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Bruderherz - Die Vergangenheit in den Bergen
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Teira





 Beitrag Verfasst am: 29 Jan 2007 00:22    Titel: Bruderherz - Die Vergangenheit in den Bergen
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Tharis, warte doch auf mich!“

Sie streckte ihre rechte Hand zitternd höher hinauf, griff nach dem Rand eines Vorsprungs in der kalten Felswand und hielt sich unter größter Anstrengung daran fest. Ihr rechter Fuß suchte nach einer passenden Einbuchtung im Stein in der nähe ihrer Schenkeln, fand eine und fuhr hinein. Sie verlagerte fast ihr gesamtes Gewicht auf diesen Fuß, ihre Linke fuhr ebenfalls nach oben zur anderen Hand und mit beiden zog sie sich langsam und mühevoll hoch. Da packte eine fremde Hand nach ihrem Arm und half ihr, endlich auf den Vorsprung zu kommen.

„Nun komm schon…“

Als sie aufgestanden war und sich wieder gerichtet hatte, war er ihr schon wieder vorausgelaufen. Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
Wenn man ihn so ausgelassen sah, mit einem strahlenden bubenhaften Gesicht dachte man leicht, dass er vier Jahre jünger und nicht älter wäre als sie. Mit im Wind wehendem Haar und flatternder Kleidung eilte sie ihrem Bruder nach.
Dieser Teil des Berganstiegs, an dem sie nun angekommen waren, war weniger steil als der letzte und doch kam Teira nur schwierig voran. Jeder Stein schien sich absichtlich in ihren Weg zu legen – es war als mochte der Berg nicht, dass sie ihn bestieg.

Sie hatte kein „Bergblut“, wie man in ihrer Familie, bei den Daneans, die Liebe zu den Bergen, zur Heimat zwischen den Wolken, nannte - die Liebe, den höchsten Berg zu erklimmen, um dem Himmel am nächsten zu sein und die ganze Welt zu überblicken – diesen konnte sie kaum mehr abgewinnen als Gliederschmerzen und Hautabschürfungen. Tharis jedoch, er war ein echter Gebirgsmensch. Liebend gern bestieg er Berge, nahm sich dafür viele Stunden Zeit und blieb manchmal sogar über Nacht auf einem Gipfel, um direkt zwischen den Sternen seinen Gedanken nachzuhängen.
Selten durfte sie mit, da die Aufstiege, die ihr Bruder benutzte, oft sehr schwierig und gefährlich waren. „Sowieso besser, sie bleibt zuhause und hilft bei den Hausarbeiten“, pflegte Vater zu sagen, „sie soll das Nähen üben, um bald für die Männer gute Kleidung aus Leder herstellen zu können, wenn diese in der kalten Bergluft in den Wald zum Jagen gehen!“
Teira mochte das Schneidern um einiges lieber als die Berge – ein Erbe ihrer Mutter, die ebenfalls eher ein Erdmensch war und nicht gerne auf Berge stieg - doch waren für sie Stunden des Zusammenseins mit ihrem Bruder Tharis ein seltenes, heiliges Vergnügen. Daher war sie immer betrübt, wenn sie nicht mit ihm zusammen einen Berg besteigen durfte, weil sie dann nicht bei ihm sein konnte.
Heute aber war ein Tag, am dem es nicht viel zu Schneidern gab, weswegen ihre Eltern eine Ausnahme gemacht hatten und sie mit dem Bruder haben gehen lassen.

Sie lief dem Gipfel entgegen, wo Tharis bereits an dem großen hölzernen Kreuz stand, das die Bergspitze kennzeichnete. Teira sprang ihm lachend von hinten auf den Rücken, er fasste grinsend beinahe automatisch nach ihren Beinen und hielt sie so Huckepack auf seinem Rücken fest. Träumerisch beobachteten sie beide den Horizont, wo die Sonne als glühender Feuerball daraufhin strebte, unterzugehen und das heimatlich Bergdorf der Geschwister im Tal hinter sich in Dunkelheit zu lassen. Nun, sobald sie ganz untergegangen sein würde, kämen die Sterne heraus und beleuchteten den Gipfel des Berges, doch konnten sie nicht hierbleiben, bis die Nacht anbrach. Sie mussten bald schon wieder zurück ins Dorf…

„Die Aussicht ist wunderschön…“
Gedankenverloren strich Teira ihrem Bruder über die kupferfarbenen Haare.
„Aye…“
Die verträumte Miene auf Tharis’ Gesicht machte einem skeptischen Blick Platz. Er beobachtete den sich langsam verdunkelnden Himmel.
„Schwesterherz, wir müssen sehr bald wieder hinab nach Hause, denn in der Dunkelheit werden wir den Weg nicht mehr sehen können…“
Auch die Schwester wurde wieder ernst und stieg von seinem Rücken.
„Du hast recht. Lass uns wieder geh…“
„ Oh, sieh mal, was ist diese Gestalt da unten zwischen den Bäumen?“ unterbrach er sie aufgeregt und sie blickte hinab.
Zunächst sah sie nichts außergewöhnliches, doch langsam hob sich ein brauner Schatten, nicht viel mehr als ein Fleck für sie, vom dunklen Schwarzbraun des Waldbodens ab. Erst nach längerem hinsehen, konnte sie erkennen, dass die Gestalt wohl hinabgebeugt auf vier Füßen ging, und langsam dämmerte ihr, was es für ein Wesen sein musste.
„Tharis…meine Güte, es ist sicher ein wildes Tier…“ wandte sie sich mit ängstlichem Gesicht zu ihrem Bruder, woraufhin dieser noch einmal hinabspähte, wo der Schatten immer näher kam und größer wurde.
„Hm…das ist ein Bär.“ sagte er gefasst, aber Teira bemerkte seine innere Unruhe, wie den seltsamen Blick und fragte sich, warum sie nicht fortliefen. Gegen solch ein riesiges Getier kamen sie nicht an, sollte es wild werden, und trotzdem stand er unbeweglich, angestrengt das Lebewesen im Wald unter ihnen beobachtend. Nach einiger Zeit des unruhigen Schweigens erhellte sich Tharis’ düstere Miene etwas.
„Kein Grund zur Panik, nur ein Junges auf Erkundungsreise.“
Er lächelte kurz warm, bevor er wieder nüchtern meinte, dass sie nun gehen sollten.
„Denn die Mutter ist sicher nicht sehr weit weg. Und die Dunkelheit lässt auch nicht mehr zu lange auf sich warten.“
Teira lächelte sanft und nickte. Sie genoss diesen Augenblick mit ihrem Bruder, einem Naturmenschen wie sie. In solchen Momenten spürte sie Eluive überall, in jedem Grashalm, jedem Stein, und nicht zuletzt in ihr selber.
Die Geschwister warfen noch einen Blick auf das wunderschöne Panorama und genossen die Atmosphäre, bevor sie sich Hand in Hand lächelnd auf den Heimweg machten.


Teira und Tharis waren immer unzertrennlich gewesen. Der große Bruder hatte als Kind zu Hause ständig auf sein Schwesterchen aufgepasst und sogar bei ihren Kaffeekränzchen mit den Puppen mitgespielt. Als sie größer wurden, jagten sie zusammen über die Felder im Tal oder lagen eng umschlungen auf der Wiese und betrachteten die am Himmel vorbeiziehenden Wolken. Nie gab es Streit. Zu Hause schliefen sie, obwohl jeder von ihnen ein eigenes Bett hatte, immer aneinandergekuschelt in einem.

Doch als Tharis zum Mannesalter herangewachsen war, war ihnen das nicht mehr erlaubt. Überhaupt ändert sich alles. Er hatte kaum noch Zeit für seine Schwester, denn er wurde zum Jäger ausgebildet und schließlich in deren Kreis aufgenommen. Das bedeutete viel Arbeit, die ihn auch schon bald überforderte. Teira bekam ihn wenig zu Gesicht, meistens nur bei der Mittagsmahlzeit, jedoch merkte sie, dass es ihm bei seinem Beruf nicht sehr gut ging.
Ja, sie wusste, was ihrem Bruder fehlte. Er war nicht zum Jäger geboren. Tiere waren seine Leidenschaft, er liebte die Natur. Daher fiel es ihm schwer, Lebewesen zu jagen und zu töten. Natürlich, Menschen mussten sich ihr Essen erjagen, sie konnten nicht nur von Beerensammeln leben, das war verständlich. Und dass man Tiere aus dem Wald manchmal töten musste, wenn eine Spezies sich zu sehr auszubreiten drohte, auch das begriff Tharis. Aber was die Jäger machten, hatte weder Kopf noch Fuß. Sie töteten beinahe beliebig, nach Notwendigkeit, doch ohne System und Ordnung.
Nein, damit kam er gar nicht zurecht! Teira hatte bereits in der Kindheit in ihm den Bauern gesehen, der Tiere auf natürliche Weise hielt, ihnen einen warmen Stall und tägliches Futter gab und dafür das bekam, was er gerade brauchte. Aye, ein Bauer hätte er werden müssen!

Das Problem war Vater, der hatte feste Vorstellungen von dem, was eine Frau und ein Mann tun sollten, und keiner konnte ihn davon abbringen. Die perfekte Frau war Schneiderin, um der Familie Kleidung selbst schneidern zu können, Haushälterin, damit immer alles sauber war im Haus und die Familie täglich drei Mahlzeiten hatte, und Mutter, um den Fortbestand der Bergleute zu sichern.
Dies hatte er auch für Teira vorgesehen und sie war nicht abgeneigt, schließlich mochte sie das Schneidern sehr und auch mit Kindern beschäftigte sie sich gern.
Vaters perfekter Mann war kräftig, mutig, ein guter Jäger, der seine Familie ausreichend mit Nahrung versorgen konnte, und ein ausgezeichneter Bergsteiger. Er wollte Tharis in dieses Ideal hineinzwängen, jedoch das war sinnlos. Wieso sah er nicht, dass sein Sohn nicht für das Jägerleben geschaffen war?
Teira hatte das Unglück lange vorher schon erahnt...

Eines Tages hatten die Bergmänner eine große Jagd auf einen Bären im Bergwald geplant, der immer wieder zu den Bauernhöfen ins Tal hinab kam und Vieh riss und stahl. Nun wollten sie ihn erwischen und brauchten dafür jeden verfügbaren guten Bergjäger des Dorfes, Tharis gehörte auch dazu. Schließlich war sein Vater ein vollwertiges Mitglied dieser Männer und sie konnten jedes junge Blut bei dieser Jagd gut gebrauchen.
Nein, auch sie kamen nicht auf die Idee, er könnte nicht zum Jäger geboren sein – bei diesem Vater doch nicht. Ah, wieso, wieso waren die Bergmänner in ihrer Meinung und Tradition nur so stur? Ein Bergmann, überhaupt ein Mensch, trägt nicht automatisch die Vorlieben seines Verwandten im Blut...
Die große Gruppe von Bergjägern ging gegen Mittag aus dem Dorf in den Wald, um nach dem Bar zu suchen. Teira hatte einer Intuition folgend Tharis den ganzen Tag nicht aus den Augen gelassen und hatte ihm während der Vorbereitungen Gesellschaft geleistet. Er meinte zu ihr, das reißende Tier sei wahrscheinlich ihr Bärenjunges, das sie vor zwei Jahren zusammen vom Gipfel des Berges gesehen hatten, und hatte einen seltsamen wissenden Blick.
Unglücklich war er mit zögerlichen Schritten davongegangen und unruhig war sie zurückgeblieben, draußen vor dem Haus, auf den Bergwald schauend, bis es zu dunkel wurde, um dort etwas zu erkennen. Dennoch war es fast, als spüre sie jede Bewegung ihres Bruders und spähe durch seine Augen zwischen den Bäumen umher.
Ein Teil von ihr ging widerstrebend mit ihm auf die verhasste Jagd. Auf ihrem Gesicht lag ein vor Ärger angewiderter Ausdruck.
Ein Teil von ihr rannte angespannt mit den übrigen Männern, als sie der frischen Fährte folgten. Sie keuchte in furchtsamer Anspannung auf.
Ein Teil von ihr hörte entsetzt die wilden Schreie, als die Jäger den Bär aufgespürt hatten und ihn angriffen. Zitternd, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, sah sie mit ängstlich geweiteten Augen auf den immer dunkler werdenden Wald ohne wirklich den Blick auf dem Panorama zu haben.
Ein Teil von ihr sah sich bebend vor Furcht auf einmal dem riesigen bedrohlichen Tier mit dicht an den Pelz angelegten Ohren gegenüber. Ein Knurren. Erst dunkel, dann anschwellend zu einem schließlich Trommelfell zerreißendem Brüllen. Ein gellender Schrei und ein Geräusch von zerfetzender Kleidung… oder war es Haut?… dann Stille und unendliche Dunkelheit.

Als Teira aus ihrer Ohnmacht aufwachte und sich in ihrem Bett fand, dachte sie zuerst, sie hätte das alles geträumt. Doch langsam stellte sich ein drückendes Gefühl im Magen ein und ein Kloß schob sich in den Hals. Die Tür öffnete sich knarrend, was ihr in dem Moment wie ein unerträglicher Lärm vorkam, und eine Gestalt schob sich hinein. Der Körper zeugte von einstiger Kraft und Größe, schien jedoch nun von einem unsichtbaren Gewicht gedrückt zu sein, und als der Mund sich öffnete und zu sprechen begann, klang die Stimme gebrochen.

„Bist du wach, mein Kind? Wie… wie geht es dir?“

Sie setzte sich auf und sah ihren Vater sich ängstlich auf die Lippe beißend an. Als sie seinen verzweifelten, untragbar traurigen Blick sah, weiteten sich ihre Augen.
„Vater… nein… sag nicht, dass…“
Er antwortete nicht, sondern sah nur mit von schimmernden Tränen gefüllten Augen aus dem Fenster. Teira’s Unterlippe begann zu beben.
„Oh, bei allen Göttern! Bitte nicht…“
Auch ihre Sicht verschwamm durch die salzige Flüssigkeit. Der Bär…Tharis… Es war kaum zu begreifen. Ihr über alles geliebter Bruder…tot…Nein!
Verzweiflung ergriff all ihre Sinne, sie sprang auf und rannte hinaus aus dem Zimmer, hinaus aus dem Haus. Niemand hielt sie auf. Tharis… das durfte nicht sein!
Vor der Tür schien ihr eine warme, kleine Sonne entgegen und tauchte den morgendlichen Himmel in ein sanftes Rosa, als wolle sie sich bei ihr für das Schicksal entschuldigen. Teira schluchzte und brach bitterlich weinend vor dem Haus zusammen.
„Eluive, warum tust du mir das an!“ Wie ihr Mund schrie auch ihre Seele all ihren Kummer zur Sonne hinauf und ihr Körper schüttelte alle Emotionen aus ihr heraus, bis nur noch eine riesige, dumpfe Leere in ihr war.

Der Vater kam aus dem Haus und wollte das elende Häuflein, das da vor der Tür am Boden lag, hineinbringen, doch Teira wand sich voll Verachtung aus seinen Armen. Sie ließ sich keinen Millimeter bewegen, bis die Mutter sie sanft in den Arm nahm, aufrichtete und schweigend hineinführte. Sie merkte nicht, wie sie wieder ins Bett gesteckt wurde und wieder einschlief bis zum Abend. Es stand ein Teller mit zwei Butterbroten neben ihrem Bett, doch sie hatte keinen Hunger und rührte es daher nicht an.

In ihr wütete ein schrecklicher Sturm der Gedanken und Gefühle, der ihrem Geist arg zu schaffen machte. Sie wollte nicht essen, sie wollte nicht sehen, nicht hören, nicht fühlen, nicht denken. Sie wollte nicht mehr existieren, es tat gar zu weh. Ihr Körper entschied sich dafür, jegliches Gefühl auszuschließen. So lag sie einige Tage im Bett und wenn sie nicht schlief, dümpelte sie ohne jegliche Gedanken in dem dunklen, zeitlosen See ihres oberflächlichsten Bewusstseins, total abgeschottet von der Welt.
Doch auf einmal sah sie ein schwaches Flackern. Zunächst nahm sie es kaum wahr, dann wurde es immer stärker. Sie fing ein Gefühl, eine Spannung im Zimmer auf. Was war das? In ihrem Kopf fingen die aus Verzweiflung abgestellten, ein wenig rostigen Räder langsam an sich wieder zu drehen, sie spann endlich wieder den ersten Gedankenfaden seit langem. Allmählich verschwand die Finsternis und ihre Augen ließen wieder zu, dass das Licht des Zimmers wieder in sie fiel, ganz langsam erkannte sie die Dinge um sich herum. Teira’s Körper war warm geblieben, weil irgendjemand heiße Kissen zu ihr unter die Decke gesteckt hatte. Es muss ihre Mutter gewesen sein, deren Emotionen es waren, die Teira fühlte. Die sensible, warmherzige Frau machte sich große Sorgen um ihre Tochter… Dieses Wissen hob das Mädchen wieder in Licht, Bewusstsein und Leben. Sie wendete ihren Kopf zur Zimmertür und erblickte tatsächlich ihre Mutter dort. Diese schien ihr um etliche Jahr gealter zu sein. Teira fragte sich gerade, wie viel Zeit wohl vergangen sein mochte, als ihre Mutter schluchzend auf sie zulief und ihr weinend um den Hals fiel. Sie drückte die kleine, zarte Frau sanft an sich.
Dann trat auch ihr Vater ins Zimmer und setzte sich zu den beiden aufs Bett. Teira und er sahen sich erst mit einem halb freudigen, halb traurigen Blick an und umarmten sich dann herzlich, wie schon seit langem nicht mehr.
Später saß die Familie am Küchentisch. Die Mutter trocknete sich ihre Augen mit einem Stofftuch und auch Teira rollten Tränen über die Wangen. Sie konnte wieder Gefühle haben, ohne von ihnen völlig überwältigt zu werden, dennoch saß der Schmerz sehr tief.
Wie soll es nur weiter gehen?

Tharis’ Leiche hatten die anderen Bergmänner auf dem Gipfel seines Lieblingsberges verbrannt und vom Wind davontragen lassen, wie es Sitte war. Und die nächsten drei Sonnenläufe kamen alle Bergleute zu ihnen um ihr Beileid auszudrücken, bis die Trauerzeit zu Ende war.

Die Tage danach verstrichen qualvoll langsam und jeder der drei übrigen Familienmitglieder versuchte in seiner Arbeit Trost zu finden, doch irgendwie schien es nicht zu funktionieren. Ständig herrschte eine erdrückende Spannung bei den Daneans zu Hause. Teira wusste, sie mussten über den Tod ihres Bruders reden und ihn nicht verschweigen, sonst konnten sie nie wieder normal leben. Deshalb sprach sie ein paar Mal das Thema an - ohne Erfolg. Erwähnte sie Tharis’ Namen, fing ihre Mutter gleich zu weinen an, und wenn sie es wagte, weiter zu reden, sah ihr Vater sie vorwurfsvoll an. Sein Blick flehte geradezu, dass sie aufhören sollte. So blieb ihr nichts anderes übrig als über etwas anderes zu reden oder zu schweigen.
Nach einigen dahin schleichenden Monden beschloss Teira ihre Heimat zu verlassen, weil sie die furchtbare Atmosphäre nicht mehr aushielt. Viele Schneiderinnen hatten das Bergdorf schon verlassen, es war also nichts wirklich Außergewöhnliches, wenn auch sie ging.
Als sie mit ihren Eltern darüber sprach, äußersten diese zwar ihre Sorgen, doch stimmten überein, dass es wohl eine gute Entscheidung wäre.
Also packte sie nach einer Woche alle Sachen, die sie benötigte, und verabschiedete sich langsam von den Bergen, dem Dorf und den Bergmännern. Das fiel ihr nicht gar so schwer, wie sie gedacht hätte. Sie gehörte wohl auch nicht hierher...
Schließlich stand sie mit den Eltern vor ihrem Haus. Der Vater gab ihr einen Beutel voller Goldmünzen und viele gute Ratschläge - zu viele, dass sie sie hätte alle behalten können - und die Mutter nannte noch einige Kniffe beim Schneidern, die sie ja nicht vergessen sollte, während sie wieder und wieder in ihre Stofftuch schniefte. Teira drückte beide mit feuchten Augen noch ein letztes Mal an ihre Brust und wandte sich dann in Richtung Schiff um. Ohne sich noch einmal nach ihnen umzusehen, hob sie die Hand und winkte nach hinten, bevor sie auf die Kutsche stieg, die sie zum Hafen bringen sollte.

In ihrer Koje auf dem Schiff wanderten ihre Gedanken jedoch zurück und sahen die zierliche Frau und den hochgewachsenen Mann vor dem urigen Holzhaus stehen. Ein schwaches trauriges Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Trotz all ihrer Fehler waren sie immer noch ihre Eltern und Teira liebte sie sehr. Jetzt, wo sie schon einmal daran dachte, wurde ihr klar, dass sie ihnen nicht mal die Schuld am Tod ihres Bruders geben konnte. Das Bärenjunge, dass sie vor etwas mehr als zwei Jahren zusammen mit Tharis von dem Gipfel aus beobachten hatte, kam ihr in den Sinn. Da war in den Augen des jungen Mannes eine Erkenntnis und kurz ein wenig Furcht aufgeleuchtet. Hatte er sein Schicksal schon vorausgesehen…?
Grübelnd lies sie sich vom Schiff hin- und herschaukeln und blickte aus der Luke auf die Wellen, die an die Holzplanken schlugen.

Das Schicksal…ja, die Schicksalsweberin… Eluive hat die Wege von Tharis und dem Bären sich kreuzen lassen und beiden Geschöpfen gleichzeitig einander ähnliche Tode beschert…

Nicht einmal Eluive konnte sie beschuldigen. Es musste wohl einfach so kommen… Der Bär hatte sich damit abgefunden. Tharis auch? Mit einem glasigen Blick nickte Teira sacht zustimmend. Ja, wenn sie an den Ausdruck seiner Augen in dem Moment, als sie ihn zum letzten Mal sah, dachte… er wusste, wie das enden würde, und ging freiwillig in den Tod. Nun, man konnte sich Eluive und dem Schicksal, das sie für einen bestimmt hat, nicht entgegenstellen. Und wenn Tharis das erkannt und akzeptiert hatte, würde Teira das auch können. Sicher würden das auch ihre Eltern bald einsehen.
Mit einem, durch diese plötzliche Gewissheit, endlich wieder freien Kopf und leichtem Herzen hörte sie den Matrosen vom Ausguck herabrufen.

„Land! Alathair in Sicht!“

Heiteren Sinnes und in freudiger Erwartung der Zukunft ging sie an Land und füllte ihre Lunge mit der neuen Luft. Der erste Atemzug. Ein neues Leben.
Alathair.


Sie wollte den Namen Danean in Zukunft nicht mehr benutzen, es war besser so. Er gehörte der Vergangeheit an, wie all das, was sie zurücklies. Und doch würde ein Teil ihres Herzens für immer in den Bergen bleiben. Jetzt, wo sie nur noch ein Teil ihrer Vergangenheit, nur noch eine Erinnerung, waren, fing sie an, sie zu lieben...


Zuletzt bearbeitet von Teira am 07 Apr 2007 18:27, insgesamt einmal bearbeitet
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