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Am dunklen Strom
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Leron Veits





 Beitrag Verfasst am: 22 Jan 2022 08:57    Titel: Am dunklen Strom
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"Land voraus!"

Die letzte Ahnung von Rot lässt sich noch am Horizont ausmachen, aber zum größten Teil herrscht bereits jenes düstere Zwielicht vor, das die Welt aller Farben beraubt, Details in sich ausstreckenden Schatten versteckt. Für den Mann am Bug des Schiffes hat die bereits nachtschwarze zähe Trägheit des Meeres kein Wunder und selbst der dunklere, solidere Scherenschnitt der Insel voraus ist kaum geeignet die trägen Lebensgeister anzutreiben.

Das hat wenig mit Erwartungen und sehr viel mit dem schneidenden Kuss des Windes zu tun, jener frostigen Erinnerung daran, was mit Gischt vermischte Kälte anrichten kann.
Für eine gewisse Zeit hieß der Mann den Schmerz willkommen: Das hässliche Ziehen auf den Wangen ebenso, wie das Stechen der unbewehrten Finger, aber trotz der in ihn gehämmerten Lehren ist er keiner, der gelernt hat diese Art von selbstgesteckter Herausforderung zu lieben.
Es ist sture Pflichterfüllung, die ihn antreibt die Herzschläge zu zählen, bis er sich wieder erlaubt die Hände in den weiten Taschen der nach Teer stinkenden Jacke zu begraben.

Selbstüberwindung. Mäßigung. Konzentration. Wer dienen will, der muss in der Lage sein alles zu geben. Wer andere beherrschen will, der muss zuerst sich selbst beherrschen.

Hier, unter dem offenen Himmel mit der geschäftig die Segel streichenden Mannschaft im Rücken und einem beweglichen aus Holz gemachten Boden unter den Füßen, wirken die Regeln und Lehren hohl und weit entfernt, einer grauen Kerkerzelle angemessen und nicht dem Rausch des sich vermeintlich grenzenlos weit öffnenden Himmels.

Der Gedanke bringt keine Erleichterung mit sich, sondern Unruhe: Was ist ein Mann ohne Struktur, ohne Halt und Form? Nicht mehr als ein Herz angefüllt mit Furcht und eine Seele voller Fragen, all das um einen heißen, sich windenden Kern aus zwei Gegensätzen: Entschlossenheit und Erschütterung.

In mancher Weise ist der Kuss des Frostes nicht nur Schmerz, sondern auch Betäubung. Stillstand.
Aber der Wandel, soviel weiß der Mann, ist unvermeidlich.

Und das ist die eigentliche Lehre, die das zurückliegende Jahr in ihn gegraben hat: Wer nicht mit dem Strom schwimmt, der wird ertrinken.
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Leron Veits





 Beitrag Verfasst am: 23 Jan 2022 08:52    Titel: Erste Schritte in Rahal
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In gewisser Weise ist Rahal genau das, was er erwartet hat und gleichzeitig weiter entfernt davon, als er ohne Weiteres in Gedanken, noch weniger in Worte fassen könnte. Nicht, dass es dafür die rechte Zeit wäre - er beschränkt sich darauf der Frau nachzulaufen und kleine Sätze beiläufiger Konversation zurück zu geben, zu abgelenkt von den dunklen Mauern. Wie Schluchten türmen sie sich auf, dunkel und abweisend, nur um sich dann in Straßen zu öffnen, die breit genug sind für eine marschierende Armeen, ergänzt dann wieder von engen Gassen und wie hingeworfen wirkenden grünen Flecken: Kleine Parks, verstreut wie die achtlos fallengelassenen Glasmurmeln eines Kindes.

Es ist, das macht sich der Mann bewusst, weder die am Reissbrett geplanten Soldatenstadt - das eiserne Herz, das nicht schlägt sondern sich wie ein Zahnrad dreht um ohne Unterlaß Soldaten auszuspucken - noch der absurde mit Blut gefüllte Abgrund, den die Geschichten jenes anderen, jetzt so weit entfernt wirkenden Lebens zeichneten.

Der Tempel ist keine Ausnahme, fügt sich ein in das Gesamtbild aus Schwarz und Rot, dieser Tage noch zusätzlich ergänzt um das schmutzige Weiß von Reif und Schnee, das von den brennenden Feuern nur beleuchtet und verfärbt, nicht aber vertrieben wird.
'Ehrfurcht' ruft der Mann sich ins Gedächtnis, aber es ist schwierig sich in die richtige Stimmung dafür zu versetzen. Das Knurren des Magens ist sehr viel präsenter und so ist es auch der Schmerz im Rücken - Tribut an die viel zu kurzen Ruhestätten der letzten Nächte. Im Augenblick möchte er nichts mehr als ankommen, das wenige Gepäck ablegen und sich setzen, die Beine ausstrecken und die trockene Kehle befeuchten und zugleich ist das ein Gefühl, das Ärger und Beklommenheit schürt.

Selbstüberwindung. Mäßigung. Konzentration.

Und da ist noch die Komplikation der Führerin, die er nun länger anstarrt als die Höflichkeit eigentlich erlaubt.

"Es ist mir nicht erlaubt Geschenke anzunehmen."

"Ja, mir auch nicht."

Die Erwiderung kommt so unerwartet, dass sie die Hülle aus Erschöpfung und Verdruss durchbricht, die Heiterkeit bricht an die Oberfläche, bevor er sie einfangen und unterwerfen kann - es ist wie das Bersten einer Nuss vor der Gewalt eines ersten Triebs.

"Ein Dilemma."

Der Gedanke sollte den Missmut zurückbringen, aber das Gegenteil ist der Fall und die Stimmung hält, auch als er schließlich das Spalier der aufmerksamen Wachen passiert und den Tempel des All-Einen betritt.
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Leron Veits





 Beitrag Verfasst am: 25 Jan 2022 12:53    Titel: Der Tempel des All-Einen
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Die Bürste liegt gut in der Hand und die Arbeit ist absehbar, messbar, unterteilbar. Auch wenn die Knie mittlerweile schmerzen und der Rücken bei jedem Aufrichten prostiert, liegt etwas sehr Beruhigendes in dieser einfachen Aufgabe - sie bietet gewiss genug Raum um die Gedanken treiben zu lassen. Die Möglichkeiten verästeln sich wie das Wurzelwerk einer Esche: Ausgreifend, ohne wirklich in die Tiefe zu gehen, ganz passend zur harten Elastizität des Holzes, das sich biegt ohne zu brechen, das sich neigt um später, mit dem Nachlassen des Drucks unbeirrt in die vorherige Form zurückzugehen.
Eschen überstehen Stürme, wo andere Bäume brechen und sie eignen sich hervorragend als Feuerholz.

"Er darf auf Knien den Tempel schrubben, allein. Jeden Tag, drei Mal. Bis ihm ein Lichtlein aufgeht."

Das ist eine interessante Aufgabe ohne eine Lösung - das Dilemma liegt darin, dass das angesprochene Lichtlein etwas ist, über das er keine Kontrolle hat: Ohne eine gesunde Basis ist jede Reaktion erratisch, getrieben vom Zufall einer willkürlichen Entscheidung, deren Korrektheit nichts über Erkenntnis aussagt. Selbst eine kaputte Uhr zeigt zwei Mal am Tag die richtige Zeit, hat er einmal sagen hören - damals, vor unmöglich langer Zeit in einem anderen Leben und in einem völlig anderen Zusammenhang.
Auch damals wurden Entscheidungen getroffen, neue Pfade beschritten.

'Und sie alle haben mich am Ende hierher geführt.'

Die Bürste braucht auch bei der nächsten Bodenfliese nicht viel Aufmerksamkeit und so wandern die Gedanken des Mannes weiter zu den gestern kennengelernten Namen und den dazugehörigen Gesichtern, zu den Akten in seinem Kopf die er begonnen hat mit Beobachtungen und Einschätzungen zu füllen. Muster finden sich überall - auch darin lässt sich Zufriedenheit finden.
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Leron Veits





 Beitrag Verfasst am: 26 Jan 2022 11:47    Titel:
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Es ist ein neuer Tag und der Wind bläst eisig von West her, bringt den Geruch der See mit sich, während er gefrierende Feuchtigkeit über den Dächern und Straßen Rahals verteilt. Das ist der Lauf der Dinge bei einer Stadt, die an drei Seiten von Wasser umgeben ist, einer Position über die der Mann bereits bei seiner dritten Schicht am Abend zuvor nachdachte.

Warum befindet Rahal sich ausgerichtet hier? Was gab Ausschlag für die Entscheidung die Stadt genau an diesem Platz zu befestigen und nicht etwa einige Meilen weiter südlich? Es ist eine Frage, auf die er keine Antwort finden kann, aber mit den angeordneten Pflichten hat er mehr als genug Zeit um nachzusinnen, ein Spiel mit sich selbst zu spielen, das darin besteht Erklärungen zu erfinden und Einwände zu generieren, Möglichkeiten aufwerfend, die vielleicht schon lange verblasst sind im Wandel der Zeit. Am Ende, soviel zumindest hat er gelernt, folgen nicht zu wenige Entwicklungen einfach nur irrationalen Impulsen, Launen aus einem Augenblick heraus, die keine andere Rechtfertigung brauchen als "Ich will es so.".

'Und was will ich?'

Die Bürste auf den Steinen des Tempels gibt darauf keine Antwort, sie ist ein Ding, das in Hinblick auf genau eine Aufgabe gemacht wurde, eine Iteration die ebenfalls nicht zwangsläufig einer Entwicklung zum Besten folgt. Das, so sinniert er, während er sich halb unter eine der Bänke duckt um auch dort die Kanten abzuschrubben, ist einer der Irrtümer, auf denen früher ein guter Teil seines Verständnisses wurzelte: Dass der Pfad der Menschheit zur Erleuchtung führt, zur Verbesserung, geprägt ist von einem stetigen Streben danach das eigene unvollständige Ich einem Ideal anzugleichen.
Tatsächlich, das lernte er auf den grauen Schlachtfeldern im Niemandsland zwischen Drakon und Aschenfeld, ist die Wahrheit das genaue Gegenteil: Ohne Druck setzt Verfall ein, wird gespart und reduziert, wo immer nötig. Die einzige Verbesserung, die eine Bürste erfahren würde, ist in einer Weise zu finden, in der sich der Aufwand des Herstellers reduziert ohne dafür weniger Münzen in Kauf nehmen zu müssen.

Bequemlichkeit. Faulheit. Selbstzufriedenheit.

'Und was will ich?'

Der Schmerz im Rücken ist nicht geringer als gestern, aber das Gefühl hat etwas Tröstliches, Vertrautes. Es versichert, dass es einen Preis gibt und einen Ertrag, ganz gleich wie schwer das eine oder das andere zu greifen ist.

'Bis mir ein Licht aufgeht, mhm. Das könnte dauern.'
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Leron Veits





 Beitrag Verfasst am: 07 Feb 2022 15:48    Titel:
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Es ist eine Stunde in der so gut wie nie Besucher den Tempel des All-Einen zu Rahal besuchen, eine Stunde vor dem ersten Licht eines neuen Morgen, gefüllt mit träger Müdigkeit und zäh treibenden Gedanken. Hundswache - der vor dem Altar knieende Mann erinnert sich nur zu gut an die endlosen, im Wachdienst verbrachten Stunden, an die Quälerei sirupdick verstreichender Augenblicke. Das sind Tage, die er nicht vermisst.

Dennoch bringt die Erinnerung allein bereits die Gespenster dieser vergangenen Zeit zurück, unscharf gewordene, ausgeblichene Gesichter, die mehr durch überzeichnete Stilisierungen beschrieben werden, als durch wirklich konkrete Bilder. Wie lang, bis sie gänzlich an Farbe verloren haben?
Die meisten der Namen sind bereits verlorengegangen, ganz gleich ob der Mann dazu einen Grabsegen erhielt, ob die Leiche hastig irgendwo verscharrt oder gar zum Verrotten zurückgelassen wurde. Das sind die Befindlichkeiten des Krieges und wer leben möchte, der lernt rasch, dass es im Schmutz des Schlachtfeldes weder Ehre noch Anstand gibt und dass der Schlamm auf der Haut sich zumindest abwaschen lässt.

'Es ist zu wenig Demut in mir.'

Der Gedanke kommt in allgegenwärtigen Schmerz eingebettet: Die kleinen Schnitte auf dem Schädel sind bereits zum grössten Teil verheilt und heller Flaum ist dabei die letzten Spuren zu verstecken, aber andere empfangene Wunden gingen tiefer, machen die Nächte zur Qual und die Tage zur Herausforderung. Es liegt eine Lektion darin, soviel glaubt der Mann zu verstehen, aber im Verlauf der letzten Woche ist es ihm nicht gelungen die Botschaft zu greifen.

'Vielleicht war ich zu lange Soldat für Feinheiten.'

Wie so oft schwappt eine unwillkommene Welle von Nostalgie bei dieser Einsicht mit, aber dieses Mal wappnet er sich nicht dagegen, sondern greift einfach weiter, tiefer in die Vergangenheit bis zu einer Zeit, als es noch keine Hundswache in seinem Leben gab. Vor nicht allzu langer Zeit lag ein dicker Mantel aus Scheu über diesem Teil der Erinnerung, eine Decke aus Enttäuschung und Machtlosigkeit - unangerührt, verlassen, vergessen wie ein Dachboden zu dem der Schlüssel vor langer Zeit weggeworfen wurde.

Für lange Minuten folgt er diesen bereits verblichenen Pfaden, skizziert einen Verlauf von Möglichkeiten: Was hätte sein können, wenn die Verlobung nicht durch den Schnitters ungerührten Zugriff ein Ende gefunden hätte? Wie wäre das Leben verlaufen, wenn die geplante Verbindung zweier Familien stattgefunden hätte. Es ist nicht das erste Mal, dass er diese Gedanken ausspinnt, aber früher lag immer bitteres Bedauern darin, ein Hadern mit dem Schicksal, mit der eigenen Ohnmacht, oft ergänzt durch Verlegenheit angesichts der Tatsache, wie weit das Gesicht der damaligen Verlobten bereits verblasste.

Heute findet er, wie sich das Damals mit dem Heute vermischt, das alte Grau von frischer Farbe übermalt, die keine Rücksicht auf graue Spinnweben nimmt.

"Ich bin nicht mehr der gleiche Mann."

Er spricht die Worte laut in die Stille des Tempels hinein und es liegt eine Herausforderung darin, die ihm selbst erst Momente später bewusst wird.
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