Schreiben des Hospitals an das Regiment

[Cecilia Zola]

Ein noch auf Kirschen kauender Laufbursche wird mit deutlichen Flecken dieser Frucht im Gesicht und auf dem Hemd zum Regiment gelaufen kommen. Er wird die mehreren Seiten Pergament, welche schön aufgerollt und sehr akurat versiegelt sind, dem ranghöchsten Regimentler übergeben, den er findet.

Hospital zu Adoran, 29. Cirmiasum 266

Temora zur Ehr Frau Oberst,

ich berichte Euch mit diesem Schreiben von dem Vorfall der letzten zwei Tagesläufe im Hospital.

Am 27. Cirmiasum ungefähr zur Viertelstunde nach der elften Abendstunde kam der Thyre Thorlav zum Hospital gelaufen und brachte Fräulein Rhens. Er rief hilfesuchend nach mir. Ich war gerade dabei Dienstschluss zu machen.
Thorlav brachte Fräulein Rhens, welche bereits nach kurzem Blick als sehr betrunken zu bezeichnen war, nicht ansprechbar. In ihrem Zustand fanden andere bereits Blindheit oder gar den Tod. Es lässt sich vermuten, dass Fräulein Rhens häufiger sehr starke alkoholische Getränke zu sich nimmt.
Durch eine Schnittwunde am Handgelenk verlor Fräulein Rhens sehr viel Blut, was ebenfalls bedrohlich anzusehen ist. Die Wunde ist ein deutlicher und tiefer Schnitt über ihr rechtes Handgelenk. Glücklicherweise von einer Seite zur anderen, längsseitig hätte ich ihr nicht mehr helfen können. Ich habe ihr die Wunde vernäht und einen Verband mit viel Druck angelegt, welches der Wundheilung einer solchen Verletzung dienlich ist. Immer wenn ich mit einer solchen Verletzung als Heilerin zu tun hatte, wurde diese aus größter Verzweiflung zugefügt, meist mit der Absicht, sich selbst ernsthaft etwas an zu tun und dabei den Tod im Sinn zu haben.
Während der Behandlung kamen keine deutlichen Äußerungen von Fräulein Rhens, lediglich (schmerzhaftes?) Stöhnen und einiges an genuschelten Lauten, welche nicht annähernd nach Worten klangen.

In der darauffolgenden Nacht wurde die Krankenruhe regelmäßig durch Schreie, Rufe und lautstarkes Weinen unterbrochen. Nachdem sich Fräulein Rhens endlich beruhigt hat, hat sie bis zum darauffolgenden Abend geschlafen.
Noch in der Nacht wurde sie durch mich seitlich aufs Bett gelegt und ihre Handgelenke und Fußgelenke ans Bett gebunden, dass sie sich nichts weiteres antun kann. Seitlich, damit sie nicht an ihrem Erbrochenem ersticken kann. Im Laufe des Tages habe ich Fräulein Rhens auf den Rücken gedreht, nachdem davon auszugehen war, dass sie nicht mehr erbrechen wird.
Den gesamten Tageslauf über hat meine Schülerin Cecilia Fräulein Rhens mit Essen und Wasser versorgt.

Als ich meine Schicht angetreten habe, waren Ramon Dragane und Marja Miyoslava im Krankenzimmer, obwohl der Fräulein Rhens Ruhe angeordnet worden ist.
Herr Dragane sagte, er wäre nicht da um sich in die Behandlung einzumischen, verlangte aber ausdrücklich, dass ich Auskunft darüber ausgebe, warum Fräulein Rhens gefesselt wäre und begründete das damit, dass sie aus der gleichen Gemeinschaft wären. Wenn ich es nicht tun würde, würde er sie zu einem anderen Heiler "verlegen". Das hab ich dann als Erpressung aufgefasst was als "Sorge" von Herrn Dragane abgetan wurde.
Da äußerte Fräulein Rhens erstmalig, dass es keinen Grund geben würde, dass sie festgebunden wäre. Ich habe hier erstmalig geäußert, dass man Fräulein Rhens erst losmachen würde, wenn man sich sicher sein könne, dass kein Fluch auf ihr liege und von ihr keine Gefahr ausgehen würde. Auch erwähnte ich, dass dem Kloster bereits Bescheid gegeben wurde. Herr Dragane meinte, die Behandlungsmethoden wären übertrieben. Woraufhin ich sagte, dass ich Fräulein Rhens dann eben beim nächsten Mal gerne an ihrem eigenen Erbrochenen ersticken lasse. Herr Dragane meinte da, zwischen Fesseln und Sterben lassen wäre ein Unterschied. Und er beharrte darauf, dass ich den Grund nenne damit er beurteilen könne, ob es gerechtfertigt wäre. Und als ich mich dann geweigert habe, was zu sagen, wollten sie Fräulein Rhens mitnehmen.
Daraufhin habe ich Herrn Dragane und Fräulein Miyoslava des Hospitals verwiesen, die dem Ganzen aber erst nach mehrmaligen Aufforderungen nachgekommen sind. Fräulein Rhens meinte dann zwischendrin, dass sie ja zugebe, dass sie Unsinn gebaut habe, aber dass dies ja nicht heißen würde, dass ich sie wie ein Tier festbinden müsse. Und weiter hat sie behauptet, nicht erbrochen zu haben und bei klarem Verstand zu sein und sie wolle sofort das Regiment oder das Kloster sprechen.
Aufgrund der Stärke des Alkoholgeruchs, welchen sie am Vorabend an sich hatte und auch aus ihrem Mund danach zweifelsfrei roch, zweifel ich ernsthaft an, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits wieder bei klarem Verstand war.
Ich habe mich nach wie vor geweigert, auch weil ich da keine Chance hatte ihren Zustand zu prüfen, der für mich in dem Moment alles andere als zurechnungsfähig war. Fräulein Rhens hat von Herrn Dragane, welcher hier noch anwesend war, gefordert einen der Höheren aus dem Regiment zu holen oder das Kloster. Woraufhin ich wiederholt habe, dass das Kloster bereits informiert wäre. Und Fräulein Rhens meinte sich dann anzumaßen, selber beurteilen zu können, ob sie verflucht wäre oder nicht.
Wobei hier erwähnt werden sollte, dass Fräulein Miyoslava die Vernünftige war und meinte, sie wäre im Hospital schon in guten Händen.

Gegen der siebten Abendstunde verließen mit dem Läuten der Alarmglocken Ramon Dragane und Marja Miyoslava endgültig das Gelände des Hospitals und zurück blieb ich mit meinem Lehrling Cecilia bei Fräulein Rhens. Sie beharrte nach wie vor darauf losgebunden zu werden und gehen zu dürfen. Auch wiederholte sie den Vorwurf, dass sie wie ein Tier festgebunden worden wäre. Obwohl sowohl ich als auch Fräulein Cecilia ihr mehrfach versuchten die Behandlung zu erklären, zeigte sie sich verständnislos und uneinsichtig. Des Weiteren rief sie während dieser Diskussion auch nach „irgendwelchen“ Bauherren, die ihr helfen sollten.
Ich bot Fräulein Rhens an, dass sie auf eigenen Wunsch und ausdrücklich gegen den Rat der anwesenden Heiler gehen könne. Jedoch verlangte ich stattdessen ihre Zusicherung, dass sie meinen Namen nicht in Verruf bringt. Diesem stimmte sie erst nach mehrfachen Nachfragen meinerseits bedingt zu, sie lobte einerseits meine Wundversorgung, beharrte andererseits auf ihren Vorwurf, welchen sie mit Drohgebärden verstärkte. Den Vorwurf wolle sie auch dem Regiment melden als Anzeige wegen Freiheitsberaubung. Abschließend kam von ihr die Aussage, ich wolle die in ihren Augen übertriebene Behandlung bloß vertuschen.

Die Heiler des Hospitals raten dringend, dass ein Priester sich ihrer zeitnah annimmt. Ihre Aussage zu ihren Taten war, dass sie dies lediglich aus Verzweiflung tat und nichts weiteres dahinter steckte. Doch selbst wenn dies so sei, benötigt sie umgehend Seelenheil. Das habe ich genau so ebenfalls der Priesterschaft geschrieben.

Aufgrund ihres Verhaltens verweigert das Hospital ihr künftig jede Behandlung. Dies sei zu Eurer Information hier erwähnt.

Für das Hospital:

Leitung des Hospitals

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