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Tausend goldene Stimmen
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Tausend goldene Stimmen
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Zayn Javeed Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 11 Mai 2024 14:08    Titel: Tausend goldene Stimmen
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~* Der erste Tag *~

    Zayns geschundene, nackte Füße schlurften langsam, mühselig, durch den brennenden Wüstensand, zurück in Richtung der goldenen Stadt. Es war schwer, durch den Nebel an roten Schmerzen einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in Watte gepackt, doch zumindest sein Ziel war klar: Das kleine Haus hinter dem Anwesen seiner Familie, der Schakale. Manchmal blubberte eine Frage aus den Tiefen seines Bewusstseins empor; Fragen, auf die er zumindest im Moment keine Antworten hatte. Begann die genannte Frist von drei Tagen mit Verlassen der Burg der Hadcharim, oder mit Sonnenuntergang? Auch wenn er keinen Hakim an die Verletzungen lassen durfte, wie stand es um eigene Bemühungen? Würde er überhaupt die Nacht überstehen? Dunkel erinnerte er sich an eine Bemerkung Sahids, irgendwas von einer punktierten Lunge…

    Mit einem verwirrten Blinzeln starrte er auf seine eigene Eingangstür. Wie lange war er bereits hier gestanden, verloren in den eigenen Windungen seines Gehirns? Träge und verwundert hob er den Kopf, um seinen Fokus über den kleinen Innenhof schweifen zu lassen, doch auch hier fand er nichts als Stille vor. Vielleicht ein kleiner Segen der Weisen der Oase selbst, dass keine Patrouille ihn auf dem Weg durch die Stadt aufgehalten hatte, kein Kind hatte ihn mit neugierigen Fragen gelöchert. Ob Sahid wohl auch damit etwas zu tun hatte, eine kleine Geste des Mitleids…wohl kaum. Viel hatte er von jenem Maleem zu erwarten, doch ‘Mitleid’ gehörte mit ziemlicher Sicherheit nicht dazu.

    Ein leises, mühseliges Durchatmen, begleitet von Schmerzen im Bereich seines Torsos, ehe er kurz, verharrend, die Augen schloss. Es war ein Versuch, sich auf die Ruhe in seinem Inneren zu besinnen, den Schmerz auszublenden, der dort mit einer Wut von tausend Nadeln wütete. Als er die Lider wieder anhob, fand er sich am Boden seines Wohnbereiches wieder, zwischen grünen Samtkissen und fein gewobenen Teppichfransen. Irgendwo hörte er das Echo der Stimme seines Radeh, gesprochen im Ton, teilnahmsloser, wissenschaftlicher Analyse. “Er verliert immer wieder das Bewusstsein. Entweder Blutverlust, vielleicht innere Verletzungen, oder eine Gehirnerschütterung. Wenn er die Nacht übersteht, sehe ich es mir genauer an. Andernfalls hätte ich ohnehin wenig tun können.”
    Es war stets ein Fluch und ein Segen gewesen, als Spross einer Familie von Heilern aufzuwachsen. Manchmal ist es eine Gnade, nicht alles zu wissen.

~* Der zweite Tag *~

    Sein Magen knurrte, wie ein hungriger Schakal nach einer erfolglosen Jagd. Ein Problem, das unter normalen Umständen einfach zu bewältigen gewesen wäre - wenn der Ryzan nicht die letzte Stunde damit verbracht hätte, sich langsam in eine sitzende Position hoch zu kämpfen. Nun stand er vor der Frage, wie er es in den Stand schaffen sollte, ohne dabei vor Schmerz direkt wieder umzukippen. Vielleicht wäre es am gestrigen Tag die bessere Wahl gewesen, den Weg ins Familienhaus einzuschlagen, doch zumindest konnte Zayn nun den Instinkt sterbender Tiere nachvollziehen, die sich für ihre letzten Stunden in irgendwelche entlegenen Ecken verkrochen. Wenn man dahinsiechte, am Rande seiner eigenen Existenz, war Einsamkeit der einzige Begleiter. War dies eine der Lektionen, die es zu lernen galt? Alle Bande und Verbindungen gesprengt, neu geboren aus den eigenen Schmerzen? Zumindest seine Gedanken waren ein wenig klarer nach der ersten Nacht, wenn auch ungewohnt philosophisch in ihren Bahnen.

    Als der Soldat nun versuchte herauszufinden wie lange er hier in Ohnmacht auf dem Boden seiner eigenen Behausung verbracht hatte, drang unweigerlich das Klappern von Töpfen, das aufgeregte Fegen und Wuseln fleißiger Natifahs an seine Ohren. Töne, die ihn wie ein Donnerschlag trafen, riefen sie doch in unangenehmer Klarheit den heutigen Abend in Erinnerung: Das erste Fest der anerkannten Familien Menek’Urs, eine neue Tradition, die vom Blut der Schakale eingeleitet werden durfte. So sah er sich für einen Moment gefangen zwischen seiner Pflicht als Oberhaupt jener Familie und den Befehlen seines Maleems. Ein Herzschlag nur kämpften jene beiden Seiten in ihm, eh sie sich zu einer einfachen, pragmatischen Lösung verbanden. Es fehlte ihm an Kraft und Willen, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, als den nächsten Atemzug. Tatsächlich fehlte es ihm sogar an Kraft, Schrecken zu verspüren über die möglichen Reaktionen auf sein Äußeres, oder Scham über die Mischung aus verkrustetem Blut und Erbrochenem, die zusammen mit dem Dreck immer noch an ihm klebte.

    Vielleicht fühlten sich Aussätzige so, die geschundenen Bettler in den dunklen Bereichen des Baed’Madiner Hafens. Allgegenwärtig, umgeben von Leid und Schmerz, gehüllt in eine widerwärtige Hülle, und doch schlicht dem eigenen Schicksal ergeben. Näher an der Unendlichkeit, als je zuvor.

~* Der dritte Tag *~

    Wo er die Kraft hergenommen hatte, das Treffen der Familien zu bewältigen, war ihm selbst nicht ganz klar. Eine Portion Trotz, ein Funke im Inneren, genährt vom eigenen Schmerz. Die Blicke der Anwesenden hatte er zwar bemerkt, doch schienen sie selten wirklich in sein Inneres vorzudringen. Weder das Mitleid erreichte ihn, noch Missbilligung oder gar Ekel. Trotz des Stechens bei jedem Schritt und obwohl inzwischen sein halbes Gesicht angeschwollen war und ihm die Sicht des rechten Auges raubte, hatte er sich selten so klar gefühlt. Klar und leer, wie ein reines, frisches Gefäß aus Ton. Eine seltsame Ironie, wo doch alleine seine Anwesenheit und der Gestank, der an ihm haftete, ausreichen sollten, damit Gäste des Festes den Raum verließen, um nach frischer Luft zu schnappen.

    Am nächsten Morgen, als die Gedanken an ihm vorbeigezogen waren wie Wolken an einem Frühsommertag, war es seltsamerweise kein Stolz gewesen, der ihn getrieben hatte, mehr eine Art unbändiger Befehl. Er war noch nicht am Ende. Nicht hier, nicht auf diese Weise. Dieser Fakt lag klar auf seiner eigenen Zunge, und so verblieb nur der Weg nach vorne. Wenn dies nicht seine letzten Tage waren, warum sollte er dann verweilen? Im Gegenteil, war es nicht schlicht und ergreifend seine Pflicht, vor der All’Mara, sich voran zu kämpfen, durch das Dickicht seines eigenen Elends? Stets hatte er geschworen, dass er alles geben würde. Für seine Familie, für sein Volk, für das Blut der Omar und den Erhabenen in seinem strahlenden Glanz. Nun, viel einfacher hätte sein Auftrag daher nicht sein können.

    Er hatte noch nicht alles gegeben.
    Nicht, solange sein Herz schlug und seine Brust sich mit jedem Atemzug hob und senkte.
    Es gab zu tun.


Zuletzt bearbeitet von Zayn Javeed Ryzan am 11 Mai 2024 14:10, insgesamt einmal bearbeitet
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