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~•°•~ Von Gischt und stürmischen Wellen ~•°•~
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » ~•°•~ Von Gischt und stürmischen Wellen ~•°•~
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 23 Apr 2022 13:05    Titel: ~•°•~ Von Gischt und stürmischen Wellen ~•°•~
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~•°•~

» Ankunft «

Wie das Brüllen eines Löwens durchbrach der Donner die panischen Rufe der Seemänner, als würde eine höhere Macht seinen Zorn entfalten und erschütterte so manchen bis ins Mark. Das Lichterspiel hoch oben in den Wolken erhellte jeweils für wenige Herzschläge das sonst dunkle Deck, dass im endlosen Schwarz der hohen See gefangen war. Stürmisch peitschte der Wind einem um die Ohren und erklang dabei in einem Chor aus wölfischem Heulen. Wellen, so gross dass sie ganze Häuser unter ihrer Wucht ohne Widerstand vernichten könnten, schlugen gegen die Wände des Schiffes und liessen ihr hölzernes Herz erschüttern. Wer Fortunas Siegel nicht auf sich trug, wurde von der hungrigen See verschlungen, die, nach weiteren Opfern lechzend, versuchte über die "La Venganza" herzufallen und mit ihren Pranken Kerle und Weiber von Bord zu reissen.

Es waren Momente wie diese, in denen ich mich am lebendigsten fühlte. Weit draussen auf hoher See, wo es keine Rettung gab ausser das eigene Können und eine ordentliche Portion Glück. Voller Faszination beobachtete ich das Schauspiel, schrie in die Dunkelheit hinein und forderte die Natur lachend zum Kampf heraus. Ein Anblick, für den viele mich vermutlich verurteilt hätten. Doch hier draussen? No, hier nicht.
Wie ein Fels in der Brandung stemmte ich mich gegen die gewaltigen Mächte der Natur, hielt mich fest, wo ich konnte und bewegte mich über das Deck, um den Leuten auf dem Schiff zu helfen. Wir hatten nicht viel Zeit, denn wir mussten die Segel einnehmen, die unseren Mast zu zerstören drohten. Während ich die eisernen Stielen hochkletterte, um eben dies zu verrichten, spürte ich, wie mein Herz rasend zu klopfen begann. Meine Bewegungen wurden fester, waren bestimmend und selbst nach all den Jahren der aufgezwungenen Abstinenz von der See spürte ich, wie mein Körper die Arbeit wie von selbst übernahm.

Stunde für Stunde kämpften wir gegen das unbekannte Ungetüm, dass sich unser aneignen wollte, doch irgendwann durchbrach ein erster Sonnenstrahl das dichte Wolkenbett und liess Hoffnung in uns aufkommen. Ein gemeinsamer Freudenruf überschlug den Lärm des Sturmes und mit neuer Mut packte jede einzelne Person an und half dabei, das Schiff über Wasser zu halten. Mit Erfolg. Selbst das dümmliche Äffchen, dass sonst nur schreiend umherrannte und sich vor dem Donnergrollen versteckte, griff nach einem kleinen Dolch, im Glauben es würde unterstützen.

Und dann, eine gefühlte Ewigkeit später, erklang eine Stimme von hoch oben im Mast... Land in Sicht! Gerimor war zu sehen.

~•°•~


Zuletzt bearbeitet von Drystan Verano am 23 Apr 2022 13:10, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 23 Apr 2022 16:44    Titel:
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~•°•~

» Erste Schritte «

Die Luft war von einem widerlichen Gestank nach Fisch und Exkrementen geschwängert und erreichte mich noch bevor meine Füsse mich von Bord des Schiffes führten. Trotzallem hatte es etwas familiäres an sich. Es erinnerte mich ein wenig an meine Heimat, Nuevo Refugio auf Viento del Sur - der Insel "Südwind", nordöstlich von Cantir. Eine tropische Insel, umgeben von Riffen, die nur von den erfahrendsten Seglern zu umschiffen waren. Ein Traum einer Landschaft, wären da nicht die regelmässigen, tödlichen Stürme, die der Insel ihren Namen gaben. Eine Ortschaft, über die ich noch einiges erzählen werde.

Das kleine Fischerdorf war wahrlich lebhaft. Kaufmänner, Arbeiter, einfache Bürger, sie alle strömten durch die engen Gassen. An jeder Ecke gab es etwas zu kaufen. Nicht unweit von den Ständen entfernt zwielichtige Kerle, die in den Augen eines Gleichgesinnten rasch als Diebe oder Räuber entarnt werden konnten und ihr Gesicht hinter einer Gugel verbargen, starrte man sie zu lange an. Blicke, die ich selbst relativ schnell erntete, sah ich doch aus wie ein Wilder. Ein freier Sklave, der doch nicht frei war. Gestrandet auf einer Insel, die ich nicht kannte. Kein Gold in den Taschen, kein Essen im Magen. Nur eine zerfetzte Hose. Ich konnte von Glück sprechen, dass sich ein junges Weib erbarmte, mir einen Mantel zu schenken... auch wenn ich an ihrem Blick erkennen konnte, dass es nicht nur ihr Gewissen war, dass sie stillen wollte.

Nach Jahren der Sklaverei endlich wieder frei zu sein ist mit einem Unfall zu vergleichen, der einen dazu zwingt, das Gehen wieder zu erlernen. Si, so würde ich es in Worte fassen. Eine abrupte Umstellung des Lebens, mit der ich anfangs zu kämpfen hatte. Über den Markt zu schreiten und jemandem neben sich stehen zu haben, der plötzlich seinen Arm anhob, brachte mich nicht selten zum zucken. Folter durch Peitschenhiebe, die meinen Rücken entstellten und ich heute noch, einem immerwährendem Echo gleich, spüren kann, lernten mich Gehorsam zu zeigen. Nichts zu tun, dass mir nicht befohlen wurde. Nur um dann doch bestraft zu werden, weil mein stures Ich sich nicht beugen wollte.

Es war nicht einfach, Fuss zu fassen. Ausgehungert fehlte es an Kraft. Ohne Kraft keine Arbeit. Doch Fortuna stand mir bei und so gelang es mir durch Hartnäckigkeit und einer Prise von Charme eine Beschäftigung zu ergattern. Botengänge. Wie ein mierda Idiota liess ich mich für Gold durch das Dorf bugsieren, um die gewünschten Nachrichten oder Pakete zu überbringen. Den ganzen Tag lang, morgens bis abends. Und das nur um eine Nacht in einem viel zu klein geratenen Bett zu schlafen, das keine Wärme vor der nächtlichen Kälte gewährte.

Zwei Mondläufe tat ich mir diesen Mist an, bis ich endlich genug Gold zusammen hatte, um ein Schiff nach Alrynes zu nehmen. Denn ich war aus einem einzigen Grund hergekommen. Rache.


~•°•~


Zuletzt bearbeitet von Drystan Verano am 26 Apr 2022 00:58, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 24 Apr 2022 12:51    Titel:
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» Wärmer, wärmer... «

Die Fahrt nach Alrynes nahm einige Wochenläufe in Anspruch. Wir hatten Glück, dass das Wetter uns mehr oder weniger gut gesinnt war und wir diversen Stürmen ausweichen konnten, die Trotz der Entfernung zum Horizont, wo sie lauerten, laut und mahnend vor sich her grollten. Bei dem Anblick der Gefahr, die sich dort zusammen braute, musste ich mir eingestehen, dass ein Teil meiner selbst sich danach sehnte, in die Ungewissheit zu segeln. Die andere Hälfte aber wurde von der mierda Vernunft eingenommen, die daran erinnerte, dass ich mich auch in den Tod stürzen konnte, nachdem ich meine Rache genommen hatte. Ein Glück, dass ich es nicht vollkommen weggetrunken hatte, mh?

Die Gischt - so nenne ich die gepunkteten Sprenkel in weiss-grauen Nuancen in meinen sonst meergrünen Iriden, die an die Gischt auf hoher See oder an einer tropischen Küste erinnern - erblickte den Hafen Eherntrutz' aus der Ferne. Wir steuerten den kleineren, östlichen Teil der vielen Hafenanlagen an, der sich aufgrund der weniger ausgeprägten Präsenz von Wachmänner besser für ein Schmugglerschiff eignete.
Hinter den steilen und scharf geschnittenen Klippen sassen die hohen und schwer befestigten Mauerwerke, die jedem Widersacher, der versuchte sich einen Weg hindurch zu bahnen, den Mittelfinger lachend entgegen streckten. Man konnte nur vermuten, dass dahinter die Schönen und Reichen lebten, beschützt von einer der grössten Armeen des Reiches, während auf der anderen Seite die Bürger durch harte Arbeit versuchten sich über Wasser zu halten.
Überall, wo ich hinging, wiederholte sich das gleiche Bild. Menschen, die von anderen hochgehoben wurden, doch aus welchem Grund? War es Unterdrückung? Blinder Gehorsam? Oder liebten sie tatsächlich ihre Herrscher? Warum erhob sich das Volk nicht, um diejenigen zu stürzen, die sich auf ihrem Schweiss, Blut und Tod ausruhten? In Nuevo Refugio hätte man sich allein für den Versuch, sich als Herrscher aufzuspielen, eine Kugel eingefangen.
Einen Moment noch schenkte ich den Fragen, die in mir aufkamen, Aufmerksamkeit, bevor die Einsicht kam, dass diese nie beantwortet werden würden. Verständnislos schüttelte ich die Gedanken ab und konzentrierte mich stattdessen auf mein Vorhaben.

Mein Weg führte mich zur Herberge “Zum königlichen Falken” - was für ein beschissener Name - die sich unweit des Hafenmarktplatzes befand. Von Aussen machte es einen ordentlichen Eindruck und dem Lärm nach zu urteilen, der nach draussen drang, schien einiges los zu sein.
Als ich die Herberge oder zu dieser Uhrzeit eher Taverne, betrat, liess ich mein Meergrün durch das Innere wandern. Die Einrichtung war sehr spartanisch, aber praktisch gehalten. Die dicken Stoffvorhänge blockierten das Sonnenlicht davor, die Räumlichkeit zu erhellen und liessen erahnen, dass hier nicht selten zwielichtige Geschäfte abgeschlossen wurden. Eine Hand voll Kerzen auf den Tischen bot zumindest ausreichend, um alles in einem vagen Lichtschimmer zu hüllen. Gerade so, dass man das Gesicht seines Gegenübers noch erkennen konnte.

Es war einiges an Feingefühl gefragt. Denn ich hatte zwar den Hinweis erhalten, dass er sich hier befinden würde, aber mir war weder bekannt, ob er noch zugegen war und wenn ja, wie vernetzt er war. Also tat ich, was ich in den vielen Jahren im Gefangenenlager am besten konnte; Abwarten und die Gespräche belauschen, während ich meinen Hals das erste mal nach langer Zeit mit einem ordentlichen Rum benetzte. Oh, du unwiderstehliche Verführung!





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Extrapunkte für die Person, die den Orken findet!
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 26 Apr 2022 00:57    Titel:
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» Wenn Schatten lauschen «

Der Schlag zum nächtlichen Mittagsläuten erklang in der Ferne und rang dumpf in meinen Ohren, als ich aus meinem Schlaf erwachte. Mir brummte der Schädel von meinem Alkoholexess in den früheren Stunden, dessen Echo noch immer in Form einer würzigen Note in meinem Mund zurückblieb und mich an jeden einzelnen Tropfen erinnerte, der meine Kehle hinab rann und benetzte. Ein willkommener Begleiter des Prozesses, der mich nach und nach aus dem dösenden Zustand zerrte.
Mehrere Minutenläufe nahm es in Anspruch, um mich richtig zu sammeln und die Situation beurteilen zu können, die sich seit meinem Erwachen im Raum abspielte, schien meine anfängliche Orientierung zu wünschen übrig zu lassen.
Ich sass noch immer in der Ecke des Tavernenbereichs der Herberge zum königlichen Falken, in der ich es mir für ein Nickerchen gemütlich gemacht hatte. Zwei, drei Kissen schob ich hinter meinen Rücken und der Flanke, die mir als weichen Polster dienten, während ich es mir bequem machte. Sonderlich viel Hab und Gut besass ich nicht, daher musste ich auch nicht darum bangen, bestohlen zu werden und konnte ohne Bedenken die Augenlider hinab schlagen. Nichts zu besitzen hatte eben auch seine Vorteile.

Mein Meergrün fuhr durch den Raum, musterte ungeniert die eine Hand voll Personen, die noch an den Tischen sass und die andere, die gerade zur Tür hereinkam. John, Michael, Klopfer - höchstwahrscheinlich sein Rufname - Jenna und Linda waren die Namen der ersten Gruppierung, die ich den Abend durch bereits belauscht hatte. Drei Händler, ein Kunde, der mit ihnen Geschäfte machte und ein Schläger, der wohl Schulden für die anderen eintreiben sollte. Sie liessen einiges an Gold über die Theke wandern, leerten Gläser um Gläser, lockerten ihren Mund und gaben damit so einiges über sich kund.
Mit dem steigenden Alkoholpegel verlor Linda, die anfangs noch einen schüchternen Eindruck hinterliess, ihre Scheu und begann damit, ihre Fingerspitzen an den Innenseiten Michaels Oberschenkel auf und ab zu führen. Dem Kerl fiel es zunehmend schwerer, sich auf die Gespräche zu konzentrieren und musste nicht selten mit einem korrigierenden Griff zwischen die Beine greifen. Wie zu erwarten in solchen Situationen, dauerte es nicht lange, bis das Begehren, dass sich in den bläulichen Iriden der Blondhaarigen zeigte, in jenen des Schwarzkopfes widerspiegelten und er sie kurze Zeit später, nach einer lieblosen Verabschiedung, in den oberen Bereich zerrte, in dem sich die Schlafräume befanden. Es bot mir zumindest noch etwas Amüsement und damit Trost dafür, dass die Informationen der letzten Stundenläufe, die ich sammeln konnte, nicht von Belang waren.

Die zweite Gruppe, denen ich meine Aufmerksamkeit widmete, setzte sich unweit von mir an einen der Tische. Zwei der Kerle, grossgewachsen und breit gebaut, erweckten mein Interesse. Ein einzelner Blick reichte aus, um zu erkennen, dass sie zu den meinen gehörten. Denn wie ich trugen sie ein Brandmal auf ihrem Leib, nur nicht wie meines am Hals, sondern dem Handgelenk. Darüber hinaus war ihr doch wildes und ungepflegtes Erscheinungsbild etwas, dass man in den Strassen dieser Stadt selten wahrgenommen hatte. Nichts, dass man zwingend einer Gruppierung zuweisen musste, doch wenn wir es genau nehmen, dürften sich viele gedacht haben, dass die Beiden für nichts Gutes zu haben waren. An verurteilenden Blicken, die man als Seebär in solchen Städten erntete, mangelte es nämlich nicht.
Sie bemerkten, dass ich sie gemustert hatte und wandten ihre Blicke zu mir. Mir gelang es die Situation zu entschärfen, indem ich den Kragen meines Hemdes so weit hinunter zog, dass sie das eingebrannte -P- präsentiert bekamen, gepaart mit einem seichten Nicken in ihre Richtung, um zu signalisieren, dass wir durch die Piraterie verbunden waren. Zumindest wollte ich sie das glauben lassen und zu meinem Glück reichte es auch aus, um ihre Aufmerksamkeit erst einmal wieder zu ihren Freunden zu lenken.
Die erste halbe Stunde verbrachten sie damit, ihre Leiber mit einem fast schon festlichen Essen und reichlich Trank zu stärken, bis ein kleiner, doch umso bedeutender Austausch zwischen den vielen, unbedeutenden Worten hervorstach.

»Hätt nich’ gedacht, dass Capitano Vincenco so ‘n mierda Wal an Land zieh’n würd’« warf einer der Kerle am Tisch ein und nickte dabei mehrmals in anerkennender Art. »Bin froh, bei euch angeheuert zu hab’n« setzte der vermeintliche Frischling der Crew nach.

»Aye, so viel Gold hab’ ich lang nich’ mehr auf ‘nem Hauf’n geseh’n. Wett’n, dass er ‘s wieder auf seiner Isla versteck’n will?« Etwas Gieriges schwingte in der Stimme des doch eher mager und ungepflegt wirkenden Mannes mit, die mir nicht entging.

»Pass bloss auf, was du hier labers’, Luciano.” Die Schärfe des Tones schien für einen Moment die Luft im Raum zu zerschneiden und der Blick, den einer der Seebären dem älteren Kerl widmete, versicherte ihm, dass ein weiterer Fehlen ihm teuer zu stehen kommen würde. Ein kräftiger Schlag in die Flanke erfolgte zusätzlich, um der Drohung mehr Gewicht zu verleihen.

»War doch nur’n Scherz, beruhig dich, Alfredo!« versuchte der nun etwas verunsicherte Luciano sich aus der Schlinge zu befreien, der sein Gesicht schmerzverzerrt verzog und seinem Nebenmann ein aufgezwungenes Lächeln widmete, in der Hoffnung, ihn so besänftigen zu können.

Der Zahlmeister, wie ich im Laufe der nächsten Tage erfuhr, knurrte wölfisch und brummte ihm noch mahnend entgegen, ehe die Sache für den Moment vergessen war, denn die Worte, die der alte Sack an den Kopf geworfen bekam, konnten nicht deutlicher sein. »Wenn du noch ‘n Wort darüber verliers’, werd’ ich dafür sorg’n, dass dich Venicia kielholt«

Und da war es, der Name, der mich aus meinem passiven Zustand erwachte und meinen Zorn bis ins Unermessliche aufstiegen liess, dass die Wut mit all meinen Fasern des Körpers wahrnehmen konnte. Der Name, der mich in meinen Träumen verfolgte… der Name, den ich auslöschen musste.


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Zuletzt bearbeitet von Drystan Verano am 26 Apr 2022 01:13, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 27 Apr 2022 12:46    Titel:
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» Lausche meinem Lockruf «

Pochender Schmerz, als würde man ein heisses Stück Eisen durch das Fleisch ziehen, dämmerte in meinem Kopf und schien verzweifelt einen Weg zu suchen, um nach draussen zu gelangen. Ein Pochen, dass sich nicht ausblenden liess. So deutlich, aber dennoch nicht lokalisierbar, dass es einen nach und nach in den Wahnsinn trieb. Schmerzen, die für einen kurzen Moment wichen, nur um mit geballter Kraft wieder aus dem Versteck hervor zu schiessen. Ein stetes auf und ab der Laune. Eine innige Hassliebe, die ich in diesem Moment für das Getränk verspürte.
In meinem Rachen konnte ich noch immer das scharfe Brennen des Rums am Vorabend spüren, der meine Wut wie die hauchzarte Berührung eines hübschen Weibes davon schwemmen und für den Moment vergessen liess, eingehüllt in einer Decke aus wohliger Wärme, die sich in meinem Körper ausgebreitet hatte. Zugegeben, ich erlaubte mir, eine Prise Wildkraut hinzu zu mischen, das sein übriges tat um zu verhindern, dass ich nicht doch eine Dummheit beging. Mit Erfolg.

Im späteren Verlauf des Tages, ich meine mich zu erinnern, dass es kurz nach dem Mittagsläuten war, entschied ich die Herberge zu verlassen und durch die Gassen zu ziehen, um mich umzusehen. Zu der Zeit fegte ein stürmischer Regen über die Stadt und vertrieb die Menschen von den sonst vollen Strassen, in denen man sich kaum davor retten konnte, angerempelt zu werden. Fast schon geisterhaft wirkte die Leere und Stille, die unterbrochen wurde von dem regelmässigen Heulen der Winde, die sich einen Weg um die Häuser bahnten, die ihnen trotzen. Die Regentropfen peitschten mir unaufhörlich ins Gesicht, während ich meinen Mantel notdürftig um den Leib schlang. Eine Pranke schob flüchtig das nasse Haar zurück, dass sich immer wieder in meinem Gesicht verirrte und der Blick meiner meergrünen Iriden suchte die Ladenschilder der Häuser ab.
Mein Aufenthalt hier in Alrynes war nicht sonderlich ereignisvoll und so entschied ich mich, für die ruhigeren Stunden eine Laute zu besorgen, die mir etwas Unterhaltung spenden und vielleicht gar dabei helfen sollte, etwas Aufmerksamkeit für mich zu gewinnen.

Einen halben Stundenlauf von der Herberge entfernt wurde ich schliesslich fündig. Das kleine Häuschen war recht nett anzusehen, erinnerte mich vom Stil tatsächlich ein wenig an meine Heimat. Komplett aus Holz gebaut, das Dach aus Stroh. Eine Veranda, auf der eines dieser Stühle sass, in denen man vor sich her schaukeln konnte und daneben auf dem Geländer ein Aschebecher für Glimmstängel. Ein amüsiertes Schmunzeln umspielte meine Lippen, als ich daran dachte, dass ich mich in meinen letzten Tagen in dieser Welt vermutlich genauso niederlassen würde.
Ich betrat also das Haus, sah mich im Inneren um. Überall waren Stücke ausgestellt, die dem kleinen Laden einen gewissen Charme verliehen. Allem voran die Miniaturen der Schiffe, Nachbildungen liess ich mir sagen, sprachen mich dabei an. Sie waren bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und wüsste man es nicht besser, hätte man glatt denken können, dass das Schiff in einem Unheil geschrumpft wurde. Trinkbecher, Wanderstäbe, Schmuckstücke, Bögen und vieles mehr gab es zu entdecken und warteten nur darauf, einen neuen Besitzer zu finden.
Meine Aufmerksamkeit galt jedoch einer besonderen Laute, die sich fast schon ein wenig versteckt in einer Ecke im hinteren Bereich des Verkaufraumes versteckte, als hätte der Erschaffer Schwierigkeiten gehabt, sich wirklich davon zu trennen. Der Korpus des Instruments war geziert von einem Relief auf Wellenmuster, die detailgetreu in das Holz hinein geschnitzt wurden und aus dessen Mitte eine Seeschlange aus dem Wasser ragte. Das Schuppenkleid des Tieres wurde dabei mit keinen, silbernen Plättchen hervorgehoben und bildete damit einen schönen Kontrast zu dem sonst dunklen Mahagoniholz, aus dem die Laute bestand. Ich verliebte mich direkt darin und nachdem der alte Mann, dem der Laden gehörte anfangs herumdruckste, schob ich ein Grossteil meines ersparten Goldes über die Theke und verliess das Gebäude um den Heimweg anzutreten.

In den nächsten Tagen liess ich die Gäste der Taverne immer wieder unfreiwillig an meiner Musik teilhaben, die durchaus Anklang fand, wenn auch nicht bei allen. Denn ich wählte dafür ein Lied, dass ich aus Kindestagen spasseshalber gesungen hatte. Es handelte sich dabei um Piraten, die in diesem Teil der Welt verhasst und gesucht waren. Doch so konnte ich meine Absichten verstecken und mit den Gästen, im Glauben ich würde nur aus einem Witz heraus über diese sprechen, die ein oder andere Unterhaltung über die Unsrigen führen.


Plündernde Piraten, gefürchtet von Süd nach Nord,
Gesucht von Grossmächten, ob lebendig oder tot,
Kommen uns nur die stärksten und kühnsten an Bord,
denn auf hoher See zu sterben ist uns’r höchst’s Gebot!

Siehe die Flagge, die in die Höhe ragt,
Dein Schicksal nun besiegelt, das Leben wird hart,
Angst und Schauder, der durch deinen Körper jagt,
Fliehe nicht, denn das is’ nich’ uns’re Art!

Komm schliesse dich an, einen neuen Weg zeig ich dir!
Reichtum und Vergnüg’n, das suchen wir!
Hörst du, wie die See nach uns ruft?
Bis zu dem Tage, an dem das Leben uns verflucht!

Geh hin und küss’ dein Weib ein letztes mal,
Denn das Leben auf See wird dir alles entreiss’n,
Verstecke nichts, sonst triffst du auf Qual,
Und wirs’ dir deine Lippen vor Schmerz zerbeiss’n!

Doch wenn wir zurückkehr’n mit Säck’n voller Gold,
Und feiert, als gäbe es keinen Morg'n,
Nicht wisst, was ihr damit tun sollt,
Denkt dran, ihr müsst eure Weiber umsorg’n!

Komm schliesse dich an, einen neuen Weg zeig ich dir!
Reichtum und Vergnüg’n, das suchen wir!
Hörst du, wie die See nach uns ruft?
Bis zu dem Tage, an dem das Leben uns verflucht!

[...]

Noch inmitten des Liedes, dass ich vorgetragen hatte, fiel mein Augenmerk auf die Gruppe, die zur Tür hinein kam. Es waren Luciano und seine Freunde. Sie unterhielten sich mit einem Weib vor der Tür, die ich nicht zu Gesicht bekam, ehe sie sich zu ihrem Stammplätzen bewegten. Als die Frau sich verabschiedete, hörte ich ihr Lachen, dass in meinen Ohren rang und für den Bruchteil eines Sekundenlaufes vermochte ich einen Blick von dem silber-mausgrauen, wallendem Haar zu erhaschen, dass mich erst in einigen Jahresläufen rückblickend erkennen liess, dass sie es gewesen sein musste.

~•°•~


Zuletzt bearbeitet von Drystan Verano am 27 Apr 2022 12:46, insgesamt einmal bearbeitet
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 29 Apr 2022 02:10    Titel:
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~•°•~

» Spiel mit dem Feuer «

Wie ich vermutet, no, erhofft hatte, polarisierten meine Lieder in diesem sonst so strikten Teil des alumenischen Reiches und sorgten dafür, dass manch eine Person mit mir das Gespräch suchte. Abenteurer, Vagabunde, Verbrecher, all jene, die sich erhofften, mehr über die Piraterie zu hören, weil sie es durch irgendwelche Geschichten, die sie erzählt bekamen, romantisierten. Nichtsahnend, dass das Leben auf hoher See als Gemeinschaft der Verachteten und Gesuchten ein Spiel mit dem Schicksal war. Jeder Schritt glich einem Münzwurf. Eine Seite versiegelte den Tod, die andere liess einen nochmal werfen. Und mit jedem Wurf wurden die Narben der Seele und der Abgrund, in dem man hineingezogen wurde, tiefer. Bis zu dem Punkt, an dem man aus eigener Kraft nicht wieder hinaufsteigen konnte. Eine Ironie, dass sich in einer Stadt wie Eherntrutz so viele fanden, die anheuern würden. Hätte ich mich für das Schicksal dieser Menschen interessiert, wäre es zu bedauern gewesen. Doch es war mir nur eine Bestätigung dafür, dass man in einer Welt wie dieser, unter der Herrschaft solcher, die sich für etwas besseres hielten, nicht glücklich werden würde.

Das Mittagsläuten der Glocken des Klosters, das sich hinter dem befestigten Wall befand, klangen noch immer in der Ferne aus, als die Tür zur Herberge geräuschvoll geöffnet wurde und eine handvoll Mann das Etablissement betrat. Sie waren zu edel gekleidet, um einfache Bürger zu sein und die Schwerter, die in den Waffenscheiden an ihren Hüften hinunter hingen, liessen mich vermuten dass sie im Besitz des Rüstrechts waren. Einer der Männer forderte seine Freunde auf, Ausgänge zu blockieren und das Obergeschoss auf Störenfriede zu überprüfen, bevor er sich mir gezielt näherte. Mir war schon vor seinem Besuch bewusst, dass ich bald die Ehre erhalten würde, ein Gespräch mit der Obrigkeit geschenkt zu bekommen. Ich drückte mich daher auf, wissend, dass sie mich ohnehin abführen würden. Die Hand des Mannes schnellte zu seinem Schwertgurt, doch ich hob meine Hände deeskalierend in die Höhe und signalisierte, dass ich nichts vorhatte. “Bring’n wir es hinter uns.” schoss es aus meinem Mund hervor und dabei konnte ich mir ein schelmisches Lächeln nicht abzwingen. “Eine Dummheit und mein Schwert steckt in eurem Rücken. Ihr kommst mit uns.” Mein Gegenüber teilte mein Amüsement nicht und packte mich mit festem Griff an der Schulter, um mich aus dem Haus zu führen. Als ich zur Tür hinaus befördert wurde, erblickte ich noch flüchtig Luciano in einer dunklen Ecke des Raumes, wie er aus den Augenwinkeln heraus zu uns sah, das Gesicht hinter einem Krug verborgen, aus dem er trank.

Man führte mich auf den Hügel hoch, auf dem sich der befestigte Teil der Stadt befand. Durch das riesige, mit Eisen verstärkte Tor, hinein in eine ganz andere Welt. Es war, als würde man durch einen Dimensionsriss treten. Kein Dreck auf den Strassen, keine Bettler oder einfache Bürger. Häuser glichen Kunstwerken, die geschmückt waren mit grossen, bunten Fenstern. Selbst die Bediensteten waren in schönen Gewändern gehüllt, von denen man nur vermuten konnte, dass sie aus kostbaren Stoffen bestanden.
Als hätte ich vor den Toren nicht schon genug Blicke geerntet mit meinem Äusseren, fühlte ich hier regelrecht die Verachtung und deren Abscheu. Ich erlaubte es mir, die Weiber aufzuschrecken, indem ich mich wie ein Wilder aufführte und den Eindruck erweckte, als würde ich sie gleich anfallen wollen. Was mir einen Schreck bei den Edlen einbrachte, aber auch einen Schlag auf den Hinterkopf durch die Männer, die mich abführten. Nichtsdestotrotz entlockte es mir ein heiseres, erheitertes Lachen, was den entsetzten Ausdruck in den Gesichtern der Weiber nur bestärkte.
Ich wurde schliesslich in ein Anwesen geführt, dass nicht hätte grösser sein können. Der Garten allein besass eine Fläche, die dem der ganzen Taverne glich. Die Möbel des Hauses waren übersäht von Verzierungen, die in das Holz geschnitzt und umschmeichelt wurden von silbernem Metall, dass die Stücke wie ein Gemälde umrahmte. Mir blieb nicht viel Zeit, mich umzusehen, denn wie es schien, verfolgten die Männer einen engen Zeitplan. Meine »Bitte», mich länger umsehen zu können, wurde ignoriert. Stattdessen schoben sie mich durch eine Tür in ein Arbeitszimmer, in dem bereits ein Mann an einem grossen Mahagonischreibtsich auf mich zu warten schien. Mit einem Ruck wurde ich in den gegenüberliegenden Stuhl befördert und mit festen Griffen versichert, dass ich sitzen blieb.

»Ihr seid es also, der in meiner Stadt für Unruhe sorgt.» Damit gab er sich mir als Gobernador zu erkennen, was nicht schwer zu erraten war. Immerhin trug er eine Brosche in Form des Wappens des Herzogtums Alrynes an der, mit Golddraht veredelten, Weste. Nebenbei schnitt er sich ein köstlich zubereitetes Stück Fleisch in mundgerechte Stücke, die er zwischen seinen Lippen verschwinden liess, während er mich abschätzend musterte.

»’S liegt wohl im Auge des Betrachters, mh?» Meine Mundwinkel zuckten einen Deut in die Höhe und wieder sah ich, dass meine Antwort nicht auf Humor, sondern Missbilligung traf.

»Ein Witzbold, bist du. Wäre ich an deiner Stelle, würde ich das letzte Gebet sprechen und um Vergebung bitten.» Der Mann, der mir im Nacken stand, griff an meinem Kragen und schob diesen beiseite.
»Wie unsere Informanten berichteten, Hochgeboren” Bestätigte dieser, als er durch sein Tun mein Brandmal der Piraterie zum hervorscheinen brachte. Im ersten Moment, einem natürlichen Instinkt gleich, versuchte ich mich dem Griff zu entreissen, doch vergebens.
»Das ist mir schon aufgefallen, bevor Ihr es mir gezeigt habt, Sir Daros. Man sieht es diesem schmutzigen Mann regelrecht an.» Der etwas ältere Mann winkte lediglich ab, als wäre ihm mein Aussehen bereits Zeichen genug gewesen.
»Was genau hast du dir dabei gedacht, gingst du etwa davon aus, wir würden nichts davon mitbekommen?» Die Augen des Statthalters kniffen sich zusammen, während er sich ein weiteres Stück Fleisch mit der Gabel in den Mund beförderte.

»No. Um genau zu sein, hab’ ich auf’n Treff’n mit ein’m der hoh’n Tiere hier gehofft. Is’ mir übrig’ns ‘n Vergnüg’n.» Die letzten Worte trieften zwar vor Sarkasmus, eine richtige Reaktion blieb zu meinem Bedauern aber aus. Lediglich Überraschung spiegelte sich in der Mimik des Mannes, dessem Ausdruck man deutlich ansehen konnte, dass sich die Zahnräder in seinem Kopf langsam bewegten, während er auf seinem Essen herum kaute. Flüchtig blickte dieser, mehr aus den Augenwinkeln heraus, zu dem Ritter, der hinter meinem Rücken stand und verächtlich schnaubte, ehe er wieder die Stimme erhob.
»Und aus welchem Grund beehrst du uns mit dieser Ehre?»

»Bin auf der Suche nach ‘nem Freund. Ihr könntet mir dabei helf’n - ‘s springt auch ‘was Gut’s für euch raus, ‘s kann ich versichern.» Ich konnte sehen, dass der Statthalter im ersten Moment denken musste, dass ich ihn verarschen würde, aber er wies mich mit einem Handwink an, weiter zu sprechen. Ich hatte ihn also in meiner Hand.
»’S gibt da ‘n Schiff, ‘ne Crew, genau gesagt. Pirat’n, die ihr ja so liebt, mh? Sie treib’n sich hier in der Stadt ‘rum un’ schein’n neue Aufträge oder dergleich’n zu such’n. Hab nich’ nachgefragt, wollt ja nich’ mehr auffall’n, als ich’s schon tat, ahah. Einer dieser Kerle hat noch Schuld’n an mich zu begleich’n. ‘Ne kleine Sache zwisch’n mir und ihm. Aber wenn ihr mich begnadigt un’ mir seine Besitztümer nach der Festnahme überreicht, werd’ ich euch dabei helf’n, sie in ‘ne Falle zu lock’n. Mehr brauch ich nich’. Kein Gold… höchstens für die Bestechung von einem Kerl, den ich schon im Auge hab’.» Die Augen meines Gegenübers weiteten sich kurz und die Ritter in meinem Rücken begannen miteinander zu flüstern. Dem Klang nach schien Unbehagen in deren Stimmen mit zu schwingen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt all meine Karten ausgespielt …und setzt nun auf Fortunas Beistand.

»Wir verhandeln nicht mit Piraten.» gab er zunächst entschieden von sich, Sekundenläufe, in denen mein Herzschlag tatsächlich rasant zunahm und ich dachte, von ihr verlassen worden zu sein, bis er weiter sprach.
»Aber was hier besprochen wird, muss nicht an die Öffentlichkeit gelangen.» Er stockte einige Augenblicke, sah versichernd zu dem Ritter und seiner Begleitung und nachdem sie flüchtig Worte ausgetauscht hatten und offenbar alle einwilligten, fuhr er fort. »Vorausgesetzt du bringst mir, was du versprochen hast, wirst du bekommen, wonach du forderst. Deine Sicherheit wird dir als Zeichen der Dankbarkeit gnadenvoll bis zum Verlassen des Hafens gewährt. Solltest du danach gefasst werden, endet dein Abenteuer jedoch am Galgen.» Ich dachte mir in diesem Moment, dass es auch schlechter hätte enden können und willigte mit einem Spucken in die Handinnenfläche ein, die er aber nur angewidert beiseite schlug, bevor er mich wieder vor das Tor eskortieren liess.

Ein Triumpf für mich, mein riskanter Plan schien aufzugehen. Der Sieg war nahe.

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Zuletzt bearbeitet von Drystan Verano am 29 Apr 2022 11:01, insgesamt einmal bearbeitet
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Shinaa Dedalera





 Beitrag Verfasst am: 29 Apr 2022 11:08    Titel:
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» Die Dragao «


Die Dragao war -das- Schiff meines Lebens und würde in meinen Augen vermutlich auch immer das schönste Schiff sein, auf dem ich jemals leben durfte. Die weiten perlweißen Segel mit dem verschnörkelt dargestellten Wasserdrachen, wenn auch mitgenommen von allen den Jahren auf See, riefen stets ein Gefühl von Ehrfurcht in mir herauf und wenn sie auch nicht furchteinflößend aussahen, so kannte man in manchen Gebieten sie nur zu gut, das es Weise war sie zu wechseln.
Ich liebte das Gefühl wenn meine Finger über die raue Reling glitten, die schon so viele Schlachten gesehen hatte und entsprechend einige Kerben oder ausgebesserte Stellen aufwies. Über die Jahrzehnte war das Holz der Dragao die Leinwand einiger gelangweilter Piraten geworden, die kleine Details hier und dort hineingeritzt hatten und so steckten in diesem Schiff einfach die Geschichten und Seelen unzähliger, die sich so verewigt hatten.
Sie war gewiss nicht perfekt, denn der Zahn der Zeit hatte an einigen Stellen bereits an ihr genagt, doch das machte ihren Charme aus – hier die Tür erst ein wenig anheben, ehe sie zu öffnen ging, dort wusste man würde sich das Fenster sowieso nicht öffnen und die zweite Laterne am Rahlsegel war sowieso nur Dekoration.
Statt der klassischen Galeonsfigur einer barbusigen Meerjungfrau oder anderer heroischer Gestalten, hatte der erste Vincenzo sich dafür entschieden die gesamte Front einem Wasserdrachen nachzuempfinden, dessen Flügel sich über Teile der Reling erstreckten.
Dieses Schiff würde es kein zweites Mal geben und ich fragte mich immer, wie so ein Kunstwerk entstehen konnte. Der Capitano schwieg darüber, doch vernahm ich mal das Gerücht, dass der erste Vincenzo Fähigkeiten ab des Piratenlebens hatte. Doch das lag Jahrzehnte zurück und keiner des Piratenadels würde zugeben, er wäre mal ein Werftmeister gewesen.


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» Die "Fünf" «


Zu eben diesem Piratenadel, zumindest in den Augen der Crew, gehörten die "Fünf" wie sie oft nur genannt wurden. Diese fünf bestimmten über das Leben auf der Dragao. Sie bestimmten die Arbeitseinteilung, sie bestimmten den Kurs, sie verteilten die Beute und trafen im Grunde alle Entscheidungen die eben anfielen. Keiner hätte es gewagt ein Wort gegen einen der "Fünf" zu erheben, zu denen neben dem Capitano Vincenzo vier andere Kerle in wichtigen Positionen gehörten. Venicia als Quartiermeister, Lugaro als Kanoniermeister, Vuero der Navigator und Biquez als Meister über die Zahlen.
-Sie- waren das Gesetzt in absoluter Treue zum Capitano und so wie sie nicht zögerten ihr Leben für Vincenzo zu geben, so hätte jedes Crewmitglied sein Leben für einen der "Fünf" gegeben.
Das der Capitano ihnen mindestens genau so vertraute, wie sie ihn, wurde durch ein Amulett symbolisiert. Fünf Amulette, die bereits vor zwei, wenn nicht sogar drei Generationen von einem Vincenzo angefertigt wurden. Sie zeigten im schweren Gold den Wasserdrachen der Dragao, der sich um einen Edelstein schlang – jedes Stück voller Kunstfertigkeit.
Doch der materielle Wert dieser Amulette war tatsächlich absolut nebensächlich, denn sie waren, einmal zusammengetragen, der Schlüssel zum Hort der Dragao, wie der Capitano es gerne nannte. Einmal im Jahreslauf machten der Capitano und Biquez sich allein auf um die Beute des Jahres zu lagern und keiner, abseits der "Fünf", wusste wo dieser Ort genau lag. Man wusste nur, dass die Amulette die Schlüsselsteine waren – doch wie das mit Gerüchten, Mythen und Legenden eben war, so blieb immer ein Funke Unsicherheit, Furcht oder Unwissenheit zurück und auch wenn es in den Jahrzehnten durchaus Versuche gab eines der Amulette unrechtmäßig an sich zu nehmen, war die Loyalität der Mannschaft der Dragao stets stärker.
Ich selber kam nicht einmal auch nur auf die Idee eines dieser Amulette mein Eigen nennen zu wollen – doch ich wusste, ich würde alles dafür tun, damit sie dort waren, wo sie hingehörten – zu den "Fünf".


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» Nixe «


Ich hatte den größten Teil meines Lebens auf diesem Schiff verbracht, seit dem ich mir als kleines Kind von der Straße das Recht erkämpft hatte und mittlerweile hatte der Wind meinen alten Namen davongetragen und ihn in Vergessenheit geraten lassen – als hätte die Person dahinter niemals existiert. Als Mitglied der Dragao war ich nur noch "Nixe" und mir war durchaus bewusst, dass dieser Name Anfangs eher als Beleidigung gewählt wurde, doch mit den Jahren und dem Erwachsenwerden wurde er zu dem, was ich war.

Ich war viel zu klein, viel zu schmal, viel zu dürr und viel zu schwach in den Augen der alteingesessenen Seebären, doch Vincenzo hatte wohl etwas in mir gesehen, was mich immer wieder davor gerettet hatte, Fischfutter zu werden. In der Dankbarkeit eines Kindes nahm ich jegliche Arbeiten auf der Dragao an. Ich schrubbte, ich putzte, ich half in der Kombüse, ich schleppte die viel zu schweren Kanonenkugeln oder aber eignete mir das Flicken der Segeltücher an. Im Grunde tat ich alles, worauf die Meisten selten Lust hatten.
Mit mir befanden sich noch andere Kinder mit auf der Dragao und auch wenn viele von diesen mich eher als Opfer betrachteten, da ich nicht wie sie Elternteile in der Crew hatte, freundete ich mich doch mit einigen anderen schnell an. Natürlich ärgerte es mich, dass Nelio seinen Drachen so viel schneller, als Beweis seiner Loyalität, gestochen bekam oder das Leon sich vor der ein oder anderen Arbeit drücken konnte, weil sein Vater einer der "Fünf" war. Aber so war das eben als Nixe.
Es dauerte so fast einen Jahreslauf bis man mich nicht mehr als unerwünschten und nutzlosen Eindringling ansah und ich beim Ruf meines Namens nicht mehr den spöttelnden Unterton vernehmen konnte.

An meiner Körpergröße oder den viel zu schmalen Wuchs konnte ich nichts ändern, aber die Arbeit auf dem Schiff hatte mich mit den Jahren zumindest soweit stark werden lassen, dass ich einigermaßen mit den Kerlen mithalten konnte. Ich hatte nach den ersten Jahresläufen einen festen Platz beim Schiffzimmerer bekommen und ich half dem Alten so gut ich konnte und lernte alles was er mir beibringen wollte über den Aufbau und das Holz, welches nötig war um diese alte Dame über Wasser zu halten. Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen, -der Tag- an dem ich endlich als Beweis meiner Zugehörigkeit und Loyalität zur Dragao und den "Fünf" mir den Wasserdrachen Vincenzos in die Haut stechen durfte.

Von dem Tag an war ich unwiderruflich ein fester Teil der Crew und ich wusste, würde es darauf ankommen, würde ich mein Leben für diese geben.


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Zuletzt bearbeitet von Shinaa Dedalera am 29 Apr 2022 12:55, insgesamt einmal bearbeitet
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Shinaa Dedalera





 Beitrag Verfasst am: 29 Apr 2022 12:53    Titel:
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» In Eherntrutz «


Wir ankerten schon einige Zeit unweit entfernt eines unbewohnten Stückchen Lands des Herzogtums Alrynes und mit jedem verstrichenen Tag, wurde die Unruhe in meinem Inneren mehr geschürt. Capitano Vincenzo entschied sich nicht oft länger an einem Ort zu bleiben, es sei denn einer diese Orte war eine Schmuggelinsel oder eine der wenigen Piratenhochburgen die es noch gab.
Warum unsere "Fünf" sich also entschieden einen knappen Tagesmarsch von Eherntrutz entfernt zu verweilen, entzog sich meiner Kenntnis. Vertrauen und Loyalität war jedoch einer der größten Stützpfeiler der Dragao und über Generationen hatte die Familie der Vincenzos bewiesen, dass man es nicht bereuen würde, Teil dieses Lebens zu sein, solange man seinen Befehlen folgte. Ich hinterfragte die Befehle daher nicht, sondern tat das, was ich in den letzten Jahres gelernt hatte und mir unter anderem den Beinamen "Dedalera" eingebracht hatte.

Ich begleitete eine kleine Gruppe von Crewmitgliedern, zu denen unter anderem Luciano, Alfredo, Nelio und Leon gehörten, in die große alumenische Stadt um nach Informationen zu suchen. Ausharren, lauschen, Wege finden, Ziele abschätzen.
Das dafür nötige Verhalten war mir in den letzten Jahren in Fleisch und Blut übergangen, denn die Haare gekämmt und in ein ordentliches Kleid gesteckt, würde keiner in mir einen Piraten oder irgendeine Gefahr sehen. Dazu war ich viel zu unscheinbar, viel zu klein und harmlos anmutend. Ich hatte gelernt mit einem Bogen umzugehen, hatte gelernt Gifte zu meinem Vorteil einzusetzen – alles darauf ausgerichtet, niemals in einem offenen oder direkten Konflikt zu geraten.

Den Spaß der Raubzüge und der Überfälle blieb mir somit verwehrt, für die Kerle kam es nicht in Frage mich dafür mitzunehmen – doch ich war eben diejenige geworden, welche die Wege für eben diese bereitlegen konnte und die Erfolge der Dragao sprachen dafür, dass ich meine Arbeit nicht sonderlich schlecht machte. Tatsächlich genoss ich sie auch, ich liebte es durch die engen Gassen, weite Marktstraßen und belebte Hauptwege der Städte zu schlendern und hier und dort den Tratsch des einfachen Volkes zu lauschen, während der Rest der Gruppe sich eine Lieblingstaverne ausgesucht hatte, um dort auszuharren, bis ich mit meiner Arbeit fertig wäre.

Ich erinnere mich an diesen einem Tag, auch wenn nach all den Jahren nur noch ein Funke von dem übrig geblieben war, was ich damals gefühlt oder gedacht haben musste. Arm und Arm war ich mit Leon unserer Gruppe auf dem Weg zur Taverne gefolgt, während ich dem Gelaber vom Luciano nur halbherzig zugehört hatte. Er war im Verhältnis recht frisch auf der Dragao, auch wenn er sich schon bewiesen hatte – er blieb jedoch ein Großmaul. Vermutlich blendete ich deswegen den größten Teil von dem, was aus seinem Maul kam, aus. Erst die Finger Leons in meinem Nacken, die ein angenehmes Kribbeln hervorriefen, rissen mich aus meinen Gedanken und ließen mich registrieren, dass wir vor der Taverne angekommen waren.


"Siehe die Flagge, die in die Höhe ragt. Dein Schicksal nun besiegelt, das Leben wird hart,... "

Die Fetzen des Liedes welches ich aus dem Inneren der Taverne vernehmen konnte führte zu einem unwohlen Gefühl in der Magengegend und doch konnte ich nicht so richtig beurteilen warum. Vielleicht irritierte mich die Tatsache ein solches Lied in der Hauptstadt Alrynes zu hören, vielleicht war es eine gewisse Vorahnung – das ist heute schwer zu sagen.

Ehe ich meine Bedenken jedoch äußern konnte, lenkte die Tagesplanung der kleinen Gruppe mich erneut ab. Ich bestätigte das ich am Vortag eine verheißungsvolle Spur gefunden hatte und teilte Ihnen mit, dass es vermutlich nicht mehr lange dauern würde, bis wir zurück zur Dragao könnten.
Wie immer in den letzten Jahren war die Verabschiedung Leons nicht mehr als die simple Geste seiner Hand in meinem Nacken – doch wir beide wussten um die Zuneigung, die dahinter stand.

» Pass auf dich auf, .. ay'? «

Leons Worte entlockten mir ein kleines Lachen und statt zu antworten, hatte ich mich ein wenig gestreckt, um die Finger ebenso in seinem Nacken zu legen. Eine stumme, doch bestätigende Geste – die erst von Lucianos Gelaber wieder unterbrochen wurde.

» Anschmacht'n könnt' ihr euch nachher noch genug.. nu' lasst uns endlich rein, ich brauch'n mierda Rum! «

Mit einem kurzen verärgerten Schnauben war ich für wenige Momente weiter in den Eingangsbereich der Taverne getreten um Luciano eine freundschaftlichen, aber nicht zu sanften Klapps zu gehen – ehe ich mich jedoch abgewandt hatte um meinem Tageswerk nachzugehen. Ein erneuter Fetzen des Liedes rang noch einen Moment in meinem Gewissen wider – doch schob ich es beiseite und machte mich auf dem Weg.


"Hörst du, wie die See nach uns ruft? Bis zu dem Tage, an dem das Leben uns verflucht!"

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Zuletzt bearbeitet von Shinaa Dedalera am 29 Apr 2022 13:17, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 30 Apr 2022 01:11    Titel:
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» Armageddon der Dragao I «

Der Druck, der auf mir lastete, stieg nach dem Gespräch mit dem Gobernador rasant an. Anders, wie von mir geplant, wollte der Statthalter schnellstmöglich Ergebnisse sehen. Kaum hatte ich sein Anwesen verlassen, steckte mir einer seiner Diener einen gut gefüllten, klimpernden Beutel zu. Das Golf für die Bestechung von diesem Luciano, der sich öfter in der Taverne aufhielt. Einige Herzschläge lang sinnierte ich darüber, das Gold einzustecken und zu entkommen, doch innerlich wusste ich, dass Augen mich aus den Schatten beobachteten. Ein Blick über die Schulter reichte aus, um meine Vermutung zu bestätigen. Ein junges, hübsches Weib, gekleidet in einfachen Stoffen und einem leichten Mantel, stand nicht unweit von uns neben einem Brunnen und spielte vor, etwas in ein Büchlein zu schreiben. Ihre Blicke, die sie uns zwischendurch zuwarf, verrieten sie jedoch. Nicht, dass sie versteckt bleiben wollte. Vermutlich war es ohnehin ihre Absicht, mich wissen zu lassen, dass ich verfolgt werden würde, auch wenn die Nachricht selbst ohne stetige Begleiter deutlich genug gewesen wäre. Mit einem genervten Brummen schob ich den Gedanken schliesslich beiseite, nickte dem Mann noch zu und verliess dann das Adelsviertel der Hauptstadt.

Zurück in der Taverne begab ich mich zu meinem Stammplatz, um mir etwas zu essen und zu trinken einzuverleiben, nachdem ich die Tortur ausstehen musste, dabei zuzusehen, wie der Statthalter sein Fleisch verputzte. Mir knurrte der Magen hörbar, sodass ich der Wirtin gar nicht sagen musste, dass ich etwas bestellen möchte. Sie lachte erheitert darüber, bot mir an, mich wieder zu setzen und etwas vorbeizubringen, was ich selbstverständlich bejahte. Durch die viele Zeit, die ich in den vergangenen Tagesläufen hier verbrachte, wusste sie genau, was ich mir wünschte. Neben dem grossen und wunderbar gewürzten Stück Fleisch mit Bratkartoffeln und Rosmarin, brachte sie mir ein halbes Glas an Whisky. Sie deutete über die Schulter zum Tresen, hinter dem sich ein weiteres Weib befand und merkte an, dass sie gerade den Dienstschluss angetreten hatte. Meine Antwort erfolgte durch ein Zuprosten des Glases und einem matten Schmunzeln, ehe ich sie dazu aufforderte, sich zu mir zu setzen.
Etwas Ablenkung kam mir nur gelegen und so tauschten wir in den darauf folgenden Stundenläufe Geschichten aus unseren Leben aus, bis der Punkt gekommen war, an dem unsere Lippen zueinander fanden und später die restlichen »Gespräche» auf leidenschaftlich körperlicher Ebene stattfanden.

Ich wachte erst auf, da war es bereits Abend. Mit einem Blinzeln sah ich mich in meinem kleinen Zimmer um, dass nur vage von dem abendlichen, rotorangen Schimmer der untergehenden Sonne beleuchtet wurde. Begleitet von dem gedehnten Brummen eines Bäres streckte und räkelte ich mich im Bett, was wiederum zur Folge hatte, dass die Blondine, die an meiner Seite lag, sich ebenso räkelte.
Finnja, war ihr Name. Eine wahre Schönheit, geprägt von weiblichen Rundungen, um die sie so manch ein Weib beneidet hätte. Das Gesicht hatte durch die hohen Wangenknochen etwas aristokratisches, strenges an sich und doch blickten die grünen Iriden einen voller Freundlichkeit und einer guten Portion von Naivität an.
Mit einem wohlwollenden Brummen dachte ich an das vergangene Liebesspiel zurück, wie sie mit all ihrem Gewicht auf mir sass und die Hitze in all den Fasern meines Körpers steigen liess. Sie wusste, wie sie ihren Körper einzusetzen hatte und fast schien es so, als hatte sie mich zu einem Kampf herausgefordert.
Mit einem amüsieren Schnaufen schüttelte ich den Kopf und griff ihr nochmal an den Hintern, auf dem sich ein kleines, blasses Muttermal befand. Ich küsste sie, versicherte ihr, dass sie bis zu ihrer nächsten Schicht in meinem Bett liegen bleiben konnte und wollte mich erheben, doch sie zog mich nochmal näher an ihr Gesicht, um den Kuss in die Länge zu ziehen. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich keinen Gefallen daran hatte, doch war mir in diesem Moment nicht nach einem Weib zumute, dass sich an mich klammerte. Daher verabschiedete ich mich im Anschluss, erntete einen missbilligenden Blick und begab mich schliesslich wieder in den Tavernenbereich, wo ich wartete.

Knapp vor dem zehnten, abendlichen Glockenschlag, erblickte ich Luciano, wie er die Taverne betrat. Diesmal kam er allein zur Tür hinein. Keine Crewmitglieder, die ihn begleiteten. Er bewegte sich auf den kleinen Platz unter der Treppe zu, an dem er sass, als ich abgeführt wurde und blickte sich im Raum um.
Die Wirtin, mit der ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Bekanntschaft machte, schritt just in dem Moment an meinem Tisch vorbei. Mit einem kurzen, aber hörbaren Pfiff gewann ich ihre Aufmerksamkeit für mich und bat sie im Austausch für einen kleinen Obolus, Luciano einen Krug Bier zu überreichen und darauf aufmerksam zu machen, dass dieser von mir kam. Sie lächelte, nahm das Gold bereitwillig entgegen und füllte den Krug rasch ab, den sie dann dem alten Mann mit der gewünschten Nachricht auf dem Tisch abstellte.
Unsere Blicke trafen sich. Verwirrung in der Mimik des Mannes, gepaart mit einer gewissen Argwohn. Nach anfänglichem Zögern drückte er sich jedoch schliesslich hoch und bewegte sich auf mich zu, um mir gegenüber Platz zu nehmen.

»Buenas tardes, Amigo.» Meine Mundwinkel zuckten einen Deut in die Höhe, während ich mein Gegenüber in Augenschein nahm. Er roch ziemlich streng, als hätte er seit Tagen nicht mehr gebadet, was grösstenteils dem Mund zuzuschreiben war, die von so manchen fauligen Zähnen bewohnt waren.

»Buen- … N’abend, Jungchen.» Das Gesicht verzog sich und spiegelte dessen Argwohn und Unbehagen wieder, als hatte er eine Vorahnung, dass ihn etwas schlechtes ereilen würde.
»Du bist der Kerl, den sie heut’ abgeschleppt hab’n, aye?»

»Si, genau der. Schmeckt ‘s Bier? Hab’s selbs’ nich’ probiert.» Mein Brustkorb begann unter einem stummen Lachen kurz zu vibrieren, bestärkt durch die Reaktion des alten Mannes, der den Becher nach einem weiteren Schluck vorsichtshalber beiseite schob und nur murrte.

»Was wills’ du von mir, Junch’n?» Fragte er ungeduldig und sein Bein begann auf und ab zu wippen, während er die Hände zu den Tischkanten führte, als würde er dafür sorgen wollen, dass er den Tisch notfalls zwischen uns schieben konnte.

»Was ich will? ‘S is’ schwer zu erklär’n. Abrechnung? Genugtuung? Oder doch nur ‘n nettes Gespräch zwisch’n Kerl’n?» Antwortete ich, während ich dabei zusah, wie der Ärger im Antlitz meines Gegenübers langsam zu steigen begann.

»Pass mal auf, Jungch’n, wenn du…»

»No, Kerl, du passt hier auf, wenn du nich’ wills’, dass dein Capitano erfährt, dass du hier rumposauns’, dass er ‘ne Isla hat, auf die er Gold verschleppt.» Der Schock im Gesicht Lucianos war riesig, als er realisierte, dass ich das Gespräch von vor einigen Tagen überhört haben muss.
»Ich sag dir nu’, wie das hier läuft. Du has’ ‘ne Chance, mit mierda viel Gold hier zu verschwind’n… oder dem Zorn deines Capitanos geg’nüber zu steh’n.» Meine rechte Hand fuhr neben mir auf die Bank, von dem ich den Beutel auflas, den ich zuvor dort drapiert hatte, um diesen klimpernd auf den Tisch zu werfen. Zwei, drei Münzen fielen dabei aus dem überfüllten Beutel hinaus auf das Holz. Der Anblick dieses kleinen Reichtums schien den Ärger des alten Mannes für den Moment zu schlucken.

»Du has’ meine Aufmerksamkeit, Jungch’n, was wills’ du von mir?» Die Augen verengt, ruhte sein Blick nun aufmerksam auf mir und ich wusste in diesem Moment bereits, dass es einfacher war, ihn mit dem Köder anzulocken, als ich es erwartet hatte. Seine Augen glänzten nämlich vor Gier, dass man fast denken konnte, er stellte sich bereits vor, was er mit all dem Gold anfangen würde.

Ich fuhr also fort, ihm zu erklären, dass alles, was er tun müsste wäre, den Standort des Schiffes preiszugeben und dafür zu sorgen, dass die Crew an Bord wäre, sobald es daran ging, alle festzunehmen. Es brauchte etwas Überzeugungskraft, ihm das Angebot schmackhaft zu machen, doch nach zwei weiteren Krügen Bier, einer Stunde des Gesprächs und einem Plan, der auf die Beine gestellt wurde, willigte er ein. Er berichtete noch davor, dass die »Späherin» der Dragao etwas fand, dass wohl alle dazu bringen würde, bald das Schiff aufzusuchen und der Admiral rechtzeitig bescheid bekommen würde, damit sie die Crew festnehmen könnten.

Mit einem zufriedenen Ausdruck lehnte ich mich zurück, schenkte mir noch ein Glas an köstlichem Wein ein und malte vor meinem inneren Auge aus, wie Francesco Venicia bald schon am Galgen enden würde. Endlich.


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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 01 Mai 2022 23:06    Titel:
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» Armageddon der Dragao II «

Eineinhalb Tagesläufe später fand ich mich auf einem Felsvorsprung wieder, der hoch oben über den Klippen einer Küste thronte. Die Bucht vor mir entsprach von der Form her einem Tal mit einem einzelnen Zugang zum Meer und erstreckte sich über eine Fläche von schätzungsweise einer Meile. Unaufhörlich schlugen die Wellen des hellblauen, klaren Wassers gegen die steilen und scharfen Klippen, zu deren Füssen sich in einer Tiefe von gut fünfzig Metern ein Strand befand, an dem die Crew der Dragao höchstwahrscheinlich an Land ging. Schleif- und Fussspuren deuteten jeweils darauf hin, die nicht allzu alt erschienen, bedachte man, dass die Wellen und der Wind sie noch nicht verschluckte. Der Anblick dieser Küste war eine Schönheit der Natur, die ich in diesen Ländereien nicht erwartet hatte.

Der starke Südwind blies mir die salzige Seeluft ins Gesicht, durchwirbelte mein ohnehin zerzaustes Haar, während ich die Wärme, die sie mitbrachte, genoss. Die Sonne stand im Zenit und brannte unaufhörlich auf uns hinab. Einzig ein Federhut, an die ich einen Büschel an besonderen Ara-Federn aus meiner Heimat befestigte, schützte mich vor der unbarmherzigen Sonne, die ihren Siegel auf jedem Mann und jeder Frau hinterliess, die sich nicht zu schützen wusste.
Mein Blick strich zur Seite, einige Meter weit von mir entfernt, wo der Admiral der örtlichen Marine geduldig darauf wartete, dass das Schauspiel beginnen würde. Keine Worte verliessen die Münder der Anwesenden. Es war, als habe sich die Ruhe vor dem Sturm über den Ort gelegt. Ein Mann trat kurz darauf zu diesen und erreichte ihm eine Pergamentrolle, bevor er diese mit einem Nicken zurückgereicht bekam und weggeschickt wurde.
So aufgeregt, wie in diesem Moment, war ich schon lange nicht mehr. Zuletzt vermutlich auf der Intrasigente, als ich mir meine Bluttaufe verdient hatte. Eine halbe Ewigkeit her.
Voller Erwartung blickte ich auf das Schiff in der Bucht nieder, dass etwas über hundert Schritt vom Ufer entfernt Anker lag. Ein wahrlich imposantes Schiff. Eine Galionsfigur fehlte an diesem Schiff, dafür aber wies der Bug die Gestalt eines Wasserdrachens auf, dessen Maul weit aufgerissen war und bei hohem Wellengang vermutlich den Eindruck erweckte, dass es Wasser spie, wenn es daraus wieder rieselnd in die unendliche See zurückfand. Als wäre dieser Anblick nicht schon beeindruckend gewesen, besass das Schiff zusätzlich noch Flügel auf, die sich von der Front bis hin zu der Reling erstreckte. Dazu perlweisse Segel,
die just in dem Moment herabgelassen wurden und das Bildnis eines verschnörkelten Wasserdrachens wiedergaben.
Der Wind nahm plötzlich rasant zu, heulte unheilvoll über die Klippen hinweg und liess uns plötzlich vor Kälte zittern. Wir blickten hoch zum Himmelszelt und erkannten, wie Wolken sich langsam zusammenzogen und drohten, die Sonne zu verdecken. Meine Aufmerksamkeit wurde jedoch jäh auf den Eingang zur Bucht gelenkt, als drei Fregatten hinter dem Berg hervortraten und auf den einzigen Weg in die Bucht zusegelten.


Befehle wurden plötzlich weit unten auf dem Schiff gebrüllt und das Schiff innerhalb kürzester Zeit kampfbereit gemacht und entsprechend ausgerichtet. Mein Körper spannte sich vor Erwartung an, mein Herz begann wie wild zu klopfen, während ich das Schauspiel vor mir genauestens im Blick hielt.
Die Schiffe der alumenischen Marine näherten sich langsam, doch stetig. Bedrohlich wurde das Hauptschiff von den anderen Schiffen flankiert, als habe man damit präsentieren wollen, welche Gefahr auf die Crew der Dragao zukam. Doch tatsächlich zügelte der Viermaster in auf halbem Wege sein Tempo und liess die Dreimaster den Vortritt, wovon eines sich nach und nach ausrichteten, um der Dragao das Steuerbord zu präsentieren.
Dann geschah es. Rasant stiess Qualm aus den Stückpforten zu den Seiten hinweg, noch bevor der dumpfe, doch hörbarer Klang der Explosion uns erreichte. Man konnte nur erahnen, wie die Flugbahn der Kettenkugeln ausgesehen haben musste, die das Holz der Masten zerbersten und eines davon zu Bruch gehen liess - ein taktischer Zug, um die Bewegung einzuschränken und ein Entkommen zu vereiteln. Überreste und die Kugeln selbst prallten hinter dem Schiff im Wasser auf, das Deck blieb bis auf Verletzungen der Crew durch Splitter weitestgehend unversehrt.
Kein halber Sekundenlauf später erfolgte die Antwort des Seedrachens, der qualvoll aufschrie und Qualm hüllte das Schiff ein, wie bei einem Drachen, der kurz davor war, sein Drachenodem zu speien. Die Besatzung des Dreimasters wusste nicht, welches Schicksal sie mit diesem Angriff besiegelten. Wie das Brüllen einer gewaltigen Bestie erklang das Donnergrollen der Drachenrohre, die im halben Sekunden-Takt ihr Feuer spie und ihre Ladung auf das feindliche Schiff entliessen. Zwölf Kugeln, abgefeuert durch talentierte und geübte Hände, schnellten auf den Dreimaster zu und löschten von einem Moment auf den nächsten das Leben vieler Dutzend Menschen aus, als das Schiff regelrecht in Stücke gerissen wurde. Das Heulen der Männer an Bord war bis an die Küste zu hören, die durchtränkt waren vor Verzweiflung, doch im nächsten Moment starb es aus, als sich in meinen meergrünen Iriden eine gewaltiger Feuerball spiegelte. Das gelagerte Schiesspulver muss sich entzündet und alles in Flammen gehüllt haben, die sich gierig um die Reste schlangen, die durch den Druck und dem Feuer nicht sofort in tausend Einzelteile zerkleinert wurden.

Das Entsetzen in den Augen des Admirals sprach Bände und die Fluchtiraden, die seinem Mund entwichen, hätten gar den ein oder anderen Seemann blinzeln lassen. Ich selbst war zu abgelenkt, zu beeindruckt von der Schlagkraft der Crew in der Bucht und tatsächlich kamen mir in dem Moment Zweifel auf, ob die alumenische Streitkräfte ihr Ziel erreichen würden. Die Spannung in meinem Körper nahm zu, brachte mich dazu tiefer durchzuatmen, während ich die Zähne aufeinander presste, sodass die ohnehin schon markanten Wangenknochen deutlicher hervortraten.
Die Besatzung des zweiten Dreimasters hatte Glück, dass die Dragao nicht mehr die Zeit und Möglichkeit hatte, sich vernünftig auszurichten. Mit voller Kraft segelten sie auf das hölzerne Seeungeheuer zu und rammten es. Schüsse, gefeuert durch Musketen und Pistolen erklangen und die ersten, armen Seelen die versuchten auf das andere Deck zu gelangen, fielen leblos oder verwundert in das Wasser, dessen Arme die Opfer bereitwillig umschloss, um sie in die Tiefe zu ziehen.
Nachdem die ersten Salven verschossen waren, nahm der Druck der alumenischen Marine jedoch zu und nach und nach fanden sich mehr Kerle der Mannschaft auf dem Deck der Dragao wieder, auf dem der Kampflärm noch eine ganze Weile anhielt, bis es letztendlich ausstarb und Stille sich über das Schlachtfeld legte, von dem immer noch Rauch von den Stücken des zerstörten Schiffes in die Luft stieg, die noch nicht untergingen.


Der Tag des Gerichts war gekommen. Die Verurteilung ausgesprochen und die Strafe vollstreckt. Der Rest der Crew der Dragao, die ihr Schicksal annahm und nicht bis in den Tod hinaus kämpfte, war festgenommen. Aus der Ferne beobachtete ich, wie die Kerle und Weiber an Land gebracht, ihnen Handschellen umgelegt und sie anschliessend weggeführt wurden. Ein Gefühl von Genugtuung stieg in mir auf und seit langem fühlte ich mich wieder richtig lebendig und so, als könnte ich endlich ein neues Leben beginnen. Ja, frei konnte man fast schon sagen. Auch wenn es lange nicht so befriedigend war, wie selbst ein Schwert durch Francescos Brust zu führen, um ihm dabei zuzusehen, wie der letzte Funke an Leben aus seinen Augen wich. Doch zu wissen, dass er das gleiche Schicksal wie ich tragen musste, verrotend in einem Kerker, gefoltert und erniedrigt - Si, das reichte mir für den Moment aus.
Nach einem weiteren Stufenlauf kam ein Läufer des Admirals, der sich inzwischen zurückzog, zu mir gerannt und überreichte mir ein Medaillon und ein Schwertscheide mit einem Entermesser darin, dass den Schriftzug »Francesco Venicia« auf dem Leder trug. Seine Besitztümer, wie vereinbart.
Man sagte mir noch, dass ich bis zum Sonnenuntergang Zeit hätte zu verschwinden und so machte ich mich ohne zu zögern auf den Rückweg zum Hafen zu bewegen und eines der Schiffe zu betreten. Doch in diesem Moment merkte ich, dass ich kein Ziel hatte. Mein Fokus lag so sehr darauf, Rache zu nehmen, dass ich nicht wusste, was ich wollte. Und so war es zu diesem Zeitpunkt ungewiss, wohin mich mein Weg führte. Ein Name rang dann jedoch in meinem Kopf und meine Lippen formten stumm die Worte »La Cabeza«


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Shinaa Dedalera





 Beitrag Verfasst am: 02 Mai 2022 14:44    Titel:
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» Herzstillstand «


Es war ein erfolgreicher Aufenthalt in Eherntrutz gewesen, aber genau so sehr, wie ich es liebte meiner Aufgabe nachzugehen, ebenso liebte ich es "Heim" zu kommen. Auch wenn dieses Heim ein großer Dreimaster von einzigartiger Schönheit war, so war dieses Schiff und seine Mannschaft das, was ich als Familien kennengelernt hatte, nachdem mein altes Ich von den Wellen in Kindheitstagen verschlungen wurde. Jeder Schritt auf den alten Planken der Dragao und jeder Atemzug dort fühlte sich nach Heimat an, als wäre meine Existenz unweigerlich mit diesem Wesen aus alter Zeit verbunden.

» Höchst'ns zwei Tage noch, mi pajarito «

Die Worte der, über die Jahre vertraut gewordenen, Stimme von Leon wurden begleitet von einem zarten Kitzeln seines Atems an meinem Nacken. Bei dem Gedanken was dahinter stand, formte sich ein kleines Lächeln auf meinem Gesicht ab und über die Schulter betrachtete ich für wenige Augenblicke die Gesichtszüge des Mannes, der mit mir auf diesem Schiff aufgewachsen war. Unsere Finger verschränkten sich in der Hitze des Tages und für einen kurzen Augenblick gar gedankenverloren, pendelte mein Augenmerk zum feinen Ring an meinem Finger. Der Ring, der mir Anfangs ein Lachen entlockt hatte, als Leon in mir gegeben hatte - konnte ich mit der Geste doch herzlichst wenig anfangen.
Doch sobald die Dragao wieder auf den Wellen der weiten See tanzen würde, würden wir uns vor Capitano Vincenzo das Versprechen geben. Es würde nicht viel an dem was wir hatten ändern, das war uns beiden klar, aber es fühlte sich so viel endgültiger an. Endgültigkeit war normalerweise etwas, was in meinem Inneren ein Gefühl der Übelkeit hervorrief, doch in diesem einen Fall löste es brennendes Empfinden aus. Ich würde nicht weiter nur "Nixe" sein, nein ich wäre eine Vuero und ich konnte den damit aufkeimenden Stolz nicht gänzlich verbergen.


» Und weiß' du was? Ich freu' mich bereits die Isla anzulauf'n und dort mit dir am Strand zu sitz'n. «

Ich spürte das Vibrieren seiner Brust, als er hinter mir zu Lachen begann und in einer Reaktion, geboren aus Zuneigung, die Arme enger um mich legte.

» Kaum sind deine Füße wieder auf der Dragao, denks' du scho' wieder an ein'n Landgang? Schwächels' du etwa? «

Mein Ellenbogen machte ein wenig unsanfter Kontakt mit seiner Flanke und ein vorwurfsvoller Blick landete im Dunkelbraunen seiner Augen. Ich erntete allerdings nur ein breites Lächeln, das Lächeln was es immer wieder schaffte die aufkeimenden Wellen zu besänftigten und mir den Wind aus den Segeln nahm.

» Du weiß' ganz genau, warum ich mich darauf freu'... «

» Sí, sí... kein Grund überg... «


Schreie auf Decke ließen Leon jäh im Satz inne halten und ich fühlte die Anspannung in seiner Körperhaltung, wie bei einem Tier welches Gefahr witterte und bereit war jederzeit in den Angriff überzugehen. Das waren nicht die üblichen Schreie, wenn die Kommandos zum Klarmachen der Dragao gebrüllt wurden. Es lag Anspannung in der Luft. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren drückten wir uns Beide auf, denn in diesen Momenten wussten wir beide, das alles andere zweitrangiger Natur war. Es war sicherlich nicht das erste Gefecht welches wir in all den Jahren auf der Dragao erlebt hatten und jedes Gefecht war verbunden mit einem brennenden Gefühl in den Adern und einem wild pochenden Herzen. Etwas, was niemals aufhören würde - denn hier ging es immer auch um unser Leben, unsere Heimat, unsere Familie.

Ein letzter Blick, der nicht mal einen Herzschlag lang anhielt und ich sah ihn auch schon losrennen. Jeder hatte seine Aufgabe und meine war in solchen Momenten unglücklicherweise wenig nützlich, weswegen ich mir angewöhnt hatte, eben dort zu helfen, wo meine Hilfe von Nöten war. Ich fühlte den Ruck im Schiff, als der Koloss zum Ausrichten gebracht wurde und das Ächzen der Planken über mir, als die schweren Kanonen in Position gebracht wurden. Die Anspannung in meinem Körper ließ mich, wie ein Pfeil der von einer Bogensehne gelöst wurde, losschnellen und es dauert nicht lange, da war ich am Hauptdeck angekommen. Ich befand mich zwischen rennenden Seemännern und konnte in Richtung Buchtausgang das erkennen, was die Unruhe geschürt hatte. Der Anblick der drei Fregatten, die man auf den ersten Blick der alumenischen Marine zuordnen konnte, ließ mich für den Augenblick ausharren - als hätte die Zeit kurz angehalten um mir vor Augen zu führen, dass dieses Gefecht alles andere als einfach werden würde. Erst das pfeifende Geräusch der Kettenkugeln die wenige Schritt von mir entfernt in das Holz krachten, rissen mich aus meiner Starre. Unheilvoll stöhne der Besanmast auf, als die Verletzungen sich als zu Groß aufwiesen und mit einem qualvollen Geräusch musste er in die Knie gehen, kläglich gehalten von großen Teilen der Takelage.

Panik.

Wieder rannte ich los, stieß vereinzelt mit Crewmitgliedern zusammen, kam ins Taumeln oder musste mich festhalten - die Befehle die von den "Fünf" über das Deck gebrüllt wurden, nahm ich nur verschwommen wahr. Ich wusste was ich zu tun hatte, ganz genau, gegen drei Gegner durften die Kanonen nicht Ruhen. In den nächsten Momente half ich dabei die schweren Kugeln zu schleppen und beim Ausrichten der Drachenmäuler zu helfen und der Erfolg war zu sehen. Die erste Fregatte wurde vom Drachen verschlungen und in die kalten Arme der See gezogen... wie viele viele Opfer vor ihr. Der Geruch vom Schwarzpulver und verbrannten Fleisch hing in der Luft, die Schreie der Opfer rangen in meinen Ohren, doch ich konzentrierte mich nicht darauf.

Ich fühlte die vertraute Bewegung unter mir, als die Dragao erneut ihre Position ändern wollte und jäh verlor ich den Halt, als ein gewaltiger Ruck, in Begleitung eines berstenden Geräusches, durch das Schiff ging. Die Schreie die ich vernahm, ließen mich wissen, dass die zweite Fregatte uns wie zu einem verzweifelten Selbstmordkommando gerammt hatte. Die Hoffnung, noch vorhanden wie eine sanfte Briese an einem Sommermorgen, ließ mich, wie jedes andere Crewmitglied, jedoch weiter machen. Keiner würde Aufhören zu kämpfen, kein einziger würde kampflos aufgeben - eher würden wir alles mit uns in die Arme der See zwängen.

Als ich den Kampfeslärm über mir vernahm rappelte ich mich wieder auf, kein alumenischer Bastard würde ungestraft auch nur einen Fuß auf die Dragao setzen. Den Dolch aus einer Halterung an meinem Bein gezogen, erreichte ich mit wild pochendem Herzen das Hauptdeck und der Anblick, der sich mir offenbarte, ließ die Sommerbriese aussterben. Die Fregatte hatte sich wie ein goldblaues Ungeheuer in den Drachen verbissen, die herrlich perlweißen Segel waren zum größten Teil zerrissen, ein Mast vollkommen zerbrochen, während ein weiteres bedrohliche Risse aufwies. Die Planken auf Deck, die ich in unzähligen Stunden geschrubbt und gepflegt hatte, zeigten hässlich, klaffende Wunden auf.

Panik.

Das war kein Kampf ums Überleben mehr. Das war nur noch ein Kampf, um vor dem eigenen Untergang möglichst viele Feinde mitzunehmen. Mit dem Angriff des Ungeheuers hätten wir auskommen können, doch der bedrohliche Viermaster, der dort noch immer zwischen den Wellen thronte, unversehrt, noch in all seiner Kraft, würde unser Schicksal besiegeln. Der Eindruck wurde bestärkt, als einer der "Fünf" in Flammen aus Zorn gehüllt an mir vorbei schoss, um auf seinen Weg alles zu vernichten, was in seine Quere kommen würde. Angetrieben davon stürzte ich mich selber in den Kampf, meine Gewandtheit nutzend um meinen Brüdern aus dem toten Winkel des Feindes zu helfen. Ich dachte nicht viel nach, ich funktionierte nur, wie eine in die enge getriebene Bestie, die auch den letzten mit sich in den Untergang ziehen wollte.


» NIXE «

Der vertraute Ruf der durch den Kampfeslärm an meine Ohren drang riss mich zurück in die Realität und mit einem Zittern in der Dolchhand suchte ich für einen Moment nach dem Ursprung. Ich sah Leon, das Hemd zerrissen und stellenweise durchtränkt vom Blut, auf mich zueilen - ich konnte nicht erkennen, ob es sein Blut war, oder das eines Alumeners. Auf seinem Weg zu mir, musste er zwei weitere Angreifer abschütteln, einen davon mit einem gezielten Schuss seiner Steinschlosspistole, den anderen mit wenigen Streichen des Entermessers. Zum Nachladen war keine Zeit.

Ich weiß noch, wie verwirrt ich in diesen Moment gewesen sein musste, als er mich mit einem unsanften Ruck zu einer der weniger kampfbelasteten Stellen auf dem Deck gezerrt hatte. Versteinert hatte ich wahrgenommen wie -das- Amulett um seinen Hals hing, das seines Vaters. Was war passiert? War er gefallen? Leon packte mich an den Schultern und im unergründlichen Dunkelbraun seiner Augen erkannte ich das gleiche, was sich in meinem Inneren aufgebaut hatte. Angst.


» Wir müss'n flieh'n. «

» Das könn'n wir nich'. «


Erwidert ich hartnäckig und kurz spürte ich den Zorn in meinem Inneren hochkochen. Eine Flucht war Verrat. Eine Flucht war die Familie in Stich zu lassen. Leon wusste, dass ich so empfand, denn er schüttelte den Kopf und erhob erneut, heiser, aber eindringlich die Stimme.

» Mi pajarito, hier is' nich's mehr. Wir könn'n nur noch das Amulett in Sicherheit bring'n. Der Capitano ist tot. «

Die Worte waren wie ein kräftiger Schlag in die Magengrube und ich spürte die Übelkeit in mir hinaufklettern. Der Dolch entglitt meinen Fingern, prallte mit einem unsanften Geräusch auf den nassen Planken unter mir auf und erneut war es Wut, die sich durch meine Adern fraß.

» Dann müss'n wir ers' Recht kämpf'n! Die Bastarde werd'n brenn'n dafür! «

Leon warf einen panisch-kontrollierenden Blick über die Schulter, als wenige Schritt von uns entfernt zwei Männer im Kampfgerangel zu Boden gingen - ehe er seinen Fokus wieder auf mich lenkte.

» No, es bring' nich's... am End' sind wir all' Tod und das Erbe der Vincenzos liegt in den Händ'n der Alumener. «

Ich wusste das er Recht hatte, aber ich wollte es nicht. Verzweiflung schnürte mit die Kehle zu, raubte mir jegliche Fähigkeit darauf zu antworten. Im Hintergrund nahm ich wahr, wie immer mehr Mitglieder meiner Familie Opfer der Schwerter und Armbrüste wurden und das Kampfgetümmel sich immer weiter in unsere Richtung ausbreitete.

» DA HINTEN «

Leons Blick zuckte über seine Schulter, als ein Soldat der alumenischen Marine auf und zusteuerte und ohne auch nur den Funken eines Augenblicks zu zögern, drückte er mir das Amulett in die Hände. Verwirrt blickte ich zu ihm hoch - der fragende Ausdruck meiner Augen wurde von ihm mit einem Blick quittiert, der mir das Herz zerriss. Ehe ich etwas sagen konnte, verpasste er mir einen unsanften Stoß und ich fiel vollkommen überrascht von dieser Geste über Bord. Ich wurde von den gierigen und aufgebrachten Mäulern der See verschluckt, das Amulett so viel schwerer in meinen Händen, als es eigentlich sein dürfte, presste ich in diesen Moment an mich.

Panik.
Aber ich musste überleben.



~•~
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Nelio Venicia





 Beitrag Verfasst am: 02 Mai 2022 22:20    Titel:
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~~


>> Buenas Noches kleiner Venicia <<


Als sie die Taverne betraten, vernahm er den rauen Klang der Stimme des Mannes mit der Laute. Doch hatte er schon immer nicht viel für Barden übriggehabt, so dass er augenrollend den Blick von ihm abwand und zusammen mit Luciano und Alfredo einen Tisch ansteuerte.

Alfredo schubste ihn kameradschaftlich zu einem Stuhl und ließ sich neben ihm nieder. Nelios Stuhl kratzte hörbar über den zerschlissenen Holzboden, ehe er sich nun ebenso dazu setzte und seinen Blick, suchend nach den anderen beiden, durch den Raum wandern ließ. Leon schien sich noch von seiner Chica verabschieden zu wollen. Schmunzelnd hob er einen Mundwinkel und murmelte:

>>Halbes Hemd.. da.<<

Alfredo, der wohl seinem Blick folgte, lachte schallend auf und sprach mit rotzigem Ton:

>>Nicht mal Titten hat sie. Aber was soll der Junge auch ne Ahnung haben? Die haben ja auch nie was anderes gesehen.<<

Da landete schon Nelios Hand klatschend im Nacken des Älteren und drückte ihn unsanft auf die Tischfläche.

>>Halts‘ Maul Alfredo.<< Beide Männer lachten daraufhin und rangelten noch einen Moment miteinander, ehe ihre Runde wieder vollständig war und sie es sich gemütlich machten um auf Rückmeldung der Nixe zu warten.


~~


Francesco legte einen Arm um seine Schultern und klopfte ihm flach auf die verschwitzte Brust.

>>Gut gemacht Hermanos! S‘ nächste Mal dann aber ohne Wehwehchen si?<< Er löste die grobe Umarmung und drückte seine Hand auf Nelios Kopf um die blonde Mähne zu durchwühlen.

>>Mierda! Lass den Scheiß!<<, zischte der Jüngere dem Älteren zu und duckte sich unter einem weiteren brüderlichen Angriff unter dessen Arme durch. Sie waren auf dem Weg zum Strand zurück.

Der Raubzug war ohne größere Verluste gelungen. Entlang Nelios Unterarm zog sich eine brennende Schnittwunde, doch insgeheim störte er sich nicht daran. Die Narben gehörten zu ihm dazu wie sein Name und das geschwungene Hautbild des Wasserdrachen. Aus den Augenwinkeln sah er seinem Bruder nach, der sich nun Alexander angeschlossen hatte und mit gesenkter Stimme weiter unterhielt. Würden sie nun endlich ablegen? Vielleicht sollte er vorher nochmal in die Taverne – die hochgewachsene vom letzten Mal hatte um ein weiteres Treffen gebeten. Warum sollte er dem nicht nachgehen? Wer wusste schon wie weit der nächste Landgang entfernt war? Diese Chance wollte er sich nur ungern entgehen lassen.


~~


Die Welt um ihn herum drehte sich. Verschwommen nahm er wahr das er auf das Beiboot zusteuerte. Wie kam er hier her? Er war doch noch in der Taverne gewesen? Er schloss seine Augen, um den Schwindel etwas einzudämmen, während die haltenden Hände ihn weiter trugen. Nachdem er die Chica zurückgelassen hatte, war er nochmal in die Taverne gegangen.

Mit viel Mühe schaffte er es seine Augen zu öffnen und sah in das Gesicht Lucianos der ihn wohl auf das Beiboot gebracht hatte. Dumpf vernahm er die vertraute Stimme des Mannes, der sich mit seinem Nebensitzer unterhielt. Schließlich lachten sie beide auf und Jemand tätschelte ihm die Schulter kameradschaftlich.

>>Hat dich das letzte Mal Wildkraut nichts gelehrt?<<


Er schaffte es nicht zu antworten, seine Lippen waren taub und der Speichel dahinter drohte ihm zu entrinnen, wenn er es weiter versuchen würde. Was sprachen sie da?

Nachdem er sich an den Tresen gesetzt hatte, hatte er Ausschau nach anderen Mitgliedern der Dragao gehalten und Luciano entdeckt. Langsam dämmerte ihm wieder, was er dort mitbekommen hatte. Sein Herz begann in seiner Brust zu rasen, alles in ihm sträubte sich gegen das Etwas was ihn daran hinderte zu sprechen.

Dieser Bastard hier hatte mit dem Barden gesprochen!

Natürlich!

Er nannte sich Vivo und sie planten einen Handel – der den Verrat an Kapitän Niero Vincenso resultierte!

Wieso war er nicht schon längst bei ihm?! Wieder tauchten Bilder vor seinem Auge auf und ließ ihn seine Entscheidungen des vergangenen Abends bitter bereuen.
Er hatte schon in Gesellschaft der Chica viel getrunken und so den Weg hinaus nicht mehr geschafft ohne Wellengang-ähnlich zu schwanken. Irgendwo tauchte eine weitere Flasche Rum in seiner Hand auf und danach nichts.

Was hatte er ihm da gegeben? Die Aufmerksamkeit des Piraten schaffte es sich irgendwann auf Luciano zu konzentrieren und so sah er gerade noch das vermeintlich mitfühlende Lächeln des Verräters. Dann wieder nichts.


~~


Dumpf hörte er die Stimme Francescos neben sich, doch seine Augenlider gehorchten ihm nicht, sodass er ihn ansehen konnte.

>>Buenas Noches Hermanos.<<

Und schon entfernten sich Schritte von ihm. Er wusste nicht, wie lange er da schon lag und nur das Klatschen der Wellen gegen den Wasserdrachen vernahm, als sich wieder Schritte näherten, ihn Jemand grob packte und mit sich nahm. Seine Füße stolperten über die Wuhlinge, doch immer wieder wurde er weiter gerissen.
Erst der Aufprall gegen einige Fässer und der Schmerz der ihn durchzuckte, brachten ihn dazu die Augen aufzureißen. Er war irgendwo im Achtern, zwischen der Ladung die er noch an Land ausgehandelt hatte.

>>Sieh mich an.<<

Vor ihm kauerte Luciano mit einem Morgenstern in der Hand. Ein hämisches Grinsen lag auf seinen rissigen Lippen während er ihn triumphierend musterte. Als Nelio endlich seinen Blick erwiderte, nickte der Verräter zufrieden und erhob sich.

>>Die alle dachten, das du dich so abgeschossen hast, dass du noch bis zur Abfahrt schlafen wirst.. nur falls du dich fragst, warum Niemand mehr nach dir gesehen hat. Echt.. süß diese Familie hier.<<

Er sprach die Worte voller Abscheu aus und spuckte letztendlich noch seinen Speichel neben Nelios reglungslose Füße.

>>Wir sollen ihre Erwartungen doch nicht enttäuschen, oder? Also.. Buenas Noches kleiner Venicia<<

Er sah weder den Schlag kommen noch, dass er ihn spürte. Doch wusste er davon, als er die Augen schloss und die Bitterkeit der Machtlosigkeit ihn sein Schicksal akzeptieren ließ.

~~


Zuletzt bearbeitet von Nelio Venicia am 02 Mai 2022 22:21, insgesamt einmal bearbeitet
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Drystan Verano





 Beitrag Verfasst am: 03 Mai 2022 10:49    Titel:
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~•°•~

» Von alten Erinnerungen und neuen Besitztümern «

»Stillschweigend betrachtete ich die die Waffenscheide in meiner Hand. Meine Daumen fuhren langsam über das alte, kunstvoll verzierte Wildleder und folgten dem Schriftzug aus goldenem Draht, der den Namen Francescos abbildete. Gut acht oder neun Jahresläufe war es her, dass ich es zuletzt sah. Damals noch in Nuevo Refugio, als die grosse Schlacht unsere Heimat verwüstete. Ich kann mich noch erinnern, wie er mir gegenüber erzählte, dass es für viele lediglich ein Stück verziertes Leder war, für ihn aber eine Verbindung zu seiner Familie, respektive seinem Vater darstellte, von dem er es geschenkt erhielt. »Familie an erster Stelle«, hörte ich seine Worte in meinem Kopf hallen und konnte nicht anders, als verächtlich zu schnauben. Einst glaubte ich ihm das, war der festen Überzeugung, Teil der Familie zu sein. Doch er offenbarte mir sein wahres Ich, beraubte mich allen Dingen, die mir teuer und lieb waren und zeigte mir auf, dass ich mich in Francesco täuschte.
In meiner anderen Hand lag das Amulett, dass ihm abgenommen wurde. Das Schmuckstück bestand aus antikem Gold, das erkannte ich sofort. Umfangreiche Verzierungen schmückten das kostbare Metall, dessen Mitte ein wahres Kunstwerk darstellte. Dort thronte ein eingesetzter Smaragd, welches klarer nicht hätte sein können und durch die Gravur eines Totenkopfes geschmückt wurde. Umrundet wurde der Edelstein von einem Wasserdrachen, dessen detailreiches Schuppenkleid je nach Lichteinfall schimmerte, als sei es von Wasser benetzt.
Ich konnte mir nicht erklären warum, aber das Amulett strahlte etwas mystisches aus, als verbarg es ein Geheimnis, das es noch zu lüften galt. Bis es so weit kam, diente es mir jedoch als neues Schmuckstück.
Beide Stücke waren stumme Zeugen von dem, was vor einigen Tagesläufen erst geschehen war und gleichzeitig waren sie ein Symbol des Sieges. Die Besitztümer meines Rivalen in den Händen zu halten, fühlte sich gut an.
Reue verspürte ich keine. An Mitgefühl fehlte es mir genauso wenig, denn das Leben der Betroffenen bedeutete mir nichts. Es war lediglich ein Spiel. Fressen oder gefressen werden. Doch ich war verärgert. Verärgert darüber, dass ich wohlwissend Kerle und Weiber, Freiheitssucher, wie ich es war, in ein offenes Messer laufen liess. Piraten, die ohnehin schon vom Aussterben bedroht waren, seit die Grossmächte ihre Reiche und damit auch den Einfluss auf die Weltmeere ausweiteten. Doch es war geschehen und damit nicht mehr umzukehren. Und trotzdem, wenn ich vor der Wahl stehen würde, das Getane zu wiederholen oder davon abzulassen, würde ich mich für ersteres entscheiden.

Das Ganze brachte mich zum nachdenken. Seit meiner Festnahme ging fast ein Jahrzehnt verloren. Eine Zeit, in der vieles geschah, dass mich zu dem machte, der ich geworden war. Es lag in meiner Art, solche Erlebnisse festzuhalten, in Form von lebhaften Hautbildern, die in meine Haut gestochen wurden. Zu lange war es her, dass ich diesem Drang nachgehen konnte.
In der Ferne sah ich bereits die berüchtigten Leuchttürme der Isla Cabeza, dem grünlichen Südfeuer und dem rötlichen Nordfeuer, die an den Eingängen der grossen Bucht über die Riffe wachten. Der Capitano des Schiffes rief meinen Namen und sagte mir, dass wir bald schon an Land gehen würden. Doch entgegen meines anfänglichen Planes ging ich auf den Mann zu und verhandelte, noch länger auf dem Schiff verweilen und anheuern zu dürfen, mit der Bitte mich in Viento del Sur abzusetzen, wo sie - wie ich im Laufe des Gespräches erfahren hatte - ihre Vorräte aufstocken wollten.
Tief in mir drin freute ich mich, bald wieder zuhause zu sein und dort meinen Leib wieder unter die Nadel zu führen. Doch war da auch eine Ungewissheit, wie man mich empfangen würde, schoben doch noch viele der Crew der Intrasigente die Schuld für das zu, was geschehen war.


~•°•~


Zuletzt bearbeitet von Drystan Verano am 03 Mai 2022 10:51, insgesamt einmal bearbeitet
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Shinaa Dedalera





 Beitrag Verfasst am: 03 Mai 2022 19:40    Titel:
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~•~

» Schmerz «


Für einen Moment, umgeben von den Armen der See, getaucht in ihrer Dunkelheit und lediglich in Sichtweite des schwachen Schimmern an der Oberfläche, fühlte ich mich friedlich. Als würde das Meer mir meine Last nehmen und mich sanft in den Schlaf wiegen wollen. Als wäre es in Ordnung, nun einfach die Augen zu schließen und denen zu folgen, die mich heute verlassen hatten.

Nein.

Ein innerer Ruck rüttelte mich wach und mühselig kämpfte ich mich an die Oberfläche meines Grabes, die Lungen schmerzend, die Arme und Beine zitternd, belastet von den Kämpfen auf der Dragao. Ich schaffte es mich an einem Stück treibenden Holz zu klammern – ein Bruchstück meiner Heimat, denn ich würde das Holz überall erkennen. Das Feuer der alumenischen Fregattentrümmer tauchte die Wellen in einen rötlichen Schein und noch immer hatte sich das blau-goldene Ungeheuer in den Wasserdrachen verbissen. Ich vernahm keinerlei Kampfeslärm mehr – eine unheimliche Stille lag in der Luft, lediglich unterbrochen vom Knistern und Knacken des sterbenden Holzes. Es schmerzte den Drachen so zu sehen, doch in diesem Moment war ich viel zu aufgewühlt, als das ich mich dem Schmerz ergeben konnte – da war eine lähmende Taubheit, geboren aus Schock und Verzweiflung.

Mühselig riss ich meinem Blick los und sammelte meine letzten Kräfte um an das Ufer der Bucht zu gelangen. Es wäre einfacher gewesen sich von der Strömung treiben zu lassen, doch dann würde ich dort landen, wo die Alumener am Strand verharrten. Erschöpft zog ich mich, nach einer gefühlten Ewigkeit, zwischen Steinen und Böschung an das Ufer, um dort wie ein nasser Sack zu Boden zu gehen. Jeder Muskel meines Körpers schmerzte, jeder Atemzug schien mir noch mehr Kraft zu rauben, als wäre es in Frevel meinerseits gewesen, mich aus den Armen der See zu befreien.

Die Erschöpfung und der quälende Schmerz in meinem Inneren hatten ihren Tribut gefordert, denn ich erinnere mich nur noch daran, wie ich eingeschlafen sein musste, denn das nächste, was in meinem Gedanken widerhallte, war der Anblick der sternenklaren Nacht. Ein kühlender Windzug ließ mich frösteln und nachdem ich mich unter Schmerzen aufgerichtet hatte, pendelte das Sturmgrau meiner Augen über die Bucht. Entlang des Strandes lagen unzählige Trümmer, von der zerstörten Fregatte ragte nur noch im Ansatz einer der Masten aus dem Meer – von den anderen Schiffen fehlte jegliche Spur. Die Dragao war verschwunden. Vielleicht war der drückende Mantel des Schocks zu schwer, zu undurchdringlich, aber es dauerte etliche Momente bis mir bewusst wurde, was das alles bedeutete.

Ich war wieder allein. Die Familie, die ich zehn Jahre, mehr als die Hälfte meines Lebens, begleitet hatte, vernichtet. Meine Heimat gesunken, zerstört, abgeschleppt – ich wusste es nicht. Langsam sickerte mein Blick auf das Amulett hinab, um welches sich meine Finger krampfhaft schlossen, bis ich das Gefühl hatte, sie würden daran zerbrechen, oder zerschnitten werden vom Schuppenkleid des Wasserdrachens. Das Gefühl drückte sich schmerzhaft, aber drängend meine Kehle hinauf und zum ersten Mal seit etlichen Jahren waren die Tränen auf meinen Wangen nasse Zeugen der Gefühle die mich übermannten.

Ich weinte.... und weinte... bis ich das Gefühl hatte keinerlei Tränen mehr übrig zu haben und in meiner Kehle nur noch ein dicker Kloß saß - kein Laut sich mehr über meine Lippen kämpfen konnte. Was sollte ich nun tun? Was tat man in so einem Moment? Wo sollte ich hin? Mühselig hatte ich mich aufgerappelt, um mich auf den Weg nach Eherntrutz zu machen. Vielleicht würde ich dort die Antworten finden, die ich suchte. Vielleicht war ich nicht die einzige, die entkommen war, vielleicht konnte ich herausfinden, wo die Überlebenden hingebracht wurden.

Wie war das alles überhaupt passiert?
War ich zu unvorsichtig gewesen?

Ein quälender Gedanken der sich in mein Herz fraß und mich noch einige Zeit begleiten würde.


~•~


Zuletzt bearbeitet von Shinaa Dedalera am 03 Mai 2022 19:41, insgesamt einmal bearbeitet
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Shinaa Dedalera





 Beitrag Verfasst am: 04 Mai 2022 12:28    Titel:
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~•~

» So nah und doch so fern «


Es waren knapp zwei Mondläufe vergangen, seitdem sich meine Welt grundlegend geändert hatte. Den ersten Wochenlauf streunte ich ziellos durch Eherntrutz, auf der Suche nach Informationen, auf der Suche nach einem Ziel, oder etwas, was ich hätte tun können.
Ich belauschte Wachmänner, trieb mich in diversen Spelunken herum, hörte dem Klatsch auf den belebten Marktstraßen zu. Ich fühlte jedoch keine Freude daran, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre, eigentlich war da nur noch das drückende Gefühl in der Magengegend und der Schmerz, der mit jedem Herzschlag durch meinen Körper geschickt wurde. Ich musste feststellen, dass sich einige Mitglieder der Crew ergeben haben mussten, nachdem der Capitano gefallen war und ebenso hörte ich Getuschel darüber, dass einige erschossen wurden, die nicht kampflos aufgeben wollten. Jener Rest der sich hatte abführen lassen, hatte seine neue Heimat im Eherntrutzer Kerker gefunden – ein Gefängnis gleich einer Festung, nahe an Klippen gelegen. Beim Anblick dieser Festung wurde mir bewusst, dass ich rein gar nichts unternehmen konnte.

Die restliche Zeit verbrachte ich damit, mich um eine Anstellung zu bemühen, die mir irgendeinen Zugang zu dieser Festung gewähren konnte. Mit kleinen Taschendiebstählen hielt ich mich über Wasser, sorgte für ein angemessenes Auftreten und letztendlich freundete ich mich mit einer Köchin an, mit deren Hilfe ich Zugang zur Küche der Festung erhielt. Anett war warmherzig und freundlich, ihrer Naivität geschuldet konnte ich schnell ihr Vertrauen erlangen und sie dachte wohl, sie würde mir damit eine gute Freundin sein, wenn sie mir eine Anstellung anbieten könnte. Gegen Ende des zweiten Mondlaufs hatte ich es letztendlich geschafft – unter dem Vorwand das Essen für die Gefangenen ausliefern zu wollen, konnte ich unter wachsamen Blick der Regimentler den Teil der Festung betreten, wo die Crew gefangen gehalten wurde.

Der Anblick der sich mir bot raubte mir die Luft, in Ketten gelegt, gebrandmarkt, aber immerhin versorgt. Es schien als würden die Alumener zumindest so viel Anstand besitzen, dass sie keinen Gefangenen hier drin dem Tod überlassen würden. Absurd. Es machte keinen Unterschied, hier drinnen war es gleichbedeutend damit Tod zu sein. Als würde man eine Möwe in einen Käfig sperren oder als würde man versuchen einen Hai in einen kleinen Aquarium am Leben zu erhalten. Ich trat näher an die Gitterstäbe, die mich zwischen meiner alten Familie trennten und es war Leon, den ich zuerst bemerkte, so wie er mich erkannte. Schock, Überraschung, Sorge – ein Wechsel an Gefühlen huschte über seine Mimik und steckte die anderen Mitglieder an. Das Rasseln der Ketten als Leon sich aufdrückte ließ die Wärter aufmerksamer in meine Richtung schauen. Wieder einmal reichte mein Blick allein aus, um ihn zu sagen, was ich wollte. Ich betrachtete die anderen Gesichter noch eine Weile, erkannte keinen der Fünf, doch von Nelio, der wie ein Bruder für mich war, fehlte jegliche Spur. Er musste gefallen sein. Die Erkenntnis ließ erneut die mittlerweile altbekannte Übelkeit meine Kehle hinaufkriechen.

Den kleinen Tisch auf Rollen, den ich bei mir führte und der das Essen aufwies, schob ich schließlich langsam in die Vorrichtung – damit er von dort sicher in die Zelle geführt werden konnte, ohne das jene direkt geöffnet werden musste. Ich fühlte ein Zittern in meinen Händen und die Luft fehlte, um irgendwelche Worte zu formen. Leon trat näher an das Gitter, er tat so, als würde er den Wagen entgegen nehmen wollen.


» Mi pajarito, was tus' du hier? Bis' du mierda wahnsinnig geword'n? «

Die eindringlichen Worte von Leon waren wie ein tropischer Regenschauer, die mich zum ersten Mal seit zwei Mondläufen wieder so etwas wie Wärme spüren ließen. Ich deutete ein kleines Kopfschütteln an und als ich versuchte zu antworten, war meine Stimme kratzig, als wäre der dicke Kloß im Hals weiterhin an Ort und Stelle.

» No... ich musst' einfach seh'n... «

» Muss' du nich', du solltes' gar nich' hier sein! «


Die Worte waren harscher und ich spürte einen gewissen Zorn der mit ihnen schwang, den ich ihm zwar nicht verübeln konnte, der aber gleichsam auch Enttäuschung in meinem Inneren schürte. Ich fühlte den beobachtenden Blick der Regimentler in meinem Nacken, auch wenn jene zu weit weg sein sollten, um die leisen Worte zu hören.

» Leon... ich weiß nich' wohin. «

Leon trat näher an das Gitter, näher als er hätte sein dürfen und aus einem Impuls heraus streckte ich meine Hand nach der seinen am Gitter aus. Ein flüchtiger Moment der Berührung, die mir so etwas wie Hoffnung und Frieden gab, ehe ich das alarmierende Räuspern vom Ende des Ganges hörte.

» Fräulein! Zurücktreten! Passen Sie auf, dass ist zu gefährlich! «

Ich zuckte zusammen, konnte meine Gedanken wieder sortieren und auch Leon zog seine Hand zurück, als wäre auch ihm gerade der Fehler bewusst geworden. Mit einer entschuldigenden Geste trat ich von der Zelle zurück und neigte mein Haupt tief gegenüber dem Wachmann, der mich besorgt, aber auch skeptisch betrachtete.

» Tut... mir Leid, ich dacht'... der Herr wäre verletzt. «

Erwiderte ich leise, mühevoll den Akzent in meiner Stimme verbergend, selbst wenn mir das nicht ganz zu gelingen vermochte. Der Wachmann trat näher, nahm Leon nun in Augenschein und wandte sich nüchtern wieder zurück an mich.

» Das ist nur das Brandmal eines Verräters, Fräulein. Geht nun lieber zurück in die Küche. «

Wut schoss meine Kehle hinauf und ich traute mir selber nicht zu, diese aus meiner Stimme zu verbergen. So neigte ich nur erneut tief das Haupt, ließ den Regimentler denken, es wäre eine Geste geboren aus Respekt vor seiner Arbeit – ehe ich mich umwandte. Ein letzter Blick zu Leon und etwas im Ausdruck seines Dunkelbrauns ließ mich wissen, wohin ich gehen sollte.
Cabeza.
Ich formte das Wort stumm mit den Lippen und in der letzten Sekunde unseres Blickkontakts konnte ich das Anheben seiner Mundwinkel erblicken, welches mir die Gewissheit gab.


~•~


Zuletzt bearbeitet von Shinaa Dedalera am 07 Mai 2022 10:08, insgesamt einmal bearbeitet
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