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Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 11 Feb 2024 15:01    Titel: Kapitel 61 - Wo das Meer endet
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Kapitel 61 - Wo das Meer endet


Sie hatte sich vor Auriane davonschleichen können, der Weg fort von Gerimor war damit besiegelt. Die Nobilia würde wohl eine Notiz vorfinden, die recht deutlich die Emotionen des Strubbelkopfes eingefangen hatte. Auf dem Weg aus Düstersee war sie auf Amanda getroffen und irgendwie hatte es die Kriegerin aus ihr herausgequetscht, was sich da anbahnte… ein Hinweis, eine Person, ein Ziel. Auf dem Weg nach Rahal warf sie ein Schreiben bei Lingor ein, er würde den Rahaler Marktabend sicher weiterführen… das glaubte sie, nein… sie wusste es. Ihre Angelegenheiten zu regeln, kostete Tanai viel Kraft und doch stand sie aufrecht, als sie dem Clericus seine Bestellung in die Lieferkiste in Wetterau warf, begleitet von einem Brief. Der Ast ist gewaltsam gebrochen, Clericus. Die Gedanken ließen sie kurz wegtreiben, doch sie musste weiter gehen… Schwer seufzend wurde dann das letzte Bündel ausgetragen, ebenso begleitet von einem Brief, der so wenig sagte und doch auch alles zugleich. Was folgte, war der schwerste Gang, den Tanai je gegangen war. Sie löste ihre Schneiderei Federchen und Kolibri auf, packte die Satteltaschen ihrer Pferde und griff Karamell im Nacken. Die Katze maunzte widerwillig, als der Weg Richtung Schiff ging, und auch Tanai gefiel der Gedanke nicht, dass sie diese Reise antreten musste, ohne schützende Arme warm um sie geschlungen… Der Sonnenschein ging unter Deck, packte die Katze auf den Schoss und atmete tief durch. “Ob du dich dagegen wehrst oder nicht, du wirst immer mein Sonnenschein sein, das Licht an dunklen Tagen, die Wärme wenn es kalt scheint, ich weiß du wirst es nicht vergessen.“ Doch sie wollte vergessen, denn ihr Herz blutete von innen heraus. So schloss sie die Augen und versuchte die Schiffsreise zu überstehen, indem sie Karamell fest in den Armen hielt und knuffte.

Einige Tage später waren garstige Möwenschreie an einer unbekannten Küste zu hören. Barfuss lief Tanai an einem Strand entlang und sog den Geruch der warmsalzigen Meerbrise in ihre Lungen ein. Es brannte unangenehm und das Gefühl ließ sie die Arme fest um ihren Brustkorb schlingen. Verzehrende Wut stieg in ihr auf und sie trat aufgebracht mit dem Fuß nach einer Alge, die mit hunderten anderen am Strand lag. Ihr meergrüner Blick sah verschleiert zum blassrosa Morgenhimmel, an dem ein nebelartiger Dunst sich gesammelt hatte. Kleine Fischerboote schaukelten im Wind… gegen das Muschelkalk an den Bootswänden schwappten unbeirrt sanft rauschende Wellen. Hier, wo das Meer endete, da fing für sie ein neuer Lebensabschnitt an, weit weg von Gerimor, denn die Insel war ihr viel zu klein geworden, in der Hoffnung auf sowas wie Ruhe und Heilung. Ein verstörtes Maunzen riss Tanai aus ihren kummerbehafteten Gedanken, denn Karamell hatte am Wasser nach einem bunten Regenbogenfisch gepatscht und gemerkt, wie nass ihre fellige Pfote hinterher war. „Na komm, du kleine Wassernixe. Wir machen es uns jetzt in unserem neuen Heim gemütlich.“ Und da packte der Strubbelkopf die karamellfarbene Katze und lief mit ihr im Arm den Strand entlang weiter, bis sie schließlich an ihrer neuen Behausung ankam. Die Holzhütte war einfach und weit weniger stabil als ihr Haus in Rahal, doch es würde ausreichen… Ruhe, unter einem anderen Namen, an einem anderen Ort, weit weg von Gerimor. Vielleicht konnte sie eines Tages vergessen… irgendwann, wenn ihr Herz nicht mehr blutete. Leb wohl, Sonnenschein.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 13 Feb 2024 21:32    Titel: Kapitel 62 - In neuen Gefilden
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Kapitel 62 - In neuen Gefilden


Sanftes Meeresrauschen, das bis in das schlagende Herz vordrang. Die aufgeregten Schreie von Möwen, die um ihr Frühstück kämpften. Eine warme Brise, welche die ruhig atmende Nase kitzelte. Cantir. Mit einem Blinzeln erwachte Tanai und sie hatte anfangs Mühe sich zu orientieren, denn der Schlaf war totengleich gewesen. Doch dann kamen die elenden Erinnerungen wieder, Scheibchen für Scheibchen und sie schluckte schwer einen Kloß im Hals herunter. Tanai stand aus ihrem provisorischen Nachtlager auf und lief bedrückt die Treppe runter, um Karamell und sich etwas zum Frühstück zu machen. Die Katze war davon deutlich begeisterter (wie konnte ein so kleines Tier nur so viel fressen?), aber irgendwie musste sie… ja, sie musste. Vater, wie hast du das nur überstanden? Und ausgerechnet jetzt, wo ihr klar wurde, sie sehr ihr Vater unter der Trennung von ihrer Mutter gelitten hatte, da schlüpfte sie selbst in diese Haut. Immerhin… sie stand ihrer Mutter in nichts mehr nach, ebenbürtig in jedem Sinn. Schwer seufzend kochte sich Tanai einen Kaffee und zupfte während der Wartezeit an ihrem meerblauen Kleid. Der Schnitt war ziemlich gewagt, ohne jeden Zweifel kam ihre Figur damit viel zu gut zur Geltung. Aber für das, was sie vor hatte, musste sie Eindruck schinden, nun da auf Gerimor alles verloren war. Vielleicht konnte sie… hm, sie würde sehen. Gerade als der Kaffee fertig war, maunzte Karamell kläglich von hinten und das jagte Tanai einen solchen Schrecken ein, dass die Kaffeetasse im hohen Bogen durch die notdürftige Küche ihrer Hütte quer durch die Luft flog. „Karamell, das ist nicht witzig! Was hast du denn nun wieder geseh…“ Tanai drehte sich um und blinzelte. Kiemsrote Funken tanzten vor ihren Augen und sie zuckte wieder heftig zusammen. Nein, nein, nein… das ist nicht… nein, das bildest du dir ein. Wach auf, Tayris. Es ist vorbei, das ist nicht mehr real. Schwer atmend blinzelte sie ein paar Mal (möglichst ohne das ihre heute extra aufgemalte Schminke verlief), dann wurde Karamell gestreichelt und sie murmelte leise. „Ich komm bald wieder, keine Angst, ich ver… lass dich nicht.“

Vor einer etwas nobler aussehendem Holzhaus mit überdachter Veranda stand Tanai mit durchgestrecktem Rücken und straffte die schmalen Schultern. Nun geh schon, du brauchst ein Einkommen. Vorsichtigen Schrittes ging sie in das Haus und fand im Inneren eine große Theke vor. Eindeutig eine Schankwirtschaft, mit wahrscheinlich zweifelhaftem Ruf. Doch es war weit und breit die einzige Stelle, an der sie sich nützlich machen konnte, denn als Fischerin wollte sie nun wirklich nicht arbeiten. Augenblicklich wurde Tanai von einigen Augenpaaren gemustert und selbst die Wirtin (spannend, das hatte der Strubbelkopf mit goldgelockter Perücke nicht erwartet, weibliche Inhaberin hm hm...) mit den üppigen Busen lehnte sich neugierig mit einem Ächzen über die Theke. „Na, hast dich verirrt, Schätzchen? Komm, setz dich, trink einen… kannst einen vertragen bei deinem Gesichtsausdruck.“ Tanai ließ sich elegant auf einen der Barhocker nieder und nahm den Weinbrand, den man ihr da vor die Nase setzte. Sie trank ihn leer (und sich wahrscheinlich Mut an), bis sie direkt zur Sache kam. „Ich brauch Arbeit. In meiner… Heimat hab ich mich als Schneiderin verdient. Ich kann mich sicher als Hausdame anbieten, ich mach alles… Teller waschen, Tischdecken nähen, Boden schrubben. Egal was… Hauptsache Beschäftigung.“ Die Wirtin sah sie seltsam forschend an und schüttelte den Kopf augenblicklich, bis sie mit rauchig-kratziger Stimme antwortete. „Dich hat‘s wirklich hart erwischt was? Nun entspann dich erstmal, und wir finden was für dich. Aber so hübsch wie du bist, solltest du vielleicht… na wir werden sehen. Aber das mit dem Schminken musst noch lernen, was?“ Tanai blinzelte und wisperte dann leise auf die Abstrafung ihrer wohl wirklich unschön anzusehenden Schminkerei. „Hab mich nie geschminkt, muss ich wohl noch üben… und… so einiges anderes.“ Die Wirtin grinste Tanai an und winkte sie dann hinter die Theke. „Komm mal mit, wir gehen in den Salon, da können wir ungestört reden. Meine Mädchen sind auch dort, dann kannst du sie kennenlernen. Und wehe einer von euch Taugenichtsen rührt in der Zwischenzeit den Rum an!“
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 16 Feb 2024 12:49    Titel: Kapitel 63 - La madre
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Kapitel 63 - La madre


Vorsichtigen Schrittes folgte Tanai der Wirtin in den Salon und die meergrünen Augen schweiften nach dem Eintreten aufmerksam umher. Einige Damen in recht hübsch anzusehenden Kleidern (puh, ihr blieb der Atem weg… sie waren wirklich atemberaubend hübsch geschneidert, konnte man weibliche Reize so gut in Szene setzen?) standen im Salon und richteten sich auf Tanais Antlitz. Sie legte die Hände an ihre Hüftseiten und begann bei den vielen auf sie gerichteten Blicken ein wenig nervös den Stoff ihres meerblauen Kleides zu knautschen. „Coreyee Batari“, wisperte sie und spürte mit einem Mal schlagartig eine aufsteigende Totenstille im Salon. Nur eine einzige Frau mit hochgesteckten blonden Haaren bewegte sich mit eleganten Schritten auf sie zu, griff direkt nach ihrem Kinn und blickte ihr mit meergrünen Augen aufmerksam ins Gesicht. „Hübscher Name und welch liebreizendes Gesicht du hast. Fast so schön wie die Mutter, aber wie man Lippenstift richtig aufträgt und Rouge, da ist sie dir weit voraus.“ Während die blonde Frau zu Tanai sprach, versteifte sich das Häschen immer mehr bei dem Griff an ihr Kinn und schluckte etwas. „Ich habe keine Mutter“, war die einzige Antwort, die Tanai einfiel. Da wurde sie losgelassen und Meergrün starrte in Meergrün. „Ist das so? Hat dir das dein Vater etwa erzählt? Er hat dich nicht zur Welt gebracht, die vielen schmerzhaften Stunden ertragen müssen… Nein Tanai, er hat dir auch nie beigebracht, was es heißt eine Frau zu sein, wenn ich dich so ansehe… dabei sehe ich auf den ersten Blick dein Potential, versteckt unter Unsicherheit und Schminke.“ Da weiteten sich Tanais Augen und ihr Herz begann plötzlich wild bis zum Hals zu schlagen. Ihre Wangen röteten sich unter der viel zu dicken Rougeschicht und sie stolperte verwirrt einen Schritt zurück. Da erntete sie ein vages Schmunzeln von Coreyee und kurz darauf eine Aussage, die ihr beinahe die Luft raubte. „Das letzte Mal hab ich dich gesehen, als du ein Säugling warst. Du lagst in meinen Armen und hast nach vielen Stunden des Schreiens endlich geschlafen. Gut, dass Variun dir zumindest meinen Namen gesagt hat, auch wenn dieser… nicht dir gehört.“ Eine Welle aus Emotionen schwappte über Tanai hinweg, als in ihrem Köpfchen langsam durchdrang, dass da ihre Mutter vor ihr stand. Wie oft hatte sie sich diesen Moment ausgemalt… wie oft als junges Mädchen gehofft, von ihren Armen mütterliche Wärme zu erhalten, wo ihr Vater dazu nie in der Lage gewesen war. Sie atmete beinahe so heftig ein und aus wie in den Momenten, wo ihr Vincent jeden klaren Gedanken geraubt hatte als er… Pheeww ganz ruhig, Tayris. Atme, ein und aus… konzentriere dich. Bleib bei dir, La Calma. „Minfay, meine Tochter und ich werden einen langen Spaziergang machen. Bitte entschuldigt mich.“ Ohne ein weiteres Wort griff Coreyee nach der Hand ihrer Tochter und nahm sie mit sich.

„Erzähl mir von dir, Tanai. Ich will alles wissen. Aber erst verrätst du mir, was du in einem Freudenhaus verloren hast und wie du überhaupt nach La Cabeza kommst.“ Die beiden liefen den Strand entlang, Tanai sehr in sich gekehrt mit um sich geschlungenen Armen, während Coreyee ihre gesamte weibliche Präsenz nicht hinter dem Zaun vorhielt (wie konnte sie nur so viel Bewusstsein für ihren Körper haben, allein ihr Gang… Alatar hilf, die Männer mussten ihr doch Reihenweise zu Füßen liegen). All die Gedanken, die Tanai beschäftigten, purzelten mit einem Mal aus ihr heraus wie die Wellen am Strand schwappten. Sie erzählte ihrer Mutter einfach alles, begonnen bei ihrem Aufwachsen in Cantir in dem kleinen Fischerdorf, weiter bei den Strafen des Tempels in ihrer Jugend wegen des ständigen Weglaufens und dem Ärger, den sie gemacht hatte… ihre Ankunft auf Gerimor, von der ersten Begegnung mit dem Catulus… Coreyee hörte sich alles an, und begriff mit jedem Wort mehr, dass Tanai dringend mütterliche Hilfe brauchte, vor allem aber Wärme, die sie hier auf La Cabeza zumindest in physischer Form hatte. Vorsichtig hielt sie neben ihr an, zog die Arme um ihre Tochter und hielt sie einfach nur einen langen Moment fest. „Tanai, all deine Wut, all deine Zweifel, deine Unsicherheit, das alles hat dich zu diesem… was sagtest du.. Häschen… gemacht, so wirst du niemals Alatar gefällig sein, wenn du nicht an dich selbst glaubst. Du bist meine Tochter, wir werden daran arbeiten. Dein Gesicht musst du zu beherrschen lernen, wenn man dir nicht ansehen soll, was in deinem hübschen Kopf vorgeht. Und außerdem werden wir sehen, wie du mit der richtigen Schminke und Kleidung das beste aus dir herausholst. Du bist unglaublich schön geworden… nutze deinen Kopf, um das taktisch klug einzusetzen. Ich bring dir bei, wie du richtig läufst, auch in Schuhen mit Absätzen. Du sollst dein Selbstbewusstsein endlich finden, damit du den Goldenen Käfig ein für alle Mal hinter dir lässt, den Variun dir gebaut hat… Und dieser Vicarius soll sehen, was er mit dir aufgegeben hat, Diener des Tempels des All-Einen hin oder her. Zeig der Welt, was du zu bieten hast und versteck dich nicht hier auf der Insel. Sei selbstbewusst, kleiner Kolibri.“ Nach jenen Worten liefen die beiden zu der Hütte, die Tanai bezogen hatte und verbrachten die Nacht unter Cabezas Sternenzelt in Hängematten liegend im Garten bei einem schweren Portwein und einen langen Gespräch zwischen Mutter und Tochter.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 17 Feb 2024 22:43    Titel: Kapitel 64 - In der Hängematte
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Kapitel 64 - In der Hängematte


Träge schaukelte der kleine Kolibri im sanften Cabezianischen Nachtwind in einer Hängematte. Das Schaukeln beruhigte ihre Seele. Und in dem Moment, da sie einen wahrhaftigen, kleinen kunterbunten Kolibri auf dem Rauschstein im Garten sitzen sah, da wusste sie… es würde eine neue Zeit kommen. „Finde Ruhe in Gebeten an den Herrn. Du kannst es, das weiß ich.“ Tanai sog die lauwarme Nachtluft tief in ihre Lungen, sah zurück zu dem unendlichen Sternenmeer über ihrem wirren Köpfchen, welches von samtig-nachtblauer Dunkelheit umspielt wurde, und sie wusste, dass sie zum Herrn beten würde… und dass er irgendwann wieder wohlbehalten zurückkehrte, und dass sie wieder ein ‚wir‘ sein konnten. Sie vertraute darauf, denn der Herr fügte und er hatte bereits gefügt, als sie damals nach ihrem Weglaufen auf Gerimor gestrandet war. Er würde wieder fügen, ohne jeden Zweifel. Sie betete in jenem Moment, da sie hier in der Hängematte sanft schaukelte und nachdenklich zum Sternenmeer aufblickte, dass die Reise nicht zu lange weilen würde, denn er war ein Teil von ihr geworden und würde es auch immer bleiben. Seufzend drückte sie die Nase in das Hemd, das auf ihrem Bauch ruhte, und sog seinen ihr so vertrauten Geruch auf. Sie hatte ihn darum gebeten, nachdem sie die Kraft gefunden hatte, zum Ravnseel Haus zu gehen. Zwar in Tarnung, doch immerhin… Coreyee hatte Tanai dafür so viel Mut zugesprochen, so viel Zuversicht, so viel mütterliche Liebe (kaum zu glauben, es fühlte sich an, als wenn sie alle ihre Gedanken kannte, jeden einzelnen verstand und sich einfühlte in das wirre Seelenleben ihrer Tochter). Wenn sie wollte, konnte sie alles schaffen. Und sie hatte gerade das Gefühl wie ein kleiner, munterer Kolibri durch die Welt zu schweben. „Tanai, Zeit für deinen Unterricht. Raus aus der Hängematte, kleiner Kolibri!“ Seufzend stand Tanai auf, sah nochmal zu dem farbenfrohen Kolibri, der auf dem Rauschstein noch immer gemütlich döste, und lief dann über die Veranda in die Hütte, der Stimme ihrer Mutter in einem ureigenen Instinkt folgend.

„Entspann dich, atme tief ein und aus, bis in deinen viel zu dünnen Bauch. Lass die Schultern sinken, entspann deine Füße, lass den Kopf in den Nacken fallen.“ Unter der Anleitung von Coreyee saß Tanai im Wohnbereich ihrer Hütte im Schneidersitz und ließ sich vollkommen fallen. Lass dich auch vor dem All-Einen fallen, vertraue darauf, dass er dich führt. Und er wird dich führen. Als sie völlig in der Entspannung versank, begann Coreyee ein wenig die Schultern ihrer Tochter zu massieren. „Stell dir vor, dass er… das tut. Wie nahe er dir ist. Wenn er zurückkehrt und wirklich hier herkommt.“ Coreyee spürte instinktiv, dass Tanai sich anspannte und der Gedanke an Vincent sie wegtreiben ließ, dann wisperte Coreyee hauchend an Tanais Hals. „Lass dich nicht ablenken, komm nicht aus deinem Gleichgewicht. Bleib bei dir, du musst dich selbst spüren.“ Tanai fühlte, wie die Worte in ihren Kopf eindrangen, während der Atem ihrer Mutter ihren Hals liebkosend streifte. Es jagte ihr einen Schauer über den Rücken, sodass sie tief durchatmen musste. „Ich spür noch immer seine Nähe, den Apfelring zwischen unseren Lippen… das Gefühl von dem Anblick seines Oberkörpers.“ Coreyee drückte die Fingerkuppen schmerzhaft in Tanais Schultern und sprach dann recht scharf. „Wenn er sein Versprechen einhält, dann darfst du wieder an ihn denken. Nicht vorher, hast du das verstanden? Es ist wichtig, damit du zu dir findest.“ Tanai zuckte zusammen, als sie den schmerzhaften Griff spürte und wisperte dann erstickt. „Ich werde es lernen… aber ich will in meinen Gebeten an ihn denken, damit Alatar ihn wohlbehalten zurückführt. Es ist ein gegenseitiges… Versprechen. Alatar liebt ihn… und ich auch.“ Tanai bekam eine wenig sanfte Kopfnuss und vernahm dann ein sehr striktes mütterlich-garstiges Aufmotzen. „Du musst dich erstmal selbst lieben! Und jetzt weiter, konzentriere dich. Wir machen das so lange, bis in deinem wirren Köpfchen endlich sowas wie Ruhe herrscht, kleiner Kolibri.“
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 19 Feb 2024 08:49    Titel: Kapitel 65 - Die Hohepriesterin
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Kapitel 65 - Die Hohepriesterin


Vorsichtig umfingerte Tanai ihre Kaffeetasse, während sie draußen auf der Veranda ihrer Hütte stand und zur verschlafenen Bucht von Cabeza blickte. Die morgendliche Luft flimmerte bereits und sie seufzte leise bei diesem Anblick, es würde ein warmer Tag werden. In der Ferne sah sie wieder, wie kiemsrote Funken in der Luft aufglommen und da atmete sie tief durch. Es ist nur eine Erinnerung, nur das, nicht mehr… Im Haus hörte sie wie Coreyee in der Küche werkelte und da wurde sie von dem Geräusch angelockt und ging wieder in ihre Hütte hinein. „Guten Morgen, kleiner Kolibri. Wie geht es dir? Ich hab uns Frühstück gemacht, komm setz dich.“ Langsam schob Tanai ihren Hintern auf einen der Küchenstühle und blickte kurz zu dem Deck mit Tarotkarten, die auf dem Tisch lagen. Sie hatte eine davon gezogen, nachdem sie der Tetrarchin auf Gerimor in den Katakomben der Unbekannten begegnet war, und da starrte sie regelrecht auf die Karte der Hohepriesterin. „Tanai, essen, jetzt. Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken?“ Peinlich berührt sah sie ihre Mutter an und ein einziger Blick reichte ihr, um zu wissen, was ihre Tochter dachte. „Wir fassen mal zusammen.. er war deine erste große Liebe, dein erster Mann und dann noch dein Verlobter, du hast ihn geliebt… nein, du liebst ihn immer noch. Dir fehlt seine Wärme, seine Stimme, sein Körper vielleicht auch und seine Führung im Glauben. Hab ich etwas vergessen? Und sei ehrlich, du kannst mir nichts vormachen.“ Tanai nippte an ihrem Kaffee und seufzte dabei leise, dann folgte ein langsames Nicken. „Er ist… war das beste, was in meinem Leben passieren konnte. Das Allerbeste. Und jeden Tag bewies er mir das. Sei es mit den Geboten, die er mir immer wieder nahelegte, sei es mit seiner Schutzhaltung für mich, sei es mit seiner Wärme, die ich nun verloren habe…“ Coreyee stellte sich neben Tanai und legte ihre Hand auf ihren Strubbelkopf. „Weisst du, du darfst dich nicht von diesen Gefühlen kaputt machen lassen, du musst weiter machen.“ Tanai brummte und nahm noch einen Schluck Kaffee.

„Wieso hast du damals Vater verlassen, hast du ihn nicht geliebt?“ Da kehrte plötzlich eine unangenehme Stille im Haus ein und Coreyee setzte sich gegenüber von Tanai, blickte sie lange an und nickte schließlich. „Variun war schon immer streng und sehr gläubig. Er hatte nur ein einfaches Leben als Fischer und er wollte mehr für sich und seine Familie. Er wollte mich heiraten, als du unterwegs warst. Ich habe damals erkannt, dass ich nie das Leben leben könnte, das er sich wünschte. Aber ich wusste, dass er dir ein guter Vater werden würde, wenn ich dich bei ihm ließe. Das Leben eines Freudenmädchens ist nicht gut für ein Kind, du solltest besser aufwachsen. Deshalb bin ich gegangen, auch wenn ich ihn und dich geliebt habe.“ Nachdem die Wahrheit ausgesprochen war, herrschte wieder kurz Stille in der Hütte. „Tanai, es war das Schwerste, was ich in meinem Leben je machen musste. Man muss auf seine Gefühle hören, auf die ureigene Stimme, die einem den Weg weist. Du wurdest von Variun wie ein Junge erzogen, und es zeigt sich nun wie falsch das war. Du musst deine Gefühle zulassen, dich ihnen stellen. Du kannst nicht mehr davor davonlaufen. Vertraue auf deine Intuition und lass dich vom Glauben leiten. Die Karte da steht genau dafür…“ Coreyee deutete auf die Tarotkarte der Hohepriesterin und nickte fest. „Und wenn ich die Karte im Kontext für euch beide deute, dann seid ihr auf eine Art verbunden, die nicht mit Weltlichem zu begreifen ist. Es ist ein unsichtbares Band, das sich nur euch beiden zeigt, hab Verständnis für seine Entscheidung, er ist ein Diener des Herren und wenn Er es sieht, wird das Band nicht reißen. Hab Vertrauen darin, dass der richtige Zeitpunkt kommt, an dem ihr euch wiederfindet, Alatar wird euch beide führen. Und jetzt iss, sonst stirbst du noch bevor er wieder zurück kommt und sehen kann, was für eine Frau du sein kannst für ihn. Sei zuversichtlich, kleiner Kolibri.“
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 21 Feb 2024 18:13    Titel: Kapitel 66 - Von kiemsroten Funken
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Kapitel 66 - Von kiemsroten Funken


In sich gekehrt und vollkommen still kniete Tanai vor ihrem Bett. Es war kurz nach Morgengrauen und sie trug noch ihr Nachthemd am Leib, während sie die gefalteten Hände auf dem Bett ruhen ließ und die Augen geschlossen hielt. "All-Einer, der Tag beginnt mit einem Gebet an Dich, mögest Du dies mit Wohlgefallen sehen und Deine Pranke stärkend über mich halten, damit ich auch heute nur Dir dienen kann. Führe meine Schritte auf dem richtigen Weg, damit ich nicht wieder von Deinem Glauben… Deinen Geboten abweiche. Zeig mir in meiner jungen Wahrnehmung der Welt, welch Werk vor mir liegt, und ich werde mich Dir fügen. Führe die Schritte Deines Dieners ebenso stets auf dem richtigen Weg und lass ihn finden, was ihn fort führte. Zeige ihm Deinen Willen und gebe ihm die Stärke, die er für Dein Werk braucht. Die Zeit möge kommen, sich wieder zu finden, unter Deiner Führung. Mögen unsere Wege sich wieder kreuzen und sich in Deinem Wohlwollen verbinden. Auf dass Du uns erfüllst, jetzt und in Zukunft. Für immer. Bei dir, wo immer du bist..." Tanai hielt ihre Augen nach dem Gebet noch einen Moment geschlossen und spürte, wie dunkle Schatten in ihrem Geist sie umwoben. Dann sah sie vor ihrem inneren Auge wie kiemsrote Funken aufglommen und schemenhaft die Umrisse einer rotgekleideten Frau vor einem Altar mit unzähligen Kerzen erschienen. Sie ließ das Bild auf sich wirken und spürte wie sie in den Körper der Frau glitt wie ein Geist, und aus ihren Augen zum Altar blickte. Die Hände waren vor dem Schoß zum Gebet gefaltet und die Frau harrte in absoluter Ruhe. Hier gab es nur ein Gefühl, ein einziges. Es war der Glaube an Alatar, unerschütterlich und wahrhaftig. Sie wollte in dieser Wahrnehmung noch verweilen, doch dann riss eine zugeschlagene Tür sie aus diesem Refugium. Seufzend erhob sie sich und lief die Treppe runter, dann starrte sie in meergrüne Augen. „Guten Morgen, Tanai. Wir frühstücken wieder zusammen. Aber erstmal… zieh dich an, du bist ja halbnackt in dem Seidenchiffon. Mhmm, du bist wirklich hübsch anzusehen, ich wünschte deine Figur wäre mir auch beschieden.“ Peinlich berührt ging Tanai sich umziehen und kehrte in einem einfachen Kleid (das absolut nichts durchblicken ließ) wieder zurück in die Küche.

„Gut, kleiner Kolibri. Was auch immer du dir heute vorgenommen hast, wir ändern deine Pläne. Damit.“ Coreyee legte ein Buch auf den Tisch und stellte einen Federkiel im Tintenfässchen daneben. „Wenn du noch nicht über deine Gefühle reden willst, dann schreib in das Buch. Das Papier ist geduldig, es nimmt dir nichts übel. Fang an Tagebuch zu schreiben. Gleich nach dem Frühstück.“ Grummelnd blickte Tanai ihre Mutter an und ihr Hunger verging ihr schlagartig, doch sie zwang sich zum Essen, um bloß kein Gemecker zu hören. Ihr kamen Gedanken in den Kopf wie damals schon Serena ihr ein leeres Buch gegeben hatte… Ein Platz für ihre Gedanken… na wunderprächtig. Nach dem Essen nickte Coreyee ihrer Tochter zu und erhob sich. „Wir sehen uns morgen wieder, ich muss mich meinen… Geschäften nun widmen. Schreib, hörst du? Schreib dir alles von der Seele.“ Ein kurzes Streichen über Tanais Wange folgte, dann verschwand Coreyee und ließ ihre Tochter mit dem elenden Buch allein. Seufzend griff sie nach dem Federkiel und öffnete den Buchdeckel. Kurzerhand wurde der Federkiel in das Tintenfässchen getaucht, dann setzte sie diesen am Papier an und blickte auf die erste leere Seite des Buches. Sie starrte diese regelrecht tot, als wenn darauf wie auf magische Weise eine Antwort erscheinen würde. Doch es würde sich keine Antwort dort finden, niemals. Zwischenzeitlich tropfte etwas Tinte vom Federkiel auf das Papier der Seite, dann begann Tanai einfach zu schreiben. Wirr waren die Gedanken, und doch schrieb sie alles runter, was ihr im Kopf rumschwirrte. Vielleicht war es eine gute Übung die Gedanken in Worte zu bannen, und sie wusste ja, wie schlecht sie darin war (und dann ging es ausgerechnet auch noch um ihre Gefühle... urgs, gruselig). Sie schrieb und schrieb und da flossen die Worte aus ihr heraus, bis zu dem Moment, da die Gefühle zu stark wurden und sie aufhören musste. Wieder ein Tintenklecks, als der Federkiel auf dem Papier landete… dann verließ sie die Hütte für einen Spaziergang am Strand und überließ ihren ersten Tagebuch Eintrag sich selbst.

21. Eisbruch 267, La Cabeza, La Calma
Tag 12 seit der Trennung. Es fällt mir noch immer schwer zu glauben, dass das wirklich passiert ist... dachte ich doch wir wären füreinander bestimmt. Manchmal hoffe ich die kiemsroten Funken sind nur eine Nebenerscheinung eines langen, unwirklichen Traumes. Doch dann sehe ich beim Aufstehen die Sonne aufgehen, und fühle dennoch Kälte. Kälte, die dein Verlust hinterlassen hat. Und nun bist du gänzlich verschwunden... deine Reise dauert nun erst 4 Tage und ich frage mich, wo du gerade bist. Geht es dir gut? Bist du gerade am Festland angekommen oder noch auf dem Seeweg? Wohin führt dich dein Weg dann? Wirst du mir wirklich schreiben? Vermisst du dein Heim, dein Zuhause? Oder gar mich? Auch wenn ich weiß, dass du nun für dich alleine bist, weiß ich doch, dass du nicht einsam bist.. und du weißt, dass an einem anderen Ort jemand ist, der dafür betet, dass du den Weg wieder nach Hause findest. Du trägst Alatar im Herzen, und ja... ich gebe es zu, du trägst auch mein Herz mit dir, denn du warst meine Liebe vom ersten Moment an. Ich bete täglich, dass du deine Stärke findest, Besinnung auf dich und den Glauben. Auch jetzt noch frage ich mich, was ich hätte anders machen können, um dir eine gute Verlobte zu sein. Vielleicht war ich die falsche Wahl für dich... und die leise Stimme, die mir das zuflüstert, ist garstig und bitter wie ein altes Fischerweib. Zu verleumden, dass ich dich nicht vermisse, wäre eine Lüge, doch die Wunde, die entstanden ist, blutet noch immer und will sich einfach nicht verschließen. Ich bin verloren ohne dich, und jeden Tag fließt die Lebensfreude mehr aus mir hinaus...
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 23 Feb 2024 20:01    Titel: Kapitel 67 In tiefen Gebeten
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Kapitel 67 - In tiefen Gebeten


Vollkommen ruhig kniete Tanai im Tempel von Rahal, die Hände gefaltet zum Gebet und das Gesicht abgesenkt mit geschlossenen Augen. Sie atmete tief ein und aus, während sie versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Sie war mit dem Schiff nach Gerimor gereist (und das allein war schon eine riesige Überwindung gewesen), um eine Jagd in den vergessenen Ebenen durchzuführen. Womit sie bei all dem nicht gerechnet hatte, war die Truppenübung, die offenbar in Alatarien an jenem Abend stattfand. Sie war mitten in ein paar Rashar hineingerannt und zu allem Übel waren auch noch Menekaner an der Grenze aufgetaucht. Na von mir aus, wenn Alatar das von mir will… Sie hatte sich damit abgefunden und war mit den Rashar auf die Goldfratzen losgegangen. Nachdem die allerdings in die Flucht geschlagen waren, schlossen sich die Rashar den anderen Truppenverbänden an und zu Tanais Unfrieden waren dort auch die beiden Tetrarchen anwesend. Das Tempelrot setzte ihr einen Stich ins Herz und so hielt sie sich eher im Hintergrund zurück, bis sie irgendwann in einem unbemerkten Moment davonschlich Richtung Rahal. Und nun kniete sie hier im Tempel und fragte sich, wie sie ihre Kampffähigkeit weiter ausbauen konnte. Es war unendlich schwer gleichzeitig den Kampf zu üben und vorsichtig zu sein, wie war das… sie sollte auf sich aufpassen? Ein kurzes Seufzen erklang im Tempel und echote Tanai von den Wänden entgegen. Sie hörte in ihrem Kopf seine Stimme, und vor ihrem inneren Auge glommen wieder kiemsrote Funken auf. Immer, wenn sie sich neuerdings nach ihm sehnte, dann erschienen diese Funken (gut, dass sie nur in ihrem Kopf vorkamen, doch war da alles noch normal oder vermischte sich hier Hirngespinst mit Realität?). “Erleuchte unsere Herzen mit unerschütterlichem Gehorsam, damit wir deinen Willen ohne Zögern vollbringen“ Sie zitterte auf, als sei die Stimme in ihrem Kopf ein Gespenst, das sie heimsuchte. Schlagartig wurden die Augenlider geöffnet und der meergrüne Blick hob sich zum Altar an. Vielleicht… ja, vielleicht konnte sie etwas tun, um die Gemeinschaft Alatariens zu fördern und in jenem Moment kam ihr eine vage Idee in den Strubbelkopf. Sie erhob sich in ihrer schwarzen Lederrüstung, blickte nochmal zum Altar und wisperte leise. „Danke Alatar, ich werde weiter streben, gleich wie schwer es gerade für mich ist den Kopf über Wasser zu halten.“ Kurz hatte sie das Gefühl wieder ein Flackern wahrzunehmen, so als würden die kiemsroten Funken wieder auftauchen, doch dann wandte sie sich zügig ab und nahm das Schiff nach La Cabeza.

Schicht um Schicht wurde die schwarze Lederrüstung vom Körper geschält, während Tanai auf ihre Hütte auf Cabeza zuging. Es war heute Nacht unerträglich schwül und alles klebte an der verschwitzten Haut. Sie war ein wenig froh darüber, dass sie keine langen Haare mehr hatte (sehr zur Unfreude ihrer Mutter). Doch die Strubbelhaare wurden allmählich wieder etwas länger und schenkten ihr so langsam ein bisschen weibliches Aussehen zurück… neben der Schminke, die sie nun öfter auftrug, wenn auch eher dezent und weit weniger offensiv wie ihre Mutter das tat. Ein Blick in den Briefkasten neben der Hütte folgte, bevor Tanai hinein ging, und sie seufzte leise auf als sie jenen leer und verwaist vorfand. Du darfst nicht jeden verdammten Tag darauf hoffen, hör auf damit, du dummer Guppy. In ihrer Hütte entledigte sich Tanai den Rest ihrer Lederrüstung, zog ein luftiges Kleid aus Seidenchiffon an und setzte sich dann an ihr Schreibpult im Wohnbereich. Es galt nun selbst einige Briefe zu verfassen. Kurz blickte sie auf das Tagebuch am Schreibpult, das da noch immer aufgeschlagen lag und sie mit garstiger Stille regelrecht mit großen nicht vorhandenen Kulleraugen ansah. Schreib in mir, ja ja ja, ich bin dein. Streichel meine Seiten mit der Feder, ich werde es genießen. Mit einem Räuspern streckte sich Tanai auf ihrem Hocker etwas gerader und nahm sich den ersten Briefbogen. Heute würde sie definitiv kein Tagebuch schreiben, ausgeschlossen! Aber sie schrieb… erst einen Brief an den Tetrarchen Vindheim wegen der Sache mit dem exotischen Leder, dann an die Bruderschaft wegen ihrem Angebot dort ihre Dienste als Schneiderin zu bieten, dann auch noch Qy’lhor wegen der Sachen mit dem Gift… und dann mehrere identische Briefe an die Institutionen Alatariens. Es war weit nach Mitternacht, als alle Briefe fertig geschrieben waren und im Postamt abgegeben wurden, um Richtung Gerimor zu reisen. Die späte Stunde wurde dann noch für einen Spaziergang am Strand entlang genutzt und dabei grübelte Tanai, wie es Yoline, Ennika und Auriane wohl gerade ging. Die drei wahren wohl in gewisser Weise so etwas wie Freundinnen für sie geworden, oder? Sie gab zu, dass sie schwerlich wusste, was dieses Wort überhaupt bedeutete, denn in ihrer Vergangenheit war sie schon immer eine Einzelgängerin gewesen. Doch sie mühte sich redlich, wirklich. Vielleicht sollte sie bei ihrer nächsten Reise nach Gerimor mal nach ihnen sehen, doch für jetzt war es Zeit sich auszuruhen. Sie hatte es versprochen… sie achtete auf sich und dazu gehörte neben richtigem Essen auch erholsamer Schlaf. Vielleicht… ja, vielleicht würde sie im Traum diese braunen Augen sehen, die leicht in die Höhe verzogenen Mundwinkel, das dunkle volle Haar… Tayris! Es reicht, mach dich in die Falle, Kopf aus!
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 26 Feb 2024 20:25    Titel: Kapitel 68 - Der Nebelmond
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Kapitel 68 - Der Nebelmond


Ein mystisch leuchtender Vollmond stand hoch am Himmel und war in dichte Nebel eingewoben. Es war mitten in der Nacht und Tanai stand in einem kleinen Waldstück im Norden von Gerimor, nah am Meer in der Nähe der Sumpfinsel bei Dunkelmoor. Es war kalt, aber keineswegs eisig… sie spürte in den Knochen, dass der Frühling kurz bevorstand… Wenn die Sonne Gerimor erwärmt… nein, nein, nein… es war vorbei. Eigentlich hatte sie kämpfen wollen, denn sie hatte nach Stunden des Rumwälzens einfach keinen Schlaf gefunden (war bestimmt der Vollmond, das musste es sein... jaa jaaa!). Es war eine denkbar ungünstige Weise sich abzulenken, denn es erschöpfte sie und führte nicht zu dringend nötiger Erholung. Sie besann sich darauf, dass sie auf ihre innere Stimme hören musste, und die sagte ihr grad sehr deutlich sich auf einen Felsen nahe der Küste zu setzen und innezuhalten. Dort zog sie die schlanken Beine im Schneidersitz an sich, und griff in ihre Tasche. Das elende Tagebuch hatte aus irgendeinem Grund in ihre Reisetasche gefunden, inmitten von Heiltränken, Bandagenrollen und sonstigen Kampfutensilien... Einfach lieblos hineingestopft. Sie griff danach und klappte das Tagebuch auf, ehe sie den Kohlestift aus derselben Tasche fischte. Ein tiefes Durchatmen folgte, dann setzte sie den Kohlestift an und schrieb sich in der Finsternis die Nacht (was wahrlich eine Herausforderung war, aber musste ja nicht schön aussehen, richtig?) die Seele aus dem Leib. Besser gesagt ihre Gedanken, die seit dem Abend in der Taverne auf K'awi wieder ziemlich durcheinander gewürfelt waren. Kein Wunder… ein Geständnis, zwei Tetrarchen, drei Schnaps und noch jede Menge anderer Dinge mehr, die sie besser hätte bleiben lassen sollen. Arrr… brr! Während Tanai schrieb, merkte sie ein leichtes Zittern und das kam definitiv nicht von der Kälte. Oder vielleicht ja doch? Was auch immer sie durchschüttelte, es war zu viel für sie und so endete das Schreiben mitten im Satz, das Tagebuch wurde fast etwas garstig zugeklappt, in die Tasche gestopft und dann stand sie etwas sprunghaft auf, um sich in Richtung des Dunkelmoors zu bewegen. Zeit sich die Gefühle aus dem Leib zu prügeln, damit sie sich ablenkte.

26. Eisbruch 267, Gerimor, Dunkelmoor nahe der Sumpfinsel
Tag 17… Aufstehen, Kaffee machen, die viel zu hungrige Karamell füttern, mir selbst irgendetwas Essbares machen, die gut gemeinten Schupser meiner Mutter über mich ergehen lassen, fertig machen fürs Tagewerk, streben, weiter machen, immer weiter und weiter... Ich hab das Gefühl mich in einem ewig gleichen Kreislauf zu befinden. Und meine Gedanken werden wirrer und wirrer, dreh ich bald durch? Wieder keine Post... in meinem Inneren wird die Stimme immer lauter, dass ich aufhören sollte zu hoffen. Hoffnung auf was eigentlich... Ich hab keine Ahnung, bessere Zeiten? Und dann ist da noch die Sache mit der Tetrarchin, sie hat es nun schon zweimal gesagt. Aber ich bin Schneiderin, das kann doch nicht ihr Ernst sein? Doch wer bin ich, dass ich ihre Weitsicht in Frage stelle, sie hat ihre Gründe, oder? Was sieht sie in mir, außer die tiefe Verbitterung vielleicht, die mich immer mehr zerreißt. Bald ist nichts mehr von mir übrig, bin ich doch bis auf meine Grundfesten erschüttert, verschmäht, weggestoßen... vielleicht war ich am Ende nur ein hübscher Zeitvertreib? Oder war mein wenig erstrebenswertes Verhalten der finale Todesstoß? Ich bin kein Sonnenschein mehr, für niemanden, ich bringe nur Chaos und Verderben. Ich zweifle, wieder... Und gefühlt nichts holt mich aus diesem Loch, gleich wie oft ich bete und meditiere. Es ist ein dreckiges Loch, voller Abgründe und Finsternis. Auf K'awi hab ich zur Eröffnung der Taverne bei einem Spiel mitgemacht und drei Behauptungen über mich in den Raum gestellt. Bin ich Hausdame statt Schneiderin, vielleicht beinahe Templermörderin oder gar leidenschaftliche Züchterin von Regenbogenfischen? Alle haben mir Zweiteres zugetraut, meine Abgründe müssen wirklich tief sein. Man traut mir eine solche Tat zumindest zu, ohne mit der Wimper zu zucken… macht mich das gefährlich? Vindheim hat einen kurzen Blick auf mich geworfen, als würde er mich abschätzen, nur was genau? Eine dunkle Aura liegt über mir, in der Vergangenheit schon und auch jetzt... Die Gegenwart ist frustrierend, und ich hab wieder etwas getan, für das ich damals in Cantir von Vater bestraft wurde. Draußen vor der Taverne zu stehen und kleine Rauchwolken in die Luft zu blasen war entspannend gewesen. Es hat sich an dem Abend nach Leben angefühlt und Amanda hat mich wirklich aufgeheitert. Sie hat mir gesagt ich sollte viel öfter Einblicke in mein hübsches Köpfchen gewähren, doch hat das beim letzten Versuch nicht auch zur Flucht geführt als ich diesen Einblick in mein Innerstes gegeben habe? Es ist müßig darüber zu reden, also schreib ich es lieber hier auf, bevor ich mich wieder in die Nesseln setze. Es ist ein piecksendes Gefühl, wie ein Dornennest, in das mich Alatar aus weiter Höhe hat fallen lassen. Wie lange werde ich darin noch zappeln, bis ich aufgebe? Hat er Freude daran mir dabei zuzuschauen? Ich verliere, das spüre ich langsam... Das Gefühl versagt zu haben kriecht in mich wie ein dunkler Schatten, der mich aufzehrt. Der Sonnenschein verschwindet, mehr und mehr. Ich weiß nun, wer ich bin... so viel Selbstbewusstsein ist mittlerweile da. Und diese Erkenntnis ist bitter, denn ich bin ei...n...e...
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 28 Feb 2024 18:41    Titel: Kapitel 69 - Auf Alatars Pfad
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Kapitel 69 - Auf Alatars Pfad


Sanft und sehr vorsichtig strichen Fingerkuppen über die zarte Wange, erkundeten jedes Fleckchen und wärmten damit die Haut, sodass sie sich dezent rötete. „Wach auf, Sonnenschein.“ Braune Augen sahen zu ihr und kiemsrote Funken drangen kurz darauf in ihren schlafenden Geist, fingen ihr gesamtes Blickfeld ein und zwangen sie zum Erwachen. Schwer atmend schreckte Tanai aus ihrem Traum auf und sah sich augenblicklich in ihrem Schlafzimmer um. Da war niemand, und doch ließ das vermeintliche Streicheln an ihrer Haut dieses Gefühl in ihr zurück. Sie schloss die Augen, zwang sich wieder um Beherrschung und glitt danach aus dem Bett und auf die Knie. Die Hände wurden zum morgendlichen Zwiegespräch gefaltet und dann wisperte sie leise vor sich hin. Alatar, All-Einer… ich habe bis gestern geglaubt mein Platz in dieser Welt sei verwirkt. Ich bin eine Versagerin geworden! Eine Versagerin vor Deinem Antlitz?! Wirklich? Nein, verdammt nochmal! Die Tetrarchin sieht scheinbar mehr in mir. Dieser neue Pfad liegt näher an Dir als alles, was bisher in meinem Leben hinter mir liegt. Doch ich habe schmerzhaft gelernt nicht mehr hinter mich zu blicken. Auf mich allein gestellt, folge ich nun meinem Willen und beuge mich erstmals gänzlich dem Deinen. Du kannst mich haben, um Deine Diener zu schützen, wo ich doch einst fast einen der Deinen das Leben genommen habe. Die Ironie daran ist, dass ich gefragt wurde, ob ich wieder so handele, wenn mir etwas missfällt. Die Folter in Cantir war anders, doch auch die hiesige hat ihre Spuren hinterlassen. Ich muss diese Gefühle abtöten, bevor ich daran zugrunde gehe. Ich versuche Erfüllung in der neuen Aufgabe zu finden. Nein, ich versuche es nicht, ich werde es… um Dir gefällig zu werden, und sonst niemanden mehr. Meine Wille führte mich hier her und ich gehöre nun Dir. Ich werde als Tempelwächterin mein Leben weiter führen… in dem Wissen, dass mich diese neue Berufung näher an die Erfüllung der 10 Gebote bringt, um dereinst in Nileth Azur einzugehen. Möge Deine Pranke stärkend über mir liegen. Mit einer beinahe schon unheimlichen inneren Ruhe stand Tanai anmutig auf und führte die allmorgendlich gleiche Prozedur durch. Kaffee machen, Karamell füttern, selbst etwas essen… nicht ganz, denn der Blick in den Briefkasten blieb aus, und das kostete sie unheimliche Kraft. Doch sie trieb sich die Gedanken wieder aus dem Strubbelkopf, indem sie ein kaltes Bad nahm und sich danach rüstete. Die neue Kluft der Tempelwache war noch nicht nach ihren Vorstellungen, denn so viel Balronleder hatte sie am gestrigen Abend nicht vorrätig gehabt, so wurde es also eine Mischrüstung. Doch die Farben der Tempelwache waren bereits in das Leder eingezogen und voller Stolz zuppelte Tanai alles zurecht. Ein Blick in den Spiegel weitete die meergrünen Augen, sie sah anders aus… erwachsener? Es würde sich zeigen, wie sehr ihre Kampfkünste nun Verbesserung finden würden, Ritter Drapenstein sollte wohl künftig die Führung übernehmen, um die Tempelwache zu noch größerer Stärke zu führen. Mit einem tiefen aber zufriedenen Durchatmen ging sie hinunter und zur Tür.

Entlang des Strandes laufend hielt sie inne und blickte auf die azurblaue Bucht von Cabeza. Dabei führte sie sich vor Augen, welch große neue Aufgabe vor ihr lag und sie sah in der Ferne wieder die kiemsroten Funken aufglimmen. Sie wusste nun, woher diese kamen. Natürlich aus ihrem Geist, denn die Tetrarchen hatten am gestrigen Abend nichts ungewöhnliches im klerikalen Gefüge an ihr festgestellt (das einzig gruselige war, dass sie neben Vindheim hatte sitzen müssen…. Urgh, noch immer so was von beängstigend). Blinzelnd sah sie auf die Wellen draußen auf offener See und da verschwanden die Funken wieder im Nichts. Sie hatte das Gefühl es war ein Wegweiser gewesen, der sie angeleitet hatte, seitdem der Clericus Athes ihr die Macht Alatars offenbarte. Wie eine feine Spur, ein roter Faden, der sie hier her geführt hatte. Ich bin Schneiderin und Bürgerin des heiligen Alatarischen Reiches. Ich bin hier auf Cabeza geboren und meine Wurzeln sind fester denn je. Ich bin nun Tempelwächterin und werde es bis an mein Lebensende bleiben. Von warmer Zuversicht umhüllt strebte Tanai weiter den Strand entlang und lief bei Minfay am Hafen in die Taverne. Dort traf sie auf Coreyee und die sah ihre Tochter mit weit aufgerissenem Mund an. „Oh kleiner Kolibri, dein Vater wäre so stolz dich so zu sehen. Du siehst… ich weiß nicht… irgendwie anders aus.“ Tanai umarmte ihre Mutter sanft und wisperte dann leise zu ihr. „Ich fühle mich auch anders. Ich folge endlich meinem Willen und begebe mich in Seine Führung. Es tut mir gut, als könnte ich erstmals in meinem Leben frei atmen. Siehst du mal nach Karamell? Ich werde den ganzen Tag und wohl auch die halbe Nacht fort sein. Die Tetrarchen haben mich direkt in meine erste Aufgabe eingespannt. Alatar behüte dich, Mutter.“ Sie gab ihr einen Kuss auf die Wange, sah nochmal in die gleichen meergrünen Augen, die ihre Mutter ihr vererbt hatte, und ging dann zum Hafen. Sie musste nun wohl öfter mit dem Schiff reisen… doch kein Blick mehr zurück, immer nach vorne sehen und ihre Ängste weiter überwinden. Und davon gab es noch so einige, es lag viel Arbeit vor ihr. Der Umweg zurück zu Alatar war schmerzhaft gewesen, doch am Ende hatte sich all das irgendwie gelohnt. Ich bin Tempelwächterin. Und ich wandele nun auf Deinem Pfad.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 01 März 2024 18:30    Titel: Kapitel 70 - Die Tempelwächterin
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Kapitel 70 - Die Tempelwächterin


Die warme Brise auf K'awi strich über verschwitzte Haut und Haar. Sie mischte sich dann recht garstig mit plötzlich aufkommenden Wüstensand aus der Durrah, der unangenehm über die Haut kratzte wie Schmirgelpapier. Dann aber zogen sich blutrote Schlieren hinzu, die alles und jeden zu sich zogen wie gierige Hände, hinein in ein waberndes Becken voller Blut. Es lefzte und rauschte, dröhnte beinahe schmerzhaft in den Ohren. Unwirkliche Stimmen hallten an Wänden, schabten an jedem noch so kleinen Stein, zwangen sich machterfüllt in das eigene Gehör hinein und flüsterten verlockende Dinge, die auf irdische Weise nicht zu begreifen waren. "Willkommen in meiner Welt, Sonnenschein." Diese eine vertraute Stimme nahm den schlafenden Geist vollkommen ein. Wieder ein streichelndes Gefühl auf der Wange, dann aber ein begehrendes Fühlen an ihrer Unterlippe. Vollkommen kurzatmig schreckte Tanai aus ihrem Schlaf auf und blinzelte mehrfach, bis sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Ihr Herz schlug noch immer wie in einem süßen Rausch bis zum Hals und ihr ganzer Leib zitterte wie Espenlaub. Lediglich eine Sache brachte ihr wieder Ruhe und das war Karamell, die sich des nachts wohl heimlich in das Bett geschlichen hatte und die erwachte junge Tempelwächterin nun schnurrend mit dem flauschigen Köpfchen beschmiegte. Vorsichtig griff Tanai nach der Katze, presste sie an sich und blickte dann zum Fenster ihres Schlafzimmers hinaus. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, es musste weit um die Mittagszeit sein. Der totengleiche Schlaf war bitter nötig gewesen, die letzten zwei Tage hatten ihr bereits eine ganze Menge abverlangt, körperlich wie auch geistig. Der erste Tag in der Tempelwache hatte mit einer Reise nach K'awi begonnen, um den fehlgeleiteten Ritter der Bruderschaft wieder in die Hände des Alatarischen Reiches zu bekommen. Eigentlich hatte Tanai gedacht es würde ein ruhiges Manöver werden: die Templer zu bewachen und dem Gespräch zuzuhören, das zwischen Vertreter K'awis und Alatariens stattfand. Doch schon bald folgte von Tetrarch Vindheim die Order sich die Stadtmauer genauer anzusehen… wohl, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren? Was dann aber folgte, war ein Alarm in Grenzwarth, zügiges Ausrücken und das Vorfinden von abgeschlachteten Alatarischen Wachen. Es endete mit einem Kampfzug nach Menek'Ur, der über die Hadcharim Burg führte und eine Spur von toten menekanischen Wachen bis zum Stadttor mit sich brachte. Doch statt sich dem Alatarischen Heer zu beugen, verschanzten sich die Goldfratzen hinter der Sicherheit ihrer Tore, und am Ende zog man wieder von dannen. Es ging zurück nach K’awi, doch kurz darauf auch schon nach Düstersee. Und dort im Tempel betrat sie das erste Mal die Kellergewölbe und war vollkommen fasziniert davon, wie viel Vegetation sich um die Mauern schlang, fast gartengleich? Dem Gespräch zwischen Templer und Bruderschaft wurde aufmerksam zugehört und wenig später nach Beendigung der Unterredung nahm sich Clericus Athes sie zur Seite. Recht eindringlich wies er sie auf ihre Verschwiegenheit hin, gab ihr dann aber auch mit einem Schulterklopfen mit, dass sie guten Dienst geleistet hatte, ehe er sich zurückzog. Der erste Abend in der Tempelwache… was für ein Auftakt.

Leise seufzend stand Tanai aus ihrem Bett auf, erhob sich und Karamell fetzte die Treppe runter Richtung Futternapf. Dieses Viech war einfach nimmersatt… Was ebenso nimmersatt war, war ihr hübsches Strubbelköpfchen, dass noch immer all die neuen Gedanken verarbeitete, die es beim zweiten Abend mit dem Tempel zu ‚essen‘ gegeben hatte. Erst die Unterredung mit Ritter Drapenstein, bei der sie sich auch sehr persönlichen Fragen hatte stellen müssen, die in ihr einen vergrabenen Schmerz wieder aufweckten… doch immerhin hatte sie standgehalten, und ihre Antworten schienen ihn zumindest halbwegs zufrieden gestimmt zu haben. Kurz darauf war die Einkehr in den Tempel von Rahal gefolgt und das anschließende Erlebnis hatte die Grenzen von Tanais Vorstellungskraft bei weitem gesprengt. Der Alte Tempel… sie hatte zum allerersten Mal Zutritt zu diesen Gemäuern erhalten und als sie die Halle erblickt hatte, da war sie fast erstarrt. Ehrfurcht, Angst, Faszination? Was auch immer es war, der meergrüne Blick blieb zuletzt am Blutbecken kleben (und das erinnerte sie an etwas, das sie nun auch noch geistig sehr lebendig vor ihrem inneren Auge sag). Die Templer und die Tempelwächter versammelten sich um dieses Blutbecken, Velvyr’tae forderte Tanai dabei auf sich neben sie zu postieren. Was auch immer es war, was die Templer dann vollbrachten… selbst Tanai spürte die Luft in der Atmosphäre beinahe sirren, ohne dass sie auch nur ansatzweise wusste, was da an klerikalem Wirken im Gange war. Irgendwann drang wie aus dem Nichts eine Stimme auf sie ein, die sie beinahe verschlang. “Bist du Mein Opfer... Mein Opfer...?“ Sie hatte das Gefühl verrückt zu werden, und als sie dann auch noch viel zu intensiv den Geruch vom Blut eines Templers in der Nase stechen spürte, wurde ihr beinahe übel… ihr Herz raste und ihr Blut pochte in ihren Adern. Und dann hatte sie das Gefühl einen blutigen Dolch in der Hand zu halten, doch als sie an sich runter sah, war da nichts. Sie hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen, denn kurz darauf forderte Velvyr’tae nach ihrer Hand und verlangte Tanais Halt ein. Die Hände der beiden verbanden sich so stark, dass es schon beinahe schmerzhaft war, und eine seltsame Wärme breitete sich darauffolgend zwischen der Lethra und ihr aus. Das Wirken der Templer nahm offenbar seinen Höhepunkt, denn irgendwann sprach Velvyr’tae davon, dass es vollbracht war. Was hatten sie da getan? Um was für ein Artefakt ging es da? Vollkommen überfahren von all den neuen Eindrücken war sie den Templern und der Tempelwache dann aus dem Alten Tempel hinaus gefolgt, doch statt den Abend enden zu lassen… war noch eine kraftzehrende Jagd durch die hiesigen Höhlen Gerimors erfolgt. Sie stürzte mitten hinein in eine Welt, die ihre volle Kraft schon jetzt unbarmherzig einforderte… und während Tanai sich Kaffee in der Küche machte, da wusste sie… sie konnte dem standhalten, sie strebte nach Erfüllung in Seinem Namen als Tempelwächterin.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 05 März 2024 20:26    Titel: Kapitel 71 - Von Opfern und Erinnerungen
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Kapitel 71 - Von Opfern und Erinnerungen


“Nein, nein, nein! Ich bin nicht dein Opfer, Nein!“ Tanai wälzte sich unruhig im Schlaf, so sehr, dass selbst Karamell Reißaus nahm (das Tierchen hatte es sich offenbar zum persönlichen Ziel erkoren zu Tanais Kuscheltier zu werden). Die Arme schlugen zuckend aus, die Beine zappelten, der Kopf ruckte munter auf und ab. Bluttropfen überall, sie strömten von allen Seiten auf den Strubbelkopf zu. Ein Buch in ihren schlanken Händen, aus dem kraftvolle kiemsrote Funken strebten. Unzählige Kolibris flatterten aufgebracht durch den Tempel, ein verstörender Wechsel aus Schatten und Licht. Ein verstörender Wechsel zwischen… was eigentlich wirklich? Tanai schreckte auf und blinzelte wieder heftig, spürte ihr Herz erneut so wild pochen. Sie rieb sich die Hand über die Stirn und wischte sich den Angstschweiß des Albtraums von der Haut. Sie hatte viel zu verarbeiten, seitdem sie der Tempelwache beigetreten war. Zunächst war da die Opfergabe des Magiers Milan gewesen, am Schrein der Blutroten Hand. Er hatte wegen irgendeines Vergehens aus der Vergangenheit Dutzende Adler getötet und deren Federn dort am Schrein dargebracht, zusammen mit seinem Blut. Tanai hatte die Prozedur aufmerksam beobachtet, ebenso wie die Tetrarchen Vindheim und Aliyahna im Auge behalten. Zum Ende jenes Opfers war ein Knurren und Brüllen aus dem angrenzenden Wald zu hören gewesen, offenbar hatte Alatar das Opfer des Magiers angenommen. Mit einem Seufzen stand Tanai auf und lief zur Küche runter.

Dabei hielten sie die Gedanken fest im Griff, das Blut wohl ein zentraler Punkt in den Lehren des Tempels war… und ihr wurde allmählich klar, was es bedeutet hatte, wenn ihre Unterlippe aufgeschnitten zurückblieb als… Nein, denk nicht dran, hör auf, Tayris! Grummelnd wurde ein Kaffee aufgekocht und Karamell gefüttert, während sie immer noch recht nachdenklich über das Ritual nachdachte, was man an dem gefallenen Ritter Rabenstein praktiziert hatte. Der Abend in der Ritterburg und anschließend im Tempel von Düstersee war faszinierend und beunruhigend zugleich gewesen. Sie hatten dem Ritter mithilfe eines dicken Buches und seinem Blut irgendwie… die Erinnerungen genommen. So ganz erklären konnte sich das Tanai nicht, doch was verstand sie schon von solchen klerikalen Dingen? Was von diesem Abend (neben tiefer Erschöpfung) aber blieb, war ein sengend heißer Funke, der sich in ihren Strubbelkopf gepflanzt hatte. Was, wenn sie all das vergessen konnte, wenn es eine Möglichkeit gab dem wabernden Schmerz in ihrem Herzen ein Ende zu setzen? Wenn sie endlich wieder frei sein konnte im Geist, wirklich frei? Es war verlockend darüber nachzudenken, sich dies vorzustellen. Und doch wusste sie, dass es niemals passieren würde. Sie musste allein damit klarkommen, und jener Funke erstarb wieder, bevor er überhaupt gedeihen konnte. Kein Sonnenschein mehr, für niemanden. Mit einem Aufmurren sah Tanai zum Tagebuch auf der Küchentheke, das dort regelrecht gierig bis sabbernd auf sie wartete. Hastig griff sie nach dem Kohlestift und schrieb etwas nieder, was ihr gerade im Strubbelkopf rumschwirrte.

5. Lenzing 267, La Cabeza, La Calma
Tag 24… 25? Ich weiß es nicht mehr. Es ist auch nicht mehr wichtig, seine Entscheidung ist gefallen und darf nicht mehr jeden meiner Schritte in die Zukunft erschweren. Ritter Drapenstein hat mich gefragt, ob ich in die Tempelwache eintrete, weil ich ein Vicariusherz zurückgewinnen will. Die Antwort war klar und entschlossen ein sofortiges Nein. Er hätte es ohnehin gehasst, es spielt also keine Rolle. Ich wünschte die Gefühle wären nicht so intensiv und würden einfach verschwinden. Aber sie tun es nicht, ebenso wenig wie diese verdammten kiemsroten Funken. Vielleicht werde ich gerade verrückt, so genau weiß man das ja nie. In einem Wochenlauf wird mein 20. Geburtstag sein. Was hab ich bis dahin erreicht? Nichts von Bedeutung… und dabei sagt man im Volksmund, dass im Lenzing geborene Kinder besonders von Alatar gesegnet sind. Dass ich nicht lache… eher fordert Er mehr heraus, stichelt und schneidet, fügt mehr Schmerz zu, testet wie lange der Stand noch aufrecht ist… Ich bin Tempelwächterin, ich werde nicht fallen, selbst nicht in tiefster Dunkelheit ohne jeden Sonnenschein. Niemals, ich werde bestehen.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 12 März 2024 19:58    Titel: Kapitel 72 - Die Blutorchidee
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Kapitel 72 - Die Blutorchidee


Zwanzig Lenze. Zwanzig verdammte Lenze… Und jetzt saß sie kurz vor Mitternacht in ihrer Küche und starrte auf ihr aufgeschlagenes Tagebuch als würde sie es gleich verschlingen wollen. Entnervt wurde der Kohlestift beiseitegelegt (naja, mehr geworfen, aber außer ihr sah es ja niemand), ehe sie sich mit beiden Händen durch das Gesicht wischte. Da war nichts in ihrem Strubbelkopf, was sie vor Vollendung ihres 20. Geburtstag aufschreiben wollte. Absolut nichts. Gedanken trieben sie um… über den letzten Markt, den sie vor ein paar Tagen in Eigenregie in Rahal gehalten hatte. Wieder sehr erfolgreich, offenbar hatte sie sich mit ihrem Handwerk einen Namen gemacht. Das war auch gut so, glaubte sie zumindest. Und immerhin war die Schneiderarbeit seit dem Alatner eine gute Abwechselung gewesen. Es war wie meditieren, fühlte sich aber doch besser an, natürlicher. Sie war ganz in ihrem Element, wenn sie an ihrem Schneidertisch war. Wie beruhigende Wellen, die am Strand von Cabeza über ihre nackten Füße schwappten und sie streichelten, während in ihrem Strubbelköpfchen noch immer garstige Gedanken wüteten, die sie beiseiteschob. Da waren auch die Gedanken an die Letharen, die sie am Panthertor einen Abend später getroffen hatte, Velvyr’tae… Qy’hlor und dieser sehr direkte Lethrixor (wie hieß der überhaupt?!). Die Aussage indessen hatte sie wieder in die Knie gezwungen, ihr Herz angestochen und die Gedanken unbarmherzig aufgeschüttelt, sodass sie niedergeschlagen Richtung Hafen gelaufen war und schnell auf das Schiff nach Cabeza geflüchtet wurde…

Tanai schloss die Augen und spürte wie ihre Gedanken wegtrieben und wie sich vor ihr inneres Auge wieder kiemsrote Funken schoben. Sie sah das Tagebuch vor sich, und doch waren die Augen fest geschlossen. Dort lagen sie plötzlich… Blutorchideen. Solche, die in ihrem Garten wuchsen. Solche, die sie im Haar trug. Solche, die sie ihm gegeben hatte. Doch zwischen die Funken mischte sich warmes, dickflüssiges Blut. Es floss aus den hübsch erblühten Blüten, verteilte sich über die leeren Seiten, nahm ihr Blickfeld vollkommen ein. Nein, nein, nein. Ich werd nicht verrückt. Er prüft mich. Mach die Augen auf! Ihr Herz pochte schwer als sie sich aus diesem Tagtraum riss und sie starrte auf das leere Tagebuch. Gerade wollte sie sich ein Glas Wein vom Tisch in die Hände nehmen, als die Küchenuhr plötzlich Mitternacht schlug und die Tür ihrer Hütte sich knarzend öffnete. Coreyee trat ein und lächelte, als sie ihre Tochter in der Küche sah. Der Gesichtsausdruck ihrer Tochter war noch so verstört, dass sie schnell zu ihr ging und sie in die Arme nahm. „Mein kleiner Kolibri, du starke Tempelwächterin, du mutige junge Frau. Du hast heute allen Grund zum Feiern, sei nicht mehr niedergeschlagen. Du bist wunderbar, hörst du? Und jetzt lass uns feiern.“ Coreyee ließ Tanai los und zwinkerte ihr zu. „Ich hab dir Minztorte mitgebracht und guten Rum von Minfay. Außerdem… ein Kleid, dass ich trug, als ich so alt war wie du. Es wird dir gefallen, versprochen.“ Tanai gluckste, ehe sie von Coreyee an der Hand in das Wohnzimmer gezogen wurde und die Gaben besah, die ihr dort gemacht worden. Ein Lächeln zuckte über die Lippen. Ich bin Tanai Tayris. Und ich hab allen Grund stolz auf mich zu sein. Heute wird gefeiert und nicht Trübsal geblasen.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 17 März 2024 09:50    Titel: Kapitel 73 - Die Fesseln, die uns binden
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Kapitel 73 - Die Fesseln, die uns binden


Schwimm! Na los, Tayris… immer weiter. Immer voran, nie mehr zurück. Nie mehr. Jeder Schwimmzug war anstrengend, jeder Atemzug erstickt, jeder noch so kleine Moment eine Herausforderung. Sie schwamm das erste Mal allein in der Lagune von Cabeza und hatte solche Mühe, sich über Wasser zu halten. Das lag aber nicht unbedingt an ihren Schwimmkünsten (nein, nein… denn die hatte man ihr in liebevoller Unnachgiebigkeit beigebracht), sondern an ihrem vollen Strubbelkopf, der sie gefühlt unter Wasser drückte. Sie seufzte erleichtert, als sie endlich am Ufer ankam, und ließ sich rücklings in den hellen Sand fallen, während die meergrünen Augen sich auf den blauen Himmel richteten. So vieles geschafft, und noch so viel mehr zu erreichen. Die Mundwinkel zuckten dezent empor, als ihr die Gedanken daran kamen, wie der Planungsabend für die Alatarischen Rüsttage sich entwickelt hatte. Ihre Idee hatte am Ende doch Anklang gefunden und die verschiedenen Institutionen des Reiches wollten sich beteiligen. Sogar Tetrarch Vindheim hatte ihr anerkennend zugenickt und darüber gesprochen, dass sie einen… (wie hatte er gesagt?) willkommen Vorgang eingeleitet hatte? Wie auch immer, sie war irgendwie stolz darauf, dass sie dieses Thema vorantrieb, um das Volk in Seinem Namen zu noch mehr Kampfwille und Stärke anzutreiben. Nun musste sich nur noch ihre eigene Stärke weiterentwickeln, doch sie hatte nun mit der Berufung in der Tempelwache die allerbesten Aussichten. Hmm hmm… ich mag das, der entschlossene Blick in deinen schönen Augen. Tanai schreckte aus dem Sand auf und starrte zum Meer, die kiemsroten Funken glommen kurz in den Wellen auf. Arrr… grrr, verdammt nochmal! Mit einer anmutigen Bewegung stand sie auf und ging zu ihrer Hütte.

Maunzend, tobend und springend mit viel zu großer Aufregung schlich Karamell sehr unnachgiebig um Tanais Beine und forderte ihr (hoffentlich sehr großes) Mittagessen ein. Das hungrige Tierchen wurde gefüttert und kurz drauf wurde der geliebte Kaffee aufgebrüht. Der rabenschwarze Strubbelkopf wiegte sich leicht auf den Schultern, als Tanai daran dachte, dass sie ihre neue Rüstung aus Balronleder für die Tempelwache noch nähen musste. Dazu sollte der Nietenbeschlag kommen, aus Diamantnieten gefertigt, und sicherlich auch noch einige unverkennbar auf den Tempel des All-Einen zurückzuführende Bestickungen in blutroten Fäden. Schon jetzt wusste sie, dass es ein Kunstwerk werden würde… aber auch eines, dass ihr Leben schützte. Jeder war für sich selbst verantwortlich und was gab es da besseres, als für die bestmögliche Rüstung zu sorgen, die sie kriegen konnte. Sicher hätte sie auch eine Kettenrüstung aus Obsidian bei den Rashar kaufen können, doch als Cantirer widerstrebte ihr der Gedanke, denn seit jeher war es Tradition in ihrer Reichsprovinz gewesen in Lederrüstungen zu kämpfen, und Tanai war stolz darauf diese Tradition für sich beizubehalten. Ganz davon ab hatte es den praktischen Nebeneffekt, dass sie sich selbst um ihre Rüstung kümmern konnte. Wohlig atmend wurde der frisch aufgebrühte Kaffeebecher in die zarten Finger geschoben und ein erster Schluck genippt. Sie dachte daran, wie die Ausbildung in der Tempelwache wohl werden würde, was sie alles Neues lernen konnte. Es ging ihr gut mit jener Entscheidung und sie liebte schon jetzt, was sie tat. Manch einer würde sagen es waren Fesseln, in die man sich sein Leben lang band… Doch instinktiv wusste Tanai, dass es der richtige Weg für sie war und das brachte sie nach Wochen der Niedergeschlagenheit erstmals wieder zum Lächeln. Die Fesseln, die sie zuletzt banden, wurden langsam lockerer und in ihrem Kopf machte sie sich immer weiter frei, damit sie diese endlich abstreifen konnte.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 19 März 2024 16:59    Titel: Kapitel 74 - Vom Apfelmädchen und von Templern
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Kapitel 74 - Vom Apfelmädchen und von Templern


Diese apfelgrünen, stechenden Augen! Diese unbändige, innere Kraft - umspielt von mädchenhafter Jugend! Die Lippen, die sich dann und wann verzogen, während sie Worte sprachen, die eine Direktheit in sich trugen, welche sogar den Strubbelkopf schlucken ließen! Die Begegnung war so unverhofft gekommen und war doch so offenbarend gewesen. Wohl für sie beide, auf ihre ganz spezielle Weise. Sae Appelholm, ein junges Mädchen in ihrem Alter, etwas jünger und mädchenhafter, aber eben auch… gefährlich? Stille Wasser sind tief, so sagte man… doch Sae war nicht still, ganz und gar nicht. Während sie in Tanais Schneiderei auf Cabeza einige Sachen anprobierte, kam die Sprache recht schnell auf den Tetrarchen. Und Sae hatte scharf beobachtet… Tanai hatte Angst vor Vindheim und nun fragte sie unnachgiebig (teils recht seltsame) Sachen. Über ihn, über Templer, über so manches, was ihr Köpfchen beschäftigte. Dass Tanai ausgerechnet bei diesem Thema keine gute Redepartie war, sollte dem Apfelmädchen schnell klar werden, denn es zeigte sich, dass der Schmerz der vergangenen Zeit eine deutliche Warnung sprach. Panther lauerten, doch wenn es nach Sae ging, dann spielten sie auch. Interessant so oder so, denn beide Damen hielten so einige Parallelen in ihrer Vergangenheit bereit. Flucht, Widerstand, Unbrechbarkeit… Definitiv ein Fall für ‚Muss ich mir genauer ansehen!‘… Während des Gesprächs war Tanai jedoch noch etwas anderes klar geworden, was nun definitiv keinen Aufschub mehr kosten durfte… es wurde an der Zeit, die Fesseln juckten an den Handgelenken und die aufgeschrubbelte Haut dort schrie im übertragenen Sinne nach Freiheit. Und Freiheit war ein wertvolles Gut, welches der Kolibri sich nur noch nehmen musste wie von einer Blüte mit ihrem köstlichen Nektar. Es wird geschehen, wenn der Herr es bestimmt hat… bald schon, sehr bald.

Tage später war Tanai voll gerüstet auf dem Sprung zu einer ausgiebigen Jagd, als es an ihrer Tür klingelte. Ein Bote stand dort und hielt ihr einen Brief entgegen… Sie nahm jenen mit neugierigen Meerblick an und der Bote wurde entsprechend entlohnt, ehe er wieder seiner Wege ging. Als der Strubbelkopf das dunkelrote Siegel auf dem Brief erblickte, seufzte sie leise auf und betastete jenes mit zarten Fingerspitzen, so als wage sie es nicht jenes zu brechen. Die Tür wurde zugezogen und sie ließ sich dann an eben jener herunterrutschen, bis sie sich traute das Siegel endlich zu brechen. Die Handschrift ließ sie kurz zusammenzucken, doch dann wurde jedes Wort sehr sorgsam gelesen und drang bis tief in ihren Geist vor. Mit den Fingerspitzen strich sie nochmal sanft über die vertraute Unterschrift und das Gefühl ließ wohlige Wärme in ihr zurück. "Es geht dir gut, Alatar sei Dank... Oh Vincent...", wisperte sie leise und drückte den Brief mit den wenigen Zeilen auf Herzhöhe an ihren Brustkorb. Eine Weile saß sie so noch am Boden und blickte verloren in ihrem Wohnzimmer umher, bis sie an den Fenstern wieder kiemsrote Funken aufglimmen sah. Tief atmete sie durch und schloss die Augen. "Irgendwann wird es aufhören, irgendwann wird diese Illusion verblassen, irgendwann... Ja, irgendwann wirst du wieder auf Gerimor sein. Möge der Herr dich stets leiten, immer..." Mit einem tiefen Durchatmen stand Tanai auf und legte den Brief vom Festland sorgsam zu ihrem Tagebuch in der Küche auf den Tisch. Sie wusste, als sie mit den Fingerspitzen nochmal über das Papier strich, dass sie ihn auf ewig lieben würde. Doch sie wusste auch, dass sie nicht mehr die Seine war, das hatte er ihr unmissverständlich klargemacht. In jenem Moment kamen Gedanken an Saes Worte in ihrem Strubbelkopf auf und das ließ Tanai erstickt durchatmen. Wer war hier wirklich ein Narr? Närrin, dass du noch immer an ihm hängst. Närrin, Närrin, Närrin! Leiste einen Schwur, Tayris. Tu es und dann lebe dein Leben. Die garstigen Gedanken trieben sie regelrecht aus dem Haus und zur Jagd, die definitiv mehrere Stunden dauern sollte, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 21 März 2024 11:21    Titel: Kapitel 75 - Der Clericus und der Alka
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Kapitel 75 - Der Clericus und der Alka
aus dem Quest-Beitrag „Blut für den Herren“


Dam Dam. Dam Dam. Dam! Tanais Herz pochte noch immer wie wild als sie schon längst im Schiff auf der Heimreise nach Cabeza saß. Das lag zweifelsfrei nicht an der so ungeliebten Schiffsreise, sondern an dem, was heute Abend passiert war. Eigentlich... Ja eigentlich war ein Abend der Leibesertüchtigung in der Tempelwache geplant gewesen und jene hatte bis zu einem bestimmten Punkt zu köstlicher Erschöpfung geführt. Ritter Drapenstein hatte sich ein ordentliches Programm überlegt, bei den sogar das Ziehen eines schweren Ankers enthalten war. Zusammen mit Tetrarchin Aliyahna war Tanai in einer Zweiergruppe eingeteilt gewesen, bis... Jaaa, bis irgendwas die Templer plötzlich in unheilvolle Aufruhr versetzte. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht, und schon bald zog der Trupp bestehend aus Templern und Tempelwächtern in Richtung des Alten Tempels. Ganz davon abgesehen, dass jene Örtlichkeit Tanai immer noch in ängstliche Spannung versetzte, war die Luft darin aber gefühlt am Sirren. Und es zeigte sich schnell, dass der Grund für dieses Unwohlsein sich nicht aus dem Blutbecken speiste, sondern an dem Auffinden von Clericus Athes, halb tot wie es schien. Die Templer scharrten sich um ihren verletzen Kameraden, während Arix schon Befehle bellte den Alten Tempel abzusuchen. Tanai war kaum fähig sich zu rühren ob der Szenerie, die sich da präsentierte, doch dann ruckte sie auf und ging beinahe mechanisch den Tempel ab. Ihr Körper gehörte in jenem Moment nicht mehr ihr, das einzig Wichtige war jetzt Demian. Sie spürte wie nahe ihr das ging, als sie sich wieder in die Runde stellte und versuchte mitzubekommen, was Demian da so geschwächt von sich hauchte. Das Wort "Alka" schnitt sich in den Raum wie das Schwert, dass sich offenbar durch Demians Rücken gezogen hatte. Hat er Alka gesagt?! Das kann doch nicht... Hatte er das im verzehrenden Wahn des Schmerzes halluziniert? Die Templer versuchten noch mehr aus ihm heraus zu kriegen und irgendwann fiel der Name Anara. Was hatte sie mit all dem zu tun?!

Es folgte recht bald der Abtransport des Clericus Richtung Pilgerstätte, während sich einige Templer noch im Alten Tempel umsahen. Unter ihnen war auch Tetrarch Vindheim, dem Tanai nun wie ein Schatten folgte, instinktiv in schützender Habacht Stellung (und das trotz der Tatsache, dass Cailen ihr noch immer große Angst einjagte). Irgendwas schien den Templer zu stören, denn er lief auf das Blutbecken zu und betrachtete jenes seltsam. Kurze Zeit später schnitt er sich mit einem Dolch in die Hand und ließ einige Tropfen seines Blutes hineintropfen, so als würde er darin eine Antwort finden. Doch es passierte nichts mehr und so schloss der verbliebene Trupp schließlich in die Pilgerstätte auf. Dort wurden Aufgaben verteilt und man verstreute sich in alle Himmelsrichtungen, während Ritter Drapenstein und Tetrarch Vindheim sich um den verletzten Demian kümmerten. Tanai schob sich still im Hintergrund dazu und versuchte noch immer zu begreifen, was mit Demian passiert war. Ihn dort so aufgeschlitzt wie ein Schwein zu sehen war furchtbar, und irgendwas Grünliches an seiner aufgeschnittenen Haut klebte an ihm, Gift vielleicht? Was auch immer es war, er wurde nun beaufsichtigt und jedes Wort, das der geschwächte Clericus sagte, sollte aufgeschrieben werden, in der Hoffnung auf neue Erkenntnisse. Tanai reichte Arix noch einen Zettel dafür an, ehe sie sich dann selbst zurück zog und die Heimreise anging. Als sie auf Cabeza ankam, verzog sie sich in ihrer Hütte und alle ihre Gedanken waren bei Demian. Sie mochte den Clericus sehr, das wurde ihr nun so unfassbar klar, da er mit dem Tode rang. Sein Ast durfte nicht brechen, nicht so, nicht jetzt. Doch was konnte nun getan werden, was würde helfen, und was war der Grund für diesen Angriff? Alatar schütze ihn, er darf nicht sterben. Er wird nicht sterben! Halte deine Hände über ihn. Bis tief in die Nacht sprach Tanai Gebete an den All-Einen und hoffte, dass der Clericus das überstehen würde.
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