nur ahnten, wieviel lauter die Zweifel im eigenen Kopf sogar noch sind im Vergleich zu dem, was sie sagen.

    Zeit zu lernen, sich nicht um anderer Leute Meinung von ihr mehr zu scheren, als zu gesunder Selbstkritik nötig ist.

    Die Dinge sind im Wandel.
    Manchmal muss man sich treiben lassen und den großen Wellen erlauben, über einen hinwegzuspülen. Man wird schon wieder auftauchen. An unabsehbarer Stelle, aber auftauchen. Und es wird genug Atemluft geben.

    ___________________________________________________________
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 16 Jun 2019 16:45    Titel:
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    Das latente Gefühl von „Zhenzrael“ klang ebenso in ihrem Geist nach, als die Tür sich geschlossen hatte, wie der Geschmack des Dattelweins auf ihren Lippen.
    Auf dem Weg durch die nächtlichen Straßen Menek'Urs strahlten die Wände und Pflastersteine noch die Hitze des Tages ab.
    Die Vertrautheit, die sich in den letzten Wochen, vielleicht auch erst in den letzten Tagen zwischen ihnen entsponnen hatte, war unerwartet gekommen aber von Herzen willkommen.
    Kollegialen Respekt hatte Elinor seit der ersten Begegnung vor ihm gehabt. Wenn er einen Raum betrat, so wusste man, dass er da war – aber auf eine unaufdringliche, selbstverständliche Art. Keine Anflüge von Grandiosität, kein aufdringlicher Geltungsdrang – eher eine Sorte zugewandter Selbstverständlichkeit, von der Elinor nicht umhinkam, sie zu bewundern.
    Erst hatte sie gelernt, ihn als scharfsinnigen Gesprächspartner und Philosophen zu schätzen – dann auch als Menschen, als erste unerwartete Charakterzüge und Interessen ihn zugänglicher erschienen ließen.
    Am Ende waren es wohl die gemeinsam verbrachten Tage in Verwandlung gewesen, den Feind im Blick. Die geistige Verbindung, eingangs nur aus praktischen Gründen aufgenommen, um in dieser Situation kommunizieren zu können, war immer selbstverständlicher geworden. Und nun stellte sie fest, dass er ganz selbstverständlich der Erste war, vor dem sie ihr Klangbild und ihren Geist nicht mehr gar so akribisch verbarg – und ebensowenig hatte sie das Gefühl, ihre Gedanken im Gespräch zügeln zu müssen.

    Elinors Schritte hallten leise auf den sandigen Pflastersteinen wieder. Nur sporadisch hörte man noch Stimmen und Gelächter oder traf auf die Wachen der Stadt, die sie kurz musterten und dann ihren Weg fortsetzen. Sonst war es still als sie durch das Stadttor trat, an den leeren Marktständen vorbei, bis sie den Blick auf die Dunkelheit der Wüste freigaben. Ein Meer von Nichts. Wer würde von Außen schon meinen, dass diese abweisende Einöde solch ein farbenprächtiges Juwel wie Menek'Ur verbarg?
    Das Sinnbild ließ sich schiefes Lächeln auf ihre Züge huschen. Man wollte es nie wahrhaben, aber am Ende war es wohl überall wie hier: Die Wüste heiß, unwirtlich, sogar feindlich. Aber wenn man sich einen Weg hindurchbahnt, so wunderte man sich, auf welch erstaunliche Schätze man traf.
    Vielleicht hatte auch sie die symbolische Wüste endlich hinter sich gelassen.

    Wie lange war sie bereits auf Gerimor? Etwas mehr als drei Jahre?
    Und in all dieser Zeit war ein latentes Gefühl von Einsamkeit ihr steter Begleiter gewesen. Einige hatte es immer gegeben, für die sie Freundschaft empfand. Aber nicht selten waren diese Freundschaften wieder vergangen, noch ehe sie recht gefestigt waren.
    Da war Filidus gewesen, mit dem sie zusammen das Grundstudium in Neu-Tirell absolviert hatte. Zusammen hatten sie sich dem Konzil angeschlossen und Pläne geschmiedet. Dann war er abgereist, von heute auf morgen. Nichts war geblieben von ihm, außer der Hut, den er ihr geschenkt hatte, und der bis heute regelmäßig an der Garderobe liebevoll abgestaubt wurde.
    Dann natürlich Gerwald! Lächelnd fiel Elinors Blick auf den dezenten, goldenen Ring an der rechten Hand. Aber auch Gerwald – Gerwald Tiefenbruch, nicht mehr Gerwald Hasenpfote! - tat seinen Dienst bis auf Weiteres ans Festland, und sie sahen sich nur alle paar Wochen. Ein weiterer vertrauter Gesprächspartner, auf den sie nicht mehr alltäglich zählen konnte.
    Schließlich war da Helisande. Es war schwer in Worte zu fassen, was Elinor für sie empfand. Da war der gebotene Respekt, nicht nur ihrem Rang gegenüber sondern auch ihrem Auftreten. Aber oft genug waren da auch Momente gewesen, in denen Elinor das Gefühl hatte, dass ein Hauch von Freundschaft versuchte, sich ihren Weg zu bahnen. Meist jedoch war der Moment so schnell wieder verklungen, wie er gekommen war. Pflichten riefen, Termine warteten, Gespräche blieben selten länger als wenige Momente privat. Vielleicht sollte es nicht sein.

    Natürlich gab es ungemein viele liebenswerte und gewitzte Gestalten und Charaktere in Lichtenthal, viele erbauliche Gespräche und Gesellschaft, die einem die Zeit schnell vergehen ließ.
    Aber auch allerhand Garstigkeit und Intriganz, Personen, die nur das eigene Geltungsbedürfnis zu befriedigen trachteten oder schlicht Feindbilder zum existieren brauchten. Und auch wenn man sich gut darum mühen konnte, solchen Personen in höflicher Verbindlichkeit aus dem Weg zu gehen, so hatte es ihr die längste Zeit an Ausgleich gefehlt. An Personen, denen sich anvertrauen zu können sie das Gefühl hatte. Personen, die nicht urteilten sondern zuhörten. Personen, bei denen sie sich nicht wie eine dekorative Randperson fühlte. Personen, in deren Gegenwart sie sich nicht ständig zu forsch oder zu zurückhaltend, zu scharfzüngig oder zu konfliktscheu, zu viel oder zu wenig fühlte.

    Zhenzrael, in dessen Gegenwart es ihr erstmals seit Langem leichtfiel, sie selbst zu sein. Dessen Selbstverständlichkeit auch ihr das Gefühl gab, selbstverständlich Elinor zu sein. Ohne Rechtfertigung oder Erklärung.
    Dann Feliciana, die ihr an manchen Tagen wie die fröhlichen Lichtstrahlen durch das grüne Blätterdach der Bäume erschien. Ihre Freude an den Themen, die sie beschäftigten, das Strahlen ihrer Augen, wenn sie etwas freute, die Lebendigkeit, die sie in jeden Raum brachte suchten ihresgleichen. Man musste sie einfach gern haben. Manchmal erinnerte Feliciana Elinor an ihre Schwester daheim mit ihrem sonnigen Gemüt – und nicht wenige Gespräche ließen sie mit einem stillvergnügten Lächeln zurück.

    Vielleicht hatte es die Wüste gebraucht. Dort, wo die Durststrecke einen deutlichen Schritt über das Gewohnte hinaus verlangt hatte, dort waren ihr am Ende jene Personen begegnet, in deren Gegenwart sie sich wohler fühlte als irgendwo sonst seit langem.
    Freunde.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 18 Jun 2019 15:17    Titel:
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    (aus: Die Rabendienerstatue im Wald von Tirell)


    Der obligatorische, halbgare Blick in den Briefkasten wurde von einem Stirnrunzeln quittiert. Sie hielt inne. Ein Päckchen. Nein, ein dünnes Büchlein war es.
    Die Amseln und Meisen zwitscherten vergnügt im sonnenbeschienenen Apfelbaum vor ihrem Haus, als Elinor das schmale Lederband um das Buch – ohne Aufschrift, wie seltsam – löste und sich auf die Bank vor dem Haus setzte.

    Schwungvolle Schrift, dunkelrote Tinte.


      Ein Versprechen wird es sein, eines welches Euch durch Mark und Gebein gehen wird. Man wird Euch finden, man hat es gar schon, man wird ein Auge auf Euch haben. Man wird sich nehmen was uns genommen wurde.

    Nach den ersten Zeilen hatte sie noch irritiert geblinzelt, nochmal von vorn angefangen um sich zu vergewissern, dass Ihr Gehirn ihr keinen Unfug vorgaukelte. Aber da standen die Worte, in der Farbe getrockneten Blutes.
    Sie presste die Lippen zusammen und fühlte ihren Herzschlag.


      Die dunkelste Nacht wird sich über Euch ergießen und Ihr werdet wimmernd hoffen, aus jenem Kreislauf entfliehen zu können. Der Wunsch von Freiheit, von Erlösung, wird sich in jedem Winkel Eurer Gedanken wiederfinden.
      Die Rache des dunklen Fürsten wird sich durch Euren Körper fressen und sich an Eurer Angst laben um sich zu guter Letzt an Eurer Seele zu bedienen und sich jener zu bemächtigen.
      Dies wird keine Warnung sein, nein, ein Versprechen. Eines, welches ewiglich an Euch haften wird und mit welchem Ihr des Nachts einschlafen werdet und am frühen Morgen gleichsam wieder erwachen werdet. Die Angst wird Euer ständiger Begleiter sein. Denn wir sind schon längst da und wir haben unsere Augen auf Euch gerichtet.

    Die warmen Sonnenstrahlen des Nachmittags kamen nicht gegen das Frösteln an, das Elinor überkam.
    Was um der Götter Willen war denn das?
    Im Zweifel ein Scherz.
    Ein dämlicher und nicht sonderlich lustiger Scherz.
    Anders war es nicht zu erklären.
    Sie schnappte nach Luft, irgendwo zwischen Empörung und Entgeisterung und unwohl pochendem Herzschlag.

    Erst verspätet bemerkte sie, dass da noch etwas war – hinter der letzten Seite, eine deutliche Unebenheit. Sie blätterte die Seite um und stieß auf einen dünnen, ledernen Umschlag. Abermals krauste sich ihre Stirn als sie ihn öffnete und hineinspähte. Eine Feder.
    Eine schwarze Feder. Und darunter mehr Text.
    Mit einem Schnaufen griff sie danach – stockte, und rümpfte die Nase. Eine schmierige schwarze Feder. Sie legte sie neben sich auf die Bank.

      Angenehme Träume.
      Ravena.

    Ihre Augen wanderten nochmal über den Text und ein drittes Mal, während sie unwillkürlich
    die die klebrige Substanz zwischen den Fingern verrieb um sich ihrer zu entledigen.
    Ravena. Nie gehört.
    Sie ertappte sich dabei, mit den Fingern einen unsteten Rhythmus auf dem Einband des Büchleins zu klopfen, als sie nochmals darin blätterte, auf der Suche einem Hinweis oder etwas Verdächtigem. Je genauer man sich die Tinte ansah, desto unheilvoller wirkte sie.
    Sie angelte nochmal nach der Feder, hielt sie ins Licht und betrachtete sie mit gefurchter Stirn. Trotz ihres Makels schimmerte sie sanft bläulich und grünlich in der Sonne.
    Rabe.

    Rabe.
    Elinor schüttelte entschlossen den Kopf.
    Unfug.
    Ein misslungener Scherz. Kontakt zu den Rabendienern hatte sie bisher keinen nennenswerten gehabt. Sicherlich keinen, der ein derartiges Schreiben rechtfertigte.
    Allerdings...

    Elinor pustete die Wangen auf und steckte die unerfreuliche Feder wieder in den Umschlag zurück, darauf bedacht, sich die Finger diesmal nicht gar so schmierig zu machen. Dann schnupperte sie in plötzlicher Eingebung vorsichtig daran. Roch harmlos.
    Nichtsdestotrotz wischte sie sich die Hand im Gras ab, in dem allerhand Wildblumen des Frühsommers ihre Köpfe aus dem Grün steckten. Dann lehnte sie sich auf der Bank zurück, legte das Buch resigniert neben sich und schloss die Augen, um die Sonne ein Weilchen das Frösteln aus ihrem Körper vertreiben zu lassen, ehe sie sich weiter damit befasste.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 19 Jun 2019 13:23    Titel:
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    (aus: Die Rabendienerstatue im Wald von Tirell)


    Verdrossen wendete Elinor ihre Hand hin und her. Wie Brandblasen muteten die schmerzhaften Gebilde insbesondere auf der Innenseite an.
    Natürlich hatte Luninara recht behalten. Rabenfedern, die auf diese Art und Weise mit etwelchen Drohungen mitgegeben wurden, pflegten offenbar stets mit Flüchen oder Giften oder sonstigem unseligen Beiwerk versehen zu sein. Eine gute Lehre, auch wenn Elinor sich eine Närrin scholt, so leichtfertig mit der Feder umgegangen zu sein.

    Bereits gestern Abend hatten sich die Effekte mit garstigem Juckreiz angekündigt, auch wenn sie ihn noch nicht hatte zuordnen können. Aber er war bald so penetrant geworden, dass den Widerhall des Juckreizes noch in der Verwandlung hatte spüren können, als sie in Form einer Eule aus einem Walnussbaum heraus diesen „Unterricht“ des Westens beobachtet hatte. Oder wie auch immer man diese fehlgeleitete Gehirnwäsche nennen wollte.
    Und tatsächlich war auch dort eine Rabendienerin aufgetaucht...

    ...Ravena.
    Elinor schüttelte den Kopf und angelte sich eine staubige Verbandsrolle. Ein entschlossenes Pusten – fast wie neu. Einen Rest alltäglicher Heilsalbe darauf und die Hand eingewickelt. Sollte alltagstauglich sein, und ewig konnten sich derartige Verletzungen ja nicht ziehen.
    Ravena. Auch Luninara schien der Name nichts gesagt zu haben.
    Aber, und das war viel wichtiger: Luninaras Formel für die Berechnung der Gefahr, die tatsächlich hinter einem Drohbrief steckte, erschien ihr durchaus realitätsnah.
    Je mehr Text, desto weniger Inhalt. Je mehr Sätze, desto weniger Handlung. Je mehr Drohungen, desto weniger Initiative.
    Hunde die bellen, beißen nicht.
    Rabendiener die reden, rächen nicht.
    Im Übrigen gab es da ohnehin nichts zu rächen.

    Entschlossen angelte sich Elinor zwei Kekse vom Tisch und verließ das Haus.

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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 21 Jun 2019 12:05    Titel:
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    Unsanft stellte Elinor den Alchemiekessel in der Mitte des Ritualkreises auf der Nebeninsel des Konzigeländes ab und stapfte mit finsterem Blick an dessen Nordseite. Mit einem sanften Knall materialisierte sich ihr Stab in ihren Händen.
    Was aus der bunten Mischung aus Schwefel, angereichtertem Pyrian und was Lohengrinn nicht noch alles für Unfug eingefallen war noch zu trennen gewesen war, hatte die Konzilsalchemistin, Vocorine, fachgerecht umgelagert. Der Rest war im Kessel geblieben, eine pulvrig-bröckelige Mischung, von der Elinor keine Vorstellung hatte, ob sie im Zweifelsfalle nichts weiter als ein kurzes Glimmen produzieren würde oder eine Explosion, die ihresgleichen suchte. Beides war der Mischung ebenso zuzutrauen wie dem Magus.

    Für einen Moment schloss sie die Augen, fokussierte ihre Sinne auf den kühleren Nachtwind, der durch die umliegenden Hecken raschelte und sanft über ihr Gesicht strich. Um sie herum plätscherte das Wasser. In der Ferne der melancholische Ruf eines Nachtvogels.
    Sie hatte diesen Ritualplatz noch nicht einmal genutzt, hatte sie feststellen müssen. So lange stand der Neubau bereits – aber so recht war er nie zum Einsatz gekommen. Und was für ein grotesker Anlass das nun war.
    Mit einem entschlossenen Kopfschütteln verscheuchte sie alle störenden Gedanken und stimmte sich auf das Lied ein.
    Ein Lichtfunkte glomm vor ihr am Boden auf. Einen Moment erstrahlte er wie ein Glühwürmchen in der zunehmenden Dämmerung. Dann setzte er sich in Bewegung, zog Linien auf dem Stein, die vorher nicht dagewesen waren als feine, aber makellose Lichtbahnen. Als der Lichtfunken zu ihr zurückkehrte, waren das Pentagramm und der umgebende Bannkreis perfekt.
    Ein Atemzug. Als die Pentagrammspitzen mit den Urkräften verbunden waren, machte sie sich daran, den Schutzzauber, der den garstigen Kessel seit seiner Befüllung in der Stadtstube umwoben hatte auszuweiten, bis der Bannkreis als elementarer Schutzzauber seine Dienste tat. Ein sanftes Glühen trennte sie, das Konzil, die Umgebung von dem, was im Inneren des Ritualkreises lag.

    Im Grunde hätte es wohl gereicht, einen Funken in den Kessel zu geben und zu schauen, was passiert. Oder ein wenig die Temperatur im Kesselinneren zu erhöhen, bis der Flammpunkt erreicht war.
    Warum, um Phanodains Verstand nocheins, warum musste dieser Magus sich nun doch als der entpuppen, von dem die Geschichten gekündet hatten? Es hatte so gut angefangen. Wirr war er, exzentrisch, ja. Aber auch von wachem Verstand, von warmen Herzen – zumindest, solange der Wahnsinn nicht durchschlug – und freundlichem Gemüt. Sie hatte ihn ins Herz geschlossen, ohne recht zu wissen, wann. Und dann gestern und heute. Im Vergleich zu seinem geplanten Feuerwerk in der Stadtstube waren die Kleidungseskapaden harmlos, egal, wie schlecht sie einem Konzilsmagus zu Gesicht standen.
    Was, um der Götter Willen, spielte sich in Lohengrinns Kopf ab?

    Ein frustriertes Schnaufen entkam Elinor. Das Konzil kam nicht aus der Asche hervor. Die Hoffnung auf einen weiteren zuverlässigen Magus schien zu verblassen. Oder in Flammen aufzugehen, mit allen Risiken, die für das Ansehen des Konzils darin lagen.
    Elinor hörte sich selbst einen frustrierten Fluch ausstoßend als sie ihr Stabende mit einem Ruck auf den Boden stieß als sie alle Salambestränge, derer sie habhaft werden konnte, entschlossen im Zentrum des gesicherten Ritualkreises zusammenzog, ihnen die Freiheit ließ, sich dort zu verweben, zu vereinen, emporzuwachsen.

    Fauchend schoss eine Feuersäule in die Höhe, aus hellem Orange wurde gleißendes blau, Hitze, Zischen, Lodern durchstach das dunkle Zwielicht. Selbst durch den sorgfältig gewobenen elementaren Schutzkreis hindurch spürte Elinor die Hitze auf ihrem Gesicht.
    Dann sackte die Feuersäule wieder in sich zusammen, ein paar letzte, rötliche Flammen durchzuckten die Luft.

    Genauso schnell, wie der Spuk begonnen hatte, war er wieder vorbei.

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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 21 Jun 2019 16:34    Titel:
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    „Du bist nicht allein.“

    Die ferne, nahe, fremde, vertraute Stimme dringt an ihr Ohr, weckt stille Zuversicht und vertreibt das bleierne Gefühl von Sorgen, das diffus von allen Gedankenfetzen zu tropfen scheint. Dann ist sie fort, mit ihr die Erinnerung daran. Nur die Emotionen, die sie brachte, bleibt als verspielter Unterton zurück, der allem Dunkel die Stirn bietet.

    Nur leises Wasserplätschern und der Wind, der durch das Laub der Hecken streicht, sind tatsächlich zu hören, als der Moment der Ohnmacht vergeht – länger als ein kurzer Moment kann es ja nicht gewesen sein. Noch immer liegt der sanfte Geruch des Rauchwerkes über Allem.
    Erstaunt blinzelt sie in das schummrige Licht, bis Augen und Sinne und Realität wieder vereint sind. Hört sich selbst etwas Verwirrtes murmeln, sieht Feliciana, die aussieht, als hätte sie geweint und erklärt, sie hätte den Trank gegen die Schmerzen bei der Behandlung wohl überdosiert, nimmt vage zur Kenntnis, das die Schmerzen in ihrer Hand deutlich nachgelassen haben. Der Erfolg zählt, und ihr Herz hat Feliciana von Anfang an vertraut.
    Der Verstand weiß nicht was war, das wachere Herz sieht keinen Grund zur Sorge.

    Nur das Wasserplätschern, der Wind, der Nachtvogel sehen, wie das bisher stille Vertrauen in wenigen Worten überspringt, wie aus Bekanntschaft Freundschaft wird.


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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 18 Jul 2019 16:20    Titel:
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    (aus: Der Wert liegt im Detail)


    Sanft raschelte der Sommerwind, strich die laue Nachtbrise über ihre Wangen. Die neu aufgestellten Tische und Hocker im Garten des Hort des Wissens versanken in der zunehmenden Dämmerung als Elinor die Kerzen, eine nach der anderen, für die Nacht auspustete.

    Während sie von Kerze zu Kerze wanderte, kam sie nicht umhin, noch einmal über diesen seltsamen, interessanten – vor allem interessanten! - Fall nachzudenken: Die Diebstähle, die sich so unterschieden und gleichsam ähnelten.

    Zwar war die Verbindung rasch von allen gezogen worden: Die Diebstähle von materiell wertlosem Zeug, das aber den Besitzern ein kostbarer Schatz war – und das Auftauchen eines „Schemens“, der danach fragte, was den Leuten viel wert sei.
    Elinor hatte gezögert, die Verbindung gar zu schnell als gegeben vorauszusetzen, um keine falschen Schlüsse zu ziehen. Aber in der Tat – verglich man alle Berichte, so war da eine Verbung: Das Lachen. Das körperlose Lachen, das auch im Regiment gehört worden war, als man einen Zeugen zum vermeintlich herkömmlichen Diebstahl in Bajard vernommen hatte.

    Es war schwer, ein Wesen zu analysieren, das sie noch nie persönlich zu Gesicht bekommen hatte. Aber anhand einiger Berichte, Nachfragen und magischer Vorführungen schien es immer plausibler, dass auf die ein oder andere Art Magie im Spiel war. Ebenso konnte man halbwegs sicher ausschließen, dass es sich um eine Illusion oder ein direkt fremdkontrolliertes Wesen handelte. Vielmehr ließ alles auf eine eigenständige Kreatur schließen. Aber was für eine? Tatsächlich ein Geist, den Gerüchten folgend? Aber Geister pflegten für gewöhnlich kein sonderliches Interesse an materiellem Besitz mehr zu haben. Zumindest konnten sie seiner nicht habhaft werden.
    Ein magische Kreatur? Gar ein Liedwirker, der sein Äußeres entsprechend angepasst hatte?

    Um das herauszufinden, blieb ihr nichts übrig, als „den Schemen“ selbst eimal zu Gesicht bekommen. Und da war ihr im Gespräch mit Moira und Daron ein Geistesblitz gekommen...

    Irgendwo in den alten Bäumen, die den Hort des Wissens umgaben, ertönte der Ruf einer Eule. Elinors Blick ging in die zunehmende Dunkelheit herauf. Es war still hier, so viel stiller, als Adoran des Nacht je sein konnte. Tröstlich, unheillvoll, sanft, undurchdringlich.
    Sie ging zurück zum Gebäude, schloss ab, und setzte sich auf die Treppenstufen, um noch eine Weile ihren Plan zu sortieren und im Licht des Leuchtsteins vor dem Hort eine Vorschrift für ein paar Einladungen in ihr Notizbuch zu schreiben.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 21 Jul 2019 00:00    Titel:
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    (aus: Der Wert liegt im Detail)


    Stille hatte sich einmal mehr über den Hort des Wissens gelegt. Es war nicht mehr die Stille, die ihn so lange umfangen hatte, als seine Türen verschlossen waren, nicht die staubige, leere Stille eines Gebäudes voller Erinnerungen, voller Worte und Gedanken, die nicht mehr gehört wurden.
    Diesmal war die Stille anders. Nicht mehr drückend und verlassen, seit die Regale abgestaubt waren, die Bücher darauf harrten, neu sortiert zu werden und auch der alte Bibliothekar wieder zufrieden am Tisch im Eingangsbereich saß.

    Und doch hing an diesem Abend eine gewisse Melancholie in der Stille, strich um die Regale, kroch um die Säulen und Podeste. Sie war schwer zu greifen, lockte kurz mit einem Hauch von Nostalgie, trotzte unvermittelt mit drückender Schwermut vergessen geglaubter Erinnerung, nagte mit der Frage, ob es der Hilfe bedurft hätte. Noch bedurfte.

    Ein Leben, in der Zeit jede Bedeutung verloren hatte. In der Sein und Nichts verschwammen. Wie einsam, wie unendlich traurig musste das sein. Selbst, wenn die Bedeutung dieser Emotionen längst vergessen waren.

    Elinor war wieder ins Obergeschoss des Horts gegangen, stand an jenem Flecken, auf dem sie gestanden hatte, als diese Gestalt aufgetaucht war. Die Gestalt, die Berichte vor dem ihren „Schemen“ genannt hatten. Es war in der Tat schwer, etwas Zutreffenderes zu finden für diese finstere Gestalt, die so ungreifbar war und doch direkt vor ihnen, gut einen Kopf größer als sie, mit einer Stimme, die mal geisterhaft fern klang und dann wieder nah, tief, freundlich, fast sanft.
    Doch diesmal war da nur Stille vor ihr, und das Muster der dunklen Fließen dort, wo die Gestalt wieder verschwunden war, nachdem sie den Bannkreis um sie gelöst hatte.

    Es war ein Geschenk, hatte Feliciana gesagt, und sie hatte recht: Es war ein Geschenk, einen Einblick erhalten zu haben in die Beweggründe dieses Wesens. Beweggründe, die so anders waren als angenommen, die nichts von Gier oder Habsucht zeigten, keine niederen Beweggründe erkennen ließen, nichts bezweckten, außer den Wert des Vergessenen aufzuzeigen, ob schmerzhaft oder tröstlich.
      Wenn alles erfahren ist, alles verstanden ... dann bleibt nur noch das Vergessene, verborgen vor dem Suchenden.
      Der Preis, alles zu wissen. Die Gesamtheit dessen, was
      ist, zu kennen.

    Vergessen, wer man einst war. Wer man wurde.
    Welch Schicksal.
    Und doch, welch Geschenk das Wesen ihnen gemacht hatte. Sie hatten hinter die vermeintliche Wahrheit geschaut und eine ganz andere Wahrheit gefunden.

    Nachdenklich drehte Elinor das Vergissmeinnicht in der Hand, dass Feliciana ihr gegeben hatte und wandte sich der Treppe ins Erdgeschoss zu.
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