FAQ Login
Suchen Profil
Mitgliederliste Benutzergruppen
Einloggen, um private Nachrichten zu lesen
        Login
Reise, Reise
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Allgemeines Rollenspiel » Reise, Reise
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 23 Aug 2021 23:06    Titel: Reise, Reise
Antworten mit Zitat


    Viel zu spat begreifen viele
    die versäumten Lebenziele:
    Freuden, Schönheit und Natur,
    Gesundheit, Reisen und Kultur.
    Darum, Mensch, sei zeitig weise!
    Höchste Zeit ist’s! Reise, Reise!

    (Unbekannt)

Mit einer gewissen Vorfreude, aber auch mit einem schlechten Gewissen hatte ich die Sachen gepackt. Nebenan im anderen Zimmer hörte ich es ebenfalls rumoren. Rilytia war ebenso dabei einige Sachen für die Reise zusammenzusuchen. Da ich kein Freund von großen Abschieden war, hatte ich nur einen Zettel im Tempel hinterlassen, der davon kündete, dass wir eine Weile außer Landes waren. Die Tiere hatten wir in den Stallungen Grenzwarths untergebracht, damit sie versorgt waren. Nach den Hühnern wollten sie ebenfalls für uns schauen und hatten dafür einen Schlüssel zum Gehege bekommen. Das Haus war sauber, alle Fenster dicht gemacht, Verderbliches weitergegeben, sämtliche Betten frisch bezogen und mit einer Tagesdecke abgedeckt, damit sich der Staub nicht darauf absetzen konnte.
Auch die Blumen waren nach draußen gestellt worden, damit sie vom Regen bewässert wurden. Was so nicht überlebte, würde eben im Anschluss ersetzt. Womöglich hatte auch der Stallbursche ein Erbarmen damit. Ich wies darauf hin, erwartete aber nicht, dass er sich damit ins Benehmen setzte. Er kannte sich einfach besser mit Tieren aus als mit Grünzeug. Für die Zeit der Abwesenheit durfte er sich am Obst im Garten gütlich tun, oder auch die Kräuter sammeln, sofern er welche benötigte. Auch die Eier konnte er haben, sowie den Honig.

Mit zwei prall gefüllten Seesäcken machten wir uns schließlich auf den Weg nach Rahal. Während meine Vorfreude sich etwas in den Hintergrund schob und die Sorge, ob die Schifffahrt dieses Mal wenigstens ohne Schiffsbruch vonstattenging, in den Vordergrund trat, wirkte Rilytia mit jeder weiteren Annäherung an den Hafen immer aufgeregter. Um genau zu sein sprühte sie förmlich über vor Reiselust und guter Laune und konnte gar nicht schnell genug auf das Schiff kommen. Vermutlich war es mitunter die Robe, die uns einen angenehmen Empfang an Bord und eine eigene Kajüte bescherte. Ich sah davon ab mich darüber zu beschweren. Der Kapitän beschloss bei der Mannschaft zu nächtigen und überließ uns seine Räumlichkeit. Zuvorkommend. Darauf bestanden hätte ich nicht, Rilytia vielleicht, ich war mir nicht sicher. Frauen waren da zuweilen eben anders.
Nachdem unser Hab und Gut sicher verstaut war, wir auch einen Schlüssel für die Kajüte erhalten hatten, um unsere Sachen sicher aufbewahren zu können, kehrten wir an Deck zurück und sahen zu, wie wir ablegten. Mit einem tiefen Durchatmen schob ich das mulmige Gefühl beiseite, sandte noch ein leises Gebet an den Herrn und ließ den Blick so lang auf der Hauptstadt ruhen, wie es die Erdrundung zuließ und die Entfernung sie immer kleiner werden ließ, bis sie letztlich verschwand.

Erst jetzt nahm ich mir die Zeit mir auch die Mannschaft einmal anzusehen, die tüchtig anfasste, damit das Schiff an Fahrt aufnahm und alles seine Ordnung hatte. Solang die See so ruhig war, und die Nacht noch nicht hereingebrochen, hielten wir uns an Deck auf, schauten stets, dass wir irgendwo standen oder saßen, wo wir niemandem im Weg waren, oder fassten gar hier und dort mit an. Zwischenzeitlich hatte ich die Robe gegen einfache Kleidung gewechselt. Zwar hatte diese noch die Farbe des Tempels, an ein oder zwei Teilen zumindest, aber es war dennoch recht einfach gehalten und ich verzichtete in der Tat sogar auf Stiefel und Socken und blieb barfuß. Zum einen war Sommer und es war wirklich warm genug, zum anderen hatte ich das Gefühl damit besser unterwegs zu sein. Rilytia schien das zu amüsieren, aber ich vermutete das Strahlen war an diesem Tag ohnehin nicht aus ihrem Gesicht zu wischen. Die Aufregung hielt nach wie vor an bei ihr. Ebenso die Heiterkeit. Ich erwischte mich mehrmals dabei, dass es mich immer wieder aufs Neue zum Lächeln oder zum Schmunzeln brachte.
Das war wohl das, was vorwiegend dafür gesorgt hatte, dass wir uns nun in der Verlobungszeit befanden, diese unerschütterlich wirkende Lebensfreude. Die größte Herausforderung während der langen Schiffsreise bis nach Shevanor würde eindeutig die Forderung der Tetrarchin für die Verlobungszeit sein. Die Kajüte war sehr klein, beengt und auf dem Schiff konnte man sich auch nicht wirklich aus dem Weg gehen. Die Reise würde ihre Zeit brauchen, so oder so. Geplant war ja, den direkten Weg bis nach Shevanor anzutreten ohne Zwischenstopps, auch wenn wir sicherlich hin und wieder anlanden würden, um die Vorräte aufzufüllen. Aber das war dann meist nur für einen Tag und eine Nacht, dann ging es weiter. Auf dem Rückweg erst wollten wir Weidenheim und Cantir besuchen, zum einen den Haupttempel, zum anderen die Todesstätte des Getares. Orte, die für jeden Gläubigen einfach ein Muss waren, wenn sie schon auf Reisen gingen. Aber zuerst war da die Familie, und um Alatars Willen, ich freute mich so sehr darauf sie endlich wieder zu sehen. Es war so viel Zeit vergangen, so viel hatte sich getan, dort und auch bei mir.

Just in dem Moment wurde ich aus den Gedanken gerissen, als es am Heck etwas lauter wurde. Mein Blick irrte automatisch dorthin, Rilytias ebenso. Wie es nun einmal so ist bei Menschen, sammelte sich dort ziemlich schnell eine Traube, bis wir die Stimme des Kapitäns hörten, der sehr deutliche und vor allem sehr laute Worte fand.
Einen Moment lang fühlte ich mich an die Nussschale und den Unterricht dort erinnert. Mit Mühe verkniff ich mir ein Grinsen, sah nur kurz zu Rilytia, sie gleichzeitig zu mir, dann ging der Blick zurück zur sich auflösenden Menschentraube. Ein etwas jüngerer Bursche kam vorbei mit blutiger Nase, die er nachlässig am Ärmel abwischte. Die Miene war grimmig, trotzdem stieg er ohne ein weiteres Wort die Wanten hinauf bis zum Krähennest.
Wir fragen nicht nach, was genau vorgefallen war. Es war der erste Tag, mit sowas war in den nächsten Tagen öfter zu rechnen. Je länger die Reise ging, desto häufiger. Der Kapitän kam wenig später zu uns und entschuldigte sich für den Zwischenfall.
„Ich denke nicht, dass eine Entschuldigung dafür von Nöten ist und gehe davon aus, dass wir das öfter sehen werden.“ Nach den Worten entspannte sich der Mann etwas und ich konnte mir das Schmunzeln nicht mehr verbeißen. Nachdem wir ihm erzählten, dass wir auch Kontakt zur frischgebackenen Marine Rahals unterhielten, öffnete er sich gleich noch etwas mehr. Auch die Seeleute, die vorbeigingen und das hörten, trugen das gleich weiter an ihren Mannschaftskollegen.

Erst als der erste Tag auf dem Schiff mit dem klangvollen Namen Wellenreiter sich dem Ende zuneigte, und wir die Kajüte aufsuchten, fiel mir auf, dass meine Befürchtung auf hoher See in Angst zu geraten, völlig unbegründet gewesen war. Ich fühlte mich hier so wohl, wie an dem Tag als ich das erste Mal ein Schiff betrat. Von Angst war nichts mehr zu spüren. Vermutlich sollte ich der Clerica dafür danken, denn sie hatte darauf bestanden, dass ich mich damit auseinandersetzte. Von allein hätte ich es vielleicht erst viel später getan.
Ich überließ Rilytia das schmale Bett und suchte stattdessen die angebrachte Hängematte auf. Dass man zu zweit in diesen kleinen Kasten passte, daran war überhaupt nicht zu denken. Außerdem hätte es die Auflage unnötig erschwert, für uns beide. So begann also unsere lange Überfahrt nach Shevanor.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 26 Aug 2021 13:36    Titel:
Antworten mit Zitat


    Das Meer scheint unendlich,
    Bis uns die Nacht den Sternenhimmel zeigt.

    Otto Baumgartner-Amstad

Wir waren nun schon eine Weile unterwegs und zum ersten Mal gönnte ich mir die Zeit an Deck auch bei Nacht. Irgendwas ließ mich nicht schlafen. Nicht, dass ich es hätte benennen können, was es war. Das nicht. Allerdings trieb es mich aus der Kajüte heraus an die frische Luft, wo ich mich auf eines der Taue setzte, die auf Deck lagen. Ich wusste inzwischen, dort störte ich niemanden, solang das Tau nicht benötigt wurde.
Es dauerte nicht lange, da gesellte sich der junge Bursche zu mir, den ich noch vom Handgemenge in Erinnerung hatte. Inzwischen war mir auch sein Name bekannt: Jerko. Er war Schiffsjunge, noch recht frisch an Bord und dank des jugendlichen Alters sehr abenteuerlustig veranlagt. Ein wenig erinnerte er mich an mich selbst, wenn ich ihm so zuhörte. Er wusste, dass er in meiner Gegenwart meist Ruhe hatte vor den Raufbolden, die ihm das Leben auf dem Schiff schwerer machten. Ich ließ ihm diese kleinen Atempausen, auch wenn ich ihm deutlich machte, dass er sich alsbald damit würde befassen müssen, um seinen Platz hier zu behaupten. Denn irgendwann würden wir von Bord gehen, und dann?
„Hier draußen sieht man viel mehr Sterne am Firmament als an Land.“ Der Bursche klang ein wenig verträumt, als er das so feststellte. „Manchmal wäre ich gerne eine Möwe, dann würde ich zu ihnen hochfliegen und sie besuchen.“
Die Idee brachte mich zum Schmunzeln. „Ich fürchte, so hoch kann die Möwe nicht fliegen. Tatäschlich vermute ich, dass kein Vogel es vermag. Vielleicht ist Horteras etwas eigen mit seinen Kindern.“ – „Kennst du dich mit dem Sternenvater und dem Glauben an ihn gut aus?“ – „Ehrlich gesagt, nein. Noch nicht. Aber ich habe vor darüber mehr zu erfahren beizeiten. Es ist schließlich sinnvoll auch etwas über die anderen Götter zu wissen, die uns umgeben.“
Daraufhin schwiegen wir beide ein kleine Weile, bis der Bursche die Stille wieder brach. Das war zumeist so. Er vertrug die Ruhe nicht sonderlich gut, schien mir. „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr Euch mit anderen Göttern befasst, ehrlich gesagt.“
„Stell dir vor, ich befasse mich sogar mit noch ganz anderen Themen. Romane zum Bespiel. Diese kleinen billigen Schundheftchen. Sie bieten eine schöne leichte Abwechslung zum Alltag. Kannst du lesen?“ Jerko schüttelte den Kopf, zeigte aber auch kein Bedauern deswegen.
Irgendwo weiter vorn rief jemand den Burschen schließlich zu sich, so dass dieser eilig vom Tau sprang und davonlief. Ich hielt ihn nicht auf. Mir war klar, dass er an die Arbeit gerufen wurde und ich ihm nur Probleme machen würde, wenn ich ihn dazu brachte hier zu bleiben. Außerdem kam es mir dazu noch ganz recht, wenn er ging. So hatte ich etwas Zeit für mich allein, die Stille, die nur von den Wellen, die sich am Bug brachen, unterbrochen wurde. Selbst die Mannschaft bewegte sich so leise, dass ich kaum etwas von ihnen mitbekam.

Mein Blick ruhte eine ganze Weile auf dem Sternenmeer am Himmel. Ein paar wenige Sternenbilder kannte ich, bei weitem nicht alle. Ich fragte mich, wie der Navigator damit arbeiten konnte, um uns weiterhin sicher ans Ziel zu bringen. Die Sonne zu beobachten, schien mir deutlich einfacher. Nicht zum ersten Mal dachte ich, dass hier draußen weit mehr Sterne zu sehen waren als auf dem Land. Vermutlich, weil die Dunkelheit um dem Schiff herum doch deutlich tiefer war, als in der Nähe der Ortschaften, wo man sich für gewöhnlich aufhielt, sobald es Abend wurde.
Tatsächlich musste ich zugeben, dass Horteras ein sehr beeindruckendes Bild geschaffen hatte. Was mich an ein angedachtes Projekt erinnerte, aber auch daran, wie der Sternenvater zurückgekehrt war, und wo er nun angeblich stand im ganzen Göttergefüge. Nicht, dass ich an den Worten des Herrn zweifelte, aber ich war mir nicht sicher, ob der Stern nicht doch trügerisch funkelte und zum Schein dort war, wo er sich aufhielt. Wer wusste das denn schon wirklich, außer dieser selbst? Immerhin galt Horteras als ein Seher. Womöglich hatte Temora einen Blick darauf werfen können, auf die Zukunft zu ihm. Aber erfahren würden das nur die wenigsten – wenn überhaupt.
Ich ertappte mich dabei, dass ich ihn gern dort sehen würde, wo er sich positioniert hatte. Es macht die Geschichte dort oben etwas ausgeglichener. Etwas.
Konnten wir den Herrn der Freiheit für uns gewinnen, wäre es ausgeglichen. Eluive, Temora, Phaodain und Cirmias dort, und bei uns die gegnerischen Vier. Das täte mir gefallen. Zumal nicht nur Horteras von Freiheit sprach, nicht wahr? Es täte passen, oder? Und es würde die andere Seite wunderbar demoralisieren.

***

Die Tage zogen sich hin. Es wurde deutlich beengter auf dem Schiff, rein dem Gefühl nach. Dennoch schaffte es der Kapitän die Mannschaft und auch seine Gäste bei Laune zu halten. Wie, war mir auch noch ein Rätsel, als wir endlich wieder Land unter den Füßen hatten und Shevanor endlich erreicht hatten.
Weitergehen sollte abwechselnd per Kutsche und zu Pferde, so wie es uns gerade danach war. Diese Rumpelkästen vertrug keiner auf Dauer, fand ich. Zwischendrin brauchte ich einfach Bewegung und da war selbst reiten eine gute Alternative. Ob die Familie sich allerdings noch dort aufhielt, wo sie waren, als die Kristallkriege herrschten, wusste ich nicht. Wir würden dort einfach mit der Suche beginnen müssen. So gesehen fanden wir dort auch einen Teil von Familie und Geschäftspartner meiner Eltern. Also sollte der Aufenthalt dort nicht weiter bekümmern. Für ein zwei Tage, war das sicher möglich, ohne irgendwem zur Last zu fallen und allzu viel Zeit zu vertrödeln.

Istelgo war gar nicht so weit weg von der Küste. Es war lediglich eine Tagesreise zu bewältigen, um dorthin zu gelangen. Diese entpuppte sich als eine sehr beschauliche und eher langweilige Reise. Es passierte unterwegs schlicht gar nichts Nennenswertes. Dafür zeigte sich das Städtchen bei der Ankunft von seiner besten Seite. Es schien Markttag zu sein, entsprechend herrschte reges Treiben auf den Straßen und dem Marktplatz. Wir bewegten uns hier zu Fuß vorwärts, nutzten auch die Gelegenheit mal an dem einen oder anderen Stand stehen zu bleiben. Da ich selbst kein großes Aufsehen erregen wollte, hatten wir uns für einfache Kleidung entschieden, die durchaus hierher passte.
Irgendwo tat sich sogar ein Stand auf, der Orangen vertrieb, wo ich mir direkt zwei erstand und die erste gleich schälte, sobald ich sie bezahlt hatte. Derweil ließ ich den Blick schweifen, hielt mich an Rilytias Seite, während sie sich ganz dem nächsten Stand widmete. Es brauchte eine Weile, aber dann machte ich etwas weiter entfernt einen weiteren Stand aus, an dem Holzwaren verkauft wurden. Ich kniff die Augen etwas zusammen, schirmte die Augen mit der Hand vor der Sonne ab und versuchte auszumachen, wer sich dort aufhielt. Aber aus der Distanz war das schwer zu erkennen.
Obschon mich eine gewisse Ungeduld befiel, ließ ich Rilytia die Zeit sich in Ruhe umzuschauen. „Dort hinten ist ein Stand mit Holzarbeiten, ich würde dort gerne einmal hinüber gehen“, teilte ich ihr danach mit, sie nickte und wir zogen los, zielstrebig in die gezeigte Richtung.

Er stand mit dem Rücken zu mir, trotzdem erkannte ich ihn sofort, was mir ein diebisches Grinsen ins Gesicht malte. Ich gab Rilytia nur ein kleines Handzeichen, dann schlängelte ich mich um den Stand herum und positionierte mich hinter ihm und setzte eine gestrenge Stimme auf: „Des All-Einen Segen, Herr Angerlohe. Ich hoffe, Ihr habt die Verkaufslizenz dabei!“
Die ganze Gestalt vor mir spannte sich sichtlich an und ich schwor, er wäre fast hochgesprungen vor Schreck. Mit hochrotem Gesicht drehte er sich zu mir um und stockte noch einmal, dann weiteten sich die Augen. „Da fress‘ ich doch einen Besen! Wenn .. oh!“ Gut, das war neu für mich, dass er seine Aussagen schluckte und sich verneigte. Der Anflug an Etikette hielt allerdings nur sehr kurz an, da hatte er schon die Arme um mich geschlungen und ich bekam kaum noch Luft. Zum Glück währte dieser Zustand nicht lange, da ließ er los und brüllte über den halben Stand „Schaut mal wer da ist!“
Es brauchte nicht lange, da war ich dann umringt von einer gar nicht mal so unbeachtlichen Traube an bekannten Gesichtern und Menschen. Die Familie war also noch in Istelgo geblieben. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich sie alle begrüßt und beruhigt hatte, um dann Rilytia in die Mitte und zu mir zu ziehen. Danach ging das Schauspiel von vorn los. Rufe, Fragen, Begrüßungen, sehr herzlich, bis schüchtern und zurückhaltend und mittendrin plärrte plötzlich ein Kleinkind los. „Ach ja! Der Familienzuwachs. Wo ist er denn?“ Ich schaute mich um, entdeckte ihn dann etwas abseits mit seiner Mutter, die ihn versuchte zu beruhigen. Mit etwas Mühe drängelte ich mich aus der Traube hinaus und trat zu ihr hin. Aus dem Grinsen kam ich gerade ohnehin nicht mehr heraus. Hier wurde es um kein Stück besser. Obwohl der Junge noch greinte, drückte sie ihn mir einfach in die Arme. „Na hoppla!“ - „Warum soll ich ihn immer beruhigen. Ich finde sein Onkel kann gleich mit anfassen, wenn er schon mal da ist.“ Mit den Worten drückte meine Schwägerin mir einen Kuss auf die Wange und ging an den Stand, um einer Kundin weiterzuhelfen. Ich fühlte mich ein wenig, wie ein begossener Hofhund, aber das neue Gesicht hatte offenbar zur Folge, dass Arman aufhörte zu weinen und dazu überging mich mit großen Augen anzustarren.
Ich warf einen Blick zu Rilytia zurück, die noch immer umringt war von Familie und Freunden der Familie. Wieder strahlte sie über das ganze Gesicht. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass sie sich wohl fühlte. „Tja, Arman. Das wird mal deine Tante. Die solltest du dir auch mal ganz genau ansehen beizeiten.“

 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 31 Aug 2021 12:42    Titel:
Antworten mit Zitat


    In einer friedlichen Familie kommt das Glück von selber.
    (Aus China)

Gefühlt rannten die Tage nur so dahin, als hätte es die Zeit derzeit besonders eilig. Das lag vermutlich daran, dass wir wirklich jede Stunde gefüllt hatten mit irgendwelchen Unternehmungen, Ereignissen und Dingen, die einfach zu tun waren. Denn nur weil wir zu Besuch waren, stand der Alltag für die Familie ja nicht still. Mir war das alles noch allzu bekannt und es brauchte gar nicht lang, bis meine Mutter mich wieder für die Kräuter und Pflanzen eingespannt hatte, was ich mit einem Grimassenschneiden quittierte, ganz nach bester Sohnemann-Manier. Rilyita brachte es zum Lachen. Allerdings hatte sie sich zu früh gefreut, denn sie kam auch nicht um die Arbeit drum rum. Zu ihrem Leidwesen hatte ich erzählt, dass sie zuhause darauf bestand zu kochen, hier durfte sie nun also auch mit ran an den Herd und das Gemüse. Und hier gab es gleich zehn Mal mehr Mäuler zu stopfen, mindestens. Die leichte Verzweiflung in ihrer Miene, ob der Menge an Leuten, die sie versorgen sollte, brachte mich wiederum zum Lachen.
Ich war zudem sehr zuversichtlich, dass sie das schon hinbekam. Außerdem war sie damit nicht allein. Meine Schwägerinnen würden ihr da schon noch zur Hand gehen. Aber sie waren natürlich neugierig auf die regionalen Rezepte von Gerimor. Aus der Küche war den halben Vormittag nichts anderes als Geschnatter und Gekicher zu hören, sogar draußen, wo ich mit meiner Mutter zugange war, um die Kräuter vorzubereiten, oder auch zu hegen und zu pflegen. Natürlich nutzte sie die Zeit, um mich auszufragen. Zwischenzeitlich kam ich mir selbst vor wie bei der Inquisition. Trotzdem bemühte ich mich die Fragen in aller Geduld zu beantworten und mich nicht davon verleiten zu lassen in alte Mutter-Sohn-Verhältnisse hineinzugeraten, die allzu oft darin geendet waren, dass der Sohn genervt geflohen war. Sie hatte alles Recht der Welt mich auszufragen, immerhin war viel passiert und sie hatte nichts davon mitbekommen. Ich warnte sie allerdings vor, dass ich mich dafür mit allerhand Fragen revanchieren würde.

Natürlich blieb es nicht dabei. Nach ein paar weiteren Tagen fühlte ich mich ziemlich herumgereicht, weil jeder eine Portion vom Jüngsten abhaben wollte. Es wurde sogar ein Fest ausgerichtet. „Die Verlobung muss doch gefeiert werden, wenn wir die Hochzeit schon verpassen müssen“, wurde dazu nur erläutert.
Dennoch hatte sich etwas verändert, wie es das überall getan hatte. Sie wussten darum, was ich inzwischen erreicht hatte. Innerhalb der eigenen Familie machte es sie zwar nicht distanzierter, aber sie kamen auch mit anderen Gesprächsthemen zu mir. Themen, die sie vorher mit mir sicher nicht besprochen hätten. Und die Freunde der Familie waren deutlich zurückhaltender geworden mir gegenüber. Manche waren ehrfürchtiger, manche distanzierter, manche wussten damit nicht recht umzugehen und hielten sich deshalb sogar fern.
Inzwischen überraschte es mich nicht mehr, dass es mir einen leisen Stich versetzte. Dafür hatte ich das bereits zu oft schon auf Gerimor erlebt, wo es manch einer sogar schaffte diesen Stich immer wieder mal zu versetzen. Es erinnerte mich auch immer wieder auf ein Neues daran, dass die allzu lockeren Tage gezählt waren. Alles, was ich tat oder sagte, würde jedes Mal auf ein Neues gewogen und beurteilt werden. So oder so. Ich hatte diesen Weg für mich gewählt und dieser Umstand würde mich nicht am Weitergehen hindern, noch erlaubte ich diesem, bei mir Zweifel aufkommen zu lassen.

Das Fest fiel größer aus, als erwartet. Dezent unangenehm berührt von der ganzen Aufmerksamkeit, die meine Mutter damit auf uns lenkte, bemühten wir uns gute Miene zum trubeligen Spiel zu machen. Nicht, dass wir etwas gegen Feste hatten, aber im Mittelpunkt dessen zu stehen, war nicht unbedingt meins. Zum Verdruss meiner Mutter hatte ich das Ornat angelegt, was mir immerhin etwas mehr Ruhe bescherte, weil sich nicht gleich jeder wagte uns regelrecht mit Fragen zu überfallen. Ausnahmen gab es auch hier. Als wir irgendwann hundemüde ins Bett fielen, schlief ich auch direkt ein. Alles in allem war der Abend gelungen, aber auch sehr anstrengend gewesen.

Die Tage vergingen wie im Flug daheim und irgendwann mussten wir auch wieder aufbrechen, um die Heimreise anzutreten, zumal wir ja noch zwei weitere Punkte auf unserer Agenda hatten, die wir besuchen wollten. Viel zu schnell kam der Tag des Abschieds, aber es wurde sich gegenseitig reichlich versichert, wiederzusehen. Das machte es etwas leichter. Fjore versprach noch weiterhin den Briefkontakt aufrecht zu halten. Mutter tat sich mit dem Abschied genauso schwer wie beim ersten Mal. Mit ein wenig Wehmut im Herzen reisten wir schließlich ab.

Das Schiff, welches uns zumindest ein gutes Stück weit mitnehmen sollte, legte am nächsten Morgen ab. Der nächste Halt die Hauptstadt Weidenheims.

 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 02 Sep 2021 11:23    Titel:
Antworten mit Zitat


    Die Erhabenheit ist von allem Guten das Höchste.
    Das Gelingen ist das Zusammentreffen von allem Schönen.
    Das Fördernde ist die Übereinstimmung von allem Rechten.
    Die Beharrlichkeit ist die Grundlinie von allen Handlungen.

    (I Ging (Yijing) ‘Buch der Wandlungen’)

Bärentrutz war gigantisch. Gigantisch groß, gigantisch dreckig, gigantisch voll, einfach gigantisch. Für jemanden, der in einem kleinen Kaff lebte, Rahal schon für groß und unübersichtlich hielt, war Bärentrutz erschlagend und faszinierend zugleich. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich mich gefühlt hatte, als ich das erste Mal vor dem Tempel in Rahal stand, und kurz darauf darinnen. Die in den Geboten stets geforderte Ehrfurcht hatte mich damals fest im Griff gehabt und ich war hin und hergerissen von Aufgeregtheit, Freude (inklusive einiger Freudentränen) und dem Gefühl ganz und gar klein zu sein. Ich kann es in der Tat nicht besser beschreiben. Jetzt, wo wir gemeinsam vor dem Haupttempel des alatarischen Glaubens standen, war das Gefühl an und für sich dem damaligen gar nicht so unähnlich, nur mit dem Unterschied, dass ich mich nicht mehr so klein fühlte, wie einst. Das mochte an der inzwischen gesammelten Erfahrung liegen, auch an der erhaltenen Weihe durch den Herrn. So genau konnte ich das nicht beziffern, aber das spielte in diesem Moment auch keine Rolle für mich. Innerlich staunte ich wie ein kleiner Junge, als ich das ehrwürdige Gebäude betrat. Die Erhabenheit des Moments, des Eindrucks, des Empfindens, die Erhabenheit von allem war einfach überwältigend.
Wir bewegten uns auf leisen Sohlen nach vorn und knieten uns vor den Altar zur stillen Zwiesprache. Natürlich blieb unsere Anwesenheit nicht unentdeckt, womöglich auch deshalb nicht, weil ich das Ornat dem Anlass angemessen angelegt hatte.

Irgendjemand wurde Rilytia zur Seite gestellt, als ich einem weiteren Glaubensbruder folgte zu einem leisen Gespräch unter vier Augen. Nicht, dass es etwas Wichtiges zu besprechen gab, oder ich einen Auftrag dazu hatte, aber dies schien hier so wohl Usus zu sein. Der Austausch war nicht sonderlich lang, aber angenehm, auch wenn innerhalb der wenigen Sätze, die wir austauschten, die Unterschiede zu Gerimor doch deutlich wurden. Ich erlaubte mir einen Gruß seitens Thuli auszurichten und alsbald fand ich mich an der Seite von Rilytia wieder. Wir verblieben noch eine ganze Weile in dem Tempel, auf einem der hinteren Bänke sitzend. Um alles erfassen zu können, brauchte man vermutlich Tage, wenn nicht gar Wochen, aber wir wollten über Land weiter nach Cantir reisen, also hatten wir noch einiges an Weg vor uns. Entsprechend kurz sollte der Aufenthalt in Bärentrutz und auch in Weidenheim selbst sein.
Die Eindrücke, die wir mitnahmen, sollten uns aber sicher nicht allzu bald loslassen. Es war schier überwältigend.

Die Reise nach Cantir verlief ebenfalls ohne nennenswerte Zwischenfälle. Es war zu spüren, dass die Länder des alatarischen Reiches sich von den Schrecken der Kristallinvasion erholten und erst einmal Atem schöpften. Die Menschen waren ausgelassen, freundlich, offen. Feindseligkeiten kamen wenige auf und wenn es unterwegs einmal Streit innerhalb des Trosses gab, dem wir uns angeschlossen hatten, war dieser entweder ziemlich schnell beigelegt, oder sie standen binnen weniger Augenblicke vor meiner Nase, um sich bei der Beilegung helfen zu lassen. Nicht immer geschah das, weil die Beteiligten das wollten, aber der Trossführer sie dazu verdonnerte.
Ich trug es mit Fassung. Letztlich war ich eben überall Tempeldiener und nicht nur daheim, auch wenn dies eigentlich eine Reise sein sollte fernab jeder Verpflichtung. Sie holte mich dann doch ein. Rilytia nahm es ebenso klaglos hin, verzog sich in diesen Momenten gern einmal zu einem anderen Grüppchen im Tross und unterhielt sich dort weiter.
So ging die Zeit wie im Flug. Wir wechselten ab zwischen Reiten, Laufen und Kutschbock, was es deutlich angenehmer gestaltete. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass mir Betten mehr zusagten als Schlafstätten am Boden. Da konnte das Bett auch gerne hart wie Stein sein, aber diese Steinchen, die einem ständig irgendwo in die Seite piekten und das Liegen äußerst unangenehm machten, nervten einfach fürchterlich!

Die Pilgerstätte in Cantir zu finden, wo Alatar Getares erschlagen haben sollte, war nicht weiter schwer. An und für sich gab es hier nicht einmal etwas Besonderes zu sehen. Ich fragte mich insgeheim, ob auch die Kraft dieser Stätte mit in den Kampf gegen den Weltenvernichter geflossen war, so wie die vom Blutdenkmal und dem Panthermal auf Gerimor. Allerdings trafen wir vor Ort niemanden an, der es uns hätte beantworten können. So blieb die Frage offen und unbeantwortet.
Ich gestand mir ein, dass ich mehr erwartet hatte und in der Tat enttäuscht worden war. Der Tempel in Bärentrutz war da entschieden eindrucksvoller gewesen.
Trotzdem konnte ich dem Aufenthalt hier etwas abgewinnen. Die Landschaft war schön, das Grün stand noch im vollen Saft, auch wenn die Bäume die ersten Verfärbungen zeigten. Der Herbst war nicht mehr weit. Das wiederum war auch ein Indiz dafür, dass wir nicht mehr allzu lang mit der Heimreise warten durften. Ich hatte nicht den Drang danach die Herbststürme auf einem Schiff mit zu erleben. Das weckte doch allzu üble Erinnerungen.

Wir gönnten uns nur ein paar Tage der Erholung, bevor wir wieder aufbrachen, in Richtung Küste. Immerhin die Überfahrt mit dem Schiff würde von hier aus nur ein paar Tage dauern, nicht einmal eine Woche. Als wir an Bord gingen, fühlte es sich für mich sogar fast schon an wie daheim ankommen, was mich doch amüsierte. In der Tat gefiel es mir auf hoher See sehr gut, auch wenn meine erste Erfahrung damit in einem Desaster endete, und ich eigentlich eine Landratte war. Letztlich aber waren aber die meisten, die zur See fuhren erst einmal als Landratte geboren worden und auch aufgewachsen. Etwas, was so mancher Seefahrer gern einmal vergaß oder hintenanstellte. Es war an sich auch egal, denn ich hatte nicht vor zu einem zu werden. Meine Aufgaben lagen – bekanntlich – ganz woanders und dies war auch ganz gewisse mein Weg und kein anderer.
Jetzt richteten wir uns erst einmal auf dem Schiff ein, das uns nach Hause bringen sollte. Und bei allen Problemen, die dort mitunter noch warteten, es war mir wirklich ein Zuhause geworden. Ich freute mich darauf.

 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Allgemeines Rollenspiel » Reise, Reise
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.




phpBB theme/template by Tobias Braun
Copyright © Alathair



Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
Deutsche Übersetzung von phpBB.de