FAQ Login
Suchen Profil
Mitgliederliste Benutzergruppen
Einloggen, um private Nachrichten zu lesen
        Login
Chronik von Quant
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Chronik von Quant
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 11 Jan 2023 10:10    Titel: Chronik von Quant
Antworten mit Zitat

I - Schwanengesang

Im Säuglingsalter von seinem Vater abgegeben, war Themias in einem Waisenhaus bis zum Alter von etwa 10 Jahren großgeworden. Danach wurde er vom alten Gerris Quant aufgenommen. Einem einfachen Kleinbauern, der den Jungen bei sich aufnahm und sich dadurch eine Hilfe auf den überschaubaren Feldern versprach.
In Quants Haus lernte Themias das erste Mal das Gefühl von „Daheimsein“ kennen. Quant wurde wie ein Vater zu Themias – auch wenn dieser natürlich um die Wahrheit Bescheid wusste. Quant lehrte Themias wie die Felder bestellt werden mussten, wie das Vieh auf dem Bauernhof gepflegt, gefüttert und geschlachtet wurde. Auch die Zubereitung und das Haltbarmachen von Fleisch wurde ihm beigebracht. Es gehörte nicht zu den alltäglichen Arbeiten, fiel jedoch hin und wieder Mal an.
Dieses geregelte und körperliche Leben sonderte sich von dem Waisenhausdasein ab. Neben diesen Arbeiten nahm Quant Themias auch oft mit in die umliegenden Wälder. Zu verschiedenen Jahreszeiten, konnte man verschiedene Pflanzen und Pilze finden. Themias durfte durch seinen Ziehvater alles über Flora und Fauna in der Umgebung lernen und mehr als das konnte er in Erfahrung bringen welche nahrhaft, giftig oder sogar heilend waren. Neben den Erzeugnissen des Hofes verkaufte sein Ziehvater nämlich auch Tinkturen und Kräuter für Tee oder Wundlinderung.

So gab es auf den Hof eine Facette an Arbeiten, die anfielen und Themias reichlich beschäftigten. Quant war ein strenger, jedoch gerechter Lehrmeister.
An einem kälter gewordenen Herbstabend saßen er und Themias in der Stube zu Tische, nachdem sie ihr Tagwerk auf dem Feld vollzogen hatten und die Fütterung und Sicherung der Tiere beendet hatten.
Die Stube war ziemlich einfach aufgebaut. Alte, rissige Holzbretter bedeckten den unterkellerten Boden und Fellteppiche schützen das nackte Fußbett vor Kälte. Das Mobiliar wurde aus einfachem Holz geschaffen. Neben dem Tisch, an dem die beiden saßen, gab es einige ein paar Schränke, in welchen getrocknete Kräuter und Pilze in Gläsern verstaut wurden. Auch ein Regal mit vereinzelten Büchern gab es.

Bücher gehörten nicht etwa zum alltäglichen Tagwerk des Bauern noch war er dazu im Stande sie zu lesen. In manchen von ihnen befanden sich Zeichnungen. Als Themias noch kleiner war, liebte er es die Bücher anzusehen. Selbst wenn er kein einziges der Zeichen verstand, tat er manchmal nur so, als würde er sie deuten können und verbrachte Stunden am Abend damit.
Gerade deswegen war es ein bestimmtes Buch, das Gerris dem kleinen Themias damals gab. Darin befanden sich alle Buchstaben des Alphabets, sowohl in Groß- als auch Kleinbuchstaben. Auf einer Seite waren die beiden Buchstaben aufgeführt und auf der gegenüberliegenden Seite, verschiedene Bilder, deren Worte mit dem jeweiligen Buchstaben begannen. Auf der Seite zu F, war es ein wunderschöner Fuchs, der die gegenüberliegende Seite prägte. Themias stricht immer wieder sanft über die Seite. Der Fuchs sah so lebensecht aus und schien ihn aus dem Buch heraus zu betrachten.
So lernte der kleine Themias über die Jahre hinweg das Lesen. Immer dann, wenn er seine Arbeiten beendet hatte, saß er auf seinem kleinen Strohbett, versuchte zu verinnerlichen und ein danebenliegendes Buch zu lesen. Dies kam so weit, dass Gerris sich dazu entschloss ein kleines, hölzernes Schreibpult zu kaufen, welches der Junge fortan nutzen konnte.

Sie aßen etwas Brot und Käse, tranken dazu ein fades Bier.
>>Du schlägst dich immer besser da draußen. Bald wirst du das Gehöft übernehmen können mein Junge.<<
Gab Gerris überzeugt von sich und kaute auf dem Brot herum.
>>Ich versuche mein Bestes.<<
Entgegnete ihm der Junge dann nur äußerst bescheiden. Dann kehrte für eine Weile Stille ein. Die beiden stießen mit den hölzernen Krügen an und schwiegen sich an. Es war ihre Art der zweisamen Kommunikation nach reichlicher Arbeit.
Auf ungewohnte Weise unterbrach der inzwischen 20. Jährige Themias die harmonische Stille.
>>Ich hatte dich schon Mal gefragt Vater. Magst du mir erzählen wem die Bücher gehörten?<<
Themias wendete den Blick zum Regal, in welchem die besagten Schriften verstaut waren.
Gerris trank einen weiteren kräftigen Schluck und nahm erneut ein Stück Brot mit Käse in den Mund.
Nach einer ausbleibenden Antwort hakte Themias nach.
>>Vater?<<
Prompt schlug Gerris mit zusammengeballter Faust auf den hölzernen Tisch. Teller und Krüge erzitterten durch den Aufschlag. Themias hingegen blieb gefestigt. Er wusste, wie sein Ziehvater zuweilen reagieren mochte.
>>Genug. Warum ist das so wichtig für dich?<<
Wollte der Alte dann nachdrücklich wissen. Themias verweilte mit innerlicher Ruhe an Ort und Stelle, atmete tief ein und pflichtete seiner Bitte mit Nachdruck bei.
>>Du bist mein Vater. Du hast aus dem Waisenhaus aufgenommen – hattes keine Pflicht dazu und doch hast du mir geholfen. Nun lass mich dir helfen. Erzähl mir was dich so sehr belastet Vater.<<
Das grüne Augenpaar von Gerris traf das grünblaue des Ziehsohns und verweilte mit Ernsthaftigkeit auf diesem. Ein Seufzen flüchtete aus dem Hals des alten Mannes.
>>Sie gehörten meiner Tochter. Sie hatte sich all dem verschrieben. Das Lesen und Schreiben. Sie wollte den Hof nicht übernehmen, ging fort um sich ihren Lebensunterhalt in der Stadt zu verdienen – als Schriftengelehrte.<<
Themias wirkte verblüfft. Daran hätte er nicht gedacht. Er wusste dass sie einen imaginären Wert hatten. Doch das der Alte eine Tochter hatte, ließ Themias zunächst völlig verstummen. Diese Stille hielt für einige Herzschläge an.
>>Du hattest eine Tochter?<<
Traurigkeit breitete sich auf dem Gesicht des alten Mannes aus. Er sprach weiter.
>>Und einen Sohn.<<
Von dieser Nachricht war Themias überrumpelt worden. Gerris hatte nie auch nur ein Wort darüber verloren, dass er eine Tochter hatte. Er sprach nie viel über seine Vergangenheit und wenn, dann so, dass sie gut verschlüsselt, zurück blieb. Zurückhalten tastete Themias sich weiter an das Thema heran.
>>Wie waren ihre Namen?<<
Gerris überlegte nicht mehr lange, teilte seine Vergangenheit nun mit dem jungen Mann.
>>Teana und Arthemias.<<
Themias sagte nichts weiter. Auch wenn die Namen einen bleibenden Eindruck hinterlassen sollten.
>>Beide halfen sie mir auf dem Hof. Sie waren eifrig, fleißig und kannten ihr Handwerk – so wie du.<<
Dann füllte der Alte die hölzernen Krüge mit neuem Bier auf.
Themias nickte anerkennend und nahm einen Schluck zu sich.
>>Doch Arthemias war ein Erwachter, suchte die Academia Arcana auf und verließ das Haus.<<
Nicht verstehend schüttelte Themias den Kopf.
>>Einfach so?<<
Ein freudloses und stimmloses Lachen trat kurzzeitig aus dem Alten heraus, ehe er den Kopf schüttelte.
>>Ich gab ihm meinen Segen. Jemand der das Lied hören kann ist zu größerem bestimmt als einen kleinen Hof zu führen. Nein – Arthemias wollte nicht gehen. Ich verlangte es von ihm.<<
Verstehend nickte Themias, wollte Gerris nicht unterbrechen.
>>Es war gut so. Ich wollte ihn nicht hier bei mir behalten, in dem Wissen dass er mit seinem Leben hätte mehr erreichen können.<<
Jetzt intervenierte Themias.
>>Das ist falsch platzierte Bescheidenheit Vater. Was du mir hier beigebracht hast und all die Gesichter der Natur und ihr Nutzen – das ist mir das wichtigste und schönste in meinem Leben gewesen Vater. Ich könnte mir gar nichts anderes wünschen.<<
Es zauberte Gerris ein Lächeln ins Gesicht. Dann erhob sich Gerris, ging zur Küchenecke, wo der Gusseiserne Ofen stand. Er fütterte ihn mit einem Scheitel Holz, welches neben dem Ofen aufeinandergereiht platziert war. Nachdem Gerris den Ofen geschlossen hatte, hörte man sofort das Knistern des brennenden Weichholzes. Es spendete eine angenehme Wärme.
>>Was ist mit Teana?<<
Hakte der junge Mann nach. Gerris wandte sich wieder Themias zu und saß sich wieder auf seinen Stuhl.
>>Ich sehe sehr viel von ihr in dir mein Junge.<<
Themias krauste seine Stirn in Falten.
>>Sie begeisterte sich wie du für das Lesen von Büchern – auch wenn ich es ihr nicht beibringen konnte. Sie lernte auf die gleiche Art wie du aus dem Bilderbuch.<<
Die Traurigkeit in seinen Worten war zweifelsohne zu vernehmen – selbst wenn ein beruhigtes Lächeln sein Gesicht schmückte, war es klar was im Inneren des alten Mannes vorging.
>>Es ist spät. Wir sollten schlafen gehen.<<
Schlug Gerris dann vor. Doch Themias war noch nicht vollends gesättigt. Es gab weitere Fragen, die sich neu aufgetan hatten und auf die er eine Antwort haben wollte.
>>Ist es ein Zufall, dass der Name deines Sohnes dem meinen so sehr ähnelt?<<
>>Arthemias?<<
Hakte der Alte nach. Themias nickte dann nur etwas.
>>Ist er mein Vater?<<
Nahezu herausfordernd sah der Alte seinen Ziehsohn an.
>>Nein.<<
Die Mimik von Themias entspannte sich wieder.
>>Also ist die Ähnlichkeit unserer Namen bloßer Zufall.<<
Gerris schüttelte kurz etwas den Kopf. Starr saß Themias an Ort und Stelle, verfolgte Gerris, der sich erhoben hatte und wieder in die Küchenecke ging.
Er griff nach einer Flasche mit durchsichtiger Flüssigkeit und griff sich zwei hölzerne Stamperl.
>>Dafür brauchen wir etwas reiferes.<<
In diesem Augenblick wusste Themias nicht wie er reagieren sollte. Was für Worte hatte er jetzt zu erwarten?
Der Vater platzierte einen der Stamperl neben Themias, schenkte die durchsichtige Flüssigkeit ein.
>>Pflaumenbrand.<<
Themias wusste das. Er wusste was in der Flasche war und wusste auch das sein Vater diese nur in seltenen Fällen aus dem Schrank nahm.
Auch sich schenkte der alte einen Schnaps ein.
>>Man sagte mir im Waisenhaus über deine Eltern Bescheid Themias.<<
Gebannt festigte sich das Augenpaar des jungen Mannes auf seinem Vater.
>>Tarsos Delaris ist sein Name.<<
>>Tarsos…<<
Flüsterte Themias nur leise nach.
>>Er war derjenige, der dich im Waisenhaus abgab und dir den Rücken kehrte.<<
Die Worte klangen eiskalt – genau so wie ihre Botschaft.
>>Warum?<<
Wollte Themias wissen. Gerris aber hob den hölzernen Stamperl an und setze zum Prost an. Themias tat es ihm gleich. Sie tranken beide davon. Themias verzog das Gesicht etwas, als er das Brennen in der Brust spürte, als er die ethanol-ähnliche Substanz in den Rachen kippte.
>>Er ließ dich zurück, weil er mit dir nicht zurechtkam. Du warst ihm zu viel. Er war alleine und war schlichtweg überfordert.<<
Stutzig sah Themias seinen Ziehvater an.
>>So einfach?<<
>>So einfach.<<
Bekam er sofort als Antwort.
>>Doch was ist mit meiner Mutter?<<
Nun nahm Gerris wieder einen kräftigen Schluck vom Bier, ehe er weiter sprach. Themias tat es seinem Vater gleich.
>>Die Oberin des Waisenhauses erklärte mir alles, was sie wusste. Dein Vater rettete dich vor deiner Mutter. Sie selbst und dein Vater waren Teil einer sektenähnlichen Gruppierung, die sich gegen die Prinzipien der Gesellschaft auflehnte. Laut der Aussagen der Mutter Oberin war deine Mutter viel zu sehr mit ihrer Organisation beschäftigt.<<
Für Themias waren diese Worte unverständlich. Er begriff nicht was passiert war, drückte dies mit einem vielsagenden Kopfschütteln aus.
>>Sie glaubten daran, dass ein Ausgleich zwischen allem geschaffen werden könne, um die Ursprünglichkeit der Welt wiederherzustellen. Angeblich nahm er dich deswegen aus der Obhut deiner Mutter.<<
Themias schüttelte den Kopf erneut.
>>Das klingt unschlüssig. Ich kann das nicht glauben.<<
Der Alte sah Themias dann fragend an.
>>Warum?<<
Er musste nicht lange überlegen, um seine Zweifel sichtbarer machen zu können.
>>Mich meiner Mutter entreißen und mich dann in ein Waisenhaus abzugeben. Wer tut so etwas? Das ist grausam. Verzeih mir Vater – ich kann nicht glauben was ich höre.<<
Der Alte nickte zaghaft und setze zur Korrektur an.
>>Großvater Junge.<<
Schnell schoss ein >>Bitte?<< aus Themias heraus.
>>Teana ist die Frau aus der Sekte und meine Tochter.<<
Themias schluckte schwerfällig, griff zum Krug mit Bier und schüttete es unbedacht in sich hinunter. Was Gerris da erzählte, stellte sein gesamtes Weltbild auf den Kopf. Die Familie, die er nie gehabt hatte und sich so sehr gewünscht hatte – sie war nie fort. Er wurde an dem Tag mit der Familie vereinigt, die er sich so sehr gewünscht hatte, als der alte Mann – sein Großvater, ihn aus dem Waisenhaus mitgenommen hatte. All die Zweifel, die Fragen und die Sehnsüchte waren mit einem Mal verblasst. Als wären die Worte nicht Zeugen genug gewesen, waren es Gerris‘ Tränen, die auf den hölzernen Tisch trafen, der vollkommene Beweis für diese neue Wahrheit.
>>Großvater?<<
Themias schluckte.
>>Ja, mein Junge.<<

An diesem für das Schicksal unscheinbaren Abend, erfuhr der junge Mann die Wahrheit über sich, seinen Ziehvater und all die Fäden, die damit verwoben waren. Ohne es zu wissen, war Themias in dem Heim seiner Mutter großgeworden, wurde dort von dem eigenen Großvater großgezogen und lernte auch die Fähigkeiten, die seine Mutter lernen durfte.
Auch der Junge konnte die Tränen nicht mehr halten. Sie brachen aus ihm hervor, als er das Glück erfahren durfte, dass ihm vor so langer Zeit schon zu Teil wurde.
Die beiden unterhielten sich noch die halbe Nacht. Themias hatte zahllose Fragen über seine Mutter und ihren Bruder. Er wollte alles auf einmal wissen.
>>Dein Name nehme ich an, ist wirklich eine Ableitung von Arthemias. Teana liebte ihren kleinen Bruder sehr.<<
All diese kleinen Informationen wurden freigegeben und ließen Wahrheiten das Tageslicht erblicken, die Themias nie für sich erhofft hatte.
So ging es noch viele Biere weiter. Die Tränen trockneten und daraus wurde ungewöhnlich heiteres Lachen und Reden. Auch der Alte fühlte sich in eine Vergangenheit versetzt, die er sich nicht mehr erhofft hatte.


In der gleichen Nacht schliefen beiden seelenruhig, tief und ungestört. Zumindest bis zu einem gewissen Augenblick. Themias wurde sanft aus dem Schlaf geweckt. Eine Stimme weckte ihn – sie schien ganz nah und doch so fern.
>>Mutter…<<
Er öffnete langsam die Augen. Ihm war ganz und gar so als hätte er eine Stimme gehört. Ein Flüstern einer weiblichen Stimme.
Er sah sich etwas in seinem Zimmer um, sah jedoch niemanden. Nach kurzer Zeit hörte er die Stimme wieder. Sie kam aus der Ferne, klang lieblich vertraut. Er musste an seine Mutter denken. Schnell kleidete er sich an und folgte der Stimme, in die Stube.
Doch auch hier schien keinerlei Anzeichen einer Person. Er wollte den Ursprung dieses fast schon harmonischen Gesangs herausfinden. Also verließ er das Haus sah sich draußen um.
Er versuchte draußen etwas zu erkennen, der aufgehende Mond brachte nur wenig Licht. Doch allem Anschein schien dieses Licht auszureichen. Themias konnte über die mit Gräßern bewachsenen Hügel hinter dem Holzzaun bis zum angrenzenden Wald sehen.
>>Eigentümlich.<<
Kam es aus ihm heraus. Er folgte dem scheinbaren Ursprungsort der Stimme. Sie wurde scheinbar lauter und er wurde immer weiter in das Innere des Landes gelockt. Er traf schließlich auf den schmalen, angrenzenden Bach. Die Stimme schien von hier zu kommen.
>>Mutter?<<
Gab er vorsichtig von sich. Nach einer kuren Zeit des Wartens schien er jedoch keine Antwort zu bekommen.
>>Teana?<<
Kam es deutlicher aus ihm heraus. Es war die Hoffnung, dass das erfahrene Glück nicht enden wollte. Doch es endete, mit einem Klirren in der Ferne. War das Glas? Es kam vom Haus. Er sah sich nochmal um, wollte sich vergewissern, dass niemand hier war. Doch das Klirren des Glases unterbrach die Stimme scheinbar. Für einen Moment war er abgelenkt und hatte sie verloren. Er atmete tief ein, behielt die Luft für eine Weile in den Lungen und entließ sie dann wieder.
Er kehrte wieder zurück. Als er die Hügel der Felder überquert hatte und das Haus sehen konnte, erkannte er, dass drei Pferde vor dem Haus rasteten. Das waren mit Sicherheit nicht die Pferde seines Großvaters Gerris.
Er eilte so schnell es ihm nur möglich war zum Haus zurück.
Dort angekommen sah er, dass die Tür speerangelweit geöffnet war. Achtsamkeit und Vorsicht wurden in ihm wachgerüttelt. Schnell ging er zum anliegenden Unterbau, wo sie die Tiere schlachteten, und griff sich eines der Messer, dass in einem der hölzernen Schubläden abgelegt war.
Vorsichtig schlich er sich an das Haus heran, sah sich genau um und präsentierte eine fast schon paranoide Vorsicht.
>>Wo hast du es Alter?<<
Hörte man plötzlich die Stimme eine fremden Mannes, der wohl mindestens 25 Zyklen hinter sich hatte, wenn man der Stimme vertrauen durfte.
Dann erklang die zerbrechliche Stimme des Großvaters.
>>Ich habe hier nur das was ihr schon habt. Nehmt es und geht.<<
Anscheinend gab sich die Person damit jedoch nicht zufrieden. Geschirr zerbrach und hölzerne, dumpfe Schläge landeten auf dem Holzboden.
Themias stand im Eingangsbereich, sah einen großen stämmigen Mann, der seinen Großvater gegen den Tisch drückte, die Linke fixierte den Hals am Tisch. Dann ein Schlag, direkt in das Gesicht von Gerris – ausgeführt mit der bloßen Faust.
Als Themias das sah, konnte er seine Atmung nicht mehr kontrollieren. Sie wurde unregelmäßig, sein Herz begann laut zu pochen, so laut, dass er es selbst hören konnte. Sein Körper bebte und schien schneller reagieren zu wollen als Themias selbst.
Er gab nach und ließ das Toben gewähren. Er rannte durch den Eingangsbereich und ließ einen Schrei über sich ergehen. Der Aggressor ließ vom Großvater ab, wandte sich zurück. Das Schlachtermesser hatte Themias genau auf den Hals des Eindringlings gerichtet. Unerwartet kam kurz vor der Kollision ein zweiter Eindringling auf Themias zu, überrumpelte ihn und hielt ihn somit vom Angriff ab. Der tödliche Angriff wurde verhindert und doch schnitt die Klinge tief in die Wange des Mannes.
Themias wurde zu Boden gedrückt. Ein dritter entwaffnete Themias schließlich.
>Das hätte ich mir denken können – es waren drei Pferde verdammt.<
Dachte er sich nur und wollte sich für diesen fehlgeschlagenen Plan selbst strafen. Doch dafür war keine Zeit. Er wollte sich losreißen, wehrte sich mit allen ihn zur Verfügung stehenden Kräften.
Ihm war keinerlei Möglichkeit gegeben sich zu befreien. Diejenige Person, die dafür verantwortlich war, dass er an den Boden genagelt wurde, war um ein Vielfaches schwerer als Themias.
>>So du alter Sack? Hast keine Münzen bei dir, aber genügend für einen Knecht?<<
Nach dieser Verurteilung bekam Gerris eine weitere Faust, welche direkt mit dem Gesicht kollidierte. Blut aus Mund und Nase strömten auf den hölzernen Tisch!
>>Nein!<<
Schrie Themias mit Leibeskräften und wehrte sich ungestüm weiter.
Erneut kollidierte die Faust mit dem Gesicht des Vaters. Themias versuchte sich zu erklären, brüllte die Worte.
>>Ich bin sein Enkel! Wir haben nichts!<<
Der Haupttäter wandte sich Themias zu.
>>Gregor lass die halbe Portion los und halt den alten Mann zu Tische.<<
Schnell ging der Hauptaggressor zu Themias hinüber, ging in die Knie.
>>Dein Alter nimmt und nimmt stets, gibt aber nichts zurück. Wie willst du uns das entgelten, mh?<<
>>Was?<<
Kam es aus dem jungen Mann heraus, während er sich immer noch wehrte. Als Dank wurde ihm ein Schlag in das Gesicht gegeben.
>>Du sollst zuhören, wenn ich mit dir rede.<<
Ihm wurde kurz schwarz vor Augen und er schmeckte das leicht metallische Blut im Mund, das durch seine gesprungenen Lippen freigegeben wurde.
>>Dein Alter und du, ihr geht in unseren Wald und beraubt uns unserer Güter. Wäre alles gar nicht so schlimm, wenn ihr uns entsprechend bezahlen würdet.<<
Diese Diebe hatten Gerris und Themias bei einem der Spaziergänge durch den Wald beobachtet und sie bis nach Hause verfolgt. Sie konnten sich nicht gegen sie schützen.
>>Wir haben nichts wertvolles hier.<<
Der Anführer der Gruppe seufzte dann enttäuscht.
>>Dann musst du härter dafür arbeiten. Weißt du – ich helfe dir dabei.<<
Dann nahm er dem benannten Gregor das Messer aus der Hand und ging zurück an den Tisch.
>>Manchmal braucht man einen Ansporn. Das tue ich nur dir zu Liebe.<<
Kritisch und schockiert fixierte Themias den Anführer der Diebe. Ohne Vorwarnung rammte dieser das Messer in den Bauch des Großvaters.
>>Du Schwein!<<
Brüllte Themias mit all seinen Kräften die Worte aus sich heraus. Sein Körper bebte förmlich. Ein Schrei ging vom alten Gerris aus und dann ein Stöhnen.
>>Arbeite härter.<<
Es war irrational, unwirklich und sinnlos was hier passierte. Es musste ein böser Albtraum sein, von dem er heimgesucht wurde – ja, dessen war sich Themias fast schon sicher.
Erwartungsvoll lag der Blick des Diebes auf Themias.
>>Fick dich!<<
Schrie Themias dem Dieb entgegen. Dieser antworte zügig, indem er das Messer erneut umfasste und die im Bauch steckende Klinge drehte. Schmerzerfüllte Schreie verließen Gerris.
Themias Sinne waren in Wahnsinn getaucht. Er wehrte sich mit allen ihm gegebenen Kräften. Dann war da die Stimme in der Ferne – Themias war sich absolut sicher.
>>Mutter!<<
Rief er laut.
Der dicke, der ihn fixierte lachte.
>>Er ruft nach seiner Mami.<<
Kam es dümmlich aus ihm heraus. Die Stimme wurde deutlicher als Themias sich auf seinen eigenen Herzschlag konzentrierte.
>>Beginnst du jetzt zu Weinen?<<
Folgte eine weitere erniedrigende Frage. Themias versuchte sich weiterhin zu wehren. Doch je mehr er sich wehrte desto fester wurde der Griff des dicken Mannes auf ihm.
>>Verreckt endlich Abschaum!<<
Schrie er mit aller Kraft aus sich heraus. Die Holzbretter um ihn herum begannen zu beben. Bücher, Flaschen und Geschirr fielen aus den Regalen und dann gab es einen fühlbaren, jedoch nicht wirklich anwesenden Luftstoß, der Themias‘ Körper und den aller anderern durchdrang. Er verlor das Bewusstsein.

Er hörte die Stimme in seinen Träumen, sah die Stube, in der er sich befand von der Decke aus. Er sah sich selbst am Boden fixiert, die Angreifer und den Großvater, der von Schmerzen geplagt wurde. Es musste eindeutig ein Traum sein.
Dann der ihn scheinbar berührte Stoß und wie alle Menschen im Raum wie Säcke zu Boden fielen. Es wurde dunkler, die Stimme wurde lauter. In all dem Chaos schien sie etwas angenehm, beruhigendes an sich zu haben.

Er öffnete die Augen, spürte die schwere Last auf sich. Mit hörbarem Stöhnen stieß er den Dicken von sich und blickte ihm in seine kalten, leeren und gräulich gefärbten Augen. Er war tot. Schnell baute sich Themias auf, rannte zu seinem Großvater hinüber, stolperte fast über die Leiche des Anführers, der ebenso leere Augen hatte. Themias schob den dritten Dieb vom Tisch, der über seinem Großvater zusammengebrochen war. Auch er war nicht mehr am Leben. Themias war egal was hier passiert war – er wollte seinen Großvater in Sicherheit wissen.
>>Großvater?<<
Doch die Ernüchterung war groß, als er sah das auch sein Großvater von den gräulich gefärbten Augen heimgesucht wurde und der Tod im Hause von Quant zu Besuch gewesen war.
Sie waren alle samt kalt, als wären sie bereits lange gestorben gewesen.
Weinend brach der junge Mann über seinem Großvater zusammen, konnte nicht fassen, dass ihm das genommen wurde, was er erst kürzlich sein Eigen nennen durfte – Familie.

Über eine Stunde verweilte er noch in dieser Position, in der Hoffnung, irgendetwas würde sich ändern. Doch das war die grausame Realität, die ihm zu Teil wurde. Als hätte das Schicksal für sich entschlossen, dass er keine Familie haben durfte.

Themias Leben würde sich fortan ändern. Das es sich um das Erwachen handelte, würde er erst später herausfinden. Was geschehen war, war sein persönliches Erwachen, nachdem er dem Lied gelauscht hatte und eine Phrase genutzt hatte, die den Körpern jedwedes Leben entzogen hatte – das der Diebe und das seines Großvaters. Nichts würde mehr so sein, wie es einmal war. Obwohl er sich geschworen hatte, den Weg seiner Mutter und seines Onkels nicht einschlagen zu wollen, war er gezwungen worden eine Reise zu beginnen, die ihm Antworten liefern sollte. Er wusste nicht wie genau, doch er hatte zweifelsohne dem Tod Zugang zum Haus gewährt. Ein dunkles Gefühl, ein böses Nachbeben war immer noch allgegenwärtig im Haus. Die Chronik der Familie Quant wurde um einen weiteren Liedwirker erweitert.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 11 Jan 2023 14:07    Titel: II - Dirigenten von K'awi
Antworten mit Zitat

II - Dirigenten von K'awi

Volles, dunkelblondes Haar ragte ihm bis zu seinem Nacken und begann sich auf der Hälfte des Weges zu wellen und ineinander zu verschnörkeln. Junge Bartstopeln bahnten sich den Weg über Oberlippe bis hin zum Kinn hinunter. Der Rest des Gesichtes wirkte makellos und unberührt. Obwohl der Schwielen an seinen Händen, welche auf körperliche Arbeit hinweisen, warem die Finger und Nägel säuberlich gepflegt. Lediglich sich ansammelnde Tränensäcke unter den Augen, die von Müdigkeit Kunde trugen, waren sein neuster Begleiter. Er war viel umhergekommen seit den Ereignissen in Nharam. Er legte den Federkiel zur Seite, versuchte mit sanftem Pusten die Tinte zu trocknen.
Ein Blick aus einem Fenster neben sich verriet, dass der Tag bereits müde geworden war. Das Himmelszelt war bereits von glühenden Sternen dekoriert, welche sich durch ein löchriges Wolkenmeer kämpften. Er hatte sich für den Aufbruch zur Akademie vorbereitet und ein Schreiben verfasst. Dort würde man ihm vielleicht helfen können.

Inzwischen hatte ihn seine Reise nach K’awi geführt. Eine Insel die ihm seltsam vertraut vor kam und ihn immer wieder – fast schon wie auf magische Art – anzog.
Er verließ gerade den Eingangsbereich seiner Unterkunft. Ja, Caldrin Delroy hatte ihm einen Platz zum Nächtigen angeboten. Im Gegenzug dafür versprach Themias dem Wohltäter Aushilfe. Doch dazu mehr in anderen Zeilen. Hier geht es schließlich darum, wie
Themias hatte ein festes Ziel vor Augen. Er umfasste das Pergament in der Linken, welches zusammengerollt durch eine Schnur fixiert wurde.



Der Inhalt lautete wie folgt:
Zitat:
Würdevoller Meister, würdenvolle Meisterin.
Ich komme in einem Anliegen zu Euch, das die Gänze meines Seins aus der Bahn geworfen hat. Ich war ein einfacher Bauers Sohn, der einer harten Arbeit und einem einfachen Leben nachging.
Mein Traum endete und ich erwachte in einem Alptraum, in welchem mir ein sinnvolles und trauriges Lied als Requiem dargeboten wurde, welches den Tod von Menschen einläutete.

Meine Erkundigungen kamen zu dem Ergebnis, dass ihr mir mit dieser Unzulänglichkeit umzugehen wisset.

Natürlich werde ich alle anfallenden Kosten dafür tragen und sie vergelten – selbst mir harter Arbeit, wenn Ihr dies denn wünscht.

So Ihr gewillt seid mir Hilfe zu bieten, sendet Eure Antwort zur Feste Felswart – man hat mir dort Unterkunft geboten.
In größter Hoffnung,
Themias Quant



Unverhofft offenbarte sich ihm etwas was er bereits kannte, jedoch nicht erwartet hatte, nachdem er die Tür zum Ausgang geöffnet hatte.
>>Die Dame Lori und Herr Raphael.<<
Er sah beide recht verwundert und war erstaunt über das Aufeinandertreffen. Er Erinnerte sich an die beiden Gesichter, die ihm erst vor kurzem in der Nähe von Bajard über den Weg gelaufen waren. Lorelley Raback und Raphael Atheron.
>>Du suchst dir aber merkwürdige Bauernhöfe.<<
Stellte Lorelley mit einem Glucksen fest. Themias erklärte den beiden wie es dazu kam.
>>Herr Delroy gab mir Unterkunft während meines Aufenthaltes hier.<<
Lorelley schien über die Bedeutung dieser Worte nicht erfreut.
>>Boar – aber mein Angebot ablehnen. Ist klar.<<
Sie quittierte ihre Meinung darüber mit einem schnippischen >>Tss.<<.
Themias wollte die Situation beruhigt wissen.
>>Mein Aufenthalt hier hat etwas mit einer Aufgabe zu tun – es ist kein Vergnügen. Das möchte ich der Dame Lori versichern.<<
Er hielt die Linke nach oben, mit welcher er das Pergament fixierte.
>>Ich habe gehört, dass es hier Personen gäbe, die mir bei einem Problem weiterhelfen könnten.<<
Ohne groß auf Verständnis zu hoffen zu können, bohrte Lorelley weiter.
>>Du meinst meine Akademie und ich frag dich Löcher in den Bauch was dich her führt.<<
Wieder ein schnippisches >>Tss.<<
Raphael hingegen folgte der Situation ruhig, bedacht und schien in keiner Weise durch Themias Worte aufgebracht oder irritiert – so zumindest der äußerliche Anschein.
Erneut versuchte Themias sich zu erklären, blieb höflich und ruhig.
>>Es lag mir niemals ferner Euch zu kränken die Dame.<<
Schließlich drang auch das Interesse von Raphael hervor.
>>Was steht denn jetzt da auf deinem Pergament?<<
Prüfend sah Themias Raphael für einige Herzschläge an.
Es sind einige Menschen gestorben. Ich muss mir absolut sicher sein, dass dieses Schriftstück in die richtigen Hände geriet.
>>Es sind einige Menschen gestorben. Ich muss mir absolut sicher sein, dass dieses Schriftstück in die richtigen Hände geriet.<<
Tage zurvor, beim vergangenen Treffen, hatte er den beiden erzählt, dass er nur auf Gerimor war, weil er Freigang vom Gehöft des Vaters bekommen hatte. Dies war nur die halbe Wahrheit. Das Gehöft und der Vater waren nicht mehr und genau das war der Grund dafür.
Sprach er nur die halbe Wahrheit.
Lorelleys folgende Worte offenbarten eine Fügung des Schicksals, die die Steine ins Rollen brachten.
>>Das hier ist Veneficus Atheron – wie du ja weißt, zweithöchster Magiergrad der Akademia und dieser Insel.<<
Die folgenden Worte wirkten beruhigend und wollten Zuversicht vermitteln.
>>Was auch immer es ist, wenns mit der Akademie zu tun hat, wird er dir helfen können.<<

Themias‘ Unsicherheit war noch groß. Er kannte diese Personen noch nicht äußerst lange. Reichte seine Menschenkenntnis aus, um die beiden richtig einschätzen zu können? Waren wie wirklich erpicht darauf ihm Hilfe anzubieten?
Und doch willigte er ein und begleitete die beiden, als sie ihm das Angebot machten, in der Akademie selbst über sein Problem zu sprechen. Als sie sich auf den Weg machten, herrschte stille zwischen den dreien.
Sanfte, fast schon heimliche Stille umgab den Ort. An der Brücke zur Akademie angekommen, waren es lediglich sanfte Wellen, welche unter der Brücke um die steinernen Pfeiler der Brücke tänzelten. Das Lied der See, welches nachts alles zu Ruhe bettete.

Angekommen in der Akademie öffnete sich Themias und erzählte was ihm passiert war.
>>Es ist ein Fluch. Ich möchte nicht das so etwas noch Mal passiert. Darum bin ich hier.<<

Doch die beiden klärten ihn nach einem längeren Gespräch darüber auf, dass es sich nicht etwa um einen Fluch handelte.
Erkennbare Regungen der Luft, darin liegende Vibrationen und scheinbare, sich ändernde Muster in einem Gefüge, das außerhalb des herkömmlichen Wahrnehmungsspektrum lag, wurden auf wundersame Weise sichtbar. Es war kein permanentes Sehen im eigentlichen Sinne. Viel mehr ein Erhaschen von dem, was sich hinter dem Schleier verbarg, der mit bloßem Auge erkennbar war. Und wie durch einen fortwährend präsenten Wind, wurde der Schleier beizeiten immer wieder zur Seite gestoßen und erlaubte ein Blick auf das, was sich dahinter befand.

Sie machten ihm klar, dass es sich nicht um einen Fluch handelte. Er war der Dirigent des Schwanenliedes gewesen, dass die Tode verursacht hatte.
Wehmut breitete sich in ihm aus. Lag die Verantwortlichkeit wirklich bei ihm? Sein Geist baute eine sofortige Abwehrhaltung auf >Sie hatten Großvater mit einer Klinge attackiert und sind für seinen Tod verantwortlich.<
Unabhängig von seiner Verantwortlichkeit, war die nun mehr wichtigste Tatsache die, dass er der Dirigent war und laut Raphael und Lorelley musste er lernen seine Fähigkeiten richtig zu kontrollieren und dies könne er nur als ein Mitglied der Akademie.
Doch konnte man ihm wirklich einfach so Hilfe anbieten und das ohne jedwede Gegenleistung?
>>Was verlangt Ihr als Gegenleistung?<<
Raphael Blick fixierte Themias.
>>Erst einmal nichts. Es ist unsere Aufgabe Wissen zu sammeln und zu verbreiten. Die Grundausbildung kannst du an dieser Akademie ohne Gegenleistung ablegen.<<
Dann kam das von Themias erhoffte Aber?
>>Es gibt allerdings auch noch andere Akademien – das sollte dir bewusst sein.<<

Raphael klärte Themias über die Akademien in Rahal und Adoran auf. Eigentümlicherweise überließ man Themias die Entscheidung, wohin er gehen sollte.
Doch war es nicht eine schicksalhafte, gottgegebene Fügung, diese beiden Personen erst auf Gerimor und dann hier auf der Insel K’awi anzutreffen? Und zuletzt offenbarten sie sich als diejenigen, die ihm wirklich bei seiner Problematik helfen konnten. Er überreichte das Pergament Raphael.
>>Wenn du morgen immer noch der Überzeugung bist zu uns zu kommen, komme gerne wieder. Ich spreche mit der Matriachin – der Leiterin der Akademie.<<

Themias war sich sicher, dass diese Insel ihn zu sich rief und ihm die Hilfe bat, nach der er sich so sehr gesehnt hatte. Noch bevor er das Pergament hatte abgeben können, kam man ihm zuvor. Die Insel war ihm wieder zuvorgekommen und verschiedene Akteure traten ihm gegenüber und veränderten seinen Weg.

Erst lernte er den uneigennützigen Caldrin Delroy kennen, der sich der Aufgabe verschrieben hatte, Schutzpatron derjenigen zu sein die vor dem Krieg flohen. Themias konnte nicht anders als diesem Mann seine Unterstützung zuzusagen. Denn hatte er unlängst selbst mitbekommen was ein solcher Konflikt hatte anrichten könnten.
Und dann die beiden Magiebegabten, die die scheinbare Losung seines Problems in griffbereiter Nähe hatten.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 21 Jan 2023 19:01    Titel: III - Felsen in der Brandung
Antworten mit Zitat

III - Felsen in der Brandung

Nach all dem, was passiert war, hatte sich Themias bei einer Gruppierung mit dem Namen Felswart niedergelassen.

Ihr Anführer war ein Mann mit dem Namen Caldrin Delroy. Schon beim ersten Mal als Themias auf diesen Mann traf, wusste Themias, dass Delroy besonders war.

Im Grunde genommen versuchte Themias sich lediglich seinen Unterhalt zu verdienen. Er war in den umliegenden tropischen Wäldern – dem Dschungel von K’awi unterwegs. Anders als in den heimischen Gefilden auf Nharam, war das Dickicht auf K’awi schwer zu durchstreifen. Themias tat gut daran, seinen Dolch zu verwenden, um durch die dichten und sich umschlingenden Pflanzenketten zu kommen. Die Pflanzen dort hatte er tatsächlich noch nie gesehen. Und doch waren es die Bücher seiner Mutter, die er auf dem Hof seines Vaters geradezu verschlang, die ihm die Schönheiten dieser Welt offenbarten. Wüsten und Eisberge sah er in seinen Gedanken auferblühen und das durch wunderschön ummalte Worte. Doch es gab auch einzelne Schriftstücke, die mit Bildern geprägt waren – ganz und gar so wie das Büchlein, mit dem Themias damals das Lesen erlernte. Somit lernte er unter anderem auch das ein oder andere über Flora von wärmeren Gebieten.
Er erinnerte sich an die Beschreibungen, die Merkmale und die Besonderheiten der Pflanzen. Wie auch in der Heimat, gab es auch hier giftige und verzehrbare.
Es war eine willkommene Ablenkung, die ihn an die Schönheiten dieser Welt erinnerte und ihn daran Teilhabe ließ. Er war für Stunden in den Wäldern um Bajard und K’awi und durfte so manche Pflanze sein eigen nennen. Er wusste, wie er sie pflücken musste, damit sie noch eine lange Weile haltbar blieben.

Es war eine der wenigen Fähigkeiten die Themias besaß und diese wollte er verwenden, um sich eine Bleibe verdienen zu können.

So kam es dazu, dass er auf Herrn Caldrin Delroy traf.
Ein stämmiger Mann, der vor allem die giftigen Pflanzen aus Themias‘ Sammlung haben wollte. Der Grund dafür war nicht etwa böswilliger Natur – nein.
>>Manch ein Gift, kann bei der richtigen Dosierung und der Zuführung entsprechend anderer Zutaten, Wunder bewirken.<<
Erklärte er Themias. Er nahm all das, was Themias den Tag über gesammelt hatte an sich und entlohnte ihn reichlich dafür.
Doch dabei blieb es nicht. Der Charakter von Caldrin Delroy erweckte die Neugier von Themias und ehe er sich versah, fand er sich in einem langen Gespräch wieder. Herr Delroy war kampferprobt, hatte viele Teile der Welt gesehen und kam nach K’awi mit einem besonderen Ziel.
>>All diejenigen, die sich als Propheten sehen - und die vermeintliche Lüge von der Wahrheit zu trennen vermögen, um Menschen im Gegenzug das teure und brüchige Unterpfand der vermeintlichen Freiheit geben zu können – Sie sind diejenigen die die Verantwortung für Schmerz, Leid und Tod auf ihren Schultern tragen.<<
Es herrschte fortwährender Krieg und die gezahlte Währung war Blut. Themias wusste darüber Bescheid. Auch wenn es in Nharam größtenteils ruhig war. Die nördlichsten Häfen waren äußerst gut gegen Eindringlinge des Altarischen Reiches geschützt, da es sich bei Nharam um den größten Nahrungsexporteur im Königreich Alumenas. Doch solange Themias zurückdenken konnte, hatte die nördlich liegende Grenzprovinz Drakon noch nie einen Angriff gestartet.
>>Wir wollen der schützende und zugleich verurteilende Fels in der Brandung von K‘awi sein, auf welchem diejenigen Menschen Zuflucht finden, die kein Leben in Zusammenkunft der chaostreibenden Geschwister, Ordnung und Unordnung sein möchten.<<
Für Caldrin Delroy ging es also nicht darum, dass eine Seite diesen Krieg gewönne – nein. Er selbst wollte der Ausgleich dieser beiden Instanzen sein. Fernab des Streits, sollte das Volk der Menschen frei sein können, von diesem Konflikt, um nicht in Mitleidenschaft gezogen werden zu müssen.
Das Gespräch ging noch einige Stunden so weiter. Sie sprachen und sinnierten.
Am Ende dieses Abends, war es Themias, der für sich entschieden hatte, ein Teil dieser schaffenden Kraft zur Unabhängigkeit, zur Freiheit und zum Leben, werden zu wollen.
Caldrin Delroy nahm verschiedenste Charaktere in seine Gruppierung auf – sie mussten nicht zwangsläufig Krieger sein. Er wusste, dass es mehr brauchte, als nur geballte Manneskraft, um das Ziel erreichen zu können.

Vielleicht hätte Themias mit seinen Tätigkeiten weiterhelfen können? Am Ende des Tages wurde Themias ein Teil des Felsens in der Brandung für K’awi – er wurde ein Teil von Felswart.
Mehr als das, gab man ihm ein Bett, welches er nutzen durfte.
>>Es ist nicht viel und äußerst notdürftig.<<
Erklärte Caldrin. Doch Themias war überaus dankbar für diese freundliche Geste.

Sein Weg hatte ihn nach K’awi geführt, um Erklärungen und Lösungen gegen die dunkle Kraft zu erreichen, welche sich ihn in Nharam offenbart hatte. Er hätte nie gedacht, dass er auf diesem Weg Teil einer Gruppierung werden würde, die nach mehr sinnt, als nur einem materiellen und weltlichen Ziel.


Inzwischen war Themias auch ein Teil der örtlichen Akademie. Ihm war es erlaubt dort mehr über die kürzlich erwachten Kräfte zu erfahren, um sie am Ende kontrollieren zu können.
Auch war es ihm inzwischen möglich, das Energienetz des bildlich ausgedrückten Liedes wahrzunehmen und zu seinem Gunsten verändern zu können. Wenn er nicht gerade im Auftrag der Felswart unterwegs war, begab sich Themias in Mediation, um seinen eigenen, inneren Ausgleich zu finden. Nur so könnte er diese Spontanaktionen wohl verhindern können.
>>Versuche deine Emotionen im Gleichgewicht zu halten und nutze die Meditation.<<
Gab man ihm als ein fast gänzlich allumfassendes Heilmittel mit.
Er lauschte den Worten seiner Lehrmeister, nahm es für sich auf, verinnerlichte es und versuchte seine eigene Situation damit zu verbessern.

Der Hass gegen diejenigen Personen, die für diese Reise verantwortlich waren, war immer noch allgegenwärtig und nur schwer zu zügeln – auch wenn Themias seine Rache bereits bekommen hatte. Das im Geiste wiederkehrende Bild der fahlen und erblassten Körper, ließ Themias immer noch einen Schauder über den Rücken wandern. Vor allem wenn er an die ebenso hellen, grauen und milchigen Augen der Toten denken musste.

Wenn er den merkte, dass die Gedanken und Emotionen Überhand gewinnen wollten, ging er durch den Wald, versuchte einen freien Kopf zu bekommen und das fern aller lebenden Personen. So kam es dazu, dass er einen idyllischen Platz auf K’awi fand. Der Vorsprung einer Klippe, welcher scheinbar sanft von den Wellen der See berührt wurde. Eine immer wieder kehrende Prozedur der Zusammenkunft, welcher sich nichts in den Weg führte. Der Wind wehte an dieser Stelle mit einer milde Brise, welche kleinste Wassertropfen mit sich führte und das Salz der See somit langsam an Themias heranführte. Er schmeckte es auf der Haut und mochte die Idylle. Es war das erste Mal, dass seine Gedanken sich lockerten und er ohne krampfhafte Versuche loslassen konnte.

Er begriff langsam was die Meditation bedeutete und wie sehr sie seinen eigenen Ausgleich beeinflusste und den Tod somit vor verschlossenen Türen verharren ließ.

Themias war in K’awi angekommen.


Zuletzt bearbeitet von Themias Quant am 21 Jan 2023 22:37, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 01 Feb 2023 18:35    Titel: IV - Varunas Erben
Antworten mit Zitat

IV - Varunas Erben

Das Studium der Lehre des Arkanums verlangte Themias einiges an Zeit ab. Die vergangenen Mondgänge war er nur noch selten in den Wäldern unterwegs und wenn er es einmal bewerkstelligen konnte, kam das Sammeln von Kräutern und Reagenzien zu kurz.

Es war nicht abzustreiten, dass dies mit seiner ersten bewussten Berührungen des Liedes der Göttin Eluive einherkam, was ihm eine völlig neue Welt offenbarte.

>>Es ist so als lebte ich bisher in einem kleinen Raum – war zufrieden damit und beschwerte mich nicht. Nun hat man mir gezeigt, dass dieser Raum endlos viele Türen hat, die nach draußen führen und mir eine neue Welt offenbaren möchten.<<
Erklärte er eines Abends einem Studenten der Akademie. Doch für Themias hatte dieser neue Weg, den er eingeschlagen hatte, nur ein bestimmtes Ziel.
>>Ich möchte die Kontrolle darüber gewinnen und verhindern, dass je wieder etwas so Schreckliches passiert. Nach mehr verlangt es mir nicht.<<
Er machte kein Geheimnis daraus, dass er nicht mehr aus der ihm geschenkten Kraft erreichen wollte. Für diese sehr eigene Meinung und seine äußerste Offenkundigkeit erntete er oft Stirnrunzeln und Missverstehen.
Doch das Ereignis, das alles ausgelöst hatte und welches Themias nach Gerimor führte, war immer noch allgegenwärtig. Inzwischen was aus der Furcht vor dieser in ihm erwachten Macht Respekt geworden. Er war sich darüber bewusst, dass er selbst es kontrollieren konnte, wollte jedoch verhindern, dass so etwas erneut passierte. Er hatte einige hilfsbereite und freundliche Menschen auf Gerimor kennen lernen dürfen und die Zahl wuchs immer weiter an. Er hätte es sich nicht verzeihen können, wenn erneut so etwas passiert wäre.

An einem anderen Abend, der Schenke des Fischerdorfes Bajard, kam Themias mit verschiedenen Leuten ins Gespräch. Die Stimmung war munter, aufgehellt und äußerst gesellig. Da man seine Person in Bajard und Umfeld noch nicht sonderlich oft zu Gesicht bekommen hatte, fiel schnell auf das Themias ein Neuankömmling auf Gerimor war. Im kleinen Fischerdorf Bajard konnte man nach einer Weile schnell feststellen wer denn ein Neuling war und wer nicht. Auf den Trampelpfaden sah man oft die gleichen, sich eingelebten Menschen. Man grüßte sich und kannte sich beim Namen. Themias jedoch war noch nicht in die Kartei der allgemein Bekannten Gesichter gefallen. Daher fragte man ihn auch was ihn denn dazu bewegt hätte, hierherzukommen.

Er wusste, dass er niemanden wirklich eine Antwort schuldig gewesen wäre, machte jedoch auch daraus kein Geheimnis. Doch die Gänze der Geschichte und was genau in Nharam auf dem Gehöft vorgefallen war, erzählte er nicht jeder Person. Ein Unfall, welcher mit seinem Erwachen zusammenhing und Menschen verletzte – um es kurz zu fassen.

Einer Frau in der Schenke von Bajard schien selbst diese kurze Zusammenfassung Unbehagen zu besorgen. Zuvor noch schienen die Runde gesellig und munter. Ennika, eine junge Frau die direkt neben Themias saß, äußerste ihre Bedenken.
>>Vielleicht sollte ich gehen – nicht das so etwas wieder passiert.<<
Kam es nicht etwa verängstigt, jedoch mit Vorsicht aus ihr heraus. Diese fast schon ablehnenden Worte gegenüber Themias, lösten Scham und Bedauern in ihm aus und zentrierten das Problem, welches nach wie vor bestand. Er war nicht in der Lage die durch diese Worte ausgelösten Emotionen im Griff zu bekommen. Natürlich versuchte er die Situation mit einfach klingenden Worten zu beschwichtigen.
>>Keine Sorge, ich habe es unter Kontrolle.<<
Doch gerade in diesem Moment wusste er, dass es sich um eine Lüge handelte. Er hatte die Emotionen, die Ennikas Worte hervorgerufen hatten nicht unter Kontrolle. Und wohl der Furcht wegen, was hätte passieren können, blieb er nicht mehr lange in der Schenke, schob seine Flucht auf Müdigkeit und verabschiedete sich.
Auch wenn die Meditation Themias geholfen hatte sein inneres Gleichgewicht zu finden, so die ausgeübten Maßnahmen nichtig, wenn man sie unter realen Situationen verwendet hätte.

Reale Situationen fragst du dich nun möglicherweise? Ist es nicht die Meditation, die zur Kontrolle des Liedes führte? Ja, und Themias übte sich in dieser Praktik, die seinen Geist beruhigen und die in ihm kochenden Emotionen mäßigen sollten. Doch bisher war diese Praktik nur dann zielführend, wenn bei den besagten Klippen von K’awi saß. Die sanften, immer wiederkehrenden Berührungen, mit denen die Wellen die Klippen berührten. Der Wind, milde Wind, welcher friedfertig durch sein welliges Haar strich. Ein kleines Lagerfeuer, welches einen dezenten Geruch von verbranntem Holz erzeugte und ihn in Erinnerung zum Kamin in seinem Zuhause von Nharam zurückbrachte.
Nicht zuletzt war es die Nähe zum Boden und der Natur, die ihm halt gaben und auch ein Stück in die alte Heimat versetzten. Wenn er und sein Großvater für eine Stunde Schutz vor der Mittagssonne suchten und die Arbeit niederlegten, verweilten sie auf dem abkühlenden Erdboden unter einem großen Wallnussbaum, welcher ihnen Schatten spendete.
All dies wog Themias in Sicherheit und erlaubte ihm, seine Gefühle zu kontrollieren. Doch wie sehr konnte er sich auf diese Begebenheiten verlassen, wenn er im Gespräch mit jemanden war? Wie sehr konnte er sich darauf verlassen, wenn es gar eine Konfrontation mit jemanden gab oder er in Gefahr war?
Dann konnte er sich die Klippen bei K’awi nur herbeisehnen – hätte jedoch nicht zum Einklang von Geist und Emotionen gefunden, dessen war er sich sicher. Darum musste Themias weiterdenken und über seine Grenzen hinaus gehen. Er durfte sich nicht mehr nur auf das Fleckchen Land verlassen, das ihn schützend umgab. Ennika hatte ihm das klar gemacht und er war dankbar dafür.

Noch während er in K’awi spazieren ging, plagten ihn diese Gedanken. Er sah davon ab zu den Klippen zurückzukehren, verweilte ab und an, an Ort und Stelle, atmete tief durch und versuchte den Kampf mit den eigenen Emotionen auszufechten – unabhängig von Ort und Zeitpunkt.
Dieses Vorgehen mündete in wiederkehrende, abendliche Spaziergänge, bei denen Themias absichtlich kritische Zeitpunkte der Vergangenheit in seinem Geist auferleben ließ. Auch rief er sich das Gespräch mit Ennika immer wieder in Erinnerung und erfand sogar ähnliche Situationen, die ihn in Aufruhr hätten bringen sollen.
Manch einer hätte ihn wohl für einen Sonderling gehalten, wenn man ihn bei Nacht einfach so an Ort und Stelle ausharren sah. Doch es war die nächste Ebene für Themias. Er wollte sich sicher sein, auch in den sonderbarsten Situationen die Kontrolle behalten zu können.

So vergingen weitere Tage und Wochen und aus der anfänglichen Verzweiflung über die scheinbar unkontrollierbaren Emotionen, wurde wachsende Zuversicht, welche ihn früher oder später zum Erfolg über die Kontrolle des Liedes der Göttin führen würde.
Als er sich bereit fühlte, sich den sozialen Herausforderungen zu stellen, war dort eine weiterer Schritt, den er ausführen wollte. Er wollte dorthin zurückkehren, wo die ganze Katastrophe begonnen hatte. Nicht etwa auf das Gehöft von Nharam – nein. Doch er erinnerte sich, das die Angst, die Furcht und die Wut in ihm unbändig gewesen waren und schlussendlich zu dem geführt hatten, was passiert war.

Er wusste, dass sich Varuna in Gerimor befand. Ein geschichtsträchtiger Ort Alathairs, an welchem Kra’thor im Auftrag von Alatar gewütet hatte und die Stadt einer Verderbnis aussetze, die bis heute präsent war. Themias bereitete sich darauf vor nach Varuna zu gehen. Er wusste nicht genau, was ihn dort erwarten würde – hatte jedoch in den Büchern über das Schicksal und die Geschichte von Varuna gelesen und somit eine gewisse Ahnung.
Ein paar Flaschen mit den sonderbarsten Flüssigkeiten verstaute er am Gurt. In einer der Flaschen war eine rötlich schimmernde Flüssigkeit, mit kleinen, dunklen Klumpen, welche federleicht durch die blutähnliche Substanz schwebten. Ein anderes Fläschchen, dunkel und gelblich, mit schwarzen Schlieren, die sich wie eine Kreidespur durch die dickflüssige Masse abzeichneten und an Ort und Stelle verweilten. Themias wollte kein Risiko eingehen, wusste nicht was ihn dort erwartete und wollte vorbereitet sein.

Herr Delroy hatte Themias eine schützende Rüstung aus dem Leder von Bestien bereitgestellt, welche Themias vor Angriffen schützte, ihm jedoch auch weiterhin Wendigkeit und Agilität erlaubte. Er prüfte die schnallen, welche die Rüstung fixierte, bewegte den Oberkörper hin und her, um den Halt der Rüstung zu überprüfen. Auch einen silbernen Dolch hatte er bei sich, welcher ebenfalls vom Gurt getragen wurde. Dieser war zwar für die Ausflüge in den Wäldern gedacht, wenn er etwa nach Reagenzien suchte, würde in der Not jedoch zweckmäßig behilflich sein.

Er ließ Bajard hinter sich, drehte sich nochmal um. Die Sonne hatte Fischerdorf bereits hinter sich gelassen und war unterwegs nach Menek’Ur, wo sie schließlich untergehen würde. Der Wanderweg nach Varuna führte durch Walddickicht. Themias musste an diejenigen Menschen aus der Vergangenheit denken, die wohlmöglich denselben Weg auf der Flucht aus Varuna genommen hatte, um in Bajard in Sicherheit zu gelangen. Neben dem Rascheln in den Gebüschen, hörte man den abendlichen Gesang von Vögeln in den Baumkronen. Ebenfalls spielten die Grillen deutlich ihre Streichinstrumente. Den Tieren war nicht egal was um sie herum passierte, sie lernten damit umzugehen. Die Sonne machte sich immer rarer und in der Ferne konnte Themias den Lichtschein lodernder Fackeln sehen. Varuna war wohl nicht mehr weit, doch er hätte nicht daran gedacht, hier auf Menschen zu treffen. Zwei Fackeln erhellten den Weg. Themias war Vorsicht immer schon lieber gewesen als Nachsicht. Genau deswegen verließ er den Weg und ging den mit Moos bewachsenen Aufstieg entlang, rutschte einmal fast ab, konnte sich jedoch wieder fangen und verschwand im Dickicht des Waldes. Er verweilte in einer Dickung, in welcher sich Zweige junger Bäume berührten und überlappten. Allmählich hörte man auch die sich annähernden Stimmen.
>>Gilbert!<<
Hörte man eine Frau rufen.
>>Gilbert wo bist du?<<
Dann eine Pause, sie waren ziemlich nahe und näherten sich auch dem Wegesrand, erleuchteten das Waldesinnere mit dem Fackelschein, so gut es ihnen möglich war. Fünf Personen an der Zahl, schlecht gekleidet, verdreckte Gesichter und allesamt bis an die Zähne bewaffnet. Themias schluckte schwerfällig, als er sah.
>>Mein kleiner Gilbert wo bist du denn?<<
Rief die Frau, die nahe der 30 Jahre war erneut in die Tiefen des Waldes hinein. Einige Herzschläge passierte gar nichts, ehe sie erneut rief.
>>So hilf mir einer meinen kleinen Bub zu finden!<<
Sie suchten tatsächlich etwas, doch war es wirklich ein kleiner Junge? Themias hatte große Zweifel, versuchte nicht zu laut zu atmen und vermied jede Bewegung.
Dann erklang die Stimme eines etwas älteren Mannes – wohl um die 40 Jahre.
>>Halt die Fresse Miriam. Fällt eh keiner auf den Scheiß rein, den du von dir gibst.<<
Die besagte Frau war unzufrieden mit der Situation.
>>Hast du denn ‘ne bessere Idee?<<
Der ältere seufzte etwas.
>>Wir werden schon so einen armen Bastard finden, der auf Schatzsuche nach Varuna gehen wird. Kommen ja genügend Bastarde nach Gerimor, die sich hier ein besseres Leben erwarten.<<
Themias bewegte sich ungewollt etwas und ein Knacken von kleinsten Hölzern am Boden war zu vernehmen. Auch die vermeintlich aufmerksame Mutter hörte dies und blickte schnell in die Richtung von Themias. Er befand sich noch in der Dunkelheit. Doch die sich annähernde Frau gab ihren Kameraden stumme Signale mit der Hand, deutete in Themias Richtung.
Er hörte das hastig werdende Pochen seines Herzens immer lauter. Wenn er nun losrannte, wusste er nicht wie weit er kam und wohin ihn sein Weg mitten in der Nacht den geführt hätte. Er war auf ihm noch unbekanntem Terrain und man hätte ihn wohl leicht einholen oder finden können, wenn man sich denn auskannte. Daher bewertete Themias diese Idee als fahrlässig und verwarf sie.
Instinktiv sah er auf seine Füße – sie hatten ihn schlussendlich verraten.
Immer dann, wenn er auf das Lied einwirkte, um magische Einflussnahme auf seine Umwelt zu nehmen, machte sich dies bei Themias durch eine Angewohnheit bemerkbar. An der linken Hand konnte man es deutlich sehen.

Er rieb Zeige- und Mittelfinger an dem Daumen. Auch jetzt führte er diese Bewegung durch, konzentrierte sich auf die gegenüberliegende Seite des Waldes. Er sah das Energienetz der Göttin deutlich vor seinem geistigen Auge, erkannte das Geflecht und nutzte das Element der Erde. Das Moosgeflecht auf dem gegenüberliegenden Aufstieg in den Wald wurde eingedrückt. Die Abdrücke waren einzigartige Kopien von Themias‘ Schuhwerk. Auf dem Moos noch leise, ja nahezu lautlos, führte Themias die gewichtigen Schritte in den Wald hinein.

Wie erwünscht, wurde die Aufmerksamkeit der sich auf dem Weg versammelten auf die andere Seite des Waldes gezogen. Nicht jedoch die Aufmerksamkeit der jungen Frau, die Themias wohl erahnt hatte. Sie bewegte die Fackel immer noch hin und her, versuchte Details in der Ferne zu erkennen. Mehr sogar, entfernte sie sich vom Wegrand und ging langsam in das Waldesinnere hinein. Ihre Kameraden hingegen folgten den Schritten.
Themias wusste, dass er Fassung behalten musste, wenn er glimpflich aus dieser Lage entkommen wollte. Er hatte den Großteil der Gruppe abgelenkt und doch schien dieses Schauspiel nicht ausreichen zu wollen. Auch weiterhin konzentrierte er sich auf die Magie, welche die Schritte imitierte. Die vermeintlichen Schritte schritten schneller in die Tiefen des gegenüberliegenden Waldes voran. Sie wirkten schnell und hektisch. Gekonnt lenkte Themias einen Großteil der Gruppe in den Wald hinein. Nicht jedoch die Frau, die die Beute schon witterte.
Themias musste an den Fackelschein denken, der ihn erst auf die Gefahr hingewiesen hatte. Er atmete tief ein und versuchte sich trotz der Situation in Konzentration zu begeben und all die Angst von sich zu lassen. Ein Signal an den Rest der Gruppe würde bei der Entdeckung von Themias ausreichen, um ihn in Gefahr zu bringen. Er umfasste seinen Dolch vorsichtig, was ihm einen Funken von Sicherheit gab.

Dann versuchte er tiefer in das Lied einzuwirken. Synchron mit dem Zugriff, wo die Fußspuren ausgeübt wurden, erschien ein flackerndes und schwaches Lied genau an der Stelle wo sich die Fußspuren befanden – auf einer höhe von etwa zwei Metern. Ein Anheben und Absinken des künstlichen Fackellichts, sollte die Illusion perfektionieren. Am Anfang schienen die Fußspuren und der künstliche Fackelschein nicht synchron miteinander abzulaufen – Themias spürte dies und meinte es auch aus der Ferne erkennen zu können.
Die Gruppe, die sich von der Finte hatte täuschen lassen, sah diese Details jedoch nicht.
>>Da hinten ist jemand – seht zur Fackel!<<
Zuversicht baute sich in Themias auf. Auch die jüngere Frau drehte sich kurz um und erkannte was die anderen auch sahen. Ihr Blick kehrte nochmal zurück in die Richtung, aus welcher sie Themias gehört hatte. Sie glaubte nicht daran, dass ihre Sinne ihr einen Streich gespielt hatten.
Sie patrouillierte am naheliegenden Waldrand entlang, kam auch an der Dickung vorbei, an welcher Themias unter großer Konzentration seinen Zauber ausführte. Je weiter er sich im Energienetz des Liedes entlangbewegte – desto größer wurde die Distanz von seinem Körper. Er musste sich selbst sagen, dass diese physische Grenze nur eine Illusion war.
Man hörte Gebrüll der anderen, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Waldes befanden und dem Phantom hinterherjagten.
>>Dort hinten!<<
Sie blieb vor Themias stehen, zog das Schwert aus der Scheide, welche am Gurt befestigt war. Themias schluckte schwerfällig und für einen Moment verschlang es seinen Atem. Schließlich wandte sich um, rutschte die Erhöhung hinunter und folgte ihrer Gruppe. Themias ließ dann los vom Zauber des laufenden Phantoms und ließ auch das Irrlicht langsam zu Boden fallen, wo es bereits nach wenigen Sekunden erlosch.
>>Die Fackel wurde fallen, schwärmt aus und sucht nach!<<
Hörte man es durch den Wald hallen. Für Themias bestanden keinerlei Zweifel mehr, dass es sich hierbei um Banditen handelte. Als der Tumult auf der anderen Seite lauter wurde, nutzte er die Gelegenheit, und eilte nahe am Weg – jedoch im Schutz des Waldes bleibend – den Weg in Richtung Varuna weiter entlang.
Nach einiger Zeit erloschen die Fackeln der Banditen in der Ferne und Themias fühlte sich wieder ein wenig sicherer. Seine Aufmerksamkeit war jedoch nun noch ein wenig präsenter als zuvor.

Nach einiger Zeit erreichte er eine Lichtung und erreichte die Stadtgrenze derjenigen Stadt, die er aus den Geschichten kennen gelernt hatte. Er war nun wirklich in Varuna angekommen. Vor seinem geistigen Auge stellte er sich vor, wie die Heerscharen von Untoten auf die Stadt marschierten, an die Tore hämmerten und wie der Dämon Kra’thor ihnen schlussendlich den Zutritt zur Stadt verschafft hatte und somit den Untergang von Varuna besiegelt hatte.
Doch das tatsächliche Bild war ein anderes. Ruhe herrschte vor der Stadt. Die Vögel schienen jedoch das Gebiet zu meiden. Nicht so die Insekten, sie spielten auch weiterhin ihre Melodien.
Er näherte sich der Brücke, die über den Wassergraben der Stadt führte und sah sich etwas um. Die Burgmauern waren teilweise eingefallen, auch die Brücke hatte ihre besten Tage bereits hinter sich gelassen und bat nur mehr eine Erinnerung daran, wie viel befahren Varuna früher gewesen sein musste. Menschen mussten wohl regelmäßig und zu jeder Zeit in der Stadt Ein- und Ausgehen.
Themias stellte sich vor wie Kutschen, Händler und Reisende diese Pforte durchquerten, um Teilnahme am Leben in dieser Stadt haben zu können. Doch davon war hier nichts mehr präsent. Lediglich diese bedrückende Ruhe und ein Gefühl des Unwohlseins, das sich mit jedem weiteren Schritt in Richtung Stadttore vergrößerte.

Er passierte die Wachtürme – hier wurden früher wohl die Kontrollen der Einreisenden ausgeführt.
Einige Steine bröckelten von dem Turm zu seiner Linken aus der Fassade heraus und landeten hörbar auf dem gepflasterten Boden. Themias sah zum Eingangsbereich in den Turm hinein - in die Dunkelheit. Einige Schritte waren auf hölzernem Boden zu hören. Das Holz knarrte und trug Kunde von zwei langsamen, sich annähernden Schritten.
Aus der Dunkelheit heraus, hörte er ein wehklagendes Stöhnen.
>>Ist da jemand?<<
Hakte er vorsichtig nach, legte Zeigefinger und Mittelfinger vorsorglich auf dem Daumen ab.
Wieder ertönte ein Jammern, ein Schluchzen, ein Aufstöhnen.
Dann sah Themias die Person, die so sehr klagte. Aus der Dunkelheit erschien eine humanoide Lebensform, aufrecht, jedoch nur schwerfällig vorankam. Alte, zerschlissene Kleidung bedeckte die fahle und rissige Haut, die mehr und mehr an einen mumifizierten Leichnam erinnerte. An einigen Stellen schien die Haut nicht mehr halten zu können und Knochen kamen sichtbar hervor.
Diese Person war keine mehr – dessen war sich Themias sicher. Ein Blick in die leeren, gräulichen Augen dieses Wesen, ließ die Vergangenheit erneut aufblühen und Themias die toten Banditen in Nharam, die er durch sein Erwachen getötet hatte. Die Augenpartien glichen sich stark. Michlig, trüb, ergraut und des Lebens beraubt. In diesem Wesen war nichts mehr, das hätte als menschlich bewertet werden können.

An den Fingerspitzen der Hand, in der er die gewohnte Gestik ausführte, wuchs eine lodernde Flamme heran. Die sich wie ein Stofffetzen zusammengeknüllt wurde, sich ineinander wob und einen Ball aus fast schon lebendig wirkendem Feuer bildete. Ja, auch diese Art der Magie hatte Themias bereits zu genüge geübt. Noch nie an lebenden oder untoten Wesen – jedoch oft genug um zielführend ein Feuer entfachen zu können. Ohne groß zu überlegen, warf er den Ball aus Feuer in Richtung des Wesens. Es war ganz und gar so als hätte der Ball aus Feuer ein Eigengewicht gehabt. Er ordnete sich den Gesetzen der Physik unter und gehorchte der Schwerkraft, landete hat auf dem Untoten, der sich Themias immer weiter näherte. Das Wesen jammerte weiter unentwegt und ließ sich von dem Feuer nicht beirren. Es kam immer näher. Themias wiederholte die Prozedur, erschuf einen erneuten Feuerball und schleuderte diesen mit mehr Schwung gegen das Schienenbein des Untoten – genau an der Stelle, wo die Knochen bereits herausschauten. Auch dort brannten die übergebliebenen Hautfetzen, stanken bestialisch und der Knochen schien unter der Last des Aufpralls und der Hitze des Feuers zu brechen. Der Untote brach am Boden zusammen, versuchte Themias mit den Händen zu erreichen. Angespannt betrachtete Themias das Geschehen. Nach kurzer Zeit hörte man erlöstes Seufzen und der Kadaver bewegte sich nicht mehr. Auch das Jammern war nicht mehr zu hören. Entsetzt richtete Themias seinen Blick auf das Tor zum Eingang von Varuna. Kra’thors Einfluss wirkte wohl immer noch auf diese Stadt.

Themias wanderte weiter über die Brücke und näherte sich dem Portal. War die Neugierde größer als die Vernunft? Er war hergekommen, um selbst ausweglosen Situationen sein inneres Gleichgewicht halten zu können. Doch wo waren die Grenzen, die es galt einzuhalten?
Er erreichte das Portal und erneut hörte er ein Schluchzen – dieses Mal jedoch aus der Höhe. Wie vorhin schon erwähnt war der Befestigungswall nicht mehr komplett intakt. Der Verfall schritt kontinuierlich voran. Angrenzenden Wall beim Eingangsportal fehlten Fragmente der Mauern. Sie bereits vor langer Zeit eingestürzt und die Überreste fehlenden Mauerteile versammelten sich am Boden.
Ein dumpfer Aufschlag. Eines der Wesen stürzte von der Anhöhe hinunter, auf den Gesteinshaufen. Knochen brachen und der untote Kadaver schleppte sich mit den Armen weiter voran. Auch von Themias Rechten kamen zwei wandelnde Leichen aus dem Eingang des Walls auf Themias zu.
Er behielt Fassung – es war ihm bereits gelungen eines dieser Wesen zu bezwingen. Er musste sich nur konzentrieren. Erneut erzeugte er einen Feuerball, der wie in einer Glaskugel gefangen, wild umhertänzelte.

Er lenkte ihn auf denjenigen Untoten, der Themias am nächsten und auf zwei Beinen unterwegs war. Wie bei der ersten wandelnden Gestalt, fing die Haut und die alte und brüchige Kleidung Feuer. Der Oberkörper brannte und es war nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Wesen wehrlos zu Boden gehen würde. Doch da waren noch zwei weitere Gestalten. Themias überlegte nicht lang, näherte sich dem brennenden Untoten, hielt die Rechte nach oben vor den Kopf, wegen der Hitze, die das Feuer ausbreitete. Mit einem gezielten Tritt stieß er das brennende Wesen gegen den anderen sich annähernden Untoten. Auch dieser fing Feuer. Dann griff der am Boden krabbelnde nach Themias‘ Bein. Instinktiv schlug er mit dem Bein fest nach dem Kopf des Wesens, nahm kurzerhand seinen Dolch und schnellte diesen mit einem gezielten Stich durch den Kopf des Angreifers. Das Wesen aber ließ nicht locker und einer der lichterloh brennenden Untoten kam weiterhin auf Themias zu. Er erinnerte sich an eine andere Art und Weise, die magischen Kräfte zu nutzen. Die Situation wurde hektischer – sehr viel hektischer. Dieses Mal rieb er drei Mal mit Zeigefinger und Mittelfinger über den Daumen. Beim dritten Mal schnipste er mit den Fingern und kleine, surrende Funken regneten auf den Angreifer am Boden ein. Als sie diesen berührten, zuckten die noch intakten Muskeln zusammen – das Wesen schien keinerlei Kontrolle über seine Muskeln mehr zu haben und Themias konnte sich aus dem Griff befreien. Er atmete tief ein, schleuderte auch auf dieses Wesen eine Feuerkugel und betrat langsam die Stadt. Lange folgte ihm der noch aufrecht gehende Untote nicht. Er brach wie zu erwarten zusammen.

Dann sah Themias das erste Mal das Innere der einst so glorreichen Stadt. Wo Gelächter von Kindern hätte sein müssen, handelswütige Menschen hätten feilschen und Soldaten hätten wandern sollen, war nur noch eine vergiftete Einöde, die von Untoten und anderem Getier behaust wurde. Ein schrilles Aufschreien einer Frauenstimme war in der Ferne zu hören – viel weiter im Inneren der Stadt. Doch Themias war sich sicher, dass es sich hierbei nicht um einen Menschen handeln konnte. Der Schrei trug Kunde von Wut und Verzweiflung. Er näherte sich weiter dem Inneren der Stadt, fragte sich, wie weit er noch gehen konnte und wie gesund diese Reise denn wirklich war. Hatte er sich nicht schon selbst zu genüge beweisen können, dass er dazu in der Lage war, in gefährlichen Situationen Haltung zu bewahren?
Noch während er überlegte, hörte er das Brechen von Holz – wieder aus der Höhe. Holzschindeln eines brüchigen Wohnhauses brachen unter der Last eines riesigen Wesens zusammen, welches über das Dach kletterte. Acht gewaltige Beine, hielten Balance auf dem Dach der Ruine und ebenso acht faustgroße, tiefschwarze Augen hatten Themias ins Visier genommen. Ein solches Monstrum hatte Themias noch nie gesehen. Es war beinahe so Groß wie eine Kutsche und Themias kannte solche Tiere in einem viel kleineren Format. Sie versteckten sich meist in Ecken von Gebäuden oder der Stallung und errichteten dort ihre Netze. Doch diese Spinne erreichte völlig andere Dimensionen.

Langsam ging Themias rückwärts, wusste dass es wohl ein Fehler gewesen war nach Varuna zu kommen. Mit den Untoten wäre er bis zu einem gewissen Grad klargekommen. Doch er wusste nicht ob er diesem Wesen hätte standhalten können. Vorsichtig ging er weiter rückwärts in Richtung Ausgangsportal. Als weitere Ziegel unter dem gigantischen Wesen zusammenbrachen und das Holz der Dachstruktur nachgab, verlor die Spinne Halt, versuchte sich wieder zu fangen. Es regnete teile der Dachziegel auf den Boden, welche laut auf dem gepflasterten Boden zersprangen. Andere Wesen kamen zum Vorschein. Spinnen wie Untote – aus den Ruinen der Häuser. Themias war unangekündigt in diese Stadt gekommen und ihre Bewohner würden ihn auf ihre Art empfangen wollen. Es ging nun nicht mehr um das Bewältigen und Kontrollieren seiner Kräfte. Er hatte diesen Wesen auch gar nicht entgegenzusetzen. Selbst wenn seine unheimliche Kraft, die mit dem Erwachen das erste Mal zu Tage gefördert werden würde – so wusste er nicht, ob sie ausreichen würde. Mit einem Satz machte sich die Spinne sprungbereit und flog in Themias Richtung. Rückwärts eilend, wollte er sich noch umdrehen, stürzte jedoch zu Boden und das gewaltige Tier landete direkt über ihm.
Mächtige Zähne bleckten aus dem riesigen Maul hervor, schnappten nach Themias, der seinen Arm nach oben hielt. Die Zähne beschädigten das Leder seiner Rüstung stark. Schnell griff er nach seinem Dolch und rammte ihn in die Unterseite des Wesens. Es wehrte sich stärker, versuchte Themias mit den gewaltigen Zähnen im Gesicht zu erwischen. Mit beiden Händen stemmte er sich gegen das angreifende Gewicht des riesigen Wesens. Ohne groß zu überlegen, schuf Themias erneut einen Feuerball. Die gewohnte Gestik unterließ er dieses Mal. Der Feuerball wurde an der Einstichstelle des Dolches kanalisiert und breitete sich breiflächig am Unterleib des Wesens aus. Auch Themias Hände wurden von der Hitze verbrannt. Zu seinem Glück sprang das Wesen einige Meter zurück und ließ von ihm ab.

Schnell krabbelte er rückwärts einige Schritte. Die Hände schmerzten stark. Doch er konnte sich später darum kümmern, wenn er denn überleben würde. So schnell er konnte, richtete er sich auf. Das Wesen hatte mit dem Feuer zu kämpfen, dass sich von den kleinen und buschigen Haaransammlungen der Spinne nährte.
Themias wandte sich um und rannte zum Ausgangsportal. Die riesige Spinne hatte Feuer erfolgreich abschütteln können und eilte seiner Beute – Themias hinterher.

Langsam, aber sicher holte es auf und Themias war sich dessen Bewusst. Während er in Richtung Eingansportal rannte, sah er nach oben und erkannte die brüchige Holzstruktur, welche im inneren des Walls erschaffen wurde. Er hatte das Portal erreicht und die Spinne kam immer näher.

Während er rannte, blickte er sich kurz um und schleuderte einen Feuerball auf die Holzstruktur des Walls über dem Eingangstor der Stadt. Doch anstelle den Feuerball loszulassen, wirkte er weiter auf ihn ein, erzeugte eine unbändige Hitze. Er hatte diesen Zauber noch nie so wirken lassen. Doch er sah es als seine einzige Chance an. Ein lautes Knarren und Brechen von Holz war zu vernehmen. Themias Glück, denn das Chaos in ihm war groß und komplexere Eingriffe in das Lied konnte er nicht mit Gewissheit durchführen.
Die stämmige und dicke Holzstruktur brach auseinander und landete direkt auf dem gigantischen Spinnenwesen.
Der Wall hingegen blieb intakt und unberührt von Themias eingreifen. Er fragte sich, was für Kräfte Kra’thos gehabt haben musste, um das schützende Eingangsportal einfach so wegfegen zu können.

Die stämmige und schwere Holzstruktur ließ das Wesen zusammenbrechen – Themias rannte trotzdem unaufhörlich weiter. Dann hörte mal dumpfe Schläge. Es hatte das Holz einfach abgeschüttelt und lief ungestört Themias hinterher.
Er brauchte dringend Schutz, musste irgendwo unterkommen. Er hatte Varuna und die Brücke verlassen. Das Wesen wollte jedoch nicht ablassen. Themias rannte weiter an der Stadtmauer hinter dem Graben entlang. Es holte auf, ackerte den weichen Boden mit den gewaltigen Beinen um. Dort war ein Friedhof, kurz vor Themias. Er sprang auf den eisernen Zaun der den Friedhof abgrenzte, kletterte so schnell es ihm möglich war über diesen. Das Wesen holte weiter auf, griff nach Themias, während er über den Zaun kletterte. Für diesen Moment war Themias schneller gewesen. Die Spinne war das Klettern jedoch gewöhnt, überquerte den Zaun mit Leichtigkeit und schnappte erneut nach Themias. Es packte mit dem kräftigen Maul den Umhang von Themias, zog ihn an sich heran. Themias wurde rückwärts auf den Boden geschleudert, griff instinktiv nach dem Dolch und schnitt sich vom Umhang los, indem er ihn am Hals abtrennte. Zornerfüllt schüttelte das Wesen den Umhang. Themias richtete sich schnell wieder auf, verschaffte sich stolpernd Einlass in eine Gruft. Das Wesen preschte gegen das intakte Gebäude, war zu stämmig, als dass es durch den Eingang hätte passen können. Sowohl das Gebäude als auch der Boden vibrierte unter der immer wiederkehrenden Kraft des Wesens, die gegen die steinerne Mauer preschte um an Themias heran zu kommen. Die Zähne waren bedrohlich nahe. Themias spürte den kühlen Hauch, der aus dem riesigen Maul des Wesens kam. Rückwärts krabbelte er weiter am Boden entlang und wäre in der Dunkelheit fast einen schmalen Treppengang hinuntergefallen. Der Spinnengigant versuchte weiterhin mit allen Kräften Themias zu erreichen. Er wusste, dass er in die Tiefen dieser Krypta steigen musste, um diesem Wesen entkommen zu können.
Er baute sich wieder auf, und flüchtete sich in die unbekannte Tiefe der Dunkelheit.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 09 Feb 2023 22:16    Titel: V - Rückkehr nach Nharam
Antworten mit Zitat

V - Rückkehr nach Nharam

Seine Reise nach Varuna war unerwartet, beschwerlich und mit denjenigen Gefahren gespickt, die er am wenigsten erwartet hätte.
Nach der Flucht vor dem gigantischen Ungetüm, war es ihm gelungen in eine Krypta zu fliehen, um dort Schutz zu suchen. Noch lange hörte er die vergeblichen Versuche des Monstrums, sich Einlass in das unterirdische Grab verschaffen zu können. Mit Gewissheit konnte er nicht sagen wie viele Stunden an ihm vorüberzogen, bevor langsam wieder Stille einkehrte. Müdigkeit hatte ihn überrannt und eben diese hätte ihm keinen weiteren Kampf genehmigt.
Er war sich nun darüber bewusst, dass die Gegenüberstellung mit den Banditen seine Feuertaufe gewesen war, welche mit dem Betreten von Varuna ihren Höhepunkt erreicht hatte. Und doch war er am Leben und hatte die Kontrolle über die Manipulationen des Lieds in der Obhut seines Verstands gelassen und nicht etwa seinen Emotionen.
Vernahm er dort unten etwa das gleiche Flehen und Gejammere wie in der Stadt? Die Vernunft überwog der neu entfachten Neugierde. Die Müdigkeit war zu groß und er hatte sein Ziel erreicht.

Als er sich in Sicherheit wog, trat er aus der Dunkelheit heraus, machte einen Schritt nach dem anderen und erreichte die Oberfläche. Es war ruhig geworden. Mit größter Behutsamkeit versicherte er sich ob die Sicherheit nicht nur ein Trugbild war. Vor dem Verlassen der Krypta, nahm er seine Umgebung äußerst sorgsam in Augenschein und erkannte, dass das Wesen ihn zurückgelassen hatte. Auch wenn Themias den Kampf wohl verloren hätte, so wusste er, dass der Spinnengigant ein hohes Maß an Kraft hatte einbüßen müssen.

Es brauchte einige Stunden, bis er K’awi erreicht hatte. Als er die salzige Meeresluft roch, überkam ihm das erste Mal ein Gefühl, dass der Heimat ähnlich war. Sehr lange lebte er hier noch nicht und doch hatte man ihn freundlichen empfangen und das von sprichwörtlich allen Seiten.
Nachdem er seine Unterkunft in K’awi erreicht hatte, wechselte er die Kleidung, zog sich etwas leichteres an. Die Rüstung musste an einigen Stellen geflickt werden, hatte Themias jedoch vor größeren Verletzungen schützen können. Doch dafür wäre auch am morgigen Tag noch Zeit gewesen.
Er ging auf den Balkon, welches an seinem Schlafzimmer angrenzte. Eine majestätische Pracht aus Ranken und Pflanzen hatte auf dem Balkon Residenz genommen. Sie verbreiteten verschiedene, süßliche Düfte, schmückte das triste Gestein mit einer bunten Farbenpracht und waren daher für Themias willkommene Mitbewohner. Auf einem kleinen Kissen ließ er sich mit einem erleichterten Seufzen nieder und erspähte das aufgespannte Himmelszelt, welcher mit weißen Lichtern geschmückt war. Der Mond warf seinen gleißenden Schein auf die Meeresoberfläche und Themias schien sich allmählich erholen zu können.
Er war sich sicher, dass er sein Ziel fast erreicht hatte. Nachdem er endlich die Kontrolle über die in ihm erwachten Kräfte, vollständig sein nennen konnte, konnte er seinem Leben endlich wieder anderen Begebenheiten Widmung geben.
Doch wo hätte er anfangen sollen? Waren es die misslichen Umstände der politischen Begebenheiten in Nharam, die Verantwortung dafür trugen, was seinem Großvater und ihm selbst geschehen war?
Vielleicht hätte er aber auch mehr unternehmen können, wenn er stärker gewesen wäre?
Dann musste er an die vor kurzem stattgefundene Schlacht auf Gerimor zurückdenken. Wie viele unschuldige Menschen hatte es wohl dort getroffen? Wie viele Kinder und Mütter und Väter mussten unter diesen widrigen Umständen ein Familienleben führen?

War es nicht genau das was Delroy ihm von Anfang an erzählt hatte?
>>Zum Schutz des freien Volkes der Menschen.<<
Flüsterte er leise nach und schien die Worte allmählich wirklich fassen zu können.
Schließlich stellte er sich eine leise Frage, die sich wohl schon seine Urahnen selbst gefragt hatten.
>Was für ein tieferer Sinn liegt hinter all dem?<
Stillschweigend sinnierte er über die Absichten der göttlichen Entitäten und wo Anfang und Ende ihrer Reise festgeschrieben stand. Wenn sie Teil dieser herrschenden Konflikte waren, war es vielleicht falsch zu sagen, dass Fehlbarkeit menschlich sei? Wäre nicht viel treffender gewesen, dass die Fehlbarkeit ganz und gar einem göttlichen Attribut zuzuschreiben war, welches an die Menschen weitervererbt wurde?
Doch er wusste, dass er zu Lebzeiten keine Antworten auf all diese Fragen bekommen würde.
Plötzlich musste er an seine Mutter – Teana – denken. Er kannte sie nur aus Erzählungen seines Großvaters und wusste nichts über ihren Verbleib. Langes, kastanienrotes Haar, zierliche Gestalt und Sommersprossen die sich im Zentrum ihres Gesichts versteckten und nur an warmen Sommern hervorkamen. Wie gerne hätte er gewusst, wo seine Mutter im Augenblick war, ob sie gesund war und ob sie ab und an vielleicht sogar an Themias dachte. Waren dort vielleicht noch andere Geschwister, von denen er nichts wusste? Er quittierte das geheime Aufstellen dieser Fragen mit einem Seufzen.
Dann malte er sich Teanas Erscheinungsbild vor dem eigenen Geiste aus und bildete sich sogar eine Stimme ein. Er schloss die Augen und ließ dem Traum freien Lauf.
Und doch wusste er, dass all dies nur Wunschgedanken waren, die wohl auch auf Lebzeiten unbeantwortet blieben.

Er saß noch für etwa eine Stunde dort auf dem Balkon, genoss die Zeit dort und meditierte unterbewusst. Es war ihm vom Knochen in das Fleische übergegangen. Er stellte sich die Frage, ob er das auch noch machen würde, nachdem er nicht mehr in das Lied eingreifen würde?
Damit wollten sich neue Fragen über den Ursprung und das Sein des Liedes auftun, die er abschüttelte, nachdem er sich aufgerichtet hatte.
Nachdem er etwas Schlaf bekommen hätte, war er sich sicher, dass die Fragen nachließen.
Er verließ den Balkon und zog sich in sein Schlafzimmer zurück. Es brauchte nicht sehr lange, bis er schließlich die Augen schloss und seinen wohlverdienten Schlaf fand.

Irgendwann erhob er sich wieder, sah seinen eigenen Körper auf dem Bett liegen und war sich darüber bewusst, dass er träumen musste. Er kehrte zurück auf den Balkon und sah die Welt um sich herum, wie er sie vor kurzem noch in wachen Zustand gesehen hatte. Der Gedanke an seinen Großvater, an Nharam, an seine Heimat kehrte wieder. Federleicht, erhob er sich in die Lüfte, spürte weder Gewicht noch Körper. Über die weiten des Meeres machte er sich auf um Nharam zu besuchen.

(OOC: Nachfolgend ein Video des Traums - Pfad der Träume)


Zuletzt bearbeitet von Themias Quant am 09 Feb 2023 22:17, insgesamt einmal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 31 Mai 2023 23:22    Titel: VI - Grabmilben und Wiedergeburt
Antworten mit Zitat

VI - Grabmilben und Wiedergeburt
Die Verwandlung war eine Technik mit der Themias die eigene Struktur des Liedes anpassen konnte, um sich in ein gänzlich anderes Wesen verwandeln zu können. Es war ihm als Aufgabe mitgegeben worden, sich ein Tier genauer unter die Lupe zu nehmen, um den Akt der Verwandlung selbst durchführen zu können.

Mit diesem Schriftstück halte ich meine Beobachtungen und Erfahrungen fest, die ich mit einem bestimmten Tier in den Wäldern um Bajard gemacht habe.
In den Tiefen der Wälder hielt ich nach einem bestimmten Tier Ausschau, dass ich in der Vergangenheit in Nharam des Öfteren an den Flüssen vor unserem Hof gesehen hatte. Ich muss ziemlich jung gewesen sein, als ich das erste Mal den kräftigen und hohen Schrei dieses Tiers vernommen hatte. Ein kurzer Schrei, der vom Fluss, über die vom Mondlicht bedeckten Felder hallte. Immer und immer wieder. Als Kind kamen mir natürlich die eigentümlichsten Überlegungen, über den wahren Ursprung dieser Geräuschkulisse. Doch mein Großvater klärte mich über dieses Bellen und Keckern auf und verriet mir, dass es sich um die Ranz handelte – Füchse, die sich in der Paarungszeit befanden. Ein paar Mal durfte ich sie aus weiter Entfernung beim Fluss sehen. Ein rötliches, oranges Fell, das ihren Rücken einfärbte und weiße Härchen, die sowohl Brust, Bauch als auf Pfoten eindeckten. Es waren sonderbare Tiere – jedoch auf überraschend wundersame Weise. Ich weiß noch, dass ich zahllose Male auf den Hügeln saß und sie bei den typisch milden nharamer Nächten einfach nur betrachtete. Damals erkannte ich natürlich keinerlei Struktur im Energienetz des Liedes und verstand nur das, was mir meine Augen begreiflich machen konnten.

Darum berichte ich nun von meinen Erfahrungen. Ich wusste bereits das Rotfüchse Dämmerungs- und Nachtaktiv sind und machte mich genau zu den gegebenen Zeiten auf den Weg, um nach ihnen zu suchen. Anders als in Nharam, musste ich tief in die Wälder vordringen, bis ich fündig wurde. Mein erster Kontakt mit einem Fuchs auf Gerimor war äußerst kurz und der Besuchte schien damit nicht einverstanden zu sein. Das Tier maß etwa einen halben Meter Höhe und die honigfarbenen, bernsteinähnlichen Augen erreichten mich prüfend. Dieser Überschneidung beider Blicke dauerte nur wenige Herzschläge an, bevor der Fuchs sich verabschiedete und Reißaus nahm.
In der gleichen Nacht konnte ich diesen Fuchs nicht mehr antreffen. Er wusste über mich Bescheid, wusste mich mit seiner empfindlichen Nase und dem damit einhergehenden, markanten Geruchssinn aufzuspüren – und das lange bevor ich in seiner Nähe war.
Es war bereits dunkel geworden und ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, wo genau ich mich befand und doch wollte ich nicht aufgeben und wiederkehren. Ich schuf einen kleinen Anker, der mir den Weg hier her zurückzeigen sollte – am nächsten Abend. Ein Groschen musste herhalten. Ich markierte diesen Ort und musste darauf hoffen, dass der Fuchs in diesem Gebiet bleiben würde.
Ich versteckte den Groschen unter einem mit Moos bewachsenen Stein, ließ ihn dort eins werden mit der Natur um sich herum. Für die Außenwelt versteckt, war er für mich selbst mit geschlossenen Augen sichtbar. Das Gespür für das Lied war ein Sinn, den ich erst erlernen musste. Anfänglich wirkte es wirr – ja gerade zu verstörend. Doch je öfters ich diesen Sinn einsetze, desto bewusster wurden mir die Vorteile, die er mit sich brachte.
Als Mensch vertraut man auf die gegebenen und ausgeprägtesten Sinne. Die Sensibilität dieser Sinne mag für viele Menschen unterschiedlich stark gegeben sein – der eine hört gut, der andere sieht weit und deutlich und einige können vielleicht sogar besser Gerüche identifizieren als andere.
Bei den Füchsen muss der Geruchssinn etwas sein das von Natur aus ausgeprägter ist. Wie bei den erwachten, die die Gabe haben das Lied zu durchforsten, ist es dem Fuchs gegeben überragend gut zu riechen und bei Nacht zu sehen.
Es waren grundlegende Begebenheiten, die meine Wenigkeit von diesem Tier unterschied.

Ich machte mich am gleichen Abend auf, um zurück nach K’awi zu kehren und was ich auf meinem Weg dorthin entdecken durfte, hatte ich nicht erwartet. Auf einem mit Gras befleckten Stück Land – inmitten des Waldes – traf ich einen weiteren Fuchs an. Er lag auf dem Boden, hatte den Kopf aufgerichtet und sah mich direkt an. Er dachte nicht einmal daran zu fliehen. Nein – etwas sonderte dieses Tier von dem zuvor Gesehenen ab. Das Fell hatte seinen Glanz verloren, wirkte sogar stellenweise schwarz und nässte. Mehr als das, schien das Tier an bestimmten Partien des Körpers sein Fell verloren zu haben. Auch der prächtige Glanz in den Augen war nicht mehr zu sehen.

Die Liedstruktur dieses Tieres sonderte sich von dem anderen Tier ab. Auch wenn ich das zuvor geflüchtete Tier nur kurz gesehen hatte, war ich gänzlich überzeugt, dass es einen großen Unterschied hier gab. Die Struktur des Wesens selbst war mit der eines kränklichen und schwachen Menschen verwandt – nicht etwa die gleiche, jedoch ähnlich. Mehr als das, schienen unabhängige Strukturen auf die des Fuchses einzuwirken und waren wohl für die schwächliche Erscheinung verantwortlich.
So gerne ich auch diesem Tier helfen wollte, konnte ich nicht. Ich wusste noch zu wenig über die Struktur dieses Tieres.
Ich musste weiterziehen. Hatte Erfahrungen gemacht, die nicht wie erwartet die Pracht und den Glanz dieses Tieres preisgegeben hatten und doch hatten sie mich unweigerlich weitergebracht. Um ein Tier zu kennen, muss man auch die Unzulänglichkeiten und Schwächen der Geschöpfe kennen.
Es waren kleine Tierchen – Milben – die für den Zustand des Tieres sorgten. Daher kamen auch die unabhängigen, kaum bemerkbaren Liedstrukturen.
Da ich reichlich wenig für dieses Tier mittels meiner arkanen Kräfte tun konnte, griff ich in die Tasche und zog etwas heraus, dass ich für mich mitgenommen hatte. Ein Stück kaltgeräucherte Forelle – nicht etwa ein ganzer Fisch, nein nur ein Stück, falls ich mich wirklich verlaufen sollte und hungrig werden sollte. Ich packte das Stück aus, zerknüllte das Tuch und steckte es zurück in meine Tasche.
Dann bückte ich mich vorsichtig und warf dem Tier die Nahrung zu. Zu meinem Erstaunen war das Tier bereit die von mir angebotene Nahrung anzunehmen und begann langsam den Fisch zu essen. Momente zuvor hatte ich gedacht, dass jedweder Lebensmut das Tier verlassen hätte. Ich hatte mich wohl getäuscht. Die Struktur des Tieres änderte sich – pulsierte geradezu – als sei der Lebenswillen neu entfacht worden. Ich wusste nicht wirklich wie gut die Chancen auf eine Genesung stand. Das Tier war jung, zwar ausgewachsen, jedoch nicht so groß wie der Fuchs, den ich zuerst gesehen hatte.

Ich kehrte zurück nach Hause, überließ den Fuchs sich selbst und würde zur nächsten Dämmerung zurückkehren.
Am darauffolgenden Abend kehrte ich zurück. Es war ein Leichtes mithilfe des Ankers zurückfinden zu können. Vom kränklichen Fuchs am gestrigen Abend war nichts mehr zu sehen. Auch die Liedstruktur des Tieres konnte ich in der naheliegenden Umgebung nicht erkennen. Ich konnte zwar Tiere in der Umgebung erkennen – zumindest ihre Liedstruktur – nicht jedoch das Tier, das gestern noch hier am Boden lag.
Doch das eigentliche Ziel war der Fuchs, der vor mir geflüchtet war. Ich näherte mich dem Ort und als ich dem Anker näherkam, wurde ich aufmerksamer, durchspähte der Ort mit Augen und Sinnen.
Dies tat ich eine ganze Weile und das ohne einen Erfolg. Dort waren Tiere – nicht jedoch der Fuchs, nach dem ich Ausschau hielt. Vielleicht war ich unvorsichtig gewesen und das Tier hatte mich erneut gesehen, bevor ich es nur erahnen konnte.
Es ist wahrlich ein schwieriges Unterfangen sich einzig und allein auf ein Tier zu konzentrieren und doch ist es eine unabdingbare Bedingung für die Verwandlung. Eine loste, unvollständige oder instabile Struktur als Vorlage für eine Verwandlung zu verwenden ist eine Gratwanderung, die in die Tiefe führen kann. Ein solches Risiko sollte niemand eingehen, der noch länger auf dieser Welt verweilen möchte.
Ich würde wieder zurückkehren – am nächsten Abend. Ich konnte ein Aufeinandertreffen nicht erzwingen und musste mich für den Abend geschlagen geben. Also kehrte ich auf den gleichen Weg zurück wie am Vorabend. Bei der kleinen, mit Gras befleckten Lichtung – die nun auch durch Mondlicht erhellt wurde – verschlug es mir für einen Moment den Atem als ich das Tier wiedererkannte, das ich am Vorabend gesehen hatte. Der Fuchs, den ich am Vorabend hier angetroffen hatte, war wieder vor Ort. Er lag wieder auf dem Boden, hatte den Kopf aufgerichtet und verfolgte mich aufmerksam mit seinem Augenpaar. Jetzt wurde mir auch klar, warum ich ihn vor Stunden nicht erkannt hatte. Ich hatte die Struktur seines Wesens missverstanden. Sie hatte sich seit dem letzten Vorabend verändert. Die fremden, parasitären Strukturen waren weniger geworden, bewegten sich langsamer und die des Fuchses hatte sich ebenfalls verändert. Die kränkliche Aura hatte nachgelassen. Und doch waren dort die kleinen Übereinstimmungen mit der Struktur von gestern. Das Fell fehlte immer noch an gewissen Stellen des Körpers. Doch das Nässeln war zurückgegangen. Ich bemerkte eine Besserung, die vom Fuchs selbst verursacht wurde. Mir kam sofort der Fisch in den Sinn, den ich ihm gestern gegeben hatte. Konnte es sein, dass die Nahrungsaufnahme ihm Kraft gegeben hatte? Konnte sich sein Körper dadurch regenerieren? Ja, es war unbestreitbar, dass der Körper einen Kampf begonnen hatte und zu neuen Kräften gekommen war.
Darum griff ich erneut in die Tasche und griff wieder nach einem Stück kaltgeräucherter Forelle. Ich packte die Forelle aus und das Tier erhob sich. Vorsichtig unterbrach ich mein Tun. Es fixierte mich und ließ mich nicht aus dem Blickwinkel. Es wartete wohl auf das Stück Fisch.
Ich war den Fisch in Richtung des Fuchses. Gierig griff er es sich und verspeiste es an Ort und Stelle. Kleine und vorsichtige Bisse, die eher an die Nahrungsaufnahme einer Katze erinnerten.

Ich ließ das Tier allein, kehrte nach Hause zurück. Zur nächsten Dämmerung kehrte ich wieder. Dieses Mal hielt ich jedoch nicht nach dem ursprünglichen Ziel Ausschau. Nein, ich wollte den kränklichen Fuchs wieder finden. Dieses Mal wusste ich jedoch, dass sich dessen Struktur bereits verändert haben konnte und ich mich dieser Abweichung bewusst sein musste.
Da meinte ich ihn in der Nähe der kleinen mit Gras bewachsenen Lichtung zu erkennen und trat vorsichtig heran und näherte mich dieser sich allmählich veränderten Lichtstruktur. Im Schatten der Bäume, vom Mondlicht geschützt, saß der Fuchs vor mir. Ein bernsteinfarbenes Augenpaar sah mich erwartungsvoll an.
Er schien stärker und lebendiger als an den Vorabenden. Seine Struktur kämpfte nun aktiv gegen die kleineren parasitären Strukturen an und schienen die Überhand dieses Kampfes zu gewinnen. Der Herzschlag war kräftiger, die Körperwärme angestiegen und das Leben fand seinen Weg zurück in dieses Tier.
Es bewahrheitete sich in den darauffolgenden Abenden. Das Tier regenerierte mehr und mehr Lebenskraft und das mit jedem weiteren Abend, an welchem ich ein Stück Fisch verfütterte.

Mir wurde am lebenden Beispiel aufgezeigt wie sehr ich mit meiner anfänglichen Annahme, ein gesundes Tier als Maßstab zu beobachten, falsch lag. Es war ein Irrtum. Es gibt sehr viel mehr als nur die offensichtliche Gesundheit, die wir mit den Augen oder innerhalb des Liedes erkennen können. Dieses Wesen hatte über Wochen hinweg eine natürliche Resistenz gegen die parasitären Angreifer aufgebaut. Der gesunde Fuchs, dem ich zunächst nachjagen wollte – er hatte diese Eigenschaft nicht. Ihm fehlte diese Verteidigungsmaßnahme und doch waren beide Füchse völlig gesund. Es zeigte mir auf wie komplex das Sein jedes einzelnen Lebewesens sein konnte.
Auf eigentümliche Weise wurde dieser Fuchs – wohl bedingt durch seine Krankheit und meine Hilfe – zutraulicher.
Für eine gesamte Mondwanderung kehrte ich jeden Abend zurück zum Ort, an welchem ich den Fuchs kennenlernen durfte, und lernte mehr über seine Struktur.

An einem Nachmittag kehrte ich zurück und fühlte mich bereit. Ich wollte die Verwandlung vollziehen und das bevor der genesene Fuchs zurückkehrte.

Ich konzentrierte mich auf Struktur des Fuchses – auf seine losen, schwachen Parts. Ich konzentrierte mich auf die starken, beständigen und lebenserfüllenden Teile. Ich umfasste die Teile, die das rot-orangene Fell auf dem Rücken bildeten und diejenigen, die das Weiße Fellbett auf Bauch und Hals sorgten. Meine eigenen Liedstrukturen versuchte ich entsprechend zu korrigieren, umzuformen und änderte sie ab.

Ein Knacken war zu hören und ein unheilvoller Druck auf meine Knochen. Sekunden später folgte Schmerz als meine Knochen brachen, wieder zusammenwuchsen und sich umformten. Mein gesamter Körper folgte den Änderungen, die ich für ihn vorhergesehen hatte. Am schmerzvollsten waren die Veränderungen an Kopf und Kiefer. Das Wachsen der Zähne und die Umformung des Kiefers und Kopfes fühlten sich wie ein wildes Hämmern auf meinen Kopf ein. Meine Atmung beschleunigte sich zunehmend und irgendwann meinte ich das Bewusstsein für einen Moment zu verlieren.

Ich öffnete die Augen und das Licht blendete mich. Es brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es nicht das Licht war, das mich blendete. Es war die neue Art zu sehen, mit der mein Verstand zunächst nicht zurechtkommen wollte. Ich musste die Sinne mit der beobachteten Vorlage harmonisieren – die Verwandlung war noch nicht vollzogen.
Es wurde angenehmer und ich stand tatsächlich als verwandeltes Wesen Ort und Stelle.
Die Welt durch diese Augen zu sehen erstaunte mich. Alles wirkte so viel größer als zuvor und ich muss mit Verlaub gestehen, dass der Wald schon vorher riesig auf mich wirkte. Doch diese Welt war größer, prächtiger und vor allem weitreichender. Ich hörte Flussrauschen und Tiere kommunizieren, wie ich es als Mensch nicht getan hatte. Eine neue Welt hatte sich mir offenbart. Es war fast so, als wäre man in einer vielbesuchten Stadt unterwegs gewesen.

Aus dem nichts – ich witterte ihn jedoch schon – kam mein alter, genesener Freund. Er näherte sich mir, schien vertrauen zu haben und nicht argwöhnisch zu sein. Meine Verwandlung schien nicht komplett gewesen zu sein, wenn mich dieser Fuchs erkennen konnte und trotzdem fühlte ich mich nicht mehr wie ich selbst.

Er wandte sich ab und sah zu mir und rannte in die Tiefen des Waldes. Ich folgte ihm, spurtete los und durchquerte erstmalig als Fuchs die Wälder von Gerimor. Zu meinem eigenen Erstaunen, hatte ich nicht nur eine Verwandlung vollzogen, sondern auch somit einen Freund gefunden, mit welchem ich die nächtlichen Wälder durchstreifte.



Zuletzt bearbeitet von Themias Quant am 01 Jun 2023 00:19, insgesamt 2-mal bearbeitet
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Themias Quant





 Beitrag Verfasst am: 02 Sep 2023 12:43    Titel: VII - Fels der Brandung
Antworten mit Zitat

VII - Fels der Brandung

Die Welt war auseinandergebrochen. Gerimor wurde zerbrochen, um schlussendlich wieder zusammengesetzt zu werden. Doch mehr als das, gab es einen unerwarteten und neuen Teil, der sich ohne zu fragen Gerimor angenähert hatte. Die Insel K’awi. Sanftes Mondlicht landete auf der See bei K’awi. Die Gezeiten hatten sich auf der Insel nicht geändert. Die Wanderung selbst wurde so geschickt bewerkstelligt, dass all die vorher herrschenden Naturgesetze der Insel immer noch galten. Und so wurde das Leben auf dem tropischen Gefilde der Insel fortgesetzt. Noch lange nach Anbeginn der Nacht, dem Erwachen der Nachtwelt auf K’awi, hatten Themias und Caldrin noch Gäste, die bewirtet werden wollten. Der Felswirt hatte dank des wiedergekehrten Marktes auf der Tropeninsel einen von Interesse und Neugier gespeisten Zugang. Es war die erste, offizielle Eröffnung des Felswirtes. Nicht zuletzt war es wohl der Wanderung von K’awi zu verdanken, die direkt an den Ufern von Gerimor endete. Auch Sethrad galt die Verantwortung dafür, dass die Menschen aus nah und fern den Felswirt aufsuchten. Er war nämlich derjenige, der den Felswirt in seinen Aushängen erwähnt hatte.

Daher blieben die Gäste. Und zum Erstaunen der Gemeinschaft der Felswart, kamen sowohl Besucher aus dem Alatarischen Reich als auch Besucher aus dem Königreich Alumenas. Außer ein paar scharfsinnigen Blicken, die davon Kunde trugen, dass Aufmerksamkeit ein steter Begleiter der eintretenden Gäste war, gab es keine nennenswerten Vorkommnisse. Die Gäste unterhielten sich, lachten, brüllten und verlangten nach mehr Getränken – ganz wie in einer normalen Schenke, wie man sie von überall her kannte. Entgegen allen bösen Zungen, die verlautbarten, dass solche Orte ein Sinnbild für Konflikte sein würden – behielt der Felswirt eine muntere, lebendige und gesellige Stimmung, während dieses ersten Abends.

Natürlich hatte die Gemeinschaft der Felswart auch Maßnahmen getroffen, um sich androhendes Konfliktpotential im Keim ersticken zu können. Dazu kam es am besagten Abend jedoch nicht.
Außer einem zerbrochenen Krug, den ein junges Mädel einem ihrer Gefolgsleute hinterhergeworfen hatte, gab es keine erwähnenswerten oder besser gesagt: negative Erscheinungsformen. Denn erwähnenswert ist das gesittete Aufeinandertreffen konkurrierender Reiche alle Male.
In Themias Kopf nahm auch kurz der Gedankengang Platz, K’awi selbst sei für die friedvolle Harmonie verantwortlich. Ihr tiefer Zugang zum Lied selbst war unbestreitbar – das hatte zuletzt die Wanderung der Insel bewiesen.
Auch wenn der Gedankengang des Mannes nicht zutraf, war er trotzdem glücklich darüber. Er selbst wurde von Caldrin für den Abend des Marktes als Schankwirt ausgewählt. Ob er sich darüber freute in den Genuss dieser Aufgabe zu versinken – mit Sicherheit nicht. Themias war bisher immer derjenige gewesen, der vor dem Tresen saß und sich hatte bedienen lassen. Nun für Ausschank und Ordnung zu sorgen hatte ihn tatsächlich Schwitzen lassen.

Nachdem die letzten Gäste sich verabschiedet hatten und den Felswirt verlassen hatten, beschwörte Themias eine Art von elementaren Wasserfunken. Die Gestalt wich jedoch von dem ab was man in der Akademie für gewöhnlich lehrte. Das Wesen schlenderte leichtfüßig über den Boden, benetzte diesen mit einer dünnen Schicht von Wasser, welche mit dem nächsten Schritt wieder in sich selbst aufgesogen wurde. Somit nahm das Wesen auch kleinste Schmutzpartikel in sich auf. Es durchwanderte die Räumlichkeiten des Felswirtes einige Male, bevor Themias es von seinem Dienst entließ. Auch für ihn war die Zeit gekommen den Felswirt zu verlassen. Es war ein erfolgreicher Abend gewesen und weitere würden folgen – dessen war sich Themias sicher. Nachdem sein Blick den von Kerzenschein beleuchteten Raum durchwandert hatte, griff er gekonnt in das Lied ein. Mit einem sanften Windstoß, der den Docht einer jeden Kerze berührte, verkündete er diesen das Ende ihres Arbeitstages und befreite die Räumlichkeit sogleich vom erhellenden Licht.

Er wandte dem Inneren seinen Rücken zu und berührte den Türknauf mit der Linken. Ein sanfter und warmer Hauch eines Windes berührte seinen Nacken. Schnell wandte er sich um. Doch dort war nichts, was er für sich erkennen konnte. War es die Müdigkeit, die ihn zu übermannen versuchte? Es war spät geworden – viel später als Themias es gewohnt war. Genau das muss es gewesen sein. Seine Sinne spielten ihm einen Streich und verkündeten ihm, dass es an der Zeit war das Bett aufzusuchen. Erneut wollte er den Raum verlassen, als eine bekannte Stimme den Raum durchquerte.
>>Soll es das wirklich gewesen sein? Ist das wirklich alles, Themias?<<
Er kannte die Stimme – wusste nicht woher. Suchend durchkämmte sein Blick den Raum.
>>Wo bist du? Zeig dich.<<
Für einige Momente bedeckte tiefstes Stillschweigen den Raum. Lediglich das Rauschen der Meereswellen im Außenbereich war ab und an heimlich, wie ein Kratzen an den Außenwänden zu hören. Themias aber war sich sicher, die Stimme gehört zu haben.
>>Gib dich zu erkennen. Ich weiß, dass du da bist.<<
Dann antwortete die weibliche Stimme.
>>Für jeden Schritt den du tust, werde ich auch einen tun. Erinnerst du dich an diese Worte?<<
Themias schluckte schwerfällig. Allmählich schien die Erinnerung in ihm wiederzukehren. Es war ein Traum, den er bereits in die Vergessenheit gedrängt hatte. Etwas, worüber er nicht länger grübelte.
>>Und doch stehst du still.<<
Auch weiterhin suchte der junge Mann nach dem Ursprung der Stimme – vergeblich. Und trotzdem berührte ihn eine Vorahnung.
>>Das hier ist ein Traum, richtig?<<
Prompt bekam er eine Antwort auf die Frage.
>>Selbst wenn es so ist, was unterscheidet den Traum so sehr von der Realität?<<
Gefasst antwortete er streng urteilend.
>>Ein Traum ist und bleibt ein Produkt des eigenen Kopfes.<<
Die Stimme der Frau ging auf die Behauptung ein.
>>Und dessen bist du dir absolut sicher? Du hast so vieles über das Lied und das Wandeln durch Sphären gelernt und doch verschließt du dich dieser neuen, offenen und unentdeckten Welt?<<
Er suchte nach Anhaltspunkten. Beweise die diesen Ort als Lüge oder alternative Sphäre hätten enttarnen können.
>>Eine Sphäre durchwandert man nicht zwangsläufig mit allen menschlichen Sinnen. In mancher Sphäre nutzen dir deine Sinne wenig, da sie nicht notwendig oder nicht kompatibel sind.<<
Themias schüttelte sachte den Kopf – versuchte die Worte zu verinnerlichen und doch brannte die Frage heißglühend in ihm auf.
>>Was möchtest du von mir?<<
Wohlklingend, freundlich und einladend ertönte die Stimme erneut.
>>Ich möchte dich erinnern, warum du hierhergekommen bist. Du hast dein ursprüngliches Ziel aus den Augen verloren.<<
>>Mein ursprüngliches Ziel?<<
Plötzlich erschien eine Lichtgestalt vor ihm – etwa einen Meter über dem Boden. Ein aufleuchtender, flackender Schein, von gleißendem Licht, welches ihn blendete. Er konnte seinen Blick nicht lange festigen, musste das Augenmerk vom grellen Orb lösen.
>>Du bist ein erwachtes Kind. Ein Kind des Lichts. Die Erkenntnis über die Ergründung des Ursprungs wurde dir zu Teil. Du solltest mehr erreichen als eine Taverne in den Tiefen eines Urwaldes zu führen.<<
Themias wurde Gewahr darüber, dass diese Wesenheit ihn über all die Zeit, die er hier war, verfolgt hatte.
>>Ich wollte das Lied kontrollieren können. Wollte weiteres Unheil verhindern können, um ein normales Leben führen zu können.<<
Die Stimme pflichtete ihn zunächst bei.
>>Und das ist auch gut so. Doch das waren nur deine ersten Schritte. Dein Erwachen war jedoch nicht nur eine Prüfung. Es war die Loslösung deiner Fesseln.<<
Themias schien nicht so recht verstehen zu wollen.
>>Meiner Fesseln?<<
Wieder sprach die Stimme der unbekannten Frau und versuchte eindringlich auf Themias zu wirken.
>>Bisher fühltest du dich auf der Insel sicher. Ihre Abgeschiedenheit, ihre Ruhe und ihr Einklang mit ihrer Umgebung gaben dir Zuversicht, Sicherheit und ein Gefühl von Heimat. Doch von all dem wird nicht mehr viel bleiben.<<
Themias atmete tief ein, versuchte die Bedeutung dieser Worte zu deuten.
>>Was willst du damit sagen?<<
Die Stimme scheute sich nicht davor ihre Ausführung weiter fortzusetzen.
>>Du wirst Freunde finden. Welche die sich nur als solche ausgeben werden. Welche, die dich unterstützen werden. Scheinbare Feinde werden sich dir entgegenstellen. Welche die dir allem Anschein nach deiner neuen Heimat streitig machen wollen, dich am Ende aber unterstützen werden. Doch es werden auch solche kommen, deren Ziele du nicht sofort erkennen wirst und die Gefahr bedeuten. Du wirst weder dich noch das dir Liebgewonnene schützen können, wenn du dich weiterhin nur als scheinbar harmonischen Teil der Insel ausgibst.<<
Doch Themias wollte nicht glauben was er da hörte.
>>Unsinn! Die Menschen waren friedlich hier. Es lief heute zur Zufriedenheit aller!<<
Die Frau aber resignierte nicht.
>>Ist das wirklich so? Gib dich keinem Irrglauben hin.<<
Themias runzelte die Stirn in tiefe Falten, hakte nach.
>>Was?<<
>> Diese Taverne, die Insel – nichts wird die Grundeinstellung der Menschen in den Reichen ändern. Ihre Götter haben weder etwas mit Glauben noch mit Religion zu tun. Sie sind so real wie du und ich und beanspruchen diese Welt für sich. Die Insel ist nun ein Teil dieses Konflikts. Und das ist der Grund warum du hier sowohl Freunde als auch Feinde finden wirst. Sowohl Wanderer des Alatarischen Reiches als auch diejenigen, die den Pfad des Königreichs Alumenas wandern, werden Begleiter auf deinem steinigen Pfad sein.<<
K’awi hatte sich inzwischen so nahe an Gerimor angenähert, dass es selbst als Teil Gerimors hätte anerkannt werden können. Konflikte mit den Einwohnern von K’awi oder zwischen den Reichen, wenn es um die Zugehörigkeit von K’awi ging, waren Wahrscheinlichkeiten, die nicht abgestritten werden konnten. Ja, die Worte rührten langsam etwas in Themias.
>>Und was soll ich dagegen tun?<<
Kurze Zeit pausierte die Stimme. Themias sah wieder in das gleißende Licht.
>>Gib Antwort!<<
>>Zuletzt hattest du einen Zauberstab in Artefaktkunde geschaffen. Du hast ihn aus Angst vor deiner Unvollkommenheit bis heute nicht abgegeben. Führe deinen Weg, der dich dem Lied näherbringt, fort. Gehe in die Welt hinaus und finde verbündete, die dich bei der Verteidigung deiner neuen Heimat voranbringen. Schütze, stärke und entwickle die Gemeinschaft um dich herum. Ich werde dich auch fortan begleiten – mit jedem Schritt.<<
Themias war sich immer noch unschlüssig.
>>Mutest du mir da nicht ein wenig zu viel zu? Ich bin nur der Sohn einer ausgerissenen Bäuerin.<<
Die Stimme aber beschwichtigte nur etwas.
>>Lerne und wachse. Ich werde zurückkehren und an deiner Seite sein, wenn es soweit ist.<<
Aber die Überzeugung des jungen Mannes wollte nicht wachsen.
>>Wie soll ich das alles unter einen Hut bringen? Deine Worte klingen einfach und doch vergisst du, dass ich nur der Junge einer Bauernfamilie bin!<<
Gefestigt wurde ihm eine Antwort aus der Mitte des grellen Orbs übermittelt.
>>Indem du das Gleichgewicht deines Selbst findest. Indem du einen Weg ebnest, den du zwischen den Fronten beschreiten kannst. Einen Weg, der fernab von dem liegt, was Gut und Böse ist. Eine Richtung die sich von der Lüge und der Wahrheit scheidet. Folge meinem Licht und sei wofür du bestimmt wurdest – Kind des Lichts.<<
Noch ehe die letzten Worte verstummten, wurde das Licht der gleißenden, kugelförmigen Form heller. Es blendete Themias so sehr, dass er nicht Mal mehr die bloße Hand vor Augen erkennen konnte. Und als das Licht wieder abgenommen hatte, fühlte er sich müde und träge. Etwas oder jemand berührte ihn an der rechten Schulter.
>>Es ist Zeit.<<
Vernahm er die bekannte, männliche Stimme.
Themias blinzelte etwas, sah nur ein verschwommenes Bild vor sich, als er den Kopf anhob. Er kannte das Gesicht.
>>Der Abend ist vorbei. Geh und ruh dich aus.<<
Es war Caldrin, der zu Themias gekommen war und ihn weckte. Ja, Themias schlief am Tresen und wurde eben von Caldrin geweckt. Der Eröffnungstag des Felswirt war beendet. Und mehr als das, waren es Keimlinge von Ideen und geflüsterten Worten, die in Themias Sinn heranwuchsen.


(Post als Video)
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Chronik von Quant
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.




phpBB theme/template by Tobias Braun
Copyright © Alathair



Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
Deutsche Übersetzung von phpBB.de