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Gedanken, Erinnerungen, lose Zettel: Aus einem Notizbuch
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Gedanken, Erinnerungen, lose Zettel: Aus einem Notizbuch
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 18 Aug 2016 16:41    Titel: Gedanken, Erinnerungen, lose Zettel: Aus einem Notizbuch
Antworten mit Zitat


        _________________________________
        Adoran, den 18. Ashatar 259

        Liebste Amari,

        es ist bereits viel zu lange her, dass wir uns sahen, und es wird wohl noch
        viel länger dauern, bis es ein Wiedersehen gibt. Sofern du mich nicht
        irgendwann hier besuchen kommst, in Lichtenthal. So beschwerlich ist die
        Überfahrt gar nicht, und wenn man nicht gerade die betrunkenste
        Bootscrew für die letzte kurze Überfahrt vom Segelschiff zum Hafen von
        Bajards - dem Fischerdörfchen, das das Tor nach Gerimor bildet - wählt,
        kommt man bestimmt sogar mit Gepäck an (dies ist eine eindringliche
        Warnung, damit es dir nicht ergeht, wie mir. Bis auf die Kleidung am Leibe
        und meinem Schreibzeug ging alles, was in meiner Reisetruhe war,
        unfreiwillig über Board.)

        Vielleicht ist die Kunde mittlerweile schon durch die geschwätzige Familie
        - grüß sie mir alle von Herzen! - durchgereicht worden. Das Handelshaus
        Tiefenbruch wird noch ein bisschen warten müssen, bis es hier auf
        Gerimor seinen Einfluss geltend machen kann. Unvorhergesehene
        Ereignisse, die zu glauben mir selbst noch schwerfallen, haben alle meine
        Pläne über den Haufen geworfen, doch ich will darauf vertrauen, dass die
        Herrin Temora sich ihren Teil dabei gedacht hat:
        Alles begann, vermute ich zumindest, oder sagen wir: ist mir der früheste
        Punkt, von dem ich meine, dass ich ihn zuordnen kann - alles begann mit
        einer lästigen Phase von Wetterfühligkeit, zumindest ging ich davon aus.
        Kopfschmerzen und Schwindel zum Vergehen, plötzlich verstehe ich,
        wovon Tante Theodora spricht, wenn sie jammernd hinter dem Thresen
        herstolpert! Jedenfalls war es am Ende wohl gar keine Wetterfühligkeit...
        sondern eher etwas, das man wohl Magiefühligkeit nennen könnte. Oder
        richtiger: Liedfühligkeit. Herrje!

        Hinweise darauf habe ich bis zum Tag, an dem eine kundige Person mir
        des Rätsels Lösung präsentierte, wohl allzu bereitwillig ignoriert. Dabei
        war das offensichtlichste aller seltsamen Ereignisse, die sich in den l
        letzten Wochen ereigneten, in der Rücksicht ziemlich einfach zu deuten.
        Ich saß in der Taverne Adorans, rechnete ein paar Bilanzen (ich hielt
        mich die ersten Tage hier über Wasser, indem ich gegen kleines Geld
        einigen lokalen Händlern die Buchhaltung gegenrechnete) - und plötzlich
        entflammte vor mir die Kerze, die eingangs nicht brannte. Beim ersten
        Mal hielt ich es für einen Irrtum meinerseits, beim zweiten Mal war ich -
        ich schiebe meinen geistigen Zustand auf die andauernden
        Kopfschmerzen! - so verwirrt und stand so neben mir, dass ich
        kurzerhand am Rathaus nach absonderlichen Vorkommnissen in Adoran
        fragen wollte, ich muss wohl in geistiger Umnachtung an Spuk und
        dunkles Zauberwerk gedacht haben! Ja, ja, spotte nur.

        In jedem Fall - und hier beginnen die eigentlichen Neuigkeiten! In jedem
        Fall bin ich nun unversehens eingeschriebene Studentin an der "Academia
        Arcana", und auch wenn ich die ersten Tage noch dachte, jemand muss
        sich einen bitteren Scherz mit mir erlauben oder sich gehörig irren, nein:
        Es scheint, als sei dies alles wahr, als sollte ich tatsächlich lernen, wie
        Magier im Lied wirken. (Natürlich ist mir völlig klar, dass ich wohl niemals
        ein so großes Talent dabei entwickeln werde, als dass ich dem Namen
        Tiefenbruch auf diese Art zu Ruhm und Ehre verhelfen würde.)

        Und Amari, ich kann es kaum in Worte fassen, will es aber versuchen,
        denn ich glaube, andernfalls zu platzen, wenn ich nicht loswerde, was mir
        gestern widerfuhr.
        In unserem ersten Unterricht trug man uns als Aufgabe auf, uns mit der
        Energie der Elemente zu befassen, die jedem Ding, jedem Gegenstand
        Eluives Schöpfung innewohnt. Ich stellte mich recht ungeschickt an, habe
        ich zu gestehen, und wollte schon verzweifeln und an den besagten
        Irrtum glauben. Doch mit der Hilfe zweier außerordentlich
        liebenswürdiger Magier - beide Mitglieder des vielgerühmten Konzils des
        Phönix, das eine sogar sein Leiter! - gelang es mir ganz unversehens. Du
        kannst es dir nicht vorstellen, selbst ich kann es kaum in angemessene
        Worte fassen um dir zu illustrieren, dass hinter der Welt, die wir kennen,
        wie wir sie sehen, noch viel mehr steckt, noch so viel mehr zu sehen ist!
        Noch ist es mir schwer, mich für längere Zeit darauf zu konzentrieren,
        und ich wage kaum, mir auszumalen, wie die Welt für einen
        ausgebildeten Magier aussehen muss, wenn er seine Konzentration auf
        die Sicht jenseits dessen lenkt, was unsere Augen täglich erblicken. Es ist
        atemberaubend, es verschlägt mir die Sprache, und seit es mir das erste
        Mal gelang, die Energien der Dinge zu sehen, möchte ich nichts weiter
        mehr tun, als den ganzen Tag durch das Herzogtum zu laufen und die
        Welt mit neuen Augen zu betrachten: Wiesen, Blumen, Bäume,
        Bauwerke, Werkzeuge, Flüsse, die Tautropfen am Morgen - es fühlt sich
        an wie zu der Zeit, als wir als kleine Kindern staunend durch die Welt um
        das Gut deiner Eltern herum eilten (und den Erwachsenen vor den Füßen
        herum), und nicht fassen konnten, wie viel es dort zu entdecken gibt.
        Amari, ich wünschte, du könntest es sehen, könntest dir nur im Ansatz
        vorstellen, wie wunderbar plötzlich ein Kaminfeuer erscheint, wo die
        ruhige, gesetzte Energie der Holzstämme - wohl der Erde, wenn ich die
        Theorie richtig anwende - übergeht in das lebhafte Zucken der Energie
        des Feuers.

        Dennoch gibt es viel zu lernen, viel zu lesen - ich kann mir nur schwer
        vorstellen, all das zu erwerbende Wissen in meinen Kopf zu bekommen.
        Doch es wird gehen müssen. Und bisher weiß ich nicht einmal, wie ich so
        eine Kerze, wie ich sie offenbar unbewusst bereits einmal nur mit der
        Kraft meiner Gedanken entzündete, verlöschen lassen oder eben
        anzünden soll.

        ich übersende dir die herzlichsten Grüße und all meine Liebe,
        Lieblingscousinchen!

        Elinor

        PS.: Du ahnst es nicht - ich sah vor wenigen Tagen Seine Majestät, den
        König, höchstselbst - zwar nur aus der Entfernung, bei den aktuellen
        Feierlichkeiten - aber ich sah ihn! Ist das zu fassen? Aber auf Gerimor
        ist das wohl normaler, als wir es uns in der Heimat denken...

        PPS.: Richte Vater aus, er kann beruhigt sein, der Name Tiefenbruch
        steht nun zumindest im Bürgerregister Adorans. Ich vergaß, es in
        meinem Brief an die Eltern zu erwähnen. Und er soll sich nicht grämen,
        hier gibt es so viele Händler, unsere Verluste, wenn es hier nicht so
        schnell zu einer Zweigstelle der Tiefenbruchs kommen sollte, halten sich
        in Grenzen. Aber das mit den Thyren soll er weiter im Blick behalten - ich
        lernte hier erstmals eine Vertreterin ihres Volkes kennen, und sie
        erscheinen mir äußerst fidel und guter Dinge! Sicher wären
        Handelsbeziehungen mit ihrem Volk nicht nur von wirtschaftlichem
        Gewinn.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 18 Nov 2020 22:39, insgesamt 8-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 15 Jan 2017 17:29    Titel:
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    (aus: Operation Nacht und Nebel)

    Die schier riesenhafte, gepanzerte Gestalt – oder vielleicht erschien ihr der alatarische Kämpfer nur auf Grund ihrer Erschöpfung so unmenschlich groß – stürzte voller finsterer Entschlossenheit auf sie zu, setzte zum Sprung an. Die Zeit schien von ihrem normalen Lauf abzuweichen, sich zäh auszudehnen, um ihr höhnisch die vermutlich letzten Atemzüge ihres Lebens nur allzu deutlich vor Augen zu führen.

    *


    „Immer will Elinor der Ritter sein, das ist gemein!“ Amari stampfte mit dem Fuß auf und verschränkte die Arme.
    „Dabei kann sie nicht mal kämpfen“, spottete ihr ältester Bruder Jorne – immerhin schon elf - mit Blick auf Elinor.
    Am Ende hatte es zumindest Jorne zum Werlentaler Soldaten gebracht. Elinor hingegen hatte ihren Kindheitstraum verschämt nach einem kurzen Intermezzo im Bruchsteiner Regiment aufgegeben. Man konnte es drehen und wenden wie sie wollte: Sie würde tatsächlich nie ein kämpferisches Talent werden, das ewige Stehen in Reih' und Glied ödete sie an, sofern ihr der Sinn dahinter nicht klar wurde, und so viel Mühe sie sich auch gab, sie blieb zu langsam, zu ungeschickt, hing beim allmorgentlichen Dauerlauf keuchend noch hinter den lahmsten der Truppen zurück und hatte nicht die Eindruck, je die Kraft für das schwere Kettenzeug aufzubringen.
    Ihre Talente mussten anderswo liegen, auch wenn sie bisher nicht wusste, wo.
    Immerhin einen wachen Verstand attestierte man ihr, und setzte sie alsbald in verschiedensten Bereichen des Handelshauses der Familie ein. Ein anständiges Leben, wie es sich für eine Tiefenbruch geziemte. Keine Zeit für kindliche Träumereien.

    *


    Immerhin starb sie nun auf eine Art und Weise, die dem wohlverdrängten Kindheitstraum ansatzweise näherkam, huschte es Elinor durch den Kopf, in dieser seltsamen, ins Ewige gedehnte Sekunde. Wer hätte je gedacht, dass sie doch noch so eine Art Talent hatte. Oder zumindest Befähigung. Talent war wohl zu viel gesagt. Wie seltsam, wenn man es bedachte. Niemand in der Familie Tiefenbruch hatte je etwas mit Liedwirkerei zu tun gehabt.

    Die erstaunlichen Wege, die ihr Leben plötzlich genommen hatte, hatten sie bereits zweimal in ernstliche Schlachten gebracht – eine ebenso erschreckende wie auch seltsam ermutigende Erfahrung, als sie in den Wellen der Angreifer bei Ered Luin stand und das Lied sich unter ihrem Geist und ihren Händen formte um sich dem Feind entgegenzuwerfen.
    Doch gegen Menschen zu kämpfen, das war etwas anderes. Streng genommen war es wohl genau das gewesen, das sie sich als Kind in schillerndsten Farben ausgemalt hatte – mit Schwert und strahlender Rüstung voran und all das. Doch als sie über dem Tor der Festung zu Schattenwinkel gestanden hatte und Magister van Daske sie fragte, ob sie Angst habe, da wurde ihr die Bedeutung dessen, was bevor stand, erst richtig klar.
    Angst war es nicht, das sie verspürt hatte. Aber tiefe, innere Anspannung. Sorge vor dem Unwägbaren. Davor, ob es zum Kampf kommen würde. Wie der Gegner vorgehen würde. Wie sie selbst reagieren würde – oder ob sie im letzten Moment feige das Weite suchen würde.

    Dann hatte es gewirkt, als würde es kampflos ausgehen. Der Rückzug – herrje, das Militär war nicht ganz so, wie es das in ihren Träumen gewesen war. Kommando Prinzessin? Kommando Salzfisch?! - ging unerwartet glatt von statten. Doch dann, fast waren sie unangetastet entkommen – war ihnen der Weg abgeschnitten. Feinde auf beiden Seiten.
    Das Krachen des konzentrierten Gewittersturms des Praeceptors geradewegs über dem Feind. Die Regimentler, die sich den Feinden entgegenwarfen, Lärm, Schreie, Waffenklirren.
    Sie fand sich so unversehens im Kampf dreier Alataris mit dem Praeceptor wieder, dass nicht einmal Zeit für einen klaren Gedanken blieb. Nicht einmal die flüchtige Sorge, das Lied könnte ihr im entscheidenen Moment den Dienst versagen, war noch von Relevanz. Im Vergleich zu dem, was der Praeceptor oder Magister van Daske zustande brachten, mussten ihre Zauber lächerlich erscheinen – doch sie reichten, um sich gegen einen der Angreifer in seinem unheilvoll düsteren Rüstwerk zu wehren, zumindest irgendwie. Zum ersten Mal dachte sie nicht über ihre Zauber nach, sondern handelte, ohne sich darum zu scheren, ob sie ein lächerliches Bild abgeben mochte oder nicht. Doch als sie spürte, wie ihr Geist ihr erschöpft den Gehorsam versagen wollte, stand der finstere Hüne immer noch, und setzte zu neuerlichem Angriff an, dem sie kaum mehr als stolpernd auszuweichen versuchen konnte. Ein Baum unerwartet in ihrem Rücken versperrte ihr die Flucht.

    Alles was noch an Energie in ihr steckte, alles wandte sie auf, zerrte sich die nächstbesten Stränge von Elementarenergie aus der Umgebung heran, ohne Rücksicht auf den dumpfen, übermächtigen Schmerz in ihrem Kopf, der sie schier benommen machte. Dann schleuderte sie dem Gerüsteten den halbgaren Zauber, gebündelt aus aller ihr verbleibender Energie, entgegen, als er ihr im Sprung entgegenstürzte. Es krachte, als alles zugleich traf – der Zauber den Gepanzerten, der von der Wucht des Zaubers kurzzeitig bewusstlose Gepanzerte sie, sie und er mit vollem Gewicht den Baum.
    Die Zeit nahm ihr gewohntes Tempo wieder auf. Der Praeceptor stand plötzlich neben ihr und zerrte mit der Hilfe der Regimentler den Körper des Alataris von ihr. Der Kampflärm war verklungen, der Abendwind rauschte sanft in den Bäumen.

    *


    Die abendlichen Straßen Adorans erschienen still und freundlich, als sie vom Lehrhospital aus gemächlich nach Hause wanderte, den linken Arm in einer Schlinge, der dumpfe Kopfschmerz ein stetiger Begleiter, doch die Laune seltsam gehoben.
    So furchtbar unterschiedlich sei ihre neue Bestimmung ja auch nicht von den Aufgabenfeldern eines Ritters, hatte Keylon Salberg bei ihrer Wacht in einem der Wehrtürme der Festung festgestellt.
    Auch wenn sie sich bei genauerer Betrachtung nicht so sicher war, was genau es war, von dem sie geträumt hatte. Ruhm und Ehre, wie im schönsten Heldenepos? Der Kampf gegen die Feinde Alumenas'?
    Eigentlich war es egal. Sie hatte in einem Zweikampf gegen einen Kämpfer Alatars bestanden, zwar nicht gerade gewonnen, aber doch bestanden. Sie hatte etwas gefunden, in dem sie womöglich ein winziges bisschen Nutzen bringen konnte. Etwas, das ihrem Leben den Anschein von mehr Bedeutung verlieh, als es das tägliche Rechnen von Bilanzen, das Aufstellen von Listen, das Organisieren eines Handelshauses taten.
    Das waren die Kopfschmerzen und der sich langsam blau färbende, schmerzhaft pochende Arm in der Schlinge allemal wert.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 18 Nov 2020 23:06, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 15 Jan 2017 17:29    Titel:
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    (aus: Geschriebene Schätze aus vergangener Zeit)

    Sie hatte schlecht geschlafen, gehörig schlecht geschlafen, schon in der Nacht auf den Abend, an dem sie – zu ihrem großen Vergnügen – abermals das Regiment bei der Prüfung eines Rekruten hatte unterstützen dürfen.
    Seit jener Unternehmung in Varuna war ihr das Schicksal jener Stadt, von der nichts geblieben war, als unheilvolle Ruinen, nicht aus dem Kopf gegangen. Es fiel ihr erschreckend leicht, sich die bröckelnden Mauern, die verbrannten Baumstümpfe, die eingestürzten Dächer und zerstörten Straßenzüge wieder ins Gedächtnis zu rufen. Kaum vorstellbar, dass es sich um eine Stadt gehandelt hatte, wie Adoran es heute war. Und doch war es plötzlich viel zu einfach, um eine Ecke Adorans zu biegen und sekundenlang lebhaft vor Augen zu haben, wie es dahinter aussehen mochte, würde die Stadt von einem vergleichbaren Schicksal ereilt werden.
    An die Träume der letzten Nacht hatte sie sich nicht erinnern können – doch schon am Morgen fühlte sie sich ungewohnt erschöpft. Vielleicht eine der Erkältungen, die umging, oder sie hatte schlicht zu lange über den Büchern gesessen. Nichts was ein Spaziergang an der frischen Luft und einige Tassen starker Tee nicht beheben konnten.

    Zu wenig Schlaf, und der unabsichtliche Hieb einer jener Helfer, die bei Rekrut Hasenpfotes Prüfung die Räuber im Hinterhalt gemiemt hatten, das war auch Elinors präferierte Erklärung für die Momente in jenem Gang im Keller des Regiments, in dem es ihr sekundenlang erschienen war, als befände sie sich ganz woanders, ohne dass es ihr unbekannt oder fremd erschienen wäre. Der starke Duft eines Parfüms drang ihr in die Nase, schien ihr – so selbstverständlich, wie es nur in Träumen war – vertraut genug um jene Person gleich zu erkennen, die ihr mit der kalten Klinge an ihrer Kehle nach dem Leben trachtete. Mariella...
    Und dann war es so schnell vorbei, wie es gekommen war, hinterließ Verlegenheit und Verwirrung, die schwer beiseite zu schieben waren.

    Mit gekrauster Stirn saß Elinor am Kamin im Gemeinschaftsraum des Konzils und beobachtete das Spiel der Flammen, lauschte dem leisen Knistern und Knacken des Holzes.
    Dann waren da ja noch jene Bilder, die sie vor sich gesehen hatte, als wären es ihre eigenen Erinnerungen, dort in Varuna. Die Schüler der Magie in ihren hellen Roben beim Unterricht. Und der Name, der ihr so selbstverständlich in den Sinn gekommen war, als wäre es ein alter Bekannter.
    Entschlossen griff sie zu ihrem Notizbuch, notierte akribisch alles, an das sie sich erinnerte, und unterstrich die beiden darin vorkommenden Namen doppelt. Verwirrung und ungewöhnlichen Ereignissen begegnete man am besten, in dem man Licht ins Dunkle brachte. Und die beiden Namen waren die besten Punkte, um damit zu beginnen.
    Elinor erhob sich, griff nach ihrem Notizbuch, und verließ den Gemeinschaftsraum in Richtung Bibliothek.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 15 Jan 2017 17:34, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 15 Jan 2017 17:40    Titel:
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        Adoran, den 15. Hartung 260

        Liebste Amari,

        vergib mir!
        Ich kann nicht begreifen, wieviel Zeit ins Land zog seit meinem letzten
        Brief an dich. Wann immer ich daran dachte, dir zu schreiben (und ich
        versichere dir, ich denke oft daran, denn mir fehlen unsere Gespräche,
        das Gelächter, wenn wir die unerfreulichen Ereignisse der Woche solange
        durch den Kakao ziehen bis sie erträglich sind und die Freunde, die
        schönen Ereignisse zu teilen), schien nichts schreibenswertes geschehen
        – und plötzlich nun stelle ich betroffen fest, wie viel ich dir noch schreiben
        müsste, damit du auf neustem Stand bist.

        Wenn ich mich nicht irre, ist dein letzter Stand allen Ernstes noch vom
        Sommer, als ich kaum die Ausbildung an der Academia Arcana – oder
        formell besser: Neu-Tirell, denn Novize Tirells ist hier jeder, ehe er sich
        tatsächlich einer Akademie anschliesst – begonnen habe. Es war schier
        unvorstellbar, dass es tatsächlich soweit kommen könnte, dass ich mich
        eines Tages im Lied zurechtfinde, doch es ist geschehen. Natürlich gibt es
        noch unendlich viel zu lernen, zu üben, zu lesen – doch langsam beginne
        ich zu wissen, was ich da tue. Nach bestandener erster Prüfung (Ich habe
        Blut und Wasser geschwitzt!) nahm man mich am Konzil des Phönix auf,
        jener Akademie, die dem Herzogtum Lichtenthal angeschlossen ist. Mit
        immerhin drei weiteren Jahrgangskommilitonen aus Neu-Tirell begannen
        wir nun unsere weiterführenden Studien. Leider verläuft sich alles ein
        wenig, und manchen Tages verbringe ich den Abend, wenn die Stadt still
        ist, allein im Konzil am Kamin und versuche, so viel Wissen in meinem
        Kopf unterzubringen wie möglich.
        Ich trage nun den klangvollen Titel „Candidata“ (der aber, streng
        genommen, ja nicht viel aussagt, schließlich bin ich auch weiterhin
        Schülerin, und es bleibt dabei: Es ist noch unendlich viel zu lernen) und
        das Silber des Konzils.

        Wie du dem Absender gewiss schon entnommen hast, bin ich nun
        vollends in Adoran untergekommen. Zu Beginn hatte ich Sorge, mich je
        in dieser großen Stadt heimisch zu fühlen, doch es gelang viel schneller,
        als gedacht. Neben den Studien am Konzil arbeite ich nun auch für den
        Praeceptor – namentlich den Freiherren Arenvir von Kronwalden. Du
        wirst natürlich als erstes kommentieren, dass das zu schick klingt, um gut
        zu sein. Es ist aber eine spannende Aufgabe, bei der man herumkommt,
        und nie droht, sich zu langweilen, und der Freiherr, der zugleich Leiter des
        Konzils des Phönix ist, ist jemand, von dem man ungemein viel lernen kann,
        nicht nur über die Magie – sondern über Land und Leute, die Geschichte
        Lichtenthals, und manche Dinge, die sich hier auch im fortwährenden
        Konflikt mit dem Alatarischen Reich abgespielt haben. Wenn ich einmal zu
        Besuch bin, erinnere mich daran, dir von Varuna zu erzählen. All die
        Geschichten, die man bis zum Festland darüber hört, verblassen, wenn
        man vor jenen Ruinen steht, wo nichts vom früheren Glanz geblieben ist
        als die verbrannten Fassaden zerstörter Häuser, kahles Gestrüpp und
        lebende Tote.

        Und dann muss ich dir vielleicht, hoffentlich, auch erzählen von
        jemandem, den ich unlängst hier kennenlernte. Oder vielleicht im
        nächsten Brief.

        Für den Moment sei mir von Herzen gegrüßt!

        Deine

        Elinor


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 15 Jan 2017 17:42, insgesamt 3-mal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 16 Jan 2017 22:25    Titel:
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    ___________________________________________________________


    Leises Knirschen von Schritten im Schnee. Schneidende Kälte, die durch Kleidung und Stoff kriecht und den scheinbar sanften Wind Lügen straft, der hier und dort glitzerndes Weiß aus dem Geäst des Waldrandes rieseln lässt.
    Eine Hand, die nach einer anderen tastet.
    Spuren im Schnee, die sich, Schritt für Schritt, vorsichtig annähern.

    ___________________________________________________________


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 16 Jan 2017 22:26, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 21 Jan 2017 11:05    Titel:
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    (aus: Geschriebene Schätze aus vergangener Zeit)

    Varuna, und immer wieder Varuna.
    Der Schatten jener lang vergangenen Stadt kroch Tag für Tag an den unerwartetsten Ecken in ihren Blick. Mal, wenn sie wie gestern zufällig entlang der finsteren Ruinen vorbeikam, die sich unheilvoll vor dem Horizont abhoben. Mal, wenn sie in der Bibliothek saß und ganz andere Literatur suchte, und plötzlich hier ein Zeitzeugenbericht zu Kryndlagor, dort eine Schrift aus der Zeit Varunas auftauchten, und ihr die Existenz der Stadt, die so fatal gefallen war, ins Gedächtnis rief. Als wäre Varuna selbst wieder auferstanden, um fortan als einer der lebenden Toten in ihr selbst weiter zu existieren, tot und doch unauslöschlich.
    Oder vielleicht es war nur der Abend in der Stadtstube gewesen, an dem Baron von Gipfelsturm von seinen Erlebnissen berichtet hatte, als Kryndlagors Schatten sich über Varuna legte, und die Dinge ihren Lauf nahmen?

    Immer öfter, immer intensiver schlich sich Varuna in ihre Träume. Waren es zu Beginn nur Fragmente gewesen, einzelnen Traumfetzen, so schien es ihr beim Aufwachen nun so, als durchleben sie Nacht für Nacht das Entsetzen, das Kryndlagor der Stadt und ihren Bewohnern gebracht hatte aus einer verschommenen Menge unzählbarer Perspektiven, Mal um Mal. Die Szenen, teils vage und verschwommen, dann wieder so scharf, als handele es sich um schmerzhafte Erinnerungen, vermischten sich mit den Bildern der Ruinen, wie sie heute wie eine stumme Drohung im Zentrum Gerimors aufragten; mit der Geschichte des Barons, mit jenem ersten Traum aus der Sicht Demoar Llastobhars, von dem sie nie sicher war, ob sie ihn abermals träumte, oder sich lediglich im Traum daran erinnerte. Die Klinge an ihrer Kehle fühlte sich immer noch erschreckend real an.
    Varuna.

    Varuna.
    Die seltsame Mischung aus dem Unbehagen, dem Schatten vergangener Schrecken, die sich wieder ihren Weg in die Köpfe zu suchen schienen, und der nicht zu leugnenden Wissbegierde zum Thema trieb sie zusehends um. Immer wieder ertappte sie sich dabei, nach weiteren alten Schriften und Berichten zu suchen – und dem zweiten Tag der nächsten Woche entgegen zu sehen, an dem Diakon Antorius diese seltsame Gebetsrolle, die zunächst so selbstverständlich als Gabe der Herrin gesehen worden war, zur Untersuchung ins Konzil des Phönix bringen wollte. Sie brannte darauf, mehr darüber zu erfahren, zum Ursprung der Gebetsrolle, zu ihrem Wirken, zu ihrem Zusammenhang mit Varuna, jener Stadt, die ihr mittlerweile fast vertraut erschien, obwohl sie niemals auch nur einen Fuß hineingesetzt hatte, als sie noch existierte.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 22 Jan 2017 13:15    Titel:
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    Das Chaos brandete und wogte wie ein Meer in irrwitzigem Sturm, danach trachtend, jeden in die Tiefe zu zerren, der sich keinen sicheren Halt gesucht hatte.
    Die Stimmen im Königlich Lichtenthaler Lehrhospital gingen durcheinander, übereinander, mal leiser, mal lauter, mal durchdringend kreischend, aber niemals koordiniert oder effizient. Die wohlmeinenden, aber überforderten Hospitalmitarbeiter, die sich, statt sich zuzuarbeiten, von anderen Mitarbeitern mit eigenen favorisierten Vorgehensweisen überrumpelt wurden, Gäste, die im stetigen Strom während all des Trubels ein- und ausgingen, mal verwundert zusahen, mal sich empörten, der Wahnsinn der Schizophrenen, der in seiner Unberechenbarkeit an den Nerven zerrte.
    Elinor schloss die Augen und atmete durch, im verzweifelten Versuch, das Durcheinander, das ihre Ohren klingeln ließ, einen Moment auszublenden. Neben ihr drehte der Praeceptor ergeben die Augen zu Decke, während Rekrut Hasenpfote stoisch die ausfallenden Worte der Edlen van Rosenstein überging.

    Die Stimme des Praeceptors, die endlich, endlich über den Irrsinn des Abends donnerte und sekundenlang Stille in das Tollhaus brachte, nahm sich wie die Erlösung aus. Abermals atmete Elinor durch. Endlich klare Anweisungen, effizientes Vorgehen, die Aussicht darauf, das Chaos in geordnete Bahnen zu lenken.
    Mit der Konzentration auf das, was nun zu tun war, kehrte die aufmerksame Stille in ihren Geist zurück. Einzig auf dem Praeceptor lag ihre Aufmerksamkeit, auf der Schizophrenen, die an die Liege zwischen ihnen fixiert war – und, ohne dass sie sich bewusst auf ihn konzentrieren musste, auf Gerwald, dessen wachsame Präsenz am Rande ihres Blickfeldes ihr wie ein verlässlicher Punkt von Wärme und Erleichterung erschien.
    Als das Chaos unvermittelt wieder lostoste, kaum, dass der Praeceptor das Werk vollbracht hatte, war es Gerwalds Anwesenheit, die sie davor bewahrte, Teil des Wahnsinns zu werden, einfach verschluckt zu werden vom neuerlich aufbrandenden, irrsinnigen Meer, in dem selbst der Praeceptor den Überblick zu verlieren schien.

    Noch vor Gerwald schlüpfte sie aus dem Hospital, die Stimmen und den Trubel des Hospitals, nun gedämpft hinter der sich schließenden Tür, noch in den Ohren.
    Endlich die eisige Winterluft, die Stille der einsetzenden Nacht auf dem Weg durch sanftes Schneetreiben, fort vom Hospital, fort aus Adoran.
    Und dann nichts weiter als das leise Knistern des Kaminfeuers, dessen sanfter Schein Gerwalds Profil unstet erhellte, als sie, seitlich an ihn gelehnt, zu ihm heraufsah; und die gedämpften Laute des nächtlichen Berchgards vor den Fenstern. Gerwalds Brust hob und und senkte sich gleichmäßig.
    Elinor schloss die Augen und atmete auf, als die letzten Ausläufer des chaotischen Tages verblassten.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 22 Jan 2017 13:16, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 24 Jan 2017 22:21    Titel:
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    (aus: Geschriebene Schätze aus vergangener Zeit)

    ___________________________________________________________


    Ein riesenhafter Schatten, der den Himmel verdunkelt, Straßenzug für Straßenzug das Licht auslöscht, bis er alles verschlingt, was unter ihm liegt.
    Die Schreie der Menschen, die sich mischen mit dem alleserfüllenden Rauschen, Fauchen, Knistern, Zehren der Flammen, die in der Ferne Fenster und Wände und Dächer und Türme bersten lässt.
    Aufsteigendes Entsetzen, das den Atem nimmt.
    Panik, die den Herzschlag rasen lässt.
    Grauen, das die Stimme raubt.
    Und dann die Flammen, das Feuer, das Inferno, das durch die Straße herantost. Die Gestalt ihres Liebsten, keine drei Schritt von ihr entfernt. Namenloses Entsetzen auf seinen vertrauten Zügen. Lodernder Tod, der ihn umhüllt, als sein letzter Blick, der ihr gelten soll, sie nicht mehr erreicht. Dann rasendes, brüllendes, tobendes Feuer, Feuer, Feuer, in ihren Augen, in ihren Lungen, in ihrem Innersten.


    ___________________________________________________________


    All die bisherigen Träume, die Szenen, in denen sie das Entsetzen, die Hoffnungslosigkeit, die vernichtende Panik miterlebt hatte, waren vergangen beim Aufwachen. Hatten Fetzen düsterer Erinnung hinterlassen, doch nichts, was nicht über den ersten Tee am Morgen, den vertrauen Geruch nach Kaminfeuer und Pergament im Konzil vergangen war.
    Doch dieser war es, der ihr den Tag über nachhing, noch nachdem sie mit unerwarteten Tränen in den Augen aus dem Schlafzimmer in die Küche gewankt war. Der als finsterer Schatten hinter ihr herzukriechen schien, um ihr an jeder Ecke abermals gegenüber zu stehen. Verstohlen sah sie jedem Hauch von rot-gold in den Straßen nach, in der Hoffnung, die so vertraute und tröstliche Gestalt dessen zu sehen, der maßgeblicher Grund war, warum ihr die Träume nie so zugesetzt hatten, wie sie es vielleicht andernfalls getan hätten.
    Doch gerade an diesem Tag kreuzten sich ihre Wege nicht, und zum ersten Mal hielt sie das Entsetzen dieses letzten Traums lange nach dem Aufwachen umfangen – und blieb ihr erhalten, selbst, als sie aus Varuna zurückgekehrt waren, ein zweites Mal.

    Abermals saß sie in der Küche, die Hände um eine Tasse Tee gelegt, den Erinnerungen nachhängend, die nicht die eigenen waren – und doch eingebrannt waren in ihren Geist, auch, nachdem der Spuk vorbei war. Eingebrannt wie die Asche jener, die in Varuna innerhalb von niemals endenden Bruchteilen von Sekunden vom Feuer Kryndlagors schier verdampft worden waren, und von denen nichts als ein wenig Asche an den Hauswänden geblieben war, die der Verfall langsam dahinraffte.




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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 21 Feb 2017 22:02    Titel:
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    Und plötzlich stand da dieses Ungetüm im Flur vor ihrer Tür, als sie vom Konzil heimkehrte.
    Vor ihrer Tür – und zwar so konsequent davor, dass nicht einmal mehr der Türrahmen zu sehen war. Ein schlechter Scherz der Vermieter, oder eine Nebenwirkung eines Ein- oder Auszugs eines Nachbarn, anders war das ganze nicht zu erklären.
    Elinor schnaufte unzufrieden, konzentrierte sich aufs Lied, um das Ungetüm von Schrank zu versetzen – und scheiterte kläglich. Sie verengte die Augen und untersuchte das Möbel genauer. Das unverkennbare, unheilvolle Gefühl von Hexenstahl.
    Was bei allen Göttern hatte Hexenstahl in einem Schrank vor ihrer Wohnungstür zu suchen?
    Ein undamenhaftes Fluchen entkam ihr, als sie sich gegen den Schrank stemmte. Ein leidendes Knarzen von Holz erklang.
    „Das ist doch nun nicht wahr!“ Suchend ging ihr Blick umher, in der Hoffnung, irgendjemanden zu finden, den sie für die Misere verantwortlich machen könnte. Dann stapfte sie herab in den Schankraum – und kehrte nach einen kurzen Gespräch mit der Wirtin mit schmalen Lippen zurück. Alsted. Wer sonst!
    Entschlossen rempelte sie ein weiteres Mal gegen den Schrank. Holz ächzte, die Bodendielen knirschen. Das Ungetüm bewegte sich nicht. Elinor rollte den Blick zur Decke und atmete tief durch. Schön. Dann eben anders.

    Die Manipulation körperlicher Attribute mittels Mentalmagie, so hatten sie schon im Grundkurs in Tirell gelernt, brachte nach ihrem Abebben notwendigerweise Konsequenzen mit sich, es wäre sonst ja auch zu schön um wahr zu sein. Und morgen, davon ging Elinor aus, würde sie den Muskelkater ihres Lebens, oder alternativ eine Zerrung, davon getragen haben. Aber für den Moment wollte sie diesen elenden Schrank beiseite haben um zumindest einen Blick in ihn werfen zu können.
    Mit neuer Kraft, die nicht ihre eigene war, stemmte sie sich mit dem Rücken gegen den Schrank. Momentelang gab dieser bedrohliche Geräusche von sich – dann gab er nach.

    Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis Elinor das Monstrum aus Holz und Hexenstahl – und seinem noch unbekannten Inhalt – mehr schlecht als recht in den Eingangsbereich ihrer Wohnung gezerrt, gestoßen und geschoben hatte. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, als sie sich schweratmend von innen gegen die Tür lehnte und das Objekt des Ärgers misstrauisch betrachtete.
    Die Schranktüren waren verschlossen. Aber zumindest Schlösser waren etwas, dessen sie dieser Tage leichter Herrin wurde als früher.
    Entschlossen angelte sie nach ihren Dietrichen. Gleich würde sich zeigen, was Alsted sich hatte einfallen lassen. Ihr erster Gedanke war ein Fass Pferdemist – aber dafür der Griesgram dankenswerterweise zu gewitzt. Andererseits... wer weiß, was er stattdessen ersonnen hatte.
    Als das Schloss endlich mit leisem Knacken nachgab, griff sie vorsichtig nach der Schranktür.
    Und staunte nicht schlecht.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 17 Mai 2017 16:57    Titel:
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    Sonnenstrahlen, die das friedliche Stilleben in der zusammengewürfelten Mietswohnung benetzen und den Staub in der Luft schimmern lassen. Wo die Bücherstapel einige Woche in Frieden schlummern konnten stapeln sich nun neue Artgenossen, sammeln sich abermals erste Notizen.
    Die Besitzerin zu geschäftig, um bereits groß zum Auspacken ihres Reisegepäcks gekommen zu sein, findet sich mitten im Eingangsbereich ein weiterer friedlicher Stapel von Gegenständen: Ein Reisesack, ordentlich gesäuberte Winterstiefel – und ein Bündel knorriger, dicker, langer Äste, mit Lederriemen zusammengehaltet, geradewegs aus der Heimat, könnte man meinen. Nicht viel wert, würde ein Holzschnitzer kommentieren, aber solide. In jedem Fall aber interessant anzusehen und vielleicht von sentimentalem Wert. Letzteres könnte auch erklären, warum einige gerade dieser alten Äste offenbar das Opfer zahlreicher Schnitzversuche wurden: einige davon reichlich krude bearbeitet, einige schon etwas definierter. Keiner ein Meisterwerk, aber alle grob erkennbar: die Grundform von etwas, das vage an jene Stäbe erinnert, die Magier mit sich umherzutragen pflegen.
    Zum Glück scheint noch genug Übungsmaterial vorhanden.

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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 01 Jun 2017 19:51    Titel:
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    Ein loses Blatt Pergament in der Abendsonne auf dem Schreibtisch.
    In teils vagen Bleistiftstrichen diverse Entwürfe von etwas, das anstrebt, ein Magierstab zu werden. Verschiedenste Ausführungen, von etwas, das noch weite Teile eines knorrigen Astes aufweist bis hin zu einem akkurat geraden Stab, der so penibel und starr gezeichnet wurde, als handele es sich um den Inbegriff aller Magierstäbe. Allen Zeichnungen scheint aber eines gemeinsam: Das Hauptmaterial scheint Holz, zumindest ist in allen Zeichnungen eine feine Maserung angedeutet. Insgesamt ist jedes der potentiellen Machwerke eher schlicht, keines jedoch lieblos. Gemein haben sie ebenfalls, dass an ihrem oberen Ende jeweils – in den Zeichnungen nur grob schattierte und schwer zu identifizierende – mindestens ein Edelstein verarbeitet wurde. Hier und da werden auch kleine, gezeichnete Phönixe angedeutet.


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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 08 Jun 2017 20:12    Titel:
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    (aus: Im Namen der Faust)

    Unheilvoll rollte der Donner über das Meer und durch die Wolken, die sich zu schwarzgrauen Ungetümen aufgetürmt hatten und die Schemen der beiden Schiffe verbarg, die sie stur angepeilt hielten. Unten peitschte der Sturm die See in die Höhe und ließ sie weißschäumend brodeln, sich auftürmen und wieder in sich zusammenstürzen.
    Das Fliegen hatte sie, mit nunmehr monatelanger Übung, mittlerweile gut gemeistert, doch in ein augewachsenes Unwetter zu fliegen, das war auch in der Gestalt eines Raubvogels etwas anderes. Stur, mit höchster Konzentration, folgte Elinor dem Kurs, den der Praeceptor vorgab, geradewegs in Richtung der zuckenden Blitze, geradewegs in Richtung der beiden Schiffe – eines Viermasters und einer Dreimastbark in ihrem Kielwasser.

    Sie kämpften sich zu dritt durch die Böen, drohten immer wieder, wie wehrloses Treibgut der Lüfte vom Sturm hin und her gewirbelt zu werden und vermochten es doch stets wieder, sich die Flugfähigkeiten der Schleiereulen zu eigen zu machen, in deren Gestalt sie ihren Aufklärungsflug unternommen hatten. Dann übermittelte der Praeceptor den Befehl zum Angriff. Er selbst peilte den Viermaster an, während Elinor und Merrik die Bark übernehmen sollte, die sich mühsam durch das Wetter kämpfte.
    Ein tiefer Atemzug.
    Elinor fixierte das Schiff mit dem Blick, betrachtete die Masten, die Tagelage, die Taue und Leinen, die die Masten und Rahen hielten und steuerten.
    Aus Richtung des Viermasters ertönte ein Donnerschlag eines Ausmaßes, das ihr schier das Gehör zu rauben schien, sich mit dem kreischenden Wind mischte und schließlich im Gebrüll der Besatzung des getroffenen Schiffes verklang.
    Elinor tastete mit dem Geist nach den Umgebungsenergien, zupfte erst vorsichtig, zog dann entschlossener die schiere Energie des Sturmes um sie herum zusammen, bündelete sie zu einem konzentrierten Manifest elementarer Energie – und peilte den Fockmast der Bark an. Einen Paukenschlag wie jenen des Praeceptors würde sie kaum zu Stande bringen, aber im Sturm mochte auch ein kleineres Übel dem ohnedies gebeutelten Schiff nennenswerten Schaden anrichten.
    Es krachte. Es krachte in der Tat abermals so laut, dass Elinor ein Pfeifen in den Ohren zu vernehmen meinte. Taue rissen, Holz barst, Splitter wurden vom Sturm fortgerissen, loses Tauwerk wurde schlaff vom Sturm hierher und dorther gepeitscht. Erst langsam, dann immer rascher neigten sich die Teile des gespaltenen Fockmasts unter den entsetzten Rufen der Schiffsbesatzung zur Seite. Der Dreimaster neigte sich gefährlich zur Seite über, die tosenden Wellen leckten gierig an der Bordwand.
    Ein weiteres ohrenbetäubendes Splittern durchstach den Sturm, als der obere Teil des gespaltenen Masts schließlich nachgab und über Bord ging.

    Ein erster Moment des Erstaunens wich einem Anflug von Triumph.
    Der Anflug von Triumph wich dem Entsetzen, als ihr Blick auf jene Gestalten fiel, die der verlorene Fockmast mit sich in die Tiefe riss – Matrosen, die vermutlich aufgeentert waren, um die Segel im Sturm weiter zu reffen oder anderweitige notfallartige Arbeiten auszurichten. Opfer eines Angriffes, den sie nicht hatten erahnen können. Menschen wie jeder andere, die noch kurz in der brüllenden See strampelten, verzweifelt Halt an Trümmerteilen suchten, und dann doch vom zornigen Nass verschluckt wurden.

    Nur am Rande ihres Bewusstseins nahm sie die fremden Eingriffe ins Lied wahr, irgendwo dort unten. Der Praeceptor gab das Signal zum Abdrehen.
    Rapide änderte Elinor ihren Flugkurs, zurück gen Heimat. Ein letztes Mal wandte sie den Kopf, beobachtete die fieberhafte Aktivität an Bord des Dreimasters, der mühsam wieder sein Gleichgewicht gefunden hatte, zumindest für den Moment. Nichts war vom sekundenlangen Gefühl des Triumphes geblieben als das bittere Wissen um die Kehrseite ihrer unerwarteten Effektivität.
    Bereits deutlich querab des Schiffes ging unter strudelndem Wasser auch der letzte Segelfetzen des verlorenen Fockmasts unter, wie eine letzte Mahnung, eine Erinnerung an die Ertrunkenen, denen er letztes Ehrenzeichen war.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 08 Jun 2017 20:17, insgesamt einmal bearbeitet
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 22 Nov 2017 21:18    Titel:
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    (aus: Das grinsende Gesicht - Reich, Recht und Unwägbarkeiten)

    Die Stimmen Oberst von Gipfelsturms und des Praeceptors verschwammen mit dem Knistern des Feuers und den Stimmen und Geräuschen des alltäglichen Regimentslebens, als Elinor sich mit halb geschlossenen Augen auf die Aufgabe vor ihr konzentrierte.
    Der kleine Brilliant in ihrer Handfläche schimmerte ahnungslos im warm flackernden Licht des Kamins. Liebevoll an der Robe aufpoliert, bis er wieder glänzte, war er zwar immer noch wenig eindrucksvoll, aber perfekt für das Unterfangen geeignet.
    Behutsam machte sie sich daran, den kleinen Brillianten mit einem geistigen Band zu umweben, bis er fest mit ihrem eigenen Geist verknüpft war. Das letzte Ende des geistigen Bandes drang wie ein heller Funke geradewegs in den Brillianten ein – ein kleiner Funken „Elinor“, winzig, aber selbstbewusst. Dem Auge unsichtbar, aber ihr selbst fürderhin ein Leuchtfeuer im Lied, das ihr den Weg weisen sollte.

    Als der magische Teil des Unterfangens abgeschlossen war atmete sie durch, nahm einen raschen Schluck Tee und stellte fest, dass das Gespräch der beiden Adeligen noch im vollen Gange war.
    Zufrieden angelte sie den Beutel, den Oberst von Gipfelsturm bereitgestellt hatte. Sorgfältig fuhr sie mit der Hand die robusten Nähte entlang. Solide genug, um einen winzigen Brillianten zu verbergen...
    Vorsichtig drückte sie mit den Fingern einen der Zwischenräume zwischen zwei Nähstichen auf, um den beseelten Brillianten geradezu liebevoll in seine neue Heimat zu schieben. Ein wenig Druck hier, ein wenig Druck dort – endlich saß er so, dass er dem Augen unsichtbar war, und hoffentlich nur gefunden werden konnte, wenn man die Naht eigens abtastete. Ein kleiner Tropfen Leim, in die fragliche Nahtstelle gegeben, fixierte das Werk – diesen vermeintlich so schnöden Beutel, der gewiss schon ein paarmal in Gebrauch gewesen war.
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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 19 Dez 2017 18:16    Titel:
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    (aus: Verfluchte Zeit!)


    ___________________________________________________________

    Aus dem durchdringenden Knistern im Stein wird Knirschen wird Bersten wird Krachen. Die Konzilsbrücke, wie von unsichtbarer Hand zermalmt, schlägt aufreizend langsam in wuchtigen Einzelteilen und kleineren Brocken in den eisigen Fluss, der die Konzilsinsel umfriedet. Das Wasser kocht und schäumt und brodelt, bis es entgültig verschluckt hat, was einmal Tor zum Konzil des Phönix war.

    ___________________________________________________________


    Das Konzil ist mehr als ein Gebäude.“
    Den Mut zu bewahren fiel Elinor stets leichter, wenn es darum ging, anderen Mut zuzusprechen. Jetzt aber, da Ruhe eingekehrt war und sich die Staubwolke über dem Konzil – dem, was vom freundlichen, hellen Konzilsgebäude übrig geblieben war – gelegt hatte, stand sie allein am Fluss. Der klägliche Rest der Brücke ragte wie der Stumpf einer abgetrennten Hand trostlos in die kalte Winterluft.
    Und jetzt, wo sie alleine dort stand und niemand akut des Mutes bedurfte außer ihr selbst, da entglitt er ihr.

    Temporalmagie.
    Allein schon das Wort schien sich zu winden wie ein unsteter Fisch, den man nicht recht erhaschen konnte. Die Theorie des Praeceptors dazu war allerdings interessant gewesen, wenngleich gewiss noch diverse Fragen offen geblieben waren.
    Aber im Grunde war das für den Moment auch völlig irrelevant:
    Mit der Zeit hatte sich gestern niemand in der Praxis auseinandergesetzt, jedenfalls nicht im Konzil. Es war eine Art praktischer Vorversuch gewesen, gewissermaßen eine Erprobung der Voraussetzung, aber kein sonstwie geartetes Experimentieren mit der Zeit. Ob derlei überhaupt tatsächlich möglich war, daran glaubte Elinor ohnedies noch nicht so recht, dafür erschien ihr die Theorie noch zu vage, egal wie solide die Grundlagen waren.
    So oder so: Sie hatte vor allem das unerschütterliche Vertrauen darin, dass der Praeceptor niemals etwas Unüberlegtes tun würde, noch seine Fähigkeiten überschätzen. Dies Vertrauen war noch nie enttäuscht worden, und daher war es ihr fast wie eine notwendige Konsequenz erschienen, dass nicht etwa das Ritual derart fatal schiefgegangen war – sondern irgendetwas ganz anderes Ursache war für den erschütternden Ausgang des Abends, für das Konzil in Trümmern, und für den Praeceptor, der für einen Moment wie ein gebrochener Mann gewirkt hatte, als er vor den Überresten des Konzils gehockt hatte. Doch sein Kampfgeist war wieder aufgeflackert, als er mit ungewohnt altersbrüchiger Stimme ausgesprochen hatte, was nur er mitbekommen hatte. „Wir wurden angegriffen.“

    Ihre Stirn krauste sich düster.
    Angegriffen.
    Das Konzil des Phönix in seiner Gesamtheit.
    Mitten in Adoran.
    Mir nichts, dir nichts.
    Schutt und Staub.

    Es begann wieder zu schneien. Die sanft herabsegelnden Flocken legten sich wie eine trostspendende Decke über die scharfen Konturen der Trümmer im Herzen der Stadt.
    „Das Konzil ist mehr als ein Gebäude,“ murmelte Elinor in die Kälte, in den Schnee.
    Und es war weniger eine Feststellung, als eine Kampfansage an jene, die dem Konzil Übles wollten.

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Elinor Tiefenbruch





 Beitrag Verfasst am: 05 Jan 2018 12:26    Titel:
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    (aus: Verfluchte Zeit!)


    Nichts war schwerer, als die unzähligen verschiedenen Befindlichkeiten unter einen Hut zu bringen. Nicht zuletzt die eigene.

    Elinor trottete durch das sperrige, lagerhallenartige Gebäude in Richtung der Ecke, in der Vocorine ihr Laboratorium notdürftig eingerichtet hatte. Auf einem der Brenner stand eines der obskuren alchemistischen Gefäße, das sie zum Teekessel umfunktioniert hatte. Sie angelte sich einen Becher – auch die waren mittlerweile im Behelfskonzil angekommen – und schenkte sich Tee ein.
    Dank Candidata Melanis gab es hier nun zumindest Tee. Ein großer Schritt.

    Wie der Phönix aus dem Suppenkessel.
    Ein kurzes Lächeln huschte über ihre müden Züge. Sie mochte Jeremiah Mareaux' Gedanken. Ein bisschen dunkler Humor besserte die meisten Situationen maßgeblich auf. Der Gedankengang vom Phönix als Suppenhuhn, im ehemaligen bunten Kessel – doch, doch, warum nicht. Und ein bisschen unfreiwillig gegart und im eigenen Saft schmorend, so fühlte sie sich in der Tat. Aber aus dem Suppenhuhn würde schon wieder ein Phönix werden.

    Das elendste an der Sache war gar nicht der Verlust des Konzilgebäudes. Auch das Zerwürfnis im Lied, so erschreckend es war, war noch etwas, um das man sich kümmern konnte.
    Zwei Sachen waren es, die ihr viel mehr schlaflose Nächte bereiteten: Der so rapide gealterte Praeceptor – und die Schwierigkeiten, mit all jenen zu kommunizieren, mit denen eine Zusammenarbeit hilfreich sein könnte.

    Letzteres war vermutlich geeignet, den Praeceptor auf lange Sicht noch zwanzig weitere Jahre altern zu lassen, oder auch sie selber. Zumindest hatte sie da Gefühl, dass jedes Gespräch mit diesem Druiden sie selber ein paar Jahre altern ließ.
    Es schien ihm von Anfang an nicht darum zu gehen, über Lösungen nachzudenken. Es ging ihm einzig darum, Schuld festzustellen und Recht zu haben. Und andere nicht zu Wort kommen zu lassen. Sich anhören, was geschehen war? Irrelevant. Das Wort Temporalmagie war gefallen, und ob das Konzil tatsächlich damit hantiert hatte oder nicht, war ihm gleich. Das Wort war gefallen, er hatte jemanden gefunden, den er des Frevels bezichten konnte. Das schien Auenbacher zu freuen, alles andere trat dahinter in den Schatten.
    Aber Elinor sollte es egal sein. Wenn man einen Sündenbock wollte, bitte. Solange man dann nur endlich zu arbeiten anfinge. Hinterher würde sich ja hoffentlich deutlich zeigen, wer für das ganze elende Geschehen verantwortlich war.
    Wie der Phönix aus dem Suppenkessel.

    Zumindest war es in Zusammenarbeit mit Baronin von Gipfelsturm – nach der Androhung, ihn schlicht aus dem Gespräch mit den Schwestern auszuschließen – gelungen, zunächst mal im Detail zu berichten. Und als Auenbacher einmal zugehört hatte, führte er sogar das selbe Gespräch wie alle anderen im Raum. Und soviel musste zugestanden werden: Er war von wachem Verstand und verfügte über umfangreiches Wissen und Erfahrungen. Streng genommen wäre er jemand, mit dem sich Elinor sogar sehr gern unterhalten würde, von dem sie gern etwas lernen würde. Aber Auenbachers Fokus lag zu sehr darauf, dass er Recht und andere Unrecht hatten und nur seine Gedanken zählten. Oder zumindest vermittelte er den Eindruck.

    Nichtsdestotrotz war das Gespräch schlussendlich konstruktiv verlaufen. Die Schwestern und Auenbacher hatten angeregt, den Ort des Geschehens gemeinsam genauer zu untersuchen – in der Hoffnung, mehr über den genauen Schaden herauszufinden, den das Lied genommen hatte. Auch wenn es schien, als hätte Auenbacher die Magier am liebsten aus der Sache herausgehalten um alles allein zu regeln.

    Seufzend nippte Elinor am heißen Tee und setzte sich wieder an den mächtigen Tisch, der das Zentrum des Übergangskonzilsgebäudes dominierte.
    Und die aktuellen Geschehnisse allein zu regeln, das schien nun wirklich nicht angeraten. Für niemanden. Es betraf alle, und es handelte sich beim Zerwürfnis im Lied um keine Kleinigkeit. Vielmehr schien es wie ein Problem, das verschiedenster Erfahrungen und der Zusammenarbeit bedurfte.Und gerade darum hatten die Baronin und sie sich ja daran gemacht, Berichte, Erkenntnisse und derlei zu sammeln und an vertrauenswürdige Gruppierungen von Liedwirkern weiterzuleiten – in der Hoffnung, dass sie nicht die einzigen bleiben würden, die versuchten, zu informieren. Sie hatten angefangen, sich mit den verschiedenen Gruppen zu treffen, das Gespräch zu suchen und wollten allen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen.
    Wenn nur nicht immer ein jeder auf seinem Bisschen Wissen sitzen bleiben wollte, sondern man endlich miteinander spräche! Dann müsste auch niemand Sorge haben, außen vor zu bleiben. Denn am Ende folgten sie doch alle dem selben Ziel: Herauszufinden, was tatsächlich geschehen war, und die Folgen zu beheben. Und jeder wollte, verständlicherweise, seinen Teil auf seine Art dazu beitragen.
    Nur ein bisschen weniger Missgunst, ein wenig mehr Vertrauen in die anderen. Von allen Seiten aus, mehr bräuchte es gar nicht...

    „Aber vielleicht bin ich ja nicht besser, egal, was ich von mir selbst denke“, brummte Elinor unzufrieden und stellte ihren Teebecher lautstark ab. Von Zusammenarbeit reden konnte jeder. Aber mit gutem Beispiel voran zu gehen, war wohl eine ganz andere Sache, und würde ihr bald offenbaren, wo sie vielleicht selber noch Dinge tat, die sie an anderen kritisierte.


Zuletzt bearbeitet von Elinor Tiefenbruch am 05 Jan 2018 12:27, insgesamt einmal bearbeitet
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