Yanessa Byrnel
|
Verfasst am: 07 Apr 2023 16:03 Titel: Seidenglanz und Gift |
|
|
Zwischen Weidenblatt und Herbstnebel
In dunkler Nacht bei einsam Wacht
Leuchtet fern ein helles Licht
Es ruft nach mir und spricht
Schönheit vergeht eines Tages
Bleibt nur im Hier und Jetzt
Jeden Tag ein welkes Blatt
Fällt hinab auf des Herbstes Bett
Ein Blick in den Spiegel spricht
Von der Sternen Glanz auf blasser Haut
Wandelt dort wo niemand ward
Zwischen Weidenblatt und Herbstnebel
Gefällt mir das, was ich da im milchig schimmernden Spiegelglas sehe?
Um es geradeheraus zu sagen: Ja. Ich bin sicherlich nicht das Maß aller Schönheit, doch im Gegensatz zu manch anderen Bauerntrampeln, kränklichen Bettlergestalten oder angemalten Huren, kann sich mein Äußeres durchaus sehen lassen und die Blicke der Männer, mögen sie noch so edel oder ach so derb sein, beweisen dies. Die Brust ist rund und sichtbar, doch von nicht unbedingt überschattender Größe und die Hüften sind breit genug, um ein gesundes Kind ohne allzu viel Sorge in die Welt zu setzen. Nur das Interesse an einem Gör besteht nicht. Viel lieber ist mir die Konversation mit gebildeten Menschen in meinem Alter oder lieber noch, älter, denn selbst Leute, die bereits mitten im Leben stehen sollten, benehmen sich manchmal noch wie junge, naive Hunde.
Und diese Sorte Mensch stößt mich so sehr ab, wie mich die gebildete und auch gut betuchte Oberschicht anzieht. Vielleicht ist es auch die Macht, die sie umgibt, berauschender als jeder Wein und betörender, als das meisterlichste Parfüm.
Mein Vater hat mir nicht viel gegeben, war er zwar Teil dieser reichen und schönen Gesellschaft, doch meine Mutter nur eine von vielen Weibern, die er aufsuchte, wenn er etwas Spaß außerhalb des Ehebetts wollte. Doch ich, der Bastard, habe immerhin seine vornehme Blässe, die hellen Haare und blauen Augen geerbt. Der Lockenwust und die Gesichtszüge wiederum sind das Geschenk meiner Mutter und ich bin stolz aus ihren Lenden zu stammen, denn immerhin zog sie mich bis zu ihrem Tode alleine groß und sorgte mit dem Bund zu meinem Vater und dem Druckmittel in meiner Gestalt dafür, dass es uns nie an etwas fehlte.
Doch nun ward er gekommen, der Moment an dem ich mich zu entscheiden hatte, welcher rosigen oder bedauernswerten Zukunft ich begegnen wollte. Mit tiefer Entschlossenheit war ich auf Gerimor angekommen, nur um in diesem bemitleidenswerten, stinkenden Dorf namens Bajard anzukommen. Und so groß wie der Gestank nach Fisch und Fäkalien war, so viele nicht besonders helle Lichter liefen dort umher, welche die wenigen zu einem strahlenden Schein wie der Sonne in tiefster Nacht wirken ließen, die ein wenig mehr Verstand besaßen. Und doch... ich hatte mich dazu überwinden und zwingen müssen, mich in einem dieser Zimmer einzunisten um meine nächsten Schritte zu planen und bestenfalls auch durchzuführen, denn der fette Fisch an der Angel wurde nicht unbedingt dicker, wenn man ihn festhielt.
Die Tage brachen an und gingen zu Ende, der ewige und schrecklich unüberwindbare Kreis des Lebens, der erst mit dem Tod ein Ende fand... und manchmal nicht nur für die eine bemitleidenswerte Seele allein, die zu früh, zu spät oder gerade richtig ihr Lichtlein ausblies. Und so beobachtete ich mit den Augen eines Raubtieres, mit den Augen der Begierde, wie das Leben auf Gerimor funktionierte; lauschte mit den Ohren eines Luchses den Gesprächen der Einfältigen und Intellektuellen und begann mir langsam ein Bild des Ganzen zu weben bis es ein facettenreiches Tuch aus Seide, Leinen, Flachs und Wolle wurde.
Doch...
... etwas verschob sich, ganz unbemerkt zunächst und mit jedem Tag stärker, gehaltvoller und schreiender. Etwas geschah, es geschah mit mir und an mir. Die Müdigkeit nahm zu, gleich ob der Schlaf gehaltvoller Natur war, Schwäche wie ein schleichendes Gift begann meine Adern zu durchfließen, ließ sie brennen, nur um die ohnehin schon blasse Haut noch blasser werden zu lassen, nunmehr Porzellan gleich.
Gefällt mir das, was ich da im brackigen Wasser des Hafenbeckens sah? Um es geradeheraus zu sagen: Nein, es missfiel mir. Ich war kein Maß der Dinge gewesen und nun bin ich zum Maß des Elends geworden... das Maß eines Wracks, was von Tag zu Tag die siedend heiße Schwäche in den Adern spürte, die, Säure gleich, jeden Lebensfunken zum Verbrennen brachte...
Zwischen Weidenblatt und Herbstnebel... |
|