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Vom "gelben Tod" und schöner Stille
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Vom "gelben Tod" und schöner Stille
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Mal´fegora





 Beitrag Verfasst am: 13 März 2008 08:30    Titel: Vom "gelben Tod" und schöner Stille
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Disclaimer: Kra'thorgefälliges Thema - enthält explizite Gewalt- u. Verwesungsdarstellung



Wenige, grob behauene und verdächtig knarrende Holzstufen, wie man sie gröber nicht aus den Baumstämmen hätte schlagen können, führten hinab in die Dunkelheit. Es brauchte ein wenig Zeit bis sich die Augen an die neue Umgebung gewöhnt hatten. Nicht nur hatten zuvor am Eingang die Laternen einen ärmlichen, aber ausreichenden, Lichtkegel ausgespuckt, der es nicht wagte sich bis in die Tiefe zu erstrecken, es war auch der beissende Qualm, der Neuankömmlingen die Sicht nahm. Unweigerlich schnappte der Jüngling nach Luft. Sein erster Besuch in der „Unterwelt Gerimors“, wie man die Kaschemme auch nannte, und er drohte schon nach wenigen Schritten die Besinnung zu verlieren. Es stank erbärmlich. Nicht dass es vorher nicht auch schon gestunken hatte, denn die Absteige, die – neben den tausend anderen Bezeichnungen – den Namen „Der gelbe Tod“ trug, lag immerhin am Hafen, unweit schlammiger Kanäle und eines fauligen Tümpels, aber dieser Gestank war anders. Er war intensiver und sehr bitter, das modrig süße Aroma, welches man ihm nachsagte, ließ sich genug Zeit bis es eintrat.
Hier war es wie in einer anderen Welt. Die Luft stand still, schwer und drückend, als könne man sie mit einem Dolch durchtrennen. Auch das Zeitgefühl wollte sich nicht den Regeln der normalen Welt fügen. Alles schien viel langsamer zu passieren – und gleichzeitig. Wellenartig brachen Eindrücke über ihn herein, ebbten ab und spülten seine Sinne fort. Im Dunst waren Gesichter und Körper, aus allen Ecken kamen Stimmen. Meist konnte er nur Schatten oder schemenhafte Bewegungen ausmachen, solche, die jedes Wesen wie ein Monster aussehen ließen – gewunden und verzerrt, wie scheinbar alle Realität hier unten. Es war Zeit für ihn sich einen Platz zu suchen, so schnell sollte der Abend noch nicht vorbei sein.

[…]

Langsam öffnete sie die Augen und stieß den Qualm zwischen den Zähnen aus. Sie bemerkte nicht wie der Neuling unbeholfen seinen Weg an dem Tisch vorbei bahnte, auf dem sie lag. Viel mehr beobachtete sie, wie sich tänzelnd und kräuselnd die Rauchschwaden umeinander wanden, ehe sie verblassten. Ein leises Gluckern ertönte, als sie die Augen wieder schloss, und an der Pfeife zog.
„Shu’iijie?“
Wer? Shu’iijie? Sie blinzelte. Das kam ihr bekannt vor. Der Name… der Name… achja, der Name. Das war der Name den man ihr gegeben hatte, hier im gelben Tod. Ein Pseudonym, damit die widerwärtige Kundschaft sie nicht so rief, wie sie tatsächlich hies - Mal’fegora. Es machte letztlich keinen Unterschied, ob sie nun den Namen kannten oder nicht, fand sie. Und bis heute wollte ihr nicht einfallen, welcher Teufel den Hausherrn geritten hatte, den Arbeiterinnen solche Namen zu geben. Shu’iijie… sie war doch keine Elfe.
„Was willst du?“, raunte sie, und lies den Pfeifenschlauch neben sich auf den Tisch sinken, ohne zu der Stimme hinzuschauen. Ihre Füße kribbelten. Leicht hob sie die Knie an. Hoffentlich musste sie jetzt nicht aufstehen. Oder laufen.
„Loyor will dich sprechen. Sofort.“
Mal’fegora blinzelte. Was wollte der Hausherr von ihr?
Unwillen machte sich breit. Noch drehte sich alles, die Glieder waren leicht und schwer zugleich. Jetzt nicht, nein. Es würde noch dauern, bis sie wieder aufstehen konnte.
„Sofort.“, wiederholte die Mittdreißigerin barsch, als es keine Reaktion gab.
„Chure, Chure…“, säuselte die junge Frau und schloss die Augen. „Chure… bitte.“
Eine schallende Ohrfeige war das finale Argument, welches die ausgemergelte Gestalt auf dem Tisch zusammenzucken lies, und mehr als nur deutlich herausstellte, dass es nun zeit war sich zu erheben, bevor das garstige Weib sich etwas anderes einfallen lies. Nichtsdestotrotz dauerte es. Langsam lies sie sich von der Tischkante gleiten. Sie musste aufpassen, denn auf dem reichlich verzierten Menekanerteppich unterhalb des Tisches saß ein Grüppchen von Kunden und kicherte geistesabwesend. Vorsichtig bahnte sie sich mit staksigen Schritten ihren Weg durch den Dunst, in Richtung einer weiteren Treppe, die wiederum zwar nicht nach draußen, aber immerhin nach oben führte. Hier klärte sich die Luft – aber es war zu spät. Mal’fegora stoppte und klammerte sich an das Treppengeländer.
„Oh bitte nicht…“, stöhnte sie leise.
Zu spät.
Wenige Augenblicke später kniete sie, noch immer das Geländer umklammernd, in einer Pfütze lauwarmen Erbrochenen. Schwer atmend erhob sie sich zittrig, und kroch bis zur obersten Treppenstufe. Sie musste sich einen Moment hinsetzen – und es wäre auch sicherlich von Vorteil, sollte sie schnell wieder klar im Kopf werden.
„Shu’iijie? Bist du das?“
Die raue Männerstimme drang durch den Türspalt. Er wartete also tatsächlich auf sie.
„Loyor, du alter Bastard… hast du schon wieder vergessen, wie ich heisse?“
Ein erheitertes Lachen drang aus dem Zimmer heraus.
„Beweg deinen Hintern hier rein.“
Mal’fegora hielt sich die Schläfe und lies den Kopf auf die angewinkelten Knie sinken. Noch einen Moment der Ruhe, dann würde es wieder gehen.

[…]

Auf dem warmen Gestein, welches sich immerwährend durch den Ofen erhitzte, bildeten sich bereits die ersten zähen Schlieren. Der faulig süße Geruch von Blut lag wie der Dunst schweren Rotweines in der Luft, als die roten Tropfen ihr Muster auf den Boden warfen, in ein Bächlein abgestandenen Wassers. Betrat man den Raum, so war es im Halbdunkeln das erste, was man hatte feststellen können. Dann erst glitt der Blick über ein Kleiderbündel, welches man ohne Weiteres einen Lumpenhaufen schimpfen konnte. Ärmliche Frauenkleidung, Schuhe, eine Halskette. Irgendwo daneben standen für gewöhnlich kleine Holzfässer in der Ecke. Heute nicht, stattdessen aber etwas anderes. Vielerlei Getier würde sich an dem versteiften Körper laben, der eigentümlich verdreht in der Nische hing, sich einnisten und an der Verwesung vergnügen, die durch die Wärme nur vorrangetrieben wurde. Das junge Ding wurde provisorisch von einem Fleischerhaken, der hinten durch den Nacken drang und nach vorne durch die Kehle wieder austrat, an der Mauer gehalten. Derweil konnte man sofort erahnen, dass er noch zu Lebzeiten durch das weiche Fleisch getrieben worden war, denn dieser Vorgang hatte ein Blutbad verursacht, wie ein stillstehendes Herz es nicht vermochte. Fraglich wie lange noch, denn das Gesetz der eigenen Schwere war kaum untätig gewesen und hatte eine ansehnliche Furche in das nachgiebige Fleisch gerissen, die bald nur noch durch den Kiefer gestopt werden würde. Alles in Allem sehr unangenehm.
Mal’fegora atmete tief durch. Wenn sie sich nicht gerade noch auf der Treppe übergeben hätte, wäre das nun der perfekte Zeitpunkt gewesen. Unweit der Furche tat sich auf den Rippen eine weitere auf, die den Blick auf die Wirbelsäule freilegte. Das was an "unnützen" Eingeweiden den Blick zuvor versperrt hatte war längst bis auf die Knie herabgesunken und begann in einem schleichenden Trocknungsprozess seltsame Farben und Gerüche anzunehmen. Der starre Blick der Geschlachteten galt auf eine seltsame Art der Richtung, in der Loyor an seinem Tisch saß und auf Mal’fegora wartete.

Einen Moment blieb sie in der Tür stehen. Nein, sie wollte gar nicht mehr wissen worum es ging. Das ging sie alles gar nichts an, das sollte er wegschaffen und alles würde in Ordnung sein.
„Mal’fegora…“
Endlich, der richtige Name. Er konnte also auch anders, wenn er nur wollte.
„Ist das der Grund, wieso du mich sprechen willst? Deine neue Freundin?“, kam sie ihm höflich zuvor und deutete in die Nische, aus der es seltsam gluckerte. Irgendein Organ musste gerissen sein, oder aufgebläht und dann geplatzt… der Geruch war inzwischen wirklich mehr als nur erbärmlich.
„Es war ein Unfall.“, sprach er ruhig, und deutete ihr sich zu ihm zu setzen.
„Dein ganzes verdammtes Leben ist ein Unfall, Loyor.“, säuselte sie, und lies sich auf den gepolsterten Stuhl nieder. Dafür dass hier eine Leiche vergammelte und die kleinen Fensterchen von ihren Faulgasen mittlerweile beschlagen waren, war’s doch ganz gemütlich hier. Einen Moment lang überlegte sie, wie lange sie hier schon nicht mehr gewesen war. Wenn man die gammelige Leiche betrachtete, musste es schon länger her sein.
Komischerweise schlug er sie nicht. Während Chure’cheorice – die ein noch viel dämlicheres Pseudonym bekommen hatte als Mal’fegora, und mit diesem Namen wirklich gestraft war – ihr sofort eine Ohrfeige wegen Nichtgehorsams verpasst hatte, war der Besitzer der Abstiege auch dann noch freundlicher, wenn man ihn bis auf die Knochen beleidigte. Womöglich aber war es nichts anderes als die Einsicht, dass sie womöglich Recht hatte. Aber in einem Haufen von Huren und Süchtigen, fiel das ja nicht weiter auf.
„Ja“, brachte er ruhig hervor, “ meine neue Freundin, wie du sie nanntest, ist der Grund deiner Anwesenheit. Es wird mir lästig das Luder hier zu haben, und du wirst sicherlich verstehen, dass niemand einen verrotteten Haufen Fleisch in seinem Arbeitszimmer haben möchte, nicht wahr?“
Mal’fegora hob die Brauen. Dafür, dass es ihm lästig wurde, hatte er sich aber verdammt viel Zeit gelassen. Sie beließ es dann aber dabei zu schweigen, noch ein Kommentar wie der vorherige, und ihre Chancen ständen nicht besonders schlecht, ebenfalls aufgespießt an der Wand zu hängen. Die Geduld Loyors ließ sich mit vielen Worten beschreiben, aber ganz sicher nicht mit „grenzenlos“.
„Wie ich sehe, gibt es keinen Widerspruch.“, fuhr er fort, „ Du wirst dann tun, was du immer tust, wenn im "gelben Tod" ein Malheur passiert. Nimm Chure oder eine andere Bedienstete… oder lieber einen der Männer, das ist ja wirklich kein schöner Anblick, und karr meine liebe Freundin zum Tümpel. Und es wäre schön, wenn dich dabei niemand sieht. Die Leute reden schon.“
Langsam erhob sie sich und schlenderte der Leiche entgegen. Wenn man erst einmal eine Weile in dem kleinen Raum war, empfand man den Geruch alsbald nicht mehr besonders schlimm. Zwar war auch die Optik nicht vielversprechend, aber Mal’fegora nahm es hin.
„Wie ist das eigentlich passiert?“
Langsam befühlte sie die Schulter der Verblichenen, hob dann die Hand und rieb ihre Finger. Die Haut der Toten war mittlerweile mit einem verwesungseigenem Sekret bedeckt, welches ein Gefühl von Wachs vermittelte.
„Ausgerutscht“, verkündete der Hausherr und erhob sich ebenfalls. Mal’fegora musste unweigerlich lachen.
„Ausgerutscht… ja, das sieht man, Loyor.“

[…]

Als die schweren Schritte sich durch das Moor bahnten, warf der Mond sein kühles Licht auf das Faulwasser. Gelegentlich neigte der modrige Boden zu einer Art Blubbern und ließ dann und wann, tatsächlich für das menschliche Auge sichtbar, einige Blasen aufsteigen. Zum Mondschein gesellte sich in der Spiegelung mannigfacher kleiner Pfützen alsbald das schwache Aufglimmen verrußter Laternen, die ob der zu tragenden Last bedenklich schaukelten. Sie waren, allem voran, gar nicht hell genug, um die unheimliche Dunkelheit des Moors zu durchbrechen, die sich wie schwarzes Öl über die Szenerie legte. Irgendwo hatte nun ein Kauz begonnen umherzurufen – und Mal’fegora damit den letzten Nerv zu rauben.

Es war ja gar nicht so, dass sie Angst vor Dunkelheit hatte. Im Gegenteil, Dunkelheit als solche war angenehm. Aber der Gedanke, hier im Moor einzusinken und im Schlamm zu krepieren, war nicht besonders erbaulich. Und dass der Kauz nun noch angefangen hatte, sein schauriges Lied zu pfeifen, machte es wirklich schwer, sich auf den Weg zu konzentrieren. Mürrisch schaute sie zu dem Bediensteten Loyors, der auf einem Handkarren die tote Frau durch die Landschaft schob. Wenigstens hatten sie den Karren bekommen, ansonsten hätte jemand – also wohl eher der Bedienstete – seine wahre Freude daran gehabt, die verwesenden Überreste auf seiner Schulter zu tragen. Unweigerlich musste sie den Kopf schütteln. Von all den schmutzigen Arbeiten, die im gelben Tod zu verrichten waren, hatte sie die allerdreckigste. Zum wievielten Mal war sie nun hier? Ein Seufzen quittierte die Frage. Sie hatte schon aufgehört zu zählen.

Leichter Morgendunst begann über dem Tümpel aufzusteigen, als sie die Leiche versenkten. Hier am einsamsten, modrigsten und fauligsten Ort des westlichen Gerimors, stand Mal’fegora und beobachtete, wie die Morgenröte aufzog, als bestünde sie aus goldenen Fäden. Derweil war ein finales Blubbern ertönt – die Leiche war versunken. Es schien fast, als bedanke sich der schlammige Tümpel für ein weiteres Geschenk. Mit verschränkten Armen lehnte sie an einer verkümmerten Weide, deren Äste wie verkrüppelte Klauen in alle Richtungen griffen. Momente der Stille, wie diesen, liebte sie. Die Toten schwiegen – das machte sie so sympathisch. Es dauerte eine Weile, dann löschte sie die Laterne und folgte dem Bediensteten zurück in den gelben Tod. Es war Zeit das Gesindel herauszuscheuchen.
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