Im Wald vor Rahal

[Shaja]

Dies war etwas ganz anderes. Diesmal ging es nicht um Rehe, und diesmal war kein Schutz durch ihre vierbeinigen Freunde gegeben.

Aber das war gut so, leise und unauffällig sollte sie sein. Alles nur nicht gesehen werden.

Der Wald um Rahal war kein Neuland für Shaja. Oft war sie hier gewesen und hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, ob irgendjemand etwas dagegen haben könnte. Der Wald war immerhin für alle da, dachte sie zumindest.

Seit der Auseinandersetzung in Berchgard jedoch, war sie sich darüber bewusst, daß es unsichtbare Linien zwischen den Bäumen gab. Menschen markierten ihr Revier nicht unbedingt, sie beanspruchten es einfach aus einer Laune heraus. Und selbst wenn sie es nicht Revier nannten, oder sich auch gar nicht darauf befanden, war es praktisch einerlei. Ein Grund jemanden zu attackieren war immer vorhanden, wenn sie nur wollten.
Und nun schlich sie hinter jener unsichtbaren Grenze, in einem Gebiet, daß sicher eher zu Rahal gehörte als sonst wohin, und wo sie sich sicher sein konnte, daß es genug Grund war sie anzugreifen, wenn man nur gewußt hätte, daß sie diese Luft atmete.

Sie schlich sich praktisch dauernd an.

Das Gewicht auf dem jeweils hinteren Bein, schob sie sich Schritt für Schritt nach vorn. Routiniert tasteten ihre Füße nach ebenem Grund bevor der Rest der Last sich nach vorn verlagerte. Keine Äste unter den Sohlen, kein Knacken, ruhiger Atem, die Sinne hellwach, blickten ihre braunen Augen durch die Bäume.
Sie suchte die Ränder des Dickichts. Sehen ohne gesehen zu werden. Die Schatten waren ihre Verbündeten.
Keine Spuren hinterlassen, trockene Stellen suchen, nasse meiden, ihre glatten Wildlederschuhe waren ebenso weich wie der Waldboden.

Sie hatte Zeit. Soviel Zeit, und diese Engelsgeduld dazu.

Shaja sollte sich nach Besonderheiten umsehen. Aufmärsche, Vorbereitungen, Aktivitäten jegwelcher Art.

Sie hatte einen Großen Bogen um das Gebiet gemacht um sich gegen den Wind zu nähern. Kein Eichelhäher oder dergleichen, sollte irgendwen warnen, der zwischen ihr und Rahal stand, während sie in ausladenden Schleifen den Wald absuchte.

Oft legte Shaja Pausen ein, in denen minutenlang ruhig an einen Baum geschmiegt ausharrte und den Geräuschen folgte die in die Wildnis gehörten, aber auch jenen die es nicht taten.
Bis auf Hör-, im Schutz der Dämmerung gar auf Sichtweite der Tore Rahals wagte sie sich ab und an heran.

Sie wusste nicht wieviel Zeit sie insgesamt hier verbringen würde, aber sicherlich wusste sie wann es Zeit war Falk etwas Wesentliches zu berichten.