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Kupfer und Garn
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 22 Feb 2022 10:37    Titel: Kupfer und Garn
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Sie nannten sie die Kupferinsel. Eine von vielen aus dem Meer herausragenden Eilanden, die einst vor vielen Jahren besiedelt wurde.
Die Kupferinsel trug ihren Namen nicht allein der Schönheit ihrer reichen, tiefen Herbstwälder wegen. Die Ersten, so werden die Männer genannt, die als vorderste Land für sich nahmen, fanden recht früh gediegenen Kupfer in Form von basaltischen Laven und verzweigten Dendriten. Das weiche Metall versprach ihnen nicht die kräftigsten Waffen und die härtesten Werkzeuge, aber Kupferschmuck wurde über die Jahre zur Tradition und Zierde der Inselbewohner.

Aus damals einem Langboot wurden drei und aus drei Langbooten doppelt so viele. Nicht alle waren allein mit Clanschwertern besetzt, sondern es folgten ihnen auch ihre Weiber und Kinder, mit Tieren und Hab und Gut. Innerhalb von sieben Jahren gründeten sich drei Siedlungen auf der Kupferinsel, ausgehend von der ersten: Wyndhayn, welche zur Fischerei und zum Holzschlag nahe der Landungsküste blieb. Dort war es immer zügig und stürmisch. Von da aus zogen die Thyren tiefer in das Herz der Insel, nahe der Minen. Sie rodeten den Wald für die Herstellung von Kohle und schufen damit die Grundlagen für Feld und Weide. Diese Siedlung tauften sie Heydebyr. Und noch ein Stück tiefer, da begann der Bau eines Hains, auf einer Anhöhe, die aus dem Dickicht der Blätter und Äste herausbrach. Man glaubte dort das Flüstern der Frau im Wind zu hören und entschied es müsse eine Kultstätte sein, die von einem Schamanen bewacht gehörte. Um diesen Hain herum versammelten sich ein paar Gestalten in schlichten Hütten, welche die Abgelegenheit schätzten. Wolfsheuler, Jäger und die weniger geselligen Gesellen.

Der Clan der Tryants ist auf der Insel besonders präsent. Nicht allein deswegen, weil es die Männer dieses Clans waren, welche zu den Ersten gehörten. Zuletzt spricht man besonders einem Familienzweig erheblichen Zutun zu: Thorleif aus dem Clan der Tryant, Sohn des Olvir, Schwert von Heydebyr und seinem Weib Solveig, Valdisdottir.
Diese beiden waren gesegnet. Diese beiden waren verflucht! Denn man munkelte jede gemeinsame Nacht in den Fellen pflüge fruchtbaren Acker mit starker Saat. Und so haben sie viele Kinder. Vor allem aber viele Töchter und davon etliche mit kupfernem Haar, als hätte die Insel es nicht anders gewollt.


Eines dieser Kinder war Ylvi.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 22 Feb 2022 11:14, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 25 Feb 2022 21:22    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Als Gesamtes waren sie die Brut Thorleifs und Solveigs, die wilden Roten oder auch einfach die Schwestern. Mal die ältere, mal die jüngere, mal jene mit der großen Nase, die andere mit den Sommersprossen oder die gerne tanzte. Man fand Wege sie zu unterscheiden, manchmal. Obwohl die Geschwister sich stritten, liebten, neckten, einander großzogen und sich als ein Rudel verstanden, so versuchte doch ein jeder von ihnen sich auch abzugrenzen, um einer Unterscheidung auch wert zu sein. Um eine eigene Identität zu finden, ein Charakteristikum.

Ylvi wurde das Bild des kleinen Wolfes zuteil, gleichbedeutend mit der Übertragung ihres Namens. Ihren Namen erhielt sie erst zwei Tage nach der Niederkunft aufgrund des Jaulens, was sie einem wimmernden, hungrigen Welpen gleich von sich gab, ganz gierig nach der nährenden Milch der Mutter. Ein kleines Bündel war sie gewesen, schmaler als Lif, die nur einen Jahreslauf vor ihr das Licht der Welt erblickte. Vielleicht weil Solveig noch ausgebrannt war und ihr Körper noch so lange ein anderes Kind genährt hatte. Im Scherze hieß es lange Lif hätte nicht viel für ihre kleinere Schwester gelassen. Aber auch die kleine Wölfin wurde durch die Winter gebracht und so tollte sie mit den anderen alsbald zwischen Hütten und Häusern, Feldern, Wegen, Wäldern und Hügeln entlang. Immer als die kleinere, die zartere. Je länger man ihr dies sagte, es sie spüren ließ, desto mehr glaubte sie auch selbst daran. Und so stürmte sie nicht allein auf einen eigenen Weg, sondern war die kleine Wölfin, die überall mit zur Hand ging. Welche der Mutter mit den kleineren Geschwistern half, den größeren Schwestern in ihren Handwerken zuarbeitete, in der Küche das Gemüse schälte oder dem Jäger folgte, um das Fell vom Fuchs abzuziehen. Fast überall hatte sie ihre kleine Nase mal reingesteckt und doch ist sie nirgendwo hängen geblieben, all das war noch nicht das gewesen, was ihr Weg werden sollte.

Ein anderer Weg aber offenbarte sich, als Thorleif beschlossen hatte eine handvoll der Schwestern nach Wulfgard zu entsenden. Sie sollten den Namen der Tryants wieder aus den Schatten ins Licht rücken, etwas gescheites lernen, vieles beitragen und... wer weiß, ob er nicht insgeheim die Sorge hatte auf der Kupferinsel auch einfach nicht mehr genug ordentliche Kerle zu finden, die dafür sorgten, dass ein Stammbaum und kein Kreislauf entstünde.


Eine neue Reise begann.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 26 Feb 2022 11:39, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 14 März 2022 21:15    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Die Wulfgarder Thyren hatten die vier Schwestern von den Kupferinseln freundlich empfangen, mit Met und Schulterhieben, sie ohne Fragen oder Misstrauen mit Kleidung, Schlafplatz, Münzen und Nahrung ausgestattet. Sie wurden herumgeführt und begrüßt, wo auch immer sie aufschlugen. Wobei die meisten darauf verzichteten der kleinen Wölfin körperlich mit einem Schulterhieb zu nah zu treten. Denn was die meisten womöglich sahen, das war eine frisch zur Frau gereifte Thyrin, fast noch ein Mädchen, das wie ein junger Baum sich schlank in die Höhe gestreckt hat. Die Ärmel waren ihr deutlich zu kurz gewesen, der Rocksaum baumelte über den Fußknöcheln. Das Wachstum der letzten Wochen hatte ihre Glieder in die Länge gestreckt, sie aber Masse einbüßen lassen, die es nun nachzuholen galt.

In der ersten Nacht nach ihrer Ankunft in Wulfsgard fand Ylvi trotz aller Strapazen der zurückliegenden Überfahrt über das von kalten Winden gepeitschte Meer nicht die sofortige Ruhe und den ersehnten Schlaf, wie ihre nur wenig ältere Schwester Lif, mit der sie sich im Langhaus der Frauen das Felllager teilte. Schon als kleinste Kinder hatten sie beieinander geschlafen und sich gegenseitig geweckt, mit Ellenbögen gestoßen, warm gehalten, sich versehentlich auf die Haare der anderen gerollt und sich mit Geschichten in den Schlaf begleitet. Ein Gefühl von Sicherheit, Vertrautheit, Wärme. Ein Stück Heimat in der Ferne.

Und doch war es anders. Es waren eben nicht die vertrauten Hütten der Heimat, es waren nicht die selben Vögel, die aus den Gipfeln ihr Morgen- und Nachtlied riefen, es waren andere Gesichter und Geschichten. Andere Gerüche. Unsicherheiten. Ylvi fühlte sich unsicher. Da war ein Gefühl, eine Ahnung, das aufblühte wie ein schon vor Jahren gesäter Samen. Nicht nur die große, hoffnungsvolle Erwartung. Das Mädchen wartete insgeheim auch auf den Moment der Erinnerung.


Der Erinnerung an die Schuld.
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 17 März 2022 12:46    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Man hätte sagen können, sie wurde schnell einer Arbeit zugewiesen. Denn in einem Dorf ging ein jeder rasch zur Hand, hatte seinen Teil beizutragen, wenn er von der Arbeit Früchte anderer kosten wollte. Wer aß, was ihm gekocht wurde, wer trug, was von anderer Hand gewebt war, wer unter einem Dach schlief, an einem Feuer, dessen Holz von anderen geschlagen und verarbeitet wurde, der nahm. Und wer nahm, der hatte auch zu geben. Und es schien als würde nichts gegeneinander aufgewogen. Wer für die Gemeinschaft den ganzen Tag Gemüse putzte und schnitt, der tat sein Werk so nötig wie jemand, der an einem Hütte das Dach reparierte oder zur Hatz aufbrach. Auch Ylvi fand ihren Platz in den Reihen jener, die arbeiteten. Doch war die Ehre noch größer als das, was sie erwartet hatte. Sie ging davon aus fortzusetzen, was sie einst von daheim kannte: Die Gehilfin zu sein, eines von vielen Kindern, welche überall hier und dort zu Hand ging. Doch was man hier anbot war selbst eine Hand zu werden. Eine Hand der Thyren. In ihrer Brust schwelte der Stolz darüber, dass Raija – die Oberste Hand Wulfgards – es ihr zutraute eine Skjorte zu werden. Eine Schneiderin. Eine von jenen, welche die Tradition der Weberei ihres Volkes fortführte, der es einst erlaubt sein würde mit Leder und Fell zu arbeiten, wie es bereits die Ahnen taten. Die Thyren waren über die Grenzen ihrer Ländereien dafür berühmt. Neben ihrer Kampfkraft und ihren wilden Mut.

Und deshalb vielleicht leitete die Oberste Hand ihre Aufnahme Ylvis unter die Führung ihrer Lehre damit ein, dass sie stets stolz auf ihre Arbeit sein sollte. Auf den Wert ihres Tuns. Auf den Beitrag, der unerlässlich sei, um das Dorf mit Kleidung und Wehr zu versorgen, mit Stoffen und Decken, mit Kunsthandwerk und traditionellen Gewandungen.

Das Mädchen war so stolz. Und trotzdem noch immer so bescheiden an Anfang ihres Weges. Stundenlang erfüllte sie die Pflicht am Spinnrad und Webrahmen, bis die Finger wund wurden. Bis ihre Arbeit sauberer und besser wurde und die Webkanten keinem Wellengang mehr ähnelten.
Es war ihr wichtig als Tryant ihren Wert zu beweisen.


Und sie merkte kaum, wie es zu einem weiteren Schritt heraus aus der verblassenden Kindheit wurde.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 02 Apr 2022 12:11, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 17 März 2022 14:28    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Krieg kennt mehr als die Seite heroischer Kämpfe auf Schlachtfeldern, mehr als Trommeln und Gesänge. Kriege erreichen auch die empfindsamsten Orte: Das Zuhause. Und der Schrecken ist unermesslich. Keine Wunde ist schmerzhafter. Nein, nun war nicht die Zeit über das reden, was die Sturmheuler hörten und sahen, während sie nichtsahnend ihrem Tagewerk nachgingen. Die Visionen, welche ihnen gesandt wurden.

Vielleicht wäre es besser eine Geschichte über die Schwerter, Hände und Welpen, welche ein Schiff bestiegen, um diesem Unheil Vergeltung zu bringen. Ein Schiff, das durch einen Sturm segelte, der Wellen auftürmte, die einen Mast zu brechen drohten. Auf dieser Fahrt war es eine schreckliche Dunkelheit, begleitet von tief gellendem Gelächter und rot glühenden Augen, welche dem Volk der Eroberer drohte sie in selbiges Unheil zu stürzen. Ein Dämon, der sie herausforderte und das Salzwasser gegen die Männer und Frauen an den Rudern peitschte. Welpen klammerten sich an den Mast, Ylvi sich an Norwins Seite an das Steuerrad, um ihn dabei zu unterstützen den Kurs zu halten. Sie ahnte nicht, dass sie in der Lage war ihrem Körper soviel abzuverlangen. Doch durchnässt und durchgepeitscht bis auf die Knochen kannte sie nichts anderes mehr als den instinktiven Wunsch zu überleben. Während die einen überleben wollten, so waren die anderen von einem Willen beseelt das Meer zu besiegen, dass selbst die herab brechende Galionsfigur sie nicht davon abhalten konnte sich in die Ruder zu stemmen. Und hätte Norwins Pranke Ylvi zuletzt nicht von einem Sturz über die Reling abgehalten, so hätte das Meer sie ebenfalls verschlungen, so wie den hölzernen Kopf des Bootes.

Nach Stunden oder einer Nacht – das Gefühl ging der Thyrin gänzlich verloren – erreichten sie die Küste einer Insel. Jener Insel, die von dunklem Nebel umhüllt war und ihnen höhnisch entgegen lachte. Der Hafen war nur die Idee seiner alten Pracht und das Dorf hinter dem Deich nicht mehr als eine Erinnerung an eine ausgelöschte Lebendigkeit. Ruinen, die von der Natur zurückerobert wurden. Skelette, die sich in den Winkeln der Häuser versteckten und von den Tieren teils abgetragen wurden. Aber das Dorf der Insel war nicht vollkommen verlassen. Dunkle, aggressive Monster – ja, die lauerten auf die Krieger Wulfgards. Erschöpft von der Reise kannten sie weder Gnade für sich, noch für den Feind. Voller Recht schaffenden Zornes stellten sie sich den Stunden der unerbittlichen Kämpfe. Zuvorderst der Schildwall, dahinter die Reihen der Schützen, denen auch Ylvi sich angeschlossen hatte. Als einzige im silbernen Kilt der Tryants, überfordert, in ihrer ersten Schlacht eingereiht. Und doch mitten drin.

Ihren Schwestern würde sie daheim erzählen, wie die Krieger das Dorf räumten. Wie ihnen Wolf und Bär begegneten in ihrer erhabenen, riesigen Gestalt. Und ungläubiger würde es den Schwestern erscheinen, berichtete sie von dem Dämon, der ein Langhaus überragte und die Kämpfer herausforderte. Die Schlacht, sie wäre heroisch beschrieben, als ein Gemetzel um Leben und Ehre und um die Toten, die Vergeltung verdienten. Den Toten, die noch immer auf der Wiese lagen, dem Feld. Neben ihren Knochen die Schilde und Waffen, die sie gegen den Dämon erhoben hatten, um ihr Dorf, ihre Frauen und Kinder, zu beschützen. Doch auf diesem Feld wurde der Feind nun doch besiegt.

Aber man hätte es ebenso als Spinnerei eines kindlichen Kopfes abgetan wie alles was danach passierte. Wie die Geister derer, die einst noch jüngst unter den Wulfgardern lebten und sich ihnen – Olov ins besonderen - offenbarten. Ein Schwert aus dem Reich der Glorreichen, welche die Ehre erhielten an der Tafel zu speisen. Davon hätte Ylvi gesprochen, wenn man es ihr geglaubt hätte.



Zum Glück jedoch gab es Skalden. Skalden, die bessere Worte finden werden als Ylvi es je könnte.
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 18 März 2022 15:02    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Neuerlich fand die kleine Wölfin ihren Platz an den lechzenden, knisternden Flammen des Dorfes und wieder einmal sollte sie etwas über die Traditionen ihres Volkes lernen. Heute jedoch aus der Sicht eines Weibes. Dem Ruf des Lehrabends folgten sogar mutig ein paar Kerle, weniger als eine Hand voll jedoch. Die anderen wussten vermutlich, warum sie lieber andere Herde aufsuchten. Die Frauen und Mädchen nämlich überwogen an der Zahl. Denn um sie sollte es gehen.

Es war Jeska aus dem Clan der Wikrah, welche ans Feuer geladen hatte. Die einzige, die Ylvi offen ins Gesicht sprach, was andere vielleicht nur dachten: Du bist eine Tryant. Wir haben den Verrat nicht vergessen. Was haben wir von dir zu erwarten?
Und gleichzeitig war sie von allen die einzige, welche die Rothaarige zur Begrüßung einmal fest in die Arme schloss. Und damit sichtliche Irritation auslöste. Und das tat sie nicht nur einmal.

Jeska wurde als feuriges, widerspenstiges Weib bezeichnet und zog vermutlich so manchen gefälligen Blick nach sich. Und doch hatte Ylvi eben nicht von ihr erwartet, dass eben jene, mit der niemand sich leichtfertig anlegen würde, diejenige wäre, welche die Frauen an ihren Platz weisen wollte. Und so fühlte sich Ylvi zunächst unwohl, als die Ausführungen darüber begannen, wem sie wann Speisen und Trank anzureichen hätte, wann es an ihr läge zu bedienen und wer als erstes sein Horn aufgefüllt bekäme.

Aber Jeska enttäuschte nicht. Eine solche Unterweisung konnte nicht anders von ihr eingeleitet werden als mit der Feststellung, wie verloren und rückständig die Kerle ohne ihre Weiber wären und dass sie die Dienste der Frauen mit Dank und Respekt zu begegnen hätten. Ja, es gab sogar reichlich Ausführungen darüber, wie es einem Mann ergehen könnte, verscherzte er es sich und die ersten Opfer der Vorführung wurden unter den Schwertern des Rudels gefunden. Das Unwohlsein verflog und ein gewisser Stolz eröffnete sich für die beschriebenen Wege.

Dieser Abend war nur ein Einstieg in eine lange Nacht der Diskussion, Scherze und Ausführungen über Gastlichkeit und Gesten des Miteinanders. Und das waren sie, diese Regeln: Gesten. Füreinander. Damit konnte Ylvi gut leben.


Gemeinschaft. Füreinander. Miteinander.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 18 März 2022 15:26, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 24 März 2022 12:46    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Das Schweigen.

Das Schweigen war ihre erste Aufgabe sich dem Geist der Stille anzunähern, seinen Blick auf sie zu lenken. Das Schweigen war etwas, an das es sich zu gewöhnen galt, bedurfte ständiger Erinnerung und eigener Maßregelung. Das Schweigen. Es schien einzelnen wie eine Strafe zu sein, wenn sie nicht wussten, warum man ihnen nicht antwortete. Sie fragten sich, ob sie eine Schuld trügen, ob sie der Stillen vielleicht unrecht taten. Andere waren irritiert, ohne Erklärung oder Verständnis.

Drei Tage sollte sie es aushalten. Es separierte sie von den anderen. Am Lagerfeuer, als Geschichten erzählt und Gedanken ausgetauscht wurden, da saß sie nur still zwischen ihnen. Mehr und mehr rückte sie dabei in einen Schatten, der sie unsichtbar werden ließ. Sie trug nichts bei. Wer nichts beiträgt, und seinen Teil nicht leistet, der schließt sich aus dem Kollektiv aus. Das Schweigen machte einsam. Denn das Schweigen bedeutete Stille und wer sehnte sich schon danach sich zur Stille zu neigen? Nein, es war verständlich, dass sie das Leben suchten und das Leben in Worten und Austausch wiederfanden.

Und als die Geschichten verklungen waren, da wurde aus dem Schweigen etwas Neues geboren. Yndis rückte etwas näher und schenkte ihr tröstlichen Körperkontakt. Nähe. Jorun brachte mit Fürsorge einen Tee, Bjark erheiterte sich an der Annahme eines vermeintlichen Wetttrinkens gegen das Mädchen.

Der Geist der Stille des Winters hatte sie nun erreicht. Und sie verstand mehr die Dualität, die in ihm lag: In der Stille rückten sie zusammen, damit niemand einsam sein musste.


Das Rudel hielt zusammen, um zu überleben.
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 26 März 2022 09:27    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Endlich war es soweit. Disathing. Das große Fest, mit welchem im jeden Jahr der Winter verabschiedet und der Frühling begrüßt wurde. Ein traditionsreiches Fest mit einem hohen Stellenwelt für ein Volk, das so eng und nah mit der Natur und ihren Geistern verbunden lebte und starb, wie das ihrige. Auf der Kupferinsel feierte man es in den eigenen Dörfern. Mit jenen Thyren, die mit einem die Monate des dunklen, kalten Winters überstanden hatten. Die weiten Anreisen für weitaus größere Zusammenkünfte sparte man sich für das nur wenige Wochen später anstehende Beltane.

Dieses Jahr feierte Ylvi zum ersten Mal mit einem anderen Dorf als dem ihrer Geburt. Wulfgard. Es war sogar mehr als das. Sie war Teil davon. Ulfur aus dem Clan der Wikrah war ein Geisterrufer der Sturmheuler und hatte unter anderem sie auserkoren Teil des Festes zu werden. Und sie war sehr stolz darauf. Zusammen mit Hlif wurde sie zur Stille. Sie die große, die jüngere die kleine. Und auch Aron und Ulfur selbst würden während des Festes einen Geist des Winters darstellen. Sie hatten ihre Rollen studiert, sich in sie eingefunden, Prüfungen bestanden und die Geister zu sich gerufen, um von ihnen die nötige Ehre zu erhalten. Und irgendwie hatte Ylvi das Gefühl, dass diese Aufgabe ein feines Band der Verbundenheit zwischen den „Geistern“ gesponnen hatte. Auch wenn sie die ersten Stunden dieses Festabends nicht zusammen verbrachten.

Viele Gäste waren im Dorf, auch von außerhalb, die gemeinsam mit den Thyren die Geister des Winters besiegten. Ulfur hatte alles geplant und vorbereitet. Die Wege, die Reisen, die Rituale. Und es war wunderbar und ausgelassen. Ylvi fühlte sich so froh und erleichtert, so aufgeblüht und belebt, als die Stille sie am großen Feuer des Dorfes verließ! Wie ausgelassen es war! Met wurde ausgeschenkt, ordentlich gespeist und über die Ereignisse gesprochen. Und wie ein jedes Fest enden sollte wurde auch zuletzt noch der Ring für die Faustkämpfe eröffnet.

Ylvi war zufrieden. Stand außen am Kampfring, wurde von einem ihrer Mitgeister freundschaftlich geknufft und wähnte den Abend nichts Übles.


Bis der Jarl sie in den Ring forderte.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 02 Apr 2022 12:14, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 30 März 2022 13:38    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Gerade war es Ylvi noch gelungen Maeve, den kleinen Welpen Olov Thorndallsons, aus dem Kampfring zu ziehen, über dessen eingrenzenden Zaun aus massiven Holzstämmen sich das Kind herunterlassen wollte. Emotional völlig aufgelöst wirkend und in tiefer Sorge um den Zustand ihres Vaters. Ylvi nahm Maeve auf ihre Hüfte und ertrug das feste Klammern an ihren Körper, wie sie es auch von ihren kleineren Geschwistern kannte. Welch Ironie, dass sie dem Kind erklärte, warum es nicht in den Ring steigen durfte. Denn wer in den Ring stieg, der musste bereit sein sich einem Faustkampf zu stellen. Er war kein Ort für Spiele oder für kleine Mädchen. Es galt die Ehre der Kämpfer zu achten. Es war eben noch ein Faustkampf zugange gewesen und Thjorven Hinrah, wie viele der Schwerter des Rudels ein Koloss von Mann, wischte sich mit blanker Pranke Blut über Mund und Bart. Was wäre nur passiert, wäre der Welpe unglücklich zwischen die Fronten geraten?

Noch eben im Begriff zusammen mit dem Mädchen Olov zu suchen, fuhr sie zusammen, als der Jarl in ihre Richtung an den Rand des Kampfringes trat und sie unvermittelt ansprach.

In den Ring.

Und ein zweites Mal.

Komm in den Ring.


Alles in ihr zog sich zusammen. Ihr Magen verkrampfte sich. Und das vorher noch so fröhlich und einladend empfundene Gewirr an Stimmen und Gelächter wurde zu einer dumpfen Hintergrundkulisse, einem verzerrten Rauschen.
Ehrfurchtsvoll und bis in den letzten Muskeln ihres gestreckten Leibes angespannt wagte sie den Schritt hinein, beobachtet von den Schaulustigen außen und den Faustkämpfern im inneren.
Wenn es sein müsste, würde Ylvi sich mit ihren schmalen Fäusten schlagen, schwor sie sich, aber ihre Knie waren weich wie frisch gestampfte Butter. Innerlich zählte sie schon die Knochenbrüche, die sie glaubte zu erahnen. Kiefer, Nase, Rippen, Schultergelenk...Aber wurde ihr nicht indoktriniert, dass eine Tryant nicht weichen dürfe, immer unter des Last des Beweises stände?

Und da erhob Trygve Hinrah – der Jarl Wulfgards – seine Stimme und erlöste sie aus ihrem Albtraum.

„Es gehört Mut in den Ring mit drei Kerlen zu steigen. Aber vor allem hast du mein Wort befolgt. Ohne bisher den Eid palavert zu haben.
Bist dey bereit, deinem neuen Jarl die Treue zu schwören?“


Das war sie. Die kleine Wölfin wurde zur Sturmheulerin.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 14 Mai 2022 18:43, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 30 März 2022 21:55    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Einige im Dorf waren schon den ganzen Tag recht aufgekratzt und voller Vorfreude auf den Abend. In allen Hütten regte es sich, wurden Rüstungen poliert, Kleider ausgeschlagen und der Ahnen gedacht. Sie mochten den Abend segnen. Sie mochten die Weihe des Schwertes des erwählten Einherjer unter ihren Schirm stellen.

Einer nach dem anderen zog durch die von Wölfen durchstreiften Wälder, tiefer durch die verwinkelten Wege und geheimen Durchgänge, bis sich der heilige Hain als Ort der Zusammenkunft darbot. Ylvi sah den Hain zum ersten Mal und kaum hatte sie seinen Grund betreten war da diese Ehrfurcht, dieses Gefühl der schicksalhaften Überwältigung und Freude. Die Nähe zu den Ahnen und Geistern, die sie verspürte, war die eines Kindes ihres Volkes.
Und kaum möglich war es für Ylvi sich sattzusehen am Kreis der Menhiren, zwischen denen die Stimmen und die Trommeln jener widerhallten, die auf Geheiß der in Knochen gekleideten Ahnenruferin die Schlägel auf gespannte Tierhäute schlugen. Der Boden vibrierte, der Bass der Schläge durchfuhr die Leiber der Versammelten.

Die Rauchschwaden wanden sich unter dem Hauch der Herrin im Wind, umnebelten die mystische Ahnenruferin, Ketiley, die Tochter der Mandres!
Es roch herb nach Schwefel und anderen Kräutern. Betörend, die Sinne herausfordernd.

Und so begann sie, die Verkündung der Bitten an die Geister, während der rituelle Rauch sich von der Mitte des Steinkreises aus zu allein Seiten gleichmäßig ausbreitete und danach lechzte die Kinder Thrails einzuweben, die da vortraten und zu den Geistern der Elemente und Windrichtungen zu sprechen. Sie alle waren eingebunden. Sie alle waren Teil der Zeremonie, ein niemand nur Zuschauer.

Der Wind aber drehte sich, der Rauch wurde gieriger, blutdürstiger. Selbst Ylvi, die kleine Wölfin, bekam einen kribbelnden Bauch und schmeckte die Lust der Herausforderung auf ihrer Zunge. Und so wurde an den hungrigen Flammen ein Schwertkampf zwischen zwei großen Kriegern des Rudels gefochten, Olov und Kjellvar aus dem Clan der Hinrah. Bestimmende, heftige Schläge, behände Verteidigungen, mächtige Hiebe. Alles bebte und tobte, Waffen schlugen anfeuernd gegen die Rundschilde der Schwerter.

Da blühte es, das Blut Thrails!

Und dann der nächste. Jorun aus dem Clan der Wikrah! Bjark aus dem Clan der Bunjam und...es kämpfte Ylvi aus dem Clan der Tryant.

Als sie wieder bei Sinnen war fand Ylvi sich auf dem Gras kniend wieder. Keuchend, das Herz rasend, Schweiß auf ihrer Stirn stehend. Neben ihr lagen ein Schild und eine Handaxt. Nicht ihre. Doch aus ihren Händen gefallen? Ylvi erinnerte sich nur dunkel an die treibende, rasende Stimme ihrer Ahnen in ihrem Kopf.


Am Ende hallte ein neuer Name durch den Hain: Angurvadal. Die Klinge des Einherjer.
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 07 Apr 2022 13:30    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Einst hörte Ylvi, wie jemand Handwerker als diejenigen beschrieb, die produzierten, etwas mit ihrer Hände Arbeit schufen oder als Dienst verrichteten. Untergeordnet den Wünschen und Anordnungen desjenigen, der sie dafür entlohnte. Die gebunden waren an die Räume, die über Stunden saßen oder standen und sich die Knochen und Rücken buckelig schufteten. Deren Geister und Seelen durch mangelnde Anregung des Verstandes stumpfer würden. Die nicht die Zeit fanden sich lustig Tag und Nacht zu vergnügen oder in den Dienst ihres Kriegsherrn gezogen werden könnten und deshalb als niederer angesehen wurden.

Es wäre sehr erhaben anzunehmen, dass die thyrischen Hände sich ganz und vollkommen von dieser Beschreibung der Handwerker des Menschenvolkes unterschieden, die einst der Onkel ihren Schwestern und ihr vorgetragen hatte. Ein recht voreingenommenes Bild – zugegeben. Aber geprägt von einer Hierarchie, welche Thyren in dieser Form und Ausprägung von Stand und Adel allerdings auch nicht kannten. Hier besaß jeder einzelne einen Wert, der sich anders erschloss.

Eine Hand war in ihrem Volk auch mehr als nur ihr geschaffenes Werk. Das verstand Ylvi zusehends, während sie selbst zu einer wurde. Einer Skjorte. Auch sie saß zwar die meisten Stunden ihres Tages in der Hütte, bar jeglichen, frischen Sonnenlichts, bekam wunde Finger, blinzelte mit angestrengten Augen und spürte auch ihr Kreuz, wenn sie zu lange über dem Zuschneidetisch stand. Der Stolz aber, ihre erste Pelzarbeit gefertigt und zum ersten Mal einen Thyren eingekleideten zu haben, ließ sie die zurückliegende Plackerei in ein besseres Licht rücken.

Raija vom Clan der Hinrah bestätigte sie noch mehr in dem sich einprägenden Selbstbild einer tüchtigen Skjorte, als Ylvi am Treffen der Hände teilnehmen durfte, das die Oberste Hand einberief und leitete. Raija überzeugte sehr, fand Ylvi, mit ihren klaren Vorstellungen und Anweisungen und mit ihren vor allem resoluten und beherzten Worten, mit denen sie die Moral und Verbundenheit der anwesenden Hände stärkte. Ein jeder, betonte die Blonde mehrfach, hätte seinen Platz einzunehmen und seinen gerechten Anteil an der Arbeit zu leisten. Aber warum es sich nicht anfühlte, als wären sie Arbeitstiere? Weil sie es für das Gemeinwohl taten, für das gemeinsame Überleben, nicht als Knechte oder um Lob und Eitelkeit zu füttern, dachte sich Ylvi. Vielleicht in ihrer Jugend auch recht pathetisch.

Vor allem war aber auch das Lager ein Thema, das sich durch den gesamten Abend zog. Raija wollte für alles eine Übersicht haben, wollte alles aufgefüllt und gezählt wissen. Verteilte Aufträge und wies an diese Aufgabe nicht schleifen zu lassen. Das würde viel Arbeit bedeuten und noch etwas weniger Sonnenlicht.


Kaum begann der Frühling, planten sie bereits für den Winter.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 10 Apr 2022 00:42, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 10 Mai 2022 19:58    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Es war die Zeit Sigrblots.

In diesen Tagen war es nicht ungewöhnlich, dass abseits dieser großen Feierlichkeit die Hofhände an die Geisterrufer herantraten, um die Gunst der Geister für die anstehenden Ernten zu gewinnen. Aron hatte um diese Segnung gebeten.

Ylvi gestellte sich an die Seite anderer Weiber des Dorfes und tat recht gut daran, sich selbst zum Zaungast zu machen, der an eben einem solchen anlehnte. Denn so gewann sie die nötige Distanz und den Sicherheitsabstand, als Aron und Norwin einen über zwei Mann hohen Elch über den Acker zerrten und ihn mit kräftigen und möglichst ohne Leid verbundenen Hieben zu Boden zwangen. Der Elch, welcher mit Würde die Krone auf seinem Haupt trug, war auserwählt worden dem Erdgeist als Opfer dargebracht zu werden, auf dass dieser über die Ernte wachen würde. Ulfur, welcher für das Ritual zu Arons Hof gekommen war, offenbarte seine Güte und seinen Respekt gegenüber dem Tier, als er auf das ehrbare Recht die Klinge zu führen verzichtete. Denn so wusste er genau, dass seine Hofhand, die ihr Leben lang nichts anderes tat, es wesentlich schmerzfreier würde vollziehen können.

Und so trat Aron vor, nahm den Welpen Alev mit sich, damit sie lerne wo im Halse eines Elchs die Lebensstränge das rote Blut pulsieren ließe. Wie sie es alle gelernt hatten. Irgendwann. Das Rudel lehrte alle seine Welpen.
Der Kerl kniete sich also auf den Rücken des Tieres, die Hände des Mädchens krampften sich um den Griff des Dolches, der gemeinsam mit den großen, rauen Händen der sie unterstützenden Männer geführt wurden.

Die Muskeln des Elches zuckten. Geradezu explosiv spritzte das heiße Blut pulsierend aus der geöffneten Halsschlagader und ergoss sich heiß glühend über den Händen derer, die das Ritual durchführten. Das Zucken des Tieres ließ nach und friedlich, gar müde, schlossen sich die braunen Augen zu einem Dämmerschlaf, aus dem der Elch nicht mehr in diesem Leibe erwachen würde. Der schwere Schädel mit dem noch schwereren Geweih fanden ihr Kissen auf dem kühlen Erdreich.

In einer Ansprache an die Ahnen bot Ulfur das Opfer dem Erdgeist an und auf seine Worte folgte eine zunächst leise Antwort. Ein Rascheln, ein Rauschen, ein Lied in den so frisch ergrünten Bäumen, welche den Hof zu den waldigen Seiten hin säumten. Und als Ylvi den Blick zu den Baumkronen erhoben hatte, vernahm sie erst zeitlich entrückt das ehrfürchtige Raunen, das da um sich ging. Das vergossene Blut begann sich zu bewegen. Es rollte zäh und klebrig über die groben Erdklumpen des Ackers, rann durch die Furchen, als sauge jemand verlangend nach jedem einzelnen Tropfen des Lebenssaftes.
Blickte man genauer, so erkannte man, wohin das Blut gezogen wurde: Ulfur zeichnete die Rune Berkana, die Rune Sigrblots, die des Wachstums. Auf dass nicht nur die Ernte gedeihe, sondern das gesamte Rudel.

Begeistert riss Ylvi ihren Arm mit dem gefüllten Metkrug in die Luft, als zu dieser Ansprache gleichsam auch noch die Geister selbst antworteten und aus dem Boden Blumen und Saat sprießen ließen und damit das Opfer des Elches mit Würde bedachten. Ihr Elan verleitete zur Anstimmung eines Ausrufs, den sich laute Stimmen anschlossen:


Den Geystern zur Ehr! Den Ahnen zur Ehr!


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 16 Jan 2023 15:17, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 19 Mai 2022 10:50    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Versammelt hatten sie sich, dem Aufruf der Obersten Hand folgend, im Norden des Dorfes. Dort, wo die Feuersbrunst aus dem Schlund des Drachenschwarms, über die Bäume hinweggezogen war. Verbranntes Unterholz und Asche drängten sich in tristen Farben zwischen das frische Grün und die Farbtupfer der aufgeblühten Blumen. Wäre all das Unterholz nicht noch jung und saftig gewesen und die Dame im Wind hätte den Odem der Welt zusätzlich noch in eine andere Richtung geblasen, so hätte es mit dem Feuer im Wald übler ausgehen können.

Auch Ulfur erkannte wohl mehr Glück als Unglück, während Ylvi noch gedankenvoll an die Seite ihrer Base rückte, denn der Geisterrufer widersetzte sich dem Wunsch einen der schwarzen Bäume zu fällen. Es pulsiere noch ein Lebensgeist tief verborgen in seinem Wurzelwerk, sagte er. Dieser hätte sich gar nur verängstigt wie ein Welpe zurückgezogen. Die junge Wölfin bedauerte, dass sie nicht daran teilhaben konnte, wie Kjellvar und Ulfur die Geister anrufen würden, um mit ihrem Segen den Baum wieder zum Quell des Lebens zu führen.

Aber andere Aufgaben warteten auf sie. Vielmehr Hilfsarbeiten.
Während Brynja auf das Dach der großen Halle gestiegen war und die zerstörten Schindeln von den Dachbalken brach, stand sie unten mit Schaufel und Eimer bewaffnet, um Schutt, Asche und anderen Schund aufzuheben, bis die Hände selbst schwarz wie Kohle wurden.

Gleichwohl ihnen aber an verschiedenen Ecken und Enden des Dorfes Spuren der Zerstörung begegneten, war Ylvi nicht von Wut und Trauer erfüllt. Sie dachte zwar mit einem klammen Gefühl im Magen an Svartr und die Geschichte, die sie ihm über das Schicksal seiner Heimat erzählt hatte. Aber deshalb war sie den Geistern und Ahnen nur mehr dankbarer, dass sie heute lediglich Dächer reparierten und keine Trauerzeremonien abhalten mussten, um Clanner auf ihre nächste Reise zu senden.

Stattdessen wurde gearbeitet, gelacht und Geschichten darüber ausgetauscht, wie Wulfgard zu seinem Namen gekommen war. Der Jarl unterhielt die Clanner mit seinen Erzählungen von einem Geist, der in der großen Halle lebte.


Wenn ein Feuer den Geist nicht verscheuchte, dann auch nicht die anderen Dorfbewohner.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 19 Mai 2022 10:59, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 21 Mai 2022 15:49    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Teil I



Zu Anfang des Jahres bereits fiel das Wort im Zusammenhang kleinerer Scherze. Ein Einwurf hier, eine Erwähnung dort. Wenn man die Kerle des Dorfes für ihr Verhalten necken wollte, so sagte man „Es wird wohl bald Zeit für Beltaine, damit wir wieder unsere Ruhe haben!“ Dann drang ein raues Lachen durch manch eine Kehle, aber niemand sprach weiter darüber. Es herrschte einvernehmliches Schweigen, das wissentlich akzeptiert und hingenommen wurde. Allerdings war es ebenso Sitte, dass Lehren weitergereicht wurden und so witterte Ylvi die Gelegenheit zum Ende des vierten Mondlaufs während Ketileys Traditionsunterricht mehr zu erfahren. Sie sprachen über die Verbindungen von Weybern und Kerlen, über den ersten Segen, das Handfasten. Über den Kampf der Seele im Ringen um das Gleichgewicht von Sanftheit und Wildheit. Sie sprachen über den Berserker, der das Blut eines Kriegers nicht nur im Zorn entflammen ließ. Und letztlich über diese eine Nacht im Frühling, wenn Himmel und Erde sich berührten, wenn Wasser und Feuer sich zu einem Kreis der Fruchtbarkeit vereinten. Eine Zeit, zu welcher die Geister und Ahnen den Thyren näher kamen und ihre schiere Präsenz den Schleier der Welten hauchdünn zeichnete. In der Nacht Beltaines sollte ein jeder Feiernde Leib und Seele dem großen Ritus schenken dürfen und damit der Herrin des Wasser und dem goldenen Krieger als Sinnbild von Jungfer und Krieger dienen, damit dem Rudel Gleichgewicht, Segen und Fruchtbarkeit gewährt werde. Ein aufopferungsvolles Geschenk voller Hingabe an die Elementarherren.

Seit einigen Wochen nun waren die Vorbereitungen im vollen Gange. Und auch Ylvi durfte dieses Jahr nicht nur daran teilnehmen, sie durfte auch helfen die rituellen Gewänder zu nähen.
Die Hofhände bereiteten Speis' und Trank, die Männer wuschen sich schon ein paar Tage nicht mehr, damit sich das Bad am Beltaine-Abend auch lohnen würde. Die Frauen kamen in den schattigen Nischen des Dorfes zusammen und kicherten hinter vorgehaltener Hand und verstummten, sobald das falsche Ohr in die vernehmbare Nähe kam. Und etwas anderes sollte wohl passieren, ein ehrenwerter Gast wurde erwartet. Raija hatte bereits in der Weiberhütte ein besonders feines Felllager hergerichtet.


Heute Abend sollte es soweit sein!


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 21 Mai 2022 17:23, insgesamt einmal bearbeitet
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Ylvi Tryant





 Beitrag Verfasst am: 10 Jun 2022 17:51    Titel: Re: Kupfer und Garn
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Teil II



Der besondere Gast an diesem Abend war die hohe Schamanin Waelkyrige aus dem Clan der Hinrah, eine Frau, welche dem Pfad der Ahnen bereits über mehrere Jahrzehnte folgte. Ihre Erscheinung, so stolz und sanftmütig gleichermaßen, brach im Hain aus dem Silber und Schatten der Nacht hervor. Sie stand an einem kleinen Teich, dessen Wasser so klar und frisch wie ein jung aus Stein ausgebrochener Quell die Lichter der Sterne spiegelte.

Gleichwohl manch ein Weib ein feierliches Lächeln auf den Lippen trug, so traten andere wesentlich stiller und verhaltener auf, mit einer ernsten, distanzierten Fassade. Oder Ylvi mochte es so vorkommen, denn sie selbst war in jeder Faser ihres jungen Leibes von Aufregung erfasst und die Winkel ihres Geistes schwelgten in den Erinnerungen, die sie mit feierlichen, nostalgischen Emotionen betäubten. Erinnerungen, die sie von Zuhause mitbrachte, die Erwartungen schürten. An Nächte, die erfüllt waren vom hellen, losgelösten Lachen der Frauen, die sangen und tanzten, sich gegenseitig wuschen und sich die Stirn küssten. Gleich, ob das Blut noch jung war oder das Haar der Frau sich bereits in Weiß über den gebeugten Rücken ergoss. Hier war es stiller. Einige standen für sich allein im Wasser, um die Waschung zu zelebrieren. Ein paar andere rückten näher zueinander. Aber insgesamt war es etwas stiller als Daheim.
Nacheinander traten sie ausgekühlter, nasser Haut mit ihren glänzenden Leibern und nass an ihrem Häuptern und Hälsen klebenden Haar über das Ufer und ließen sich mit einem Segenswunsch von der Schamanin die Rune des Feuers auf ihre Stirn malen.

Nacheinander, es zog sich doch ein wenig in die Länge, fanden sich die Frauen am Feuer des Festplatzes wieder und trockneten sich in der heiß glühenden Aura der aufragenden Flammen. Ebenso zäh fanden sie in ihre weißen Gewänder und überbrückten die Zeit mit Warten und einer Geschichte aus dem Munde Waelkyriges.
Irgendwann aber war es soweit und die Ruhe des Hains wurde gebrochen, als die Kerle die Beute ihrer großen Jagd präsentierend zum Feuer trugen. Nur im traditionellen Kilt gewandet, im Blut des Hirsches gebadet, gaben sie ein beeindruckendes Bild. Stolze Kämpfer, aufrechte Männer und würdige Jäger unter dem Blick der Ahnen. Und einer von ihnen ging voran, erhobenen, gezierten Hauptes. Ein großer Jäger war erwählt worden, jener Krieger, der den tödlichen Stoß auf das Ziel ihrer Hatz ausgeführt hatte. Jener Mann des Dorfes, der das Recht verdient hatte in dieser Nacht den Ahnen zu dienen, dem Clan zu dienen und dem Geistern ein rituelles Opfer zu schenken.


Ylvi brannte das Herz vor Aufregung, als nun das gemeinsame Ritual beginnen sollte.


Zuletzt bearbeitet von Ylvi Tryant am 10 Jun 2022 18:11, insgesamt 2-mal bearbeitet
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