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Die Leiden einer Rekrutin
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Die Leiden einer Rekrutin
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 06 Jun 2013 18:48    Titel: Die Leiden einer Rekrutin
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Ein leises Schnauben erklang als Thalia sich aus ihrem kaum als bequem zu bezeichnenden Bett quälte. Es gab keinen vergleichbaren Morgen wie diesen. Sie war sich sicher: der Korporal würde sie körperlich an das Ende ihrer Kräfte treiben. Verdammter Ziegenbock! Schleichend mehr als laufend bewegte sie sich auf den kleinen Waschtisch am anderen Ende des gemieteten Zimmers zu und verrichtete notdürftig etwas Körperpflege. Dabei besah sie sich im Wandspiegel und stellte fest, dass ihr Gesicht noch immer quietschend rot war. Der Ausflug ohne Kopfbedeckung in die Wüste von Menek'Ur war definitiv keine gute Idee gewesen. Immerhin hatte der Schlamm etwas Gutes an sich gehabt, der ihr bei den Leibesertüchtigungen am Vorabend zu Teil geworden war ... noch immer beschäftigte sich die Rekrutin aber mit den Geschehnissen.

Auf dem Weg von Berchgard nach Adoran hatte die Kutsche einen Radbruch erlitten und so war es unweigerlich dazu gekommen, dass sich Thalia zu Fuß nach Adoran hatte begeben müssen. Schon als sie aus der Kutsche ausgestiegen war, hatte der Himmel sie mit dicken Regentropfen begrüßt, die nur wenig später zu einem ausgewachsenen Regenschauer angeschwollen waren. Als sie endlich das Tor von Adoran erreicht hatte, musste sie feststellen wer sich dort tummelte. Und diese Feststellung hatte ihr ungleich eine verärgerte Grimasse auf die Züge beschert. Der Korporal hatte mit den Rekruten Aufstellung bezogen und kontrollierte jeden Durchreisenden. So auch Thalia. Sah man einmal von dem plötzlichen Geistesschwund des Korporal ab, der sich gewiss ob des andauernden Regens negativ mit einer Matschbirne bemerkbar gemacht hatte, so wirkte Vaughain ansonsten freundlich. Durchnässten Kleides und patschnasser Haare hatte sie ihm abwartend zugesehen. Belohnt wurde diese Geduld mit der einzig wahren Strafe für einen Rekruten nach einer solchen kräftezehrenden Reise: einer zusätzlichen Wachschicht. Ob des Ärgers hatte die kleine zierliche Frau mit den lohfarbenen Haaren noch nicht einmal bemerkt, dass Helisande zur Wache hinzugestoßen war. Oder dass Ernst sie ob ihres Erscheinungsbildes angestarrt hatte als wäre sie eine übernatürliche Erscheinung. Sich zu Wehr setzen half bei dem Korporal auch nicht, und so nahm Thalia die aufgebrummte Wachschicht für gegeben hin und begab sich in aufgezwungener Begleitung der Heilerin Marjorie zur Kommandantur, um sich für den Dienst vorzubereiten.

Bei der Rückkehr an das Stadttor wurde nicht lange gefackelt, jeder Rekrut durfte mal ran und kontrollierte Durchreisende hinsichtlich Namen, Stadtzugehörigkeit und Ansinnens. Als dem Korporal langweilig geworden war, hatte er seine vier Rekruten zu Liegestütze antreten lassen, während er sie über verschiedene Gruppen mit besonderem Rüstungsstatus abgefragt hatte. Dabei war Thalia schlicht und ergreifend ob der Liegestütze nach dem dritten Versuch zusammengebrochen und hatte sich wie eine zermatschte Kröte im Schlamm wiedergefunden. Es fehlte ihr einfach an Kraft, um in voller Rüstung eine derartige Übung durchzuführen. Auf diese Weise war sie zumindest dem Kontrollgang entlang der Stadtmauer entgangen, doch Korporal Fjalon hatte sie in die Kommandantur beordert, um ihr eine Standpauke über ihren körperlichen Zustand zu halten. Immerhin hatte er ihr seine Hilfe angeboten ... so wie später auch Lilian, der sie unerwartet und so völlig unpassend mit feuchtem Kleid und Haar nach Hund stinkend in die Arme gelaufen war. So wie leider Gottes ebenso Milady von Dornwald. Thalia hatte innerlich geflucht wie eine Wetterhexe, doch immerhin hatte sie sich unter Kontrolle gewusst und davon nichts nach außen dringen lassen. Aber trotzdem: ausgerechnet Milady von Dornwald! In diesem Zustand vor der Gräfin ihren Namen zu nennen, war Thalia äußerst unangenehm gewesen ... denn sie würde ihr noch einmal vor die Augen treten müssen.

Schnaufend blickte Thalia wieder in den Wandspiegel. Heute Abend würde sie im wahrsten Sinne vor Milady von Dornwald kriechen müssen. Sie hoffte inbrünstig, dass ihr vorabendliches Aufeinandertreffen keine negativen Konsequenzen haben würde. Wie dem auch war ... Thalia bereitete sich auf den Abend vor und versuchte den Tag über ihre Muskeln wieder funktionsfähig zu machen ... doch irgendwie gelang ihr dieses Unterfangen nicht. Möglicherweise hätte sie einen Heiler aufsuchen sollen. Nun war es jedoch zu spät dafür. Also blieb ihr nur noch sich ordentlich herzurichten und irgendwie ihr sonnenverbranntes Gesicht zu übertünchen. Dabei machte sie sich beiläufig Gedanken über das Auftreten ihres Kameraden Ernst in der Stadtstube am Vorabend.

Eigentlich hatte Thalia nur etwas entspannen wollen und war tief in den Sessel gesunken, der sich neben dem Kamin befand, als Ernst eingetreten war. Unglücklicherweise hatte er sie sofort entdeckt und sich zu ihr gesellt. Nach einigem Gerede über die üblen Leibesübungen des Korporals hatte sie ihm ob der schmerzenden Muskeln ohne Kompromissbereitschaft angewiesen ihr den Rücken zu kehren. Wenig später hatten sich die schmalen Finger wie Nägel in seine Muskeln gebohrt und hatten diese durchgewalkt. Nach einigen rauen Seufzern hatte sie dann schließlich ihre Finger zurückgezogen. Mit einem eher unangenehmen Gefühl ob dieser eigentlich kameradschaftlichen Aktion hatte sie sich davonschleichen wollen. Dummerweise war er ihr bis zum Gasthof gefolgt. Verdammter Mistkerl! Irgendwie mochte sie ihn ja ... aber er war nun mal ein Kamerad.

"Jetzt reiß dich mal zusammen, sonst wird das nichts mehr heute Abend mit deinem Vorsprechen!" Sie meckerte lautstark über ihr dummes, weibisches Verhalten und straffte sich. Dabei verzog sie ob der schmerzenden Muskeln das Gesicht, probte dann aber wieder einen ernsten Gesichtsausdruck. Ernst. Genau das brauchte sie jetzt. Auf ging es, die Hochgeborenen warteten nicht auf verspätete Bittsteller! Und so trugen die Füße die junge Frau brav und artig zum Rat von Adoran, wo sich entscheiden würde, ob ihr neues Leben in Adoran Wurzeln schlagen wurde. Es war schon so viel passiert seit ihrer Ankunft in Bajard … und ihrem Ziel ein Schwertschwinger wie ihr Vater zu werden war sie schon einen Schritt näher gerückt. Immer langsam, Schritt für Schritt. Sie würde Geduld haben.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 16 Jun 2013 18:30    Titel: Kehrtwendung
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Vorsichtig stocherte Thalia mit einem kleinen Ast in der Glut eines Lagerfeuers herum und wirbelte so einen Schwall aus heißem, stickigem Rauch in die Luft empor. Sie hustete als der Rauch ihre Lungen erreichte und ihre Augen zu tränen begannen. Ein schwerer Seufzer verließ ihre Lippen, dann sah sie zum Nachthimmel empor und wisperte ein leises Gebet von ihren Lippen. Dabei drängten all die Gefühle in den Vordergrund, die sie in den letzten Tagen so gut wegzusperren gewusst hatte. Einige wenige Tränen rangen an den Wangen herab, die nun nicht mehr verbrannt sondern sonnengebräunt aussahen. „Reiß dich zusammen“, wisperte sie sich zu und wie zur Bestätigung wieherte der Hengst, der sein tierisches Dasein nun an einem Baum festgebunden auf einer saftigen Wiese verbrachte. Sie hatte den Hengst mittags bei einem Bauern in Adoran von ihren letzten Goldmünzen erstanden…

Die Unterredung mit Fräulein Belfa vor ein paar Tagen war aufregend gewesen, zweifelsohne hatte diese Frau eine gewisse Anziehungskraft an sich, die direkt dafür gesorgt hatte, dass sich Thalia in ihrer Gegenwart wohlgefühlt hatte. Eine erfreuliche Erkenntnis war zweifelsohne auch die gewesen, dass die Gräfin von Dornwald nicht bei der Anhörung zu Gegend war. Und so waren es schließlich zahlreiche Fragen, die sie von Fräulein Belfa aufgetischt bekommen hatte. Zu Thalias Bedauern hatte sie alle Fragen zufriedenstellend beantworten können, bis auf eben jene, die um Reich und Gesetze gewoben waren. Dass sich die kleine Zierliche darüber geärgert hatte in jener Hinsicht nicht antworten zu können, war zweifelsfrei zu sehen gewesen. Was sie nicht hatte zum Vorschein bringen lassen war die Tatsache, dass ihr eben jener Unterricht bisher nicht zuteil geworden war, den Lilian ihr versprochen hatte als sich Thalia als Rekrutin beim Regiment einschreiben lassen hatte. Stattdessen waren es unzählige Leibesübungen gewesen, welche das zierliche Ding ertragen hatte müssen.
Zu allem Ärger fand Fräulein Belfa auch noch heraus, wo sich Vaughain aufhielt und stellte ihn zur Rede als sie die Kommandantur mit dem Korporal im Schlepptau wieder erreicht hatten. Thalia war keine Närrin. Der Gesichtsausdruck Vaughains genügte, um ihr zu verraten, dass er ihr einen Strich durch die Rechnung machen würde. So oder so … erst wenn Vaughain sein verdammtes Schreiben an Fräulein Belfa ausstellte, der ihr die Nachholung eben jener Unterrichtsstunden bestätigte, würde Thalia an einen Bürgerbrief kommen, um sich in Adoran niederzulassen. Und sie war sich gewiss: Vaughain würde tausend Wege finden, um sie nach exzellentester Manier zu malträtieren.

„Und nun Dhasir?“ Thalia sah aus ihren Gedanken gerissen zu dem jungen Hengst herüber und zog die Beine an ihren Körper, die Arme schlangen sich wenig später um eben jene. Als das Tier keinen Laut machte, schluckte Thalia die aufkeimende Bitterkeit herunter und sah auf das Lagerfeuer zurück. Was sollte sie nun machen? Sie hatte kein Gold mehr, um sich das überteuerte kleine Kämmerchen im Gasthaus von Adoran auch nur für eine Nacht leisten zu können. Bei ihren Kameraden Helisande und Ernst konnte sie auch nicht unterkommen, denn auch sie hatten kein Heim aufzuweisen. Alles in allem: Sie war obdachlos.
„Bei Eluives Segen und Temoras Willen… lasst mich einen Weg finden“, wisperte Thalia mehr zu sich und fand sich damit ab, dass sie die Nacht im Wald verbringen musste. Ein Blick nach Nordwesten verriet ihr, dass der Markt seine Pforten schloss, denn die letzten Laternen erloschen und mit jener Dunkelheit kehrte Stille ein. Leise zischend kugelte Thalia sich auf dem Boden zu recht. Die Schmerzen der letzten Leibesübungen ließen allmählich nach, doch just in diesem Moment erinnerten sie Thalia daran, welche Qualen sie bald auf sich nehmen musste. Sie verdrängte eine sadistisch verzogene Fratze und träumte sich das Gesicht eines anderen Mannes herbei, ganz still und heimlich. Lediglich sein Name fegte kurz und unausgesprochen über ihre Lippen hinweg.

Vielleicht würde Thalia bei Anbruch des Tages ihren Weg nach Schwingenstein fortsetzen, nun da sie einen Hengst hatte, auf dessen Rücken sie die lange Reise auf sich nehmen konnte. Immerhin hatte ihre neuerliche Bekanntschaft um Raidri und Imara sie herzlich empfangen und ihr einen kleinen Teil des Klosters gezeigt. Und bei den beiden hatte sie zumindest etwas gespürt, dass sich in Adoran bisher vermissen ließ: Das Gefühl willkommen zu sein und auf Mitgefühl zu stoßen. Eine der Tugenden, die auch Thalia hoch hielt. Und immerhin … die Tugend um die Gerechtigkeit hatte sie dem Korporal schon sehr direkt um die Nase geschleudert. Alles in allem schienen die Tugenden im Regiment keinen Heller zu zählen. Ein trauriger Umstand, der Thalia nur mehr auf ungewisse Weise dazu trieb ihre Entscheidung umzusetzen und am nächsten Morgen einen Ausflug nach Schwingenstein zu machen. Bis es soweit war kugelte sie sich auf dem Waldboden auf einer dünnen Strohmatte herum und verfiel in einen sehr unruhigen Schlaf.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 25 Jun 2013 05:39    Titel: Jagdzeit und unnötiges Rumgetappel
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Die Schmerzen der letzten Tage waren vorüber. Was allerdings geblieben war, konnte Thalia nicht greifen. Es war wie ein unsichtbarer Schleier, der sich über ihr Leben gelegt und sie seitdem mit unerbittlichen Fäden gesteuert hatte. Konnte man wirklich behaupten sie war Eluives Segen nicht mehr hold? Nein, ganz so war es nicht. Immerhin hatte Thalia in den letzten Tagen genug Wild erlegt, um davon über die Runden zu kommen. Das Fleisch füllte ihren Magen und das Wildleder hatte ihr ein paar Münzen in die Tasche gespielt. Zu ihrem Ungemach musste sie eben jene wieder in etwas für sie völlig Unsinniges investieren. Tanzen... ja genau das war es wohl, was sie an diesem Abend erwarten würde. Ausgerechnet Rekruten sollten tanzen lernen. Irgendwie kam sie nicht umhin diese Idee lächerlich zu finden, denn sie verglich das Tanzen mit dem Schwingen eines Schwertes. Nur das die Klinge die besseren Argumente hatte erlernt zu werden.

Blinzelnd blickte Thalia von ihrem Lager auf und sah zu den ersten Morgenstrahlen. Sie hatte die Nacht über so vieles gebrütet. In Berchgard hatte es ihr Schicksal wieder nicht gut mit ihr gemeint, denn sie war dreckstarrend und einmal mehr durchweicht vom Regen in der Taverne auf Helisande und Ernst gestoßen, die alles andere als radselig gewesen waren. Irgendwas stimmte mit den beiden nicht, doch sie hatte nicht ausmachen können was es war. Als die rothaarige Schönheit schließlich geflüchtet war, hatte sie ihr den ernsten Rekruten, weiterhin nicht sehr redselig, zurückgelassen. So blieb es also beim Schnaps, bis Thalia irgendwann befunden hatte, dass es genug sein musste. Sie verließ den Rekruten an Ort und Stelle und hatte sich auf dem Weg nach Adoran gemacht.

"Ganz toll Dhasir, wärst du doch an meiner Stelle, dann müsste ich nicht dieses alberne Herumgetappel über mich ergehen lassen. Und ich müsste auch nicht in dem Ding da herumlaufen." Geistesabwesend deutete sie auf ein frisches Leinenbündel, dessen Inhalt das besagte und viel zu teure Tanzkleid war. Mit einem Seufzen wurde ihr bewusst, dass der Gaul außer zu wiehern nicht sonderlich antworten würde. Also stand sie auf, räumte ihr Lager und begab sich zur Bank. Dort deponierte sie ihr Hab und Gut kurzerhand, ehe sie wieder zur Jagd aufbrach. Der Tag war noch jung und vielleicht hatte sie sich bis zum Abend eine Strategie ersonnen wie sie diesem Tanzabend entgehen konnte.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 02 Jul 2013 21:58    Titel: Sternenzelt
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Mit einem leisen Fluch und einem hastigen Schluck aus ihrem Glas starrte Thalia zum Sternenzelt hinauf. Angekommen. Zumindest für den Moment.


In den letzten Tagen hatten sich die Ereignisse nahezu überschlagen. Zunächst war da dieser verdammte Tanzabend … ja, sie hätte darauf verzichten können. Vor allem, weil sie festgestellt hatte die zweite Wahl zu sein. Verdammter Hering, wieso machte die Rothaarige mit diesem Kerl herum? Es war kaum zu übersehen gewesen und die Blicke ihres Kameraden hatten Bände gesprochen. Zweite Wahl. Es war wie es war und damit hatte sie sich abgefunden. Ansonsten war der Tanzabend durchaus entspannend gewesen, wenngleich die Investition in ihr lindgrünes Kleid eine einmalige bleiben würde. Keine Tanzabende mehr. Die Jägerin in ihr wurde dabei zu nervös … so als wenn sie kurz davor war ein Reh oder einen Fuchs zu erlegen. Aus jenem Grund war sie dann schließlich auch gegangen und hatte die rotgelbe Meute auf dem Tanzplatz zurückgelassen, um sich dann wieder in ihrem Lager im Wald herumzutummeln. Die Nacht war ähnlich schrecklich verlaufen wie die vorherigen. Schlaf fand sie seit Tagen nicht, die Geräusche des Waldes versagten es ihr auf unerbittliche Art und Weise.

In den folgenden Tagen hatte sich Thalia wieder damit vergnügt etwas Wild zu erlegen, um sich auf dem Markt am Gelände von Schwert und Kompass einige Schlaftränke und etwas Essen zu erstehen. Der Rückweg hatte sie nach Schwingenstein geführt, wo Eluive sie direkt in die Arme der Klosterwachen von Raindri und Imara gejagt hatte. Verdammt noch eins, in ihrem verwahrlosten Aussehen auf die beiden zu Treffen war alles andere als erfreulich. Doch immerhin hatte Thalia mittlerweile ein Talent dafür entwickelt in unmöglichen Erscheinungen in die Arme von allerlei wichtigen Leuten zu rennen … sie fand sich also mit dem Unausweichlichen ab und bekam als Belohnung für diesen Gleichmut eine Spende vom Kloster. Genauer gesagt von Raindri.
Die Olivaugen waren der jungen Frau bald aus dem Gesicht gekullert. Die Summe, die Raindri ihr überlassen hatte, reichte für neue Kleidung und für ein festes Dach über dem Kopf. Aus Dank über diese Spende ließ sie sich im Gasthaus von Schwingenstein nieder und fand sogar ein Zimmer frei vor, welches ihre kühnsten Träume übertraf. Es war mit schweren Schränken und Kommoden aus Mahagoni ausgestattet und wies außerdem ein riesiges Doppelbett mit Baldachin auf. Selbst an dem Waschtisch weideten sich Thalias Augen. Die größte Überraschung hatte zweifelsohne die Dachterrasse hervorgerufen, die sich am anderen Ende des Zimmers hinter den Eichenholztüren verborgen hatte. Es war ein Ort, an dem sie sich sofort wohl gefühlt hatte und der sie zur Entspannung aufforderte.


Seufzend sah Thalia in das Sternenzelt empor, welches sich über ihrem Blick am Himmel erstreckte. In den letzten Tagen hatte sie es sich wahrlich heimisch in ihrem Zimmer eingerichtet. Es standen einige Körbe für Pilze und Kräuter auf der Dachterrasse, neben ihrem Bett hatten sich die Schlaftränke angesammelt und selbst in dem Kleiderschrank aus Mahagoni warteten einladend einige neue Kleidungsstücke auf sie. Nun fehlte es eigentlich nur noch an einem Bücherregal. Andererseits … die Quelle des Wissens lag direkt vor ihrer Nase. Im Kloster würde sie all das Wissen finden, dass sie in sich aufsaugen wollte wie ein trockener Schwamm. Anders als in Adoran war sie hier in einer heiligen Stätte eingekehrt. Ein Hort des Wissens. Während es in der Hauptstadt um die reine Sache handelte, um den disziplinierten Kampf mit Waffe und Schild.

„Harch, so ein verdammter Hurensohn!“ Thalia sah vom Sternenzelt herab auf den Tisch hin, der mit einer Kerze sowie mit einem Rumtopf gespickt war. Das leere Glas in ihrer Hand wurde ziemlich eilig wieder nachgefüllt und merkbar alkoholisiert widmete sich die zierliche Frau dem nächsten Glas. Dabei brütete sie noch ein wenig über den Patrouillengang, den sie am heutigen Tag mit dem Regiment hinter sich gebracht hatte. Es war seltsam gewesen, auf merkwürdige Weise beinahe kalt. Doch es hatte sich mit betäubend lähmendem Gefühl irgendwie gut angefühlt ihre Gedanken dermaßen abgelenkt zu wissen. Es spielte also keine Rolle mehr. Zumindest redete sie sich das mit zunehmendem Pegel ein. Als das zweite Glas Rum vernichtet war, ließ sie sich noch etwas mehr auf ihre Bank gleiten und starrte weiter in das Sternenzelt empor. Zuletzt ruhte sie im Schutz der Sterne Zelt. Der Alkohol hatte ihren Schlaftrunk unnötig gemacht und sie in das Traumreich Eluives geführt.


Zuletzt bearbeitet von Thalia Nesireh Lekanth am 02 Jul 2013 22:01, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 29 Jul 2013 20:42    Titel: Ein Sommernachtsfau
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Schwer schnaufend warf sich Thalia auf das Bänkchen, das vor dem Waschtisch ihres schnuckeligen Gastzimmers stand, und ließ sich den Abend wie auch einige Gläser des Sangue Draconis durch den Kopf gehen. Ein Gefühl von Schwindel überkam sie noch immer, doch es fühlte sich gut genug an, um ihr ein Lächeln von den Lippen zu treiben.


In den vergangenen Wochen hatte sie sich in Schwingenstein eingelebt und war in den umliegenden Wäldern auf der Suche nach Wild gewesen, um das Leder dem Bunten Kessel zu verkaufen. Am Ende hatte sich ein wahrlich hübsches Sümmchen in ihrem Goldbeutel angesammelt. Mit diesem kleinen Goldsegen beglückt, hatte sie Menek’Ur aufgesucht und dort einige Gegenstände für den eigenen Gebrauch wie auch zwei kleine Geschenke beschafft. Eben jene kleinen Geschenke waren als bald in die Hände des angedachten Besitzers gelangt, wenn auch auf etwas eher altmodische Weise. Der Besuch bei ihrem Kameraden war wirklich anständig gewesen … und es hatte nichts gegeben, was in irgendeiner Form Andeutungen auf ihre verletzten Gefühle gezeigt hatte. Nun … der Besuch war kurz und schmerzlos, sie hatte Ernst dennoch eher verwirrt in seinem neuen Haus zurückgelassen. Es würde besser werden … Mal für Mal. Es würde noch etwas dauern, doch immer wenn dieser spezielle Nerv sie piekte, dachte sie an die lieben Worte von Feoras.

Aiwa … der Schneider, der sie bei ihrer Ankunft damals in Bajard eingekleidet hatte, wurde allmählich zu einem wertvollen Freund. Sie musste dabei zwangsläufig an den Abend denken, an welchem sie Feoras und seine Verlobte Lennja in ihrem gemeinsamen Heim aufgesucht hatte. Es war ein herzlicher Abend gewesen, der geprägt war von teilweise Vertrauen erweckenden Gesprächen wie auch von vielen heiteren Auflachern. Und an diesem Abend war es schließlich zu dem funkenden Gedanken gekommen, den Thalia dann einige Zeit schwer mit sich herumgeschleppt hatte. Ein Maskenball am See von Kronwalden … oh, sie hatte gefürchtet, dass die Tanzstunden des Regiments sie eines Tages noch einmal heimsuchen würden. Doch auf diese unwirkliche Weise hatte sie es nicht erwartet. Nun … immerhin hatten Feoras und Lennja sie dazu überredet den Maskenball zu besuchen, wenngleich sie keinen Begleiter aufweisen konnte ... es war zwar unschicklich, doch durch die Maske würde man sie kaum erkennen. Wahre Worte, doch auch bittere Wahrheit. Das Kostüm wurde ihr für diesen Abend ebenso versprochen. Es gab also keinen Ausweg mehr.

Eben jener Abend hatte die zierliche Frau an den See von Kronwalden geführt. Weiche Sandalen umhüllten ihre Füße und ließen sie das vom Abendreif getränkte Gras an ihren Zehen spüren. Die grüne Lederhose aus Echsenleder umschmeichelte bei jedem ihrer Schritte ihre Hüften. Und auch das passende Lederbustier war eng um ihre Oberweite geschnürt und betonte die richtigen Stellen. Über der Lederhose befand sich ein Rock aus beigen Lederstreifen, welche mit diversen kleinen Taschen für Jagdutensilien gespickt waren. Und dann war da noch der Köcher, welcher mit einigen durchaus scharfklingigen Pfeilen gefüllt war. Die grüne Jägerinmaske hatte ihr Gesicht zuverlässig verhüllt. Nach der Zahlung des Eintritts hatte sie sich noch einen grünen Fächer aus Damast gekauft, der von Perlen und Efeublättern gespickt war, ehe sie dann das Festgelände erkundet hatte.

Die Leckereien hatten sie sofort angezogen, ehe sie sich dann in das Getümmel gestürzt hatte. Die Vorführungen der Gaukler waren ebenso exquisit gewesen wie die Leckereien des Buffetts. Es gab eigentlich nichts, was sie gestört hatte … bis zu dem Punkt, da die Gastgeberin begann Hocker zu verteilen. Es hatte sich später herausgestellt, dass die Reise nach Adoran auf dem Programm stand. Seufzend hatte sich die Jägerin in die Menge der Reiseverdammten getummelt und tapfer jede neue Runde ertragen. Am Ende war Thalia alleine mit einer anderen Frau auf der Tanzfläche gewesen … und hatte wahrlich mit den Reflexen einer Jägerin reagiert. Erleichterung hatte sie geprägt, als sie erkannt hatte die Siegerin des Abends zu sein. Und passenderweise war das Siegergeschenk ein kleiner, flauschiger Teddybär gewesen. Eben jener Teddybär begleitete sie den Rest des Abends. Selbst bei der Wahl von Ballkönig und Ballkönigin hatte die Jägerin das Plüschtier als stolze Beute in den Armen getragen und gab ihrem Kostüm auf diese Weise doch noch etwas niedliches. Dabei stand sie passenderweise neben den beiden Wölfen, denen sie nur fröhlich zugelacht hatte. Die Kostüme von Feoras und Lennja waren wirklich herausragend gewesen. Zwei flauschige Wölfchen, die sie eigentlich über die Tanzfläche hätte jagen sollen.

Gerade als die Wahl vorüber und die Sieger gekürt waren, hatte sich Thalia auf den Weg machen wollen … doch es war gänzlich anders gekommen. Ein Mann in Fauenkostüm hatte sie zum Tanz gefordert und ob der fortgeschrittenen Stunde bei zugegeben höherem Konsum des Sangue Draconis hatte sie nicht mehr nein sagen können. Und so wurde sie über die Tanzfläche gewirbelt als gäbe es kein Morgen mehr. Der Fau hatte sie herausgefordert, hatte gar stachelnd auf sie eingesprochen und ihr so manches Schmunzeln entlockt. Wer war er? Sie hatte es nicht herausbekommen, nur der Hinweis ihn in den Wäldern zu suchen war ihr geblieben. Schließlich hatte der Unbekannte sie von der Tanzfläche freigegeben. Kurz hatte Thalia dabei ein Gefühl von Schwindel überfallen, doch sie hatte sich gefangen, ehe sie die Tanzfläche wieder entflohen waren. Ein kurzer Blick auf zwei tanzende Gestalten hatte sie noch zu einem Schmunzeln geführt. Traute sie ihren eigenen Augen noch, so tanzten da ihre beiden Kameraden miteinander … es hatte sich kurz eigenartig angefühlt, doch dann war der Gedanke wieder vorüber und sie befand sich auf dem seligen Heimweg nach Schwingenstein. Was blieb war die Frage, wer der Fau dieser Sommernacht gewesen war. Es war großartig gewesen, keine Frage … er hatte ihr wie ein Phoenix aus emporsteigender Asche wieder Hoffnung und Zuversicht geschenkt.


Mit zarten Griffen wuschelte Thalia ihrer Beute über das Stoffköpfchen. Der Teddybär reagierte erwartungsgemäß nicht und so rang sich die fleischgewordene Jägerin ein schiefes Grinsen ab, ehe sie das Bärchen auf den Waschtisch setzte. Während sie die Knopfaugen des Kuscheltieres so betrachtete, fragte sie sich, ob sie den Sommernachtsfau jemals wieder treffen würde, der sie so unbarmherzig über die Tanzfläche gewirbelt und ihr dabei so manchen schwindligen Gedanken eingekehrt hatte. Seufzend erhob sich Thalia schließlich und entledigte sich ihrer grünen Jagdrüstung, um in ein weiches Nachthemd zu schlüpfen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster genügte, um zu wissen, dass kein Sommernachtsfau vor der Taverne von Schwingenstein auf sie wartete. Es wäre auch zu schön gewesen. Es blieb also beim alten, eine Frau ohne Mann, die sich manchmal aufführte wie ein Mann ohne Frau. Sie nahm sich fest vor am nächsten Morgen nach Adoran zu reisen, um wieder an ihren Schwertkünsten zu feilen und ihre Dienste in den Namen des Regiments zu stellen. Dort würde sie gewiss wieder ihren Kameraden begegnen … doch es würde nicht mehr so wehtun jene zu sehen, Mal für Mal wurde es besser. Und gleichsam wurde ihr Geist stärker. Es würde Thalia nur weiter formen. Sie war zutiefst dankbar für dieses Gefühl.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 08 Sep 2013 22:05    Titel: Ein kleines Schiffchen mit zartblauen Kornblüten
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Thalia Nesireh Lekanth hat Folgendes geschrieben:
Das Ende der Jagdzeit - Ein Brief an Feoras Zael

Die Suche war beendet - die Jägerin hatte aufgegeben. Der Sommernachtsfau hatte sich nirgends in den Wäldern blicken lassen und auch vermeintliche Fährten waren im wabernden Nebel des Waldes verschwommen, bis sie sich gänzlich verloren hatten. Neben der Fährte selbst hatte sich ebenso die Jägerin in den Wäldern verloren. Sie war wochenlang im Dickicht des Waldes verschollen … bis sie eines Tages wieder in der Nähe von Adoran aufgetaucht war. Die ersten lockenden Sonnenstrahlen des Searums hatten sie mit sanften Fängen wieder in die Realität zurückgezogen. Ihr Weg hatte sie als erstes in das einzig wahre Heim geführt, das sie noch zu besitzen wusste: Ihr kleines Elysium in Schwingenstein.

Mit verdreckter Kleidung, zerzausten Haaren und zerkratztem Gesicht stapfte sie auf ihr Zimmer zu und steckte den Schlüssel in das Schloss. Mit etwas Gewalt sprang die Tür dann auf und offenbarte ihr neben ihrem kleinen Zimmer sogleich ein kleines, unauffälliges Schreiben am Boden. Als sie es aufhob, rang sie sich ein leichtes Grinsen von den Lippen. Eine Jägerin … aiwa, dergleichen hatte der Wald in den letzten Wochen aus ihr gemacht. Eine wahrhafte Jägerin. Mit vorsichtigen Fingern öffnete sie das Schreiben und überflog die Zeilen, die an sie gerichtet waren. Ein raues Lachen entsprang ihrer Kehle ob Feoras lieber Worte. Sie würde ihm eine kurze Notiz zukommen lassen, damit er wusste, dass sie noch lebte. Sogleich warf Thalia die offenstehende Tür in ihre Angeln und stapfte auf ihren kleinen Tisch zu. Dort thronte immer noch der Teddybär, den sie am Sommernachtsball gewonnen hatte. Stupsend schob sie das Ding zur Seite und machte sich Platz zum Schreiben. Wenig später faltete sie das fertige Schreiben zusammen und ließ es durch einen Botenjungen nach Adoran bringen. Der Brief fand sich ebenso unter dem Türschlitz durchgeschoben am Eingang von Feoras und Lennjas Heim wider.

„Feoras,

ich habe mich sehr über deine Nachricht gefreut. In den letzten Wochen habe ich mich ein wenig in den Wäldern des Königreiches verloren und so fand ich erst jetzt dein Schreiben. Ich hoffe es erging dir bisher gut. Vielleicht bist du abends einmal mit Lennja daheim, sodass ich euch besuchen kann. Ich würde mich auf ein baldiges Wiedersehen sehr freuen, die Zeit in den Wäldern war doch sehr einsam…

gez. Thalia Nesireh Lekânth

Ein kleines Schiffchen mit zartblauen Kornblüten

Mit quälend langsamer Handbewegung führte Thalia eine kleine zartblaue Kornblüte auf das Deck eines Holzschiffchens. Es war die erste zartblaue Kornblüte, welche sie von der neuen Pflanze abgezupft hatte. Zögerlich zog sie ihre zerbrechlich wirkenden Finger wieder zurück und begutachtete die kleine, inszenierte Szene.

Ein nachdenklicher Ausdruck zierte ihre zerkratzten Züge für die Weile eines Wimpernschlags. Kaum, dass sie den Weg zurück in die Zivilisation gefunden hatte, da hatte in Bajard ein Markt stattgefunden. Eben jener Markt hatte dazu geführt, dass sie direkt wieder mit zahlreichen Menschen in Kontakt gekommen war. Zum einen war da Großmutter Minna mit ihrem Thymian-Zitronen Tee, der einen Hauch von köstlicher Minze aufwies. Dann war da Meister Othis mit seinem filigranen Piratenschiffchen und der seltenen, schneeweißen Holzstatue, die einen Krieger mit Schwert darstellte. Und dann war da noch Feoras, der ihr am Tag zuvor eine Nachricht zugesandt hatte. Sie war wohl tatsächlich auf sein Rufen hin nach Bajard gekommen. Vielleicht war es ein bisschen Erwachen. Vielleicht aber auch nur die ersten roten Blätter, die den Waldboden bedeckt und sie wieder in die Städte getrieben hatten. Was auch immer es gewesen war, es hatte wohl mit dem Hauch von Einsamkeit zu tun, der sie in seinem klammen Griff festhielt.

Nun, da sie das Piratenschiffchen mit der zartblauen Kornblüte genauer betrachtete, fiel ihr auf wie sehr sie das Exil verwirrt hatte. Sie war wie eben jenes Piratenschiff dahingesegelt auf einem wabernd wirren Nebel voller Ungewissheit. Die zartblaue Kornblüte symbolisierte das, zu dem sie geworden war. Ein exotisch anmutender Rebell, der auf der Suche nach seinem persönlichen Heiland gewesen war. So war sie eingeengt auf engstem Raum, in welchem sie keinen Ausweg finden konnte. Es war verzwickt und nun, da ihr Feoras auch noch diesen verdammten Blumentopf voller zartblauer Kornblüten beschert hatte, gab es so überhaupt keinen Ausweg mehr. Es galt also diese vermaledeite Pflanze zu pflegen und weiter gedeihen zu lassen… Vielleicht wusste der Schneider auch nur, dass er Thalia damit tatsächlich vor ihre erste, kleine und verdammte Aufgabe stellte? War es möglich sie hier in Schwingenstein und den anderen Städten zu halten, ohne dass sie gleich wieder Reißaus nahm? Immerhin… sie würde noch einige Zeit brauchen, bis sie nach Adoran zurückkehren konnte. Sie war noch immer das, was sie auf dem Sommernachtsball geworden war. Durch und durch eine Jägerin, immer auf der Suche nach etwas, wofür es sich zu leben lohnte. Doch ein Leben, welches sie in der Obhut eines anderen Menschen verbringen konnte, hatte sich ihr bisher noch nicht als Weg offenbart. Der Nebel war einfach zu dicht. Die ersten herbstlichen Blätter des Searum kündigten sich an, und es würde ein kalter und einsamer Winter werden.

„Krcch“, wisperte sich Thalia zu und lehnte sich in ihrem weichen Bett zurück. Das Einzige, was an ihrer Seite auf sie wartete, war der gewonnene Teddybär des Sommernachtsballs, der sie nun beinahe höhnisch aus seinen dunklen Knopfaugen her ansah. „Seh‘ mich nicht so dämlich an!“, fluchte Thalia und schnappte sich den flauschig weichen Teddybären. Sie knuffte ihn einmal, dann setzte sie das verdammte Stofftier auf die Truhe, die sich direkt neben ihrem großen Bett befand. „Irgendwann werden Feoras‘ Worte vielleicht wahr… bis dahin träumen wir noch eine Weile von unserem ergänzenden Gegenstück, aiwa?“ Die olivgrünen Augen sahen ein weiteres Mal auf das Stofftier, dann vergrub sich das Gesicht der Jägerin in einem großen Federkissen.
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Zuletzt bearbeitet von Thalia Nesireh Lekanth am 17 Sep 2013 15:12, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 16 Sep 2013 22:22    Titel: Die zerrissene Kette
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Fast meditationsartig polierte Thalia die Klinge ihres kürzlich erstandenen Stoßdolches. Das Coelium glänzte matt im Schein der Kürbislaterne, welche die Dachterrasse in ein gruselig anmutendes Licht tauchte. Mit vorsichtigen Fingern strich Thalia über die Klinge. Als einige wenige Bluttropfen an ihrem Finger herabrannen, war sie zufrieden mit ihrer Entscheidung. Neben der Entscheidung diesen Stoßdolch zu erstehen, gab es noch etwas anderes. Es hatte sich in den letzten Nächten der Nebel zaghaft verzogen, der ihr die Sicht so lange verschleiert hatte. Es war nun lichter und es gab keine andere Option mehr, nun da ihr Pfad sich ihr eröffnet hatte. Und alles hatte mit dem Drang begonnen ihrer Herrin nahe zu sein.

Es war mehr ein Zufall als geplant, dass sie Sir Katuri in die Arme gerannt war, als sie im Kloster nach einem Geistlichen gesucht hatte, der ihr die Beichte abnehmen konnte. Völlig verwirrt von ihrem Vorhaben hatte er sie mit sich in das Innere des Klosters geführt und war dort mit ihr vor dem Baum des Lichts angelangt. Dort hatten sie lange über ihre vermeintliche Fahnenflucht gesprochen, über das was eine solche Flucht tatsächlich bedeuten würde. Und sie hatten darüber gesprochen, was Thalias tiefster Glaube war und ob sie diesen verraten hatte, nachdem sie solange in den Wäldern verschollen war. Es hatte nur eine Antwort auf diese Frage gegeben. Der Abend hatte damit geendet, dass Thalia einen Ruck an ihrem Nacken gespürt hatte, der ihr vor Augen führte wie tief ihr Glaube tatsächlich mit ihrem Inneren verwurzelt war.
Wenig später hatten ihre zarten Fingerspitzen das kleine Kettchen mit dem Ankh an einen Zweig des Baum des Lichts gehangen, während die Olivaugen das Bild noch in sich aufnahmen. Es brauchte kein Symbol mehr, so wie es noch in den Wäldern notwendig gewesen war … dort hatte sie jenes Symbol gebraucht, doch nun war sie gewisser denn je den blassen Pfad nicht mehr zu verlassen. Temoras Weg, stets unter den Augen von Eluive wachend, würde wie die zartblaue Kornblume langsam aus dem Nebel hinausführen und sie stärker denn je zu dem machen, was sie solange gesucht hatte. Und dazu gehörte auch eine weitere Notwendigkeit, für dessen Durchführung sie Sir Katuris Hilfe gewiss sein konnte. Es würde sich zweifelsfrei schmerzlich anführen, doch es führte kein Weg daran vorbei. Die Dinge waren nicht mehr länger miteinander vereinbar.

„Nur noch ein paar Nächte … ich muss mir ganz sicher sein, denn es wird kein Zurück mehr geben. Eluive, will ich denn ein Zurück? Was ist mein Weg?“ Thalia merkte gar nicht, dass sie in Gedanken mit sich selbst sprach, doch als ein leises Rascheln in unmittelbarer Nähe sie aufschrecken ließ, wurde sie wieder hellhörig. Der huschende Schatten war verschwunden, ehe sie ihn überhaupt richtig wahrgenommen hatte. Was war das nur gewesen? Einerlei … mit einem Seufzen erhob sich Thalia und begab sich wieder in ihr Kämmerchen, um den Brief an die Frau Oberstleutnant aufzusetzen. Es wurde eine lange Nacht, die mit einem Haufen zerknittertem Pergament und zwei abgebrochenen Federkielen beendet wurde.



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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 18 Sep 2013 10:56    Titel: Wohin das Herz führt
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Mit einem langen Atemzug machte es sich Thalia auf ihrer Dachterrasse bequem und legte dabei ihre Füße auf den Tisch, während ihr Hintern sich in ein kleines Kissen hineinwälzte. Seit einem Stundenmaß nun war sie bereits alleine. Sie hatte Liralia verabschiedet und dann eigentlich den Plan gehabt in die Federn zu springen. Doch wieder hatte sie nicht schlafen können, und angesichts des kritischen Blicks der Wächterin als jene ihre Schlaftränke erspäht hatte, war Thalia dieses Mal davon abgekommen einen davon zu sich zu nehmen. Das Bier, was sie während Liralias Anwesenheit in sich hineingekippt hatte, reichte auch nicht ansatzweise, um sie in einen tiefen Schlaf zu lullen. So hatte sie die Zeit also genutzt, um weiter an einigen Briefen zu feilen. Zwei von drei Briefen waren fertig … doch der dritte Brief wollte ihr einfach nicht von der Hand gehen. Ein Seufzen, dann warf sie einen Blick auf den ersten Brief.

Seit einiger Zeit war der Wirt der Taverne zu Schwingenstein nicht mehr zu sehen gewesen. Seine Wirtschaft verkam immer mehr, abgesehen einmal davon wie trist es dort drin aussah, blieben ihm auch die Gäste aus. Ein überaus bedauerlicher Zustand, immerhin lag die Taverne strategisch gut an einem Reisepunkt, der sicherlich viele Wanderer anziehen würde. Thalia hatte sich dazu entschlossen dem Wirt ein tatsächlich sehr selbstloses Angebot zu unterbreiten, damit sein Geschäft nicht vor die Hunde ging. Mal sehen, ob der alte Kauz mein Angebot annehmen wird.

„Hmm… und was mach ich nur mit dir?“, sprach sie und betrachtete den zweiten Brief in ihrer Hand. Es war mehr ein freundschaftliches Angebot als etwas anderes. Thalia hatte tatsächlich Missfallen daran gefunden für den ersten Moment, war dann aber über ihren eigenen Schatten gesprungen und hatte das getan, was man von einer Kameradin erwarten sollte. Der Abend in Adoran war seltsam gewesen. Kaum, dass sie die Stadt wieder mit zaghaften Schritten besucht hatte, da war ihr zum einen ein Jäger im Kessel über den Weg gelaufen, der - wie sich dann herausgestellt hatte - eine ähnliche Geschichte führte wie sie es bald selbst haben würde. Immerhin, er war durchaus ein sympathischer Kerl gewesen. Und wäre da nicht ihr Kamerad im Kessel aufgetaucht, hätte sie wohl noch eine Weile mit Eyon gesprochen. „Mhh… du bist ein sturer Esel, und ein schnell beleidigter obendrauf.“ Sie musste über ihre eigenen Worte auflachen, immerhin war sie kein Deut besser. Einerlei … sie entschied sich in diesem Moment die Briefe noch in dieser Nacht zu verteilen. Dabei musste der Brief an Lilian weiterhin warten … Thalia fand einfach nicht die richtigen Worte.

Mit langen Schritten lief sie die Treppe herab und legte dem alten Wirt ihr Schreiben hinter die Theke. Dann lief sie leicht schmunzelnd hinaus und band Dhasir im Stall ab, um auf dessen Rücken einen nächtlichen Ausflug nach Berchgard zu machen. Auf dem Weg dorthin ritt sie am Kloster vorbei, wo eine der Wachen sie wiedererkannte und ihr freundlich grüßte. Es fühlte sich schon jetzt zu gut an … Geduld, bald würde sich alles fügen. Als sie in Berchgard an ihrem Ziel angelangte, zügelte sie Dhasir und warf einen Blick durch eines der nachtschwarzen Fenster. Scheinbar war keiner daheim, doch das machte nichts. Es machte es nur noch etwas einfacher. Hastig lenkte sie ihr Pferd an den Apfelbaum, pflückte davon ein Obststück herab und sprang dann schließlich von dem Rücken ihres Pferdes auf den Boden hinunter. Leise und wendige Schritte lenkten sie an die Eingangstür, wo sie das Schreiben beschwert mit einem roten Apfel vor die Haustür legte. Kurz nochmal betrachtete sie ihr Werk, dann stieg sie wieder auf Dhasirs Rücken auf und preschte durch die Nacht nach Schwingenstein davon.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 19 Sep 2013 20:28    Titel: Scheideweg
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Sie hatte doch nur ihre Regimentsrüstung und die Uniform abgeben wollen. Doch Eluive hatte ihr diesen Plan vereitelt. Im Regiment war sie auf Vaughain getroffen, der sie sofort ins Kreuzverhör genommen hatte. Und dann war es passiert, er hatte sie ohne Umsehen abkommandiert zur Vereidigung von Merrik. Sie war noch nicht offiziell entlassen laut dem Korporal. Ihr Arsch gehörte ihm? Von wegen! Drecksack!

Die Feier verlief im Wesentlichen unauffällig, es galt das übliche Herumgestehe. Dummerweise hatte Thalia einen einzigen Fehler gemacht, nachdem die Vereidigung geschehen war. Sie hatte sich als Gratulantin direkt hinter Korporal Vaughain in der Reihe angestellt … was prompt zu einem ungewollten Tablettdienst geführt hatte. Oh ja … Saft- und Kaffeeschupse, wunderbar! Mehr traute ihr der Korporal ja offenbar auch nicht zu. Dann fiel die Entscheidung nur leichter das Regiment zu verlassen, sie würde ihm einen Gefallen damit machen.

Der Abend hätte sich mit der überaus eintönigen Serviertätigkeit durchaus noch als angenehm bezeichnen lassen können, wäre da nicht Korporal Talianna auf sie zugekommen. Ohne Rücksicht auf Verluste hatte sie Thalia mit sich geschleift, sie zur Rede gestellt. Und dabei so viel mehr von sich selbst offenbart. Sie war der Jägerin in so vielen Punkten ähnlich. Das Gespräch war lang und intensiv und während dieser Zeit kamen so viele Themen auf, die Thalia zum Grübeln brachten. Vaughain ein ehemaliger Rahaler? Talianna eigentlich eine ungelernte Streunerin? Marjorie konnte keine Herzen heilen, so gut sie als Heilerin auch war? Das Regiment eine Familie? Der Abend verlief wie ein Wirbelsturm, der den Nebel wieder aufwirbelte … und dabei hatte Thalia gehofft endlich einen Weg gefunden zu haben. Nun stand sie an einer Wegkreuzung. Wohin des Weges Jägerin? Du wirst den Weg schon finden, denk nach! Hab Vertrauen, wag es.

Sie ging mit der Frage heim, ob sie Wachdienst im Kloster und im Regiment gleichermaßen halten konnte. Sie wollte beides … Zeit schinden, überlegen welche Weggabelung man gehen konnte. Ein schweres Seufzen, was sollte sie tun? Immerhin, die anderen zwei Bedenken, die sie gegenüber Talianna geäußert hatten, belasteten ihre Seele nicht mehr so stark. Der Wachdienst würde getrennt verlaufen soweit es möglich war … und wo möglich bestand die Chance vor Vaughain ansatzweise sicher zu sein. Arschloch, mein Arsch gehört dir nicht! Und nun … was den Konflikt betraf, ob Kloster und Regiment miteinander vereinbar waren … hier musste Lilian belästigt werden.

Was blieb, war der Gedanke, ob Thalia den Brief ihres Kameraden vergessen konnte. Wann würde sie endlich ihn vergessen? Verdammte Scheiße! Wollte sie eigentlich eine höhere Position im Regiment, Gardistin werden? Sie zweifelte noch schwer daran. Abgesehen davon hatte sie nicht ansatzweise die Kraft eines Feldwebels. Sie blieb eine Jägerin. Ganz von diesen Überlegungen ab, die Familie, von der Talianna gesprochen hatte … nein, das konnte sie nicht behaupten. So schwer es war … Schwingenstein war zu ihrem Heim geworden, schneller als sie geblinzelt hatte. Und wieder: es blieb eine Weggabelung, welchen Pfad galt es zu nehmen? Ich bring sie um … warum muss sie ausgerechnet jetzt beginnen mich wie ein altes Mütterchen zu betüdeln? Und bei der Gelegenheit bring ich den anderen Korporal auch um die Ecke. Krrrccchh!

Thalia war müde und verwirrt, doch sie schlüpfte in ihre Lederrüstung und machte sich auf dem Weg in die Nacht. Es gab in jener Nacht noch Blut an ihrer Klinge. Sie hätte nie gedacht dermaßen kalt auf einen Gegner losgehen zu können. Doch etwas Dunkles regte sich in ihr, das sie weder begreifen noch lenken konnte. Etwas, dass manchmal einfach von ihr Besitz ergriff.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 04 Okt 2013 10:17    Titel: Wenn die Kindheit stirbt
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Keuchend stach Thalia mit einem silbernen Dolch immer wieder durch Jute und zog mit jedem Mal mehr Stroh aus der Übungspuppe hinaus. Wutentbrannt stach sie Mal für Mal zu, es fühlte sich beinahe so an wie in den Wäldern, wenn sie ... "Verdammte Scheiße, ich bring ihn um!", keuchte sie und ließ nicht von der Übungspuppe ab. Sie konnte nicht aufhören. Es fühlte sich an wie ein süßer Rausch, der viel zu gut tat, um sich nicht davontreiben zu lassen. Wären da nicht die bitteren Gedanken gewesen, die sich immer wieder in den Vordergrund drängten ... Wieder galt es auf der Straße zu nächtigen, obwohl sie ein Heim hatte. Ein Heim, in das sie nicht zurückkehren konnte. Was würde geschehen, wenn sie sich den Befehlen widersetzte? Fahnenflucht? Gut möglich. Was hielt sie davon ab? Sie war verwirrt, konnte ihre Gedanken nicht richtig sortieren. Eine Nebenwirkung ihres Blutrausches. Und nun, da sie gefangen war in dieser Stadt, konnte selbst die Jägerin in ihr nicht mehr für Ausgleich sorgen. Sie musste einen anderen Weg finden, nun da sie sich in einer Sackgasse befand. Sie konnte nicht zum Kloster, das Gespräch mit Lilian war gestrichen worden, Ausgangssperre aus Adoran. Es war ihr nichts geblieben, außer den ständigen Peinigungen dieses Spießers, derer sie sich nicht erwehren konnte. Ein Stück von ihr war gestorben, ein kleiner Splitter nur, der für die Durchtrennung dieses letzten Fadens zu ihrer Kindheit gesorgt hatte.

Sie hatte es zu lange von sich weggehalten, hatte sie es doch vor Jahren schon kommen sehen. Die letzte Person, die ihr etwas bedeutet hatte, war schon lange tot. Sie war nicht wieder aufgetaucht. Als Thalia im zarten Alter von 16 Lebensläufen entdeckt hatte, wer das Leben ihrer Mutter so unwirklich beendet hatte, war sie geflüchtet. Die Flucht hatte angehalten, bis heute.Sie war nicht in der Lage gewesen sich damals zu wehren. Nun, da einige Jahresläufe vergangen waren, hatte sie gelernt ein Schwert zu halten. Es reichte, um damit nachts ihrer Rachsucht nachzugehen. Sie würde dafür wahrscheinlich eines Tages vor Eluive gerichtet werden. "Ksscchhtt .... denk nicht daran", wisperte Thalia und stach abermals zu. Ihre Bewegungen wurden dabei immer präziser, die Stiche in die Übungspuppe genauer. Und mit jedem weiteren Stich wurden die letzten Erinnerungen in ihrem Inneren blasser. Ihr Blick wurde dabei so trüb, dass sie ihr Ziel nicht mehr richtig erkennen konnte. Ein kehliger Schrei entwich ungewollt ihren Lippen.

Beinahe panisch nach Luft schnappend stach Thalia weiter zu, verausgabte sich solange, bis ihr Körper sie in die Knie zwang und ihre Beine nachgaben. Der silberne Dolch landete klirrend auf den Steinfließen, verfolgt von den ersten Tropfen aus Thalias geröteten Augen. Sie wusste, dass ihre Kindheit heute getötet worden war, die letzten Erinnerungen an ein unbeschwertes Leben begannen zu verblassen. Hatte sie all dies doch so gut behütet, nun zerrann ihr jeder flüchtige Gedanke und jede zarte Gefühlsregung durch die Finger wie feiner Quarzsand. Was am Ende blieb war schwer auszumachen. Die Kälte der Stadt kroch in sie und löschte das lodernde Feuer in ihrer Seele. Schwerfällig rappelte Thalia sich wieder auf, wischte sich die Tränen aus den Augen, griff nach ihrem silbernen Dolch und stapfte von der Übungshalle zur Kommandantur. Dort führte ihr Weg sie in die Küche, und sie musste dabei feststellen, dass die Speisen dort nicht ansatzweise etwas mit Essen zu tun hatten. Ekelhafter Fraß. Die Rationen waren zweckdienlich. So wie das verdammte Regiment. So verließ sie die Kommandantur wieder mit leeren Magen und verdrängte das Hungergefühl noch ein Stück mehr.

Am Ende konnte man das Häufchen Elend am Hafen von Adoran finden, wo sie lange mit eingezogenen Beinen sitzend auf einem Steg auf das Meer hinausstarrte. Ihr Blick hing an dem Flecken Horizont, wo sie in der Dunkelheit der Nacht Menek'Ur vermutete. Dort wo ihre Kindheit lag. Es fiel ihr schwer ihre Olivaugen davon abzuwenden und auf das zu blicken, was sich hinter ihrem Rücken befand. Erst als leise Schritte neben ihr erklangen, sah sie weg und blickte in die Augen eines alten Fischers. Es war ein einfacher Mann, doch auf seine Weise strahlte er Vertrauen und fast so etwas wie väterliche Weisheit aus. "Mädchen, was ist so schlimm, dass du hier in der Kälte sitzt und dich noch erkältest dabei? Komm hoch, komm. Ich gebe dir etwas von meinem Backfisch ab. Und dann sorgen wir erst mal dafür, dass du wieder anzuschauen bist ohne dabei wie eine Wilde zu wirken." Und so reichte der alte Fischer ihr die Hand, half ihr hinauf und führte sie zu dem kleinen Fischerstand. Der Backfisch war gierig verschlungen, kaum dass Thalia diesen in den Händen gehalten hatte. Sie hatte nicht bemerkt, dass der Fischer ihr Äußeres betrachtet hatte. "Mädchen, deine Haare sind ganz verknotet, was in Eluives Namen hast du angestellt?" Thalia wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, ehe sie dann mit einer Hand den dicken Zopf ergriff und ihn über ihre Schulter zog. Der Fischer hatte Recht, die Haarenden waren dermaßen ineinander verwirrt, dass selbst ein Frisörmeister sie nicht wieder hätte entwirren können. "Ich ... ich brauche eine Schere, habt ihr eine hier?" Als der alte Fischer daraufhin nickte und aus seiner Tasche eine rostige Schere hervorfischte, seufzte Thalia einmal schwer und griff dann danach. Es dauerte keinen Wimpernschlag, bis von dem dicken Zopf ein gutes Stück abgeschnitten war und die Überbleibsel gen Boden fielen. Ihre lohfarbenen Haare lösten sich wie von selbst und legten sich weich um ihre Schultern, nun da der wirre Knoten am Haarende sie nicht mehr zusammenhielt. Der Fischer grinste ein bisschen und nahm Thalia die Schere wieder ab. „Nur dafür war sie gedacht“, meinte er tadelnd als er in ihren Olivaugen etwas funkeln sah. „Danke Herr“, wisperte sie ihm zu und deutete auf seinen Stand. „Ich helfe euch wenn ihr wollt in den nächsten Tagen bei eurer Arbeit.“ Der Fischer schüttelte energisch den Kopf. „Nun geh erst mal heim, und wenn du dich ausgeschlafen hast, kannst du wiederkommen aye?“

Thalia nickte und trottete dann davon. Wohin sie nun gehen sollte wusste sie nicht. Ihre Füße trugen sie einfach durch die Stadt. Dabei sah sie leeren Blickes auf die Häuser, in einigen Fenstern brannten bereits die Abendlichter und man konnte fröhliche Stimmen hören. Sie glaubte sogar, dass sie da irgendwo die Stimme einiger vergnügter Kinder hören konnte. „Wohin … denk nach. Als Mutter starb, hab ich auch überlebt.“ Gedankenverloren murmelte Thalia sich Mantra artig jene Worte zu, ehe sie dann den entscheidenden Funken hatte. „Natürlich … warum bin ich nicht eher darauf gekommen.“ Energisch nun setzte sie ihren Weg fort, verließ die Hauptstadt und bahnte sich ihren Weg in den ländlichen Teil Adorans ganz im Osten, über den Fluss hinweg. Als sie an ihrem Ziel ankam, knurrten ihr zwei Wölfe leise entgegen, doch sie beachtete jene nicht weiter und klopfte dann an die Tür von Lennja und Feoras. Sie hoffte innig, dass sie hier eine Bleibe finden konnte, solange Vaughain sie in seiner Gewalt hielt und die Ausgangssperre aus Adoran verhangen war.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 08 Okt 2013 11:59    Titel: Grenzerfahrung
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Begleitet von einem leisen Schrappen wachte Thalia allmählich aus ihrem komatösen Schlaf auf. Hier und da ein kleines Zucken, da ein Drehen des Kopfes und … fluchend sprang sie von ihrem Stuhl auf und stellte im nächsten Atemzug fest, dass ihr bei jeder Bewegung die Glieder schmerzten. Als sie Herrin ihres Augenlichtes wurde, bemerkte sie ihre Rüstung, welche noch immer in vollem Glanze ihren schmalen Körper einhüllte. Wo war sie? Und viel besser noch: Warum war sie hier? Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Thalia endlich wieder bei klarem Verstand war und sich - begleitet von einem schmerzhaften Stöhnen - herumdrehte und die Rüstkammer vor sich liegen sah. Bei Eluive … sie war tatsächlich in der Umkleide der Rüstkammer eingeschlafen. Und unter ihrem Kopf befand sich auf dem Frisiertischchen ein kleines, unauffälliges Schreiben. Mit in Zeitlupe erscheinender Geschwindigkeit zog sie das unter ihren Plattenhandschuhen liegende Papier von dem Frisiertischchen und entfaltete jenes sorgsam. Die Erinnerung kam mit jeder Zeile wieder.

Erschreckt faltete sie es nach dem Durchlesen wieder zusammen und legte es auf das Frisiertischchen zurück. Dann begann sie sich mit qualvoll verzogenem Gesicht zu entrüsten, bis sie nur noch in einem Leinenhemd bekleidet in der Umkleide stand. Ein zögerlicher Blick in den Spiegel verriet ihr, dass an allen möglichen Stellen ihres Körpers Aufschürfungen der Haut entstanden waren. Auf ihren Schultern konnte sie ebenso einige verräterische blassblaue Blutergüsse erkennen. Und mit jeder Bewegung, die sie anstellte, um sich wieder in ihre waldgrüne Leserhose und die eng anliegende Schnürbluse zu kleiden, zuckten ihre Muskeln unter der geschundenen Haut stark zusammen. Selbst das Anziehen ihrer nachtgrauen Stiefel war eine Qual, denn sie konnte sich kaum nach unten bücken. Ein kurzer Spaziergang aus Adoran heraus? Von wegen, der verdammte Spießer hatte sie durch das halbe Grenzgebiet geschleift. Dabei hatte es so ruhig angefangen … nur eine Schicht als Nachtwache im Kerkerkomplex.

„Krrcchh … ganz ruhig … bring diesen verdammten Truppenbericht hoch und dann lauf, soweit dich deine Beinchen tragen können.“ Thalia sprach sich selbst zu, um sich zu beruhigen aber auch, um die Schmerzen zu verdrängen. Sie verfrachtete die Einzelteile ihrer viel zu großen Plattenrüstung in ihre Mannschaftstruhe und schlürfte dann mit schwachen Schritten zum Büro der Kommandantur. Dort wurde das Stück Papier auf dem Schreibtisch abgelegt, ehe sie dann ihren Weg nach Ost-Adoran fortsetzte. Sie benötigte einen guten halben Zeitmesser, bis sie bei Lennja und Feoras Heim eintraf. Ein Blick auf das Schild verriet ihr, dass auch sie hier nun daheim war. Mit einem Schnauben zog sie den Schlüsselbund aus der Tasche ihrer waldgrünen Lederhose und steckte einen Schlüssel davon in das Schloss der Haustüre. Es klackte verdächtig, dann sprang die Haustür auf. Noch kann ich hier sein, doch was ist erst wenn die beiden nach Kronwalden ziehen. Ich würde so gerne mit ihnen gehen, doch was ist mit meiner Bleibe im Schwingenstein?

Thalia durchzog ein schwermütiger Gedanke über den heimlichen Besuch in Kronwalden, welchen Feoras mit ihr unternommen hatte. Das Pärchen wollte umziehen, und Thalia sollte das Gespann ergänzen. Ein verlockender Gedanke, doch ebenso gefährlich im Moment. Es würde sich alles fügen. Ganz gewiss. Sie musste nur weiter Geduld zeigen. Mehr kriechend als laufend wanderte Thalia in das Haus, ließ hinter sich die Haustüre in ihr Schloss fallen und suchte den einzig wahren Ort auf, der ihr in diesem Moment einfiel. Die Tür zum Gästezimmer stand sperrangelweit offen und warf man einen Blick hinein, konnte man dort eine zermatschte junge Frau in ihrem Bett liegen sehen. Sie hatte es noch nicht einmal geschafft die Kleidung auszuziehen, denn der Schlaf hatte sie direkt anheim gesucht.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 04 Nov 2013 21:20    Titel: Blätterfall
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In den letzten Wochen war aus den kriechenden Bewegungen der Rekrutin wieder ein annähernd zufriedenstellendes Laufen geworden. Sah man sich ihren schmalen Körper genau an, so konnte man feine Züge von Muskeln erkennen. Doch mehr als das war es nicht, was die ständigen Körperertüchtigungen aus ihr hervorgepresst hatten. Es war beinahe so als wenn sich ihr zierlicher Körper dagegen wehrte kräftiger zu werden. Selbst ihre Rüstung rutschte noch immer, da konnte selbst der beste Schmied keine zufriedenstellende Anpassung vornehmen. Wehmütig blickte Thalia aus ihrem Fenster und fand sich mit dem Gedanken ab nie mehr zu sein als ein schmaler Zweig, den man im Wind nach Belieben biegen konnte. So wie man es im Regiment mit ihr tat.

Die Wachschichten und die Truppenausflüge zehrten stetig an ihren Kräften. Sie versuchte so oft wie möglich die Schichten in der Küche abzuhaschen, jene waren sowieso die unbeliebtesten. Es galt dort stets den Boden zu schrubben oder Körbe voll Kartoffeln zu schälen. Selbst Gänse ihres Kopfes zu berauben war an der Tagesordnung. Immerhin konnte sie auf diese Weise still und heimlich das Kochen lernen, indem sie den Köchen in unbeobachtet erscheinenden Momenten über die Schulter schaute.

Und wenn sie nicht im Regiment vor sich rackerte, so vertrieb sie sich ihre freie Zeit am Hafen und fischte dort zusammen mit dem alten Mann um die Wette. Die Fischfilets gaben ein bisschen Geld, wenngleich die Wildjagd wesentlich ertragreicher gewesen war. Doch noch immer galt es für sie in der Enge der Stadt auszuharren. Sie fühlte sich wie ein Kaninchen, das in seinem viel zu engen Bau gefangen gehalten wurde. Es gab keinen Ausweg mehr, denn selbst ihr Zimmer in Schwingenstein war nun nicht mehr das ihre. Sie war fest bei Feoras und Lennja eingezogen, und kurz nach ihr hatte der kleine Junge Ninus jenes Heim als weiterer Bewohner ergänzt. Die Pläne nach Kronwalden zu ziehen waren offenbar verworfen, denn die zwei Wölfchen gaben alles daran ihr Heim herzurichten. Selbst Feoras arbeitete nun in Adoran und hatte sich im Haus ein kleines Geschäft eingerichtet.

„Krcchh … hör auf zu denken. Mach irgendwas … beweg dich.“ Thalia blickte mit leerem Blick noch immer aus dem Fenster ihres Zimmers und sah in der Ferne die Grenzen des Waldes. Wieder schwermütige Gedanken, dann ein völlig absurder Gedanke. Wenn der Korporal schon meinte sie in dem Kaninchenbau festhalten zu müssen, dann würde sie alles dafür tun einfach tot umzufallen. Er würde schon sehen, dass ein derartiger Drill nicht das Richtige für eine so zierliche Frau wie sie sein konnte. Also rüstete sie sich in voller Montur und verließ zu später Abendstunde das Haus, um eine Renneinheit durch die Stadt zu wagen. Es dauerte nicht mehr als einen Zeitmesser, bis sie rot angelaufen und nach Luft japsend am Regiment angelangte. Das Rennen war es nicht, was ihr zu schaffen machte. Es waren die zusätzlichen Kilos der Rüstung und die damit verbundene Unbeweglichkeit. In der Rüstkammer zerrte sie die Rüstungsteile von ihrem Körper ab und wollte sie in ihre Zeugkiste legen, als kleine Sternchen und zwitschernde Vögelchen sich in ihr Blickfeld schoben und sie vor Erschöpfung einfach umfiel.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 29 Nov 2013 00:24    Titel: Ein längst vergessen geglaubtes Wintermärchen
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Unaufhaltsam zog die kalte Jahreszeit in Adoran ein. Man hätte meinen sollen diese Kälte sorgte für einen Rückzug des Geistes, in eine warme Stube vielleicht. Trägheit schweifen lassen, ohne Gedanken an irgendwas. Doch es war vielleicht genau jene Kälte, die Thalia in sich horchen ließ. Sie erkannte mit jedem kalten Atemzug bei der morgendlichen Stadtmauer Umrundung mehr, dass dort etwas in ihr wuchs. Unheilvoll, abstoßend ... und auf diese ganz besondere Weise doch lockend, begehrenswert und so unsagbar unausweichlich.

Erst vor ein paar Tagen hatte sie es Janarey offenbart, sie wusste ja selbst noch nicht einmal wieso sie das getan hatte. Das einzige, was ihre Kameradin dazu gewusst hatte, war den Mut zu finden, der irgendwo tief in ihr schlummerte und nur noch geweckt werden musste aus seinem Winterschlaf. Traute sie sich etwa nicht? Es galt sich nur weitere Strafen einzufangen, wenn sie es ausreizte ... würde sie es wagen können? Vielleicht war es noch ihr gestochenes Herz, dass ihr diese mögliche Option versagte ... doch es war am Ende wohl doch die Angst wieder eine Niederlage hinnehmen zu müssen. Lächelnd griff sich Thalia an ihre Kette und spielt damit herum. Was sollte eigentlich passieren? Es würde nicht ihren Tod bedeuten, höchstens eine weitere Kränkung. "Sieh es ein, du bist nur noch aus diesem Grund im Regiment ... krch, ich bin ein dummes Schaf."

Langsam entglitt ihr der Halbmond aus den Fingern, dann stand sie von ihrem Schemel auf und sah hinaus in die Nacht. Die Hochzeit war schon eine Weile her aber die Feier dauerte sicherlich noch an. Sie freute sich so sehr für Lenn und Feo. Sie hatten zueinander gefunden. Die Priesterin hatte während der Trauung etwas gesagt, dass Thalia noch jetzt in schwermütigen Gedanken ertrinken ließ. Ein jeder Mensch trug den Samen der Liebe in sich, es galt nur noch jenen zu erblühen zu lassen. Von dem eigenen Gegenstück. War es wohlmöglich das, was sie in ihrer Zukunft sah? Feuer und Wasser, Himmel und Erde, Salz und Honig, Kohle und Diamanten, Braunbär und Jägerin ... zum Himmel noch eins!

Aus der zurückgedrängten Jägerin musste wieder das werden, was sie gewesen war. Sie hatte nicht mehr die Möglichkeit der Stadt zu entfliehen. Doch sie hatte sich einen Ersatz gesucht. Etwas, das es nun zu jagen galt. Aus der Gejagten wurde wieder die Jägerin, sie musste nur den ersten Schritt wagen. Eine Falle stellen vielleicht? Nein, das war zu stupide, darauf konnte niemand hereinfallen ... sie würde es in einem geheimnisumwobenen Rätsel enden lassen. Dann würde sich zeigen, ob ihre Gedankenwelt sich wieder ordnen würde. Mit einer geschmeidigen Bewegung wanderte sie nochmal hinunter zur Treppe. Dabei war jeder ihrer Schritte geschmeidig, vielleicht sogar ein bisschen flink wie ein listiger Fuchs. Und hätte ein Beobachter sie gesehen, wären ihm gewiss die feinen Muskelpartien aufgefallen, die sich unter ihrem Wollhemd dann und wann im richtigen Moment abzeichneten.

"Ohh.. ihr werdet schon noch euren Spaß haben." Thalia kicherte in sich hinein, als sie ihr Meisterwerk in Form einer riesigen Stofflawine am Eingang des Hauses sah. Feoras und Lennja mussten sich wahrlich durch die Stoffberge kämpfen, um in ihr Haus zu kommen. Doch diesen Hochzeitsstreich hatte sie sich nicht nehmen lassen, und immerhin war er witzig und in keinster Weise anzüglich. Und wenn das frisch vermählte Paar garnicht durch die Stoffberge kam, konnte es immerhin direkt darauf einschlafen. Mit frech verzogenen Mundwinkeln tappte Thalia wieder hinauf und ließ hinter sich die Tür ihrer Kammer ins Schloss fallen. Sie saß noch die halbe Nacht an ihrem Schreiben. Zwischendurch hatte sie immer wieder unsicher ihr neues Schmuckstück betastet, es gab ihr Kraft auf eine gewisse Weise. Vielleicht, weil es sie erdete und ein Stück Heimat in ihrem Herzen pflanzte. Würde Adoran etwa doch noch zu einer neuen Heimat werden? Nun, wenn es da niemanden gab, der sie aus der Stadt jagte ... möglich war es zumindest, wenn sie sich nicht zu dumm anstellte. Sie trug wieder Hoffnung im Herzen. Eine Hoffnung, die sie über den Winter kommen ließ. Und vielleicht auch durch den Rest ihres Lebens im Regiment, so Eluive es wollte. Die Herrin würde ihr beistehen.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 28 Dez 2013 12:59    Titel: Spurenlesen im Schnee
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Warme Stöße aus Atemluft gingen in die Eiseskälte des Morgens über. Kleine Wölkchen bildeten sich und verzogen sich ebenso schnell wieder im Nichts. Die Olivaugen folgten dem Unsichtbaren, starrten dann und wann zum Meer hinaus und suchten sich schließlich wieder den Weg zurück auf das gefrorene Pflaster unter ihren Füßen. „Runde fünfzig“, zählte sie leise mit, als sie abermals um die Biegung vor dem Palast auf den Weg zum Regiment abbog. Seit einem Zeitmesser nun quälte sie sich in ihrer Rüstung bereits durch den Park, doch noch immer wollte sie nicht aufhören zu laufen. An dem rotgoldenen Metall befanden sich bereits Spuren einer hauchdünnen Eisschicht, die sich durch die Kälte an Thalia geheftet hatten wie ein unerwünschter Verfolger. Es folgte eine Kehrtwendung und eine weitere Runde durch den Park und den Irrgarten. Dabei sah sie immer wieder auf den Boden unter sich und folgte dabei manchmal unbewusst den leichten Spuren im Schnee. Wären da nicht die Mauern der Stadt sowie ihre klobige Rüstung gewesen, hätte sie beinahe denken können einen Lauf durch den Wald von Kronwalden zu unternehmen.

Mitten Im Irrgarten endete die Spur im Schnee schließlich abrupt und zwang Thalia innezuhalten. Sie blinzelte einige Male und hoffte die Spur wieder finden zu können, doch sie war verschwunden. Sie reckte ihr Kinn so gut es ging nach oben und sah zum grauen Himmel hinauf. Einige wenige Schneeflocken verirrten sich dabei auf ihr gerötetes Gesicht und brannten sich dabei ein wie glühende Funken. Das bitzelnde Gefühl ließ erst wieder nach als die zierliche Gestalt ihren Blick erneut zum Boden wandte. Dabei merkte sie nicht, dass die Schneeflocken weggespült wurden von kleinen Rinnsalen, die sich auf ihren Wangen gebildet hatten. Erst als ihre Nase die kalte Morgenluft nicht mehr in ihren Körper strömen ließ, spürte sie es wieder. Es war weder Glück noch Unglück, was sie da zu spüren bekam. Es war mehr eine unheilvolle Leere, die sie durchströmte wie ein reißender Bach im Winter. Der letzte Abend war so ernüchternd gewesen wie ein kalter, zerlegter Fisch vom Adoraner Hafen. Die Rothaarige hatte ihr mehr als nur verdeutlicht was passieren würde – genau nichts. Es würde nie das werden, was sie fühlte. Ihr einziger Halt war verloren gegangen, hatte sich wie eine Spur im Schnee verlaufen in den Tiefen der Wälder. Und dieser verdammte Titel hatte alles nur noch schlimmer gemacht.

Derartig ernüchtert war sie nach ihrem Dienst heimgekehrt und hatte eigentlich einen ruhigen Abend erwartet. Doch es war gänzlich anders gekommen. Der Geschenketag … aiwa, sie hatte es völlig vergessen. Nachdem sie die letzten Wochen im Regiment verbracht hatte, war sie nicht einmal dazu gekommen auf das Paket aufmerksam zu werden, dass in ihrem Kämmerlein wartete. Und was sie da entdeckt hatte, war mit einer Mischung aus Entsetzen und Verwirrtheit durch ihr Mark und Bein gegangen. Es war nicht der rechte Zeitpunkt. Dennoch war es wie immer liebenswert von Feoras und Lennja gewesen. Die durchaus nicht als züchtig durchgehende Nachtausstattung hatte ihren Weg auf das Bett der Rekrutin gefunden, begleitet von ein paar unterdrückten Tränen. Den Rest des Abends hatte sie im Beisein von Feoras und Karawyn versucht sich zu betrinken, um ihre Nerven ruhig zu stellen. Doch es war nicht besser geworden, denn die Besucherin im Hause Zael hatte einen blankgelegten Nervenstrang gefunden und unwissentlich darauf eingestochen. Es war nur eine kurzer Erläuterung zu zwei ihrer Aufeinandertreffen mit Regimentlern gewesen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Der eine liebreizend, während der andere den Charme eines Leichenwurmes gehabt haben musste. Und so war auf die beiden Kerle zu sprechen gekommen, die das Gefühlsleben der Rekrutin in den vergangenen Monaten völlig durcheinander gebracht hatten.

Selbst auf ihren Stadtarrest kam Feoras an diesem Abend dann noch zu sprechen, was es nicht unbedingt besser gemacht hatte. Thalia war zwar immer noch gefangen in den Mauern der Stadt, doch im Unterschied zu damals wollte sie nicht mehr flüchten. Sie wollte in Adoran bleiben, denn es gab dafür einen Grund. Ein gestohlenes Herz, so schwer sie sich das auch eingestehen wollte. Karawyns Frage nach dem Namen des Kerls hatte das Fass dann überlaufen lassen, denn ihre Befürchtung es sei hoffentlich nicht der Hauptmann sondern ihr Kamerad war zu viel des Guten für die blanken Nerven der Rekrutin gewesen. Mit aller Kraft, die sie noch erübrigen hatte können, war ihre Antwort gefallen, bevor sie sich dann nach einer letzten Runde Piratenrum zu Bett verabschiedet hatte. „Es war einmal Ernst, bis er etwas Besseres sah ... nun, und ihr habt wohl auch beim zweiten Kerl einen Volltreffer gelandet, schätze ich … Die Wege der Herrin sind wunderlich zu weilen.“ Thalia hatte zuletzt die Schultern gehoben, ein schwimmendes Gefühl hatte sie dann einfach hinfort gerissen.

Die Worte klangen selbst jetzt noch nach, obwohl sie die Hitze des Alkohols nicht mehr spürte. Die Kälte des Morgens umklammerte ihren Leib und fror selbst den letzten Funken Hoffnung auf so etwas wie Zuneigung ein. Mit dieser Kälte im Leib machte sie sich auf den Rückweg in die Kommandantur und tat das letzte Richtige, was ihr noch geblieben war. Sie schrieb eine kurze Notiz an Korporal Thorn und warf diese in seine Zeugkiste. Thalia würde den Rat von Helisande befolgen. Sie würde sich dem Schleifer anvertrauen, damit er sie nach feinster Manier an den Rand ihrer Kräfte trieb. Sie würde sich ihm als Vorgesetzten was die Kampfausbildung betraf gänzlich überlassen, denn brechen konnte man sie nicht mehr – ihre Seele war zugleich gefangen und befreit worden. Es war nichts mehr übrig geblieben, und so war der Weg schließlich frei geworden für etwas, gegen das sie sich solange gewehrt hatte. Sie überließ sich gänzlich dem Regiment, es gab nichts anderes mehr. Und dabei war ihr völlig gleichgültig was in der Zukunft mit ihr passieren würde.
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Thalia Nesireh Lekanth





 Beitrag Verfasst am: 26 Jan 2014 17:16    Titel:
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Ein tiefer Atemzug, eine besonnene Handbewegung. Ein langes Innehalten, dann mit vollem Bewusstsein das Loslassen und ein kurzes aber kribbliges Gefühl des Hoffens. Volltreffer. Mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen sah Thalia auf die Zielscheibe. Dann tat sie genau die gleichen Handlungen, die sie nun schon seit einem Stundenlauf übte. Atemzug, ruhige Handbewegung, Innehalten und Loslassen. Das Spiel mit dem Bogen hatte ihr schon immer gefallen, doch seit der Winter hereingebrochen war, hatte sie aus ihrer heimlichen Schwärmerei ihre große Leidenschaft gemacht. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie die Seiten wechselte. Dieser Augenblick war gekommen.

Nachdem der Wille der Rekrutin gebrochen war, hatte sie sich allen möglichen Kampfübungen hingegeben. Es hatte mit den täglichen Runden im Irrgarten begonnen, die Liegestütze in ihrem Kämmerchen hatten den Schweißreigen ergänzt und die Übungen an der Zielscheibe mit Pfeil und Bogen waren die Krönung ihrer ganz persönlichen Torturen gewesen. Und nun, da sie endlich glaubte das gefunden zu haben, was ihr lag, gab es nur noch diesen einen Weg. Keine wuchtigen Schwerter mehr, keine vergeblichen Gefühle für irgendwelche Kameraden im Regiment. Wahrlich, ihr Vater und ihre Mutter würden sich im Grabe umdrehen, denn nichts hatten beide mehr geliebt als Aranir den Schwertkampf und Tehya die voller Gefühle steckende Liebe. Und nun war aus Thalia eine leidenschaftliche Schützin geworden, die außer der Liebe zu ihrem Bogen keinen Platz mehr in ihrem Herzen zuließ für andere Gefühle. War sie zu einem kalten, ausgenommen Fisch geworden so wie es davon zu Hauf am Hafen von Adoran welche gab? Keineswegs, in ihr brannte noch eine kleine aber kämpferische Flamme. So wie der Winter das Leben in den Wäldern eingeengt hatte, so engte ihr Arrest die Jägerin gleichermaßen ein. Es würde wieder Platz geben für mehr, irgendwann … wenn ihr Herz wieder geheilt war und ihr neuer Weg sich gefestigt hatte. Doch bis es soweit war … sie übte weiter.

Erst am späten Abend kam sie heim, ausgelaugt aber glücklich soviel mit dem Bogen trainiert zu haben. In ihrem Kämmerchen gab sie sich dann einer kleinen Kochorgie hin, die damit endete, dass sie saftige Hühnerkeulen mit gegrillten Kartoffeln und als Nachspeise süßes Dattelmus in sich hinein spachtelte. Egal wie viel sie auch trainierte und danach aß wie ein hungriger Troll, außer den feinen Muskelandeutungen an ihrem Körper war da nichts zu sehen, was einem klobigen Krieger auch nur im Geringsten ähnelte. Es war zweifelsfrei die richtige Entscheidung gewesen ihre Plattenrüstung in der Rüstkammer gegen eine feine aber durchaus robuste Kettenrüstung zu tauschen. „Wunderbar … ein schönes Geschenk hast du dir da gemacht. Möge Eluive mir gnädig sein …“, murmelte Thalia und sah auf den leeren Teller und die ausgelöffelte Schüssel herab. Ein Blick aus den Olivaugen gen Fenster, dann ein sachtes Schmunzeln.
Der Schnee setzte wieder ein, kleine Eiskristalle zierten das Fensterglas ob der klirrenden Kälte außerhalb des Hauses. Das Geburtstagsgeschenk an die Jägerin war also noch mehr Schnee? Eluive meinte es wohl nicht gut mit ihr, der Winter dauerte also noch an und schloss sie weiter in die Stadtmauern ein? „Krcchh … tolles Geschenk, danke schön!“ Maulend sah sie wieder vom Fenster weg und widmete sich dann einem Buch, das sie sich vor einiger Zeit aus der Bibliothek von Adoran geliehen hatte. So klang der Abend für sie aus, ein weiteres Lebensjahr war vergangen. Und vielleicht war das Geschenk ihrer Göttin nicht der fortwährende Schnee gewesen, sondern die Einsicht endlich ihrer Berufung als Schützin zu folgen.
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