"Wächter der Toten" - Uralter Wind am Friedhof

[Falk Hinrah]

Vor einigen Tagen erst waren Falk und Caillen in Alathair angekommen, einiges hatten sie schon erlebt, einige kennen gelernt. Aber so einen Frevel wie am Friedhof von Varuna hatte der blonde Hüne noch nie gesehen.
Viele Menschen drängten sich bewaffnet um die Tore des Friedhofes auf dem die Geister der Toten erwacht waren und ausserhalb ihrer Gräber wandelten, von dem Frevel der Lebenden in ihrer Ruhe gestört.

Langsam näherte sich der gewaltige Tiefländer den Menschen, lockerte seine Muskeln. Nachdem er im Forst der Stadt Jagd gemacht hatte war es an der Zeit wieder ein wenig den Waffengang zu üben und so sah er in den Menschen eine gelungene Möglichkeit. Er wollte sich ihnen anschließen, sie davon überzeugen dass es besser wäre zu üben anstatt die Ruhe der Toten zu stören. Doch als er nahe genug heran war sah er in ihren Augen dass sie nicht bereit sein würden diesen Ort der Ahnen zu verlassen.
Endlich schlugen die wandelnden Toten einige der Menschlein nieder und nur er und zwei Menschlein blieben zurück. Auge in Auge mit einem Skelett das sich langsam dem Friedhofstor näherte. Zuerst dachte er ein böser Geist wäre in das einarmige Skelett gefahren dessen Verwesungsgeruch es wie ein Mantel aus flirrenden Schatten einhüllte. Er bat den Geist den Toten zu verlassen und ihn in Frieden Ruhen zu lassen doch da hob der Untote seine Stimme und Falk erkannte dass er einen Geist der Verstorbenen vor sich hatte.
Oft genug hatte er den ehrenwerten Toten in seiner Heimat gegenüber gestanden, manchmal mit ihnen verhandelt, manchmal nach Wissen gesucht. Doch hier war kein Schamane der die Toten gerufen hatte, sie hatten sich selbst erbost ob der Störung ihrer Ruhe erhoben.
"Dies ist das Reich der Toten, begehrt nur dann Einlass so ihr euch zu uns gesellen wollt!" Die schneidende Stimme des Toten fuhl ihm wie hundert Nadelstiche ins Gebein.
"Greifen wir es an bevor es uns angreift!" Schon sprang einer der Menschen vor doch mit donnerndem Bass fuhr Falk ihn an.
"SPRICH MIT MEHR ACHTUNG MENSCHLEIN, DU RICHTEST DAS WORT GEGEN EINEN DEINER AHNEN!" Schon hielt der Mensch inne und mit der Menschenfrau zusammen verließ er den Ort.
"Bleibe du in deinem Reich Geist, ich bleibe in dem der Lebenden."
"Und bleibe auch dort solange du nicht einer von uns werden willst." Ein schnatterndes Lachen ließ die stechende Stimme des Skelettes in seine Ohren stechen.
"Meine Zeit ist noch nicht gekommen und deine längst vorbei, kehre zurück in den Grab. Und halte deine verdiente Ruhe." Damit war die Sache für Falk erledigt doch grade als er gehen wollte kamen die Menschen wieder zurück. Mit dem Schild in der Hand und gezogenem Schwert der Mann, die Frau in einer Robe etwas langsamer dahinter. Sie wollten wieder auf den Friedhof doch der Anblick des Hünen und seine deutlichen Worte hielt sie zurück.
Auch sie gingen wieder und nachdem er dem Skelett sein Wort gegeben hatte dort nun Wache zu halten konnte sich der Geist des Toten endlich zur Ruhe begeben.


Lange stand Falk vor dem Friedhofstor, lehnte sich leicht daran. Schild und Schwert an seine Beine gestützt hielt er die Laute in den Händen und spielte Leise Melodien. Schlaflieder wie seine Mutter sie ihn gelehrt hatte doch diesmal für den ewigen Schlaf derer die nicht einmal seine Ahnen waren.
Er konnte es nicht begreifen, die Ahnen verdienten Respekt und Würde. Doch die Menschen schienen mehr als bereit zu sein ihre eigenen Toten zu stören. Nun. Wenn es den Menschen an Respekt mangelte, dann würd er halt wie versprochen Wache stehen. Und so spielte er ein Schlaflied für jene die den ewigen Schlaf schlafen.


Erst als jemand direkt vor ihm stand schaute er auf, ein älterer Mann in einer Robe. Begehrte Einlass auf den Friedhof. Um die Toten zu "erforschen". In Falk zog sich alles zusammen. Die Toten sollte man ehren, respektieren aber doch nicht erforschen. Offensichtlich hatte er es mit einem Papierraschler zu tun. Eines Menschen jenes Schlagen denen Tote Worte - Schrift - wichtiger war als das Leben zu genießen. Ihnen fehlte es an Respekt vor der Natur. Und diesem offensichtlich auch an Respekt vor den Toten.
"Mir wäre es lieber ihr würdet hier nicht stehen." Allein die Art und Weise wie der Mensch sprach. Hinter Worten seine Absichten verbergend, sich in einen Mantel aus Floskeln und Deutungen hüllend wie in Illusionen machte Falk krank. Doch er blieb ruhig, Ehre bedeutet einen Kampf zu vermeiden.
"Ich habe den Toten mein Versprechen gegeben und ich werde es halten. Papierraschler." Trotz der beinahe sanften Bestimmtheit mit der Falk diese Worte vortrug gab sich der Mann nur zögerlich geschlagen und bewieß doch noch seine Ehre indem er einfach ging und es nicht auf einen Kampf hinauslaufen ließ. Er verließ den Eingang zum Totenacker und erneut blieb Falk allein zurück.



Erst Stunden später schlug sich Falk den Schnee von den Stiefeln und blickte sich um. Er hatten dem Toten gesagt dass er nur ein Mensch war und seinem Leben nachgehen mußte. Doch er hatte auch versprochen wann immer möglich Wache zu halten. Wenn er jetzt ging. Würde er zurück kehren.

Um über die Ruhe der Toten zu wachen dass seine Ahnen stolz auf ihn herab blicken würden. Denn sie würden sich wünschen dass man ebenso über sie wacht.