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Die Heilerin
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 06 Nov 2004 16:07    Titel:
Antworten mit Zitat

Angelina saß am Strand und genoss die wärmende Sonne, die ihr Haar wie pures Kupfer glänzen ließ.
So, wie die Wellen stetig über den Sand leckten, kurz vor ihren Füßen angekommen, sich auch schon wieder zurückzogen, um dann mit einem leichten Brausen das Spiel von neuen zu beginnen, fühlte sich Angelina zwischen Hoffnung und Zweifel hin und her gerissen.
Sie wollte vertrauen!.. Ja.. aber durfte sie das?
Durfte sie wirklich darauf hoffen, dass der Mann, der ihr Herz im Sturm erobert hatte, sie auch wirklich nach seiner Ausbildung ehelichen würde, so wie er ihr versprochen hatte?
Und durfte sie das Wort ihres Vaters brechen?
War sie wirklich nicht daran gebunden?

Fragen über Fragen ließen ihren Kopf schmerzen. Immer wieder stritten ihre Gefühle mit ihrer Vernunft.
Wenn sie nur die Augen schloss, sah sie sein Gesicht vor sich.. seine dunklen Augen, die sanft wie Samt glänzten, aber auch strahlten wie Bernstein oder ganz dunkel wurden vor Trauer und Verzweiflung. Kelan.
Wenn sie nur an ihn dachte, beschleunigte sich ihr Herzschlag.

Sie hatte den jungen Gardisten in der Stadt nach einem Händler gefragt der Angeln feil bot. Leider konnte er ihr dazu keine Auskunft geben, doch aus seinen Fragen und seinem Blick schloss sie, dass sie ihm gefiel.
Von nun an begegnete Angelina dem jungen Gardisten fast täglich. Sie scherzten und lachten miteinander und er stellte ihr seinen Freund Rainor vor.
Eines Abend, sie standen vor der Herberge, in der Mirabelle ein Zimmer bewohnte, packte Rainor seinen Freund und schob ihn neben sie. Über das ganze Gesicht grinsend meinte er dann: „Aaaah.. ein schönes Bild!“
Kelan und Angelina war das peinlich, doch die Worte Rainor’s schienen beide zu treffen.
Als dann Kelan’s Freund die Anspielungen deutlicher werden ließ und diesen dazu bewegte, Angelina zu erklären, dass Rainor meine, man könne es ihnen ansehen, dass sie sich verliebt hätten, geriet sie fast in Panik.
„Nein!.. Nein!.. Das geht nicht!“
Rainor ließ nicht locker. Die junge Frau musste den beiden Gardisten erzählen, warum sie der Gedanke so aufbrachte, dass sich ein Mann in sie verlieben könne.
Sie erzählte ihre Geschichte... und bekam Zweifel daran, dass Kelan’s Beteuerungen gegenüber seinem Freund, er läge falsch und sie würden sich ja gar nicht kennen, so absolut stimmen würden.
Nur zu offensichtlich war die Verlegenheit und als sich Rainor von seinem Freund und ihr mit einem wissenden Grinsen verabschiedete, war die Ungefangenheit der beiden jungen Leute auch verschwunden.
Es war spät geworden und der zarte, fast flüchtige Abschiedskuss, den Kelan sich nun traute, ihr auf die Lippen zu hauchen, versetzte Angelina geradezu in einen Gefühlstaumel.
Noch nie war sie von einem Mann geküsst worden.

Rainor hatte recht gehabt.
Sie liebten sich.. und doch hatten beide triftige Gründe, warum es nicht sein durfte.

Kelan konnte keine Frau an seiner Seite gebrauchen... er hatte noch einen langen Weg der Ausbildung, der Bewährung vor sich. Und es war ihm sehr ernst damit, wollte er doch einmal Ritter werden.
Und Angelina fühlte sich dem Wort des Vaters verpflichtet... sie fühlte sich gebunden. An einen Mann, den sie weder kannte noch liebte.

Die letzte Nacht hatten sie zusammen verbracht.
Voller Vertrauen hatte sie in seinen Armen gelegen. Sie hatten sich geküsst und gestreichelt, was dazu führte, dass Angelina voller Verzweiflung weinte. Sie wusste, ihr Herz würde ihm für immer gehören, doch würden sie niemals zusammen leben können, niemals das Bett wie Eheleute teilen können.
Sie hatten darüber gesprochen, nach dieser Nacht nur noch Freunde zu sein, doch sie wusste nur zu gut, dass sie das nicht konnte. Sie würde die Sehnsucht, die er geweckt hatte und deren Erfüllung sie sich nicht gestatteten, nie wieder abstellen können. Sie würde ihn immer begehren, so, wie sie ihn immer lieben würde.
Er hatte sie ganz fest in seinen Armen gehalten und sie war darin eingeschlafen.
Als er sich in der ersten Morgendämmerung aus dem Zimmer schlich, war sie erwacht, hatte ihn aber nicht aufgehalten. Sie wollte ihm keine Last sein, nicht auf seinem Weg, den er gehen musste, ein Hindernis sein.... und außerdem war sie nicht frei.

Mit klarem, kalten Wasser hatte sie sich die verweinten Augen gekühlt und war gerade frisch angezogen und gekämmt, als es klopfte.
Voller Erstaunen über seine Rückkehr hatte sie Kelan hereingebeten.
Er war gekommen, um ihr seine Liebe zu erklären und sie zu bitten, auf ihn zu warten.
Sie hatte es kaum fassen können, hatte er ihr doch in der Nacht von seiner Familie, seinem toten Bruder erzählt und warum er es als sein Lebensziel ansah, ein Ritter zu werden.
Das hatte sie nur darin betätigt, dass es keinerlei Hoffnung für ihre Liebe gab, doch er sprach davon, dass es ihm gleich wäre, ob sie arm und ohne Familie sei.
Er wollte nur eines.... dass sie den Mann, dem sie versprochen war, nicht ehelichte, sondern auf ihn wartete, bis er den Namen seiner Familie wieder tragen würde, damit er ihn ihr geben könne.
Verspürte sie Hoffnung?
Ja.. Hoffnung machte sich in ihr breit und sie wollte seinen Worten trauen!

Aber es war wie ein Wechselbad.
Immer wieder stritten Gefühl und Vernunft, Hoffnung und Verzweiflung in ihr.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sich Angelina und klopfte den feinen, weißen Sand von ihrem Rock, nahm die neben ihr stehenden Stiefel auf und schaute ein letztes mal über die in der Sonne gleißenden Wellen.
Sie hoffte inständig, dass der unbekannte Bräutigam sie nicht fand und dass es stimmte, was Kelan und sein Freund gesagt hatten... dass sie nicht an das Wort des Vaters gebunden war, wenn sie den Mann nicht wollte.
Langsam ging sie über den Strand und genoss das Gefühl des warmen Sandes, der unter ihren Füßen nachgab.
Ja.. sie war sich nun sicher. Sie wollte nur den einen Mann und sie würde auf ihn warten, auch auf die Gefahr hin, dass sie ein Leben lang allein bleiben würde.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 06 Nov 2004 17:11    Titel: Der Brief
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Angelina hatte länger geschlafen als sonst, sie war einfach zu spät ins Bett gekommen. Sofort schwang sie, gleich nachdem sie ihre Augen geöffnet und mit Erschrecken festgestellt hatte, dass die Sonne schon ihre Strahlen durch das Fenster schickte, ihre Beine aus dem Bett.
Das kalte Wasser, mit dem sie sich wusch, klärte ihren Kopf und bei der Erinnerung an die vergangene Nacht musste sie lächeln.
Sie war froh und erleichtert gewesen, dass sie dem Reichsheerführer, dem obersten Militär, hatte helfen können, als ihn sein lädierter Rücken ganz plötzlich in seiner Bewegungsfähigkeit durch heftige Schmerzen erheblich einschränkte. Der Ritter hatte ihr versichert, dass er in ihrer Schuld stände und wenn sie Sorgen hätte oder einmal Hilfe bräuchte, solle sie sich getrost an ihn wenden.
Und dann hatte Kelan auf dem Flur der Herberge ihr noch einmal ganz förmlich einen Antrag gemacht....
Sie seufzte leise auf und bei einem Blick in den Spiegel fiel ihr selbst auf, wie glücklich sie aussah.
Ja.. sie liebte diesen Mann über alles.
Nachdem die junge Frau sich die Haare gebürstet und zu einem Zopf gebunden hatte, zupfte sie noch einmal ihr Kleid zurecht und wandte sich dann zur Tür.
Was war denn das?
Ein Brief?
Sie nahm das gefaltete Schreiben auf, das offensichtlich unter der Tür hindurch geschoben worden war und begann sofort zu lesen.

* Meine geliebte Angelina!

Noch einmal möchte ich Dir versichern, dass Du die Frau bist, die mein Herz in Händen hält und mit der allein ich mein Leben verbringen möchte.
Doch Du siehst selbst, wie wenig ich mich, meine Gefühle zu beherrschen vermag. Der Ritter hat mich sehr wohl erkannt... meine Ungeduld ist viel zu groß und eines Ritters nicht würdig. Du selbst rätst mir, ihn mir zum Vorbild zu nehmen und im Gebet Stärke und Ruhe zu finden.
Mein Liebes, ich habe nun zu einem Entschluss gefunden.
Nicht, weil ich dich nicht von Herzen liebe... sondern im Gegenteil, weil du mir der wichtigste Mensch auf der Welt bist, werde ich Dich in den nächsten Wochen nicht sehen können.
Ich werde in der Abgeschiedenheit der Wälder mich dem Gebet widmen und so mich darin üben, geduldig zu werden. Meine Hoffnung ist, nach dieser Zeit gestärkt die Tugenden leben zu können und so würdig zu sein, Knappe zu werden.
Es wird nichts an meiner Liebe zu Dir ändern, doch erhoffe ich mir, Dir dann, meine Liebe, geziemt zu begegnen und meine Gefühle unter Kontrolle zu halten, ohne Dich mit meinem Begehren zu bedrängen.
Bitte verzeih mir... ich will Dich einfach viel zu sehr.
Ich hoffe, dass Du Verständnis für mein Handeln aufbringen kannst. Hätte ich mich noch bei Dir verabschiedet, so wäre mein Entschluss womöglich noch ins Wanken geraten.
Ich liebe Dich, meine schöner Engel!

Dein Kelan *

Angelina ließ sich auf das Bett sinken und starrte an die Wand.
Er war fort!
Doch dann hob sie sein Schreiben noch einmal und las erneut.
Lange saß sie noch still da, völlig in ihre Gedanken vertieft. Doch dann nickte sie zu sich selber.
Ja... er hatte recht. Der Kirchenmann hier im Ort war äußerst streng und es entging ihm nichts. Wenn er dahinter kommen würde, dass sie das Bett teilten, ohne vermählt zu sein, wäre die Strafe nicht auszudenken. Dass sie nicht wie Eheleute das Bett teilten, würde ihnen sicher niemand glauben.
Kelan musste sein Ziel erreichen und sie durfte ihm dabei kein Hindernis sein. Auch sie würde sich in Geduld üben und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren... egal, wie lange es dauern würde. Sie hatte ja nun auch ihre Aufgabe zu erfüllen und sie wollte weiter die Wirkung der ihr bekannten Kräuter mit verschiedenen Rezepturen erforschen. Die Aufnahme an der Akademie hatte ihr neuen Mut gemacht und sie wollte fleißig studieren, um ihrer Mutter nachzueifern.
Angelina wollte das Werk ihrer Mutter, sich um die Kranken und Schwachen zu kümmern, weiterführen.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 15 Nov 2004 15:24    Titel: Der Fremde
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Es war das reinste Auf und Ab der Gefühle.
Kelan war fort gewesen und sie hatte sich dem Ritter Armin anvertraut, der ihr riet, die Sache mit den Manne, dem sie als Kind versprochen worden war, zu regeln.
Lange hatte Angelina an dem Schreiben gefeilt, um die rechten Worte zu finden und dann einen Boten gesucht, der gegen ein Entgeld das Schreiben zustellen sollte... oder zumindest dafür sorgen, dass es der Empfänger erhielt.
Nun waren schon mehrere Wochen vergangen, ohne dass Angelina eine Antwort erhalten hatte und Zweifel hatten sie beschlichen, ob der Mann sich wirklich die Mühe gemacht hatte... oder ob die Familie Mordan überhaupt noch unter der ihr bekannten Anschrift anzutreffen war.
Kelan war inzwischen aus dem Wald zurückgekehrt.

Wieder hatten sie sich getrennt. Sie wussten beide keine andere Lösung, denn viel zu groß war die Sehnsucht sich zu berühren, sich nah zu sein, als dass sie sich zutrauten, miteinander umzugehen, als wären sie nur Freunde. Kelan’s Abgeschiedenheit hatte nichts an seinen Gefühlen geändert und Angelina plagten, durch kursierende Gerüchte, Ängste, dass die Kirche mit ihrem Zorn über sie kommen würde.

Doch sie hielten ihre selbstauferlegte Distanz wieder nicht durch.
Nach einem langen Gespräch am Strand hielten sie sich in den Armen. Nicht lange... aber lang genug, um beiden klar zu machen, dass sie nicht ohne den anderen sein konnten... und nicht sein wollten.

Und dann kam Alan’s Geburtstag.
Am Abend trafen sich die Freunde von ihm in der Gaststätte, so auch Angelina und Kelan.
Das Essen war vorzüglich und es herrschte eine fröhliche, ausgelassene Stimmung bis Alan Angelina erzählte, dass ein Mann nach ihr suche... ihr Verlobter, so hätte er gesagt.
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht und sie glaubte schon, dass ihr die Sinne schwinden würden.
Doch sie hielt sich an der Tischkante fest und während Alan weitersprach, hämmerte ihr nur eine Frage im Kopf. „Was soll ich nur tun, wenn er auf den Vertrag besteht?“
Es tat ihr leid, dass offensichtlich die Fröhlichkeit der kleinen Gesellschaft verschwunden war, doch sie schaffte es nicht, ihren Kummer und ihre Angst zu überspielen.
Alan hatte erwähnt, dass der Fremde von ihr Gold wolle... das ließ sie hoffen, dass er sie vielleicht doch nicht zur Frau haben wollte.

Am nächsten Morgen bat sie Kelan um seine Begleitung zu dem Ritter.. dem Reichsheerführer.
Angelina erklärte diesem ihre Situation. Der Ritter bestärkte sie in ihrem Vorhaben, dem Mann, der nach ihr suchte, zu verdeutlichen, dass sie weder wohlhabend sei... noch zu ihm passen würde.
Er bot ihr sogar finanzielle Hilfe an... was Angelina dankbar annahm.
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 Beitrag Verfasst am: 26 Nov 2004 19:41    Titel:
Antworten mit Zitat

Zur Mittagszeit würde sie ihn wohl in der Schänke antreffen, hatte sie sich überlegt und schwankend zwischen Hoffnung und Angst hatte sie die Taverne betreten.
Den Wirt kurz grüßend ließ sie ihren Blick über Tische und Bänke schweifen. Nichts!
Nachdenklich sah Angelina zum Wirt hinüber.
Ob sie ihn fragen sollte? Vielleicht kannte er einen Reyven Mordan.
Sie verwarf den Gedanken und von Unruhe getrieben verließ sie das Lokal.
Sie ging durch die Stadt, schaut in einige Geschäfte und sah sogar beim Rathaus vorbei.
Wieder an der Taverne angekommen, schob sie die Kapuze ihrer Robe zurück, die sie zum Schutz gegen den einsetzenden Regen übergestülpt hatte. Entschlossen öffnete sie die Tür und wäre fast mit einem Mann zusammengeprallt, der diese Örtlichkeit offensichtlich gerade verlassen wollte.
„Grüsse“ stammelte sie, während der Mann schnell einen Schritt zurücktrat.
Sie sah ihn misstrauisch an. Er war ein Fremder, doch seine Augen lächelten sie freundlich an.
„Ah... meine Retterin!“ meinte er lachend und verneigte sich höflich vor ihr.
„So?“ Sie ging an ihm vorbei und sah ihn skeptisch an. Was wollte er nur?
„Heute aber ziemlich zerzaust, hm? Seid Ihr in den Regen gekommen?“ Seine Stimme klang ein wenig belustigt.
„Was kann ich denn für euch tun?“ fragte sie unverbindlich, um nicht unfreundlich zu wirken und strich sich über das Haar. „Ich sehe immer so aus.“
Er lachte auf und seine Zähne blitzten in seinem sympathischen Gesicht.
„Nein, das letzte Mal wart Ihr hübsch anzusehen... als Ihr mir die Herberge zeigtet und dann diese Schänke.“
Plötzlich erkannte Angelina ihn. Er war der Fremde von neulich, dem sie tatsächlich die Herberge gezeigt hatte.
„Ja.. stimmt... wir sahen uns schon einmal.“
Er lachte sie an und meinte fröhlich: „Es trifft mich schwer, dass ich so schnell aus Eurem Gedächtnis verschwunden bin.“
Sie seufzte auf und sah zu dem Wirt hinüber. Sie war doch hierher zurückgekommen, um ihn nun doch zu fragen, ob er den Herrn Mordan kenne... und nun hielt dieser Mann sie hier unnötig auf.
„Nun ja.. mich beschäftigen andere Dinge...“
Sie richtete wieder ihren Blick ein wenig misstrauisch auf den fremden Mann.
„Nunja... wenn Ihr von mir einen Rat haben wollt... zieht dieses scheußliche Ding aus. Vor drei Tagen wart Ihr hübscher.“
Er grinste sie verschmitzt an und sie sah ein wenig irritiert an sich herab. Was er nur hatte? Was ging es ihn an, wie sie aussah?
Angelina strich sich ein paar Regentropfen von der Robe und meinte gleichgültig: „Da hat es dann wohl auch nicht geregnet... Na.. ich wollte eben den Wirt etwas fragen.“
Damit wandte sie sich ab und ging zur Theke.
„Herr Wirt...“ Sie beugte sich ein wenig über den Schanktisch und sah den Wirt an, der sich gelangweilt in den Zähnen herum stocherte „... ist euch ein Herr Mordan bekannt?“
Der Schankwirt zuckte nur mit den Schultern und sein Blick richtete sich auf die Eingangstür.
Rainor trat gerade ein.
Sie hörte den Fremden ihn grüßen und während Angelina sich wieder aufrichtete, ebenfalls einen Gruß zu dem Freund schickend, spürte sie warmen Atem an ihrem Ohr und eine leise, raue Stimme: „ Ihm wohl nicht... aber ich gebe euch gern Auskunft... über mich, meine Liebe.“
Der Schreck ließ sie herumfahren und entsetzt wich sie zurück.
„Ihr?“
Mit angstvoll geweiteten Augen sah sie den Mann an, der sie fröhlich anstrahlte.

„Angelina Hill?“ fragte er nun, wie sie fand, überflüssiger Weise, verbeugte sich galant, ergriff ihre Hand und hauchte ihr einen Handkuss darauf. „Endlich!“
Rainor räusperte sich und bemerkte, dass er nur nach dem Rechten schauen wolle.
Völlig verwirrt bestätigte Angelina, dass alles in Ordnung sei und sie mit diesem Herrn sprechen müsse.
„Sicher Gardist... Ihr könnt gehen“ meinte Reyven Mordan nun huldvoll. „Ich möchte einen Moment... mit meiner Verlobten allein verbringen.“
„Oh....verzeiht ich wusste nicht...“ meinte Rainor konsterniert, machte kehrt und verließ das Lokal.
Angelina entzog Reyven die Hand und musterte ihn.
Ja.. sie hatte selbst nach ihm gesucht, wollte das endlich klären mit diesem leidigen Vertrag, aber warum war sie nur nicht darauf gekommen, dass dieser Fremde.. Reyven Mordan war?
Wie aus weiter Ferne nahm sie seine Stimme wahr...
„Angelina?... Ich bin froh, Euch endlich getroffen zu haben. Ich meine... das habe ich ja schon vor Tagen, doch da wusste ich noch nicht, dass Ihr es seid.“
Sie riss ihren Blick von ihm los und meinte leise: „Ich möchte mich setzen.“

Reyven sprach nun davon, dass seine Familie geglaubt hätte, dass sie tot sei und es ihn freue, gehört zu haben, dass sie Alchemistin wäre. Sie war wie benommen. „Ich bin keine Alchemistin...“ entgegnete sie mürrisch.
Das Misstrauen gegenüber diesem Mann war viel zu groß, als dass sie ihm Auskunft über sich geben wollte.
Freundlich redete Reyven weiter, offensichtlich erfreut, eine hübsche und gebildete junge Frau vorgefunden zu haben und endete mit den Worten: „Ihr müsst Euch keine Sorgen machen... Ich werde Euch ein gutes Zuhause bieten.“
Angelina hielt dagegen, versuchte ihm zu erklären, dass sie nur eine Kräutersammlerin wäre... und eine Schönheit?... Das wäre ja wohl auch übertrieben! Sie sagte ihm, dass sie arm wäre und ohne Familie... dass sie nicht zu ihm passen würde. Der junge Mann ließ das alles nicht gelten.
Doch dann ertrug sie sein Reden nicht länger und fragte ihn direkt: „ Mir wurde zugetragen, dass Ihr das Gold zurück wollt, das Euer Vater damals meinem gab. Wie viel ist es?“
Reyven seufzte auf.
„Ihr wollt also nicht mit mir kommen? Wirklich nicht? Überlegt es Euch... so Ihr euch weigert... will ich natürlich das Gold. Es sind 15.000 Goldstücke.“
Er sah sie durchdringend an.
„Habt Ihr so viel Gold?“
Mit verengten Augen sah sie ihn an und schüttelte den Kopf.
So viel Gold wollte er? Ihr schlug das Herz bis in den Hals.
Das hieß... ihr Vater hatte sie für diese lächerliche Summe verkauft... auf der anderen
Seite war es heute für sie so viel, dass sie davon ausgehen musste, es dem Ritter nie zurückzahlen zu können, wenn sie es jetzt leichtfertig Reyven anbot, um aus dem Vertrag heraus zu kommen.
„Nein.. habe ich nicht... ich habe nichts!“ sagte sie mit tonloser Stimme. „Nur das Nötigste zum Leben.“
„Dann solltet Ihr euch etwas überlegen. Ich bin nicht so schlimm wie Ihr glaubt.“ Reyven erhob sich mit einem milden Lächeln.
„Überlegt es Euch. Warum also ablehnen, wo Ihr mich doch gar nicht kennt?“
Angelina biss die Zähne zusammen. Da gab es nichts zu überlegen!
Er stand neben ihr und sah auf sie herab.
„Ich komme heute Abend wieder hier her! Bis dann... meine Angetraute Angelina.“
Mit einem süffisante Lächeln deutete er eine Verneigung an und verließ mit zügigen Schritten die Örtlichkeit.
„Mistkerl!“ flüsterte sie, mit zu Fäusten geballten Händen.
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 Beitrag Verfasst am: 29 Nov 2004 14:59    Titel:
Antworten mit Zitat

Am Abend hatte sich Angelina in die Taverne gesetzt.
Sie war leer... keine Gäste. Nur der Wirt döste hinter dem Tresen vor sich hin.

Erschreckt fuhr sie zusammen, als sich jemand ganz plötzlich neben sie setzte.
Sie hatte ihn gar nicht kommen hören und als Reyven ihr abweisendes Beiseiterücken wahrnahm, stand er kurzerhand auf und setzte sich ihr gegenüber.
„Also... habt ihr Euch entschieden?“ fragte er ohne Einleitung direkt nach einem kurzen Gruß und musterte sie.
„Entschieden? Was gibt’s denn zu entscheiden?“ fragte sie ziemlich pikiert und hielt seinem Blick verstockt stand.
„Nun ja... Gold oder heiraten. Ich ließ Euch die Wahl.“
Angelina wollte nicht darauf antworten. So schnell wollte sie ihm nicht nachgeben und ihm das Gold von dem Ritter anbieten. Und so appellierte sie:
„Was habt ihr denn davon....nun, nach den vielen Jahren auf die Erfüllung des Vertrages zu bestehen? Die Voraussetzungen sind heute doch ganz andere!“
„Nun, eine Kräuterkundige... wäre eine Bereicherung. Es sind 15000 Goldmünzen... meint Ihr, dass wir so einfach darauf verzichten?“
Missmutig seufzte Angelina auf. Ein Kaufmann! Wie war sie nur darauf gekommen, ihn von seinem Vorhaben abbringen zu können?!
„Also... eine Arbeitskraft..?“
Reyven nickte nur leicht und ließ sie nicht aus den Augen.
„Ich habe kein Gold...“ setzte Angelina wieder an, hielt nun den Kopf gesenkt und drehte sich nervös den Kleidergürtel um die Hand. „... und woher soll ich es mir nehmen? Das Geschäft meines Vaters existiert schon lange nicht mehr und da Ihr ja eh glaubtet, dass ich tot sei... warum verzichtet Ihr nicht einfach und entlasst mich aus dem Vertrag?“
Sie hob wieder den Blick zu ihm auf und es verpasste ihr einen Stich, dass er sie nur gelangweilt ansah.
„Nennt mir einen Grund, warum ich das tun sollte. Es geht um viel Gold dabei... und ihr seid nicht tot... sehr erfreulich für mich.“
„Das ist das einzige, worauf ihr spekuliert.. hm?“ fuhr sie auf.
Langsam beugte er sich vor und sah sie durchdringend an. Mit leiser Stimme meinte er: „Gebt mir das Gold... und Ihr seid frei.“
Unbewusst wich Angelina ein wenig zurück und starrte ihn fassungslos an.
„Ihr habt das Gold nicht. Hm... gut.“
Er musterte sie und wirkte dabei nicht einmal unfreundlich. Das angedeutete Lächeln, dass seine Mundwinkel umspielte, ärgerte sie.
„Ich könnte um Euch werben“ meinte er lässig.
Angelina verengte die Augen ein wenig und fragte gereizt: „Versucht ihr das?“
Reyven streckte die langen Beine unter dem Tisch aus und lehnte sich ein wenig zurück. Mit einem Lachen meinte er: „ Sagt einfach Ja... und ich beweise es Euch.“
Mit vorgetäuschter Ruhe antwortete sie: „Nein.. warum sollte ich?“
Nun beugte sie sich ihrerseits ein wenig über den Tisch, sah ihm direkt ins Gesicht und sagte mit ruhiger, fast leiser Stimme: „Ich kann mich erinnern... dass mein Vater sagte... die Ehe wird geschlossen, wenn ich 20 Jahre alt werde... oder... wenn ich es vorher will. Ich will aber nicht vorher!“
Reyven nickte ernst. „Nun gut... Ihr sprecht recht. Dann warte ich noch. Und Ihr habt diese zwei Jahre Zeit, das Geld heran zu schaffen.“
Angelina hätte am liebsten aufgestöhnt und setzte sich wieder aufrecht. War denn diesem Mann mit nichts beizukommen?
Ärgerlich schleuderte sie ihm entgegen: „Ich werde Erkundigungen einziehen lassen über euch!“
„Damit habe ich kein Problem“ meinte Reyven ruhig und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber Ihr solltet nicht versuchen, mir zu drohen. Ich habe das Recht auf meiner Seite! Ihr habt mir geschrieben. Und ich bin sogar noch ledig. Warum wolltet Ihr, dass ich Euch freistelle?... Ohne mich kennen lernen zu wollen!?“
Er hatte recht... das wusste sie ganz genau. Sie wand sich innerlich und mochte es nicht zugeben.
„Ihr würdet keine Freude an mir haben... ich möchte hier leben... in dieser Stadt...“ gestand sie jetzt ein.“
„Paaah!“ machte Reyven verächtlich. „In diesem Nest?“
Schon wieder kroch die Wut in ihr hoch. Dieser überhebliche Kerl!
„Ja.. in diesem Nest!“ erwiderte sie heftig, fügte dann aber etwas versöhnlicher an: „Ich habe hier Freunde.“
„Wenn Ihr mit mir kommt... werdet Ihr neue Freunde finden, Ihr werdet es gut haben” versuchte Reyven es wieder mit Freundlichkeit. Er konnte ihr ansehen, wie es in ihr arbeitete, während sie ihn eine ganze Weile stumm ansah.
Er unterbrach ihre Gedanken.
„Ich schlage Euch einen Handel vor. Ihr kommt mit mir... ohne Verpflichtungen.... lernt mich kennen, erst danach entscheidet Ihr euch.“
Ihr Blick ruhte fast ungerührt auf ihm, doch ihre Gedanken überschlugen sich.
„Ein fairer Handel oder nicht?!“
Reyven lächelte sie an. Er schien davon überzeugt zu sein, nun einen geeigneten Vorschlag gemacht zu haben, dem sie nur zustimmen konnte.
„Nein“ sagte sie ruhig.
„Nein?“ wiederholte Reyven und sah sie nun verblüfft an.
Er seufzte tief auf. „Da verstehe einer die Frauen! Ich wollte euch damit einen Gefallen tun!“
Angelina sah vor sich auf den Tisch und fuhr mit dem Finger der Maserung des Holzes nach. „Ich finde es nicht gerecht, dass ich die Schulden meines Vaters zahlen soll... oder einen Mann heiraten, den ich nicht kenne.“
„Ihr wart der Preis!“ fuhr er dazwischen. „Lernt mich kennen.“
Angelina ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Es war sicher so gedacht... dass wir heiraten, damit Ihr das Geschäft meines Vaters übernehmt. Aber das ist hinfällig!“
„15000 Goldstücke! Mein Vater hat das Geld doch nicht einfach so hinaus geworfen!“ beharrte Reyven ruhig und ließ seinen Blick wie gleichgültig durch die Taverne wandern.
„Die Bank gibt mir nichts“ sagte sie nun leise und hielt den Blick gesenkt.
Ungeduldig fuhr er sie jetzt an. „Ihr tragt die Schulden und jedes Gericht wird mir Recht geben! Ich habe Euch Vorschläge gemacht, doch Ihr geht mich nur an!“
Mit vor Zorn blitzenden Augen und gedämpfter Stimme hielt sie ihm entgegen: „In dem Brief schrieb ich Euch, was ich wollte. Ich gab Euch frei, weil ich der Meinung bin, dass ich eh nicht zu Euch und Eurem Stand passe.“
Er seufzte wieder gelangweilt auf.
„Ich kann auch dem Richter die Sache überlassen... und wie gesagt... ihr wäret halt eine billige Arbeitskraft...“
Er grinste nun fies.
Angelina stöhnte auf und schüttelte sich leicht. Resigniert senkte sie den Kopf und meinte dann leise: „Ich kann euch nicht so viel Gold beschaffen.“
„Aber ihr seht ein, dass das Recht auf meiner Seite ist?“ fragte er nun mit sanfter Stimme und sein Blick ruhte auf ihr.
„Das Gesetz vielleicht... aber ob es auch recht ist?“
Er hob die Hand und meinte dann leise: „ Es ist recht... doch Ihr könnt das Geld nicht aufbringen. Hm... warum wollt Ihr in eine Ehe mit mir nicht einwilligen? Bin ich euch
nicht gut genug?“
Angelina sah langsam auf. Er hatte ohne Herausforderung gesprochen und seine Stimme hatte sanft geklungen. Sollte sie sich ihm wirklich anvertrauen?
„Ich wäre Euch keine gute Frau“ sagte sie leise.. aber fest.
„Warum wäret Ihr das nicht? Weil Ihr euch von vornherein dazu entschlossen habt? Lernt mich doch erst kennen. Ich bin gar nicht so übel...“
„Ja.. so kann man das sagen, Herr Mordan.“
Ein Lächeln misslang ihr und sie schnaufte leise. „Aber ich will Euch nicht zum Mann.“
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf und schaute auf den Tisch.
Reyven beugte sich etwas zu ihr und fragte leise: „Warum denn... nicht?“
Sie konnte nicht mehr. Hatte keine Argumente... und ihre Hoffnung, dass er sie gehen ließe, war immer kleiner geworden. Was ihr blieb, war nur noch... die Wahrheit zu sagen.
„Weil ich.... einen anderen liebe“ sagte sie ganz leise, kaum hörbar und biss sich auf die Lippe.
Eine Weile schwieg der Mann nun, atmete tief durch und erhob sich dann langsam.
„Und er?“ fragte er ruhig und lehnte sich an den Tisch.
Tränen glänzten in ihren Augen, als sie ihren Blick zu ihm hob. „Warum fragt Ihr?“
„Weil ich wissen möchte, ob das Zukunft haben kann.“

Angelina verstand nun gar nichts mehr. „Wie meint Ihr?“
Langsam und geduldig, wie mit einem Kind redend, meinte Reyven: „ Später... antwortet bitte auf meine Frage!“
„Ich ver... verstehe.. nicht ganz? Warum wollt ihr das wissen?“
Ihre Verwirrung war nicht zu übersehen.
„Liebt er Euch auch?“
Mit großen, tränenverschleierten Augen sah sie immer noch zu ihm auf und konnte nur nicken.
Fast versonnen richtete Reyven einen Moment seinen Blick in die Flamme der Kerze auf dem Tisch. Ganz leise sagte er dann: „Auch ich.. habe einmal geliebt... aber es war mir verwehrt sie zu heiraten... weil ich... versprochen war.“
Beschämt senkte sie ihren Blick und murmelte leise: „Es tut mir leid.“
„Mein... Vater, wird mich umbringen, wenn ich ohne Euch oder das Gold zurückkehre!“ sagte er dann wieder mit fester, klarer Stimme.
Angelina schaute hoffnungsvoll zu ihm auf.
„Ihr.. Ihr...“ stammelte sie leise.. „Ihr würdet.... das tun?“
Reyven griff in sein Hemd und holte ein altes, vergilbtes Pergament hervor, hielt es dann in die Flamme der Kerze bis es Feuer fing. Wie gebannt sah Angelina auf das brennende Schriftstück. Er warf es auf den Tisch und es krümmte sich zusammen, kleine Flammen fraßen es, bis es nur noch schwarze Asche war.
„Ihr seid nun frei. So wird vielleicht wenigstens einer von uns glücklich werden.“
Damit drehte er sich um und ging auf die Tür zu.
Sie sprang auf und eilte hinter ihm her. „Herr Mordan!“ rief sie.
Reyven hielt inne und sah sich zu ihr um.
Sie trat an ihn heran und sah zu ihm auf. Tränen der Erleichterung rann ihr über die Wangen.
„Danke!“ Mehr brachte sie nicht heraus.
Er nickte nur stumm, wandte sich zur Tür und meinte noch: „Den Rest mache ich mit... Vater aus.“
Dann war er fort.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 14 Dez 2004 14:29    Titel:
Antworten mit Zitat

Frei!
Sie war endlich frei! Frei für Kelan!
Angelina konnte es kaum fassen. Nur allmählich brach die Freude durch, doch dann lachte sie laut auf, so dass der Wirt zu ihr hinüber schaute und den Kopf missbilligend schüttelte. „Frauen!“ murmelte er und griff nach dem Handtuch zum Gläser putzen.
Angelina stürzte aus der Taverne und eilte zur Wache. Sie musste es unbedingt Kelan erzählen, doch sie traf ihn nicht an. Einer seiner Kameraden meinte, dass er ihn hätte aus der Stadt hinaus gehen sehen.

Es blieb Angelina nicht anderes, als ihr Zimmer aufzusuchen und auf Kelan zu warten.
Während sie versuchte, sich auf die Mischungen der Reagenzien und Kräuter für Salben zu konzentrieren, schweiften ihre Gedanken immer wieder ab.
Nun würden sie bald heiraten können und keiner konnte dann mehr etwas dagegen haben, dass sie zusammen wohnten...
Angelina schwelgte in ihren Vorstellungen, ihren Träumen von dem gemeinsamen Leben mit dem Mann, den sie über alles liebte. Als sie sich die Finger an dem Kocher verbrannte, löschte sie ihn und räumte ihre Arbeitsutensilien in den Schrank. Heute würde sie womöglich noch Fehler machen... sie war einfach viel zu aufgeregt vor Freude.
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Kelan von Falkenburg





 Beitrag Verfasst am: 14 Dez 2004 14:58    Titel:
Antworten mit Zitat

Kelan blickte in den wolkenlosen Abendhimmel hinauf, als er durch das Tor getreten war.
Seit langem hatte es nicht mehr geregnet, was ein wahres Wunder war und nun sah es noch immer nicht so aus, als würde es in der nächsten Zeit anfangen wollen.
Ziellos wanderte er umher.
Angelina hatte noch keine Zeit für ihn und so hing er seinen Gedanken nach, die sich um ihre bevorstehende Hochzeit drehten... Das Gespräch mit Hochwürden stand noch aus.
Wie gerne hätte er wenigstens seine Mutter dabei gehabt, seinen Vater... Wussten sie überhaupt, dass er noch lebte, oder war es so wie Angelina vermutete, dass sie sicher längst alle Hoffnung aufgegeben hatten.

Was hätte Leon, sein Bruder, wohl zu seiner Wahl gesagt?
Lächelnd umfasste er das Medaillon seines Bruders, das er um den Hals trug.
Es zeigte das Wappen seiner Familie und hinten drauf war der Name „Leon von Falkenburg“ eingraviert.
Es war das einzigste, was ihm von seinem Bruder geblieben war.
„Du hättest sie gemocht“ flüsterte er und sah auf das Schmuckstück herab. „Du hättest sie wirklich gemocht.“
Fast ärgerlich wischte er sich eine Träne aus den Augen und nahm sich zusammen, steckte das Medaillon wieder unter sein Hemd zurück.
Trotz allem sprach er weiter zu ihm. „Das wird vielleicht eine Hochzeit... ich habe nicht einmal Ringe.“ Er seufzt auf. „Eine Hochzeit ohne Ringe, das gibt eine schöne Bescherung.“

Er wollte gerade wieder umdrehen, als sein Blick auf das Kornfeld fiel und er starrte einige Minuten darauf, bevor ein Lächeln über seine Züge glitt und er zu dem Feld eilte.
Er pflückte einige der Kornstängel, setzte sich auf einen Stein am Zaun und zog seinen Dolch.
Dann kürzte er die Halme auf gleiche Höhe, holte die eingerollte rote Robe aus seiner Tasche und schnitt den Stoff unten am Saum auf, bis er einen groben Faden erhielt, ribbelte den Stoff weiter auf, bis dieser Faden seiner Meinung nach lang genug war und teilte ihn dann zu ganz feinen Fäden.

Dies war sicher kein Tun eines Mannes, der einmal Ritter werden wollte, aber es war das Tun eines Mannes, der liebte und der Frau seines Herzens wenigstens einen Ring zur Hochzeit schenken wollte.
Selber hatte er noch niemals geflochten, nur zugesehen, aber er versuchte es.
Er verflocht das Stroh, mit dem Faden und umgekehrt.
Immer wieder schmiss er die Versuche fort, unzufrieden mit dem Ergebnis und erst nach Stunden, es begann schon dunkel zu werden, hielt er etwas in der Hand, das wie ein Ring aussah.
Fast stolz blickte Kelan auf das Ergebnis. Das Stroh war fein mit dem roten Faden verwickelt, und das Ganze erinnerte kaum noch an das, woraus es bestand.
Er hoffte nur noch, dass er ihr passte und so er irgendwann die Möglichkeit und das Gold dafür hatte, würde er ihr einen richtigen Ring schenken.

Fast fröhlich ließ er den Ring nun in seine Tasche gleiten und kehrte in die Stadt zurück.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 14 Dez 2004 15:04    Titel:
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Er hielt sie an der Hand und schritt weit aus in Richtung Strand.
Angelina hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten und konnte ihn nicht dazu bewegen, ihr zu sagen, was er vorhatte. Sie lachte immer wieder, wenn sie im Sand strauchelte und klammerte sich haltsuchend an seine Hand.
„Kelan! Nun sag doch schon, was du vorhast!“ rief sie lachend und er zeigte an den Waldrand.
„Dort.. Angelina! Da ist ein schöner Platz!“

Sie ließ sich in da Gras sinken und sah zu ihm hinauf.
Was wollte er nur hier? Täuschte sie sich oder sah er unsicher aus?
Kelan räusperte sich und nestelte dann unter seinem Hemd einen Strauß Kornblumen hervor. Angelina musste schmunzeln über seinen Blick. Kelan versuchte den recht zerknitterten Blumenstrauß ein wenig zu richten und sah sie schuldbewusst an.
„Er hat wohl ein wenig gelitten“ meinte er zerknirscht und reichte ihn ihr.
„Aber das macht doch nichts!“ Sie nahm freudig die Blumen und steckte ihr Gesicht hinein, sog den Duft der Wildblumen ein.
Mit einem Lächeln schaute sie wieder auf. „Danke! Sie sind immer noch wunderschön.. und sie bedeuten Sommer!“
Kelan ließ sich auf die Knie vor ihr nieder und sah sie unsicher an.
„Weißt du worüber ich mir die ganze Zeit Gedanken machte?“
„Nein“ sagte sie ruhig und roch wieder an den Blumen.
„Dass ich es nicht einmal schaffe, dir einen Ring zu besorgen.“
Sie lachte Kelan an.
„Ach Kelan, ist das denn so wichtig? Mach dir deshalb doch keine Sorgen... ich nehme dich auch ohne Ring.“
Sie blinzelte ihn verschmitzt an und er ergriff ihre Hand.
„Angelina... versprichst du mir, nicht zu lachen? Ich habe da noch etwas für dich... schließe bitte die Augen“ sagte er und suchte mit der freien Hand in seiner Hosentasche.
Überrascht schloss sie jedoch gehorsam die Augen, fragte aber: „Was hast du denn vor?“
Er hauchte ihr einen Kuss auf die Hand und schob ihr dann etwas auf den Ringfinger.
„Lach bitte nicht“ sagte er dabei leise. „Ich werde dir einen kaufen, sobald ich die Möglichkeit dazu habe... du musst ihn ja auch nicht tragen, wenn du nicht magst.“
„Darf ich schauen?“ fragte sie gespannt und sah sofort auf ihre Hand, als er sie losließ.
Voller Erstaunen betrachtete sie einen Ring, ganz fein geflochten aus Stroh und einem roten, dünnen Faden. Das Stroh leuchtete wie Gold und der Faden verlieh ihm einen rötlichen Glanz.
Sie bewegte ihren Finger und sah dann auf. Ihre Augen glänzten vor Freude und Rührung gleichermaßen.
„Oh Kelan! Der ist ja hübsch!“
Kelan lächelte unsicher und meinte leise: „ Ich habe ihn selbst gemacht. Mir fiel nichts anderes ein... um dir einen Ring schenken zu können.“
Sie drehte den Ring vorsichtig an ihrem Finger. „Er ist wunderschön“ sagte sie leise, voller Ergriffenheit und als er noch wieder einwandte, dass sie ihn ja nicht zu tragen bräuchte, kniete sie sich vor ihn und schlang ihm stürmisch die Arme um den Hals.
„Nein.. er ist wunderschön! Ich werde ihn mit Stolz tragen, Kelan. Danke!“
Sie küsste ihn. Nur kurz war seine Umarmung, dann ließ sie sich wieder in das Gras sinken, immer wieder das kleine Wunderwerk mit strahlenden Augen betrachtend.
Er erzählte ihr, wie er ihn hergestellt hatte und das die ersten Versuche völlig fehlgeschlagen waren.
„Du hättest sie als Kopfschmuck tragen können“ meinte er grinsend und sie lachte hell auf.

Als sie zurück in die Stadt gingen, war Angelina vor Freude immer noch ganz überdreht.
Sie hielt ihre Hand von sich und betrachtete lachend ihren Ring, hüpfte wie ein übermütiges Kind um Kelan herum und sang immer wieder: „Ich habe einen Ri..innng! Einen wunderschönen Ri.. ing!“
Wenn er grinsend nach ihrer Hand fassen wollte, entzog sie sich lachend und hüpfte wieder um ihn herum. Sie war einfach glücklich!
Und bald würden sie vor dem Altar der Göttin den Bund fürs Leben schließen!
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Kelan von Falkenburg





 Beitrag Verfasst am: 15 Dez 2004 11:50    Titel:
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5ooo Goldstücke! schoss es Kelan noch immer durch den Kopf, während er sich die schmerzende Schulter hielt und resigniert ließ er sich am Brunnen auf die Bank fallen.
5000 Goldstücke wollte Hochwürden für die Hochzeit haben! Wenn man bedachte, dass dann noch andere Ausgaben dazu kommen würden... es war ein Vermögen und es war kaum zu beschaffen.
Bei seinem Sold, Angelina’s Einnahmen... ihren nötigen Ausgaben... es würde über ein Jahr dauern wenn sie wirklich hart sparten.
Wütend stand er wieder auf und versetzte dem Brunnen, der nun wirklich unschuldig an seinem Unmut war, einen Tritt.
Voller Verzweiflung hatte er sich gestern zu den Trollen aufgemacht. Ihr Leder ließ sich vielleicht gut verkaufen, aber er war direkt beim ersten Angriff gescheitert. Zu stark waren diese Gegner für ihn und so war er in die Stadt zurückgekehrt. Seine geprellte Schulter schmerzte immer noch.

Was nur sollte er Angelina erzählen? 5ooo Goldstücke... er ahnte ihre Antwort. "Dann werden wir eben sparen und warten."
Warten... ein Jahr? Länger?
Er schüttelte den Kopf. Das vermochte... nein... das wollte er einfach nicht.
Aber welche Alternative hatte er?
Selbst zu seinen Eltern zu gehen, war in diesem Falle keine Möglichkeit.
Auch wenn sie sich freuten ihn zu sehen, würden sie ihm sicher nicht gleich ein solches Vermögen aushändigen.
Er setzte sich auf den Brunnen, rieb sich verzweifelt über sein Gesicht.
Liebe... ohne Liebe wäre es .. wäre alles so viel einfacher, aber er war jetzt schon ganz und gar verloren. Wollte nur noch die Eine, wollte sein Leben mit ihr verbringen.
Er wollte nicht mehr nur die spärlichen Nächte, die sie gemeinsam sittsam angekleidet verbrachten... Verbrachten damit, sich im Arm zu halten und versuchten Schlaf zu finden.
Selbst jene Nächte waren rar, da sie jedes mal Acht geben mussten, dass sie keiner sah, wenn sie zusammen Angelina’s Zimmer aufsuchten, da sie wussten, dass sie auch wegen dieser Lappalie hart von der Kirche bestraft werden konnten.
Er seufzte. 5ooo Goldstücke... es war ein fast unerreichbarer Betrag.
Was wäre, wenn er es Angelina sagen würde? Würde sie den Ritter fragen? Ihre Freunde?
Er schüttelte den Kopf.
Nein er musste... er wollte das Gold selber aufbringen.
Er wollte nicht, dass ihm jemand dabei half.
Oh ja, Stolz war ein sehr bitteres Gefühl und hinterließ einen schalen Beigeschmack, aber im Moment vermochte er erst einmal nicht anders zu denken.

Er nahm seine Laterne auf und machte dann noch einen Spaziergang hinaus aus der Stadt.
Er würde Angelina erst einmal meiden.
Wie sollte er ihr nur beibringen, dass er sie noch nicht heiraten konnte? Verzweiflung und eine unbändige Sehnsucht nach ihr machten sich in ihm breit.
Missvergnügt kickte er einen Stein zur Seite.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 16 Dez 2004 11:03    Titel:
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Überall hatte Angelina nach Kelan gesucht.
Selbst zu den Trollen hatte sie sich geschlichen, um den Strand und den Waldrand nach ihm abzusuchen... grausige Bilder vor Augen, sich ausmalend, was ihm alles hätte passiert sein können. Sie war erleichtert gewesen, ihn dort nicht zu finden. Wenn sie sich im Ort aufhielt, was immer seltener wurde, und sie sich dann flüchtig mit jemandem unterhielt, fragte sie immer wieder nach Kelan.
Doch eine konkrete Antwort hatte keiner für sie. Er versah wohl seinen Dienst als Gardist, doch schien er es so eingerichtet zu haben, dass sie ihm nicht begegnete oder aber er sich verleugnen ließ.
Ihre Freunde wollten sie trösten, ihr Mut zusprechen... doch sie hatte immer das Gefühl, dass sie ihr etwas verheimlichten. Angelina fühlte sich nur noch elend.
Die Hoffnung auf eine baldige Hochzeit hatte sie im Laufe der Wochen verlassen... so wie Kelan sie verlassen hatte.

Sie war wieder in die Stadt gekommen um sich Brot zu kaufen. Außerdem wollte sie einige der gesammelten Kräuter verkaufen.
Gedankenverloren hatte sie sich auf eine der Bänke am Brunnen gesetzt und suchte sich gerade aus ihrer Tasche einen Apfel heraus, als sie sich beobachtet fühlte. Bevor sie aufschauen konnte, hörte sie einen Aufschrei.
„Angeliiiiinaaaaa!“
Erschrocken fuhr sie hoch und sah Kelan mit vor Freude strahlendem Gesicht auf sich zu kommen.
Sie war wie erstarrt und nur leise kam es über ihre Lippen: „Kelan?“
Sie traute ihren Augen nicht. Konnte er es wirklich sein?
Er war auf sie zugestürzt und ließ sich vor ihr auf die Knie fallen. Tränen glänzten in seinen Augen.
Sie wagte nicht, ihn zu berühren... fast als fürchte sie, er könnte dann wieder verschwinden.
„Du... du.. bist zurück?“ fragte sie nur ungläubig.
„Nein... nein... ich war niemals fort! Oh, Angelina... es tut mir so leid!“
Fassungslosigkeit sprach aus ihren Augen, ihrem Gesicht.
„Nicht fort?... Aber... aber... wo warst du denn?“
Kelan liefen die Tränen über das Gesicht und er begann ihr zu erzählen, was vorgefallen war.
Dass er mit Hochwürden gesprochen hätte, und dieser ihm gesagt hatte, eine Hochzeit würde 5000 Goldstücke für die Spendenkasse bedeuten und dass er so verzweifelt darüber gewesen war, dass er sich nicht getraute, es ihr zu sagen... denn er hätte nicht gewusst, wie er das Gold beschaffen sollte. Nun hätte er noch einmal mit Hochwürden gesprochen und der Kirchenmann war jetzt bereit, auf die großzügige Spende zu verzichten, wenn sie beide einen Leumund bringen würden, der sich für ihn und Angelina verbürgen würde... ihre Rechtschaffenheit und Frömmigkeit bezeugen könne.
Wie ein Häufchen Elend vor ihr hockend sah er sie an.
Fassungslos strich sich Angelina mit der Hand über die Stirn.
„Angelina... kannst Du mir verzeihen?“
„Oh, Kelan... und ich dachte... du wärst von mir fortgegangen.“
Sie streckte ihre Hand nach ihm aus. „Kommst du zu mir?“ fragte sie leise.
Kelan erhob sich und trat nah an sie heran... zögerte jedoch.
„Bist du dir sicher?“ fragte er leise.
Angelina’s Verwirrung war ihr deutlich anzusehen.
„Sicher? Warum?...“
Er sah sie verzweifelt an und stöhnte tief auf.
„Na ja.. ich war nicht da... ich war zu feige, Dir in die Augen zu sehen. Angelina.. ich bin fast wahnsinnig geworden bei dem Gedanken an Dich... und Dich nicht in die Arme nehmen zu dürfen, weil ich das Gold nicht aufbringen kann... und jetzt... jetzt habe ich Angst, dass Du mir nicht vergeben kannst.“
Wieder forderte Angelina ihn mit einer Geste auf, sich neben sie zu setzen. Zögernd ließ er sich an ihrer Seite nieder und leise beantwortete er ihr all die Fragen, die ihr immer noch auf der Seele brannten. Doch wie hätte sie ihm nicht verzeihen sollen? Hatte er sich doch selbst viel zu sehr damit bestraft, dass er sie gemieden hatte. Seine Sehnsucht und Verzweiflung konnte sie nur zu deutlich in seinen Augen lesen.
Zärtlich, fast tröstend schob sie ihre Hand in seine und er hob ihre Finger an seinen Mund, um sie zart mit den Lippen zu berühren.
Nur langsam begriff sie, dass ihr Glück, der Mann, dem ihr Herz gehörte, zu ihr zurück gekehrt war... sie eigentlich gar nicht verlassen hatte.
Und sie war zuversichtlich, schon bald ihre Fürsprecher Hochwürden vorstellen zu können.

Als Kelan meinte, dass er gern baden würde, entschloss sie sich, mit ihm zu gehen.
Sein durchdringender Blick traf sie und sie verstand.
Ja... sie würde mit ihm zum Strand gehen und sich ihm anvertrauen.
Sanft drückte sie seine Hand und sah ihm in die Augen. Ihr Blick war ein Versprechen.
Heute würden sie Mann und Frau werden... und keiner konnte sie daran hindern.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 18 Dez 2004 10:39    Titel:
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In den folgenden Wochen sollte sich jedoch herausstellen, dass es doch gar nicht so einfach war, jemanden von respektablen Ansehen zu finden, der sich für die beiden Liebenden verbürgte.
Kelan hatte gehofft, dass der Hauptmann der Garde für ihn sprechen würde. Doch bevor er ihn darum bitten konnte, war dieser als Begleitung des Ritters Armin abgereist. Somit stand auch Angelina’s erste Wahl, der Ritter, nicht zur Verfügung.
Aber sie war zuversichtlich, dass die Leiterin der Magierakademie, an deren Institut sie Alchemie studierte, Hochwürden ihre Rechtschaffenheit bezeugen würde. Bisher hatte sie von der gestrengen Dame für ihre Fortschritte nur Lob erhalten.

Mit klopfendem Herzen trug Angelina ihr Anliegen vor.
„Ah sooo... Ihr wollt heiraten?“
Eine Braue hob sich unmerklich in dem Gesicht vor ihr und die Erhabene sah Angelina nachdenklich an.
„Dagegen habe ich keine Einwände... auch wenn ihr Mitglied der Akademie seid. Jedoch gebe ich zu bedenken, dass ich Euch privat nicht kenne. Ihr seid eine fleißige, gewissenhafte Schülerin... mehr kann ich allerdings auch nicht über Euch sagen.“
Angelina wurde ganz blass und ihre Hände im Schoß verkrampften sich.
„Es tut mir leid.... aber als Leumund tauge ich für Euch nicht.“ Die Magierin erhob sich und bedachte Angelina mit einem unverbindlichen Lächeln.
Damit war das Gespräch beendet. Angelina knickste ehrerbietig und verließ das Büro.
Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen...
Wen sollte sie nur jetzt noch fragen?
Ihre Freunde. Ja... aber das waren Menschen, die sich mehr schlecht als recht durchschlugen. Einige hatten nicht einmal eine Wohnung. Hochwürden würde sie nicht als Leumund gelten lassen, auch wenn sie noch so ehrlich und gut gesinnt waren.

Niedergeschlagen war Angelina zum Brunnen gegangen, um dort auf Kelan zu warten.
Ob er Rat wusste?
Ob Hochwürden wohl gewusst hatte, dass sie beide nicht so leicht einen Fürsprecher finden würden? Aber was hatte er davon, wenn er ihre Hochzeit hinauszögerte?
Bei dem Gedanken an die dann fällige Beichte wurde Angelina ganz heiß.
Ob sie wohl verschweigen durfte, dass Kelan und sie....
Sie hatte diese eine Nacht am Strand so genossen und es tat ihr keine Minute leid, sich ihrem Liebsten ganz und gar hingegeben zu haben, doch würde Hochwürden sie dafür strafen?

So in ihre Gedanken vertieft, bemerkte Angelina kaum, dass sich unweit von ihr ein Mann auf eine Bank niedergelassen hatte. Er klopfte seinen staubigen Mantel ab und sah dann freundlich lächelnd zu ihr hinüber.
„Ich grüße Euch, junge Frau“ sagte er und lüftete seinen Hut höflich.
Angelina straffte sich und erwiderte seinen Gruß.
„Seid Ihr auf der Durchreise?“ fragte sie mehr aus Höflichkeit als aus wahrem Interesse.
Der Fremde lehnte sich an die Hauswand und streckte die Beine lang aus.
„Ja.. richtig.“ Er grinste ein wenig.
„Ich beabsichtige, hier im Ort meine Vorräte für meine Reise aufzufüllen und die Nacht werde ich in der Herberge verbringen. Ich hoffe nur, dass es dort anständigen Betten gibt.“
Angelina lächelte ihn freundlich an.
„Ja.. gewiss doch. Es sind freundliche, helle Zimmer und die Betten sind wirklich bequem.“
Der Fremde beugte sich ein wenig vor und fragte: „Könnt ihr mir sagen, wo ich hier einen empfehlenswerten Alchemisten finde? Ich muss meine Reiseapotheke auffüllen. Leider habe ich unterwegs einiges aufgebraucht.... in Varuna war ich bei einer Heilerin, die mir empfohlen wurde. Eine sehr nette und weise Frau.“ Er nickte bekräftigend in Erinnerung an die Heilerin.
Angelina musste schmunzeln.
„Na ja... wenn Ihr mir vertrauen würdet, dann könnte ich Euch sicher mit allem versorgen, was ihr benötigt.“
Die beiden wurden sich handelseinig und der Fremde erzählte Angelina von seiner Reise.
Als er noch wieder die ältere Heilerin erwähnte, fragte Angelina nach ihrem Namen. Warum... hätte sie nicht sagen können.
„Aaaah... der war sehr kurz...“ Nachdenklich tippte der Mann sich mit dem Finger an die Nase.
„Ja.. jetzt weiß ich ihn wieder! Hill. Ihr Name war Hill. Wie ihr Vorname lautet, das kann ich leider nicht sagen, den hat sie mir nicht genannt.”
Angelina starrte den Fremden ungläubig an. „Hill?“ fragte sie fassungslos.
Ihr Gegenüber nickte und grinste, offensichtlich mit sich zufrieden, dass er sich doch noch erinnert hatte.
„Aber nun verabschiede ich mich, wertes Fräulein. Ich brauche ein heißes Bad und es verlangt mich nach ein wenig Schlaf.“
Der Reisende lupfte seinen Hut, verneigte sich vor Angelina und ging dann die Strasse hinunter Richtung Herberge.

Hill! Wie oft es wohl diesen Namen gab? Und dann noch eine Heilerin, die Hill hieß? Eine nicht mehr ganz junge Frau? Angelina konnte es kaum glauben, doch die Hoffnung, dass ihre Mutter doch noch leben könnte, ließ ihr Herz wild klopfen.
Am liebsten wäre sie sofort aufgebrochen zu dieser Stadt. Varuna... der Fremde hatte von der schönen Stadt erzählt, von dem bunten Markt, der herrlichen Kirche und dem beeindruckenden Schloss des Grafen. Ob diese Heilerin wirklich ihre Mutter war?
Wie würde Kelan dazu stehen, wenn sie ihre Mutter suchen würde?
Und wenn sie es täte, ohne es ihm zu sagen?
Sie wäre sicher in wenigen Tagen wieder hier. Nein... das konnte sie ihm nicht antun. Sie wusste nur zu gut, wie sie gelitten hatte, als sie ihn vermisste und nicht fand.
Angelina seufzte tief auf und fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. Sie durfte nichts überstürzen.... doch Kelan beunruhigen wollte sie auch nicht. Was sollte sie nur tun?

In den folgenden Monaten rissen die Schwierigkeiten nicht ab. Kelan war von einem Ritter zum Knappen genommen worden und Angelina freute sich, dass er nun geradewegs auf sein Ziel zusteuerte. Doch mit der Knappschaft war verbunden, dass er sich von ihr fern zu halten hatte. Das fiel nicht nur Angelina schwer... Kelan war drauf und dran, seine Laufbahn zum Ritter aufzugeben.
Um Kelan von sich abzulenken, hatte Angelina ihm erzählt, dass sie einen anderen Mann kennen gelernt hätte. Sie wusste, dass sie ihn damit sehr verletzte, doch sie wollte unbedingt, dass er seine Ausbildung zu ende führte.
Kelan war dermaßen aufgebracht, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihre Täuschung zuzugeben. Es dauerte lange, bis er ihr wirklich vergeben hatte.

Nur heimlich konnten sie sich sehen, aber wenn sie beieinander waren und sich ihrer Liebe vergewissern konnten, waren sie glücklich. Doch diese heimlichen Treffen wurden auch immer seltener und Kelan hielt es nicht mehr aus. Er bat den Ritter um seine Entlassung aus der Knappschaft und nahm seinen Dienst in der Garde wieder auf.
Angelina war damit nicht einverstanden gewesen, doch dass sie ihren Liebsten nun wieder häufiger sehen konnte, besänftigte sie.
Der Dienst in der Garde nahm Kelan jedoch auch immer mehr in Anspruch.
Angelina vergrub sich in ihrer Arbeit und erforschte immer wieder neue Rezepturen. Bald würde sie ihre Ausbildung an der Akademie abgeschlossen haben.
Der Gedanke an ihre vermisste Mutter hatte sie in all den Monaten immer wieder geplagt. Sie sehnte sich danach, sie zu sehen. Sie wollte sich so gern davon überzeugen, dass die Mutter noch lebte... dass sie wirklich die Heilerin in der fernen Stadt war. Doch würde Kelan sie gehen lassen? Sie sahen sich nur noch so selten... sollte sie ihn bitten, ihr zu erlauben, nach der Mutter zu suchen?
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 19 Dez 2004 12:23    Titel: Varuna
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Sie war dann doch übereilt aufgebrochen.
Während sie in der Postkutsche durchgeschüttelt wurde, hielt sie ihre Augen geschlossen. Sie konnte zwar nicht schlafen, aber besser nachdenken. Der Mann, der ihr gegenüber saß, hatte sie immer wieder unverhohlen interessiert angeschaut. Er war klein und ein wenig fettleibig. Seine kleinen schwarzen Augen und seine spitze Nase ließen sie an eine Ratte denken. Seine Blicke waren ihr unangenehm und so überließ sie sich den Bildern, die vor ihrem inneren Auge auftauchten, sobald sie die Augen schloss.
Kelan. Wie er lachte... ihr zublinzelte mit diesem Schalk in den Augen... wie seine Augen dunkel und seine Gesichtszüge ganz weich wurden, wenn er sie so liebevoll anschaute... Ihr Herz begann wild zu klopfen, als sie daran dachte, wie er sie ansah, wenn er sie begehrte...

Angelina wusste nicht, ob sie richtig gehandelt hatte mit ihrer Abreise. Sie war nun schon seit vier Tagen unterwegs und der Wunsch brannte in ihr, die Mutter wieder zu finden, doch die Sehnsucht nach ihrem Liebsten war jetzt schon so groß. Wie sollte es nur werden, wenn ihre Reise womöglich doch einige Wochen dauern würde?

Ein Reisender hatte ihr von einer Frau berichtet, die in der Stadt Varuna leben sollte. Er hatte von ihren Heilkünsten und ihrer Fürsorge für die Armen erzählt... und ihren Namen genannt. Hill. Sie hoffte so sehr, dass es ihre Mutter wäre.

Angelina hatte sich lange mit dem Gedanken geplagt, wie sie es Kelan sagen sollte. Sie wollte ihn nicht verlassen und dennoch sehnte sie sich danach, ihre Mutter aufzuspüren, von der sie so lange geglaubt hatte, sie sei tot.
Kelan hatte die letzten Wochen verschärften Dienst gehabt. Eine Kameradin war ausgefallen, weil sie ein Kind bekam und eine andere war unverhofft gestorben. Sie hatten sich kaum sehen können und Angelina befürchtete, dass Kelan sie nicht gehen lassen würde oder die Stellung in der Garde aufgeben könnte, um sie zu begleiten. Beides wollte sie nicht. Sie wollte ja auch nicht bei ihrer Mutter bleiben. Sie wollte sie nur finden und schauen, wie es ihr ging. Vielleicht würde sie ja mit ihr kommen und sie könnten zusammen in dem kleinen Ort leben und arbeiten... bei Kelan.
Angelina hoffte inbrünstig, dass Kelan es ihr nicht übel nehmen würde. Sie hatte nur einen Brief für ihn in ihrem Zimmer liegen lassen, in dem sie ihm ihr Vorhaben mitteilte... und dass sie in wenigen Tagen zurück sei. Sie wusste, dass er leiden würde... aber sie wollte ja nicht lange fort bleiben, dafür brauchte sie viel zu sehr seine Liebe und Nähe.

Mit einem tiefen Seufzen öffnete Angelina die Augen. Der Mann gegenüber starrte sie wieder so unangenehm an und das ältere Ehepaar, das ebenfalls in der Kutsche reiste, unterhielt sich leise.
Die Sonne war gänzlich hinter den dunklen Bäumen des Waldes verschwunden. Die Dunkelheit nahm schnell zu und die Strasse durch den Wald schien nicht gerade im besten Zustand zu sein. Immer wieder wurden die Reisenden mächtig durchgerüttelt.

Plötzlich wurden Rufe laut. Die Stimme des Kutschers trieb die Pferde an und die Reisenden konnten hören, wie die Peitsche knallte. Angelina blickte aufgeregt aus dem Fenster und versuchte in der Finsternis etwas zu erkennen. Es polterte vorn auf dem Kutschbock ganz fürchterlich, was wohl auf einen Kampf hindeutete. Der Ehemann versuchte seine hysterisch weinende Frau zu beruhigen und hatte sein kurzes Schwert gezogen, während der Mann Angelina gegenüber in Schweiß ausbrach und sich immer wieder den Hut abnahm, um sich die Stirn mit einem Tuch zu wischen. Fieberhaft überlegte Angelina, was sie tun könnte, wenn die Räuber sich nicht mit Geld oder den mitgeführten Taschen zufrieden geben würden. Ob sie den Reisenden nach dem Leben trachteten?
Die Kutsche wurde angehalten, die Bremse quietschte schrill. Kaum, dass das Gefährt stand, wurde auch schon die Tür aufgerissen und die Insassen mit barscher Stimme aufgefordert, auszusteigen.
Der Mann mit dem Schwert stürmte aus der Kutsche und griff die Männer draußen sofort an. Es entstand ein Kampf, dessen Hergang Angelina wegen der Dunkelheit nicht verfolgen konnte. Die ältere Frau drückte sich schreiend in ihre Ecke der Sitzbank und der Mann, der Angelina gegenüber gesessen hatte, wurde grob von seinem Platz ins Freie gezerrt. Angelina glitt aus der Kutsche und im nächsten Moment hatte sie die Gelegenheit genutzt, sich hinter den Wagen zu flüchten. Die Räuber schienen mit den Männern alle Hände voll zu tun zu haben und ihr Entweichen nicht sofort bemerkt.
Hastig schlug die junge Frau ihre Kapuze über ihr kupfern leuchtendes Haar, um es zu verbergen. Wenn es doch nur nicht so dunkel gewesen wäre! Sie konnte kaum den Waldrand erkennen.
Angelina nahm all ihren Mut zusammen. Sie hoffte, dass sie nicht sofort verfolgt würde und wenn sie dann erst im Schatten des Waldes verschwunden wäre, würde das Räuberpack sie nicht mehr finden.
Sie hielt ihren Rock und Umhang gerafft, damit sie ungehindert ausschreiten konnte und rannte so schnell es ihr möglich war. Doch dann trat sie ins Leere und stürzte.
Die junge Frau hatte in der Dunkelheit den breiten Graben neben der Strasse nicht sehen können und war bei ihrem Sturz mit dem Kopf hart auf einen großen Stein geschlagen.

Als der Morgen dämmerte und die ersten Sonnenstrahlen sich durch die Äste der Bäume drängten, lag sie immer noch genauso, wie sie in der Nacht gefallen war.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 20 Dez 2004 11:41    Titel:
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Das junge Mädchen kam zu sich und stellte mit Erstaunen fest, dass ein starker Arm sie festhielt und sie an einen warmen Körper drückte. Alles um sie herum schwankte und sie brauchte eine ganze Weile, bis sie richtig sehen konnte. Das vor ihr war ein Pferdehals und das Schwanken musste daher kommen, dass sie auf einem Pferd saß.
Sie stöhnte auf und griff sich an die Schläfe. Ein stechender Schmerz fuhr ihr durch den Kopf, der ihr sowieso schon dröhnte und sie sah auf ihre klebrigen Finger. War das Blut?
Sie strengte sich an, genau hinzusehen und steckte dann einen der Finger in den Mund. Ja... es war Blut, der metallene süßliche Geschmack verriet es ihr.
Vorsichtig hob sie den Kopf, um zu sehen, wem der Arm gehörte, der sie offensichtlich mit Leichtigkeit auf dem Pferd hielt. Dunkle Augen blitzten sie freundlich an und der Hüne hinter ihr sagte etwas, das sie nicht verstehen konnte. Er hatte ein markantes Gesicht und helles Haar, das ihm wild um den Kopf flog. Am Klang seiner tiefen Stimme konnte sie hören, dass er sie etwas fragte... doch was?
Sie verstand ihn nicht und es war ihr einfach zu anstrengend, ihn weiterhin anzusehen.
Wenn ihr Kopf doch nur nicht so schmerzen würde!
Zutraulich lehnte sie sich wieder an den Mann, der ihr wie ein Krieger erschien. Wer war schon sonst so stark? Und sie hatte Narben auf seiner Haut ausgemacht... sie sahen aus, als wären sie von einem Schwert oder einer Axt. Fürsorglich zog der Arm den Umhang, in den sie gewickelt war, enger um sie und drückte dann das Mädchen fester an die Brust des Mannes.

Wo er sie wohl hinbringen wollte?
Sie versuchte sich krampfhaft zu erinnern, wo sie gewesen war, was geschehen war. Doch da war nichts... NICHTS!
Beunruhigt suchte sie in ihrer Erinnerung. Wie war ihr Name? Wer war sie? Woher kam sie?
Was war geschehen und warum saß sie vor diesem Mann auf dem Pferd? Ihr fiel zu keiner ihrer Fragen eine Antwort ein. Aber das konnte doch nicht sein! Sie konnte doch nicht alles vergessen haben?
Vorsichtig tastete sie erneut nach der Wunde an ihrer Schläfe und die dunkle Stimme hinter ihr schien sie beruhigen zu wollen.

Als sie den Wald verließen, konnte sie in der Ferne eine Stadt mit einer mächtigen Mauer erkennen. Fuhrwerke passierten ein großes Tor und Menschen gingen geschäftig ein und aus.
Kannte sie diese Stadt? Sie wusste es nicht.
Verzweiflung machte sich in ihr breit. Wenn sie doch wenigstens wüsste, wie ihr Name ist?!
Doch dann kam ihr ein Gedanke, während die Stadtmauer immer größer zu werden schien.
Vielleicht erkannte sie jemand dort... vielleicht wusste dort in der Stadt ein Mensch, wie sie hieß, wer sie war. Sie schaute sich zu dem Mann hinter ihr um und er grinste sie freundlich an.
„Wie heißt diese Stadt?“ fragte sie ihn und er zog die Brauen ein wenig hoch, was ihr verdeutlichte, dass er sie auch nicht verstand. Sie seufzte enttäuscht und zeigte auf die große Stadtmauer, wandte sich dann aber wieder um.
Doch der Reiter hielt sein Pferd an und deutete auf das Tor, das sie bald erreichen würden.
Er erklärte ihr etwas... sie konnte nur „Varuna“ heraushören. Varuna war eine große Stadt, von der sie schon gehört haben musste. Der Name kam ihr bekannt vor. Seinen Gesten konnte sie entnehmen, dass er sie dorthin bringen wollte. Er zeigte auf ihre Schläfe und machte ihr verständlich, dass er dafür sorgen wolle, dass sich darum ein Heiler kümmerte.
Seufzend nickte sie, um sogleich vor Schmerz das Gesicht zu verziehen. Ja, das war besser, als noch länger auf diesem Pferd zu sitzen, so nah bei einem fremden Mann. Vielleicht würde sie sich ja dann auch wieder an ihren Namen und alles andere erinnern können.

Ziemlich zielstrebig lenkte der Reiter sein Pferd durch die Strassen und hielt vor einem Haus.
Es war groß und das Mädchen freute sich an den vielen, schönen Blumen, die in Kästen davor blühten.
Behutsam wurde sie von dem Pferd gehoben und hinein getragen.
Ihr war schwindelig und ihr Hintern tat ihr weh. Sie musste das lange Reiten nicht gewohnt sein. Außerdem dröhnte ihr Kopf und sie hatte Schwierigkeiten mit den Augen. Nicht nur, dass sie ihr vor Müdigkeit immer wieder zufielen, sie konnte mitunter nicht scharf sehen... alles verschwamm.

So entging es ihr, dass die Frau, die sich um sie kümmerte, sie zunächst mit schreckgeweiteten Augen angestarrt hatte. Doch dann hatte sie dem Mann gesagt, er solle seine Last auf ein Bett legen, das sie ihm in einem kleinen Raum zuwies.
Der Hüne war dann verschwunden und das Mädchen hatte es genossen, von der Frau umsorgt zu werden. Mit geschickten Händen hatte diese die Wunde versorgt, ihr warme Milch bereitet und als auch der Hunger gestillt war, sie gewaschen. Sie hatte keine Fragen beantworten müssen. Immer wenn sie versuchte, ihre Situation zu erklären... die sie sich ja selbst nicht erklären konnte, beruhigte sie ein liebevolles „Sssscht... nicht jetzt“. In dem nach Sonne duftendem Bett war sie erschöpft eingeschlafen.

Die Heilerin saß noch lange an ihrem Bett. Freudentränen waren über das Gesicht der weisen Frau gelaufen, während sie die Schlafende betrachtete und immer wieder hatte sie voller Dankbarkeit ein Gebet gemurmelt... ganz sanft die schmalen Hände ihrer Patientin gestreichelt.

Sie hatte die kleine, zierliche Person mit dem langen Haar, das purem Kupfer glich, sofort erkannt.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 21 Dez 2004 12:41    Titel:
Antworten mit Zitat

„Lina, mein Schatz... du bist ja schon wach.“
Das junge Mädchen richtete erstaunt ihre Augen auf die Heilerin, die gerade das kleine Zimmer betrat und dann vorsichtig ein Tablett mit duftenden Butterbrötchen und dampfendem Tee auf den Tisch abstellte.
Mit strahlenden Augen fragte die gutaussehende, aber nicht mehr ganz junge Frau: „Wie geht es dir, meine Kleine? Schmerzt dein Kopf immer noch so sehr?“
Bekümmertheit sprach aus der Stimme der Heilerin, doch ihre Augen... ihr Gesicht... verrieten nur all zu deutlich die große Freude, die sie empfand.
Vorsichtig richtete sich das Mädchen im Bett auf und sah sich in dem bescheidenen Zimmer, in dem gerade zwei Betten und ein kleiner Tisch Platz hatten, um und sah dann wieder diese Frau an, deren Blick so liebevoll auf ihr ruhte.
„Ihr kennt mich?“
Hoffnungsvoll wartete sie auf die Antwort.
„Aber ja mein Kind!“
Die Heilerin setzte sich auf die Bettkante und nahm Lina’s Hand in die ihre.
„Erkennst du mich denn nicht?“
Lina schüttelte den Kopf, was sie sofort bereute, und tastete nach der schmerzenden Schläfe.
„Ich scheine niemanden zu kennen“, flüsterte sie. „Ich kenne nicht einmal mich selbst.“
Ganz sanft zog die Heilerin das junge Mädchen in ihre Arme und wiegte sie zärtlich wie ein Kind.
„Du bist meine Lina“ sagte sie ganz behutsam. „Meine Tochter.... von der ich glaubte, dass sie nicht mehr leben würde. Oh Lina... ich bin so glücklich, dass du lebst... dass du bei mir bist.“

„Lina? Das ist mein Name?“
Die Heilerin gab ihre Tochter aus ihren Armen frei und schaute sie mit Tränen in den Augen an.
„Ja... und dein Nachname ist Hill.“

Lina grub in ihrem Gedächtnis, in dem es keinen Widerhall gab. Lina Hill... Lina Hill...
Es war ein fremder Name für sie, doch er zauberte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen und in ihre veilchenblauen Augen. Sie wollte dieser Frau glauben, die so freudig und überzeugend war. Hatte sie nicht gehofft, dass in dieser großen Stadt sie jemand erkennen würde?
Und nun war es ihre Mutter, die auf ihrer Bettkante saß und ihr einen Becher Tee reichte!
Welch eine glückliche Fügung der Götter!

Durch die fürsorgliche Pflege ihrer Mutter erholte Lina sich recht bald. Ihre Wunde an der Schläfe verheilte gut, doch die Erinnerung stellte sich nicht wieder ein.
Viele Stunden hatten die Frauen damit verbracht, auszutauschen was sie verband. Eine einseitige Geschichte... doch für Lina eine ganz neue und schmerzvolle.
Als Lina soweit wieder hergestellt war, dass sie sich im Haus bewegen konnte, entdeckte sie ihre Kenntnisse über die Kräuter und andere Reagenzien. Voller Freude ließ sich die Mutter aufzählen, welche Wirkungen Lina bekannt waren und mit welchen Rezepturen die verschiedensten Salben und Tränke hergestellt wurden.
Lina verstand das nicht. Sie schien selbst auch eine Heilerin zu sein, nach allem, was sie über die Heilkünste wusste... doch die Vergangenheit kannte sie nun nur aus den Erzählungen ihrer Mutter. Ein ganzes Jahr, oder sogar noch ein wenig mehr, fehlten ihr.
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Angelina Hill





 Beitrag Verfasst am: 23 Dez 2004 09:19    Titel:
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Sechs Wochen lebte Lina nun schon in dem Haus ihrer Mutter, der Heilerin, als diese sie eines Abends zögerlich und mit äußerst vorsichtig gewählten Worten fragte, ob es sein könne, dass sie ein Kind unter dem Herzen trüge. Entsetzt hatte Lina ihre Hände auf ihren Bauch gelegt und ihre Mutter mit großen Augen angestarrt.
„Ich... ich weiß nicht?... Aber du hast recht!... Oh Mutter!“
Panik erfasste die junge Frau. Wie hatte sie es nur nicht bemerken können?
Sie hatte noch keinmal ihre Regel bekommen, solange sie in dem Haus der Mutter weilte und das flaue Gefühl im Magen hatte sie einfach leichtfertig auf ihre Verletzung zurück geführt.
Sie brach in Tränen aus.
Beschwichtigend schloss ihre Mutter sie in die Arme.
„Lina, mein Kind... nun weine doch nicht. Ein Kind ist immer ein gottgewollter Schatz, den die Götter uns anvertrauen... Sssscht... beruhige dich doch...“
Lina schüttelte heftig ihren Kopf.
„Nein!... Nein! Mutter, siehst du denn nicht, was das bedeutet?“ schluchzte die junge Frau völlig aufgelöst. „Ich kenne den Vater nicht!... Ich weiß doch nicht, was mit mir geschehen ist... Der Mann, der mich hierher brachte... er sagte dir doch nur, dass er mich im Wald gefunden hat. Oh Mutter... ich will dieses Kind nicht! Es kann nur eine Frucht der Schande sein!“
Die Heilerin strich ihrer Tochter besänftigend über den Rücken und ihr mitfühlender Blick ruhte auf ihr.
„Mein Kind... selbst wenn dir Gewalt angetan wurde... so ist es zur Hälfte dennoch dein Kind. Du wirst es lieben... spätestens, wenn du es in deinen Armen hältst.“
Wild schüttelte Lina ihr Haupt, während sich ihre Finger in dem Stoff ihres Rockes verkrampften.
„Nein... Mutter! Niemals! Wenn es ein Kind der Liebe wäre...ja... aber dann müsste ich mich doch an den Vater erinnern... dann müsste ich doch wissen, dass ich geliebt habe!“
Sie brach weinend und zitternd zusammen und ihre Mutter rief nach Bertram, dem Gehilfen, der unten in der Praxis Dienst tat.
Zusammen trugen sie Lina in das Schlafzimmer, wo sie ein leichtes Beruhigungsmittel verabreicht bekam und dann völlig verausgabt einschlief, selbst im Schlaf immer noch leise aufschluchzend.
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