Der Fall von Tenaya Yazir.

[Tenaya Yazir]

Ein paar Tage war sie schon nicht mehr aus dem Haus gegangen. Sie hatte Angst, Angst davor das Eluive ihre schützende Hand diesmal nicht über sie halten wollte. Zu viel schlechtes war ihr in jenem kurzen Leben widerfahren. Nun hatte man sie auch noch aus der Familie verbannt, wo sie doch nicht einmal etwas dafür konnte das vor langer Zeit jener starke schöne Jüngling die Worte, die sie so brauchte, in ihr Ohr geflüstert hatte, sie verführt hatte. Im Hochzeitszelt des Emirs hatte er sie ihrer Unschuld beraubt, spät in der Nacht. Es hatte geschmerzt, da es ihre ersten Erfahrungen waren. Natürlich war es schön gewesen, doch es hätte nie passieren dürfen. Allerdings hatte die Entscheidung des Familienoberhauptes tausend Mal mehr Schmerzen gebracht. Man hatte ihr die Ehre genommen, die Familie, das Herz. Im Gegenzug hatte man ihr Misstrauen geschenkt, Vertrauensbruch durch die obersten der Menekaner, Verrat und Leid.

Aber eines konnte man ihr nicht nehmen, das Blut der Yazir, dass durch ihre Adern floss. Doch was brachte das schon, wo sie doch nun in ganz Menek'Ur die Verstoßene war. Kein Mann würde sich je für sie interessieren. Kein Herz würde es sich antun sich an ihres zu binden. Keine Familie würde sie nunmehr aufnehmen. Die Wärme der Wüste war aus ihr gewichen, Schatten und Wasser auf ewig verloren. Die Seele befleckt mit unabwaschbarem Schmutz, wo sie doch so gerne mit einem Tuch das Haus sauber hielt.

Unter anderen Umständen wäre sie eine hervorragende Frau geworden. Sie hatte alles was eine gute Frau brauchen würde. Das Zubereiten der Speisen lag ihr, wie sie es einst im Palast des Erhabenen zur Freude seines Gaumens bewiesen hatte. Das behandeln von Krankheiten aller Art, ließ sie ebenfalls zu einem guten Weib für einen Mann oder gar zur Versorgung der Kinder werden. Gern beschäftigte sie sich auch mit der Näherei um die einfachen Kleidungsstücke zur Zufriedenheit aller zu flicken. Und doch fehlte ihr der wichtigste Bestandteil. Die Unschuld.

Sie wusste es wäre nicht genug. Es würde niemals enden mit dieser endlosen Pein. Immer würde sie daran denken müssen auf welchen Weg Eluive sie geführt hatte. "Wo bist du, wenn man dich am dringendsten braucht, Mutter!" rief sie dem Dach ihres kleinen Hauses entgegen. Was war nur mit ihr passiert. Hatte den Alatar selbst seine Hand um sie geschlungen? Hatte ein böser Dschinn von ihr Besitz ergriffen? Sie wusste es nicht und konnte sich auch keine Antwort darauf geben. "Selber Schuld" dachte sie sich in jenem Augenblick. "Was vertraust du auch, dass sich deine Cousins für die Familie entscheiden?" fragte sie sich selbst. Es war klar das jeder der damit zu tun hatte, alles tat um es nicht zugeben zu müssen. Mit einem eisigen Lächeln auf den Lippen griff sie zu ihrem Dolch.

Sie hatte nicht vor sich einfach so verstoßen lassen. Sie würde als Tochter der Familie Yazir sterben, und wenn sie es selbst tun müsste. Der Dolch wurde herumgewirbelt, dass er mit der Spitze auf ihren Bauch deutete. "Für meine Familie und alle derer, die mich bis in die Ewigkeit hassen werden. Für Eluive!". Mit diesen Worten wurde der Griff des Dolches fester gepackt und mit einem festen Ruck in den Bauch gestoßen. Langsam nahm das Kleid welches sie trug die Farbe des Lebens, des Blutes an. Auch der Schleier wurde mit Blut getränkt welches aus ihrem Mund floss. Mit einem gurgelnden Laut brach sie zusammen und blieb reglos auf dem Teppich liegen, der mittlerweile auch in der Farbe des Blutes gefärbt zu sein schien. Ihre Augen vor entsetzen geweitet, den Brief ihres Cousins Zhenzrael neben sich liegen, so starb sie an jenem Tag, an dem sie sich bewusst wurde, dass sie nie wieder irgendjemandem Schande bereiten würde.

Sie hatte sich selbst das einzige genommen was sie noch hatte. Das Blut der Yazir.