Eine schneeweiße Winternacht

[Der Erzähler]

Leise und anhaltend pfiff der Wind über Gerimor, während die Bewohner der Insel sich in ihrem Schlaf wiegten. In einigen Häusern knisterten die letzten Kaminfeuer und spendeten in der Winterkälte so manchem ihre wohlige Wärme. Die stillste Stunde um Mitternacht hatte das Ziffernblatt der Uhr schon längst hinter sich gelassen. Selbst die Tiere im Wald hatten sich zurückgezogen, und es schien für den Moment, als würde die Zeit stillstehen.

Sah man zum nächtlichen Firmament empor, an dem vor einigen Monden noch der tiefe Himmelsriss klaffte, so sah das Auge jetzt lediglich einen wolkenverhangenen Himmel. Doch wenn man ganz genau hinsah, dann … so geschah es nun doch noch. Erst war es eine einzige Tapfere, die sich ihren Weg zur Erde kämpfte. Zart glitzernd und schillernd, in der Farbe beinahe den Kristallwesen gleichend, die das Nichts dereinst entsandt hatte. Doch dieser Kampf würde Gerimor nicht in Blutrot tauchen, nein nein … stattdessen würde ein friedliches Weiß die Erde überziehen. Erst pudrig und so unsagbar fein, dass man es im Dunkel der Nacht nicht sofort erblicken würde.

Doch mit den vergehenden Stunden, da würde sich eine dicke Schneeschicht bilden, die dank ihres winterlichen Freundes – der Kälte – schon bald die ersten Bewohner von Gerimor mit ihrem Anblick überraschen würde. Ging man vor das Haus, so würde es einen direkt frösteln und schütteln, denn der Winter war gekommen. Ob nun in Rahal, in dem die neuen Hausdächer das erste Mal Schnee sahen. Ob im Nilzadan oder in Sturmouve, in denen Schnee niemals wegzudenken war und nun noch dicker auf der Erde lag. Ob in Adoran, in dem die Kinder am Markt johlend aufriefen, nun da wieder Schneeballschlachten ausgetragen werden konnten. Oder zuletzt in Bajard, in dem die Narben des großen Feuers gerade noch ganz frisch waren. Und selbst in Ered Luin, am Rakun und in der Durrah verirrten sich einige Schneeflocken, wenngleich sie dort nicht liegenbleiben wollten. Nahezu überall zauberte der Schnee nun also ein frisches Weiß auf Gerimor und der Winter hielt seinen endgültigen Einzug.