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[Q] Blutrote wilde Rosen
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Allgemeines Rollenspiel » [Q] Blutrote wilde Rosen
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Der Erzähler





 Beitrag Verfasst am: 20 Aug 2021 16:12    Titel: [Q] Blutrote wilde Rosen
Antworten mit Zitat

Als ich sie das erste Mal sah,
wusste ich, dass sie die Richtige war.
Sie blickte in meine Augen und lächelte.
Ihre Lippen trugen die Farbe der Rosen,
die am Flussufer blühten:
So blutrot und wild.


Mit dem schwindenden Licht wurden die Schatten länger und lebendiger. Dieses Wechselspiel ist seit Anbeginn der Zeit den gleichen Regeln unterworfen wie Ebbe und Flut und ähnlich wie die Gezeiten ist es nicht aufhaltbar, nicht zu verhandeln und nicht zu leugnen. Was dann allerdings im huschenden Halbdunkel zu entdecken ist, bleibt wiederum meist ganz der schöpferischen Freiheit der Fantasie oder den unendlich tiefen Schubladen der Erinnerung überlassen… meist.
Wenn etwas zu weit in die Abgründe der Seele und die sich windenden Gedanken hinabdrang, dann konnte es durchaus sein, dass es dort unten die schwelende Glut fand, der es von einer Realität in die andere schob. Wie heißt es doch so schön:
Wenn man nur lange genug an eine Sache glaubt, dann kann sie wahr werden.
Richtig und wenn man nur lange genug, mit einer explosiven Mischung an starken Emotionen einer Sache nachhing, dann wurde sie zum Schatten selbst und konnte einen bis weit über das Lebensende hinaus noch verfolgen. Dabei gab es immer einen Anfang, immer einen zündenden Funken für das sich rasch ausbreitende Lauffeuer. Auch diesmal…

Vielleicht hatte es mit der Berührung angefangen. Warme Haut an der Hand, dieses zarte und prickelnde Gefühl der übertragenen Wärme. Nicht seine eigene Wärme oder die Kälte irgendwo darin, die nie ganz schwinden wollte. Ja, damit hätte der Anfang gemacht werden können, denn eine einzige Berührung konnte längst hinabgedrückte Erinnerungsfetzen wie Papierlichter in die Höhe steigen lassen, bis sie sich oben angekommen schmerzhaft in den Kopf brannten.
Oder aber es hatte mit dem Gespräch begonnen, ganz zu Beginn schon, als wiederholt werden musste, was diese Hände getan hatten, Wort für Wort und Bild für Bild, bis sich das Innere seltsam leer anfühlte und doch ein kleiner Brocken des Drucks auf der Brust verschwunden war.
Ganz sicher stand es aber auch mit dem einen Moment in Verbindung, als er im Labyrinth des Herren diese Blume betrachtete und entdeckte, dass sie für jeden, der daran roch, einen anderen Duft verströmte. Sein Nebenmann sprach von Törtchen, von Heimat und dabei leuchtete das Gesicht beinahe schon kindlich glückselig kurz auf. Er aber fühlte sich von dem feinen, sanften Aroma, das ihm wie ein Frühlingslüftchen sanft um die Nase strich, regelrecht erschlagen…

Als die wilden Rosen blutrot blühten.

Ein feiner Hauch von wilden, dunklen Rosen in weizenfarbenen Locken, die sich mit besagten Halmen im Sommerwind wogen, seine Wange kitzelten und ihn mit einem Schlag mitten in diesen einen Moment katapultierten. Es war der späte Cirmiasum… jetzt, vor knapp einer Dekade, als er sie gefragt hatte, als ihr Lächeln bereits die Antwort war und sie beide, so dachte er, Nileth Azhur auf Erden gefunden hatten. Er ertrank glücklich in diesem Duft, der Berührung ihrer Locken, dem weichen Lachen.

Und dann sprang das Bild!
Von einem Moment auf den anderen erstickte er panisch am beißenden Rauch eines brüllenden Infernos, würgte Schuld und ohnmächtige Wut, Verzweiflung und Hass herab, schmeckte das Metall in der Luft, das Gefühl von kaltem, glitzerndem, schwerem Stein in der Hand.

Als die wilden Roten blutgetränkt verwelkten.

Und dann, wenn der Herr gnädig war, wacht er auf.
Schweißgebadet und nach Luft schnappend, doch nicht gerettet, nicht erlöst, denn in jeder einzelnen Nische des Raumes wogte der Sommerwind, wehten Locken, erklang ein leises Lachen, erblühten blutende, wilde Rosen. Und mit jedem Erwachen, jedem Hinauftauchen wurde es kräftiger, lauter, intensiver – doch der fahrig tastende Griff seiner Rechten galt immer und immer wieder der Nachttischschublade, in der ein letztes Andenken ruhte.

Als die wilden Rosen in einer blutroten Schleife schlummerten.


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Cailen Vindheim





 Beitrag Verfasst am: 22 Aug 2021 19:26    Titel:
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Für gewöhnlich hatten die Besuche im Tempel etwas beruhigendes an sich. In der zumeist recht allumfassenden Stille einer leeren Gebetskammer, lediglich durchdrungen vom trägen Knistern der ungezählten Kerzen, fand der Geist die notwendige Ruhe. Ließ sich hinfort tragen, um in der Präsenz des All-Einen Gewissheit und Zentrum zu finden. Die Macht des Herren wie eine gut abgestimmte Symphonie, ein Werk aus vielen Klängen und Nuancen, welches sich zu einer einzigen, weithin tragenden, mächtigen Stimme erhob. Überwältigend und mehr als dazu in der Lage, all die Unsicherheiten eines trivialen Lebens als nichtig zu erklären und hinfort zu tragen.

Letzthin aber fand sich diese Symphonie zunehmend im Missklang. Nicht zu leugnen war die Anwesenheit eines fehlgestimmten Instrumentes, welches das Gesamtwerk in Mitleidenschaft zu ziehen vermochte, auch wenn es beinahe unmöglich schien, den Finger auf den ruchlosen Ton zu legen.

Begonnen hatte es tatsächlich so gänzlich unerwartet, mit der Berührung einer Blume, die der Herr selbst geschickt zu haben schien. Nicht einmal, um den Templer selbst auf die Probe zu stellen, sondern ganz und gar für einen anderen Mann. Und dennoch, die Erinnerung, die in jenem Gewächs verborgen lag, war von nur allzu persönlicher Note.

Und so unverkennbar wie der Duft nach Rosen war, welchen er immer schon mit
ihrem Haar in damals glückliche Erinnerung gebracht hatte, so unverkennbar war auch der helle Klang ihrer Stimme, der wie Glockenläuten ferner Kirchtürme immer und immer wieder an seine Ohren drang. Egal wann, egal wo, auch wenn es zunehmend die Nächte waren, in welchen sie ihn plagte.

Es musste Schicksal sein, oder gar die Strafe für vergangenes Versagen, dass dann auch noch die rote Schleife in seine Hände fiel, gefunden in der unwahrscheinlichsten aller Ecken. Gar konnte er sich nicht daran erinnern, sie damals überhaupt mit gebracht zu haben, und dennoch fand sie sich da einfach in der Lade seines Nachttisches wieder. Wohl musste er sie an sich gezogen haben, vielleicht am Ende, als die Hand ein letztes Mal durch weizenfarbene Locken geglitten war, um ...

Es war Monde her, und doch konnte er in der Erinnerung an
sie, an jenen Moment, nicht mehr nur den Duft ihrer Locken finden, den Geschmack ihrer Lippen und die Wärme ihres Leibes, wenn sie sich an ihn schmiegte. Nein, da war mehr. Der metallische Geruch des Blutes an seinen Händen, der stille Vorwurf in ihren Augen, ehe das Leben darin verging. Der Rauch eines verlorenen Heimes und die Kälte eines dunklen, einsamen Waldes.

Die Scham. Aus der Hass erwachsen war. Hass zu Stärke. Hass zu Dienst. Hass auf die Feinde Seiner Schöpfung. Aber vielmehr Hass auf sich selbst. Immer und immer noch. Nagend. Zehrend. Bohrend.
Und weder Gebot, noch Schmerz, noch Pflicht vermochten zu überdecken, was ihm immer schon klar gewesen war.

Dass
sie noch irgendwo da draußen war ....


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 26 Aug 2021 14:28    Titel:
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    Auf dem weißen See
    Schwimmt eine rote Rose.
    Willst du die schwarzen Fischchen sprechen,
    musst du die rote Rose brechen.

    (Friedrich Güll)

Er wirkte nachdenklich, fast in sich gekehrt, zuweilen auch abgelenkt davon. Dass ihn etwas beschäftigte, war unschwer zu sehen. Das was war indes etwas, was er selbst aussprechen sollte, ohne Aufforderung. Das Angebot zu reden, erhielt er dennoch. Der Schwarzhaarige brauchte eine Weile, die sie gemeinsam auf den Stufen vor dem Tempel Düstersees verbrachten. Es war ruhig in der Siedlung. Nur die Wachen zogen ihre üblichen Kreise und hielten sich gerade hier auch in der Nähe auf. Das war kein Ort für solche Gespräche, soviel stand fest. Also zog es sie dann doch irgendwann fort in das Heim des Freundes und Glaubensbruders.

Rum. Natürlich. Es gab einen Grund für dieses starke Getränk. Das Thema war kein Leichtes. Es war, ganz im Gegenteil, ein sehr persönliches und eines, welches man getrost als einen „Dämon“ bezeichnen konnte, der einen verfolgte. Jeder hatte so seine eigenen Dämonen. Meiner war die Angst gewesen. Meine Prüfung, mein Albtraum, meine stete Erinnerung, das schwarze, lebendige Band am Arm. Sein „Dämon“ war der Rosenduft.
Ich erinnerte mich noch gut an die Blüte im Labyrinth, als ich an ihr gerochen hatte. Sie duftete für mich nach Shevanorer Törtchen, Wein, nach Heim und Herd, nach Familie, wenn man so wollte. Es war etwas, was mir in dem Moment der Aufregung eine Spur Frieden gab. Bei meinem Helfer war es anders. Rosenduft im blonden Haar. Für einen Moment tat sich in mir die blöde Frage auf, ob man das Blonde auch herausriechen konnte, verwarf sie aber direkt wieder. Unpassend. Ich hatte damals im Labyrinth die Anspannung des anderen fast greifen können. Sehen konnte ich da nichts, ich war blind mit den Augen, aber dafür waren alle anderen Sinne wach und bis zum Reißen angespannt. Das hatte mir nicht entgehen können. Es missfiel ihm, auch wenn ich nicht wusste, weshalb.
Das sollte ich nun erfahren, an diesem Abend, an dem ich eigentlich nur unterrichten wollte. Unverhofft kam oft, wie es so schön hieß. Es ärgerte mich nicht, ich bedauerte es auch nicht, es war einfach überraschend.
Seit einer Weile war kaum Zeit gewesen sich untereinander auszutauschen, also genoss ich es sogar, auch wenn das Thema ein Schweres war, vor allem eines, welches man nicht einfach so erzählte. Es fiel mir leicht zuzuhören. Leichter als bei manch anderem, stellte ich fest. Tatsächlich fiel es mir sogar leicht ruhig und unaufgeregt zu bleiben, trotz der Schwere der Offenbarung.
Dass sie ihn derart heimsuchte seit dem Besuch im Labyrinth konnte ich kaum als Zufall erachten. Und da es ihn derart auf Trab hielt, würde er sich dem auch stellen müssen, ob er wollte oder nicht. Eine Flucht davor gab es nicht.

Auch wenn es ein anderer Inhalt war, der beschäftigte, so erinnerte es mich doch an meine eigene Prüfung. Es war für mich unschwer zu erkennen, wohin es letztlich führen musste. So teilte ich es auch mit, versuchte Fragen zu beantworten, wenn ich konnte. Aber die eigentliche Antwort musste er selbst finden, vor allem in sich selbst. Das hatte ich ebenso gemusst.
Ich war mir für meinen Teil jedenfalls sicher: Der Herr stellte ihn vor die Wahl: Vorwärts oder rückwärts, Flucht oder Auseinandersetzung, Verdrängung oder Aufarbeitung.
Eine Entscheidung, die ihm niemand abnehmen konnte. Wir konnten ihn nur unterstützen auf diesem schweren Weg. Und mit wir, dachte ich an all jene, die sich nun schon ein Weilchen hier in diesem Haus trafen, so dann und wann. Wobei ich nicht ausschloss, dass auch jemand von außen hierbei hilfreich sein konnte unter Umständen. Was da genau auf ihn zukam, wusste nur der All-Eine.

Erst zuhause kam mir der Gedanke, dass ich da jemanden wüsste, der sich mit Albträumen auskannte. Ich war mir nur alles andere als sicher, ob gerade Cailen sich diesem jemand anvertrauen würde. Abgesehen davon: Mein Weg war auch nicht der seine. Und ich hatte keine genaue Vorstellung davon, was das bringen sollte, wenn sie es erfuhr. Aber ich war auch kein Fachmann für Albträume, richtig? Mein Blick glitt zu dem schwarzen Band an meinem Arm. Das war wer anders. Und dieser Weg bot ohne Zweifel eine sehr interessante Art der Konfrontation. Ich konnte es ihm ja vorschlagen. Ob er es annahm, das blieb seine Entscheidung.

Mir kam die Beschreibung seiner Frau wieder in den Sinn. Bei allen Unterschieden, die es zwischen uns gab, da waren auch verdammt viele Gemeinsamkeiten. Es tat wohl zu wissen, dass da noch jemand war, der dieses und jenes ähnlich sah, oder auch einfach verstand. Auch nachdem ich mir die ganze Sache nochmal durch den Kopf gehen ließ, konnte ich es nicht verurteilen. Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht ähnlich gehandelt hätte. Ganz und gar nicht sicher.

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Der Erzähler





 Beitrag Verfasst am: 05 Sep 2021 20:24    Titel:
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Am zweiten Tag brachte ich ihr eine Blume.
Sie war so unendlich viel schöner als jede Frau, die ich zuvor sah.
Ich sprach: „Weißt du wo die wilden Rosen blühen?
So süß, so blutrot und frei?“



Der Cirmiasum war verschwunden und hatte zwar den Duft des vollen Korns in der Mittagshitze oder den Anblick der prachtvoll blühenden Mohnblumen mit sich genommen, doch mit beidem war auch die Wärme geschwunden und im dunstigen Licht des viel zu frühen Morgens stiegen nun die Nebelschleier herauf. Geisterhafter Stoff der zwischen Alb und Traum steht und sich nun zu weiten Feldern über den Searumswiesen ausbreitete. Eigentlich viel zu früh, denn den Nebeln stand der späte Goldblatt zu oder dann der Rabenmond, wenn sich zur Nebelflur auch der erste Bodenfrost gesellte aber nein, er war da und brachte mit sich, was eigentlich vergessen gehörte.

Längst lag die Misere nicht mehr in den feinen, weichen Schlaufen einer samtigen Schleife begraben, sondern streckte sich durch das Haus in Düstersee, dass sogar der Haushälterin dann und wann in den ersten Morgenstunden ein so eisiger Schauder über den Rücken ließ, dass sie erwachte und fröstelnd die Decke fester um die Schultern zog, unwissend wer oder was sie geweckt hatte.
Nur er… er sollte es merken, sollte es spüren und verstehen.

Weiß der Herr allein, warum das ganze Haus mit Rosen in allen nur erdenklichen Farbfacetten dekoriert war, vielleicht spielte einfach das Unterbewusstsein schon beim Einzug einen grausamen Streich voller Schuld und Scham mit ihm, doch nun, wo die Zeit der Blüte längst vorbei sein sollte, begannen sie sich in voller Pracht zu entfalten. Blatt um Blatt wurde kräftiger, dunkler und roch so wundersam fein, würzig und weich, dass ihn der Duft der wilden Rosen noch bis weit in den Schlaf hinein verfolgte. Ja, er begann eine bizarre Jagd in die Träume und erinnerte immer wieder an das, was doch vor vielen Jahren verloren gegangen war…

Ein Bauernhof in der Nähe des Flusses. Ein spärlich bewaldeter Pilzforst in der Nähe, doch zu wenig Wild, um Wölfe, Bären oder anderes, gefährliches Getier anzulocken und selbst die Jäger hatten an dieser Ecke der weit verstreuten Siedlung kein Interesse. Meist war es ein wenig Einsamkeit, doch hier hatte er seine Kindheit verbracht, zusammen mit den Eltern das Feld bestellt und jene zuletzt seinen Vater im Garten begraben, als der grauenvolle Unfall mit dem Ochsengespann geschehen war und ihn viel zu früh zum Halbwaisen, die Mutter zur Witwe gemacht hatte.
Sie gab ihr Bestes, um den Sohn dennoch eine Erziehung angedeihen zu lassen und schickte ihn sogar in die Dorfschule, während sie die Arbeiten des Tages teilweise alleine erledigte. Er dankte es ihr jahrelang, denn hier lernte er Mihail und Marek kennen. Der Erste ein Bursche, mit dem man im wahrsten Sinne des Wortes Pferde stehlen konnte, der Zweite ein stiller Junge, der den Erzählungen der beiden gerne versonnen lauschte und ihnen überall hin folgte.
Noch ein Schutzbefohlener, den er im Stich gelassen hatte…
Er hatte Freunde und zu oft, zu lange erlaubte die Mutter ihm den Umgang mit beiden, ließ den Sohn auch bis spät in die Nacht im Dorf unten die Taverne besuchen, während sie nähte, putzte, kochte, die Tiere versorgte und Felder bestellte. Doch er war nicht blind, nicht dumm – damals! – und sobald er Kraft genug hatte, war es Zeit ihr die schweren Arbeiten abzunehmen. Als sie eines Tages davon sprach ihre Schwester im Nachbarsstädtchen besuchen fahren zu wollen, da jene das Hüttchen der Großeltern nur noch mit Müh und Not alleine instand halten konnte, schluckte er all seine Ängste herab und versprach ihr, den Hof so lange zu leiten. Er wusste bereits, dass diese Wochen dunkler und einsamer aber auch seine Bewährungsprobe werden würden.
Doch niemals, im Traum noch nicht oder darüber hinweg, hätte er sich ausmalen können, wer da in diese Einsamkeit trat.

Im Vorbeireiten, hinab zum Dorf, um Mihail und Marek zu treffen, da sah er sie.
Die Sonne stand spät am Feld und das Feuer wob sich in ihr Weizenhaar, zauberte goldenen Honig und Herdfunken hinein. Von der Sonne sanft geküsste Haut, ein kornblumenfarbener Kittel und dann drehte sie sich um, lachte und als das Licht ihrer Augen ihn traf, da wäre er beinahe vom Pferd gefallen. Erst später hörte er, dass sie eine junge, ausgelernte Heilerin aus der Hauptstadt war, die hier Fuß fassen und das Anwesen des alten Burgwin geerbt hatte. Damit erfuhr er auch ihren Namen und er klang wie das weiche Rauschen in den Wildrosenbüschen:

Ailyra Kallenbach


Kaum zwei Jahre später, als die Mutter den Hof ganz verließ, um bei der Schwester zu wohnen, da war der Hof nicht mehr einsam und dunkel, denn das Gold des Weizens, das Licht der späten Sonne im Haar und der Duft der Rosen hatte Einzug erhalten.
Und als er sich des Nachts in sein Bett begab, da schmiegte sich an ihn und ergriff seine Hand.
Zarte, weiche Finger, verwoben mit den eigenen, verschlungen wie der Rosen windende Stiele.
„Lass mich nie alleine…“
„Niemals, ich werde immer bei dir bleiben.“


Er erwachte mit brennenden Augen und dem bitteren Geschmack der Verzweiflung in der Kehle, wie so oft in den letzten Wochen, doch diesmal stand er nicht zu früh auf, stürzte sich nicht in Arbeit, um in einer Ablenkung zu versinken. Diesmal gefror er in der Bewegung und spürte das blonde Haar, dass an seiner Wange kitzelte, roch den Duft der wilden Rosen und fühlte die Hand, die sich seltsam kalt und dennoch so zart, so weich um die seine schmiegte.
Er hielt den Atem an und lauschte, als sie langsam und betonend in sein Ohr flüsterte:
„Ich werde IMMER bei dir bleiben.“





Zuletzt bearbeitet von Der Erzähler am 05 Sep 2021 20:25, insgesamt einmal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 06 Sep 2021 09:34    Titel:
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    Gemüt ist mehr als Geist,
    Den das Gemüt besteht
    Als Wurzel,
    wenn der Geist wie Blütenduft vergeht.

    (Friedrich Rückert)

Es war der allmorgendliche Gang zum Tempel in Düstersee. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Jetzt, wo die Tage bereits immer kürzer wurden, suchte er sich den Weg durch die morgendliche Dunkelheit. Nur das schwache Licht, das sich um seinen Stab zu schmiegen schien und einen kleinen hellen Kreis um ihn herum auf den Boden zeichnete, diente ihm bei der Wegfindung, auch wenn er diesen nicht gebraucht hätte.
Vermutlich wäre es ihm entgangen, hätte er nicht während seiner letzten Prüfung gelernt, sich mitunter auf Nase und Gehör zu verlassen, statt auf sein Augenlicht. Der Duft von blühenden Rosen war auf Höhe des Rathauses Düstersees fast allgegenwärtig. Ein kurzer Blick zu den Wachhabenden zeigte ihm, dass diese immer wieder verstohlen und leicht irritiert zur Bleibe des Vicarius stierten.
Also ging er näher an das Haus heran und ließ das Licht des Stabes erlöschen. Es dauerte ein Weilchen, bis seine Augen sich an das mattere Licht der Straßenlaterne gewöhnt hatte. Da erst sah er es. Überall Rosenranken, überall Rosenblüten, prall und frisch aufgegangen, als wäre der Frühling ausgebrochen.
„Beim All-Einen, was für ein Dilemma“, murmelte er leise vor sich hin. Natürlich rechnete er sich eins und eins zusammen nach der letzten längeren Unterhaltung mit seinem Glaubensbruder, auch wenn er den vollen Umfang des Dilemmas nicht einmal annähernd erfasste, denn was im Haus vor sich ging, wusste er nicht. Aber das, was er außen schon sah, ließ ihn doch länger verweilen und die Blütenpracht mit einer Mischung aus Faszination, Irritation und Sorge betrachten.
Auch kam er nicht umhin, eine der Rosenblüten in die bloßen Finger zu nehmen, um sich selbst zu überzeugen, dass sie wahrhaftig waren. Doch, sie waren da, er träumte nicht.

Kurz erging er sich in der Überlegung die Türglocke zu läuten, dann aber zog er die Hand zurück und nahm den Stab fester in die andere.
‚Nein, bleib geduldig, Till. Du hast Hilfe angeboten, er wird sich melden. Du bist doch ohnehin davon überzeugt, dass seine Zeit der Prüfung gekommen ist. Und genau das wird es sein. Manches muss er auch selbst bewältigen, denk dran‘, ermahnte er sich im Stillen selbst.
Also nahm er noch einen tiefen rosendufthaltigen Atemzug und setzte den Weg zögerlich gen Tempel fort. Er hoffte inständig, seinen Glaubensbruder dort anzutreffen und zu erfahren, was es mit diesem seltsamen Wandel womöglich auf sich hatte, und ob er Hilfe und Unterstützung brauchte.

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Cailen Vindheim





 Beitrag Verfasst am: 07 Sep 2021 21:38    Titel:
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Die Träume hatten ihn nicht verlassen. Trotz der Gebete. Trotz der Ratschläge. Trotz der Bitten an den Herren, ihm eine Eingebung zukommen zu lassen, was von ihm erwartet wurde.

Die Träume waren geblieben. Nacht für Nacht. Ein jedes mal ein wenig realer, ein wenig näher, ein wenig ... echter.
Zuerst war es nur die Erinnerung gewesen, die eine einfache Berührung hinterlassen.

Dann der Fund ihrer Schleife, rot wie Samt, von der er sicher war, sie niemals mitgebracht, niemals in der Lade neben seinem Kissen platziert zu haben. Und doch da war sie.

So sicher, wie da der helle Klang ihrer Stimme, ihr Gelächter im Flüstern der Bäume, ihr Wispern im Rauschen der Bäche war. So sicher, wie er den Duft ihres Haares in seiner Nase kitzeln spüren konnte. Den Duft nach Rosen. Rosen, mit welchen er sich umgeben hatte, seit er auf diesem Eiland weilte. Unbewusst, war sein Heim schon immer ein Hort der besagten Pflanze gewesen.

Doch nunmehr waren selbst diese unscheinbaren Begleiter ihm zum Feind geworden und schickten sich an, Heim und Einrichtung in wildem Wuchs zu ersticken.

Wohin er saß, Rosen, so rot wie Blut, so ansehnlich wie die Sünde, die fern ab von allem, was möglich und denkbar sein sollte, über Nacht erschienen war. Und wäre das nicht genug gewesen, um einen Menschen an der eigenen Wahrnehmung zweifeln zu lassen, so war er sich sicher, dass auch sie Nacht für Nacht näher kam.
War er sich sicher, die Berührung ihrer Hand, einst vertraut und zärtlich, nunmehr fest und kalt, über Rücken und Nacken wandern zu spüren. So langsam und feingliedlich wie die dünnen Beine einer Spinne, immer da, immer lauernd. Immer kalt.

Mit dem Rücken zur Wand, umgeben von Rosen, die wohl auch ihn nunmehr langsam, aber sicher, zur Gänze bedecken würden, hätten sie nur die Zeit dafür, ruhte der Blick stetig auf der Tür zum Keller.
Eigentlich war er zu alt, an diese Dinge zu glauben. Wusste, dass sie nicht wahr waren, ihm keine Angst machen, keinen Schaden bereiten konnte.
Aber immer, wenn er gedachte, weg zu sehen, wenn seine Aufmerksamkeit sich zu anderen Dingen wandte, da war es da. Das Knarren der Dielen, bewegt von weichen, leichten Schritten, die irgendwo da Unten ihr Unwesen trieben. Sich anschickten, empor zu kommen, würde er ihr nur die Gelegenheit bieten, einmal nicht hin zu sehen.

Irgendwo am Horizont begann die Sonne ihren steten Abstieg, der sie viel zu bald schon über den Horizont führen würde. Eine weitere Nacht, ohne Schlaf, ohne Ruhe, ohne Erleichterung. Mit dem Blick zur Tür, einem Gebet an den Herren auf den Lippen und der Frage, was sich wohl bieten würde, würde er nachgeben, und die Tür nun endlich öffnen.

Sicher war nur eines....


Träume kratzten nicht an der Tür.
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 09 Sep 2021 12:54    Titel:
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    Die größte Offenbarung ist die Stille.
    (Laotse)

Allmächtiger Herr, der Du stehst uns zur Seite,
ich bitte Dich, nun begleite
dein Werkzeug in ruhigen tiefen Schlaf.

Die Stille im Hause ist nicht rein,
Du weißt, es sollte so sein,
traumlose Ruhe gibt ihm Kraft.


Irgendwann war Ruhe im Haus eingekehrt. Wann wusste er nicht einmal zu sagen, denn er hatte sich zur späteren Stunde aus dem gedämpften Gespräch am Tisch herausgezogen. Statt weiter daran teilzunehmen, hatte er sich zu dem dahinterliegenden kleinen Schrein des Herrn begebem. Dort kniete er die ganze Nacht in Gebete versunken. Eines folgte dem anderen, manch eines war gelernt, die meisten frei erdacht. Die Worte sprach er nicht laut, sie galten in erster Linie dem Herrn und seiner schützend Pranke. Schützend für seinen Glaubensbruder und seinen Schlaf. Auch als er mehr beiläufig registrierte, dass sich auch Auriane zum Gebet dazu gesellte, behielt er die Worte, die er an den All-Einen richtete, für sich.

Schon als er die ersten Silbe des ersten Gebetes erdachte, legte sich auf ihn selbst eine innere Ruhe, die wohltat. Das Haus umwob derzeit eine andere Art der Stille. Eine, die Nichts Angenehmes, Einladendes und Anheimelndes an sich hatte. Wenn sich nichts im Haus regte, niemand sprach, konnte man sie hören. Die Rosen, wie sie wuchsen, die leisen Schritte im Keller. Die sonstige Stille konnte man spüren, sie schien alles zu dämpfen und das ganze Haus in eine ganz eigene Atmosphäre zu hüllen. Wenn er es in Worte fassen müsste, würde er vermutlich sagen: So in etwa musste es sich anfühlen in einem Mausoleum zu nächtigen.

Von innerer Ruhe erfüllt vermochte er es sich endlich ganz auf all das Drumherum und die weiteren Worte an den All-Einen einzulassen. Nach und nach senkte sich eine fast schon natürlich anmutende Ruhe und Stille auf und in das Haus herab. Das leise Geräusch der wachsenden Rosen endete, sie verhielten sich still. Dem unnatürlichen Wuchern war vorerst ein Ende gesetzt. Es war fast so, als lauschten sie selbst und auch die Schritte im Keller verstummten. Ob Ailyra ebenfalls aufhorchte?
Er würde es nicht herausfinden, denn es war klar, dass er den Keller nicht betreten durfte, noch es tun würde. Das war nicht Teil seiner Aufgabe. Ihm oblag es in dieser Nacht dafür zu sorgen, dass sein Glaubensbruder erholsamen Schlaf fand, und er bat den All-Einen dabei inständig um Unterstützung.
Was zunächst auf Rosenhecken und Schritte wirkte, sollte auch am Ende für den Schlaf des Vicarius gelten. Diese Nacht durfte traumlos vergehen, auf dass ihm etwas Kraft und Erholung vergönnt war.
Natürlich hatte es zur Folge, dass der Clericus dafür kein Auge schloss, aber was war eine schlaflose Nacht gegen unzählige, in denen der andere am Morgen nur ein bis zwei Stunden Ruhe fand? Für ihn ein leicht zu bringendes Opfer.
Er hatte nicht vergessen, wo dieses Dilemma seinen Anfang nahm, geschweige denn, wie der Ältere ihm beigestanden hatte, als er ihn brauchte. Nach dem Gespräch, das sie am Abend noch geführt hatten, war ihm noch eine weitere Idee gekommen, wie er zu helfen vermochte. Dazu kam er aber erst später, nicht in der Nacht selbst.

Tatsächlich musste der Tempel am Morgen ohne ihn auskommen und womöglich auch erst einmal ohne den Vicarius, denn der wurde seinem erholsamen Schlaf überlassen, bis dieser eben von allein endete. Geweckt wurde an diesem Tag niemand im Haus.
Die Gebete beendete er selbst erst, als das selbstständige Erwachen im Hause Einzug hielt. Als er versuchte aufzustehen, wollte es zunächst nicht ganz gelingen. Die ganze Nacht auf Knien zu verbringen war alles andere als eine Wohltat. Ihm tat alles weh, nicht nur die Knie allein. Bevor er sich also erhob, setzte er sich auf den Boden, streckte ganz langsam die Beine aus und schnaufte aus. Die Schmerzen hatten ihn erfolgreich wachgehalten und beim Vorhaben unterstützt. Das überaus unangenehme Ziehen was nun folgte, weckte seine Lebensgeister erneut. Er spürte regelrecht, wie die Durchblutung wieder einsetzte, die Beine und Füße warm wurden und sich gefühlt tausend kleine Nadelstiche über Beine und Füße zogen, und beim All-Einen – es war schön, wenn der Schmerz begann nachzulassen!
Erst, als das Kribbeln in Beinen und Füßen aufhörte, stützte er sich ab und stand letztlich auf. Anfangs etwas wackelig, nach und nach aber wieder sicheren Trittes.
Auf ein Frühstück verzichtete er. Es blieb bei einem kurzen Wortwechsel, dann verließ er das Haus. Nun könnte man meinen, der erste Weg führte zum Tempel, doch bog er gen Osten ab und verließ Düstersee erst einmal in Richtung Grenzwarth. Er wollte unbedingt noch die Idee verfolgen, die ihm am späten Abend gekommen war.

Es forderte ihm einiges an Geduld ab, das Gesteck fertigzustellen. Immerhin gehörte diese Tätigkeit nicht zu seinen Hauptaufgaben und das letzte Mal, als er sich daran versucht hatte, war einige Jahre her. Damals leitete ihn seine Mutter dabei an. Er versuchte sich an all die wohlmeinenden Ratschläge und Tipps zu erinnern und tat sein Bestes. Natürlich war ihm bewusst, dass das Gesteck allein nicht viel wert war, aber der Sinn für Perfektion brach sich auch hier Bahn. Er wollte sich die Mühe machen, dass es ordentlich gesteckt war, das schwarze Schleifenband sauber gewickelt und zierend, alle Blüten frisch.
Tatsächlich hatte er hierfür einige der Rosen mitgenommen, die seit neustem draußen an Cailens Haus wucherten und hoffte, die werte Geistergattin mochte ihm den Raub verzeihen. Die Rosen würden schließlich teilweise an ihren Platz zurückkehren, wenn auch in anderer Weise. Und weil er sich dessen nicht völlig sicher war, wollte er damit auch nicht allzu viel Zeit vertrödeln.


Zwei Gestecke, Spiegelbilder ihrer selbst, wurden es am Ende. Er nahm sie beide mit in die alten Tempelruinen, wo er sie fast schon behutsam und andächtig auf den Altar ablegte. Danach zückte er den Ritualdolch, schnitt sich in die Hand und ließ zuerst auf beiden etwas von seinem Blut tropfen. Danach richtete sich sein Blick nachdenklich auf das Becken hinter dem Altar. Nach kurzem Zögern begab er sich dorthin, nahm nur eine Winzigkeit vom Inhalt fort, quasi eine Messerspitze, und ließ je einen Tropfen davon ebenso auf die beiden Bouquets fallen. Danach legte er den Ritualdolch ab, kniete sich vor dem Altar und begann abermals ein Gebet zu formulieren, das er dieses Mal in aller Deutlichkeit sprach:

Allmächtiger Herr, stehe uns bei. Segne diese beiden Gestecke,
damit sie als Verbindung zwischen den Welten dienen mögen.

Webe ein Band aus deiner Kraft von Rose zu Rose, von Band zu Band,
ernenne das Eine zum Anker im hier und jetzt,
das Andere zum Gegenstück am endlosen Seil,
das Grenzen zu überschreiten vermag, ohne zu reißen.

Möge es dem Reisenden seinen Weg zur Prüfung erleichtern,
möge es den Reisenden den Weg zurück ins hier und jetzt weisen,
möge es kraftvoll sein und standhaft, wie unser Glaube an Dich.

Hierfür erbitte ich Deinen Segen und Deine Gunst,
zur Unterstützung und Hilfe Deiner Dir ewig treuen Werkzeuge.

Er spürte Seine Gegenwart nur allzu deutlich in diesen ehrwürdigen Hallen, so zerstört sie auch sein mochten. Obschon, oder auch weil, die Müdigkeit ihn langsam immer mehr umfing, spürte er die Kraft, die plötzlich auf den Altar zuströmte, sich ausbreitete über die beiden Gestecke. Er sah, wie kurzzeitig, wie sie in einen dunklen roten Schimmer eintauchten, der sich auch zwischen die beiden Bouquets legte, einem in sich verdrehten, lebendigen Band gleich. Dann war es auch schon wieder vorbei. Die bekannte ehrfurchtgebietende Stille legte sich wieder auf die Ruinen nieder. Mit der Gewissheit, dass der Herr Seinen Segen erteilt hatte, erhob sich der Clericus wieder, reinigte den Ritualdolch und machte sich mit seiner neuen kleinen Schöpfung auf den Weg nach Hause.

Dort angekommen, erschöpft inzwischen, übermüdet ganz ohne Frage, setzte er sich dennoch daran noch ein paar kurze Zeilen zum Ganzen zu verfassen und ein Gesteck mitsamt dem Brief in einen Korb zu legen.

    Das Geleit der Drei und der schützende Segen des Herrn mit dir,

    lass mich wissen, wann du deine Reise antrittst und nimm in jedem Fall dieses Gesteck mit. Es lässt sich leicht an der Robe befestigen und wird dich nicht behindern. Ich habe extra ein paar Drähte angebracht, die du am Gurt anbringen kannst.
    Ein Spiegelbild davon befindet sich bei mir. Ich habe mir die Mühe gemacht, den Herrn zu bitten, diese zwei miteinander klerikal zu verbinden, damit sie uns als Ankerleine dienen können. Dein Anker bin ich selbst. Ich werde in der alten Tempelruine verweilen und im Gebet zu dir Kontakt halten, sobald du die Reise antrittst.

    Ich traue unserer Mitternachtskatze allerhand zu, auch dem Herrn dich überall wieder herauszuholen, aber ich denke auch, es wird nichts schaden, wenn du den Weg auf diese Weise allein zurückzufinden vermagst. Ganz im Gegenteil halte ich diese zusätzliche Absicherung sogar für hochnotwenig. Säume also nicht, das Gesteck mitzunehmen. Egal, was da kommen möge, gemeinsam sind wir stark, stärker als manch einer vermutet. Hadere nicht, denn unser beider Glaube und Wille ist es, der das Band stark macht und die Kräfte darin erhält.
    Ich stehe dir bei, komme, was da wolle. Der All-Eine ist ebenfalls an deiner Seite.

    Till

Diesen Korb, gefüllt mit einem Gesteck und dem Brief, brachte er nach Düstersee, legte es in seinen Postkasten, auf dass er es dort alsbald finden möge. Danach erst kehrte er heim, um den Schlaf nachzuholen, den er verpasst hatte.
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Auriane Treuwind





 Beitrag Verfasst am: 10 Sep 2021 18:38    Titel:
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"Des Herren Gunst und Segen, Auriane".

Nicht immer war es der Tonfall, der einen hellhörig machte, manchmal waren es diese kleinen, seichten, gar unterschwelligen Feinheiten, die man nicht sofort wahrnahm, doch die etwas in einem selbst auslösten und eine Art Schluckauf verursachten. Dieser Moment kommt rasch, ganz gewiss und selbstverständlich unerwartet und veranlasst das Innere zu einem Moment des vollkommenen Innehaltens bis die Gedanken nur noch zu fallen beginnen und diese eine, kleine Unebenheit so klar im Geiste stand, dass sie einen anschrie. Und in diesem Moment, wo nahezu die Zeit still stand, diese vollkommene, zeitlose Starre einen umgab, die in diesem Moment just endlos schien, tat sich sogleich die Antwort auf. Wann, beim Herrn, hatte er sie jemals beim Namen genannt? Niemals anders als mit "Bibliothekarin" hatte er sie angesprochen und schon gar nicht auf "das adrette Aussehen". Doch ein Blick, eine Nachfrage und eine Antwort genügten, um die kleinen Alarmglocken in ihrem Hinterkopf zum Läuten zu bringen. Irgendetwas war im... im.. ja, im was? Wie hieß diese Floskel nochmal gleich? Im Kragen? Im Fell? Ach, sei es doch gleich, um hiesigen Floskeln konnte sie sich irgendwann noch einmal kümmern, diese kleinen Veränderungen hatten sie hellhörig gemacht und er hatte nicht sprechen wollen. Zumindest nicht hier, das würde sie wohl kaum auch offener Straße wollen.

Eine Einladung, Tee für ihn zu machen, auch für später, die erstaunlicherweise angenommen wurde. Doch sie schwieg erst einmal, kurz wurde noch vorm Tempel angehalten und über Verbesserungen geredet, doch nicht lange und es ging weiter ins eigene Heim. Dieser Tage waren jene, an denen sie so manches nützliche Kraut aus der Heimat vermisste, doch jene waren auch das einzige daran. Und so saßen sie denn, gegenüber am Tisch, jeder bei seinem Tee. Mal am Reden, dann doch wieder viel am Schweigen (und das Schweigen, das konnten sie auch gut) und sie ihn am Beobachten. Mal ganz offensichtlich, mal heimlich, erkundend, wie er sich verhalten mag, wenn er glaubte, sie sah ihn nicht. Doch hier drinnen, im eigenen Heim, da war er wieder der, der er sonst doch immer war... und doch so ganz anders. Sie rätselte, versuchte zu erkunden was los war und erhielt Antwort. Vermutlich nicht alles, aber sicherlich mehr als er manch anderem preisgeben würde. Am Ende blieben viele Fragen und viele Möglichkeiten als auch Lösungsansätze, die sich vielleicht nur als schnöde Hilfen gestalten oder als gänzlich nutzlos erweisen würden, doch die Zeit würde es wohl bringen. Nur wie sollte man so lebhafte Erinnerungen im Zaum halten können? So lebhaft, dass sie einen nicht schlafen ließen? Vielleicht war es auch das, was sie damals in seinen bernsteinbraunen Augen gesehen hatte als sie sich das erste Mal begegneten und sie ihn am liebsten gleich wieder losgeworden wäre. Vielleicht, ja vielleicht hatte sie ja das gesehen, was sie selber sah, wenn sie in den Spiegel blickte und er hatte sie daran erinnert. Alte Erinnerungen konnten schmerzen, so sehr, dass man glaubte, es zerreiße einem die Brust, gleich wie stark man war. Diese Erinnerungen, sie existierten nurmehr im Geiste, im Kopf, waren nicht mehr greifbar und nur für einen selber sichtbar. Es brauchte nur einen Geruch, ein Geräusch oder nur eine dezente Note und sie kam hoch, irgendwo vergraben und vergessen geglaubt. Ja, was das hieß, das wusste sie ebenso.

Oh, wie hatte sie ihn gehasst damals, gehasst, verflucht und ihn verwünscht, allein dafür, dass er immer wiederkehrte, trotz der Abweisung, die sie ihm schenkte und noch mehr, weil sie ihm Anerkennung für seine Beharrlichkeit zugestehen musste. Sorgsam, nach all dem, was geschehen war, hatte sie eine Mauer um sich herum errichtet, bedacht, keine Lücke zu hinterlassen, durch die etwas eindringen konnte. Oh, es hatte geholfen und die meisten nach seichter Distanz schon davon abgehalten, ihre Nähe zu suchen. Nur ihn nicht. Und sie hatte ihn dafür gehasst, dass er diese Mauer zum Bröckeln bracht und sie dazu zwang, die Geschehnisse wieder zu erwecken und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ja, sie wusste, wie es war, wenn alte, schmerzhafte Erinnerungen einen einholten, doch sie würde es sich nicht anmaßen, wissen zu wollen, was in ihm vorgehen musste. Erahnen, ja, aber keinesfalls wissen.

Und nun saßen sie gemeinsam am Kamin, sie lauschte und fragte und wusste, helfen würde schwer werden. Es war seine Aufgabe und wer weiß, vielleicht auch eine Prüfung.

Ein Glas Wein.

Das war es, was sie ihm anbot. Die Betrachtung eines Glases Wein. Jenachdem wie man es ins Licht hielt, sah man andere Dinge darin. Sie waren da, doch man selbst hatte Einfluss darauf, was man sah… und wie man es sah. Je höher man es hob, desto schwerer wurde es, doch dafür erhielt man einen Überblick. Je näher man es hielt, desto mehr Einzelheiten würde man erkennen können, doch dafür musste man den Duft des Weines ertragen können. Mal wurden Schatten geworfen, mal spielte das Licht des Feuers darin und gab ihm eine andere Note. So zögerlich er anfangs war, so offener war er für diese Möglichkeit, es anzugehen oder zu versuchen. Weder Trost noch Mitgefühl, keines hiervon würde gebraucht werden und keines davon würde sie ihm auch geben. Doch ein, zwei Dinge gewiss: Gemeinschaft und die Abwesenheit von Einsamkeit.

Und so ging sie jeden Tag an seinem Haus vorbei, hinterließ jedes Mal Tee und Brief. Keine Hilfen, aber nur ein Zeichen: Gemeinschaft.



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Auriane Treuwind





 Beitrag Verfasst am: 10 Sep 2021 21:19    Titel:
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So betörend…

So betörend war der Duft der Rosen, die nunmehr auch draußen am Hause zu sehen und riechen waren. So betörend, dass sie jeden Gedanken an die Pflichterfüllung für Momente fortwischten und die junge Frau sich zu jenen Rosen lenken ließ, um an ihnen zu schnuppern. Und gar die Farbe erst! Welch eine Kraft diese Rosen doch hatten und wie verführerisch sie dufteten… alles stellten sie in den Schatten, was sie bisher kannte. Sie wusste, dass Cailen Rosen mochte, mit ziemlicher Gewissheit, doch mit diesen hatte er sich übertroffen. Woher sie nur stammen mochten? Vielleicht konnte sie sich selbst sie ziehen und so schnitt sie einen kleinen, unauffälligen Strang ab, brachte ihn zu sich nach Haus und stellte ihn vorerst in einen Becher mit Wasser. So betörend…

Und so war es, dass sie Tag ein, Tag aus am Hause vorbeigegangen und ihren stillen Gruß hinterlassen hatte, jedes ihrer Gebete ihn mit einschloss, dass er Lösung und Erlösung von den Erinnerungen finden würde, doch irgendwann kam doch die Sorge, er war länger nicht gesehen, doch immerhin schien es, als würde er seinen Kasten regelmäßig leeren… oder leeren lassen. Diese verdammte Sorge, hatte sie sich selbst, und Alatar war ihr Zeuge, geschworen, sich um niemandem mehr Sorgen zu machen. Entweder obsiegte man eben oder versagte. Doch ein kleines Stimmchen in ihrem Ohr flüsterte ihr stets zu: “Es darf keine Wiederholung geben, Auriane.“ Ja, es durfte sie nicht geben, was sie am Ende auch dazu veranlasste, nach dem Rechten zu sehen und ihm etwas zu essen zu bringen. Mit dem Essen womöglich eine kleine Unterbrechung heraufbeschwörend, sodass in einem ruhigen Moment ein Funken für den nächsten Schritt gefunden werden mochte. Doch… es dauerte sehr lange bis sich nach ihrem Klopfen etwas tat und es schien, als sei das Haus zu einer Festung geworden, so waren die Schlösser betätigt worden beim Öffnen. Kaum waren sie geöffnet, war das Werk der letzten Tage offensichtlich. Ein Schatten seiner selbst schien vor ihr zu stehen, mit Augenringen die bis zu den Stiefelspitzen reichten, jede Regung verzögert wie auch jedes Wort. Und wieder jene Begrüßung mit ihrem Namen… Was, beim Herrn, hatte es nur zu bedeuten? Zumindest mochte man letztendlich eine gewisse Ahnung erhalten, was all das bedeuten mochte als man das Haus betrat. Über und über blutrote Rosenranken, Rascheln, ein Knarren der Dielen als würde sie jemand entlanggehen, der gar nicht da war. Und über alledem lag dennoch eine bedrückende, kalte Stille, welche nicht einmal das knisternde Kaminfeuer wettmachen konnte, das wohlig an seinem angestammten Platz entfacht war. Und als würden sie sich in einer Krypta des Tempels befinden, sprachen sie alle nur mit gedämpfter Stimme. Damit sie sie nicht hörte. Sie, seine ehemalige Frau und Verbündete, von der sie nunmehr schon länger wusste und was geschehen war.

Schnöder Wein, der ungefragt ihr dargeboten wurde, keine Regung, überhaupt etwas zu essen seinerseits vervollständigten nur das Gefühl, dass sie sich in einem Grab befinden würden. Und über alledem dieser nun schon erdrückende, überwältigende Duft der Rosen, der so stark war, man erhielt den Eindruck, man würde ihn selber ausdünsten, er würde durch die eigenen Adern fließen und einen zum Frösteln bringen. Doch das durfte sie sich nicht anmerken lassen, Ziel war es, Ablenkung, Gemeinschaft zu schaffen und die Einsamkeit fortzudrücken, zumindest für diesen Moment. Viel und lang wurde erzählt, im steten gedämpften Ton, um nicht diese trügerische, verräterische Ruhe, diese Stille zu stören oder zu durchbrechen. Gegenfragen folgten auf Fragen und die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Moral.
Moral… ah, dieses Wort war ihr tatsächlich nicht unbekannt. Hier verstand man andere Dinge darunter und schon damals, noch vor Gerimor und ihrem Weg des Herrn, hatte sie eine andere Vorstellung davon als die, die man ihr hatte einbläuen wollen. Doch zu ihrem Erstaunen musste sie feststellen: Die Vorstellung von Moral, und vor allem von Treue… ja, sie deckte sich hier mit ihnen. Treue verlangte nicht nur das dritte Gebot, nein, in ihren Augen auch das zehnte. Denn um sich selber aufgeben zu können, hieß auch, bedingungslose Treue empfinden zu können. Nur so wäre es wahre Treue für sie. Und Treue heißt auch, Opfer bringen zu können. Doch würde es hier etwas helfen? Würde ihr abgeschnittener Zopf etwas beitragen können? Den einen Geruch einfach mit einem anderen zu ersetzen? Sie wäre dazu bereit gewesen, doch man sah davon ab, es würde nicht helfen. Es ist und blieb seine persönliche Prüfung, die er zu bestehen hatte. Er war Templer und somit Stütze, nicht wir waren sie für ihn. Doch… er mochte allein die Lösung finden müssen, doch allein sein musste er nicht dabei, das stand fest. Nur, nur was konnte sie tun, ohne aufdringlich zu sein, zeigen, dass sie verstanden hatte und um zu zeigen: Du bist nicht allein, gemeinsam sind wir stark.
„Oh, Herr Alatar, warum will ich mich überhaupt so bemühen?“ klang es in meinen Gedanken, doch die Frage blieb selbstverständlich unbeantwortet. Cailen hatte ihr gesagt, warum es so sein könnte, doch diese Meinung teilte sie nicht. Nein, es war etwas anderes, das sie nicht fassen konnte, etwas Neues, was aber nur zu vertraut war und alte Wunden aufriss.

So verstrich der Abend langsam zur Nacht, es schien als würde die Zeit nahezu stillstehen, so still wie die Stille im Haus, nur durchbrochen vom raschelnden Efeu und der Rosen, die sich vermehrten und dem Knarren der Dielenboden… nein, sie würde nicht weichen wollen in dieser Nacht und sie musste es auch nicht. Sie schloss sich den beiden im Gebet an, kniete nieder vor dem Hausschrein des Herrn, nieder auf beide Knie und senkte das Haupt, nur um nicht lange danach in Gebete an den Herrn zu ergehen, fest entschlossen, nicht einzuschlafen. Manchmal, wenn sie nicht aufpasste, glaubte sie, einzuschlafen, doch ein Aufmerken und der Moment war verschwunden; so verschwunden wie die Momente, wo sich ihre Nackenhaare aufstellten, als die unsichtbare Frau, die dem Totenreich entstiegen war, wieder ihre Schritte tat und uns alle daran erinnerte, dass sie da war und lauschte… und beobachtete… Frieden, Rache oder Buße suchte, wie er sie suchte. Doch bevor sie sich hat niederlassen zum Gebet, war ihr zumindest in Gedanke gekommen… lächerlich, zwar, aber… ein Gedanke. Ein Kissen sollte es werden, gefüllt mit Lavendel und Baldrian und den feinsten Federn und überzogen mit Kaninchenfell. Sollte doch wenigstens das Bisschen Schlaf, was er finden konnte, nicht unbequem sein. Nur eine stumme Erinnerung: Gemeinschaft.

Irgendwann im Morgengrauen nahm sie nur am Rande wahr, wie der Clericus sich erhob und fortging, war sie doch noch zu tief im Gebet versunken. Das Gebet, das auch stets ihre Erfüllung war und ihr Ruhe schenkte, wenngleich hier die Ruhe ausblieb dieses Mal. Erst als sie Cailen wahrnahm, stand sie auf, oder wollte es, doch die Beine versagten ihr zunächst den Dienst. Oh Herr, wie lange hatte sie da ausgeharrt, dass sie die Beine nicht einmal mehr spüre? Wo waren sie, die Beine? Sie war es nicht mehr gewohnt, so lange zu knien und das sollte schleunigst behoben werden… es dauerte seine Weile bis die Beine sich daran erinnerten, wozu sie geschaffen waren und dieses Gefühl dieser tausenden an Nadelstichen weckte ihre Lebensgeister nachdrücklich bis sie aufstehen konnte. Worte wurden gewechselt und dann der Hausherr schließlich erstmal wieder sich selbst überlassen.

Und so würde es auch nicht lange dauern bis die junge Frau sich heranmachte, das Kissen zusammenzuschneidern, die größte Mühe war es wohl, nicht zu viel und nicht zu wenig der Wurzeln und Blüten in die Federn zu geben, bevor sie es verschloss und sanft mit der Hand durch das weiche Fell fuhr. Still hiernach begab sie sich zum eigenen Hausschrein, kniete nieder und erbat den Herrn um Hilfe, dass das Kissen seinen Zweck erfülle und das stumme Zeichen wahrgenommen würde.

Doch tief und still verblieb sie, die Sorge, die sie zurückhalten wolle. Den es war am Ende genau so wie er sagte: Entweder würde er bei seiner Prüfung fallen oder nicht. Der feste Glaube sagte ihr, dass er nicht versagen würde, doch diese kleine Stimme, die sie zum Schweigen bringen wollte, blieb dennoch. Sie blieb beharrlich wie sie selbst es war und ließ ihr ebenso wenig Ruhe wie sie sich selbst eingestand. Und da Gebete für sie nicht unter Nichtstun fiel, begab sie sich am Ende in den Tempel, auch um der Gefahr zu entgehen, einzuschlafen, ließ sich vor dem Altar nieder und formulierte stumm ihr Gebet bis irgendwann abends sie doch noch die Gemeinschaft mit den anderen suchte und der Abend mit bitterer Beinote verklang am Ende.



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Der Erzähler





 Beitrag Verfasst am: 12 Sep 2021 00:30    Titel:
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Am letzten Tag nahm ich sie mit mir,
zu der Stelle, wo die wilden Rosen wachsen.
Sie lag am Ufer, der Wind so leise wie ein Dieb.
Ich gab ihr einen Abschiedskuss und sprach:
„Alles Schöne muss vergehen.“
Dann beugte ich mich herab
und legte eine Wildrose auf ihre Lippen.



Er liebt mich.

Die Blüten überdauerten die Kälte, zumindest ihr Duft, der nicht schwinden wollte und auch dann noch, als die aschefarbene Schwärze die Blütenblätter überzog, weich, betörend und verführerisch lebendig roch. Sie drehte die schwarzen Blüten und flüsterte ihnen bitten und bettelnd zu.
„Führt ich doch her, ach ich wünschte diese Träume könnten endlich aufhören. Ich wünschte, er würde den Weg durch diesen bitterkalten Wald finden. Er wird kommen, nicht wahr? Ja, das wird er, er findet zu mir und wird mich holen, heimführen… heim…“

Er liebt mich nicht.

Heim. Irgendetwas klebte an dem Wort, zäh und zugleich süß wie auch salzig. Ein Geschmack nach Metall an den Lippen, die sirupartige Flüssigkeit im Gesicht. Warm, im Gegensatz zur Kälte des Steins. Der Stein, das knackende Geräusch, als würde man eine Nussschale, versteckt unter fleischigem Obst zerschmettern. Schmerz, der gleißend grell und dann dumpfer wurde und Schwärze mit sich zerrte. Erlösende Schwärze!

Er liebt mich!

Schwarz das Haar, das sich des Nachts im Bett mit dem ihren mischte. Er trug es nie wirklich kurz, vertrödelte den Gang zum Barbier immer mal wieder, denn er verweilte lieber bei ihr. Diese Schwärze liebte sie, sehnte sich nach ihr, doch als die vertraute Dunkelheit schwand, als er dem Ruf des Heeres folgte, da stahl sich eine namenlose Leere diesen Platz. Wie sehr spürte sie da das Band zwischen den zwei Herzen, das über den Schwur im Inneren der Eheringe hinaus ging.
Ach und wie sehr pochte und jubilierte es in ihr, als sie seine ersten Briefe in den Händen hielt… bis sie auf einmal ausblieben.

Er liebt mich nicht?

Ungewissheit drang ein und füllte gierig den Platz der Leere. Und je höher sie stieg, umso bitterer schmeckte sie und schäumte zur Panik auf.
Er wird doch nicht…
Der Herr behütet ihn doch…
Es darf nicht sein, dass…
Doch dann flüsterte eine weitere Stimme in ihre Ängste hinein und sickerte heimlich hinzu. Schleichendes Gift, das langsam zu wirken begann und irgendwann begann sie zu glauben. Sie schrie, tobte, weinte, wollte ohne ihn nicht sein. Als auch die Gefühle leer und nur noch eine Hülle vorhanden waren, da streckten sich Hände nach dieser Hülle aus und streichelten sie tröstend.

Er… liebt… mich

Liebe war es nicht, nein. Nicht hier, Liebe war verschwunden, doch es verdrängte die Einsamkeit, es wärmte das Bett und verscheuchte hier und Schatten des Tages. Nicht die, die in der Nacht kamen, nein. Nicht die grässlichen Albträume und den dumpfen Schmerz des Verlusts. Aber wenn sie in die fremden Arme tauchte, die Augen schloss und das Gesicht an seine Brust drückte, dann begann sie dem schlagenden Herz zu lauschen und begann zu träumen, sich der Illusion hingebend, dass er noch nicht fort, nicht vom Feind erschlagen war.

Er… liebt… mich…. NICHT

Durch den Herzschlag hindurch, durch die Küsse die ihr Haupt bedeckten, durch die Arme um ihren Körper vernahm sie das Ächzen und es drang tiefer als jeder Nadelstich, jeder Dolchstoß der Welt. Es hauchte an ihr Ohr und in diesem einzigen Laut klang das Brechen eines Menschen, mit Herz, Verstand und Glauben, krachend an sie heran. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer dort im Türrahmen stand, entkräftet und ausgezehrt, vom Krieg mit all seinen Gräueltaten gezeichnet und doch drehte sie sich wie im Traumwandel um, sah noch, wie die letzte Hoffnung in den bernsteinfarbenen Augen erlosch.
Als der Andere hinter ihr aber gehässig zu lachen begann, da flammte ein dunkler, blutiger Funke in den geliebten Seelenspiegeln auf und der Hass… galt ihr!

ER HASST MICH!

Sie wimmerte auf und verließ die sterbenden Wälder, wanderte den verlorenen Seelen nach, den Gestalten in den Nebeln und den seltsamen Lichtern darin. Mit jedem Schritt verblasste ein wenig mehr Erinnerung und schoben sich die quälenden Bilder etwas weiter hinfort. Zuletzt saß sie am Feuer und klammerte sich an den Gedanken an den Einen, der sie hier finden und aus den Albträumen retten würde…

… denn er liebte sie.




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Cailen Vindheim





 Beitrag Verfasst am: 12 Sep 2021 00:45    Titel:
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Es war spät geworden, ein langer Tag. Vermutlich der längste in seinem Leben, das an Ereignissen keinen Mangel gezeigt hatte. Eine Reise in die Vergangenheit, durch die Gegenwart, in die Zukunft. In die Welt der Toten, zurück in die der Lebenden.
Zurück zu Gefühlen, die lange begraben schienen und dennoch so real und frisch erschienen waren, wie am ersten Tag.

Mit einer Rose hatte alles begonnen, mit einer Rose hatte alles geendet.
Die letzten Tage, Wochen, waren anstrengend gewesen. Aus Pein und Qual die Erkenntnis gewachsen, dass ihn seine Vergangenheit nunmehr endgültig eingeholt hatte. Das Antlitz seiner Frau so präsent, als würde sie noch immer Morgen für Morgen neben ihm einen neuen Tag begonnen haben. Als wäre er niemals nach Hause gekommen, nur um seine Gemahlin in den Armen eines anderen zu finden. Als wäre aus gebrochenem Herzen niemals der Hass in ihm geboren und als hätte er niemals einen Stein genommen, um seinem Schmerz, und ihrem Leben, ein jähes Ende zu bereiten.

Sie war wieder da gewesen. Noch immer da gewesen. Und hatte ihn zunehmend verfolgt, jede wache Stunde seines Tages, bis in die kurzen, unruhigen Träume hinein.
Hatte mit all ihrer Macht, die aus ihrer Bindung entsprungen war, einen Schritt zurück in die Welt der Lebenden getan, nur um ihn wissen zu lassen, dass sie noch immer nicht weiter gezogen war. Irgendwo da draußen war, verloren und verlassen, auf der Suche nach dem einzigen, was sie immer noch hier zu halten vermochte.

Eine Geschichte aus Rosen, Liebe, Schmerz, Tod, Sehnsucht und all den anderen Dingen, die einen Templer nicht bedrückten sollten, allein dazu angetan, Schwäche und Versagen zu bereiten.
Dennoch, Gefühle waren, was den Menschen stark machte. Was zu meistern ihn jeden Schritt eines Lebens verfolgte, um Stärke aus Schwäche, um Fortschritt aus Mühen, um aus Konflikt Kraft zu beziehen.

Der Herr wusste das, erkannte das, hatte daraus Seine Stärke bezogen und an Seine Diener weiter getragen. Und diese Prüfung, die niemals eine des Glaubens war, war nunmehr unter dem wachsamen Auge des Panthers eben das geworden.
Eine Prüfung eines Templers, dessen Seelenleben, dessen Überzeugungen, dessen Gelöbnisse auf der Waagschale nun liegen sollten.

Als die Gruppe dann endlich soweit gewesen war, aufzubrechen, da wollte er nicht zugeben, es nur schwerlich erwarten zu können. Und dass ihn neben all der Pein, neben der Verheissung von Gefahr und einem jähen Ende im Reiche des Todes, auch die Sehnsucht plagte. Und die Freude, ein zweites, unerwartetes, vielleicht letztes Wiedersehen zu erwarten.

Eine Buße. Ein Ende. Abschluss. Bereinigung.

Ein Wandeln durch das Reich der Toten, einen Pfad aus Nebel, vorbei an gesichtslosen Seelen, die längst alles verloren hatten, bis auf die letzten, rudimentärsten Erinnerungen, ausgeprägt in monotonem Ausleben ihrer letzten, prägsamsten Momenten.

Einem Pfad aus Rosen folgend, bis letztlich, im Zwielicht und untermalt vom Flüstern eines stillen Bächleins, Ihre Stimme endlich, und wieder, an seine Ohren drang. Eine Stimme, die er nie vergessen hatte, die jetzt so klang, wie damals, als er in den Krieg gezogen war. So hell, so voller Leben, so voller Trauer und Furcht. Allein.

Was blieb da noch, in den Schein eines Feuers zu treten, das keine Wärme spendete, um ihren Gesang zu erwidern, und noch einmal in die vertrauten Züge seiner Frau zu blicken, die er so sehr liebte, wie er sie am Ende gehasst hatte. Und was blieb, sich erneut das Herz zu brechen, in ihren Zügen Wiedererkennen, Erleichterung, ja Sehnsucht zu erkennen.
Nur keine Erinnerung. Nicht an die letzten Momente. Nicht an die Art ihres Scheidens. Nicht an ihren Tod.

Ein dritter Moment, sich das Herz zu brechen und einzugestehen, woran sie gestorben war. Wer ihr das Leben genommen hatte. Und warum. Und worin sie gefehlt hatte.
Schuld und Sühne. Sie wusste es, nunmehr, da die Erinnerung wieder kam. Zerschlagen und erniedrigt, der letzte Schmerz, sie so am Boden zu sehen. Ein Urteil musste folgen, sollte sie diesen Ort verlassen, Frieden finden.

Schuld und Sühne. Urteil und Buße.

Im Namen der Gemeinschaft, im Namen des Herren, war das Urteil dann verkündet, die Schuld bestätigt, die Buße getan.
Aber aus Abbitte ward auch Frieden geboren, aus Buße Erlösung. Aus Erkenntnis Einsicht und aus Einsicht ein Pfad. Das Reich der Toten kein Ort für jene, die sich bewusst waren, so sprach es der Herr. Denn jene, die Seine Weisheit kannten, die in Seinem Namen lebten, fehlten, strebten und lebten, denen war auch ein Ende in Nileth Azur beschieden.
Eine Seele befreit, ein Geist erlöst, ein Leben beendet, ein Schicksal gesprochen.

Bittersüß der Schmerz, sie ziehen zu lassen. Aber ziehen durfte sie. Um zu warten, bis ans Ende aller Tage, dort, wo alle Seine Diener verweilen durften.

Und so war die Reise beendet, ein Weg beschritten, dessen ungewisser Ausgang für ihn nun gleichsam Freude wie Pein gewesen war. Und Verantwortung, neue Wege zu beschreiten, im Namen des Allmächtigen Sein Wort zu sprechen, und weiter zu dienen, bis auf die Schuld des Templers beglichen war.

Eine lange, lange Reise, viele Schlingen, Wirren und Windungen. Jede Entscheidung ein Baustein, jede Mühe, jeder Schmerz. Alles zusammen hatten geformt, was nunmehr in Seinem Dienste stand. Und weiter stehen würde.

Bis das Ende kam, dann, erneut vereint, in Nileth Azhur.

... denn er liebte sie.


Zuletzt bearbeitet von Cailen Vindheim am 12 Sep 2021 00:50, insgesamt einmal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 13 Sep 2021 11:39    Titel:
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    Nicht im Vergessen, sondern im Sicherinnern besteht das Geheimnis der Erlösung.
    (Israel ben Elieser)

Müde, erschöpft und dennoch zufrieden, saß er auf der Bettkante, bereits bettfertig gemacht und ließ die Stille des eigenen Heims noch einige Momente auf sich wirken. Rilytia schlief schon und so hatte sich die nächtliche Ruhe herabgesenkt, friedvoll und leise, wie eine umhüllende dunkle Decke. Für einen winzigen Moment kam ihm die eigene Kindheit in den Sinn, wo die eigene Bettdecke noch wie ein Schutzwall vor allem Bösen wirkte, und die Wärme und Geborgenheit, die sie bot, seltsame Sicherheit versprach. Als Kind war der Sinn für die Gefahr darin noch nicht so ganz erwacht, denn natürlich war sie kein Schutz in dem Sinne, außer vielleicht vor der Kälte, die sich in den Wintermonaten durch die Wände hineindrängte.

Dieser kurze Ausflug in die eigenen Erinnerungen ließen ihn schmunzeln und die Hand auf das schwarz-wabernde Band am Arm legen. Da war sie, die Überleitung zu dem heutigen Abend. Das Band an seinem Arm erinnerte ihn an vieles. Unter anderem an die Shevanorer Törtchen seiner Mutter, gleichzeitig aber auch an erwähnten Rosenduft und blonden Haaren – die Erinnerungen eines anderen.
Nun war es also so weit, er wollte sie suchen, sie durch den Herrn erlösen, Sühne und Buße. Es waren einige zur Unterstützung gekommen, was ihn persönlich zum einen beruhigte und freute, zum anderen aber auch zugleich besorgte. Ihm war in etwa klar, wohin die Reise ging, und nahm sein Glaubensbruder sie alle mit, durfte bei der Rückkehr wahrlich nichts schief gehen, sonst waren ziemlich viele treuglaubende Seelen verloren.
An und für sich hatte er sich die Unterstützung der Catula hierbei erhofft, doch der Herr hatte auch hier andere Pläne. Sie reiste mit allen anderen hinüber, so dass er allein zurückblieb im Tempel, wo er sich vor dem Altar niederkniete, das gefertigte Gesteck in der Hand, und betete.

Auch wenn er selbst nicht unmittelbar dabei war, so sah er dennoch, wo sie sich aufhielten, wen sie sahen – oder vielmehr, er erkannte Auszüge davon, Bildfetzen, wenn man so wollte. Er vermutete, dass es Eindrücke waren, was Cailen sah. Es war nicht so, dass er alles mitbekam, und beizeiten würde er da noch einmal nachhaken wollen, für den Moment aber verfolgte er das, was er mitbekam mit einer Mischung aus Faszination und Interesse, bemühte sich aber zugleich konzentriert im Gebet zu bleiben, um die Verbindung aufrecht zu erhalten.

Tatsächlich blieb er über den ganzen Abend ungestört im Gebet versunken und erst zum Ende hin wuchs seine eigene Anspannung deutlich, denn er spürte die Dringlichkeit irgendwann mit jeder Faser seines Körpers, hörte die Warnung des Herrn – oder war es die Katze? So genau wusste er es nicht zu sagen. Letztlich war es auch keine Frage, die von Relevanz war in dem Moment. Er sprach es laut aus, wenn auch unbewusst, als er zur Rückkehr aufforderte und die klerikale Verbindung versuchte zu nutzen, um den Weg zu weisen. Es war mehr ein intuitives Handeln, immerhin konnte er nicht sagen, dass er das schon einmal getan hatte, oder gar wie genau er es fertigbrachte. Auch das war etwas, was er im Nachgang aufarbeiten würde müssen.

Sie kehrten wohlbehalten zurück. Alle. Nur sein Glaubensbruder verweilte noch – an einem anderen Ort als den, den sie jüngst verlassen hatten. Er spürte es mehr, denn Bildfetzen bekam er keine mehr zu sehen. Allerdings wusste er sehr genau, wer ihn aufhielt. Gleichsam hörte er die gehässige Stichelei, die absolut emotionale Reaktion darauf durch die Tempelhalle schallen. Auch jetzt, wo er sich daran zurückerinnerte, brachte es ihn zum Kopfschütteln, wobei er nicht genau hätte sagen können, ob es die Worte der Lethra waren oder die Reaktion darauf, die dafür sorgten. Wobei, die Worte waren es weniger, mehr das absolut Emotionale darin, das ihm nicht zum ersten Mal auffiel.
Als schließlich auch Cailen zurückkehrte, sah er sich unmittelbar in dem, was er spüren konnte, bestätigt. Diese Prüfung hatte ein erfolgreiches Ende gefunden.
Für diesen Tag sollte es genügen.

Jetzt saß er zuhause, hatte Zeit die Gedanken zu sortieren, war aber am Ende doch zu müde dazu, es sorgfältig hinzubekommen. Die Hände brannten ihm, auch wenn er kühlende Salbe darauf gegeben hatte. Die Dornen des Gestecks hatten ihre Spuren hinterlassen, neben dem Schnitt für die kleine Opfergabe, damit die Reise gelingen mochte. Ein Weilchen wurden die Handinnenflächen gedankenverloren betrachtet, bis ein herzhaftes Gähnen dem Starren ein Ende machte.

Genug. Genug der Anstrengung, genug der Gedanken, genug der Versuche all das verstehen zu wollen. Er ließ sich aufs Bett zurückfallen, zog sich die Decke über und schlief unmittelbar ein.

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