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Im Zeichen des Skorpions
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Daryaa Shazadi Yazir





 Beitrag Verfasst am: 18 Nov 2015 21:18    Titel: Im Zeichen des Skorpions
Antworten mit Zitat

- Geliebter Bruder mein –

Was war nicht alles bereits geschehen, seit sie vor wenigen Monaten den Schritt gewagt und sich der Karawane in die goldene Stadt angeschlossen hatte. Es schmerzte damals sehr, der eigenen Mara und dem Radeh Lebewohl zu sagen, doch der Drang sich zu beweisen, etwas zu erleben und nicht nur in dem kleinen Dörfchen in der Wüste ihr Dasein zu fristen war stärker. So erwartete sie auch voller Vorfreude das Wiedersehen mit ihren beiden Fadrim Faruk und Nurhan, die bereits seit geraumer Zeit in dem großen Familienanwesen der Stadt lebten…

Während sie am Fenster saß, glitt der Blick über den Kasernenhof und die exerzierenden Janitschare in dessen Mitte. Von ihrer Wohnung aus hatte sie besonders gute Sicht auf den Platz und die dort herrschende Aktivität.
Es schien immer irgendjemand gerade zu kommen oder zu gehen, doch für den Moment lenkte das Bild lediglich das Auge etwas ab, indes die Gedanken bei ihrem Bruder verweilten.

Das Haus der Yazir – in ihren Vorstellungen war es vollkommen, wunderschön und erhaben. Als sie das erste Mal einen Blick darauf werfen durfte, erfüllte es nicht nur ihre Fantasie, sondern übertraf sie noch. Nichts hätte sie auf das herzliche Durcheinander vorbereiten können, in dem so viele starke Natifahs und ebenso stolze Menekaner durcheinandertobten und von Sahid mit großer Geduld beherrscht wurden.
Beherrscht? Aiwa gut, vielleicht war das nicht der richtige Ausdruck. Keiner der Yazir gab sich so, als könne man ihm einfach etwas vorschreiben. Insbesondere die Natifahs des Hauses hatten in der Hinsicht ein hitziges Temperament, aber die sanftmütige, verständliche Weise ihres Oberhauptes schaffte es stets, den Haussegen zu erhalten und auch ihnen die Richtung zu weisen. Sie liebte ihre Cousinen und Cousins, jeden auf seine eigene Art und Weise und doch fühlte sie sich mit ihrem Schicksal sonderbar allein… Der Schmerz um den Verlust des Bruders saß tief, vergraben hinter der Fassade der fröhlichen, lebhaft neugierigen Natifah. Was mochte nur geschehen sein, welcher Wahn ihren Fadrim Faruk geritten haben, dass er letztlich sogar die erste unter allen Familien angriff, sich dem Haus Omar widersetzte und gegen den Emir agierte? War etwas davon auf sie zurückzuführen? Und wäre all das auch geschehen, wenn sie nicht in die Stadt gekommen wäre?

Ihre Beziehung zu ihrem älteren Bruder, dem ersten der drei Geschwister, war schon immer ein wenig schwierig. Als Kinder waren sie ein Herz und eine Seele. Sie vergötterte ihren Fadrim, der als Vorbild den dreien voranging und schon früh vom Radeh in den Pflichten einer Haushaltsführung unterwiesen wurde. Wenn es daran ging, dass er alleine zu Übungen oder Treffen mit Gleichaltrigen aufbrechen wollte, konnte er sich eines kleinen Schattens gewiss sein, der ihm auf Schritt und Tritt überall hin folgte. Sie war fasziniert von den Einblicken , die ihr dies gewährte, bis schließlich auch ihr Fadrim in ein Alter gelangte, in dem es nicht mehr ganz so verlockend schien, seine kleine Schwester überall hin mitzunehmen. Bittere Tränen waren geflossen, Zeter und Mordio hatte sie geschrien und schließlich sogar gefleht, dass er sie doch liebe und sie immerhin seine Fidah sei und wie er sie denn nicht mehr sehen wollen würde. Der Streit der beiden war letztlich soweit eskaliert, dass ihr Fadrim sie in ihrem Zimmer eingesperrt hatte, die Tür fest verschlossen.
Das Schauspiel wiederholte sich so regelmäßig, dass sie irgendwann vorausplante und sich mehrere Fluchtmöglichkeiten zurechtlegte. Nach und nach wuchs ihr Geschick im Umgang mit verschlossenen Türen und Fensterläden, als sie wiederholt ausgiebig Zeit hatte, sich der alleinigen Gesellschaft zu erfreuen.
Irgendwann stellte auch dies kein Hindernis mehr da, und sie nutzte die Zeit, des angeblichen Eingesperrtseins für eigene Streifzüge durch die menekanische Nacht, indem sie sich aus dem Haus schlich. Manchmal verfolgte sie noch ihren großen Fadrim und beobachtete ihn aus der Entfernung, doch auch immer öfter suchte sie sich ihren eigenen Weg durch die kleinen Gassen des heimatlichen Dörfchens…

Als ihre Ankunft in der goldenen Stadt die Geschwister endlich wieder zusammenführte, barg jene Vergangenheit weiteres Potenzial für Unfrieden. Noch immer dickköpfig versuchte sie auch hier, ihren Willen durchzusetzen und mogelte sich um die Anweisungen ihres Bruders herum, indem sie sich vom Oberhaupt in die Armee aufnehmen ließ. Was hatte er getobt. Wie sie so etwas tun könne. Eine Natifah! Dabei war völlig egal, dass es insbesondere in ihrer Familie quasi Tradition hatte, dass auch die Frauen zu den Waffen griffen. Manches Mal sogar weitaus fähiger als mancher Mann, wenn man dabei an das große Vorbild von Khalida dachte.
Völlig unbelanglich war ebenso, dass sie ja erst ausgebildet würde. Der Streit darum eskalierte, als ihr Fadrim sie in Uniform am Ende einer Truppenübung erwischte und auf dem Platz vor dem Palast zur Rede stellte. Harsche Worte fielen zwischen den Geschwistern, erregten das Aufsehen der anderen in der Nähe, darunter auch der Sajneen Sahids und des damaligen Emirs Imraan. Selbst sie konnten ihren Bruder mit Argumenten nicht beruhigen, hätte doch gerade das Wort des Emirs ihn erreichen müssen.
Als Daryaa sich kurz darauf in den Fängen eines letharischen Fluchs befand, grub sich das Gefühl der Schuld an dem Vorfall tiefer und tiefer ein und fütterte den Wahnsinn, den die Wesen in ihr geweckt hatten. Fast hätte sie daran bei einem Vorfall mit Thahida das Leben verloren…

http://forum.alathair.de/viewtopic.php?t=79981&highlight=

Doch als sie gestärkt und eigentlich frohen Mutes aus der Prüfung hervorging, brannte der Streit zwischen ihrem Oberhaupt Sahid und Faruk bereits lichterloh. Faruk hätte der Stellvertreter Sahids werden sollen. Zumindest war es so vorgesehen bis Faruk schließlich Sahid vorwarf, sich über ihn hinwegzusetzen und das er mehr Rechte hätte, was seine Fidah anginge. Noch dazu wäre es eine Schmach, was Sahid ihm böte und er sehe sich entehrt. Mit diesen ähnlichen und weitaus mehr Worten verließ ihr Bruder sie ein weiteres Mal, diesmal weitaus nachdrücklicher als man es sich vorstellen wollte.
Im Resultat auf die Auseinandersetzung mit Sahid wurde er der Familie verwiesen, verstoßen und entehrt um fortan im Staubviertel zu leben, bei dem Abschaum und den Armen des Volkes. Umso mehr sie darüber nachdachte, desto unsicherer wurde sie sich darin, ob es nicht vielleicht auch Faruk gewesen war, der sich seiner gekränkten Ehre wegen von der Familie abwandte, doch das Ergebnis blieb dasselbe. Gemäß der Weisung ihres Oberhauptes hatte ihr Bruder für sie nun gestorben zu sein. Es gäbe ihn nicht mehr, auch wenn er nur eine Steinwurfweite entfernt im Staubviertel lebte. Damals hatte sie schon gedacht, es könnte kaum schlimmer kommen. So bitter das Gefühl, wenn man sich auf der Straße begegnete und sie doch kein Wort miteinander wechseln durften. Wie gern hätte sie wieder mit ihm gelacht, sich seinen Rat gesucht als sie das erste Mal Interesse an einem anderen Menekaner entdeckte, und zusammen mit ihm Seite an Seite gefochten, darauf begierig, dass er ihr vielleicht etwas beibrachte. Ab und an gelang es ihr sich davonzuschleichen und ihn heimlich zu besuchen. Doch diese Zusammenkünfte schienen stets überschattet von dem Schicksal, dass ihrem Fadrim widerfahren war. Statt des weißen Falken sah sie einen gebrochenen Mann vor sich, der mit der Welt und sich nicht im Einklang war. Es steckte mehr hinter alledem, erfuhr sie nach und nach, und nicht zuletzt aus dem Auftrag, den ihr Bruder ihr erteilte. Doch all das reichte nicht, um dem Weg eine neue Wendung zu geben. Unaufhörlich glitt er weiter auf den Abgrund zu, bis er schließlich von ihm verschlungen wurde.

Und nun war er endgültig fort. Nicht nur tot im Geiste, auch sein Leib hatte den letzten Atemzug getan, er diese Welt verlassen.

Einsam und ungesehen rannen ihr die Tränen über das Gesicht, als die Sicht nach draußen auf den Kasernenhof langsam verschwamm und alles in einem nebligen Schleier versank. Ungehört erklang das leise Schluchzen, als sie die Arme um sich selbst legte und alleine wiegte. Mit einem Kopfschütteln will man die Gedanken vertreiben, doch gelingt es nicht.


Nur wenn sie alleine war durfte sie noch trauern um ihren Bruder. Den Schändlichen, den Verräter, dem Dunklen in den eigenen Reihen. Aufgrund seiner ungeheuerlichen Taten, die er zusammen mit einzelnen Ifrey verübte, war es untersagt, öffentlich zu trauern, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Auch wurde er als Mahnmal im Ahnengrab aufgehangen… Für sie jedoch war er nur ihr Bruder. Ihr geliebter, über jeden Zweifel erhabener Bruder, der ihr so unglaublich fehlte, der ihr Vorbild gewesen war, als sie noch jung und unerfahren waren. Sie konnte nur hoffen, dass er endlich seinen Frieden fand und die Mara ihn mit all ihrer Güte willkommen hieß. Sie würde die Tage zählen bis zu ihrem Wiedersehen, versprach sie sich und der Welt im Allgemeinen.

Diese Nacht würde sie wie jede seit dem schrecklichen Ereignis wieder im Tempel knien und für die Seele ihres Fadrim beten, bis nur noch ein Gedanke klar und deutlich über allem schwebt, oder die Trauer etwas Abstand nimmt.

Fadrim, du fehlst mir.
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Daryaa Shazadi Yazir





 Beitrag Verfasst am: 28 Dez 2015 22:12    Titel:
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Briefe an Faruk I

Während der Wind den Sand vor sich hertrieb und um die Häuser wehte, hatte sich Daryaa im Schneidersitz an dem kleinen Tisch in ihrer Wohnung niedergelassen. Bewaffnet mit einem Federkiel trieb die Tinte Spuren über den weißen Bogen…

„Salam, Salam, mein Fadrim,
seit du fort bist und uns verlassen hast, ist einiges geschehen. Ich wünschte, ich könnte dir von Angesicht zu Angesicht davon berichten, wie früher als wir noch Kinder waren. Überhaupt ertappe ich mich allzu oft dabei, mir zu wünschen man könnte der Zeit ein Schnippchen schlagen und sie wieder etwas zurückdrehen. Nurhan ist mit der Karawane aufgebrochen und verrichtet Aufgaben außerhalb von MenekUr. Vielleicht weiß er noch gar nicht, was dir widerfahren ist. Früher hast du als großer Bruder immer über mich gewacht und darauf Acht gegeben, dass deiner Fidah kein Leid geschieht. Ganz egal ob mir dies recht war oder nicht. Heute stehe ich oft im Grab der Ahnen vor deiner letzten Stätte und die Armbrust bebt in meinen Händen. Die Spitze meines Bolzens zielt stets auf deine Ketten, während Stunde um Stunde verrinnt. Ich kann sehen wo sie an den Sandsteinen befestigt sind und es wäre ein leichtes, nur ein Schuss und deine Gebeine würden endlich friedlich in sich zusammenbrechen. Ich könnte dich verbrennen und wäre mir gewisser, dein Weg würde dich zur Mara führen. Ist es Feigheit, die mich zögern lässt? Wieder und wieder stelle ich mir diese Frage. Doch die Antwort bleibt, nein. Es ist nicht Feigheit. Es ist die Treue zu meinem Emir und zu meinem Volk, in der Hoffnung darauf, dass der von der Mara Geküsste in Ihrem Namen handelt. Doch manchmal, wenn die Schatten der Fackeln über deine Gebeine tanzen, fällt es mir schwer, diesen Gedanken aufrecht zu halten. Wenn ich das Zittern meiner Hände nicht mehr kontrollieren kann, lasse ich die Armbrust sinken. Mein Blut schreit nach Rache für deinen Tod, obwohl ich weiß, dass du Unrecht gehandelt hast. Ich kann nicht anders als dem Vermächtnis unserer Familie zu erliegen, doch das Recht deine Ehre zu retten, hast du bereits zuvor verwirkt. Umso schwerer wiegt mein Schwur für mein Land und meinen Emir, da ich ebenso weiß, dass er dein Richter ist. Ich versuche mich daran zu erinnern, was Vergebung ist, weiß ich werde sie finden müssen, will ich nicht von Eluive verlassen zugrunde gehen. Fadrim, wie? Wie soll ich vergeben, dass er dich mir genommen hat? Wem soll ich verraten, dass ich unserem Erhabenen zürne? Ich habe einst einen stolzen und erhabenen Anaan in ihm gesehen. Jetzt bleibt mir dies verwehrt. Wenn ich dich so sehen muss, wie soll ich nicht fürchten, dass dein Seelenheil verloren bleibt? Das Lächeln friert auf meinen Lippen und die Maske der unbeschwerten Natifah trägt sich schwer.
Wenn die Nächte besonders dunkel erscheinen, weder Stern noch Mond am Firmament stehen, malen meine Gedanken mir Bilder, wie du dich von deinen Ketten befreist und mit den Ahnen umherwandelst. Ich fürchte stets, hinter der nächsten Ecke könnte dein Antlitz auf mich warten, verwesend und im Zerfall begriffen. Erst wenn ich an den Ort zurückkehre, mich vergewissere, dass du noch immer unbelebt in deinen Ketten hängst, kann ich einen Moment Ruhe finden. Kurz darauf streiten sich wieder die beiden Stimmen in meiner Brust und eine neue Wache beginnt…
Mein geliebter Fadrim, ich verspreche dir, solltest du jemals deine Knochen von dieser Heimstatt erheben, so werde ich da sein. Spätestens dann wird es keine Schranken mehr geben, die verhindern könnten, dass ich dich endlich den reinigenden Feuern übergebe.
Heute werde ich dies nur mit diesen Zeilen können. Neben dir steht ein Kohlebecken, dort werde sie verbrennen. Vielleicht ist es dann so, als könntest du die Worte lesen.

Ma’Salema, geliebter Fadrim."


Zuletzt bearbeitet von Daryaa Shazadi Yazir am 28 Dez 2015 23:06, insgesamt einmal bearbeitet
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Daryaa Shazadi Yazir





 Beitrag Verfasst am: 04 Jan 2017 00:39    Titel:
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Briefe an Faruk II

Weißt du eigentlich wie das ist?
Sich an etwas zu gewöhnen, es halb zu verlieren, es wiederzubekommen…
und dann... ist es trotzdem eigentlich gar nicht da…


Auf ihrem schwankenden Heimweg dachte sie über die Frage ihrer Cousine abermals nach und über das Nein, dass sie zur Antwort gegeben hatte. Ach Cousine, auch wenn du es anders gemeint hast, aiwa… das weiß ich… ging es ihr durch den benebelten Kopf, als sie sich ein paar Sachen zusammensuchte. Nach der Zeremonie für Tamika und den harschen Worte im Familienhaus empfingen sie die eigenen vier Wände sonderbar beklemmend und so hatte sie angefangen, Habseligkeiten für eine auswärtige Übernachtung einzupacken, diese achtlos in einem ramponierten Reisesack verstauend. Wehmütig dachte sie dabei an ihre alte Wohnung an der Kaserne zurück. Dort hatte sie das Rauschen des Meeres noch vernehmen können. Hier hingegen gab es nur das Blöcken der Lamas und den stetigen geschäftigen Lärm vom Basar. Keine Janitschare, denen man während der Freischicht vom Balkon aus beim Exerzieren zusehen konnte, stattdessen einen kleinen, aber kontinuierlichen Strom an Passanten. Dabei wanderten erst eine und dann nach einem kurzen schmerzvollen Achselzucken auch eine zweite Flasche Dattelwein zu der Decke und den Schreibutensilien. Eine kleine Ration Proviant aus Käse, Brot, und einer Handvoll Nüssen befand sich ebenso schon darin. Als letztes blieb der Umhang, der noch mit anklagender Ruhe auf ihrem Lager lag. Ein wenig reuevoll dachte sie daran, dass sie ihn eigentlich schon längt hätte zurückgeben müssen. Auch wenn ‚sein‘ Geruch längst aufgebraucht war, sich wie so vieles im Laufe der Zeit verflüchtigte, hing sie um seiner Willen an dem schlichten Stoff. Sorgfältig löste sie den Umhang aus seiner Umarmung mit den Kissen, verstaute ihn zu einem ordentlichen Rechteck gefaltet zuletzt obenauf bei den anderen Sachen. Der Schnaps, den sie im Familienhaus viel zu hastig hinuntergestürzt hatte, ließ sie flüchtig taumeln als sie den Sack überwarf und leise wieder aus dem Haus schlich. Die Prellungen, die sich in den Frosthöhlen zugezogen hatte, schmerzten unter den beharrlichen Schritten, die dem Leib keine Ruhe gönnen wollten und sie weiter durch die nächtlichen Straßen der Stadt trug, schließlich durch die Mauern hinaus in die Durrah, auf alten Pfaden weiter bis zu den Höhlen an den Klippen, die sich an der Küste des Meeres entlang erstreckten.

Erst als auch noch ein behagliches Feuer in der Höhle brannte, die sie sich ausgesucht hatte, genügend trockenes Treibholz aufgeschichtet daneben lag, breitete sie ihre Decke aus und ließ sich damit auf dem vertrauten Sand nieder. Bedauerlicherweise hatten der Marsch und die Arbeit einen Großteil der Wirkung des Alkohols aufgezehrt, aber der Dattelwein würde da schon Abhilfe schaffen…

Mit dem Rücken an der kühlen Höhlenwand lehnend, lagen die Pergamentbögen von ihrem rechten Schenkel gestützt vor ihr, das verletzte Bein lang ausgestreckt. Nur das Rauschen der Brandung drang leise bis ins Innere ihrer kleinen Zuflucht vor, unterbrochen von dem Knistern der Scheite im Feuer und dem leisen Kratzen einer Feder, die über Pergament schabt.


Salam Alaikum mein geliebter Bruder,

wie mag es deiner Seele in all der Zeit ergangen sein? Es ist schon über ein Jahreslauf vergangen, seit sich unsere Wege getrennt haben. Wie ich dir einst versprach, hat meine Wacht kein Ende gefunden, Mara sei gesegnet, dass der Fluch deine Überreste bisher unberührt ließ. Ich vermisse dich noch immer schmerzlich und in Tagen wie diesen wiegt es besonders schwer. Wenn deine Seele noch im Dazwischen verweilt, triffst du vielleicht bald Tamika, oder ihr habt euch sogar schon gefunden. Achte gut auf sie und richte ihr doch hudad aus, dass ich mein Glas (es ist eine Flasche, ich gestehe!) auf sie erhebe. Sie fehlt uns allen. Der Tempel war reich gefüllt, Saman und Mina haben sich um die Zeremonie gekümmert und die richtigen Worte gefunden. Es gab keinen Ort, an dem sie nicht einen Teil ihres Lachens und frohen Mutes zurückgelassen hat. Das Erlöschen dieses ganz besonderen Sonnenstrahls lässt die Stadt um ein Stück dunkler zurück. Es wird besser mit der Zeit, sagt man, aber diese Aussicht vermag mein Gemüt jetzt nicht zu erhellen.

Irgendwie habe ich mich still und heimlich dazu entschieden, mehr Verantwortung in der Armee zu übernehmen und bereite eigene Truppenübungen vor. Das stellt eine wohltuende Ablenkung zu all den anderen Merkwürdigkeiten dar, die sich in letzter Zeit in unserem Haus abspielen. Man kann sagen, mit Sahids Fortgang hat sich der Ton geändert. Im Gegenzug hat es mehr Cousins und Cousinen als ich es bisher gesehen habe, in die goldene Stadt geführt. So ist das mit Wünschen. Man sollte vorsichtig sein. Nach all den Fehlschlägen sollte ich bereits daraus gelernt haben, aber nenne mich ruhig unverbesserlich. Du kennst meinen Sturkopf.

Khalida hat letztens etwas gefragt, was mich sehr nachdenklich zurückgelassen hat. Wohl fehlt es mir an der Erfahrung, die sie zweifelsohne besitzt und hart erworben hat, um dem so nachzuempfinden, wie sie es gemeint hat, doch in dunklen Stunden klingt es wie die Beschreibung meines Lebensweges. Etwas finden, verlieren, zurückgewinnen und doch nicht wirklich wiederfinden können. Hast du nicht selbst den Weg dafür geebnet? Soll ich dir nun dankbar sein, für diese Lektionen oder es dir zürnen? Ich habe dich und Nurhan an die Stadt verloren und bin euch gefolgt. Als Geschwister haben wir einander wiedergefunden und eine kurze Zeit schien alles sich dem Guten zuzuwenden, bis die Wege unwiederbringlich auseinandergerissen wurden. Nurhan ist verschollen, du bist in die Verbannung geschickt worden und auch wenn wir uns noch gesehen haben, konnten wir uns doch nicht mehr finden. Zu viele abgebrochene Brücken, zu viel verbrannte Erde, die uns voneinander trennten, bis das große Ende kam…

Eine lange Weile hat der Gedanke an Rache für dein Schicksal meine Schritte gelenkt. Auch jetzt kann ich noch ihre lockende Stimme vernehmen, die flüsternd davon spricht, was mir genommen wurde, was Thahida erleiden musste. Ich versuche ihr nicht zu genau zuzuhören, doch lange Zeit hat sie mir sichere Pfade geboten, auf ihre eigene verdrehte Weise. Tatsächlich habe ich dabei jene Talente entdeckt, die du schon lange in mir gesehen hast. Danke für dein Vertrauen in mich, mein Bruder.

Es gibt da jemanden, den ich dir gern vorgestellt hätte. Ich glaube du hättest ihn gemocht. Wenig von dem, was er in mir auslöst vermag ich für dich in Worte zu fassen, denn es ist auf eine fremdartige Weise beängstigend und gleichermaßen wundervoll. Da ich weiß, dass die höchsten Ansprüche dir auch noch nicht genügt hätten, wenn es um mich geht, will ich nicht zu viel der schwärmenden Worte verlieren, die sich ohnehin nicht ziemen würden. Was ich jedoch nicht verschweigen will, ist dass er wie ein Sturm in mein Leben geweht ist und einen Teil der Wolken fortgerissen hat, die ihre Schatten über mich werfen, mein Licht auf all diesen Irrwegen. Eine der wenigen Seelen, die es schafft, mein Vertrauen zu erringen und das obwohl wir uns noch nicht so lange kennen. Ein Licht, dass mir unsere liebe Familie ausgerechnet jetzt genommen hat, wo ich es aus, ich gestehe, egoistischen Gründen, sehnlichst gebraucht hätte. Statt den Kummer zu mildern, wiegt er nun umso schwerer. Bald wünsche ich mir, die Mara hätte davon abgesehen meinem Blut so viel Feuer zu schenken, denn der über diese Ungerechtigkeit empfundene Zorn wird mir mit mangelnder Selbstachtung zugrunde gelegt. Gutes zu wollen und Gutes zu tun können seltsam weit voneinander entfernt liegen und auch wenn ich ihnen glauben will, dass nur Fürsorge und Umsicht sie antreibt Gebote aufzustellen, verschwimmt die Sicht darauf, wenn man das Unbehagen sieht, dass gerade jetzt daraus erwächst.

Ich versuche daran zu wachsen, aus meinen Fehlern zu lernen. Auch diese Zeit wird vorbeigehen und uns etwas anderes eröffnen. Wenn ich es nur hartnäckig wiederhole, glaubt mein Herz vielleicht auch den Vorgaben der Vernunft. Ich werde in Zukunft behutsamer mit meinen Wünschen umgehen, doch den einen wirst du mir gewiss nicht verwehren wollen, will ich doch nichts anderes, als darauf hoffen dürfen, dass unsere Seelen sich in diesem Leben noch einmal begegnen.

Ich trage dich in meinem Herzen mein geliebter Bruder.

Wasser und Schatten auf deinen Wegen wo auch immer du sein mögest.

Ma’Salema
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Daryaa Shazadi Yazir





 Beitrag Verfasst am: 05 Jul 2021 20:43    Titel:
Antworten mit Zitat

Briefe an Faruk III

Die Sonne fiel durch den Eingang der Höhle und weckte sie mit ihrem munteren Strahlen. Sandkörner tanzten im strahlenden Licht der Sonne wirbelnd umeinanderher. Müde blinzelnd wandte sie sich davon ab, streckte die Hand zur Seite hin aus und fand doch nichts, griff ins Leere, berührte nur kalten Staub und Sand. Ah, sie war ja nicht zuhause... kehrten die Gedanken langsam in das Bewusstsein zurück und beseitigten allmählich die Verwirrung. Ihr Heim war wegen der Beben gesperrt, gleichsam das Familienhaus und wie so oft hatte es sie zurück in die Höhle an der Klippe geführt. Die Hand spielte gedankenverloren mit dem losen Geröll, das sich dort befand wo eigentlich das Haupt ihres Mannes ruhen sollte. Der Platz, an ihrer Seite, der so viele Tage gefüllt gewesen war, blieb jedoch leer. Erschöpft richtete sie sich auf und rieb sich den schmerzenden Rücken. Das junge Leben in ihr verlangte mit einem kräftigen Tritt nach Aufmerksamkeit und sie legte beruhigend die Hand anschließend auf den sich zaghaft wölbenden Bauch. Das Lächeln wirkte traurig und melancholisch, als sie leise ein Wiegenlied intonierte und von den Anaan und Natifahs der Vorzeiten sang, dem Geschenk ihrer Ahnen. Dabei richtete sich der Blick auf die gegenüberliegende Wand der Höhle und fiel ins Leere, den eigenen Gedanken nachsinnend. Als sich die morgendliche Aktivität ihres "Schmetterlings" gelegt hatte, gönnte sie sich einen Schluck Wasser aus dem mitgebrachten Schlauch und zog daraufhin das Fell, dass sie in der kalten Nacht bedeckt hatte noch ein Stückchen höher. Das Schreibzeug, welches sie in ihrem Rucksack mitgebracht hatte, wurde mit dem Zurücklegen des Wassers aus dem Beutel herausgefischt. Nachdenklich breitete sie die Bögen mit dem Papier auf den angezogenen Knien aus, den Rücken gegen die hinter ihr befindliche Wand gelehnt und schrieb im Schein der morgendlichen Sonne, die ihren Platz so eben erhellte, weitere Zeilen...

Salam Alaikum mein geliebter Fadrim,

wo soll man beginnen, wenn einen gar Jahre trennen und nur mehr die Erinnerung bleibt wie eine verblasste Zeichnung auf einem sich auflösenden Pergament?

Ich würde so gern so vieles mit dir besprechen und doch wird all das immer ungesagt und ungehört bleiben, deine Ohren nie wieder meinen Worten lauschen. Ich vermisse dich noch immer, mein geliebter Fadrim. Heute einmal mehr als sonst, da ich wieder alleine bin. Zumindest fühlt es sich so an. Verwöhnt, wie es meine Natur ist, suche ich in diesen Stunden um so mehr nach deinem brüderlichen Schutz und gräme all jenen, die dich zu früh von meiner Seite und aus diesem Leben gerissen haben. Es ist so vieles passiert in den letzten Jahren...

Stell dir vor, ich habe geheiratet. Einen Mann, den ich aus vollem Herzen liebe und mit dem ich die Welt bereist habe. Wir haben uns in ferne Länder gestohlen und die Heimat unserer Eltern besucht, dort den Bund fürs Leben geschlossen. Es waren wilde Abenteuer, die uns auf See begegnet sind und eine lange Zeit haben wir kein Land gesehen. Ich habe kennengelernt, was es heißt zu hungern, wenn der Proviant versagt. Ich habe gelernt, was Furcht bedeutet, wenn der Sturm über dich hereinbricht und droht, dich von Deck zu spülen und ich habe gelernt, was es bedeutet zu leiden, wenn die Hände wund und zerschunden von den nassen Tauen waren. Es waren andere Schmerzen als die eines Janitschares und dennoch habe ich auch diese bewältigt. Ich glaube du wärest stolz auf mich gewesen, wenn du es miterlebt hättest.

In all der Zeit, die du mir schon fehlst, bin ich zur Jijkban ernannt worden, habe im Dienst der goldenen Stadt meinen Teil dazu beigetragen, dass alles seinen rechten Gang geht und sogar zuletzt unter der Bedrohung des Nichts für den Erhalt unserer aller Leben eingestanden. Die Verantwortung für die Leben meiner Kameraden und die Bewohner Menek'Urs lastet manchmal stark auf meinen Schultern, aber zum Glück bin ich nie allein. Die anderen Janitschare streiten ebenso voller Inbrunst für unser geliebtes Land, selbst jetzt, wo wir uns erneut einer Bedrohung gegenübersehen. Die Erde bebt und lehnt sich gegen uns auf und doch hörst du keinen verzagen, niemanden darüber den Mut verlieren. Ich bin stolz darauf, Teil dieser Gemeinschaft sein zu können. Für mich jedoch wird es langsam Zeit, den Säbel eine Weile an die Wand zu hängen. Selbst der Weg hierher in meine geliebte, karge Zuflucht birgt die ein oder andere Gefahr, derer ich das Leben, dass in mir wächst, nicht länger aussetzen will. Ich spüre seinen Willen zu leben und zu wachsen und ich will nicht, dass es meine Schuld ist, wenn ihm etwas geschieht.

Ehe mein geliebter Mann aufgebrochen ist, haben wir über die Namen für dieses ungeborene Leben gesprochen und es wäre ihm ein Wunsch, dass wir, wenn es denn ein Junge wird, ihn nach dir benennen. Ich kann dir gar nicht sagen, welches Glück ich mit diesem Mann gefunden habe. Vielleicht wird dies Kind dem Namen mehr Glück und Ehre bringen als du damit erlangt hast und wieder etwas davon reinwaschen, was unser Zweig der Familie verloren hat. Ich würde dich gerne fragen ob du es bereust, was du damals getan hast oder ob du noch immer zu deinen Taten und deinem Frevel stehen würdest nach all der vergangenen Zeit. Hat die Mara dir ein neues Leben geschenkt auf das wir uns irgendwo wiedersehen? Ich hoffe darum, mein Bruder, ich hoffe es.

Meinen Mann hat es hinaus gezogen in einen Krieg, der nicht der Seine ist und doch gefochten werden muss. Eine alte Schuld, die es zu begleichen gilt und ihn fortreisst, von meiner Seite, wo er eigentlich hingehören sollte. Ich versuche stark zu sein, auch wenn es mir schwer fällt. Alleine seinem Kind zuliebe, das unter meinem Herzen ruht. Ich vermisse ihn jedoch so stark, dass es manchmal wie ein körperlicher Schmerz erscheint, der mir die Brust zuschnürt und meine Worte in der Kehle ersticken lässt, mich innerlich zerreißt.

Bevor ich mich jedoch in den Beschreibungen meines eigenen Elends verliere, lass mich dir lieber von anderer froher Kunde berichten. Bald wird Thahida heiraten. Auch sie hat ihr Glück gefunden und scheint in Liebe zu dem auserwählten Anaan zu gehen. Ich hoffe, dass sie so glücklich mit ihrem Mann sein kann wie ich die vergangene Zeit mit dem meinen. Nichts anderes würde ich ihr wünschen und kann nur beten, dass die Mara diesen Bund reich segnen wird. Maanika hat ebenso eine Verlobung eingehen wollen und sich für einen Mann entschieden. Wie du siehst sind all deine Cousinen mit der Zeit in die Hände von fähigen, stolzen Anaan übergeben worden und sollen ihr eigenes Glück finden.

Sogar Sahid ist zurückgekehrt und hat die Stelle Hadirs als unser Oberhaupt eingenommen. Suraya ist ganz hin und weg und da ihre Ehe bereits als erloschen galt, geben sie sich den Freuden einer erneuten Werbung bzw. Verlobung hin. Es ist schön ihr Glück zu sehen auch wenn ich selbst Sahid ein wenig mit Argwohn betrachte, der sich nach all der Zeit nie wirklich legen konnte. Ich weiß ja, dass du falsch und er richtig gehandelt hat. Und dennoch bist du Blut von meinem Blut und er nur ein Cousin gewesen. Was die Geschicke der Familie angeht, liegen sie damit so wie schon einmal vor langer Zeit erneut in seiner, wie auch meiner Hand und ich versuche das Vertrauen wiederzufinden, dass er vor dem Zerwürfnis von mir bedingungslos erwarten konnte. Es ist schon besser geworden als damals, aber so wie früher wird es wohl nie mehr werden. So ist das manchmal mit den Dingen. Einer Vase wird man immer ansehen, dass sie einmal zerbrochen war, egal wie gut du dich bemühst sie zu kitten. Und neu brennen lässt sich nicht, was schon einmal bestanden hat.

So wie du nicht zu mir zurückkommen wirst, geliebter Bruder.

Es ist vielleicht an der Zeit eine gänzlich neue Vase zu formen, die der alten womöglich ähnlich sieht.

Und damit soll es für den heutigen Tag alles gewesen sein, was ich dir in deine Sphären senden möchte. Vergiss niemals, du wurdest geliebt.

Mögen die Sterne uns beiden den Weg erhellen und stets Wasser und Schatten auf dich warten, wo auch immer deine Seele sich befindet.

Ma'Salema


...Im Anschluss wird der Schrieb so wie diejenigen davor, sein Ende in den Feuern des Ahnengrabs finden, einer jener Kohleschalen, seinen Gebeinen am nächsten und eine neue Kerze zu seinen Füssen unter den verkohlten Überresten aufgestellt werden.


Zuletzt bearbeitet von Daryaa Shazadi Yazir am 05 Jul 2021 20:51, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Daryaa Shazadi Yazir





 Beitrag Verfasst am: 27 Mai 2023 22:39    Titel:
Antworten mit Zitat

Die letzte Überfahrt


Geh nicht gelassen in die gute Nacht,
Brenn, Alter, rase, wenn die Dämmerung lauert;
Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.


Es herrschte geschäftiges Treiben als sie in Menek'Ur zur Mittagsstunde den Hafen aufsuchten. Ihr Schiff wartete bereits und mit einen letzten wehmütigem und zugleich lächelnden Blick verabschiedete sie sich von dem geliebtem Mann, der auf dem Anlegesteg zurückblieb. Als sie die Planken hinauf an Bord geschritten waren, hob sie den kleinen Faruk hoch und stemmte das Gewicht auf der Hüfte ab. Der junge Anaan jauchzte fröhlich und winkte gut gelaunt auf Farid hinab. Er kannte den Magier wohl, der gleich nebenan wohnte und oft mit ihm und seiner Mutter zusammen vor dem Haus im Hof speißte, hatte ihn gar lieb gewonnen. Er erinnterte sich nicht an seinen eigenen Radeh, aber wenn er sich einen aussuchen hätte können, würde er unumwunden für Farid stimmen. Daryaa sah lächelnd und amüsiert zu ihrem Sohn, dann folgte der Blick und mit der anderen freien Hand winkte auch sie zu dem Mann hinab, den sie für ein paar Wochen in der Sonne zurücklassen würde. Nun gut, dachte sie bei sich, meist war es ja ohnehin nicht so lange. Er hatte sich einen Ankerpunkt, oder wie auch immer die Magier dies nannten, bei ihren Eltern geschaffen. Wenn die Sehnsucht zu groß wurde, trieb es ihn trotz aller Gebote und Verbote dort hin. Sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er um den Bund der Mara bei Sahid bitten würde oder ob er weiter ihren verbotenen Zustand genießen wollte. Eigentlich, so dachte sie bei sich, wäre ihr beides recht. Was trieb sie schon oder hetzte sie? Sie hatten alle Zeit der Welt. Lautes Rufen ertönte, Hektik entstand an Bord. Die Matrosen begannen die Seile einzuholen, ein kleines Segel herabzulassen und langsam aus dem Hafen auszulaufen. Ein letztes Mal winkten die beiden noch zurück, als die Figur am Steg immer kleiner wurde, bis sie dann schließlich zusammen unter Deck gingen um ihre Kajüte aufzusuchen.

Die Überfahrt verlief zu Beginn wie gewohnt ruhig und ereignislos. Sie hatten nicht mehr allzuviel des Weges vor sich, ehe ein Sturm sich zusammenbraute. Das kleine Schiff wurde auf den Wassermassen hin und her geworfen, als die Wellen sich zu regelrechten Bergen auftürmten. Stieß das Schiff von einem dieser Berge hinab, raste es nur so ins Wellental und drohte von der nächsten Bergspitze erschlagen zu werden. Regen prasselte auf die Planken hinab und vermischte sich mit dem Meer, über ihnen herrschte ein unbarmherziges Gewitter. Blitze rissen den Nachthimmel auf, warfen ein unheimliches Licht auf die Szenerie. Die Matrosen bemühten sich nach Leibeskräften das Schiff unter Kontrolle zu halten. Doch all ihr Mühen half wenig als einer der Blitze den Hauptmast traf, der mit einem ohrenbetäubenden Knall zerbarst. Seine Splitter flogen wie Pistolenkugeln in alle Richtungen davon, nahmen mehrere der Mannen mit sich als diese davon förmlich zerfetzt wurden. Ein anderer ging in den Tauen verheddert mit der Spitze des Mastes unter und verschwand in den Fluten. Der Rest des Holzes stand lichterloh in Flammen, die in dem Regen zischten und zuckten. Kurz darauf ließ ein zweiter Knall das Boot abermals erbeben. Zunächst schien unklar, welche Bedeutung dem beizumessen sei, hatte man nicht bereits alle Orientierung in dem Sturm verloren. Diesmal jedoch hatten sie einen Felsen getroffen, eines der Riffe, die in dieser Gegend zu erwarten waren. Wasser drang in den Bauch des Schiffes ein und überflutete schon bald den Bauch des Schiffes. Daryaa hatte sich schon zu Beginn mit ihrem Sohn in einen höher gelegenen Teil des Schiffes begeben, auf der Suche nach einem Platz, an dem man soweit möglich einen Überblick behalten könne. Als das Schiff Leck schlug trieb sie den kleinen Faruk an, weiter voranzueilen. Sie öffnete gerade die Tür zum obersten Deck, als eine dagegenbrausende Welle ihr diese aus der Hand schlug und die Tür wuchtig gegen die Wand prallte. Innerhalb weniger Herzschläge waren sie völlig durchnässt. Eisern und verbissen zerrte sie ihren Sohn weiter in die Nacht hinaus. Die wenigen Beiboote, die das Schiff mit sich führte wurden bereits zu Wasser gelassen. Doch auch hier war der Sturm gnadenlos. Die Verankerungen rissen als das letzte Schiff hinabgelassen werden sollte und es stürtze mitsamt seiner Insassen in die Tiefe hinab. Zwar schwamm das Boot im Anschluss noch, doch die Passagiere saßen nicht mehr darin, sondern trieben in den Wellen und wurden nach und nach von der See verschluckt. Sie hatten keine Zeit mehr. Hastig zerrte sie das Kind weiter und entgegen jeder Gegenwehr sprang sie mit dem Kleinen beherzt von Bord. Sie brauchten dieses Boot.
Das Wasser schlug über ihnen zusammen, drohte sie hinabzuzerren. Die Dunkelheit tat ihr Übriges, wobei der brennende Hauptmast nun eher ein Segen schien als Fluch. Immerhin spendete er ihnen etwas Orientierung. Da vor ihnen, dort war das kleine Boot. Mehrere Personen hatten es bereits wieder an Bord geschafft. Sie mussten sich beeilen. Unbarmherzig und mit dem Mut einer Mutter ließ sie den jungen Anaan nicht los, der immer wieder Wasser schluckte und mitleiderregend hustete und weinte. Wie gerne hätte sie sein Weinen gelindert. Doch dafür blieb keine Kraft und keine Zeit. Die stürmischen Wellen machten es ungemein schwierig überhaupt in Richtung des Bootes zu schwimmen doch sie gab nicht auf. Irgendwann, es erschien ihr wie eine Ewigkeit, klatschte ihre Hand an das Holz und sie konnte sich mit einer Hand am Rand festhalten, die andere noch immer mitsamt Arm um ihren Sohn geschlungen. "Das Boot ist voll!", schrie ihr eine Natifah zu, die sich zu ihr hinabbeugte und sogleich bemühte, vom Rand fortzustossen. Das Boot ist voll, ich zeig dir gleich wie voll das ist, dachte sie zornig, ohne den Rand loszulassen. Sie führte die kalten Hände ihres Kindes zum Gürtel, drückte hart zu, damit er sich auch festhielt, denn hierfür brauchte sie beide Hände. Sobald sie sicher war das der Junge dies unter Prusten und Schnauben auch tat, langte sie mit der freigewordenen Hand tief ins Wasser und zog einen der unzähligen Dolche, die sich in ihrer Kleidung verbargen aus seinem Futter. In dem Sturm, dem Regen und dem Wogen der unbarmherzigen Wassermassen war es für die anderen im Boot schwerlich zu erkennen, wie sie sich mit der Hand am Rand hinaufzog und gleichsam von unten die Klinge in die Seite der Frau stieß, dabei noch ihren Stoff zu fassen bekam und sie aus dem Boot hinausriss, hinter sich in das wogende Meer katapultierend. Den Dolch riss sie mit sich. Daryaa wusste wie sie hieß, sie hatten sich unweigerlich auf der Fahrt kennengelernt und unterhalten. Doch in diesem Moment war es ihr egal. "Natifah". Das reichte für die Toten. Da nun wieder ein Platz frei geworden war, schrie sie die anderen an, ihren Sohn hinaufzuhieven. Der Kleine wurde aus dem Wasser hinauf in die Umarmung von Fremden gezogen. Sie sah sein Zittern im flackernden Schein der Flammen hinter ihnen. Eine weitere Hand streckte sich zu ihr hinab um ihr ebenso zu helfen, an Bord zu gelangen, als ein klauenartiger Griff sie von hinten packte und sie ihr eigenes Geschenk in der Schulter spürte. Die "Natifah" war noch gar nicht tot und sie zerrte an ihr, riss sie von dem glitschigen Holz fort, so dass sie beide in den Wellen miteinander rangen. Welche Idiotie, dachte sie, trotz der aufblühenden Schmerzen bei sich, gleich gefolgt von dem Gedanken, dass zumindest ihr Sohn in Sicherheit war. Er würde es schaffen. Sie warf sich weit nach hinten, rang und riss noch immer an der anderen Frau, diesmal jedoch um sie auf jeden Fall von dem Boot fernzuhalten. Dieses entfernte sich immer weiter in der Nacht. Schon bald war kaum mehr etwas zu erkennen. Nur noch hier und da ein Aufblitzen eines Gesichts in den Wellen. Bis auch dieses gnadenlos verschwand.

Als die Dunkelheit über ihr zusammenschlug und ihre Lungen sich verkrampften, dachte sie ein letztes Mal an ihre beiden geliebten Männer, an ihre Familie, die sie in Menek'Ur zurückgelassen hatte. An all die Gesichter, wie sie lachten, wie sie weinten, wie sie stolz und erhaben dreinschauten. Einer nach dem anderen erschienen sie vor ihrem inneren Auge, bis Daryaa Shazadi Yazir ein letztes Mal Luft holte und nur noch Wasser ihre Lungen füllte.
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