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Apfelkerne
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Sae Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 08 März 2024 14:42    Titel: Apfelkerne
Antworten mit Zitat

Apfelkerne

Was tief in süßer Wonne
im Kern ganz klein versteckt,
das hat die Glut der Sonne
mit ihrem Licht entdeckt.

***






***

_________________
"Der Apfel und das Feigenblatt, sie stimmen uns vergnüglich -
und machen sie uns auch nicht satt, sie munden ganz vorzüglich."
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Sae Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 08 März 2024 14:51    Titel:
Antworten mit Zitat

„Plingkh… Plingkh… Plingkh…“
Mit malerischer Eintönigkeit, die einlullen und dröge machen wollte, klapperte der filigrane Deckel der Teekanne auf und ab. Der Dampf, welcher im Inneren unter all der Hitze am Porzellan nach oben kroch und dort in kleinen Sprüngen entweichen konnte, war der Verursacher. Mit seltsamer Regelmäßigkeit hob er das Deckelchen, schlüpfte hinaus und ließ es dann wieder fallen.
Eine wertvolle Kanne, ein Abschiedsgeschenk… gewissermaßen. Ein Geschenk, welches sie sich selber gemacht hatte, als sie die Apotheke und damit das Heim ihres Meisters so fluchtartig verlassen hatte. Auf jeden Fall eine schöne Kanne, mit der man vorsichtig umgehen musste und außerdem konnte man mit ihr, gesetzt man nahm sich die Zeit und setzte sich ein wenig mit der Kunst Tee zu brauen auseinander, seine wahre Freude haben – und deshalb hatte sie das Porzellankännchen seinen Klauen entrissen!

„Plingkh… Plingkh… Plingkh…“
Klauen…
Die Hände, welche bis eben ohne auch nur irgendeinen Auftrag locker am Körper herabhingen, als wären sie leblose Glieder, die man eben an den Armen und jene wiederum an den Schultern festgebunden hatte, fuhren gleichzeitig links und rechts auf und hielten mittig auf den Hals zu. Dort ruhte in der weichen, zarten Kuhle zwischen den Schlüsselbeinen der Anhänger einer Kette.
Eine besondere Kette, ein Willkommensgeschenk… gewissermaßen. Ein Geschenk, welches ihr jemand gemacht hatte, von dem sie zuallererst keine Geschenke erwartete, denn hier hatte das Wort keine oder eine andere Bedeutung. Alles hatte irgendwo einen Gegenwert und musste auf die ein oder andere Weise immer bezahlt werden. Das wiederum hatte sie sehr früh gelernt.
„Nichts ist umsonst, nicht einmal der Tod…“, sie zog die Rechte wieder vom dreikralligen Anhänger der Halskette und vollführte eine wegwischende, energische Handbewegung aus dem Gelenk heraus. Sie wollte Vergangenheit und Gegenwart nicht vermischen, längst vergangene Gespräche, Lehren, Stimmen hatten gerade hier und jetzt keinen Platz.
Ebenso wenig wie die Präsenz des Wortes „Geschenk“.
Nein, dies hier hatte Sinn und Zweck, sollte sie daran erinnern, wo sie war. Es schloss damit Ort, Umgebung, Platz und ebenfalls die sozialen Gefüge mit ein.
Die noch erhobene Linke streckte zaghaft den Zeigefinger aus und nachzeichnend berührte die Spitze die erste der drei Krallen. Durch die Wahl des Metalls, feuriges Pyrian, und die eigene Körperwärme, strömte es eine sanfte Glut aus, kribbelte voller Leben und Lust?

Plingkh… Plingkh… Plingkh…“
Sie spürte, wie ein anderes Gefühl nicht minder brennend in ihr erwachte und einer alchemistischen Explosion gleich in alle Körperteile zugleich stob: Wut. Wut auf die wissenden Blicke, die sie kleiner machten, als sie innerlich war. Wut auf das amüsierte Lächeln, das sie in eine Rolle presste, die sie nicht mehr bereit war, einzunehmen. Wut auf die Berührungen, alle, alle, alle. Andere Hände, andere Räume, andere Zeiten und doch war sie mit einem Mal auf alle gleichzeitig wütend und in Folge schmorte in der Brust vor allem Wut über sich selbst.
„Zu viel Mädchen…“ und wahrscheinlich war das ganz richtig.
Der Wunsch ernst genommen zu werden, die Sehnsucht etwas zu gelten und vollwertiger, mündiger Teil einer Gesellschaft zu sein, brach sich an dem, was sie nicht abschütteln konnte und irgendwo auch nicht wollte. Mädchen sein, ein bisschen Unschuld irgendwo bewahren.
So inbrünstig feurig, wie die Wut aufgelodert hatte, so rasch war sie auch wieder verschwunden. Ein Glimmspan, der seine Pflicht getan und die Probe vollführt hatte, jetzt von einer anderen Emotion wie von einer dicken Decke, erstickt: Scham.

Plingkh… Plingkh… Plingkh…“
Trotz alledem stand sie hier und wartete, wartete, wartete auf ein Klopfgeräusch.
Eine Mischung aus Schameshitze und einer eisigen Peinlichkeit wanderte vom Brustkorb aus nach oben und drückte so fest in den Kehlkopf, dass ihr das Schlucken und auch die Atmung schwerer fielen. Plötzlich zitterten die Finger, wurden kühl und schweißig feucht. Bevor sie sich in Selbstmitleid oder Verachtung aalte, blinzelte sie die Tränen aus den Augen und sah hastig durch den Raum, dann an sich selbst herab.
Was trug sie da eigentlich?!
Ein Kleid, das ihre Mutter ihr vermacht hatte. Die fesche Jacke für Pip, die Stiefelchen für Flo und sie hatte das selbstbestickte Abendkleid aus sündig roter Weidenheimer Seide bekommen. Anas Gespür für Gewandung war besonders fein und so umspielte es nun malerisch, einem Kleid für Feen würdig, den zierlichen Körper, unterstrich die grazile Gestalt und betonte doch auch die erblühende Weiblichkeit.

„Plingkh… Plingkh… Plingkh…“
Ihr wurde schlecht.
Mit einem unterdrückten Würgen drehte sie sich eilig um und hastete aus der Küche.

Einige Momente später klapperte die Apothekentüre und eine junge Frau in einem einfachen, flaschengrünen Baumwollkleid und grauschwarzem Umhang floh in die Nacht.
Einsam verweilte eine rasch erkaltende, längst stumme Teekanne auf der gekachelten Anrichte und erinnerte als Einzige noch an den Hoffnungsschimmer im zartblauen Blütentee.



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"Der Apfel und das Feigenblatt, sie stimmen uns vergnüglich -
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Zuletzt bearbeitet von Sae Appelholm am 08 März 2024 15:41, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Sae Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 17 März 2024 16:49    Titel:
Antworten mit Zitat

Zitat:
„Du wirst feststellen, dass jede Aktion eine Reaktion hervorrufen wird.
Sie ist nicht immer gleich laut oder intensiv spürbar und muss auch nicht im unmittelbaren Anschluss geschehen.
Doch glaube mir… sie erfolgt immer.“


Obwohl es mit jeder Meile in Richtung der schwarzen Küste wieder kälter wurde, konnte sie sich nicht vom Anblick des Meeres lösen, auf dessen tanzenden Wellen weiße Gischt mit den Lichtsplittern der Abendsonne um die Wette strahlte. Mit jedem vorbeigleitenden Moment gewann die Sonne an Intensität, glitt tiefer in die Wogen und erfüllte sie mit glühendem Feuer, das sich soweit streckte, wie das Auge sehen konnte. In einem Meer aus Flammen glitt das Schiff langsam dem kohlefarbenen Gestein entgegen und rundete so das Bild des Infernos zur Vollkommenheit ab. Es fehlte nicht viel und sie konnte sich der Illusion hingeben, dort zu verbrennen.
Verbrennen - ein Thema, welches sie in den letzten Tagen zu verfolgen schien und immer trug es ein anderes Kleid, sprach eine neue Sprache und offenbarte auch einen gänzlich unterschiedlichen Inhalt.
Das erste Mal, als ihr das Wort, ähnlich wie die wilden Wellenspiele, entgegenschwappte, war mitten in der Stadt gewesen.
Im Grund eine durch und durch unschuldige Situation:
Unschuldige Gespräche an einem Tisch, den man ganz unschuldig nutzte, um dort ein höchst unschuldiges Teekränzchen zu halten, bis plötzlich dieser eine Satz beiläufig fiel. Ein Satz, in welchem sie, wenngleich nicht namentlich, vorkam. Ein Satz, der sie in ein brisantes, dunkelrotes Licht tauchte und der das Wörtchen „verbrennen“ beinhaltete. Einem unbescholtenen, anständigen Fräulein hätte die Unterstellung, die sündig im Raum schwebte, Schamesröte in die blassen Wangen getrieben, doch in ihrem Fall hoben sich die Mundwinkel zum höchst amüsierten Lächeln. Entweder waren die Gänse, die dort so emsig schnatterten, ganz besonders gewieft oder aber sie kannten und erkannten sie noch nicht einmal, wussten aber schon, sich das Maul über die junge Apothecaria zu zerreißen und brauten neben Tee offenbar auch Gerüchte ganz vortrefflich. Niedere Alchemie.
„Ich… bin kein Alchemist.“
Hier verebbte das Lächeln fast so rasch, wie es entstanden war.
Es betraf eben nicht nur sie alleine und die Quintessenz dieser Erkenntnis begann sie zu irritieren. Dass die Plaudertaschen dort so eifrig schwatzten und ihren Märchengarn spannen, musste irgendwo einen Funken Zunder haben, sonst würde das Lauffeuer nicht so rasch und schamlos hell brennen. Was also blieb ihr verborgen, dass es aufzudecken galt und sei es nur um der lieben Neugierde wegen und nicht aus Gründen des Eigenschutzes? Wo konnte sie nachforschen? Wen befragen? Aushorchen?
Als sie tief in Gedanken den Heimweg über den Marktplatz antrat, da blieb der Blick an einem der Stände, nun leer, dunkel und einsam, hängen und katapultierte sie in den Erinnerungen an eine besondere Beobachtung… und einer höchst ungewöhnlichen Reaktion!

Zitat:
„Ich muss mich erneut wiederholen und dir erläutern, dass es sich wirklich um die Grundlagen deiner Ausbildung handelt, wenn auf Aktionen Reaktionen folgen? Wir beide sind uns aber hoffentlich einig, dass man das nicht nur auf die hohe Kunst der Alchemie anwenden kann, nicht wahr?“


Nun konnte man den Hafen bereits deutlich erkennen und die Umrisse der düsteren und zugleich verführerisch schönen Stadt drückten sich langsam in den Vordergrund. Und doch fiel es ihr unendlich schwer sich auf diese Sicht einzulassen, verweilten ihre Gedanken doch noch bei den bleibenden Eindrücken, die La Cabeza, exotische Perle der See, bei ihr hinterlassen hatte. Wobei es nicht so sehr um den Ort als vielmehr die Gesellschaft vor Ort war, die ihr in so mancher Hinsicht die Augen geöffnet, Erkenntnisse beschert aber auch leider neue Rätsel aufgegeben hatte. All das durch den Besuch der verspielt eingerichteten, kleinen Schneiderei, dem Blick in meerfarbene Augen und einem sehr persönlichen Zwiegespräch. In manchen Belangen waren die beiden jungen Frauen sich sehr ähnlich, konnten klare Parallelen gezogen werden und doch schieden sich die Geister bei einigen augenscheinlich kleinen, feinen Punkten oder Randnotizen.
Allen voran was den Umgang mit Konfrontationen betraf! Und damit verbunden: Risiken.
Flucht war Katze und Kolibri durchaus geläufig, jedoch war es der Umgang mit unausgesprochenen Herausforderungen, der sie in zwei verschiedene Richtungen riss. Das alte, gefährliche, doch so reizende Spiel mit dem Feuer und der vermaledeite Stolz!
„Gute Sache… nicht mit ihnen spielen, das gibt wirklich Verbrennungen, ich schwör es bei meinen Fußsohlen!“
„Aber ich kratze und beiße…“
„Das mögen Manche…“
Manche…
„Es wurde also hässlich und hässlicher. Ein wenig mehr Öl ins Feuer, Aktion und Reaktion.“

Zitat:
„Mein liebes Kind, du spielst mit dem Feuer. Das ist mein Heim, mein Grund und Boden, in gewisser Weise mein Reich und hier gilt MEIN Wort. Es ist dir überlassen, wie du diese letzte Warnung nun werten möchtest. Ich kann mit jeder Antwort leben, doch kannst du mit dem Echo umgehen?“


Sie war der letzte Passagier der von Bord hing und hätte gerne noch etwas länger auf Deck verbracht, um sich nicht weiter in den geöffneten Rachen der schwarzen Felsformation zu wagen, in deren Maul sich die Stadt entfaltete. Hinter ihr loderte das Meer mittlerweile in Rotnuancen, die sich zwischen kräftigen, dunklen Lohen und frischem Blut befanden. Mit jedem der bedachten Schritte, die kaum mehr als ein leises, ledernes Wischen auf dem rauen Pflasterstein blieben, fühlte sie sich ein bisschen kleiner und spürte die Kälte, die sie langsam in die Arme schloss.
„Außerdem habe ich meine Frau erschlagen… und dann aus dem Reich der verlorenen Seelen gerettet. War verdammt kalt dort. Sehr, sehr kalt…“
Sie schnappte nach Luft, die trotzdem nicht wirklich erlösend die Lungenflügel füllen wollte. Um sich selber aus der seltsam greifbaren Umarmung des Knochenkälte zu winden schloss sie die Arme um den Oberkörper, rieb mit den Händen eifrig über die Mantelärmel und legte einen Zahn zu.
Eigentlich kein guter Stil und in all den Registern, die sie ziehen konnte, der absolut letzte Ausweg: die Flucht!
Hier doppelt und dreifach unsinnig, denn zum einen konnte man vor rein subjektiven Eindrücken nicht wortwörtlich davonlaufen und dann war es doch ihr Mundwerk gewesen, gepaart mit dem verwünschten Stolz und dem Wunsch ein Druckmittel, einen wunden Punkt zu finden, welches zum Fall geführt hatten. Zum Sturz in lodernde Glut und eisige Flammen. Verbrannt! Nicht zum ersten Mal…
„Ist es der Apotheker, den ihr so hasst?“
„Durchaus.“
„Interessant...“
„Weil…?“
„Ist das die Frage?“
Ein Nicken, das Glas an den Lippen und noch im Glauben ein „Schachmatt“ einläuten zu können. Trugschluss!
„Ich mag diese Art von 'kaputt'.“

Nicht zum ersten Mal.
Aktion und Reaktion.

Zitat:
„In diese Lage hast du dich selbst gebracht, mein liebes Kind. Spare dir weitere Verwünschungen und trockne die Tränen. Es wäre wirklich besser… für dich… wenn du ein wenig folgsamer wärst und mir besser zuhören würdest. Also, hast du mir noch irgendetwas zu sagen?"
„Ja, ich bin nicht dein ‚liebes Kind‘, du ekelhaftes Stück Dreck!“
„Hm. Sehr schön, du willst also nicht hören, sondern fühlen. Sae, ich habe das durchaus ernst gemeint, dass es für dich besser wäre, wenn du brav das machst, was ich dir sage. Mir hingegen bereitet das auf diese Weise weit… weit mehr Spaß. Aktion und Reaktion, mein liebes Kind.“



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Zuletzt bearbeitet von Sae Appelholm am 19 März 2024 14:23, insgesamt einmal bearbeitet
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Sae Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 26 März 2024 15:53    Titel:
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„Apfelmädchen…“

„Es muss wohl so geschehen…“

Nicht zum ersten Mal erreichte sie dieser Gedanke wie ein unangenehm winterlich kalter Windhauch. Das letzte Mal war es ein Glas Schnaps auf einem Tisch gewesen, das Erinnerungen hervorgerufen und ihr ein resignierendes Seufzen entrungen hatte. Manche Dinge, davon war sie voll und ganz überzeugt, wiederholten sich leider und vielleicht lag das schlichtweg an ihr. Sie glaubte nicht an einen festen, unausweichlichen Schicksalspfad, dem jeder folgen musste und auch nicht an exotischere Karma-Theorien, doch wusste sie um die eigene Ausstrahlung, das, was sie eben auf dem Präsentierteller darbot. Man hatte es ihr einmal sehr deutlich gesagt… sehr, sehr deutlich.

Zitat:
„Haltet Ihr mich für eine Hure?!“
„Nein. Oh, nein nein. Abgesehen davon, dass ich dieses Gewerbe achte und Ihr diesbezüglich auch von Eurem hohen Ross herabsteigen solltet, Fräulein Appelholm, halte ich Euch lediglich für das, was Ihr seid.“
„Das da wäre?“
„Oh bitte… wollt Ihr das gerade jetzt wirklich hören? Ich könnte Euch den Abend verderben.“
„Das bezweifle ich. Also beweist mir, dass da auch Eier neben dem Hahn zu finden sind.“
„Genau das, das meine ich. Ihr seid ein zartes, hübsches Ding, das aber nicht wie andere Mädchen Eurer Kategorie dann den Anstand besitzen sich passend zu zeigen und zu verhalten.“
„Aha. Wollt Ihr mir wirklich erzählen, ich wäre sündig gekleidet?“
Er lachte und selbst jetzt konnte sie es noch hören, denn es tat weh.
„Nein, es ist nicht die Kleidung, vielmehr das darin und dahinter. Wie Ihr Euch bewegt, wie Ihr Euch umseht, wie Ihr antwortet. Alles ist eine Herausforderung, alles und nun wundert Ihr Euch, dass diese angenommen wird? Blickt Euch einmal im Raum um, Fräulein Appelholm und Ihr werdet sehen, dass es mehr als genug Spieler gibt, die bereits in Euer Spielchen eingestiegen sind.“
„Welches… Spielchen?“
„Hm, Ihr habt mein Mitleid, armes Mädchen. Ihr werdet noch gewaltig auf die Nase fallen.“


Damals hatte sie sich geweigert seine Worte zu verstehen und war regelrecht in der Kränkung aufgegangen, hatte die Taverne, in welcher sie sich eigentlich verabredet hatten, rasch verlassen, um kurz darauf vor Wut ins Kissen zu brüllen. Nicht, dass das etwas genutzt hätte – sowohl Flo als auch Pip wurden dennoch wach und sowohl Zorn als auch Scham waren nicht verraucht.
Jetzt wusste sie, dass er Recht hatte und dass sie einfach nicht anders konnte.

„Apfelmädchen…“

Drei Mädchen, drei Äpfel.
Für Flo der goldene Apfel, Sinnbild der strahlenden Erscheinung mit den güldenen Locken und dem Licht, dass in ihr wohnte, das ansteckte, ermutigte und sie alle einhüllte.
Für Pip, der grüne Apfel, mindestens so erfrischend wie ihre Froschnatur und der Frohsinn, welcher in der mittleren Appelholm-Schwester steckte und nicht zuletzt auch farblich mit ihrer Wahlumgebung, dem Walde, in vollkommener Übereinstimmung.
Es blieb der rote Apfel für die Jüngste der Drei. Die Sorte Apfel, die so schön anzusehen war, zur Sünde einlud und in den meisten Sagen irgendwie vergiftet wurde.
Wie also hätte es anders geschehen sollen?

Schlimmer war, dass es eine seltsame Empfindung zurückließ, die irgendwo in der Brust zu ziehen angefangen hatte und ihr sowohl Nerven als auch Kraft raubte. Kein schmachvolles Brennen oder ein Splitterherzschmerz, nur eine schwache Pein, die in kleinen Wellen kam und wieder verschwand. Sie brachte auch am nächsten Tag noch Antriebslosigkeit und Schwäche mit sich, das Essen mundete nicht wirklich und ihre Laune wurde schlechter. Für einen Moment zog sie in Erwägung ein weiteres Mal irgendein Kissen als Ventil ihrer Irritation zu nutzen, doch lernte sie manchmal durchaus aus Fehlversuchen. Aber eine weitere Idee erblühte da in ihrem Kopf, fast so schön wie die Rose, welche dort im Harz langsam erkaltete: ihre Schwestern.

„Apfelmädchen…“

Sie wusste von beiden nicht, wo sie sich gerade aufhielten, doch irgendwie fanden sie immer zu einander. Drei Äpfel, ein Baum und ein Irrgarten voller roter Rosen.


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Pip Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 27 März 2024 16:01    Titel:
Antworten mit Zitat

Was macht eine gute große Schwester aus?

Sie ist da, wenn man sie braucht!
Wie Flo. Flo war immer da, wenn man sie brauchte. Selbst jetzt wusste sie, wie sie Flo im Zweifel finden konnte und sie wusste auch, dass Flo dann für sie da wäre, so wie sie beide es für Sae waren.
Oder?
Als die kleine Schwester sie am Tag zuvor am Waldrand aufgestöbert hatte, da war ihr wieder einmal bewusst geworden, dass es sich bei Sae um eine kleine Schwester handelte. Nicht immer einfach mit ihr! Manchmal redete sie wie eine alte Schulmeisterin. Altklug nannte Mah das dann und tätschelte lachend Saes Haupt im Anschluss. Andere aber nahmen ihre kleine Schwester dann ernst und wurden vor den Kopf gestoßen oder schlimmer noch, davon angezogen. Wie er.


Was macht eine gute große Schwester aus?

Zuhören muss sie können!
Auch mal ohne guten Rat, einfach nur lauschen. Flo lauschte ihr und sie beide Sae. Manchmal ignorierten sie die schwesterliche Hierarchie und lauschten auch einfach einander gegenseitig. Das war alles möglich.
Und doch hatte sie das Gefühl, dass sie Sae nicht verstanden hatte. Da waren Worte hinter den gesprochenen Sätzen und in so etwas war sie nicht gut. Man hätte nun vielleicht nachfragen müssen und es war nicht so, als wäre sie nicht neugierig oder forsch! Aber diesmal hatte sie vor allem Angst. Angst vor dem, was dahinter verbergen konnte. Manche Dinge blieben besser versteckt und begraben. Wie er.


Was macht eine gute große Schwester aus?

Trost spenden und die Stimmung heben, wenn sie im Keller ist!
Flo war so gut darin. Eine Umarmung und schon fühlte man sich sicher, geborgen und heile. Sie aber war schlecht darin, umarmte selten und konnte auch nicht, wie Mah, mit einem Streicheln Ängste wegfegen. Sie hatte nur eine Hand vorsichtig nach dem zierlichen Nacken der Schwester ausgestreckt und sie sofort weggezogen, als sie zusammengezuckt war. Es lag ihr fern Sae weh zu tun! Wie grässlich hätte sie sich gefühlt, wenn sie mit der Berührung statt Trost Kummer gespendet hätte. Wie er.


Was macht eine gute große Schwester aus?

Das ein oder andere Opfer bringen!
Mehr als drei Jahre war es nun her, dass sie ein unbeschreiblich großes Opfer gebracht hatte. Alles in dem Glauben die kleine Schwester damit zu schützen. In der Hoffnung, eine wirklich gute große Schwester damit zu sein. Treudumm und naiv. Eine Rolle, die sie nicht besonders mochte, denn irgendwer presste sie immer in diese Schublade. Fröhliche, dumme Pip. Naive, kleingeistige Pip. Kindliche Nervensäge Pip. Das Waldhörnchen, die Zöpfchenträgerin! Sie hasste diese Rolle, diese Schublade. Hasste es, wenn man sie ihr aufdrückte. Doch war sie selber so viel besser? Als Sae die komische Frage stellte, welche Tiere sie drei wären, wenn sie denn als Tiere geboren worden wären, da fiel ihr die Antwort leicht. Flo war ein treuer, beschützender Hund, der manchmal gern streunerte aber sie nie wirklich alleine ließ und bei nur einem Ruf verteidigend an ihre Seite sprang. Sae war ein Kätzchen, so klein, zart und dunkel aber klug mit scharfen Krallen und bissig. Und sie? Sie war ein Hase, der sich in den Wäldern versteckte aber nichts konnte außer zittern und davonlaufen. Vor allem. Auch vor den Pflichten einer guten großen Schwester. Sie hatte Sae im Stich gelassen und sie verraten. Wie er.

Und dann brannte die Wut im Hasen.
Dämlicher Hase!
Dämliche Schlappohren!
Dämliche Zöpfchen!
Hastig fummelte sie am Gürtel, wo das Schnitzmesser so vertraut ruhte und zog es aus der Lederscheide.
Sie konnte die Sandkörner nicht rückwärts rieseln lassen aber für die Zukunft wollte sie da sein, als große Schwester und nicht als zitterndes Häschen, das man an den Schlappohren packte.
Die Zöpfchenzeit war vorbei!



Zuletzt bearbeitet von Pip Appelholm am 27 März 2024 16:03, insgesamt einmal bearbeitet
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Sae Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 04 Apr 2024 16:35    Titel:
Antworten mit Zitat

Wie eine warme, wallende und zugleich unwirklich zärtliche Decke, die in die Haut und tiefer drang, umhüllte sie das Wasser, strich wohlig prickelnd über die verspannten Muskeln im Nacken, wusch den letzten Rest des Kräutersuds von den zierlichen Fingern und begann sie auf unsichtbaren Händen zu tragen. Beinahe frech streichelte es über die feinen Gliedmaßen und behauchte sie regelrecht intim mit Wärme und Feuchtigkeit, die außerhalb der Umarmung des Badebeckens nur umso inniger mit Kälte und Gänsehaut begrüßt wurde. Also tauchte sie lieber noch etwas weiter hinab in die köstlich belebenden Fluten und ein zarter, zufriedener Seufzlaut entwich den sanft geschwungenen Mädchenlippen. Sinnlichkeit, gefunden im umschmeichelnden Bade, dem dezenten Duft frühlingshaftem Jasminöls und in einer Schale getrockneter Kirschblüten, welche nun schwach rosig mit den kleinen Wellen wippten.
Und mit all den kleinen Liebkosungen, den natürlichen Nachversicherungen und dem Beistand der erhitzten Urgewalt, befreite sich auch der Kopf von den Fesseln der Alltagsgeschäfte und sandte den Geist auf Wanderschaft, hinaus in die Freiheit der Erinnerungen und weite Welt der Gedankengänge.
Immer wieder waren es dabei Worte aus vollkommen verschiedenen Zeiten und Situationen, die ihr dabei im Rhythmus der kleinen Wellen in den Sinn schwappten.

„Verstehe nicht, wieso man Sachen nicht einfach direkt anspricht statt diesen Eiertanz dann zu vollführen. Auch lästig.“
„Weil man meistens nicht mit den direkten Antworten leben will, wenn man es nicht tut.“

Vorwürfe, Hohn und vor allem Meinungen, die Mitmenschen hier und dort verallgemeinerten und auch teilweise sehr grob sortiert in einen Topf warfen, das konnte sie, dazu war sie in der Lage. Im Gegenzug dann aber sich immer an die eigenen Vorgaben halten, war in manchen Bereichen eine ganz andere Sache. Im Nachhinein schämte sie sich ein wenig für ihre ausufernde und vernichtende Rede über das Liebesgebaren Anderer, über das Urteil, welches sie ohne Gnade im Bezug auf drei Typen Liebende aussprach und doch erkannt hatte, dass sie sich selber in einer höchst wilden Nische befand, die den meisten Leuten unheimlich geworden wäre. Nicht aber der süßen Nachbarin, welche ihr, ohne die Miene zu verziehen, bis zum Ende gelauscht und in den meisten Belangen auch noch Recht gegeben hatte. Immer weiter und weiter lehnte sie sich an dem Abend aus dem Fenster und sprach auch Angelegenheiten an, die ein Vertrauen erforderten, welches sie ansonsten nur ihren Schwestern gegenüber verspürte – und selbst da gab es Themen, mit welchen man sie nicht belasten, nicht gefährden konnte.

„Und auch noch ein weiteres Detail ist anders. Ich bin der Älteste.“

Machte das denn wirklich einen Unterschied?
Sie war es nicht, sondern eigentlich das Nesthäkchen und doch blieb sie fest davon überzeugt, dass Pip die Rolle der „Kleinen“ für sich gepachtet hatte. Niemals willentlich, nicht aus Gründen der mannigfaltigen Vorzüge, die man als Jüngste in einer Familie abgreifen konnte, sondern schlichtweg weil es ihn ihrer Natur lag und sie ein wundervoller Sonnenstrahl der Unschuld war. Selbst jetzt noch…
Das dunkle Haar, welches sie beinahe schwerelos im Wasserspiel umwogte, schien doch an Gewicht zu gewinnen, als würden sie die Badefluten langsam niederdrücken. Oder war es eher etwas in der Brust, dass sie tiefer zog? Ein weinerliches, gequältes Ächzen entstand in der Kehle und ehe es sich selbstständig machen und über die Lippen dringen konnte, kniff sie die Augen zusammen und tauchte freiwillig hinab. Dumpfe Halbstille hüllte das Haupt wie mit Watte, verstärkte das schwache Blubbern der sich vom Mund und der Haut lösenden Luftbläschen, das leise Rauschen des sprudelnden Bades selbst, das gleichmäßigen Schlagens ihres Herzens in der Brust.
Sie lauschte dem Rhythmus des Lebens, der pumpende Kraft aber auch verletzbare Menschlichkeit bedeutete, in stiller, staunender Ehrfurcht vor dieser Schöpfung. Nicht zum ersten Mal in den letzten Stunden…

„Wie… Hat er es angestellt?“
„Ihr müsst die Frage konkretisieren, wie hat er was angestellt?
„Alles… aber ich meine, wie hat er es geschafft tagein tagaus mit Euch zusammen zu leben und irgendetwas fertig zu bringen, statt nur darüber nachzusinnen, wie er unter Eure Röcke gelangen kann?“

Treffer!
Vermutlich ungezielt aber gut platziert letztendlich. Nicht nur in einem Bereich, sondern auf vielen kleinen, nicht wirklich parallel laufenden Ebenen. Antworten gab es zuhauf und dennoch sprach sie bei weitem nicht alle aus, konzentrierte sich auf die konkrete Zielrichtung, denn sonst hätten die vielen Facetten ihrer Selbst, mehrere Saes, die heftig auf diese Frage reagierten, gleichzeitig sprechen müssen. Die Erste hätte getobt, vor Frust und Ungerechtigkeit, vor Verzweiflung und Empörung darüber, dass sie wieder in dieses sündige, dunkelrote Licht getaucht wurde und die Antwort wäre ähnlich echauffiert ausgefallen.
„Wie schafft Ihr es, mich ungefragt und grob so zu entwürdigen? Ihr seid alle gleich!“
Aber das wäre gelogen gewesen und so hielt sie den Mund, grollte leise, während andernorts eine weitere Sae mit geweiteten Augen und zittriger Stimme düster geflüstert hätte.
„Oh, er war… ist ein Mann der Taten, nicht des Nachsinnens.“
Doch auch dies spielte gerade keine Rolle, denn die dritte Sae entdeckte etwas Anderes in der viel zu übergriffigen, latent dreckigen und provokanten Frage. Etwas, das milde schimmerte und sich hinter der plakativen Fassade zu verstecken schien. Diese Erkenntnis schwappte in einer ganz zarten Note der Macht aber auch seltsam verletzlicher Rührung herüber und sorgte dafür, dass sich auch jetzt noch, in der Erinnerung einer Erinnerung, die Mundwinkel hoben und einen Satz Wahrheit hauchten, der nie über die Lippen drang.
„Ihr bekommt mich im Moment nicht aus dem Kopf, hm?“
Der letzte Rest Luft entwich der Lunge, als ihrer Kehle ganz unwillkürlich ein kleines Lachen entkam und in blubbernden Bläschen mit dem Atem hinauf ins Licht des Kerzenscheins am Badebecken tänzelte. Rasch drückte sie das Gesicht wieder über Wasser und sog gierig den Jasmin-Kirschblütenduft dort oben ein, während ihr ein weiterer, leise gesprochener Satz in den Ohren raunte.

„Kleine, schmutzige Geheimnisse, die irgendwie an die Oberfläche brodeln, weil sie die Seele sonst zum Bersten bringen.“

Noch einmal schloss sie die Augen, schob alle Gedanken weit von sich, um sich in eine eher mütterlich wärmende, statt sinnlich heiße Liebkosung zu begeben und sich allen voran treiben zu lassen. Ohne Ziel, ohne Erwartungen, ohne Wünsche – frei.


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Zuletzt bearbeitet von Sae Appelholm am 04 Apr 2024 21:04, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Sae Appelholm





 Beitrag Verfasst am: 08 Apr 2024 15:33    Titel:
Antworten mit Zitat

Warnung: In diesem Text werden Themen angedeutet, die Trigger auslösen könnten.


Wer hätte gedacht, dass es wieder das Bad sein würde.
So bald, so kalt und so anders innig.
Ertränkend auf die ein oder andere Weise und doch die letzte Linderung, wie ein Stück klirrendfrostiger Eiszapfen auf eine lodernde Verbrennung.
„Ich verbrenne nicht gerne…“
Wenige Stunden zuvor war es ihr über die Lippen gekommen und da war es geschehen. Eine hastige Bewegung aus dem Handgelenk und erst als der Wein vergossen und vom anmutigen Antlitz tropfte, da wollte sie diesen eine Geste zurücknehmen, die Zeit ein bisschen nach hinten drehen, nur eine hitzige Entscheidung im Eifer eines inneren Gefechts ungeschehen machen. Doch nur die dümmsten oder kühnsten Meister der Magie wagten das Tänzchen mit dem Zeitenstrom und sie war weder ein Meister, noch ein Magier… wohl aber dumm.

Die Erkenntnis stach die nächste, winzige Nadel in die Brust. Bohrend, leicht drehend fraß sie sich tiefer und begann dann dort zu glühen, zu pulsieren und zu ziehen. „Schwer ums Herz“ wurde es den Menschen in all den breiten Ebenen der mal mehr mal minder seichten Lektüre doch nur dann, wenn sie trauerten oder etwas verloren hatten. Sie hingegen hatte im besten Fall einen seltsam werdenden Abend und im schlimmsten eine nicht minder kompliziert werdende Anstellung verloren. Nicht mehr, nicht weniger. Und umso mehr sie sich das sagte, umso deutlicher war, dass sie auch noch unglaublich schlecht darin war, sich selbst zu belügen. Keine Königin der Räson, keine Heldin der Contenance und nicht einmal eine clevere Schreiberin der eigenen Geschichte… wohl aber dumm.

Obwohl sie die Arme ausgebreitet hatte und versuchte sich kaum zu bewegen, wollte es nicht recht gelingen, wollte das Wasser sie nicht zärtlich tragen, sondern nagte am Stoff der Kleidung, der sich schwer und schwerer vollsog, sie immer wieder mit dem Kopf unter das kalte Nass drückte.

Mit dem Kopf im Kissen – dem Kopf auf dem Tisch – dem Kopf an der Wand!

Kurz ruderten die Arme und verscheuchten die dräuenden Erinnerungsfluten, die mit den unfreundlichen Wogen des kalten Wassers auf sie eindrangen. Jetzt, wo die Mauern hier und dort Risse bekommen hatten, Steine herabgepurzelt waren.
Warum eigentlich?
Wem hatte sie diesen Umstand zu verdanken? Dem Charme? Dem Lächeln? Der Bernsteinglut!
„Vielleicht…“
Sie wollte aufächzen, fluchen, wüst schimpfen und doch kam nur ein sehr leiser, lächerlicher und beinahe dramatischer Laut über die nun dezent bläulich verfärbten Lippen. Sie hasste Dramen und doch trieb sie hier im eiskalten Badebecken, vollkommen bekleidet, vom Hemd, Korsett, den Röcken bis hin zu den roten Seidenstrümpfen, dem Miederband aus Spitze und diesem raffinierten Höschen mit dem kleinen Pyrianapfel. Raffiniert, von wegen… wohl aber dumm.

„Ich weine äußerst selten…“
Richtig. Sie wusste, dass da auch gerade eben keine Tränen flossen, obwohl sie einen Teil dieser ekelerregenden, gähnenden Leere, die sie nicht in und hinter den Sternen finden wollte, jetzt irgendwo in der Brust entstehen spürte. Dort, wo die Nadeln bohrten, wo es zog und schmerzte, wo die Mauern bröckelten und die Erinnerungen, wie tollwütige Hunde an einer dünnen Lederleine rissen.

Lederleinen in den Schubladen – den Fäusten – an den Handgelenken

Diesmal ließ sie zu, dass das Wasser sie zu fassen bekam und mit dem gesamten Kopf untertauchte. Im Grunde war es eine willkommene, nasse, kalte Abreibung, um den Ansturm der Hunde ein weiteres Mal abzuwehren, doch wie lange würde es noch gelingen? Ganz gleich, es war auch die passende Methode, um die Dramatik aus der Situation zu treiben, wie mit einem Besen. Jedes Staubkorn des Dramas wegfegen, hinaus aus… aus… allem! Sie war keine gute Hausfrau, kein fleißiges Putzmäuschen und keine gewissenhafte Ordnungshüterin… wohl aber dumm.

Und neuerdings auch dramatisch! Nein, das war doch nicht mehr sie selbst! Jenes unsichere, leidende Bündel, diese Verschwendung kostbarer Haut.

Hände auf Haut – Hände im Nacken - Hände auf den Lippen!

Prustend und um sich schlagend tauchte sie auf, spuckte hustend Wasser, zog die Knie rasch an den Körper und umklammerte sie mit beiden Armen innig. Darum hatte sie nie gebeten, das hatte sie vermieden, so eine Beziehung wollte sie nicht. Das war nicht die gefährliche Grenze, an der sie zu tanzen wünschte, das war nicht das Feuer, mit dem sie zu spielen gedachte, nicht das, was sie sich insgeheim erhofft hatte… wohl aber dumm.

Eine Beziehung die in ätzend dramatischen Gefühlen endete.
Endete.
Die Lösung und Kreuz zugleich und dabei die ernste, sinnierende Frage, ob sie denn überhaupt jemals begonnen hatte? Sie war nur eine von Zweien und hatte mit weit Mehreren gerechnet. All das, was er von ihr hätte bekommen können, bekam er auch von Anderen. Einfacher.
„Stolz hat seinen Preis.“
Ja.
Sie merkte nicht, dass sich ein klein wenig Salz zum Wasser im Gesicht mischte, da die Hunde sie in just diesem Moment eingeholt hatten und begannen sie innerlich zu zerreißen.

Zitat:
„Austreiben werde ich ihn dir. Deinen Hochmut, mein liebes Kind. Deinen verdammten Sturkopf geraderichten, deinen Trotz in den Boden stampfen, deinen Stolz… BRECHEN. Bis du weißt, wo dein Platz ist.“
Platz… wo dein Platz… dein Platz ist…
„Eine ausgefuchste Idee den Schnaps ins Wasser zu kippen und kaum davon zu trinken. Aber ich habe nicht darauf gewettet, dich trunken zu machen, mein liebes Kind…“
Sie hätte ihm gerne etwas an den Kopf geworfen, ein paar kühne Worte, ein verbaler Schlag mitten ins Gesicht, doch war sie verzweifelt damit beschäftigt, sich nicht die Blöße zu geben und zu weinen. Hier war es nicht das, was Gesten andeuteten, nicht das, was Bewegungen ausführten und auch nicht das, was sie ansehen, riechen, schmecken oder fühlen würde.
Nein, diese Sinneseindrücke konnte man verdrängen, beiseiteschieben und Kosten mit Nutzen abgleichen. Aber es waren immer seine Worte, die die Ohren durchbohrten, um sowohl im Verstand als auch der Seele zu rumoren. Seine hässlichen Worte, seine Lehren, Erklärungen und Verheißungen, die sie kaputt gemacht hatten.

Ich mag diese Art von… kaputt.
Es war ihr an diesem Abend vor drei Jahren bewusst geworden, wie ein dräuender Schatten Vorhersehung, der sich ihr aus der Dunkelheit des düsteren Zimmers langsam näherte:
Das Wissen, dass all ihre Pläne und innere Vorbereitung sie maximal davon abhalten würden, jetzt vor ihm loszuheulen. Sie würden sie nicht davor beschützen, dass er an ihr riss, wie an den Fäden einer Marionette, an ihr schraubte, wie an einem Uhrwerk und sie brach, wie das Blümchen, das er in ihr sah. Und gerade weil sie keines war und im Anschluss versuchte sich wieder aufzurichten, tat er es immer und immer wieder.

„Ja… jetzt verstehst du es, nicht wahr? Ich sehe es an diesem wunderschönen Blick in deinen Augen… Verzweiflung, hm? Ich werde dafür sorgen, dass du deinen Platz kennst, bis du mein bist.“
Mein… mein…. MEIN.
Es waren seine Worte, die ihr den Triumph nahmen.
Und schlimmer noch: Beim nächsten Mal, Tage, nein Wochen später, weinte sie.


Sie sprang beinahe auf, hastete zum Beckenrand, hangelte sich wie eine Ertrinkende hinaus und hinterließ auf dem Weg zum Kleiderschrank eine triefende Spur aus Nässe. Es blieb keine Zeit, um sich lange um die entstehende Pfütze, in welcher die abgelegten Klamotten lagen, zu kümmern. Sie war bereits aus dem Raum, aus dem Haus, der Stadt, dem Reich.
Auf der Flucht vor dem, was begann, ihr Probleme zu bereiten… vor dem, was sie gefunden aber nicht gesucht hatte… vor dem, das sie sich nicht wünschte.
Geradewegs kopfüber in die nächste Dummheit, denn jetzt war sie kein Fuchs, keine Katze mehr… wohl aber dumm.



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"Der Apfel und das Feigenblatt, sie stimmen uns vergnüglich -
und machen sie uns auch nicht satt, sie munden ganz vorzüglich."
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