FAQ Login
Suchen Profil
Mitgliederliste Benutzergruppen
Einloggen, um private Nachrichten zu lesen
        Login
Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 30 Dez 2023 01:49    Titel: Kapitel 46 - Im Netz der Seelen
Antworten mit Zitat



Kapitel 46 - Im Netz der Seelen


Tiefes Fallen, bis in den dunkelsten Abgrund hinein. Der Moment, als die Schwerelosigkeit nachgibt und durch einen Aufprall ersetzt wird, der einem die gesamte Luft aus den Lungen presst. Dann das klebrige Gefühl… dieser Ekel, wenn man mit den Händen spürt, wie man in einem Netz aus tausenden von Fäden gefangen ist. Der Moment der Regungslosigkeit… und dann die Stimme, die gleißend mit Gewalt in den eigenen Leib eindringt. „Du hübsches Kind, endlich bist du wieder bei mir… was machen wir nun, vielleicht möchtest du reden?“ Doch ihr Mund war wie zugeklebt, sie brachte keinen Ton hervor, aber blanke Panik ließ sie zucken, sich nach allen Seiten winden. Sie war gefangen und da sah sie es wieder. Diese Augen… sie waren stechend, brennend wie Dämonenfeuer, und doch nicht von dieser Welt. Sie spürte, wie seine Präsenz an ihren Armen entlangglitt, wie eine Spinne, die sich in ihrem Netz langsam zu ihrem Opfer vorarbeitete. Und dann strichen die Schatten über ihr Gesicht, küssten ihre Wangen und leckten an ihren Lippen. Begehrend und so voller Sehnsucht, und doch waren sie kalt… irgendwie leblos. Tanai ruckte hin und her, versuchte sich verzweifelt zu befreien, doch es gelang einfach nicht. „Was wird wohl passieren, wenn ich deinen Faden durchtrenne? Na, wollen wir das herausfinden?“ Die Stimme entfernte sich und sie sah in den Schatten, wie ein einzelner Lebensfaden des Netzes golden auffunkelte. Der Dolch in der Klaue des Dämons legte sich spielerisch an diesen, dehnte ihn dabei auskostend und dann sahen diese Augen wieder zu ihr. Sie schrie voller Panik, zappelte und wehrte sich, und sie wusste wie kurz davor der Dolch war den Lebensfaden zu durchtrennen. Wie kurz davor ihre Seele war, verloren zu gehen. „Gefällt dir der Gedanke etwa nicht, mir deine Seele zu schenken? Ohhh wie bedauerlich, du wirst noch eine Weile weiter leiden. Bis dahin… nehm ich mir etwas von deiner Schönheit.“ Die Stimme kam wieder bedrohlich nah, und da spürte sie den Dolch an ihren Haaren. Es war so schnell geschehen, wie ihr erstickter Schrei aus der Kehle entrann, da hielt die Dämonenklaue ein Bündel rabenschwarzen Haares fest umschlungen und er lachte verzückt auf. „Du riechst so unfassbar gut, dein Haar wird mir deine Abwesenheit versüßen. Jetzt wach auf, hörst du? Wach auf und bade in diesen Gefühlen!“

Sie schrie so laut wie noch nie zuvor auf, als sie in ihrem neuem Bett emporruckte und die Augen weit aufriss nach jenem Albtraum. Ihr Herz klopfte wild und ihr ganzer Körper war von einer steinernen Lähmung erfasst. Sie zwang sich mit aller Gewalt wieder normal zu atmen und starrte dabei an die Ostwand des Dachbodens. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie sich wieder beruhigte und sich dann wirsch mit beiden Händen durch das Gesicht wischte. Das Gefühl von ihm verfolgt zu werden, machte sie wahnsinnig. Doch da war noch mehr… Die Gefühle verlassen worden zu sein, von ihnen beiden… die rissen ihr die Seele aus dem Leib, ohne das Kra’thor dafür irgendetwas tun musste. Sie fühlte sich so leer seit dem Morgen, als erst Aleksi und dann kurz darauf Vincent sich von ihr verabschiedet hatten. Der Alatner war entbehrungsreich gewesen, sie konnte mit allem leben… wenig Essen, viel Disziplin, blutige Opfer zu Ehren Alatars, verbissenes Kämpfen bis zur Erschöpfung… doch was sie nicht konnte, war ohne einen der beiden zu leben. Wenn sie sich entscheiden musste, dann würde die Wahl deutlich ausfallen, denn an jedem gottlosen Morgen sollte der Sonnenschein nur für ihn allein aufgehen. Doch nun war nichts mehr von all dem da und der Seelenfürst erlaubte sich seine bizarren Spielchen mit ihr. Sei liebevoll, Sonnenschein. Doch was nützte Liebe, wenn sich nicht erwidert wurde? Was sollte all das, wenn sie am Ende nur durch Schmerz lernte, was eine wahrhaftige Alatari war? War sie das je gewesen? Oder war sie am Ende nicht doch für den Seelenfresser bestimmt? Schwer atmend stand Tanai auf und ging zum Kleiderschrank neben dem Bett, um sich etwas überzuziehen, denn sie zitterte noch immer von dem Albtraum. Dabei sah sie aus den Augenwinkeln in den Spiegel und erstarrte. Das konnte unmöglich sein… ausgeschlossen. Vorsichtig nährte sie sich dem Spiegel, starrte in ihr Gesicht und sah den nicht mehr vorhandenen rabenschwarzen Rahmen rund um ihre Züge… besser gesagt die Länge ihres Haares. Sie griff danach und blinzelte mehrfach, doch es blieb, was es war. Wach auf, Tayris, wach auf! Doch sie wachte nicht auf. Ihr war noch etwas genommen worden, und der Horror bekam damit eine ganz neue Existenzebene. Die langen wunderschönen Haare waren fort, standen in kurzen Fransen nach allen Seiten ab und machten aus dem eigentlich weiblichen Gesicht den grotesken Anblick eines verängstigten Häschens. Sie war verloren, und nichts auf der Welt konnte sie nun noch retten.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:55, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 02 Jan 2024 21:15    Titel: Kapitel 47 - Auf der Flucht
Antworten mit Zitat



Kapitel 47 - Auf der Flucht


Flucht war immer eine ganz hervorragende Idee, damals wie heute. Und es war so viel leichter als sich seinen Problemen zu stellen, die das Leben so mit sich brachte, richtig? Mit fast schon zittrigen Händen steckte Tanai eine kleine getrocknete Magnolienblüte mit zartroten Blütenblättern an Vincents Briefkasten. Die Blume stand für innere Stärke und Kraft, und wenn jemand Herausforderungen meisterte, war das mit Sicherheit ihr… Catulus. Er würde bestehen, da hatte sie keinen Zweifel. Sie hingegen… bekam was sie verdient hatte. Und so schlich sie weiter durch Rahals Straßen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen (keiner sollte ihre geröteten Augen sehen), holte beim Stallmeister ihre Packpferde und ging ihres Weges. Dabei rannte sie ausgerechnet in Yoline hinein, die letzte Person, der sie jetzt noch begegnen wollte. Diese überschwängliche Freude, fast schon klebrig süß, wuahh… aber die Bardin biss sich an Tanai fest und merkte schnell, dass etwas ganz gewaltig nicht stimmte. Zumindest gebot es die Höflichkeit den Rotschopf nicht zu ignorieren und so wurde ihr ein Frühstück ausgelobt. Tanai hatte nicht die geringste Ahnung, was aus ihren Plänen nach Cantir abzureisen von der quirligen Bardin noch gemacht werden würde… es endete anders als erwartet. Was sie schließlich abhielt die Passage am nächsten Morgen nach Cantir zu nehmen, war ein unerwarteter Mädelsabend mit viel Reden, einem Ausflug nach Bajard ans Feuer und einem langen Gespräch nebeneinander gekuschelt in weichen Schaffellen. Der Rotschopf erwies sich als erstaunlich einfühlsam und Tanai lernte eine neue Seite an ihr kennen, die sie bisher nicht gesehen hatte. Sie fühlte sich wohl mit ihr, das konnte sie nicht leugnen, und vielleicht war das der Anfang einer Freundschaft. Schließlich hatte er doch gefragt, ob sie keine anderen Freunde außer Alek hatte. Jetzt bahnte sich eine Freundin an, die bis tief in ihre Seele geblickt hatte. Worin Tanai indessen nicht nachgab, war dem Rat von Yo sich an den Tempel zu wenden wegen der Träume, die sie vom Raben hatte. Es war mit Abstand der letzte Ort, an dem sie jetzt sein wollte, und noch nie hatte sie sich ferner zu Alatar gefühlt als jetzt. Der quirlige Rotschopf respektierte das und bot ihr stattdessen an für sie da zu sein, ganz gleich ob tagsüber oder auch nachts, wenn Tanai schreiend aus den Träumen erwachte.

Finstere, alles verschlingende Dunkelheit. Ein leises Klirren wie von schweren Kettengliedern. Dann ein Aufglimmen in unmittelbarer Nähe und der krächzende Aufschrei eines Raben. Tanai kniete irgendwo auf einem kalten Steinboden und wollte aufstehen, doch sie konnte nicht. Ihre Hände hingen an schweren Kettengliedern, hinderten sie an der Flucht. „Na na na, willst du etwa vor mir davonlaufen? Das hatten wir doch schon einmal, mein hübsches Küken.“ Tanai ruckte und zerrte an den Ketten, wahr wehrlos und konnte nicht entkommen. Sie hasste das Gefühl ausgeliefert zu sein. Schwer atmend starrte sie auf die schattenhaften Schemen, die sie in der Dunkelheit erkannte und knurrte leise auf wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. „Du hast nichts mehr außer Leere, wieso wehrst du dich gegen mich? Du gehörst mir, hörst du? Mir allein.“ Tanai riss an den Ketten und schrie so laut, dass das Echo in diesem luftleeren Raum unbekannten Ausmaßes mehrfach widerhallte, bis sie sich recht lautstark wehrte. „Nicht heute! Nicht morgen! Nimmermehr, Rabe. Ich gehöre Alatar!“ Ein kehliges, groteskes Lachen klang auf, dann hörte sie eine Kette kratzend über den Boden scharren. Da spürte sie seine Präsenz hinter sich und eine Klaue, die sehnsüchtig über ihren Fransenkopf streichelte. „Du gehörst weder dem Panther, noch seinem Diener… wie heißt er gleich? Hmm mhhmm hmm… soll ich ihm ein Geschenk von dir bringen? Deine hübschen meergrünen Augen vielleicht?“ Ein Beben ging durch Tanais Körper und sie rang um alle Beherrschung, die sie hatte. „Er will mich nicht mehr. Lass ihn in Ruhe.“ Die Worte kamen so schwer, dass es ihr die Tränen in die Augen trieb, die feurig und salzig brannten und ihre Wangen herabliefen. Wieder ein Lachen, dann kratzte die Klaue über ihre linke Wange, um eine Träne aufzufangen. „Ach, interessant… ist das so, ja? Bist du dir da sicher?“ Nochmal ein Rucken in dem Versuch sich zu befreien, dann kratzte die Klaue über ihre Wange und hinterließ eine blutige Spur darauf. „Wach jetzt auf, ich will sehen wie du die Leere wieder füllst, die sie alle in dir hinterlassen haben. Wach auf, Tanai!“ Und da schreckte sie auf und schrie wieder, zitterte heftig und spürte um sich herum plötzlich die Arme von Yoline. Sie hielt sie einfach nur fest, drückte sie etwas und streichelte sie dann beruhigend. „Was sagen wir dem Raben?“, sprach die Bardin leise zu Tanai. „Nicht heute, nicht morgen, nimmermehr…“, erwiderte sie wispernd und versuchte wieder Herrin ihrer Sinne zu werden, indem sie tief und fest durchatmete. Jeder Atemzug war schwer, doch sie hatte noch immer ihren eigenen Willen.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:55, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 04 Jan 2024 19:35    Titel: Kapitel 48 - Der Strand von Rahal
Antworten mit Zitat



Kapitel 48 - Der Strand von Rahal


Sanftes Meeresrauschen. Feiner Wind in den kurzen Strubbelhaaren. Das Gefühl von Ruhe. Die meergrünen Augen sahen ziellos auf das Meer hinaus, während sie ihre Füße in den Sand streckte. Dick eingepackt konnte die Kälte ihr so schnell nichts anhaben, da gab es viel schlimmere Dinge, die ihr an die Nieren gingen. Sie senkte den Blick und sah auf die Blume, die sie in ihrer Hand drehte. Die roten Blüten der Rose waren zweifelsfrei schön, und die weiße Schleife am Stiel war mit Sorgfalt gebunden worden. Das Auffinden dieser Überraschung hatte sie kurz lächeln lassen, doch nun stimmte es sie umso nachdenklicher. Er hatte sich entschieden, für Alatar, und für keinen sonst. Ihr war das klarer als nie zuvor und doch schmerzte es umso mehr. Mit einem Seufzen ließ sie sich in den Sand fallen und dachte daran, was in den letzten Tagen noch alles in ihrem Briefkasten zu finden war. Viel zu voll, viel zu viel… Blumen, Briefe. Vor allem die Briefe, die mussten beantwortet werden. Und so hatte sie zumindest für Lavea recht zügig ein Schreiben verfasst, da es um den Marktabend ging. Stirnrunzelnd sah Tanai in den nachtschwarzen Himmel, von dem ihr der Vollmond entgegenstrahlte. Wie sollte sie den Marktabend nur überleben? Der Alatner hatte sie ausgezehrt und Verlassen zu werden war ihr so an die Substanz gegangen, dass sie noch mehr abgemagert war (nebenbei wollte der Kolibri seit Vincents Verschwinden auch nichts mehr fressen, so als wäre er in ebenso großer Trauer). Ein weites Hemd sollte das kaschieren, das hatte sie sich schon zurechtgelegt. Nur ihr müdes Gesicht, das konnte sie schwerlich vertuschen. Ganz prächtige Idee, Tayris… wirklich, die Leute haben doch Augen im Kopf. Brummend setzte sie sich wieder in den Sand und fasste zumindest den Entschluss, dass der verdammte Briefkasten wegmusste. Beim Anblick der Rose zuckte sie etwas zusammen, keine Post mehr... Zumindest war ihr Haus nun nicht mehr so leer und leblos, denn Yoline war wegen Tanais ständigen Albträumen kurzerhand eingezogen, und die Schlafkammer stand sowieso leer, nun da keine zwei Betten mehr gebraucht wurden. Gerade wollte Tanai aufstehen und den Rückweg zur Schneiderei antreten, als sie in der Ferne des Meeres etwas rotes Aufglimmen sah. Es folgte ein krächzender Aufschrei und da spürte sie mit einem Mal, wie dunkle Schatten an ihr zerrten.

„Na kleines Küken, entspannst du dich? Du siehst müde aus, hast du etwa nicht gut geschlafen?“ Tanai rutschte im Sand zurück, versuchte sich zu entfernen, doch es war bereits zu spät. „Oh ja, schau nur in den Ozean. Er ist voll mit Dingen, Gefühlen, Schätzen… Leben. Und du sehnst dich danach wieder gefüllt zu sein, ich spüre es. Soll ich dir ein zartes Gefühl einhauchen?“ Mit hektischen Bewegungen kroch sie weiter im Sand zurück, robbte regelrecht über den Strand und sah von allen Seiten Schatten und rote Nebelschwaden. Und dann sah sie wie sich das Meer verfärbte, Blutrot wurde. Wie Wasser zu Blut wurde. Und vor ihren Augen sah sie wie ihr Catulus im Blut kniete, wie das Leben langsam aus ihm herausfloss… denn es war sein eigenes Blut. Er kippte vornüber in das Blutmeer und bewegte sich kein Stück mehr. Das Bild ließ Tanai aufschreien, sie zitterte und bebte vollkommen vor… was eigentlich? Es war keine Angst, es war tiefer und reiner Zorn. Sie fand darin ihre Kraft und schrie dem Raben zu. „Du kannst mich nicht mit diesen Trugbildern über seinen Tod füllen. Du kannst mir damit keine Angst machen. Nicht heute, nicht morgen, Nimmermehr!“ Der Rabe krächzte, es klang fast wie ein groteskes Lachen. „Wir werden uns wiedersehen, irgendwann wird der Tag auch für dich kommen, mein hübsches Küken. Du wirst niemals vor mir fliehen können.“ Dann hörte sie Flügelschlagen, wie es sich elegant in die kalte Nachtluft emporschwang und die Schatten sich langsam auflösten. Übrig blieb der sternenklare Nachthimmel und als sie die Augen schloss, zerrte etwas an ihr. „Tanai, wach auf. Komm schon, Mondschein, es ist schon mittags.“ Blinzelnd sah sie in Yolines moosgrüne Augen und rieb sich mit der Hand über das Gesicht. „Du hast nicht geschrien heute, nur unruhig geschlafen. Was hast du ihm gesagt?“ Vorsichtig rappelte sich Tanai auf und wisperte dann leise zu Yo hin. „Dass er nimmermehr zu kommen braucht… es ist vorbei Yo, ich glaube er lässt mich in Ruhe. Allerdings… hab ich keine Ruhe vor den beiden.“ Sie deutete auf den Brief von Aleksi und dann auf die Rose von Vincent, die beide neben dem Bett lagen. „Sorg für dich selbst, du musst dich erstmal wieder lieben lernen. Fangen wir mit einem ausgedehnten Mittagessen an! Sonst muss ich noch von meinem Zusammenleben mit dem Skelett Tanai schreiben. Ja ja, das wird eine abenteuerliche Geschichte!“ Tanai lächelte müde zu Yo hin und hoffte, dass die Albträume nun ein für alle Mal vergehen würden. Was blieb war der fahle Beigeschmack, dass die Leere in ihr sich nicht so schnell wieder füllen würde, denn ein tiefes Loch klaffte in ihrem Körper. Es war auf eine kranke Weise wahnwitzig, dass sie nach ihrem Herzraub am Lichtenthaler Gardisten nun selbst das Gefühl hatte, dass man ihr das Herz aus dem Leib gerissen hatte.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:56, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 07 Jan 2024 15:13    Titel: Kapitel 49 - Der Mondschein
Antworten mit Zitat



Kapitel 49 - Der Mondschein


Das entnervende Geräusch eines auf und ab laufenden Häftlings. Auf und ab. Ab und auf. Immer wieder und wieder. Es brannte sich so sehr in den Geist ein, dass die Leere damit gefüllt wurde. Mit einem schwachen Anheben des Strubbelkopfes sah Tanai beiseite, hindurch die Gitterstäbe des Gefängnisses, beleuchtet vom durch das Fenster fallenden Mondschein. Wie war sie eigentlich hier hineingeraten? Die Erinnerungen wurden von dem nervigen Gelaufe Kilians überspült, und sie versuchte sich zu konzentrieren. Ein Kampfausflug nach Varuna zum Friedhof (kurz nachdem die Waffen durch Mychael wieder geschärft gewesen waren). Nichts Unübliches, mit dem einen Unterschied, dass sie immer mehr an Kraft verlor. Yoline hatte ihr Bestes versucht, doch es wollte sich einfach kein Hunger in ihr einstellen, sie hatte seit Tagen nichts mehr gegessen. Ihr drehte sich der Magen um bei dem Gedanken daran, dass… ja, sie hatte ihn verloren. Sie hatte Alatar verloren, alles war fort und die Leere hatte sich der Seelenfresser zu Nutze gemacht, um sie von seiner Sache zu überzeugen. Doch sie war im Glauben standhaft geblieben, das merkte sie jetzt hier im Gefängnis von Adoran mehr denn je. Sie hatte diese Prüfung des Herren bestanden, das wusste sie nun. Hin dessen Kilian wankte, ein Mitinsasse, den man wohl für diverse Verbrechen geschnappt hatte. Sie kannten sich zuvor nicht, doch jetzt umso mehr. Ein Splitter eines Amuletts der Templerschaft war aus seiner Haut entfernt worden von irgendeiner Lichtenthaler Liedwirkerin, und nun drehte der arme Teufel mit Stimmen im Kopf durch. Sie fragte sich, was besser war… Krathors lockendes Wispern oder das ketzerische Schlängeln der Lichtgöttin. Immerhin hatte Tanai des Goldlöckchen Stimme vernommen, und das war ein seltsam tröstlicher Lichtblick gewesen, als sie gefangen genommen wurde. Der Strubbelkopf wurde wieder in einer schwachen Bewegung auf die angewinkelten Knie gelegt und sie zog die Arme um sich. Die meergrünen Augen blickten leer auf den Ring an ihrem Finger, dann röteten sie sich ungesehen und sie kämpfte die Gefühle mit einem tiefen Durchatmen weg.

Als man sie geschnappt hatte, da war sie von Gardisten des Lichtenthaler Regiments niedergerungen worden, nachdem die Vogtin von Adoran Tanai erkannt hatte. Tanai hatte keine Kraft mehr und sie war auch keine ausgebildetete Soldatin wie diese muskelbepackten Grobiane. Es war ein so einfaches Spiel gewesen (rühmen konnten sich die Ketzer mit ihrer Gefangennahme also nicht)… und als sie von einem der Gardisten mit gefesselten Händen auf dem Pferd abgeführt wurde, da war der Weg nach Adoran gefühlt wie im Flug vergangen. Das Kastell des Lichtenthaler Regiments war prunkvoll, pompös. So wie sie es für die Ketzer erwartet hatte. Der Kerker hin dessen war schlicht und wies eine Pritsche auf, sie hatte schon Schlimmeres gesehen. Dass man sie zwang die furchtbar hässliche grüne Häftlingskleidung anzuziehen, beleidigte indessen beinahe ihr schneiderisches Feingefühl. Kurzzeitig stand sie nackt vor ihnen allen, doch das störte sie nicht beim Umkleiden. Was sie allerdings rasend vor Wut gemacht hatte, das war der Umstand gewesen Kette und Ring von Vincent auszuhändigen. Sie tobte und zeterte, unaufhaltsam wie ein tosendes Meer bei Sturmflut. Es wurde beinahe zu viel, als man ihr androhte den Ring einzuschmelzen, es holte das letzte Quäntchen Kraft aus ihr heraus. Kilian sprang für sie in die Bresche und führte mit erstaunlichem Geschick herbei, dass durch ein Verhör der Ring wieder zu ihr fand. Sie hatte dafür Fragen beantworten müssen, viele davon… und sie hatte ihnen gesagt, dass der Vorname von Herrn Sturmklinge Alek war. Ein Tausch, der endgültig besiegelte, was sie schon seit Tagen spürte. Sie entschied sich für ihren Catulus. Und nun gab ihr sein Ring den letzten Halt, während sie den ehemaligen Trabanden neben sich beinahe irre auf und ab laufen hörte, und sie selbst auf ihre Verurteilung wartete. Kilian hatte sich aufgegeben, das spürte sie zunehmend trotz ihrer Worte über Alatars Gebote, die sie ihm wieder und wieder eintrichterte. Tanais Geist machte es wieder stärker, und mit jedem rezitierten Gebot wurde die Leere in ihr mehr gefüllt. Sie musste überleben, für ihn. Sei tapfer, Sonnenschein.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:56, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 08 Jan 2024 00:06    Titel: Kapitel 50 - Die Seelenschneider
Antworten mit Zitat



Kapitel 50 - Die Seelenschneider


Atmen, immer weiter… atmen, konzentrier dich, Tayris. Ein und aus, ein und aus. Fester! Na los, zwing dich dazu. Wie in einem fiebrigem Delirium lief sie den Weg entlang, an dem man sie ausgesetzt hatte. Das Einzige, wozu sie im Stande war, war sich zum Atmen zu zwingen, während sie ihre Füße langsam bewegte. Und dann war da noch die Teestunde… oh jaaa. Ihr Blut rauschte so heftig durch ihren Körper, dass es beinahe das rasende Pochen ihres Herzens übertönte. Tetrarch Vindheim. Tetrarchin Aliyahna. Clericus Athes. Vicaria Velvyr’tae. Catulus… Ravnseel. Immer und immer wieder wisperte sie die Worte, zwang sich bei Bewusstsein zu bleiben. Und dabei war jeder Schritt so unendlich schwer, die Kälte des Winters ließ sie dabei zusätzlich klappern wie ein windiges Skelett. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, doch sie wisperte weiter die Namen der Templer und schob immer wieder auch die 10 Gebote ein, als wäre es ein Mantra, das sie in einen tranceartigen Zustand versetzte. Sie musste durchhalten, sie musste überleben… Sei ein Sonnenschein. Ein Ruck ging durch ihren ausgehungerten Leib und die Schmerzen des Brandmals auf ihrem Bauch ließen sie so heftig aufzittern, dass sie in ihrem Geschlurfe stehen bleiben musste. Teestunde, ja ja ja! Wobei stehenbleiben hier der falsche Ausdruck war. Sie konnte einem Rattenmann mit ihrem halb aufrechten Gang wahrhaftig Konkurrenz machen, so viel war klar. Als die Welle des Schmerzes abebbte, setzte sie sich wieder in Bewegung und schlurfte den Weg nach Rahal weiter. Es dauerte viele qualvolle Stunden, bis sie in Rahal angelangte. Doch sie wusste, wieso sie es tat. Sie wollte überleben. Und sie würde überleben, es machte sie stärker. Hab den Willen, Tayris… hab den Willen. Auf zum Tee… Und sie hatte ihn, denn sie gelangte an ihrem Haus an und war froh, als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Yoline war nicht da, was gut war, denn sie brauchte nun Zeit für sich. Sie blieb einfach im Gang und ließ sich an der Wand entlang auf den Boden niedersinken. Dort fiel sie dann in unruhige Träume und ihr Geist versuchte zu verarbeiten, mit was man ihn gefüllt hatte. Noch ein Täschen? Na, wie wärs? Unklar war, ob die Träume vom Seelenfresser da nicht besser gewesen waren als das, was man ihr nun einer feinen Porzellantasse serviert hatte. Zusammengekauert wie ein Häufchen Elend, die Arme fest um sich gezogen in einer Fötuslage, durchlebte sie alles Geschehene im mehr als sonderbaren Traum nochmals.

“Mir ist diese Entscheidung nicht leichtgefallen. Lieber würde ich ihr helfen den richtigen Weg einzuschlagen jedoch… sehe ich keine Chance… Mir ist nicht entgangen, dass sie meiner nachschmachtet... Nachdem sie mir offerierte, dass sie es wieder tun würde… Daher habe ich mich entschieden, ihr etwas von mir zu geben. Ein Brandmal... in Form meines Symbols… Der Rosenblüte. Auf den Bauch... neben ihre Narbe.“ Die Stimme eines Engels und doch die Ankündigung für etwas, das alles andere als angenehm werden sollte. Es würde die Verbindung der Seelen zweier Schneider bedeuten, die nicht unterschiedlicher sein konnten... für immer. Zwischendrin vernahm sie noch die Stimme der Gräfin von Tiefenberg, die ihr eine Nachricht für Aliyahna und Velvyr’tae einhauchte. “Der Drache hat sie nicht vergessen. Das Feuer wird kommen. Das Feuer wird kommen, Liebchen.“ Es ging alles so furchtbar schnell, dass Tanai nicht die Kraft fand sich zu sortieren und zu sammeln. Sie wurde einfach von den Grobianen aus ihrer beinahe schon liebgewonnenen Zelle geschliffen und dann vor den Oberst des Regiments gestellt als sei sie eine leblose Schneiderpuppe. Die aufmerksamen Augen zahlreicher Regimentler, von Kathrina, von Kilian und von der Gräfin von Tiefenberg ruhten auf ihr. Ihr Herz begann förmlich zu rasen, ihr Puls überschlug sich und das Einzige, was ihr da noch einfiel, war die Namen der ihr bekannten Templer zu rezitieren. ”Tetrarch Vindheim. Tetrarchin Aliyahna. Clericus Athes. Vicaria Velvyr’tae. Catulus… Ravnseel.“ Die Oberst fragte sie, ob sie ihre spärliche Häftlingskleidung selbst ausziehen wollte, doch Tanai reagierte nicht mehr. “Cailen… Aliyahna... Demian... Vel... Vincent.“ Hatte sie das gesagt oder nur gedacht? Sie spürte es nicht mehr, denn plötzlich breitete sich brennend heißer Schmerz auf ihrem zierlichen Bauch aus und überrollte sie wie ein verschlingendes Lauffeuer. Ihr Stand gab nach und sie war froh, dass die Grobiane so muskelbepackt waren, um sie festzuhalten, während sie ihren Rücken durchdrückte und den aufkommenden Schrei mit aller Gewalt unterdrückte, der da aus ihrem Mund entweichen wollte. Kurz darauf roch sie den süßlichen Gestank von verbranntem Fleisch. Von ihrem eigenen Körper. Sie begann zu zittern und blendete alles aus. Atmen, atmen, atmen… zwing dich, Tayris, zwing dich. Denk dran, du hast das schonmal überstanden. Sie holte sich die Erinnerung in ihren Geist zurück, und da juckten ihre Fußsohlen heftig und verweigerten ihr den Dienst, als man sie aus dem Kastell wegschleifte und an die Grenze führte. Ausgesetzt wie ein unliebsames Spielzeug überließ man sie am Grenzstein ihrem Schicksal. Teestunde. Wir werden sie haben, sie ist nicht mehr fern…


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:56, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 11 Jan 2024 02:40    Titel: Kapitel 51 - Von Meister Knickohr
Antworten mit Zitat



Kapitel 51 - Von Meister Knickohr


Ein erschütterndes Beben ging durch den ausgezehrten Leib der kleinen Schneiderin. Mit aller Gewalt, die sie aufbringen konnte, atmete sie tief durch und legte die zarten Finger mit der Brandsalbe vorsichtig an das Mal an ihrem Bauch an. Sie war nicht für Schmerzen gemacht, doch sie wusste, dass sie das Brandmal behandeln musste, bevor es sich weiter entzündete. Ihr wurde dabei beinahe schlecht vor Übelkeit, doch es half nichts. Der Magen war ohnehin seit dem Ende des Alatners leer und sie war in gewisser Weise dankbar darüber. Die Erinnerung an die Erzählung des Tetrarchen Vindheim über Arjan Malvane aus den Nebelbergen kam ihr da wieder in den Sinn. Er hatte nicht viel gehabt, und trotzdem überlebt. Sie würde überleben, zumindest für den Moment. Ihre Finger strichen wieder an ihrem Bauch entlang und sie schluckte schwer. Es tat weh, und sich Schwäche eingestehen war etwas, dass nicht nach Alatarien gehörte. Doch sie war schwach gewesen, so unsagbar schwach. Im Kampf gegen die Ketzer und im Kampf gegen ihre eigenen Gefühle. Und im Kampf gegen diese verdammte Prüfung. Vielleicht würde es helfen die Gefühle zu betäuben, sie zu fesseln, bis sie nicht mehr schrill kreischend aufbegehren konnten. Doch sie wusste auch, dass ihr Glauben erschüttert worden war und nur wenig sie noch hielt. Sie war auf den Boden gesunken, und aufzustehen war so unsagbar schwer. Sie war ein verstörtes und mit eingeknickten Ohren versehenes Häschen, Meister Knickohr in mustergültiger Ausprägung. Ein leerer Blick auf das Garde-Schreiben am Arbeitstisch folgte, dann die Erinnerung an das Gespräch zu ihrer Gefangennahme mit Hauptmann Jynela. Wie war das… ein Rat jemanden zum Reden zu suchen? Weil Wunden auf der Seele nicht heilten, nicht einfach von allein verschwanden? Tanai zuckte zusammen, griff nach dem Brief und zog die Armreifen über ihre Handgelenke, die als Ersatz für Kaffeeuntersetzer gelten sollten. Finde deinen Weg, im Vertrauen an den Glauben an Alatar. Sie hatte zu tief in den Abgrund gesehen, viel zu tief. Schwärze und Finsternis, tobende Schatten, allesverschlingendes… Nichts. Vorsichtig griff sie an die Armreifen aus Obsidian, spürte die 5 Kerben in jedem von ihnen mit den Fingerspitzen nach und atmete durch. Raff dich auf, Tayris. Beweg deinen knochigen Hintern. Es war so unendlich schwer… verlassen, ausgehungert, gebrandmarkt. Sie war am Ende wie ein Spielzeug, dass man lieblos in die Ecke geworfen hatte. Und vielleicht war sie doch wie ihre Hurenmutter, am Ende vielleicht ja doch.

Nach dem Gespräch mit Jynela hatte sie immerhin die Kraft gefunden, den Tempel das erste Mal wieder aufzusuchen, seitdem sie vom Seelenfresser geträumt hatte. Die Schritte dorthin waren lahm gewesen, die Schmerzen des Brandmals noch immer allgegenwärtig und damit auch das Kribbeln an ihren Fußsohlen. Es ist lange vorbei, viele Jahre… und er hat schon damals nicht bekommen, was er wollte. Gib nicht nach, beweg dich, Tayris. Am Tempel selbst war sie dann am Altar sehr langsam ob der Wunde auf die Knie gegangen und hatte gebetet. Was allerdings folgte, war als wäre Kra’thor ihr wieder zu dicht auf den Leib gerückt. Die Templerschaft sammelte sich und mit ihnen auch er. Falscher Ort, falsche Zeit. Beweg dich, lauf weg…renn schon! Und sie lief weg, mit einem mehr als verstörten Gesichtsausdruck. Die alten Muster kamen wieder, sie war wieder Tempel-scheu.Der Weg führte sie an den Strand von Rahal, absurderweise. Dort, wo sie in ihrem Traum gesehen hatte, wie Kra’thor ihren Catulus nahm. Wie er ausgeblutet war, das Meer sich blutrot gefärbt hatte. Sie schluckte und zog die Beine im Sitzen an sich. Ihre Gedanken drehten ihr den Magen um, als sie daran dachte, wie viel Luft sie geworden war. Einfach verschwinden, weit weit weg. Dort, wo dich keiner findet. Mit jenen Gedanken beseelt, lief sie wieder nach Rahal und erlebte ihr blaues Wunder. Oder vielmehr rotes… Und wieder passierte etwas, mit dem sich nicht gerechnet hatte. Kampfschule Rahal, was für ein merkwürdiger Ort. Ein Ort, an dem ihr ständig die Tränen kamen (eigentlich nur einmal bisher, aber das änderte sich an diesem Abend). Sie ließ den Gefühlen freien Lauf, war umfangen von Wärme und dem Geruch von Zedernholz wie Nachtschatten. Hier konnte sie die Flut der Gefühle rauslassen, zumindest so lange, bis sie wieder Androhungen vernahm, dass sie essen musste. Sie konnte nicht, sie wollte nicht, ihr Magen rebellierte, denn ihr Herz steckte auf einem üblen Grillspieß Dieses verschlingende Chaos musste enden, bevor er sie weiter zu sich zog. Dieses Nichts… diese Leere. Auf dem Heimweg von der Kampfschule nahm sie nochmal einen Umweg über den Tempel, der erschöpfte Blick schweifte dabei kurz aber intensiv zum Ravnseel Haus. Gerade wollte sie zum Nachtgebet in den Tempel eintreten, als sie die Aushänge erblickte und erstarrte. Ihr Blick wurde derartig leer, dass man bei ihrem Anblick das Gefühl bekommen musste, man starre in ein seelenloses Zombie-Gesicht. Vicarius Alataris. Sie zitterte unsagbar schwer auf und zog die Arme fest um ihren Leib. Dabei blendete sie die aufkommenden pulsierenden Schmerzen des Brandmals aus und blinzelte mehrfach mit offenstehendem Mund, bis der meergrüne Blick sich schattenumwolkt zum Nachthimmel richtete. Ich danke dir, Herr… ich danke dir.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:56, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 14 Jan 2024 13:21    Titel: Kapitel 52 - Der Vicarius
Antworten mit Zitat



Kapitel 52 - Der Vicarius


Überleben. Durchleben. Erleben. Alles hing irgendwie mit dem Willen zusammen dem All-Einen zu dienen, so war es doch… oder? Ihr Catulus hatte überlebt, die Weihe Alatars bestanden, und das war im Moment das Einzige, was zählte. Die Sorgen, die sie durchlebt hatte (nicht zuletzt durch die fiesen Albträume vom Seelenfresser höchstselbst), waren nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. Noch immer wie ein Häufchen Elend, voller Gefühlen, stand sie in der Küche und blickte auf den Kaffeebecher in ihren Händen. Es war eine wirkliche Wohltat und belebte ihren müden Geist. Sie blickte sich um und seufzte schwer. In ihrem Haus war in den letzten Monden so viel Seele eingehaucht worden, jedes Eck erzählte eine eigene Geschichte. Sie hatte hier so vieles erlebt, mal mehr und mal weniger erfreulich. Wollte sie das aufgeben? Yo hatte ihr den Kopf zurechtgeruckt, ebenso wie der Brief von Alek. Was würde er nur denken, wenn er dich so sieht? Der Arschtritt hatte gesessen, und die Obsidian-Armreifen an ihren Handgelenken erinnerten sie jeden Tag daran weiter zu leben. Sie musste weitermachen, irgendwie… Seine Liebe gehörte Alatar, und das würde sich nie ändern, der Dienst am Herrn ging vor. Er konnte ihr nicht geben, was sie brauchte… schon damals hatte er sie gewarnt, als sie oben im Kundenraum dicht aneinander gestanden hatten. Nachdenklich nahm sie noch einen Schluck aus der Kaffeetasse und stellte sie dann ab. Langsam ging sie in ihre Schneiderei ins Dachgeschoss, um dort ihr Tagewerk endlich wieder aufzunehmen. Briefe mussten verfasst werden, Bestellungen warteten bereits, und dann war doch noch eine kleine unscheinbare Tasche… für ihn. Vielleicht später… Im Laufe des Tages kam Yoline vorbei und schleppte Tanai aus dem Haus, ab nach Düstersee. Heimlich fragte sich die Schneiderin, ob sich Yo bald an Mychael festbiss… man würde es sehen. In Düstersee trieb man das Häschen dann in Laveas Arme, die recht kurzen Prozess mit Tanai machte und sie untersuchte. Die Brandwunde wurde sorgfältig gereinigt, von abgestorbener Haut befreit und fachkundig versorgt. Tanai war der Salvatrice durchaus dankbar, ebenso wie sie es Yoline war. Deine Welt besteht aus mehr. Und dennoch…

Sie entschied sich am Abend das Paket abzuliefern am Ravnseel Haus. Ihr Blick klebte etwas länger am Briefkasten, danach am Tempel und sie wurde durch ein Aufrucken der Haustür so sehr durcheinander geschüttelt, dass sie angsterfüllt zur Seite starrte, in Corvins Gesicht. Sie wirkte erbärmlich? Ja, vielleicht… Ihr Herz setzte aus als Vincent zur Tür kam und sie erstarrte vollkommen. Corvin verabschiedete sich und dem Häschen stand das Unausweichliche bevor. Beweg deinen Hintern, Tayris! Er hat dich reingebeten! Jetzt mach schon. Außerdem ist es arschkalt hier draußen… „Vicarius…“, wisperte Tanai das erste Mal von den Lippen und folgte der Einladung. Sie konnte ihn kaum ansehen, zu sehr war ihr Geist damit beschäftigt ihre Gedanken zu verarbeiten. Er lebte noch und stand hier vor ihr… Und sein Anblick regte noch etwas in ihr, tief verborgen, ein längst vergessener Wunsch. Am Tisch vor dem Kamin setzten sie beide sich, sie mit gesenktem und er mit nachdenklichem Blick. Sie sprachen über die Trennung, über die Weihe… über das, was Vincent überlebt hatte, denn er war fast gestorben. Ein Schaudern ging ob der Vision über ihren ausgehungerten Leib. Herr, ich weiß, dass er dir gehört… doch ich werde alles versuchen, um dir zu beweisen, dass ich vor Deinen Augen ebenso würdig bin, an seiner Seite. Sie schob die Gedanken hinfort, versuchte sich auf Vincent zu fokussieren, und sie wusste in jenem Moment, dass das Schlimmste überstanden war, oder? Ein Kratzen an ihrer Kehle ließ sie zusammenzucken. Nein, nein, nein! Ich werde nicht… nein! Auf gar keinen Fall! Sie griff nach dem Perlwein, stieß auf den Vicarius an und spürte wenig später seine Nähe. Nur ein kurzer Moment, doch sie entspannte sich ein wenig, sodass sie den Mut fand Vincent auf die Post hinzudeuten. Der Brief und das Paket waren unsäglicherweise noch immer dort, und entgegen ihrem Wunsch fand das Schriftstück nicht seinen Weg ins Feuer. Reiß dich zusammen, erklär es ihm einfach, das mit Krathor und die Sache mit dem Adoraner Kerker. Deutlich mehr Anklang als der Brief fand da schon der Inhalt des Pakets, nun ja… zumindest des Dolches, der auch prompt auf seine Schärfe getestet wurde. Atme, atme… ruhig. Doch sie war alles andere als ruhig, als ihr Vicarius sich zur Nachtruhe von ihr verabschiedete. Was er ihr aber mit auf den Weg gab, ließ sie erinnern. So sanft wie er ihr die Hand umdrehte, mit der Handfläche nach oben, und dann die kleine Schachtel mit dem Minzkonfekt hineinlegte, um wenig später ihre Finger darum zu schließen. Er erinnerte sie… Erinnerung an die Vergangenheit, als er ihr als Catulus die kalten Goldmünzen für einen Auftrag in die Hand gelegt hatte. Sie schenkte ihm einen Kuss auf die Wange, so wie auch schon damals. Sie hatte ihn nicht verloren. Sie waren beide geprüft worden, jeder auf seine Weise.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:56, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 14 Jan 2024 14:28    Titel: Kapitel 53 - Der Sonnenschein
Antworten mit Zitat



Kapitel 53 - Der Sonnenschein


Lichtfunken in den buntesten Farben tanzten wie magisch über die Wasseroberfläche. Der sanfte Hauch des Meeres streichelte Tanais erwärmte Haut. In ihren Fingern befand sich ein mysteriös leuchtendes Glas gefüllt mit Kristallkoralle und der Geschmack des Getränks nach Ananas, Kokos und Rum war noch immer auf ihren Lippen gefangen. Die Sonne ging gerade unter und in den meergrünen Augen fand sich etwas wieder, das viel zu lange verloren geglaubt war. Sei du selbst, Sonnenschein. Kurz schwenkte ihr Gesicht beiseite, als sie hörte wie Whiskey empört bellte und versuchte sich zwischen sein Herrchen und dessen Begleiter zu drängen. Die beiden wirkten glücklich, das sah man ihnen selbst aus weiter Ferne an. Und der Anblick ließ Tanai weiter entspannen, während sie wieder von ihrem magischen Getränk nippte. Sie stand langsam ob der Brandwunde am Bauch aus dem Sand auf und begann ein wenig über den feinsandigen Strand zu laufen. Barfuss, so wie damals am Strand in Cantir immer… lange bevor man angefangen hatte sie zu maßregeln und ihre Fußsohlen verziert worden waren. Sie spürte dort längst nicht mehr so wie damals, die Narben der glühenden Kohlen und der Glimmstängel hatten die Gefühle aus ihr herausgezogen, die Strafen für ihr andauerndes Weglaufen und ihren Ungehorsam gegenüber ihrem Vater und dem Tempel würde sie ein Leben lang mit sich tragen, wenn auch meist ungesehen. Die beiden aber hatten es gesehen, eine Erklärung über ihre Abneigung für diese Qualmerei regelrecht an ihren Fußsohlen ablesen können. Sie hatte Verständnis bekommen, und auch eine sanfte Umarmung. Vielleicht würde sie auch irgendwann einmal… ja, irgendwann musste sie es ihm sagen. Warum sie ständig auf ihre Füße blickte, wenn sie etwas angestellt hatte… sie brauchte noch Zeit, so wie jetzt gerade. Ihre Füße trugen sie wie von selbst über den Strand, während die sanfte Meeresbrise an ihrem meergrünen Kleid zupfte und damit ihren Körper leicht umspielte. Die irisierenden Süßwasserperlen auf dem Stoff schimmerten im letzten Sonnenlicht des Abends und ließen Tanai regelrecht funkeln. Du findest dich schon wieder. Vertrau darauf.

Wenig später stand sie wieder an der Strandbar, wo Tom einen Auftritt hinlegte. Der schwarzhaarige Kerl war wirklich begabt, und das musste man ihm lassen… er verstand es auch Menschen zu motivieren. Und auch auf sehr direkte Weise in deren Herzen zu blicken. Sie mochte ihn, er trug das Herz auf der Zunge. In einer lange vergessenen Weise schummelte sie sich neben ihn und begann etwas unbeschwerter zu tanzen (irgendwas gutes mussten die Tanzstunden ihres Vaters nun ja auch haben). Seine Musik war heilsam und erinnerte sie ein bisschen an die unbeschwerte Zeit vor ihrer Maßregelung durch den Tempel und ihren Vater. Damals hatte sie so viele Abenteuer erlebt, war so frei gewesen und hatte sogar (zumindest glaubte sie das bis heute) ein paar sehr gute Freunde gehabt. Alles war zurückgelassen, aber der Sonnenschein folgte ihr nun wieder und zupfte an ihrem abgehungerten Körper, so als würde er um leise Aufmerksamkeit betteln. Es tat so unendlich gut und sie tanzte sogar mit Alek, was sie nicht für möglich gehalten hatte. Zwar war es nicht ganz so beschwingt ob ihrer noch immer schmerzenden Brandwunde, aber sie genoss es wirklich und entspannte sich sogar so weit, dass sie einander recht offen ihre Gedanken und Wünsche äußerten. Zum Ende des Tanzes sah Tanai zu Tom und flüsterte Alek dann eine Frage zu. Wenig überrascht über seine Antwort lächelte der Strubbelkopf und wirkte dabei einfach nur freudig. Sie ließ an dem Abend die Strandbar hinter sich und lief an der Stelle vorbei, an der sie damals mit Vincent gelegen hatte. Das friedliche Gefühl dieses Abends streichelte über ihre geschundene Seele und da setzte sie sich in den Sand, um wenig später die kleine Schachtel von Vincent auszupacken, die mit Minzkonfekt gefüllt war. Vorsichtig schob sie ein Stück in ihren Mund, ließ es sich auf der Zunge zergehen und dachte dabei an ihren Vicarius. Ja, jaa, jaaa… so lange wie ihr Leben andauern würde, wollte sie wieder sein Sonnenschein sein. Sie musste essen, wieder zu Kräften kommen. Sie entschied sich bewusst dafür und fasste an diesem Abend sogar den Mut das Schiff von K’awi nach Rahal zu nehmen, damit sie nicht über Bajard reisen musste.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:56, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 15 Jan 2024 23:28    Titel: Kapitel 54 - Im Zwiegespräch mit Alatar
Antworten mit Zitat



Kapitel 54 - Im Zwiegespräch mit Alatar


Der Schlaf des zurückliegenden Abends war erholsam gewesen, so unsagbar frei von Albträumen oder Sorgen. Ihr Kopf war einfach nur klar aus der Erholung erwacht und zum ersten Mal fragte sich Tanai, ob mit ihr noch alles in Ordnung war. Wieso hab ich ihn nur so falsch verstanden? War ich so sehr mit meinen wirren Gedanken beschäftigt, dass ich es nicht mehr begreifen konnte? Mit einem fassungslosen Kopfschütteln stand Tanai aus dem Bett auf, band sich einen notdürftigen Knoten in die rabenschwarzen Strubbelhaare und ging recht langsam runter in die Küche. Kaffee musste als erstes her, und da entdeckte sie verlockend duftend ein frisches Brot auf der Küchentheke. Die Mundwinkel hoben sich und sie fasste mit den Fingerspitzen sanft daran. “Wieso isst du nichts?“ Jaaaa… wieso hatte sie nichts gegessen? Wenn so Liebeskummer aussah, dann war sie froh, dass ihr das (so Alatar wollte) hoffentlich nie wieder in ihrem Leben bevorstand. Sie bekam eine leise Ahnung davon, wieso ihr Vater mit gebrochenem Herzen gelebt und alles dafür getan hatte, damit Tanai dies nicht widerfuhr. Eine gewisse Dankbarkeit stellte sich in ihrer Seele ein und sie vergab ihm das erste Mal in ihrem Leben ein Stück weit für sein Handeln. So waren Eltern, oder? Vielleicht würde sie irgendwann auch so handeln (wenn es nach dem seltsamen Letharen ging, der ihr dieses überaus heiße Fummelkleid geschenkt hatte, wahrscheinlich schneller als langsamer). Schließlich sollten die eigenen Sprösslinge nach Seinen Wünschen gedeihen, doch… sie mussten dafür ihren eigenen Willen zeigen, voranschreiten. Und Tanai musste das auch. Sie durfte nicht mehr zurückblicken, der meergrüne Blick musste sich nach vorne richten, so wie es ihr auch Lavea bei der zweiten Untersuchung ihres Brandmals gesagt hatte. Und sie wusste seit dem Abend auf K’awi, dass Alek in guten Händen war, er würde glücklich werden, und ihr stand dieses Recht genauso zu. Mit einem leisen Seufzen goss sich Tanai etwas fertigen Kaffee ein, den sie gedankenverloren gekocht hatte, und nahm sich dazu ein großes Stück von dem duftenden Brot. Du kannst nicht nur Minzkonfekt essen, das wird sich irgendwann rächen. Half ja nichts… rein in das meist viel zu plapprige Mundwerk und mehrmals gut durchgekaut. Dass sie es eine Stunde später mit Bauchweh schon bereuen würde, weil ihr Magen das Essen nicht mehr gewohnt war, das war ihr zu dem Zeitpunkt noch nicht so klar.

Das Licht im Tempel war schummrig und von einer seltsamen Präsenz gezeichnet. Der Himmel war feuerrot und die Farben drängten sich in das Innere des Gemäuers. Der kalte Winterwind zog etwas zugig an Tanai, doch sie kniete sie vorne am Altar nieder und atmete einmal tief durch. Das letzte Mal hatte sie hier gekniet als… jaaaa, als sie weggerannt war am Tag seiner Weihe wie sie nun wusste. Doch Wegrennen war keine Option mehr, ihre Fußsohlen quittierten ihr das schon mit einem juckenden Aufbegehren. Sie dachte an Laveas Worte und verinnerlichte das Gesagte nochmal. “Gehe in den Tempel, setze dich auf den Boden und schließe deine Augen. Lege deine Hände im Schneidersitz auf die Knie und atme in dich hinein. Konzentriere dich und lass deine Gedanken frei. Wenn du dies richtig machst, meditierst du und entspannst. Versuche es, schiebe alles weg, such dir einen Punkt im Tempel. Sehe es an und nur das. Lass dich von nichts ablenken, nicht mal von einem Geräusch.“ Meditieren war noch nie ihre Stärke gewesen und sie versuchte es wirklich, aber es gelang ihr einfach nicht. Vielleicht brauchte sie Anleitung von ihrem Vicarius, wenn dies nicht zu anderer Ablenkung führte. Kopfschüttelnd schloss sie die Augen und begann ein Zwiegespräch mit Alatar zu führen. Sie wisperte nicht, alles spielte sich in ihrem Kopf ab, doch es drehte sich immer wieder um die Fragen, weshalb sie in ihrem Leben so hart auf die Probe gestellt wurde, wieder und wieder. Warum Bestrafungen wegen Ungehorsam und Wegrennen sie so oft getroffen hatten. Warum sie so schlecht darin war ihre Gefühle auszudrücken und in Worte zu packen. Warum sie entgegen des Willen ihres Vaters nun doch das getan hatte, was ihre Mutter tat vor sie vielen Jahren. Warum sie am Ende eine so schlechte Alatari geworden war. Es vergingen Stunden, bis tief in die Nacht hinein, bis sie das Gefühl hatte, darauf eine Antwort zu haben. Wie willst deinen Weg gehen, wenn du nicht weißt, was du selbst erreichen willst? Sie wusste zuletzt nicht mehr, ob diese Worte ihrem Geist entsprangen waren oder der All-Eine seine Finger im Spiel hatte. Es war auch nicht wichtig. Sie machte ihren Frieden mit sich selbst, und erhob sich dann durchgefroren von dem Tempelboden. Als sie durch das Portal schritt, warf sie einen Blick zum Ravnseel Haus und atmete tief durch. Wir brauchen beide unsere Zeit. Wir werden daran wachsen, in Seinem Namen. Leisen Schrittes ging Tanai nach Hause, legte jedoch noch heimlich etwas in Vincents Briefkasten und lächelte dabei entspannt auf.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:57, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 24 Jan 2024 05:59    Titel: Kapitel 55 - Von Maden und Minzkonfekt
Antworten mit Zitat



Kapitel 55 - Von Maden und Minzkonfekt


Mit angeregtem Blick besah sich Tanai eine frittierte Bodenmade in ihren Fingern. Sie zappelte nicht mehr, wie auch, war ja in siedend heißem Fett ausgebacken worden. Da konnte nichts mehr zappeln, knusprige Schicht und Innen, hmmm… wie Huhn? Schwer zu sagen aber definitiv ein Essen, dass ihren gestörten Appetit wieder anregte neben dem Minzkonfekt. Seltsame Mischung, definitiv… Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte man meinen können sie erwarte Nachwuchs, so wie es sich dieser Lethyr vorstellte. Hmm hmm hmm… nein, sie musste zu Kräften kommen, ihre abgemagerte Erscheinung war alles andere als vorzeigbar. Die frittierte Made wurde mit den Schneidezähnen geköpft (gabs es da überhaupt ein Oben und Unten?), dann folgte ein Abschlecken der Fingerchen. Das scherte Tanai einen seltsamen Blick von Karamell ein, die junge Katze maulte sie direkt kläglich an. Das Viech hatte sie am Hafen gefunden, nahe ihres alten Hauses. Hatte sich gegen eine viel zu große Ratte angelegt, das Kätzchen mit dem karamellfarbenen Fell hatte einige Bissspuren davongetragen. Irgendwie… hatte Tanai Mitleid gehabt (oder erinnrte sie das Viech nur an ihre Vergangenheit, in der sie selbst gekämpft hatte?), also nahm sie das wandelnde Flohbündel mit sich. Yoline hatte das mit den Worten kommentiert, dass sie schon mal üben konnte, wie es war sich um ein Lebewesen zu kümmern… arrr…grrr! Lieber verbrachte Tanai den Tag damit auszuschlafen, für Gebete in den Tempel zu gehen, ihre Gedanken zu sortieren (doch sie wollten einfach nicht mehr zu Ruhe kommen seit… ja, seit dieser Offenbarung, Alatar musste sie wirklich nicht für würdig befinden). Schwer seufzend zog Tanai ihren Mantel über, steuerte zum Tempel und begann dort wieder in stiller Zwietracht zum Herren zu sprechen. Der Geruch von Räucherwerk stieg ihr dabei in die Nase, irgendein Alatari musste es kurz vor ihrem Besuch angezündet haben. Das Verbrennen des Räucherwerks riss sie aus ihren Gedanken und sie starrte leeren Blickes zum Altar vor.

Diese… diese falschzüngige Natter… dieses verwöhnte Balg! Dieser goldlockige Engel… Hatte Tanai das laut gesagt oder war es nur in ihren Gedanken so laut gewesen? Sie dachte an die Vogtin von Adoran. An das Einbrennen des Eisens auf ihrem eigenen Bauch… der Geruch des verbrannten Fleisches, bittersüß und doch so widerlich. Es hatte sie in ihre Vergangenheit zurückgeführt, als man ihr die Füße wieder und wieder, Stück für Stück, immer aufs Neue verunstaltet hatte. Das Gefühl war anders… wo es damals nur jugendliche Wut war, schwelte jetzt ein Hass, der sich immer tiefer in Tanai hineinbohrte. Nur Lavea und auch Vincent war es zu verdanken, dass die Wunde beinahe verheilt war und nicht mehr schmerzte. Die Rache für das Goldlöckchen würde kommen, die Teestunde war nicht mehr weit… Grummelnd erhob sich Tanai und lief aus dem Tempel, der Blick zum Ravnseel Haus folgte. Ihr kleiner Kolibri war irgendwo dort drin, und sie knurrte bei dem Gedanken wieder auf. Ich hab ihn nicht verhungern lassen, er wollte nichts mehr fressen, seitdem du gegangen bist, du sturer Esel! Kopfschüttelnd ging Tanai nach Hause und dachte daran, was noch alles passiert war seit dieser Offenbarung… da war noch mehr, jedoch von ihr. Das Thema mit ihren Füßen (hatte es ihn überhaupt interessiert?), und auch das mit dem Festhalten, es führte dazu, dass sie nicht davontrieb wie ein Stück Treibholz am Ozean… dass sie, hmmm ja. Manche Dinge, die man aufgezwungen bekam, wie etwa Meditieren, Beten, nicht Weglaufen, Gehorsamkeit zeigen… wollten einfach nicht im Köpfchen bleiben. Abwarten. Tee trinken… mit ihr?! Arrr… grrr. In ihrem Haus angekommen lief sie ins Schlafzimmer, blickte dort auf den Stapel Tarotkarten und fragte sich, ob die Sache mit der Karte zur Kraft etwa Ironie des Lebens oder ein Wink des Schicksals war. Manche Dinge musste man einfach so hinnehmen… so wie auch die Sache mit dem Bardenabend auf K’awi. Der war an und für sich recht angenehm gewesen, während die Aussicht auf den Abend zur Meditation sie regelrecht in Anspannung versetzte. Musste das wirklich sein? Waasss? Das mit dem Gehorsam klappt besser, wenn ich mich entspannen kann? Ich glaub es schlägt 12… na warte, garstiger Vicarius.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:57, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 26 Jan 2024 20:46    Titel: Kapitel 56 - Der nächste Schachzug
Antworten mit Zitat



Kapitel 56 - Der nächste Schachzug


Mit nachdenklichem Blick sah Tanai auf ihre Hand und ließ dabei eine weiße Schachfigur durch ihre Finger wandern, welche die Gestalt eines Kolibris hatte. Sie gehörte zu einem Schachspiel, auf dem sich weiße Kolibris mit meergrünen Augen und schwarze Raben mit braunen Augen gegenüberstanden. Noch immer musste sie dezent grinsen, wenn sie das Schachbrett so ansah. Vicarius gegen Schneiderin, wer würde am Ende mehr Stärke haben, die bessere Strategie besitzen? Tanai wusste, dass sie sich nur schwer gegen ihn durchsetzen konnte, und doch versuchte sie es immer wieder aufs Neue. Vielleicht würde sie irgendwann die richtigen Kniffe raushaben, das Spiel in der Hand halten. Alatar allein wusste es. Die Offenbarungen jedenfalls waren ein Anfang, sie drang immer mehr zu ihm durch… hmm hmmm! Umso mehr grinste sie nun, dass sie ihm den Schlüssel in seinen Briefkasten gelegt hatte, an dem ein kleiner Zettel mit den Worten „Schlüssel zu meinem Herzen“ hing. Sie würde sehen… sie würde erfahren, weiter begreifen. Was sie indessen auch begriffen hatte, war die Tatsache, dass sie sich immer mehr einbrachte, so gut es ihr als Schneiderin eben möglich war. Das Angebot als Schneiderin für den Tempel und die Bruderschaft tätig zu werden, war gemacht. Nun galt es abzuwarten, wie es sich entwickelte. Zug um Zug, Schritt für Schritt. Vielleicht würde sie sich durch ihren Einsatz im Alatarischen Reich gegenüber dem All-Einen beweisen, nun da sie gewisse Lektionen gelernt hatte und daran gewachsen war. Blick nach vorne, immer voran, Tayris. Du hast den Willen, zeig wer du bist. Seufzend stellte Tanai die Schachfigur auf das Brett und drehte sich zur Küchenzeile um, wo bereits einige letharische Leckerbissen auf sie warteten. Ihr Hunger war noch immer verkorkst, aber sie zwang sich regelmäßig zu essen, um wieder zu Kräften zu kommen.

Nach dem madigen Mittagsmahl setzte sich Tanai hin und schrieb einen Brief an Qy’lhor. Der Lethar würde ihr hoffentlich noch nützlich werden für den nächsten Schachzug, den sie gegen das Goldlöckchen plante. Die Teestunde ist nah, bald… bald ist es soweit. In ihrem verwirrten Strubbelköpfchen zeichnete sich der vage Plan ab, wie sie sich mithilfe letharischen Gifts an der Vogtin von Adoran rächen konnte. Sie wollte, dass der Prozess schleichend vonstattenging und sich das Goldlöckchen Schritt für Schritt selbst vergiftete. Es würde sich zeigen, ob der Plan aufging, aber dafür brauchte sie zuallererst einmal eine hübsch verzierte Teedose (natürlich mit Rosen, denn das war auf irgendeine Weise sehr morbide), die vergifteten Teeblätter und zuckersüßes Teegebäck. Hmmm… ich werde mich in deine Seele eingraben, bis du von innen heraus erstickst. Als der Brief geschrieben war, ließ sie einen schmächtigen Boten zum LethAxorn laufen, der zuvor mit zittrigen Händen die Bezahlung entgegennahm. Ein Gefühl von Erhabenheit überkam Tanai in jenem Moment, denn sie genoss es bereits in ihrem Zorn zu baden. Was ihr indessen immer noch einen Schauer über den Rücken laufen ließ, war der Gedanke an den Meditationsunterricht, der bald auf K’awi anstand. Sie hatte es ihrem Vicarius versprochen dorthin zu gehen. Sie würde es nicht nur probieren, sondern es einfach machen… zumindest war das der häre Gedanke. Unklar war, was sie in sich finden würde wenn sie tiefer grub, welche Gefühle sie dabei aufwühlen würde. Sie musste stärker sein als das, sich damit konfrontieren und sich letztendlich über ihren eigenen Schatten erheben. Sei das Licht im Dunkel, Sonnenschein.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:57, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 28 Jan 2024 22:50    Titel: Kapitel 57 - Die brennende Wahrheit
Antworten mit Zitat



Kapitel 57 - Die brennende Wahrheit


Schwelend wie ein Feuer brannte sich diese eine Emotion in Tanais Geist, beherrschte sie fast vollkommen und ließ ihr keine ruhige Sekunde. Sie atmete die heiße Luft La Cabezas tief in ihre Lungen ein und hatte das Gefühl daran zu ersticken. Mit voller Gewalt riss sich Tanai aus ihren wirren Gedanken, spät in der Nacht, weit nach der Geisterstunde. Sie konnte nicht schlafen, wälzte sich seit Stunden hin und her. Egal wie sehr sie sich versuchte abzulenken, sie wusste genau, was in ihrem rabenschwarzen Strubbelkopf zu ihrer Schlaflosigkeit führte. Ein Abend auf Cabeza, der so gänzlich anders lief, wie sie es anfänglich geglaubt hatte. Wieso antwortet er mir nicht, Alatar noch eins. Wieso will er mich eigentlich heiraten. Will er das überhaupt noch. Nein, ich bin ihm zu ungehorsam. Ich bin keine gute Alatari. Ich habe versagt und wurde gebrandmarkt. Ich bin auf Ewig ein Nichts. Der Kiefer wurde so fest zusammengebissen, dass es schon weh tat. Und dann kam die Erinnerung wieder, Stück für Stück. Wie sie damals vor 8 Jahren schon die brennende Wahrheit gespürt hatte. Wie sie… ja, sie hatte beinahe einen Templer ermordet. Angestiftet von ihren falschen Freunden, aus wütender Rache heraus, um den vermaledeiten Catulus in ihrem Heimatdorf ein für alle Mal abzumurksen und endlich Ruhe vor ihm zu haben. Der Tempel aus Holz hatte hell lodernd gebrannt wie ein jauchzendes Leuchtfeuer, während der Templer in dessen Inneren fast zu einem Häufchen bedeutungsloser Asche verbrannt war. Krathor war ihr da so nahe gerückt, als sei ihre Seele bereits seit ihrer Geburt verdammt gewesen. Doch der Templer hatte überlebt… und Tanai hatte den verschlingenden Zorn Alatars voll zu spüren bekommen. Glühend heiße Kohlen, die 10 Gebote, schwerer Weihrauch. Schmerz, versengend und verzehrend. Sie hatte das alles offenbart, den Grund für ihre Angst vor den Templern endlich ihrem Vicarius erzählt, in großer Angst wie sie zugeben musste. Und nun? Sie hatte das Gefühl es war unwichtig, bedeutungslos. Indessen war der Abend so unverhofft geendet, als Clericus Athes sich Vincent auf dem Rückweg zu ihrem Haus geschnappt und entführt hatte. Und da blieb das Häschen zurück, einsam, verwirrt, und absolut verzweifelt. Und nun lag sie hier, fragte sich wie der Meditationsabend nach diesem Erlebnis eigentlich werden sollte.

Noch vor dem Hahnenschrei stand Tanai auf, machte sich Kaffee und ignorierte ihr madiges Frühstück, denn ihr Bauch war bereits genug gefüllt von Gedanken. Wenn es hochkam, hatte sie zwei oder drei Stunden geschlafen, während der Rest der Zeit in Gedanken an ihren Templer draufgegangen war. Er hatte so müde ausgesehen am Vorabend, so ausgelaugt, vielleicht sogar krank. Wir würde es werden, wenn… Denk nicht nach, denk einfach nicht nach. Mach einfach und konzentrier dich, Tayris. Während sie am Abend zusammen mit Vincent mit dem Schiff nach K’awi fuhr, war sie mehr als still, in sich gekehrt... das plappernde Mundwerk war regelrecht tot. In der Akademie angekommen wurde dem Vortrag über die Meditation dann sehr aufmerksam gelauscht und Tanai hatte das Gefühl jeder zweite Satz brachte ihr eine Offenbarung. Meditieren zum Entspannen. Meditieren zum Fokussieren. Meditieren zum Erkennen. Meditieren zum Gefühle kontrollieren. Meditieren zum Stress abbauen und Gedanken befreien. Meditieren zum Ergründen schlechter Gefühle. Meditieren, um auf den eigenen Körper zu hören. Meditieren, um nichts Unüberlegtes anzustellen. Meditieren, um Loslassen. Meditieren, um… sich selbst eine Pause zu gönnen. Die Erkenntnis traf sie so hart, dass sie sich fragte, wieso sie nie auf die Idee gekommen war zu rasten. Innezuhalten. Und da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Wie sollte man Ruhe finden, wenn man immer nur weglief, vor allem, vor jedem. Als der theoretische Teil des Vortrags beendet war, verließ sie mit Vincent die Akademie und auf dem Rückweg saß sie während der Schiffsreise die ganze Zeit auf seinem Schoss. Das war ihre Art der Entspannung, nah bei ihm, so oft es eben ging.

Doch es währte nicht lange, denn wieder hatte sie das Gefühl (als sie an ihrem Haus ankamen nach der Schiffsreise), dass sie nicht zu ihm durchdrang. Dass er einfach nicht preisgeben wollte, was in ihm vorging. Das Gefühl weggestoßen und nicht gebraucht zu werden, schmerzte so sehr, dass sie Reißaus nahm, einfach nur weg… noch nicht Mal den Kuss auf ihre Stirn hatte sie haben wollen. Und nun saß sie hier und versuchte in ihrem spärlich beleuchteten Schlafzimmer (am liebsten wäre sie selbst mit den Schatten verschmolzen, damit man sie ja nicht mehr sah oder wiederfand) die Worte des Veneficus in ihren verwirrten Geist dringen zu lassen. Das Rauschen der Wellen vor K’awis bunt leuchtender Küste. Sanft wie eine geheimnisvolle Melodie, immer wieder ertönend und den rastlosen Geist umspülend. Ein zärtliches Streicheln der Seele, fast so wie rettender Balsam. Und dann all die vielen Worte, all die neue Informationen. Ihr Kopf schwirrte, sie konnte sich kaum fokussieren. Soviel Wissen, soviel Druckbeladung, dabei sollte der Kopf doch leerer werden, verdammt! Zwecklos, sie wusste theoretisch wie sie ihren Geist befreien konnte, und doch gelang es ihr in der Praxis nicht. Denn die Gedanken an ihren Vicarius ließen sie vollkommen wegtreiben, keinen Moment durchatmen, sie war ganz bei ihm. Und doch drang sie nicht zu ihm durch. Vielleicht war es an der Zeit sich Rat bei einem anderen Templer zu suchen, schließlich wussten diese am besten, was in einem Diener des Herren nach einer Weihe vorging, die einen fast das Leben kostete, oder? Vielleicht brauchte er noch ein paar Tage Zeit… doch hatten sie diese oder standen sie bereits an der Klippe, kurz vor dem Fall? Sei verständnisvoll, Sonnenschein.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:57, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 30 Jan 2024 20:10    Titel: Kapitel 58 - Von Kopf bis Fuss
Antworten mit Zitat



Kapitel 58 - Von Kopf bis Fuss


Mit bedächtigen Schritten lief Tanai über den Strand von Rahal, der rabenschwarze Strubbelkopf war dabei auf die eigenen Schritte gerichtet. Sie war in ihren meergrünen Mantel eingegraben und hatte die dünnen Arme um ihren mageren Körper gezogen, während sie tief durchatmete und ihren wirren Gedanken nachhing. Der kalte Winterwind zerrte an ihr, ließ ihre Wangen rot werden und den ganzen Leib bibbern. Zweifelsfrei fror sie von Kopf bis Fuss, doch ebenso wanderten auch ihre Gedanken durch sie hindurch. Mit einem Seufzen ließ sie sich im Sand sinken und zog die Beine in den Schneidersitz, während die meergrünen Augen den Wellengang im Meer taxierten. Die letzte Erinnerung an diesen Strand war… definitiv wenig angenehm, der Traum hatte ihr auf brutale Weise gezeigt, was wenig später passiert war… beinahe. Alatar hat ihn geschützt, führ dir das immer wieder vor Augen. Er ist würdig in Seinen Augen. Und vielleicht… bin ich es auch irgendwann. Vorsichtig zog Tanai ihre Hände auf die angewinkelten Knie und atmete tief durch, dann drehte sie die Handflächen gen Himmel. Sie versuchte sich zu konzentrieren, ihren Kopf freizumachen. Tiefes Ein- und Ausatmen, bis sie langsam mit dem Takt des Meeresrauschens in Einklang kam. Sie versuchte den Kopf, so wirr er in jenem Moment war, komplett zu befreien. Doch noch immer spukte der Anblick seines ausgelaugten Gesichts in ihrer Erinnerung, seine scheinbare Erschöpfung, Niedergeschlagenheit. Sie erinnerte sich in jenem Moment an den Abend mit dem Clericus, an das Gespräch, dass ihr auf seltsame Weise etwas gegeben hatte. “Also ich kann euch sagen... die Macht des Herren ist unbeschreiblich... Einerseits prüft er unseren Glauben an ihn selbst... und spielt mit unseren Schwächen... Es dauert durchaus Tage, Wochen oder gar Monate, um diese… sagen wir klerikalen Nuancen einzuordnen...“ Seine Worte hallten noch immer durch ihren Geist und wenig später gab ihr Körper ihr die direkte Resonanz auf das zurückliegende klerikale Einwirken des Templers, als wenn sich jede Faser in ihr nur zu gut daran erinnerte. Er hatte nach ihrer Hand gegriffen, was von ihrem Zucken gefolgt war, als die raue und kalte Haut des Clericus sie umgriff. "Wir Templer umgeben uns mit seiner Macht...", hörte sie Demian wieder sprechen und was gefolgt war, war so unbegreiflich wie offenbarend gewesen.

Kiemsrote Funken glommen aus Demians Richtung auf und verteilten sich im Raum, bis sie auf Tanai übergingen. Während Demian weiter erklärte, spürte sie wie ein Gefühl von absoluter Sicherheit sie vorsichtig einwob. Weiter und weiter woben sie diese Gefühle ein, erzeugten eine Euphorie, die ihr eine Stärke gab, als würde sie Bäume ausreißen können und sie brechen können wie Äste. Sie spürte das Gefühl, doch sie kämpfte dagegen an, bis Demians Stimme wieder in ihren Geist drang. „Der Herr gibt uns Stärke, Macht… jedoch brauchen wir Zeit, um sie zu verstehen... Aber... er kann auch... hassvoll, schmerzhaft... und voller Ehrfurcht sein... Ihr seid bereit?“ Sie sagte zu und was dann folgte, war wie ein Sturm, der sie in die tiefsten Abgründe der menschlichen Gefühle riss. Schmerzen entstanden in ihr, ihr Magen fühlte sich an, als würde er umgedreht… Nur durch die zurückliegenden Wochen konnte sie das Gefühl niederringen und beherrschen (immerhin hatte sie nach dem Alatner eine innige Beziehung mit ihrem rebellierenden Magen). Sie japste schwer von dieser Anstrengung und nahm noch am Rande die Worte des Clericus wahr. „Wir Kleriker wandern auf einem schmalen Grat. Manchmal ist das ein Gefühl, was uns niederreist, manche beflügeln uns.“ Kurz darauf spürte sie den Hass des Clericus in sich, gefolgt von einem Überschwappen zurück ins positive in wohlige Sicherheit. Und dann wieder… das Schwappen zurück ins Negative, Positive… hin und her, wie das Rauschen des Meeres. Demians Stimme holte sie zurück und während er ihre Hand losließ, erklärte er ihr weiter, wie dieses Bad der Gefühle berauschend und niederschmetternd sein konnte.

Tief atmete Tanai die Meeresluft ein und aus, spürte in sich, welche Gefühle ihr von diesem winzigen Einblick in Alatars Macht gegeben worden waren. Sie hatte erkannt, wie verwirrend all diese Eindrücke sein mussten, und wie viel Anstrengung es kosten musste, sich darin nicht selbst zu verlieren. Langsam zog sie die Schultern hoch in einem tiefen Atemzug, schloss die Augen und dachte neben all dem Besprochenen (und da war noch so einiges, was ihr Strubbelköpfchen beschäftigte) an den Auftrag, den der Clericus ihr gegeben hatte. Spezielle Roben für Catuli und diverse Peitschen, die besonders tiefe Wunden in die Haut reißen sollten. Was das ihre neue Welt? Hmm hmm, konzentrier dich, Tayris. Der Weg geht weiter, immer voran. Streben nach mehr, Streben nach Perfektion. Streben nach Erfüllung in Seinem Namen. Die Mundwinkel zuckten dezent, sie dachte an die Worte des Tetrarch Vindheim anlässlich des Verlobungsgespräches im Ashatar… ob ihr Streben darin endete Streiter für den All-Einen in die Welt zu setzen? Nein, auch wenn der Clericus nun Ähnliches erwartete… wie viele gleich… 4? Drunter erschlug er den Vicarius? Es wurden noch ein paar mehr aufgerufen, am Ende gegen 14. Heiliger Alatar! Sie war doch keine verdammte Zuchtstute! Es gab auch noch anderes im Leben, doch bis sie über sowas nachdenken konnte, musste sie es schaffen wieder zu Vincent durchzudringen, sonst brauchte sie sich gar keine Gedanken an irgendeine Hochzeit oder ravnseelschen Nachwuchs zu machen. Langsam erhob sich Tanai aus dem Sand und lief in Richtung Rahal zurück. Dort wurde der Auftrag für den Clericus fertiggestellt und war noch am selben Abend fertig für die Auslieferung. Nun musst du nur noch dich selbst ausliefern, Sonnenschein.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:57, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 02 Feb 2024 18:08    Titel: Kapitel 59 - Die Ruhe im Strubbelkopf
Antworten mit Zitat



Kapitel 59 - Die Ruhe im Strubbelkopf


Tiefe Atemzüge, wieder und wieder. Den angespannten Körper lockerlassen. Den vollen Geist einfach freimachen. Konzentrier dich, Tayris. Der Strubbelkopf seufzte, und sie begann mit der Übung nochmal von vorne. Es fiel ihr so schwer, vor allem nun, da sie noch immer das Gefühl in sich hatte, wie elektrisierend Alatars Macht sich anfühlte. Ihre Fingerspitzen kribbelten und die Lippen zuckten dezent. Wie konnte man nur mit diesem machtvollem Gefühl umgehen? Sie dachte an Vincent und öffnete die Augenlider schlagartig. Das meergrüne Augenpaar wirkte plötzlich unendlich traurig, während sie auf den pyrianfarbenen Verlobungsring an ihrem Finger blickte. Es war die gleiche Leere, die sie seit der Demonstration des Clericus fühlte, die sich nun ihrer Gedanken bemächtigte… sie wie dunkle, verschlingende Schatten umwebten. Wie sollte sie nur sein Sonnenschein sein, wenn er fortwährend im Tempel weilte? Es zermürbte sie, mehr und mehr. Seufzend brach sie die Meditationsübung ab und stand vom Bett auf, um sich einige Maden aus der Küche zu holen. Ihr Hunger war noch immer als eher mittelmäßig zu bezeichnen, doch wenigstens aß sie wieder regelmäßig, Tag ein, Tag aus. Grübelnd kamen ihr die Gedanken an die zurückliegende Feldübung. Sie war nicht blendend gewesen mit ihrer Kampfleistung, aber auch nicht vollkommen unbrauchbar. Und immerhin hatte sie nicht lauthals aufgeschrien als die zwei Balrons aufgetaucht waren. Du warst stark, selbst in deinem kläglichen Zustand. Einfach immer weiter üben, dann würde sie irgendwann eine brauchbare Streiterin sein. Sie musste unbedingt mit Corvin sprechen, er konnte ihr sicher noch einiges beibringen, was den Kampf betraf.

Am späten Abend brach Tanai mit der Kutsche zum LethAxorn auf und traf sich dort mit Qy’lhor (sein Name war wirklich unaussprechbar, definitiv Zunge verknotend). Auch eine Lethra wohnte dem Gespräch bei, die sie bisher nicht kannte. Das Gespräch ging um die verschiedenen Giftarten und Wirkungsweisen, und es war wirklich vielversprechend gewesen. Es muss unbedingt Tee sein. Und vielleicht noch ein Duftwasser dazu… Teegebäck, hm hmm hmmm. Die Rachegelüste brannten hell lodernd in ihr und sie freute sich bereits auf den Tag, an dem das Goldlöckchen endlich fällig war. Indessen lernte sie an diesem Abend von den Letharen (die irgendwie immer mehr wurden, denn noch ein Lethrixor gesellte sich zu ihnen) noch so einiges mehr, über ihre Kultur, ihre Kleidung, ihre Kampfweisen und Waffen, ihre Erziehung, ihre Beziehungen… und ihre sehr direkten Ansichten zum Thema Vermehrung im Namen des Vaters. “Will sie eine Aufgabe ihrer würdig? Bis Endes des Jahres hat sie einen Keim in sich, von ihrem Männchen. Anderenfalls sucht sie sich einen anderen.“ Sie glaubte noch immer sich verhört zu haben. [i]Ernsthaft? Das war nicht witzig! Langsam fragte sie sich, welche Erwartungshaltungen noch an sie gestellt werden würden. Abwarten… Spät in der Nacht kehrte Tanai schließlich nach Rahal zurück, müde und überflutet von vielen neuen Eindrücken. Sie dachte kurzzeitig daran, dass sie noch arbeiten musste, um die Waren für den nächsten Rahaler Marktabend fertig zu stellen. Doch sie war so müde… und brauchte dringend eine Pause. Du musst nicht von früh bis spät Streben, dein Körper braucht Erholung. Sei nicht so stur, Tayris. Sie ließ sich auf das weinrote Sofa im Kundenraum sinken und versuchte sich mit Meditation wieder zu entspannen. Und da kehrte plötzlich Ruhe im Strubbelkopf ein. Sie fiel in einem tiefen Schlaf, der selbst von den ersten Sonnenstrahlen des kommenden Tages nicht unterbrochen wurde.


Zuletzt bearbeitet von Tanai Tayris am 01 März 2024 18:58, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 10 Feb 2024 09:37    Titel: Kapitel 60 - In bester Gesellschaft
Antworten mit Zitat



Kapitel 60 - In bester Gesellschaft


Leises Knistern im Kamin. Ein zarter Duft nach Rosen und etwas Anis. Der Kopf, der in lustigen Wellen schwappte.Tanai schlug die Augenlider auf und fasste sich direkt darauf mit zarten Fingerspitzen an die Stirn. Autsch! Uhhhh… mein Schädel, Alatar hilf. Doch sie wusste, dass ihr der All-Eine nicht half. Niemand konnte ihr jetzt noch helfen. “Vergiss nie, dass du mein Sonnenschein bist! Versprich es mir.“ Sie schwamm bei Sturmflut gegen meterhohe Wellen und hatte das Gefühl jeden Moment zu ertrinken. In diesem verzehrenden Strudel wusste sie weder, wo vorne noch hinten war, noch wer sie selbst in diesem Moment sein sollte. Dein Sonnenschein ist tot, du hast ihm eigenhändig die Kehle aufgeschlitzt. Nichts mehr bleibt als verschlingende Schatten im Dunkel. Tanai setzte sich vorsichtig im Bett auf und merkte dabei, wie ihr Kopf heftig wummerte. Was hatte sie alles getrunken? Whiskey mit Speckmade hmm hmm… Stachelbeerschnaps… und ein Gesöff namens Absinth. Sie glaubte jener Alkohol hatte ihr den Rest gegeben, oder war es der angeblich beruhigende Tee mit dem Wildkraut darin? Einerlei… sie dachte an den Abend zurück, wie sie plötzlich vor der Pantherklaue gestanden hatte. Taverne hm hm… bring dich auf andere Gedanken, mach ne gute Miene zum bösen Spiel. Du weißt ja wie das mit dem Gefühle verbergen funktioniert. Und das war ihr zumindest so lange gelungen, bis das Fehlen ihres Ringes aufgefallen war, während sie neben Yo und Noir am Barhocker saß. Danach hatte es keinen Halt mehr für den Strubbelkopf gegeben, sie hatte alles an Alkohol in sich gekippt, was ihr vor die Nase gesetzt wurde, zur Freude von Mychaels Einnahmekasse. Dass sie in dem Zustand mit Qy’lhor ans Messerwerfen gegangen war (aber trotzdem die Zielscheibe dreimal getroffen hatte, einmal sogar ziemlich gut), um für den neuen Tavernenwirt einen guten Preis für letharischen Absinth herauszuschlagen… naja, sie hatte schon bessere Ideen gehabt, definitiv. Zu allem Übel des Verlustes (ironischerweise hatte sie die alte Wette gegen Yo nun aber doch nicht verloren) hatte sie sich auch noch (nicht mehr ganz so nüchtern) an Jexxe fast etwas liebesbedürftig angelehnt…wie gut, dass Tanai so alkoholgeschwängert den Blick der Letharin nur noch am Rande mitbekam.

Was war noch übrig nach dieser illustren Gesellschaft? Yoline hatte Tanai unter Einsatz ihres Lebens versucht nach Hause zu schleppen, doch der Strubbelkopf hatte nicht zurück nach Rahal gewollt, denn viel zu viele Erinnerungen klebten an ihrer Schneiderei… an ihn, an ihre gemeinsame Zeit. Und dann war Tanai wankend auf den Tempel von Düstersee zugesteuert… und an der Tür hatte Yoline versucht sie mit Nachdruck davon abzuhalten dort einzutreten. Tanai hatte überhaupt keinen Zweifel gehabt, dass sie den All-Einen „anbeten“ würde… dass sie ihn (vielleicht hasserfüllter als je zuvor in ihrem ganzen Leben) im Zwiegespräch wutentbrannt anschreien würde, warum er ihr das angetan hatte. Doch die Tempelwache hatte es verhindert, dass Tanai in den Tempel gelangte. Kein Durchkommen, keine Möglichkeit Alatar in seinem Tempel ihren Zorn zu zeigen, nicht die Chance zu erfahren was das alles sollte. Die Tempelwache hatte ihren Namen wissen wollen und ihr ob ihres Zustandes angeraten die templerischen Obrigkeiten anzusprechen. Doch sie zetere nur und der ‚Kampf‘ mit Yoline um die Heimreise wurde immer zerrender, sodass nebenan im Haus die Nobilia auf sie aufmerksam wurde. Es folgte, was folgen musste, und da schleppte der Rotschopf das kleine Häschen zu Auriane. An viel konnte sich Tanai nicht mehr erinnern, bis zu dem unfreiwilligen Bad, das man ihr verpasst hatte. Danach war Yo gegangen und hatte Tanai in den Fängen der Nobilia zurückgelassen. Sie hatten gesprochen, sehr lange… und dabei waren sämtliche Gefühle aus dem Strubbelkopf herausgepurzelt. Sie hatte, trotz ihres alkoholgeschwängerten Kopfes das Gefühl, dass Auriane nachvollziehen konnte, was in ihr vorging… nur wieso? Sich darüber Gedanken zu machen, war nicht mehr möglich gewesen, denn die Stunde war weit fortgeschritten und die Nobilia bot Tanai an bei ihr zu schlafen. Vielleicht war das auch besser so gewesen. Und nun saß sie hier im Bett des Gästezimmers von Auriane und hielt sich den wummernden Kopf. Sie würde den Auftrag für den Clericus noch fertigstellen müssen, bevor sie ja… ja, bevor sie ihre Zelte abbrach. Doch dafür musste sie erst an der Nobilia vorbei und Alatar allein wusste, ob ihr das gelang.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6  Weiter
Seite 4 von 6

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.




phpBB theme/template by Tobias Braun
Copyright © Alathair



Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
Deutsche Übersetzung von phpBB.de