ein Schreiben für Beldan

[Yaral Achon]

...wird am Wehrgebäude unter der Tür durchgeschoben, außen steht "für Richter Scherenbrueck" drauf, hinten macht ein "Achon" den Absender deutlich.

"Richter Scherenbrueck,

am gestrigen Abend traf ich mich mit dem damaligen Verlobten und nun Ehemann von Fräu Fr bekannter Person Leah, Raindri Katuri, am Kloster.
Katuri ergänzte die bisherigen Auswüchse des Reiches, was auch immer man als solches bezeichnen darf, mit weiteren Unberechenbarkeiten. In vorderster Linie beharrte er in fast erpressenden Formulierungen darauf, wenn überhaupt, einzig mit mir Verhandlungen führen zu wollen, die Unterredungen zwischen Euch und dem Grafen oder wem auch immer da drüben an Obrigkeit seien vorher einzustellen.
Euch als Richter diese Angelegenheit verhandeln zu lassen, statt dass ich die Sache selber in die Hand nehme, belegte er mit dem Eindruck, mich wohl für eine Memme zu halten. Rechtsformalitäten oder diplomatische Gepflogenheiten interessierten ihn nicht.

Den Grafen als des Weibes Ira Lisarias' Arbeitgeber und wohl Lehnsherr betrachtete er ebenso nicht als verantwortlich. Er äußerte, da Lisarias bei ihm wohne, sei "er ihr Gesetz".
Interessant, ich hätte noch nie gehört, dass mein Vermieter mein Richter oder Vormund wäre, aber andere Länder, andere Sitten. Überhaupt musste ich den Eindruck gewinnen, dass Herr Katuri wissend den Umstand der Verweigerung des Grafen, sich für Lisarias zu verantworten, nutzte, um die Zuständigkeit hin und her zu schieben, bis niemand für ihren Dreck mehr gerade steht. Auch nachdem ich ihm den selbstherrlichen Umgang des Grafen mit der Anklage vor Augen hielt und in ihm stattdessen einen Ehrenmann erhoffe, mit dem man reden könne, beharrte er darauf, keinen Finger zu krümmen, solange Ihr an meiner Statt mit dem Grafen sprecht. Natürlich sehr bequem, um einen Geschädigten herumzappeln lassen zu können.

Bajard wird offensichtlich nicht ernst genommen, womit sich meine erste Befürchtung bestätigt, so leid es mir für Euren Ort tut, Richter Scherenbrueck. Der Ausblick darauf, Lisarias hier in den Status einer Vogelfreien geraten zu lassen, ließ Katuri gleichgültig, eher überheblich amüsiert, dass dergleichen doch wohl eh normal sei.

Als das Gespräch auf mögliches Aushandeln einer Entschädigungszahlung kam, äußerte Herr Katuri zum wiederholten Mal seine Ansicht, ich hätte sein Weib unsittlich berührt.
Davon abgesehen ging mit diesen Worten mehrfach einher, dass er mich dafür "richtig und nicht nur halb" umgebracht hätte und damit offenbar die Geisteshaltung dieser verrückten Totschlägerin im Grunde teilt. Zudem fiel die Bemerkung: "Ihr lebt doch noch, ich sehe keine Verletzung, also gibt es doch eigentlich kein Problem".
Die Aussicht, angesichts dieser Haltungen mit ihm über einen angemessenen Vergleich verhandeln zu können, schien mir dementsprechend gering. Dass das Weib Leah sich mir, verflucht oder nicht, an den Hals schmiß, schien nicht von Interesse, ebenso wie ihm ihre Schuld angesichts eines Fluches offenbar ebenso nicht klar sein wollte, obwohl er darum wohl noch besser weiß als ich.

Ich mag nicht viel auf die Beine stellen können und keinen großen Namen haben, Richter, weswegen ich Eure angebotene Hilfe ja auch dankend annahm, doch einen Rest an Stolz besitze auch ich.
Und ich werde nicht als Duckmäuser vor diesem arroganten Schlagetot um Geld betteln, wenn seine einzige Botschaft im Grunde lautet, dass man hierzulande das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen habe.
Ich habe ihm darob nach dem erneuten Vorwurf, Leah angegrabscht zu haben gesagt, dass er noch von Glück sagen könne, dass Leah und Ira nicht an jemanden geriet, dem ihr Messer egal gewesen wäre, sondern an jemanden, der Leah bloß nach Hause gebracht hätte. Und dass eine Abfindung allerdings nicht so billig wäre, wie Leah sich an dem Abend benahm und aussah.
Dass Katuri daraufhin die Wurfaxt zog und mir sagte, ich solle laufen, beim nächsten Aufeinandertreffen sei ich tot, nehme ich ihm als Verliebten noch am wenigsten übel, markiert jedoch beidseitig das klare Ende der "Verhandlungen".

Herr Lucien, auf den ich kurz danach in Bajard traf, meinte dass die Verhandlungen mit der Grafschaft seitens Euch nicht mehr allein aufgrund meiner Person laufen, sondern auch um die Interessen Bajards allgemein gehen. Will ich Euch nicht verdenken, doch was mich angeht, erkläre ich jegliches Interesse und jeden Wunsch, dieses entwürdigende Theater noch weiter fortzuführen, als beendet und entbinde Euch von jeglicher Bitte, außer, diesen ganzen selbstgefälligen Bastarden noch kräftig eins auszuwischen, wenn sich Euch die Gelegenheit bietet und dabei einen schönen Gruß von mir auszurichten.
Das Reich, von dem man als Fremder hätte erwarten sollen, dass es auf Gerichtsbarkeit und Ehre wert legt, vermittelt einem stattdessen, dass man das "Gesetz" in die eigenen Hände nehmen solle, wenn man fast abgemurkst, bedroht wird und was wolle... gut. Ich werde dem Rechnung zu tragen wissen und hoffen, dass sie mich nicht vorher erwischen.

So wünsche ich Euch und Bajard nichts schlechtes,

Yaral Achon"

[Beldan Scherenbrueck]

Das Schreiben wird kurz überflogen und dann, für die Besprechung mit der Bürgermeisterin und Mareaux, zu den anderen Schriftstücken in der Sache sortiert.