Das Leben einer Dienerin

[Lucille Levin]

Am ganzen Körper zitternd vor Kälte betrat sie das Gasthaus von Rahal und setzte sich im Schneidersitz vor den Kamin. Sie hielt ihre Hände Wärme suchend gen der Flammen um sich endlich wieder aufzuwärmen. Der Wirt hob eine Braue und sah sie einen Moment fragend an, dann kam er zu ihr herüber.

"Heda! Was machst du hier?" harschte er das Mädchen an

"Ich..ich wollte mich nur...einen Moment lang wärmen ... Herr" antwortete das Mädchen scheu.

"Ja glaubst du etwa, wir wären hier eine Wärmstube für herumtreibendes Gesindel? Sieh zu dass du verschwindest und zwar gleich! *er musterte das zitternde Mädchen abschätzend* "Du vertreibst uns noch die zahlenden Kunden, oder willst du mir etwa erzählen, du hast genug Geld um dir auch etwas zu bestellen?" der Wirt belächelte sie hämisch.

"Nein Herr" antwortete das Mädchen traurig und rappelte sich mühsam auf. Die Kälte hatte ihre Glieder steif werden lassen, als sie vor dem Haus der van Gor´s gewartet hatte. Dann kam ihr eine Idee "Aber ich habe Fisch Herr...ganz frisch gefangen! Wenn ihr wollt, dann verkaufe ich ihn euch. Vielleicht könnte ich dann ein Glas warme Milch haben?"

"Ganz frisch sagst du? Hm...na gut, zeig mal her, ob das auch wirklich was taugt!" misstrauisch beäugte er erst sie, dann ihre Fische "Nagut...ich geb dir ein paar Goldlinge dafür. Das scheint mir recht passabler Fisch zu sein, wenn auch wirklich nichts besonderes." Er warf ihr gut 20 Goldstücke auf den Boden, doch ein kurzes Funkeln in seinen Augen verriet jedoch dem geübten Auge, dass der Fisch wohl eher das doppelte oder mehr wert gewesen wäre. Aber das törichte Mädchen hatte wohl eh keine Ahnung.

Hastig las Lucille die Goldstücke auf und nickte leicht. -Dieser Halsabschneider- dachte sie bei sich. Der Fisch war mindestens dreimal so viel wert, aber es stand ihr nicht zu, ihn darauf anzusprechen. Sie war nur eine einfache Magd und er ein angesehener Herr. Sie rügte sich selbst für ihren Hochmut. Demütig senkte sie ihr Haupt und sprach leise "Habt dank werter Herr" Kurz darauf brachte er ihr das Glas warme Milch und verschwand dann wieder hinter seinem Tresen um ein paar Gläser zu polieren. Die Milch war eher lauwarm, aber sie trank es dankbar. Es wärmte ihre Glieder ein wenig und nur darauf kam es ihr an. Sie hatte über eine Stunde vor dem Haus der van Gor´s gewartet und trotz der Robe war die Kälte langsam, aber sicher, an ihr hochgekrochen. Kein Wunder bei ihrem Schuhwerk. Seufzend blickte sie hinab zu ihren Sandalen. Sie musste sich wirklich schnell etwas besseres besorgen. Aber solange sie noch niemand angetroffen hatte, konnte sie hier nicht weg. Aber ewig auf den Stufen sitzen konnte sie auch nicht, sie würde nur erfrieren.
Sie musste ihnen eine Nachricht zukommen lassen, doch lesen und schreiben hatte sie nie gelernt. Also blieb ihr nur eine Wahl. Sie trat an den Tresen und bat den Wirt, ihr zu helfen. Dieser war anfangs nicht sehr erbaut darüber, doch als sie ihm ein paar ihrer wenigen Goldmünzen gab, lies er den Küchenjungen mit einer Nachricht losgehen.
Diese Nacht konnte sie in der Küche vor dem Ofen schlafen, wofür sie allerdings die letzten ihrer Münzen wieder hergeben musste.
Hoffentlich hatte sie morgen mehr Glück.