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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Flaschenpost
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 22 Dez 2021 14:55    Titel: 22. Alatner
Antworten mit Zitat



22. Alatner


Das Jahr neigt sich langsam dem End' zu und 'ch hab mein
Versprechen gehalt'n - ich hab' aufgehört zu zählen.
Dennoch ist das Jahresend' immer auch der Zeitpunkt an dem
man überlegt, was das Jahr über passiert is'. Wie in de' meisten
Lebenslag'n nimmt man das Schlechte soviel deutlicher wahr als
all das Gute - oder das Schlimme hinterlässt einfach 'nen größ'ren
Nachhall im Inneren. Ich kann an dieser Stelle sag'n, dass es
wahrscheinlich zum größten Teil eher positiv als negativ war,
auch wenn ich's in vielen Momenten anders empfunden hab'.
Manche Erfahrung' sind eben nur da, um un's eine Lektion zu
verpassen un' nicht um unser Leben fortsetzend zu zeichnen.
Vielleicht warst Du also nur eine Lektion von vielen - eine die mir
gezeigt hat, dass man solchen Gefühl'n nicht allzu schnell trauen
sollte, lieber noch ein' zweiten oder gar dritten, versichernden
Blick auf die Gegebenheit zu werfen, ehe man sicher sein kann.
Ich mach mich nich' mehr zum Sündenbock für Dich, für Niemand'.

Da wo Du und auch Dein Gleichgesinnter verschwunden sind, hab'
ich neue Verästerlungen von Familie erhalten. Da wo noch vor zwei
Jahren fast allein meine Mannschaft stand, dort sin' nun noch andere
Gesichter hinzugestoßen und haben sich mein wahres
Vertrauen verdient - eines das nicht verraten und hintergang' wird -
bis jetzt nicht. Wo 'ch aber Dein' Gleichgesinnten erwähnt habe..
im Gegensatz zu Dir ist er wieder da, auch wenn 'ch nicht mehr damit
gerechnet hatte und auf gewisse Weise Fried'n damit geschlossen hab'.
Doch der Winter is' da und spätestens jetz' suchen die Kerle ein'
warmen Frauenleib, der im Stande ist sie zu wärm'. Der normale
Zyklus der Jahreszeiten - ich denk' man muss es mit Humor nehmen.
Deswegen bin ich die Vorsicht in Person, verlasse mich vorerst auf die
vertrauten Gesichter, die gewohnten Stimmen un' alles, was sich in
den letzten Monden nich' vom Fleck bewegt hat oder verschwund'n is.
Wir werden sehen wohin die nächsten Wochen führen. Vielleich' wäre
es amüsant den Spieß schlichtweg einmal umzudreh'n, schließlich is'
auch mein Winter kalt. Doch wir beide wiss'n, dass 'ch so eigentlich
nich' bin. Grau-Blau, mal wieder.. un' ich hab keine Ahnung was ich
davon halten soll, schon lang' nicht mehr - doch wer wüsste das
wohl besser als Du, hm?

Der Kraken läuft, die Kundschaft wächst un' der rege Handel lädt
auch meine Mannschaft zunehmend öffter dazu ein, den Weg
nach Lichtenthal auf sich zu nehm'. Nun wird es ein paar Wochen
etwas ruhiger werd'n - wer klug ist nistet sich über die Winterwoch'n
zuhause ein und schippert nich' auf'm Meer herum. Das Verhältnis
zu den Zwilling' hat sich insofern verändert, dass ich mich zumindest
mit Rhena anfreund'n kann, so wie es aussieht. Sie weicht ein
wenig für uns auf und wir ebenso für sie. Aye, ich weiß.. Du hättest
mir gleich gesagt, dass es sich noch einpendeln wird, aber wir
Weiber sin' nun mal ein kompliziertes Völkchen un' müssen
manchmal erst in de richtige Richtung gestupst werden. Was
Rafael angeht, so bewahrt er unterdessen Rhena's Stock auf -
vermutlich am selben Platz wie seinen eig'nen.

Um ehrlich zu sein hatt' ich kein besond'res Thema um Dir zu
schreiben, ich wollt' einfach nur schreib'n - am Jahresend' wo man
alles noch einmal durchspielt. Ich wollt' Dich wissen lassen,
dass ich noch immer an Dich denke, auch wenn du es vielleicht
nicht einmal verdient hast. Ich wollt' sagen dass'ch Dich noch
immer vermisse, auch wenn ich jeden Tag ein wenig mehr Fried'n
damit schließe, dass 'ch Dich nie wieder sehen werd'.
Ja,.. eigentlich wollt' ich nur das.





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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 17 Jan 2022 14:38    Titel: 17. Hartung
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17. Hartung


Neu's Jahr - neues Glück, so sagt man das doch eh?
Und doch sitz' ich immernoch hier un' schreibe Dir.
Wieso weiß'ch eigentlich selbst nicht so genau - ich glaub es
beruhigt mich, meine Zeilen an irgendwen zu richt'n, wenngleich
sie wohl genauso ungeles'n bleiben wie mein Tagebuch. Ich hab
mich gefragt was passiert, wenn der Schmerz den Körper verlässt,
man sich langsam gewiss ist, das nich's davon zurückkomm' wird.
Wenn er verblasst und einzig einen leer'n Fleck zurücklässt, dort wo
die Person einst ihren Platz hatte. Meine Trauer über Dein Verschwind'n
war viele Monde Tiefseerinnen-tief und immer hab'ch mich an etwas
wie Hoffnung geklammert. Ein zweischneidiges Schwert - entweder man
wird belohnt, oder man vergeht daran, sich immer weiter daran
festzuhalt'n un' nicht aufzugeben. Ich hab mich selbst vergiftet, weil ich
in einem Nebel aus Hoffnung und verlorenen Gefühlen gefang' war un'
nicht bereit war, ihn zu verlassen. Ich wollt' Dich nicht loslassen.
Doch ich muss, denn ich will fühl'n, dass ich am Leben, un' nicht
mit meiner Hoffnung in Dich im zu tief'n Wasser untergegang' bin.
Ich hatte Angst, dass Du verschwinden könntest und 'ch gegen die
dunkleren Tage verlier', dabei bist Du längst verschwunden und ich hab
die schwärzesten Tage lang hinter mir.

Ich schreibe Dir um Dich wissen zu lassen, dass ich nicht länger auf
Dein Rückkommen warte. Ich habe akzeptiert dass Du gewählt oder
das Schicksal für Dich entschieden hat. Egal was hier zutrifft, es ändert
nich's an der Situation, dass Du fort bist. Wahrscheinlich werde 'ch Dir
auch weiterhin schreiben, weil ich mich daran gewöhnt habe mich einem
Geist anzuvertrauen und meine Worte dorthin zu schicken, wo sie nie
jemand gegen mich verwend'n kann. Ich hab mich entschloss'n mich
auf das Gute zu konzentrieren, meine Familie, den Kraken, Neues.
Ich hab' nichts davon, länger an etwas festzuhalten, das Vergangen ist.
Doch was passiert, wenn der Schmerz verblasst? Eigentlich sollt' man
meinen ich müsste es wiss's, nach der Ladráo, nach Abel und jetzt -
doch es scheint so lang zurückzulieg'n, dass ich mich schlichtweg nicht
mehr erinnere. Wahrscheinlich erinnere ich mich nich', weil es ganz
einfach verschwunden is' und irgendwann nur die Erinnerung zurückließ.
Eine vage Vermutung dessen, was man einst gefühlt hat.
Nun fühl' ich etwas anderes, auch wenn 'ch mir nicht sicher bin ob es
anhält, beziehunsgweise wie lange es anhält. Ich fühle Mut un'
Kreativität und viele Ideen die in mir schlummern, un' ich fühle
Begehren, Sehnsucht un' auch Anziehung. Ich fühle wieder Wärme
an meiner Wange oder Finger, die sich um meine Haarsträhnen drehen.
Der Unterschied zu vorher is', nichts davon hast Du zu verschulden.
Ich dachte kurz daran mich zu entschuldig'n, doch ich habe kein'
Grund mehr mich zu rechtfertig'n oder schuldig zu fühlen.

Die Zeit'n laufen gut, die Geschäfte ebenso - er hätte Dir gefallen der
Laden un' Du hättest dich wie zuhause gefühlt, denn es ist ein Zuhause,
das meiner Familie und der Menschen die mir am Herzen liegen.
Und der Laden verdient seinen Namen, denn er trägt soviele alte un'
verborgene Geschichten in sich, soviel Platz für neue Fantasie und
ausgedachte Ranken verstorbener Träume. Er lebt durch längst
untergegangene Wünsche und Ziele, all die Worte, die nicht mehr über
die Lippen Anderer fließen konnten. Und ich bin ein Teil von ihm -
nein, eigentlich is' er ein Teil von mir, wie der Kraken auf meinem
Oberschenkel, der die beiden Geschichten miteinander verbindet.
Weißt Du, 'ch hab es geliebt ihn auszusprech'n, Deinen Namen.
Nich' die abgekürzte Version oder einen Spitznamen den Du dir durch
ebenso spitze Zunge irgendwo verdient gemacht hast, ich mochte ihn so.
Doch nun bleibt er zurück, Natharian der nie wieder kam.




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 31 Jan 2022 10:39    Titel: 31. Hartung
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31. Hartung


Mein Lieber,
wenn 'ch überlege wie ich angefangen hab' Dir zu schreiben
und wie's mir dabei ging, was ich Dir gegenüber gefühlt habe,
mir selbst gegenüber gefühlt hab - dann wird dies wahrscheinlich der
rationalste Brief, denn Du bisher von mir erhalten hast, auch wenn
'ch verdammt wütend bin jetzt im Augenblick des schreibens.
Augenblicklich überleg 'ch tatsächlich wie man Personen, die man
am liebsten nicht mehr seh'n will, am schnellsten verschwinden lässt.
Einfach hinterrücks zuschlag'n und in den nächstbesten Fluss werfen,
oder doch lieber Nachts im Wald vergraben? - dabei bräucht' ich
vermutlich Hilfe. Man könnt' es auf die freundliche, versöhnliche Art
versuch'n und etwas in den Whisky kippen, oder ins Essen?
Am klügsten wär's aber wohl es meiner Mannschaft zu überlassen,
wenn sie wieder an Land is', wohl am einfachsten, wenn die's regeln
könnten, möglicherweise. Nun,.. wie wir sehen, der Brief is' am Ende
vielleicht doch nicht so rational wie erhofft.


Ich bin überrascht, wie viele Facetten Wut hab'n kann, vermischt mit
Sehnsucht un' Trauer oder vermischt mit Bitterkeit un' absoluter
Enttäuschung. Entweder weil man nich' mehr dazu in der Lage ist eine
bestimmte Person je wiederzuseh'n, oder dazu gezwungen is' sie
wahrscheinlich immer wieder sehen zu müssen. So überrascht bin'ch
aber eigentlich nicht, 'ch hatte bereits geahnt, dass ich ihm kaum
'nen geraden Meter trauen kann, ehe irgendwas Neues passiert.
Ich hatte ihn allerdings für etwas besond'res oder einzigartiges
gehalten, wo er ganz offensichtlich doch nur is' wie alle anderen,
dieser bestimmte Typ Kerl den man am Tagesend' über einen Kamm
scheren möcht'. Ganz ehrlich - ich mochte ihn, vielleich' auch ein
bisschen mehr als das, gestern is' mir aber klar geworden, dass ich
die Zeit mit Dir vermisse. Es war so.. einfach un' unkompliziert
und gleichsam interessant un' spannend, man musste niemanden
davon überzeug'n gut genug zu sein, denn das waren wir uns ohne
Zweifel - ob es sowas überhaupt 'nen zweites Mal gibt?
Du kannst Dir kaum vorstell'n, wie anstrengend das ist, ständig
jemandem seine Treue un' seine Loyalität beweis'n zu
müss'n oder sich in Rechtfertigungspflicht wiederfindet, immer wieder
von Neuem irgendeine Form von Zuspruch geb'n zu müssen
oder darum zu kämpfen, sie in irgendeiner Form zu erhalt'n, wieso
sollt' man sowas auch tun? Ich bin zu gut, weißt du? Zu gut, zu loyal.
Wie konnt' mir das nur passieren, dass ich auf Hälfte meiner Lebenszeit
feststell' ein vertrauensvoller Mensch zu sein, jemand dem seine Zeit
zu schad' ist anderen etwas vorzumachen? Was für 'ne Schande! -
was hab ich mir nur dabei gedacht! Frech!


Ich hätt' auf mein Gefühl vertrauen sollen, dass die ganze Zeit
irgendwo in mir geschlummert hat und sagte, dass etwas nicht
stimmt. Doch ich hab es von and'ren Momenten verdrängen lassen,
ich wollt' es also scheinbar so un' nicht anders. Dann aber noch die
Dreistigkeit zu besitzen mir anzubieten, dass seine Tür immer
offenstehen würd'. Pah! - ich bin mir nicht einmal sicher ob man den
Verschluss dieses Holzkastens Tür nennen kann, aber selbst
das war mir egal, ich war schließlich gewohnt auf einem schwimmend'n
Untersatz zu leben, fünfzehn Jahre. Verlogene Ratte - was bitt'schön
sollte 'ch nochmal in seiner Nähe? Nachdem er mich wochenlang
vollgesäuselt hat diesmal wär's anders und's nun doch genauso ist
wie beim letzten Mal, nur in andere Farbe geschmückt.
Immerhin kann ich von Glück red'n, dass ich mich bereits bei seiner
Rückkehr darauf eingestellt hatte, dass er es sich schon bald wieder
anders überlegt und es emotional weiter von mir ferngehalt'n hab,
als ich es normalerweise tun würde. Du siehst also, irgendwie..
auch wenn es immernoch beschiss'n ist, habe ich dazu gelernt.
Weißt du, 'ch hab es insgesamt satt - denn auch wenn d'e Kerle
ganz offenkundig zu nich's zu gebrauchen sind, werd' ich deswegen
ja nicht zum gefühllosen Klotz, auch wenn's einfacher wäre.
Ich bleibe mit dem Fazit zurück, dass'ch mich scheinbar von einer
billigen Kopie hab blenden lassen, entschuldige.


Wo wir gerade bei primitiven Lebewes'n sind, ich wurd' übrigens
von einer Handvoll Lethar'n angegriffen, ich erinnere mich, dass Du
mir irgendwann einmal erzählt hattest mit ihnen gehandelt zu haben.
Zu viert gegen mich - mein Gesicht gegen drei Paar Krallenhandschuh'.
Es wird Dich freuen zu hör'n dass es bis auf zwei lange, genähte
Wunden wieder hergestellt wurd', so ner garstigen Heilerin sei Dank.
Ich denk' ein bisschen was wird für immer bleiben, aber immerhin
passt mein Äußeres dann auch zum Rest, nicht wahr. Wo 'ch diesen
Satz schreib', hab ich das Bedürfnis Dir zuzuzwinkern - nur dass Du
es weißt. Ich schreib bald wieder - Mach's gut Küstenknabe.







Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 31 Jan 2022 11:19, insgesamt einmal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 07 Feb 2022 10:48    Titel: 07. Eisbruch
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07. Eisbruch


Küstenknabe,
während 'ch im Bett lieg un' Dir schreib, hüll'n gleich zwei Wolldeck'n
mich ein. Drauß'n schneit es und die Flocken fegen wissbegierig
an die Scheiben meiner Fenster, als gäbe es etwas besonders
spannendes zu entdecken. Es ist kalt, viel zu kalt für mein'
Geschmack, un' ich bin mir nicht sicher, ob es etwas gibt, dass
mich und mein Inneres aufzuwärm' vermag. In dieser Nacht hab
ich wieder Deine Stimme gehört, die mich geweckt hat. Für 'nen
kurzen Moment stand meine ganze Welt auf dem Kopf, unfähig
oben und unten auszumachen, nicht in der Lage zwischen
Wahrheit und Trug zu unterscheid'n. Ich hab meine viel zu schnell'n
Atemzüge gezählt, bis 'ch wieder zur Ruhe zurückgefunden hab, doch
die innere Unruhe bleibt, wie das ungleichmäßige Flattern eines
Schmetterlings an windigen Tagen. Ich weiß genau wieso ich von Dir
träumte, die Erinnerung an Dich ein weiteres Mal ganz bewusst
aufgerufen habe. Die Eröffnung des Kraken. Diese ganzen Eindrücke,
soviele davon wurden von Erinnerung an Dich überlagert. Hier ein
Blick, dort ein angedeutetes Zucken des Mundwinkels, an anderer Stelle
eine Aufschrift auf einem Buch, eine gewitzte, freche Unterhaltung.
Soviele Momente in denen ich Dich finden und wahrnehmen konnte.


Du weißt ich bin nich' gläubig, auch wenn ich diese ganzen
Temora-Floskeln zur Zufriedenheit Aller ausreichend nutze. Doch 'ch
glaube an Vorherbestimmung, an den richtigen Wind und an viele Sagen
und Mythen, die von anderen selbst mit genügend Abstand als lachhaft
abgetan werden würden. Ich glaube daran, dass ich hier un' jetzt
meinen richtigen Platz gefunden hab', hier beim Kraken, hier bei und
mit meiner Familie. Ich bin unentschloss'n ob ich auf dieses Gefühl
Deiner Anwesenheit vertrauen sollt', beziehungsweise aus welcher
Perspektive ich sie betracht'n soll. Da gäbe es nur die Möglichkeit, dass
'ch Dich spür', weil Du ohnehin in mir nachhallst, Deine Anwesenheit,
Deine Berührung, Deine Stimme.. un' dass ich sie stärker spür, weil Du
möglicherweise wirklich irgendwie bei mir bist, nur eben nicht mehr so
wie ich's mir ersehne. Oder aber Du bist irgendwo da Draußen und mein
Unterbewusstsein weiß es einfach, zupft immer wieder nachdrücklich an
meinen Erinnerungen um mich bei Laune zu halten, oft genug um mich
daran festhalten zu lassen. Weißt Du, es is' nicht lang her, dass mich
jemand fragte was werden würde, würdest Du eines Tages zurückkehren.
Zuerst schwieg ich, aber einige Wochenläufe später traute ich mich
zu sag'n, dass nichts werden würde un' Du deine Chance bereist gehabt
und sie unumstößlich verspielt hättest, wie einen Einsatz der beim
Kartenspiel über den Tisch und anschließend zur Tür hinaus gewandert
war. Gelogen, ohne mit der Wimper zu zucken - oder ich wusste es zu
diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht besser. Die jetzige.. meine jetzige
Wahrheit is', dass es höchstwahrscheinlich nie zu spät wäre. Wie könnte
es das, wenn man einmal diese bestimmte Verbundenheit un' die
passende Dynamik gespürt hat. Angezog'n von den gegensätzlichen
Dunkelheiten und den unausgesprochenen Schwächen, die hinter den
Seelenspiegeln glimm', oder den gemeinsamen Hintergründen, ohne
dass sie sich zuvor je berührt hätten. Voneinander Aufrecht gehalten,
um nicht daran zu ersticken oder in ihr zu ertrink'n, sich selbst genug.
Solange ich mich nicht selbst davon überzeugen kann, dass ich mich
täusche un' es nicht passt, wird dieser Gedanke wohl auch weiterhin
bestehen. Was ist bloß aus uns geworden?


Die Eröffnung war ein voller Erfolg, der Laden war so voll, dass man
sich tatsächlich anstreng' musste um den Überblick zu behalten. Die
wirklich interessant'n Gespräche fand man erst in kurzen, stillen
Zweisamkeiten, eingehüllt vom Geruch des Whiskys oder frischer,
klarer Winterluft. Legendäre Sagen von Krakentötern und
Seeungeheuer-Bezwingern, die spitzzüngig zwischen frischen
Schneefußspuren ausgetauscht wurden oder beiläufig erwiderte
aber dennoch wahrgenommene Antworten einer spaßigen Tändelei.
All die beherbergten Worte, die zu einem Gesamtkunstwerk auf
bleibendes Papier geschrieben wurden, eine Erinnerungen die nicht
allein im Geiste überleben würde. Ob der Fülle sollte man kaum meinen,
dass 'ch noch Platz für eine Erinnerung an Dich gehabt hätte, doch da
standest Du, im Schnee - an die Mauer gelehnt, gehüllt in den seegrün'
Mantel aus dem Stoff der Aureliasegel un' hast mich beobachtet,
während ich um ausgedachte Sagen feilschte, die ich zu hören begehrte.
Gewiss warst Du es nicht wirklich, nicht wahrlich hier oder bei mir,
doch kurz dachte ich, dass Du durch den frechen Unterton meines
Gegenübers schimmern würdest. Aye, ich glaube noch immer an
bestimmte Dinge: Vorherbestimmung, an den richtigen Wind und an
viele Sagen und Mythen und vielleicht, ganz vielleich' auch an dieses
bestimmte Gefühl in mir oder das neugierige Nervenzupfen, wenn
ich ein interessantes Gespräch finde. Wer wäre ich, würde ich plötzlich
nich' mehr daran glauben - was für eine Tamyr könnt' ich
dann noch sein?


Falls es Dich interessiert, 'ch bin noch immer wütend. Auf die
Täuschung, oder vielleich' auch wegen der Wankelmütigkeit mancher
Wesen, bei denen man später nicht einmal mehr zwischen Zuneigung
und Abscheu unterscheid'n kann. Deren Gesichter man nicht mehr
richtig erkennt, weil sie hinter dem Betrug verschwimmen. Ich weiß
nicht genau wieso 'ch mich in Bezug auf ihn einsam fühl', wirkliche Trauer
spüre ich eigentlich auch nicht - vielleicht war er also am Ende das,
was ich die ganze Zeit vermeiden wollte: meine Flucht nach Vorn. Die
erste Überwindung mein Versprech'n an Dich etwas weichen zu lassen.
Das Einzige was irgendwie zurückbleibt is' die Enttäuschung darüber,
dass er mir scheinbar nie sein wirkliches Selbst gezeigt hat un' ich
mich die ganze Zeit mit einer blinden, trügerischen Lüge umgeben habe.
Zeitverschwendung oder Lektion? Ich vermut' eher letzteres, denn
vielleich' kann ich nun nüchterner an diese Dinge herantreten und
mich selbst in den Vordergrund rücken, als eigentlichen
Hauptdarsteller des Theatherstücks 'Leben'.
Was meinst Du?




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 21 Feb 2022 15:22    Titel: 21. Eisbruch
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21. Eisbruch


Meine raue Küste,
wie gern 'ch Dir gegenübersitz'n würd' um Dich diese ganz
persönlichen Dinge zu fragen, die 'ch versäumt hab zu frag'n
un' dabei all Deine Reaktionen zu erfass'n, sie einzufang'
solange Du darüber nachdenkst un' richtige Worte suchst.
Was löste diese Dunkelheit hinter Deiner Sturmtrauer aus?
Was hat den tiefen Schmerz in Dein'm Inneren verursacht,
den 'ch immer wieder spüren un' erblicken konnte? Was genau
ist mit Dir, mit ihr, mit euch passiert, ehe ich Dich kenn'gelernt
hab'? Was verbarg sich hinter den fragilen, oberflächlich'n und
doch so intimen Berührungen? Wie erinnerst Du Dich an Deinen
letzten Kuss? Immerhin wiss'n wir beide, dass er nicht mit mir
stattgefunden hat, gleich ob Du nach Deinem Verschwinden
jemanden gefunden hast oder nicht. Wie würdest Du wohl
erklären, was all diese Dinge in Dir ausgelöst haben?


Ich begleiche Fragen gern mit Antwort'n, wie dieses
Fragespiel, dass wir einst Abends am Meer spielten, nur Du
und ich - weswegen ich Dir ungern etwas schuldig bleiben will,
ohnehin nich' mehr. Von manchen meiner Frag'n kennst Du die
Antwort bereits, eigentlich sogar von den meisten. Die Dunkelheit'n
hinter meinen Augen sind' die alt'n Schatten der Ladrâo-Segel. Manches
Mal, an stillen Tagen, diesen die nass, dreckig grau sin' und an etwas
melancholisches wie Vergangheit denken lassen, sitze ich wieder unter
Deck, kann das Reiben der Fesseln an meinen wunden Handgelenken
spür'n und den Knebel trocken in meinem Mund schmecken. Ich fühle
den spitzen Schmerz, wie er durch Mark un' Bein gleißt und empfinde
gleichsam dumpfe Taubheit, das Gefühl des Aufgebens, des resigniert'n
Abwartens. Doch es ist mit den Jahren verblasst, Du weißt, dass es mich
nicht mehr so in sein' Klauen gefangen hält, wie es einst war. Heute
umtreibt mich der Gedanke, dass ich mit Dir etwas Einzigartiges hab
gehen lass'n, wobei ich nichts mit dieser Enscheidung zutun hatte.
Etwas nie wiederkehrendes verloren, dass wie Wasser durch die
Rinnen meiner zusamm'gepressten Finger sickerte. Du hast den
himmelhochjauchzend'n Gedanken von kitschig vorhand'nen
Gegenstücken mit Dir genomm' un' kleinkindliche Vorstellung' vom
Richtigkeitsgefühl in Wasser aufgelöst. Hast mich dazu verdammt
aus Träumen des Ertrinkens aufzuschrecken, weil ich Dich manches
Mal noch lockend wie Sirenen nach mir rufen hör'. Dies sind die
Schatten meiner heutigen, misstrauischen Augen, die Du nicht
mehr anblickst, die aber jeden and'ren mit bestimmter Vorsicht
betrachten.


Du weißt, was mit mir und was mit ihm passiert ist. Die List und
der Trug führten zu etwas ähnlichem wie jugendlicher, naiver Liebe,
einer Gewohnheit un' Sicherheit, die keiner von uns beid'n brechen
wollte, bis der Betrug sich wie ein dichtes Nebelbett über das einstig
Empfundene gelegt hatte. Vielleicht liebte ich ihn, Abel, vielleicht
empfand ich aber auch nur eine gewisse dunkle Anziehung zu dem
Mann, der nur gekomm' war um mich zu überlist'n, wie 'ch seinen
Vater einst über's Ohr gehauen hatte. Wahrscheinlich tu' ich ihm
sogar Unrecht, schließlich hat er nich' nur bei meiner Mannschaft
gewartet, während ich ein Jahr lang in Schwarzwasser verbrachte
un' schwieg, er is' auch erst gegangen als ich wohlbehalten un' erholt
zurück auf der Aurelia war - und das nur um sich für die Taten seines
Vaters mir gegenüber an ihm zu rächen. Niemand konnt' ahnen, dass
dieser Rachedurst ihrer beider Ende sein würde. Ich hab mich lange
Zeit sehr viel an ihn erinnert, doch manches Mal ist es gesünder es
irgendwann aufzugeb'n, heilsamer, vor allem wenn man sich insgeheim
verantwortlich un' schuldig fühlt. Du warst der Erste seit Abel,
der es auch nur gewagt hat mir zu Nahe zu komm', der Erste den
ich gelassen hab, alle and'ren hab ich stets auf Abstand gehalten,
immer. Dabei kann man nich' einmal wirklich von körperlicher Nähe
sprech'n, denn es war diese andere, verbundene Vertrautheit von
gleichen Geistern, ähnlichen Wurzeln und sich ähnelnden Sehnsücht'n.
Ein Umwickeln einzelner Haarsträhnen oder das Umfassen meiner
Wange war'n dabei viel näher als alle anderen Dinge es hätten sein
können. Doch.. völlig überflüssig es zu scheib'n - Du kennst all
die Einzelheiten.


An mein' letzten Kuss erinnere ich mich lebendig, un' es ist mir
egal ob Du davon hören willst oder nicht. Eine Frage für eine
Antwort, so die Abmachung. Du hast diese Entscheidung selbst
getroffen un' immerhin wiss'n wir beide, dass er nicht mit Dir
stattgefunden hat, gleich ob ich nach Deinem Verschwind'n jemanden
kenn'gelernt hab oder nicht. Wir beide wissen, dass Du ihn mir schuldig
blieb'st bevor Du gegangen bist, spätestens bei Deiner Rückkehr,
die nie geschehen sollte. Hier un' jetzt erinnere ich mich aber an die
unerwartete Wendung eines Abends, Händen in meinem Haar, die
sich nach einer launischen Windwoge anfühlt'n und hauchfeinen
Handstriffen an meinem Ohr, ein Zusammenspiel aus salzig, rauer
Meeresluft und süßem, warmen Sommerwind der nach reifen
Früchten schmeckt. Die Gegensätzlichkeit von körnigem Sandstrand
und watteweichem Puderzucker zwischen den Fingern. Etwas das
ohne den Hauch einer Vorahnung geschehen is', etwas von dem 'ch
nicht weiß, ob ich einen zweit'n oder dritten Blick hinaufwerfen kann.
Nein, ganz offensichtlich nicht Du und doch eine leise Ahnung von der
Anziehung, die Du auf mich ausgeübt hast. Ein bittersüßes
Knistern, wie das zarte Geräusch von Mottenflügeln an
Glaslaternen und weichen Schattierungen, die Du
mein'm Portrait in Fülle geschenkt hast, etwas
verwischte Kohle, verblasste Dunkelheiten,
nur einen Moment.




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 26 Feb 2022 02:12    Titel: 26. Eisbruch
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26. Eisbruch


Heut' sitz' ich hier und trinke,
die Stufen an meinem Haus sin' kalt, doch es zog mich hinaus
an die eisig und schneidende Luft des Nachttreibens. In naher
Ferne hör' ich das Rauschen des Meeres. Kalt bricht es seine
Wellen am gefrorenen Strand. Der erste Schluck des Rum's
erschien mir bitter, doch nun fließt er in seidiger Betäubung
meine Kehle hinab und erwärmt mein Innerstes für wenige
Momente. Willst Du wissen, was ich fühle? Heut' Nacht fühle ich,
dass die Schatten in mich schwemmen, als könnten sie ohne
mich nicht überleben. Ich höre sie spöttisch flüstern, sie red'n
mir zu und verführen mich wie das Versprechen eines Kelpies.
Dunkel und lockend, streck'n mir ihre Hände anbietend und
geborg'n entgegen. Ich möchte niemanden zurücklass'n aber
ich sehne mich so danach, Dich wiederzusehen. Ich will Dir
sagen, wie sehr mir Deine Anwesenheit fehlt, die unaus-
gesproch'nen Worte lieg'n schwer wie Eisen in meinen
Adern, das Wrack liegt offen vor mir.


Ich hab' es Dir gleichgetan, ich hab' Dich gezeichnet. Es ging
ganz von allein und plötzlich sah ich Dein Gesicht ganz klar vor
mir. Die kantigen Züge, das helle Haar und den nachdenklich'n
vertrauten Ausdruck in Deinem Gesicht. Nun häng' wir beide
dort, so wie wir nicht mehr sind oder gerne wieder wären, uns
liebend gern wieder hätt'n un' uns gegenseitig geseh'n haben.
"Von Dir wollt' ich immer beschützt werden", schrieb ich schon
vor Monden unter einen Text für Dich, un' meinte es nicht anders.
Ich wünsche mir so sehr, dass Du zurückkehrst. Ich würde sagen
'ch wünsch es mir in erster Linie für Dich, doch Du hast mich in
dieser Sache zum Egoisten gemacht, der ich eigentlich nicht bin.
Ich möchte dass Du mir betrunken schreibst, sowie 'ch Dir jetz'
schreibe und alles offenlegst, all das ausschüttest, was zuviel für
ein volles Herz un' einen noch volleren Kopf is'. Sagst, dass Du
mich noch immer brauchst, mir sagst, dass Du glücklich warst un'
auch, dass es Dir leid tut, dass Du all diesen Schmerz un' die
Sehnsucht verursacht hast, vielleich' auch naiv, und unwissend.
Ich hab wahrlich versucht Dich zu vergessen, Dich zu verdamm',
versucht Gefühle zu unterdrück'n, doch immer wieder drehen
sich meine Gedank'n um Dich. Irgendwie sind wir vorbei, ohne
dass 'ch darüber hinwegkommen kann, will un' werde, egal
welche Flucht, egal welches Kohleverwischen. Wie weit 'ch
wohl gehen müsste, um nicht mehr umdreh'n zu könn', nicht
mehr wiederzukomm', was würd dann übrig bleib'n,
von Dir, von Mir - vom kleinen Stückchen Uns.


Es ist egal, denn nun steig' ich hinab in ihre Tiefen, ich stehe an
dieser Stelle am Strand und starre in die dunkle Ungewissheit
hinaus. Nichts, ich sehe nichts und fühle nichts, immer wieder ein
wankelmütiges Schaukeln aufkeimender Hoffnungsschimmer,
die mir das Gefühl geb'n, als würdest Du jeden Augenblick wieder
vor mir steh'n. Ich gehe zwei, drei Schritte ans Wasser heran,
hinein, bis die Knöchel meiner Stiefel im eiskalten Nass gefang'n
und im Sog des schlammigen Sandes eingesperrt sin'. Eiskalte
Haut, so blau. Ich sehe die Schaumkronen auf den Wellen, es
scheint als stünden sie in gierigen Flammen der Kälte. Ich hab'
mich an ihnen verbrannt un' meine Haut glüht in erregender
Taubheit. Nichts, absolut nichts. Asche und Staub - blau-grau.
Ich bin in diesem Krieg gefang', in mir, und verloren in meiner
inneren Flut, die mich zu ertrinken droht. Ich spüre keinen
Atem in meinen Lungen als ich mich weiter fortbewege, welch
gefährliche, reizvolle Liebschaft. Ich fürchte mich, Dich nie
wieder zu finden, vielleicht auch, dass mein Kopf mir vor-
gaukelt, etwas nie dagewesenes zu sehen. Doch die
Dunkelheit erwartet uns alle, es gibt nichts zu verlier'n.
Ich kann die Sirenen endlich seh'n, sie kommen um mich
mitzunehm', ich kann ihre Geheimnisse hören, es ist zu spät
für mich. Eisig blau getrübt und verhang', so stell' ich
mir Deine Augen beim Aufwachen vor. Kannst Du
mich irgendwo hören, noch irgendwo spüren?
Ich suche Dich, bitte finde mich.












Erst Stund'n später bin ich schweißgebadet in
meinem Bett aufgewacht. Es ist zu früh aufzugeben,
obwohl schon soviel Zeit vergang' ist. Es ist nicht nur
Schwarz und Weiß, nicht nur Ende oder Beginn -
soviel dazwischen. Vor allem aber is' es völlig in Ordnung
an Wunder zu glaub'n. Immer wieder, solang' man kann.






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 26 Feb 2022 10:45, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 28 März 2022 13:25    Titel: 28. Lenzing
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28. Lenzing


Ein weiterer Mond, so viele, endlose Tage.
Zweihundertneunundneunzig Tage seitdem Du dich von mir
verabschiedet hast, eine Strähne um Dein' Finger gewickelt
un' meine Wange umfasst hast. Zweihundertachtundachtzig
Nächte seit Deinem Brief, Deinem Versprechen, dass Du in
nicht einmal einem Wochenlauf bei mir sein würdest. Ich
weiß, ich hatte gesagt dass ich aufhör'n würde zu zählen, doch
dieser Brief wird mich Lügen strafen. Es ist zu einem Teil meiner
inn'ren Uhr geworden, einer stillen Erinnerung und einem Ziepen
an meinen Nervenenden, den Schatten, die bei Morgendämmerung
etwas zu lang' an meiner Haut zerren. Ich hab' so viele meiner
Worte an Dich gewendet, unzählige Gedankengänge in Deine
Richtung geschickt, ob gewollt oder nicht. Doch ich hab gestanden,
hab' ausgesprochen, dass dieses Gefühl für Dich noch immer tief
in mir nachhallt, noch lang nicht verblasst, lediglich unter vielen and'ren
Dingen vergraben liegt und schlummert, da wo ich's hinterlassen hab.
Doch keinem Menschen kann ich alles erklären, ich ring' nach
Luft und bin viele Meilen von Dir entfernt. Doch ich bin noch da,
ich bin am Leben. Sag mir.. wann. Wann fängt das mit dem Fühlen
wieder an? Vielleicht werd' ich es irgendwann überstehen,
aber sag mir wenigstens endlich ob es vergehen wird und wann
genügend Zeit vergang' ist, damit es besser wird.


Ich muss fair sein, denn es liegt mir nich', in diesen Dingen zu
spielen. So, wie ich ihm von Dir erzählt hab', so hast auch Du
verdient, von ihm zu erfahren und doch fällt es mir schwer,
die Karten für beide Seiten aufzudeck'n, zuzugeben, dass es
nie zu spät für Dich un' mich wäre. Doch er hat das ewige,
schlechte Gewissen gegenüber Dir gemildert, hat mir gezeigt,
dass ich auch außerhalb meines Kummers zu Dir noch immer da
bin, ich bin, ein Mensch aus Fleisch un' Blut, der es verdient auch
an sich selbst zu denken. Einer der neben Trauer und Sehnsucht
auch Begehren und Freude empfinden darf, Anziehung und Nähe
fühlen darf und es muss, um nicht allein zu vergehen. Du hast
mir einst gesagt, dass Du mich so gern beschützen würdest, auch
wenn Dein Gefühl Dir sagt dass du es weder zu Genüge könntest,
noch ich es nötig hätte. Deine Nähe und Anwesenheit hat mich vor
so vielem geschützt, dass ich sowohl vor Dir, als auch in Zeiten
Deiner Abwesenheit am Leibe erfahren habe. Auch er beschützt
mich irgendwie und ich fühl' mich sicher, wenngleich mich wohl
niemand vor meiner viel zu schnellen und losen Zunge schützen
könnte - dennoch, schaffe ich es hier und da ohne bösen Traum
zu erwachen, endlich einmal zu schlafen. Die Dunkelheit hat
Erbarmen mit mir oder gönnt mir eine milde Ruhephase, denn sie
greift nicht mehr so kräftig nach meinen Haaren. Stattdessen werd'
ich in Wärme und manchmal auch in Geborgenheit gehüllt,
es tut gut, lässt mich endlich etwas atmen. Ich mag ihn und ja,
ich spüre das Blau-Grau Deiner Augen auf meinem Gesicht,
diese magische Farbe die mich wieder und wieder in ihren Bann
schlagen würde, un' in ihnen steht die stumme Frage danach,
was das alles zu bedeuten hat. Ich weiß es nich', doch wann weiß
man das schon so genau. Ich weiß, dass ihr beide mit dem Rücken
zu mir steht, angelehnt, aber nicht im Vergleich zueinander. Meine
Schultern berühren euch, ich kann euch spüren - innen wie außen,
tief vergraben in meinem Herz, unter den dunklen Enden meiner
zerfloss'nen Hoffnung und meiner Gefühle für Dich, und ganz frisch,
wie ein zarter Fingerstrich über Augenlid und Braue. Am Ende
bleibt jedoch kein Takt, kein Maß und alles ist Schwarz. Nun steht es
in eben jener Farbe auf weißem Grund geschrieb'n, ein Geständnis
oder eine Beichte, ein ungelesenes, noch immer bestehendes
Versprech'n nach Wiedersehen, dass ich mit Hoffnung in mir trag'.
Sanfte Berührungen, die zu einer Decke werd'n, Vertrauen, dass in Stille
geschlossen und Sehnsucht, die sowohl erfüllt wird, als auch klagend
nachhallt und am Strande stehend nach Dir ruft. Das reicht, keine
Vergleiche mehr! Keine Rechenschaft, für keinen von euch. Mehr
Bedeutung muss ich im Moment niemandem zukomm' lassen.
Ich gehör nur Mir.


Ich kann nicht bestreit'n, dass ich mich nun schlecht fühle und
all das nur, weil ich ehrlich sein wollte, aufrichtig. Mein Gewissen,
dieser miese und hässliche Betrüger. Ich bin keine
Frau für Lügen oder für Spielchen, sowas überlasse ich dem
Gesocks, dass sich unter falschem Mantel in Häuser schleicht un'
keine Sekunde einen reinen Gedanken hegt. Ich habe soviel
Tinte in Papier sickern sehen, Worte die davon erzählten wie sehr
ich Dich vermisse, Zahlen die Deine Abwesenheit zählten und Bitten,
dass Du zurückkommen magst. Ungehört, ungesehen, ungelesen..
unerwidert. Nur ein Satz von Dir und ich würde noch immer am
Hafen sitzen und auf das Meer starren, einer nur. Ich könnte diesen
Brief nun so weiterführen, Rechtfertigungen und Ausreden. Nichts
aber auch wirklich nichts was ich schreiben könnt', würde diese
Situation besser machen, solang' es nicht von Dir kommt. Was sagt
es über Dich und mich aus, dass ich noch immer die verschiss'nen
Tage zähle?




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 20 Apr 2022 16:45    Titel: 20. Wechselwind
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20. Wechselwind


Die Zeit fliegt nur so dahin, geschmolzen is' der Schnee,
vertrieben wurden die kalten Nächte, in denen eine einzige
Decke nicht ausreichte. Die Knospen der ersten Blumen sprießen,
die ersten lauen Wogen der Meeresluft wehen an mein Haus heran
und wecken in mir das Gefühl in meiner Hängematte in der Sonne zu
liegen und dem Rauschen des Wassers zu lauschen. Ich erwisch'
mich immer öfter beim Gedanken, auf den warmen Holzplanken
der Aurelia zu liegen, die Sonne im Gesicht und den Wind in
meinen Haaren. Mit der Vorstellung dieses so vertraut'n Gefühls
meiner Vergang'nheit kommt auch die Erinnerung an Dich zurück,
nicht dass sie wirklich vergangen wäre, aber sie pulsiert stärker,
scheint mich zu triezen. Ich kann mir selbst nicht mehr plausibel
erklären, wieso ich noch immer an Dir festhalt'. Jeder and're,
logisch denkende Mensch hätte sich längst damit abgefund'n, dass
diese flüchtig dagewesene Erfahrung der Vergangenheit angehört,
hätte eher an sich selbst gezweifelt und erkannt, dass er sich
höchstwahrscheinlich nur etwas vorgemacht hat. Vielleicht hab' ich
uns nur auf ein Podest gehoben, an das wir in Wirklichkeit nicht
heranreichen würden? Wer wird mir diese Überlegung beantworten?
Dreihundertzweiundzwanzig Tage hatten bisher keine Antwort
für mich, die Zeit ist ein dreckiger Dieb und meistens erwartet man
zuviel von ihr.


Ich habe mich in der Suche nach etwas Vergleichbarem verloren.
Was bringt es schon zu lügen, niemand außer mir wird diese
Zeilen, die einem Tagebuch gleichen, je lesen. Ich bin diesem Gefühl
der Verbundenheit nachgejagt, ich suchte nach etwas Einzigartigem,
Jemanden der meine Vergangenheit verstehen und die Sehnsucht
mit mir teilen würde, jeden noch so dunklen Flecken meiner Geschicht'.
Vielleicht suchte ich aber auch die Dunkelheit in meinem Gegenüber,
den Abgrund den ich in Dir fühlen konnte. Er war wie ein greifender,
verführerischer Sog ins Ungewisse, in Etwas hinein, das ich verstehen
un' in dem ich meine Wirklichkeit finden könnte. Wie die dunklen
Gewitterwolken in einem Sturm, die unaufhaltsam auf das Schiff
zuschwemmen. Man könnt' ihnen möglicherweise ausweichen,
doch irgendetwas.. das Kribbeln in den Fingerspitzen hält uns davon
ab, das Steuer zu wenden. Ich hatte nicht die Absicht mich blind in
dieses Unwetter zu stürzen, ich hatte nicht einmal vor jemanden an
mich heranzulass'n. Ich wollte hier bei meiner Familie sein und diese
Idee weiter ausbauen um meine Mannschaft, ganz insgeheim, an
Gerimor zu binden und sie immer wieder in meine Nähe zu locken.
Viele Jahre hatten wir mit verschiedensten Waren gehandelt un' auch
geschmuggelt, so würde ich ihnen immerhin eine sich're Einnahme-
quelle bieten un' sie regelmäßig sehen. Diese ganze Rechnung allein
zu bleiben, mich hier und da maximal für ein wenig Spaß zu
verheddern hatte ich nur nicht mit Dir gemacht - naja oder mit mir.
Wahrscheinlich war's meine eig'ne Schuld, dass ich es zugelassen hab',
Dich zu mögen, meinem Kopf zu erlauben sich mehr, viel mehr,
auszumalen. Und bis zu diesem Punkt der Geschichte weiß 'ch noch
immer nicht, ob es Dir auch nur ansatzweise ähnlich erging, ob Du
absichtlich oder ohne aktives Zutun vom Erdboden verschluckt
wurdest. Ich habe die ganze Zeit auf Klarheit gehofft, denn die
Ungewissheit ist eine Zeitschleife von brennenden Ohrfeigen -
wenn ich aber nun überleg' ob Klarheit mir weiterhelfen würde,
so weiß ich es nich' einmal. Ich wüsste dann entweder dass Du nicht
mehr lebst, was mich schon beim Gedanken daran absolut hilflos
zurücklässt oder dass Du absichtlich weggeblieben bist, was das
Ganze nicht wirklich besser machen, sondern mich eher dazu
veranlassen würd' an mir selbst zu zweifeln. Dann gäb' es noch die
Möglichkeit dass Du unfreiwillig nicht zurückgekommen bist, warum
auch immer - doch auch diese Variante ließe mich mit gebundenen
Händen zurück. Gewissheit ist also vielleicht doch nicht immer die
soviel bessere Wahl.


Es gab einen Seefahrermarkt, den wir veranstaltet haben.
Und neben den Waren vom Festland und all den Spielereien von
Enrico, Rhena und mir, hatten auch ein paar hölzerne Stücke in
unsere Auslage gefunden. Alte, restaurierte Schiffslaternen un'
Pfeifen, ebenso wie passende Tabakkästchen. Wie schön es gewesen
wär', wenn sie Deinen Händen entsprungen wären, mit viel Mühe un'
Sorgfalt aber ebenso mit der Rauheit der See gestaltet. Ich bin mir
ziemlich sicher, dass vieles davon Dein Interesse geweckt hätte.
Wir haben ihn in Adoran veranstaltet, wenngleich Bajard vermutlich
passender gewesen wäre, aber Bajard ist nicht mehr das Bajard,
das es einmal war. Davon abgesehen, dass die alte Herberge vor der
wir Abends saßen abgebrannt is', habe ich das Gefühl, dass es in
diesem Fischerdorf nun wirklich nur noch um das sprichwörtliche
Öffnen von Dosen geht. Deswegen war es am Ende eine gute Wahl,
den Kraken mitzunehmen und etwas Wirkliches daraus zu machen.
Wir beide wissen, dass Bajard mir kein Glück gebracht hat und am
Ende hätte ich mich darin verloren, Tag für Tag aufs Wasser hinaus-
zustarren und zu hoffen. Auch wenn ich im Meer nun immer öfter
wieder mein geliebtes Meer erkenne, so bilde ich mir manches Mal
noch immer ein Dich zu riechen oder die Farbe des Mantels zu
erkennen, den ich Dir aus den Segeln der Aurelia hab fertigen lassen.
Ein Übel löst für Gewöhnlich ein anderes ab, was soll man machen.
Es ist, wie es ist - die vertraut gewordene Floskel. Dennoch ist es
gruselig, dass es beinahe ein Jahr her ist, dass ich Dein
Versprechen vernommen habe. Und wieder.. ist es zu kalt,
um ohne Mantel am Meer zu sitzen, auch wenn es lockt.






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 20 Apr 2022 21:30, insgesamt einmal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 02 Mai 2022 12:20    Titel: 02. Eluviar
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02. Eluviar


Küstengeborener, verwandter Meeresgeist,
dreihunderundvierunddreißig Tage ungebrochene
Ungewissheit. Die Erinnerung an Deine Handschrift brennt noch
immer wie ein frisch gestochenes Hautbild auf meinen Erinnerung'.
Ich erinnere mich, wie Du die hinabfallenden Blitze als Purpurlichter
beschriebst, daran wie Du überlegtest mich zu Dir holen zu lassen,
immer wieder. Was wär' wohl passiert hättest Du Dich dafür un' nicht
dagegen entschieden, wo wäre ich nun oder wär' ich überhaupt noch?
Allein dieser Gedankengang von Dir, niedergeschrieben auf Papier,
dass Du mit Deiner Handschrift zu etwas Besond'rem gemacht
hast, lässt mich daran zweifeln, dass es Dein freier Wille war
fortzubleiben. Es wird gerade erst hell draußen und der Tag
verkündet ein regenreiches Grau in Grau, ein Nebelkleid, dass den
Spiegeltisch am Boden umrandet und all die aufragenden Grashalme
mit kleinen Tränen schmückt. Es scheint als würd' sich der Qualm
meines Glimmstängels mit dem Nebel und den dichten Schwaden
vermisch'n, die aus dem Norden der Insel langsam zu uns
herannah'n. Pupurlichter, die dieses Mal nicht durch eine Naturgewalt
sondern durch einen Drachenschwarm entsteh'n, der zuletzt Wulfgard
angegriffen hat. Ich nehm' an, dass der Regen auch die letzte
Hitze aus den strohbedeckten Dächern treibt und hinauf in die
Luft wirbelt. Um ehrlich zu sein sin' meine Gefühle dazu gemischt,
denn wo die meisten der beschränkten Geister meinen Glauben an
Meeresgötter, Nymphen oder andere Meereswesen belächeln,
jagen sie einem Drachenschwarm oder dem Nichts hinterher, dass
in Form einer großen, roten Kristallspinne sein Unwesen treibt,
oder huldigen ihren eigenen Göttern, welchen sie schon soviele
Male durch eine Erscheinung begegnet sind. Würde doch auch
keiner glauben, der's nicht mit eigenen Augen gesehen hat.
Wieso also maßen wir uns an, über den Glauben eines Anderen
zu urteilen, wenn die eigenen Überzeugungen ähnlich unmöglich
anmuten. Wir können uns ganz einfach dazu entschließen sie
zu respektieren, auch wenn wir dieses blinde Vertrauen
nicht teil'n. Ich akzeptiere es, doch ich begreife nicht, wie man
sich der Magie un' dem Zauber, der Einzigartigkeit und der
Schönheit der See entziehen kann. Es liegt soviel Macht, soviel
Stärke und gleichzeitig soviel Ruhe darin, dass es manches
Mal erschreckend ist.


Das erste Mal stehen meine Geschwister un' ich an Land
oder im Kampf, um uns dem Schutz anderer anzuschließen.
Es gefällt mir nich', denn ich würde meine kleine Schwester am
liebsten in den Keller sperren oder ihr verbieten in diesem Tumult
aus Feuer, dem Geruch nach verbrannter Haut und Erde oder auch
dem Blut zu stehen. Ich spüre so langsam die Verbundenheit zu Ihnen
und auch wenn ich sie gern um mich hab' und ihnen eine gewisse Liebe
entgegenbring', so gefällt es mir nicht, dass sie mich ähnlich wie Du,
verletztlich machen. Ein Teufelskreis wenn Du mich fragst, denn ein
Einzelgänger zu sein ist so verdammt einsam. Du hörst es also, ein
neues Unglück schwebt wortwörtlich über der Insel und hat sich in
Gestalt eines riesigen, schwarzen Drachen versteckt, den ich insgeheim
wegen dem fürchte, was mir inzwischen lieb und teuer geword'n ist.
Während ich Dir ein weiteres Mal schreibe, habe ich die Zeichnung,
die unter der Schreibkladde liegt, unterbrochen. Nichts kunstvolles
in Form eines Gemäldes, sondern der Umriss eines neuen Hauses,
dass sicher einige Mühen von uns abverlangen wird, das aber früher
oder später der neue Kraken werden soll. Dort, wo das Meer sichtbar
aus allen Steinfugen sickert, mit Seekarten und einem alten
Steuerrad an den Wänden, mit einem Platz für Geschichten und all
die kunstvollen Ausdrucksweisen, die sich mittlerweile in unserem
Haus finden. Einer Galerie und einer Zeichenecke, und einer
gemütlichen Taverne, einer Laube im Garten, einer Hängematte
zwischen den Bäumen zu welcher die Seeluft hinüber weht und
einem kleinen Boot, wie es auch in meinem Garten steht. Du kennst
mich gut genug um zu wissen, dass meine Fantasie übersprudelt und
doch möchte ich, dass es perfekt wird, sodass man das Meeressalz
förmlich auf den Lippen schmecken kann.


Ich wünschte Du könntest das Alles sehen und ich Dich, das
nachdenkliche blau-grau Deiner Augen. Dir einen Teil des so
begehrten Meeres schenken, dass uns beide so angezogen, in
seinen Bann geschlagen un' verbunden hat. Manches Mal versuche
ich mich so gezwungen an Deine Stimme zu erinnern, dass in
meinem Kopf nur ein blindes Rauschen entsteht, das alles Andere
übertönt, als wollte es mich verspotten. Ich wünschte zu wissen,
ob Du noch irgendwo bist, auch wenn ich davon schrieb das
Ungewissheit sowohl ein Verräter als auch eine Milde sei. Es wäre
ein schreckliches Ende, mit dem ich noch immer nicht in der Lage
wäre umzugehen, aber es wäre ein Abschluss, verstehst Du?
Ich bin versucht mir einen Zeitpunkt zu bestimmen an dem ich
einen Schlussstrich ziehe, dick und mit Tinte, sodass ihn niemand
wegzuwischen wüsste, doch diesen Vorsatz habe ich mir schon
einmal gesetzt und sang und klanglos gebrochen. Singen ist
einfach nicht so mein Ding. Bevor Du gingst war ich nie soweit,
Dir viel von meinen Gedanken Dir gegenüber preiszugeben, doch
nun da fast ein Jahr vergangen, die Sturmtrauer über Deinen
Verlust aber nicht abgeklungen ist, sage ich Dir offen, wie gern
ich mich auch an einen einzigen Kuss erinnert hätte und welch
Lücke Deine Abwesenheit hinterlassen hat.
Wind in den Segeln.. Salz auf der Haut.






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 11 Mai 2022 07:34, insgesamt einmal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 11 Mai 2022 10:26    Titel: 11. Eluviar
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11. Eluviar


Wenn schwarze Drachen vom Himmel fallen und alles
Vorhandene in tiefkohlefarbene Asche eindecken frage ich
mich, was ich mir dabei gedacht habe, das Meer zu verlassen
und an Land zu gehen. Weg vom Ort aller Möglichkeiten und
Träume, ein Stück weiter weg von Meeresgöttern und Fabelwesen,
an die ich tief in meinem Herzen schon seit meiner Kindheit glaube.
Wahrscheinlich wäre es klüger, Solcherlei nicht laut auszusprechen
und sich stattdessen in die Ernsthaftigkeit einer erwachsenen
Frau zu kleiden, ob der Stoff nun passt oder nicht - nicht jeder
muss wissen, was ich unter meinem Mantel trag', ob ich etwas
darunter trag'. All die dunkle Tinte, die als Erinnerung an den
unterschiedlichsten Stellen un' unter der Oberfläche meiner Haut
lebt, danach greift und die Gedanken lebendiger, wieder
wirklicher werden lässt, zusammen mit meinen Fantasien,
die wie dunkelblaue Schlieren durch meinen Kopf tänzeln und
sich zu den verschiedensten Figuren formen, zu wunderbaren
Wortspielereien, die ich zusammenzuflechten versuche, aufdass
ein wohlklingendes Ergebnis meiner Gedanken entsteht. Dort wo
Andere graue und dunkle Wolken sehen, dort erkenne ich wie
die Wut der Welten sich sammelt, zusammenbraut und zum lauten,
gellenden Zornesschrei herausbricht. Ich sehe schwarz
schimmernde Kelpies durch das dichte Meer aus Gewitterwolk'n
schwimmen oder eine dichte, wassergefüllte Wolkenwelle
verschlingend über eine andere hinwegrollen. Ich kann nicht
aus meiner Haut, denn wo hier die Unglücke aus greifbaren
Wesen bestehen, die man bekämpfen und wahrhaft erfassen
kann, wird die See oftmals durch die See selbst bekämpft, als
hätten all die Geschöpfe und Götter ihre Geschütze gegeneinander
aufgefahren, nur um Stunden später wieder zur Ruhe zu komm',
wie ein kurzes Spiel gegen- und irgendwie auch miteinander,
ein Triezen, das zu einem Ganzen, einem wunderbaren
Abenteuer verschwimmt.


Stunden, Tage und Monate ziehen sich durch mich hindurch
wie Flussläufe, die ihren Weg von vornherein kennen. Sie
zweifeln niemals an ihrem Plan, sie stocken oder hadern nich',
sobald sie auf erste Hindernisse stoßen. Ich bin wie eine Landkarte,
auf der jeder Ort seinen Platz hat und jede Distanz einen ganz
selbstverständlichen Punkt einnimmt. Während meine Gedanken
nicht selten jene Wege nachfahren, die am deutlichsten auf
mich geschrieb'n wurden, summieren sich kleinere Rinnsale zu
schmalen Bächen. Alles fliesst und plätschert, wie das Wasser
dem ich des Abends lausche, nichts bleibt mehr als ein, zwei
Augenblicke lang bestehen. Noch immer präsentieren mir
meine Träume ein von Angst und Unruhe erfülltes, bewegtes
Bild davon, wie ich eines Nachts im Schlaf von den Wassermassen
weggespült werde, wie lockeres Schichtgestein. In diesen
Momenten wenn ich unruhig erwach, schließe ich die Augen und
versuch' entschlossen Dämme in mir zu bauen, sodass sich all
das Wasser an einer einzigen Stelle zu sammeln beginnt.
Mit den kommenden, ruhiger werdenden Atemzügen sehe ich
den Spiegel steigen, ich nehme wahr, wie sich das Strudeln nach
und nach verlangsamt, das innere Plätschern leiser wird und
schließlich ganz verstummt, der Grund unter mir undeutlicher wird.
Für einen kurzen Augenblick ist dort kein Reissen mehr und
ich werde zu einem stillen, tiefen und dunklen See.
Man sollte meinen, dass ich durch die Jahre mehr und mehr
Übung darin habe, mich in diesem See zu finden und doch fällt
es mir oftmals viel schwerer als an anderen Tagen. Ich verlier'
mich in Erinnerungen, die ich jeden Tag mehr zu verdräng'
versuch. Daran wie wir am Strand im eigentlich noch zu kalten
Sand sitzen und uns die eigenen Lücken gestehen, Risse, sowohl
in der sichtbaren Oberfläche als auch weiter Innen. Uns hin und
wieder von der Seite beobachten und die Umrisse der
fortschreitenden Dämmerung erahnen. Geschichten, die nichts
miteinander zutun haben und gleichwohl ineinander verflochten
scheinen wie das Geplänkel meiner Worte. Der Deut als fühlten
wir uns von der Dunkelheit des anderen angezog'n und würden
dennoch nach dem Licht des jeweils anderen greifen.


Ich muss dieser See sein, wieder,
zum See werden, erneut,
und doch vermiss' ich das Gewitterblau in Deinem Gesicht.




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 03 Jun 2022 08:48    Titel: 03. Schwalbenkunft
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03. Schwalbenkunft


Geist der Meeresgischt,
ein Jahr ist vergangen, seitdem Deine Finger das letzte
Mal mein Gesicht berührt haben. Ein ganzer Jahreslauf,
zwölf Monde, zweiundfünfzig Wochen und endlos lange und
ungewisse dreihundertsechsundsechzig Tage. Die Stunden
auszurechnen wär' ein leichtes, doch wozu
- wofür all das hier?


Wie viel Zeit davon ich damit verbracht habe an Dich zu
denken oder auf den Hafen und das Meer zu starren, um
mich zu fragen was bei allen Meeresgöttern ich nur falsch
gemacht habe. Nachzugrübeln ob Du aus freien Stücken oder
durch Zwang weggeblieben bist, ob es Dein Tod oder Deine
Vergangenheit war, die Dich schlussendlich eingeholt haben, ob
ich mir das Alles nur eingebildet habe - am Ende doch wie all die
anderen bemittleidenswerten Weiber, die sich in jeden beliebigen
Kerl vergucken. Ich hab lang' versucht etwas Vergleichbares zu
finden, mich abzulenken oder verschiedenste Charakterzüge in
schwammige Oberflächlichkeit zu interpretieren, nur um es mir selbst
einzureden und irgendwann vielleicht daran zu glauben, von wegen.
Im Gegensatz zu meinem Bruder Amergio trage ich all das, was ich
hier an Dich schreibe nur selten an die Oberfläche des Tages. Kaum
jemand hat je Deinen Namen aus meinem Mund gehört und selbst
die Menschen die davon wissen, dass ich noch immer auf ein Zurück-
kommen hoffe, sind an zwei Fingern abzuzählen. Meine tiefsten
Abgründe sind nicht offen zur Schau gestellt, die dunklen Flecken
meiner Seele mit keinem Tuch wegzuwischen. Niemand muss wissen,
dass Du mich noch immer umtreibst, dass ich manchmal ungefragt
und ungewünscht von Dir träume oder Dich in meinem Gegenüber
such'. Wie lächerlich, wenn das abenteuerlustige Meeresmädchen,
von welchem man denkt es würde in der Takelage sehnsüchtig nach
dem nächsten Sturm schauen und von welchem man sagt es wäre
die Bezwingerin aller in Sagen festgehaltener und erdachter Meeres-
ungeheuer, am Ende des Tages doch nur die Frau von der Kohlestift-
zeichnung wäre, die Du einst für mich maltest. Schwarz auf weiß,
nur diese eine Farbe ohne Facetten, lediglich von Schatten umgeben,
die sie nicht abzustreifen weiß. Wie enttäuscht wärst Du wohl?
Wie enttäuscht wärst Du, wenn du wüsstest, dass ich in der
Vergangenheit verweile, während ich an einer Zukunft zeichne?
Mein Versprechen zwar irgendwie gebrochen, aber doch gehalten
habe, indem ich noch immer festhalte und schreibe.


In diesem einen Jahr hat sich soviel verändert, was du verpasst
hast. Das Gasthaus in dem Du einst wohntest ist den Flammen zum
Opfer gefallen, die Holztrümmer des Hauses haben den Jasminbusch
unter sich begraben. Bajard ist zwar wieder belebter, doch wird es von
einem Ruf umgeben der mich stolz macht, nach Adoran gegangen zu
sein. Der Kraken wächst und gedeiht und nie hätte ich für möglich
gehalten, dass diese Idee zu etwas so großem keimt. Ich habe Hass,
Zorn, Oberflächlichkeit, Betrug, Arroganz, Gier, Neid und Hochmut erlebt,
von Letharen, irgendwelchen dahergelaufenen Kerlen die es nicht wert
sind beim Namen genannt zu werden, von Rittern und Fußvolk, von
Weibern, deren Masche sich in jedem noch so schönen Gesicht spiegelt
und so vorhersehbar ist, wie das auf einen Abend ein neuer Tag folgt.
Doch Du weiß genau wovon ich sprech', Du hast es selbst erlebt, selbst
gesehen. Einerseits ist's interessant, andererseits ist es das langweiligste
der Welt. Ich habe das Gefühl, dass ich Dir soviele Dinge schon tausend
Mal geschrieben habe und dennoch wirst Du wohl nie etwas davon
erfahren. Ich trinke auf Dich, der Sand am Strand hält noch immer die
Kälte des Winters in sich verborgen, doch mit einer Decke geht es, lässt
sich für den Moment meines Briefes aushalten, ertragen, genießen.
Ich sehe wie sich die grauen Wolken der Gischt an das Ufer kräuseln,
um in den Körnern zu versickern, ihn ein wenig verdunkeln und nach
und nach zurück in das Meer fließen. Ein Jahr und ich sollte loslassen,
aufgeben, einsehen, mich dem Kreislauf der Zeit vollständig
aushändigen. Wieso habe ich die ganze Zeit über geglaubt, dass es
ein Zurück gibt? Wieso habe ich gehofft, dass alles nur ein Zufall
war und Du eines Tages zurückkehrst um mich eines besseren zu
belehren. Warum gedacht, dass auch Du es gespürt hast. Wieso daran
geglaubt, dass Du eines Tages nach Hause, hier zu mir, kommen
würdest um zu bleiben. Ich hatte mich vorher nie für naiv gehalten,
doch nun tue ich es und es bleibt kein Frieden in
meinem Whiskyglas,.. warum?


Nachdem ich einen Stundenlauf auf dieses Papier und das Meer
hinausgeblickt habe, beendet ich das hier, vorerst. Es gibt Momente
in denen kann kein Wort und kein Satz und auch keine Antwort
den Gedanken gerecht werden. Ich vermisse Dich und es tut mir
Leid, dass ich Dich nicht längst losgelassen habe. Ich gelobe
Besserung, ich hoff's. Du hast Freiheit verdient, jeder,
und meine Schreibfeder gehört zerbrochen.






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 Beitrag Verfasst am: 02 Aug 2022 13:59    Titel: 02. Ashatar
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02. Ashatar


Raue Luft des Meeres, stürmischer Geist der Weiten,
kennst du das Gefühl, wenn man nich' mehr sicher ist was
man fühlt und was nicht? Ein Schimmern im Hintergrund, etwas
Stummes, eine Prise Gleichgültigkeit und Wehmut, ein helles,
durchscheinendes Tuch Schwere, das bleiern über den Schultern
hängt und das Gefühl vermittelt, dass etwas fehlt. Man ist irgendwie
traurig un' irgendwie auch nicht, unentschlossen, wankelmütig und
hin- und hergerissen zwischen sovielen Empfindungen. Was davon
ist wahr und welches nur das trügerische Bild einer Lüge?


In dieser Sekunde ist es erdrückende Trauer, die meinen Hals
glühend hinaufklettert und meine Lippen trocken werden lässt, sodass
ich sie mit der Zunge befeuchten möchte oder lieber darauf warte,
dass eine einzelne Träne der Schwäche sie benetzen wird. Ich bin
noch immer hier, doch alles andere is' es nicht mehr. Mein Haus,
mein Küstenhaus ist fort, für immer. Ich sitze im klammen Sand des
schmalen Strandstreifens und in meinem Rücken ragt das Fundament
eines neuen Hauses auf, einem anderen Haus, das wahrscheinlich
niemals mir gehören wird, denn wie wir beide wissen, ist das Glück
nur selten auf meiner Seite. Seine Stufen reichen an den Sand heran
und der Name Küstenhaus bekommt eine völlig andere Bedeutung als
noch zuvor. Fort, weg.. das Boot in meinem Garten ist in die stürmischen
Wellen getrieben, die in das Viertel geschwemmt sind oder an einer zu
scharfen Wasserspitze zerbrochen, wie ein Teil meines Herzens. Hier
hatte ich mich das erste Mal wirklich Daheim gefühlt, zum ersten Mal
von Begegnungen berührt, seitdem ich mein altes Leben an Bord hinter
mir gelassen hatte, ja.. hier war ich ich. Keine Sorge, ich weine nicht,
es ist nicht so wie's aussieht, ich hab nur glasige Augen weil die Birken
am blühen sind. Gelogen ohne rot zu werden, zumindest nicht dass es
jemand gesehen hätte. Das Fundament des neuen Kraken steht ebenso,
doch ein Geschäft oder ein Gemeinschaftshaus sind kein Zuhause.
Irgendjemand sagte einmal, dass man Heimat nicht von Gebäuden
sondern von Personen abhängig machen sollte un' natürlich stimmt das
in gewisser Weise, in diesem Fall jedoch war das Küstenhaus meine
Sicherheit, meine Erinnerungen. Ich glaube ich habe Angst, dass ein
anderes, ein neues Haus irgendwo in Mitten des Viertels nicht mehr "Ich"
bin. Angst, dass es mich zurück aufs Meer zieht, weg von Adoran, weg
von Gerimor, zurück nach Aschenfeld oder zurück zu Sivert. Genau dort,
in Sichtweite zum Meer, war es einfach immer richtig.


Zwei Monde habe ich es geschafft nicht zu schreiben, ich habe sogar
eine kurze Weile aufgehört die Tage zu zählen seit Du verschwunden bist,
nicht dass es einen Unterschied machen würde. Ich hab' mit diesen
Briefen an Dich die Leere gefüllt, mit der ich zurückgeblieben war, im
Bewusstsein, dass ich wahrscheinlich nie eine Antwort oder ein Lebens-
zeichen erhalten würde, wieso auch? Ich wollte nicht mehr schreiben,
hatte mir eine gedankliche Linie gezogen, ab wann ich aufhören würde
und dachte ein ganzer Jahreslauf des wartens sei genug. Ich fand
es jedoch nur fair Dir mitzuteilen, dass ein weiterer Ort unserer
gemeinsamen Erinnerungen dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Keine bajarder Herberge mehr, kein Küstenhaus mehr.. nur noch das
kleine, geschnitzte Abbild aus Deinen Händen und der schmale Streifen
hellen Sandes, der durch das Aufschwemmen des Strandes grobkörniger
erscheint und viel mehr Erde in sich trägt. Dunkel wie meine Stimmung.
Welch Ironie, unter dem Gewicht meiner Gedanken bin ich hier
gestrandet, das Meer, von dem ich Jahre meines Lebens Kraft
geschöpft habe, saugt mich in meiner Zeit an Land vollkommen
aus. Ich bin müde, ich gehe zurück.. wohin auch immer.




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 19 Sep 2022 15:11    Titel: 19. Searum
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19. Searum


Wie viele verschiedene Schreibweisen es vom Wort 'Ende'
wohl gibt, Eli. Abschluss, Ausgang, Beendigung, Ausklang,
Abschied, Heimgang, Finale, Eckstück, Rest, Schlussstrich.
Sie erinnern mich eher an Tod als an Ende, doch vielleicht ist
das auch das Gleiche, zumindest für Dich. Du, der mich
unwissend zurückließ, gefangen in einem ewig währenden und
widerlichen Kreislauf von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit.
Oh, ich habe diesen Zweitnamen gehasst, er war so schlicht
und zu einfach, alles Andere als Du je für mich warst, doch
heute, ist er gerade gut genug für mich. Du hast mich für den
Eindruck und den Anblick des Meeres verdorben, denn mit ihm
kommt die Trauer und die Wehmut über Deinen Verlust. Mit ihm
kommt die Wut, die Wut darüber, dass ich dumm genug war zu
glauben, dass Du eines Tages wie versprochen zurückkehren
würdest. Ich hasse Dich und doch habe ich all die Tage, Wochen
und Monde nicht weniger für Dich empfunden. Ich habe in Dir
etwas erkannt, dass ich mein Leben lang in mir selbst
wahrgenommen habe und hatte wirklich geglaubt, dass es
etwas zu sagen hätte - es auch Dir etwas bedeuten würde.

Zuerst war nur mein Kopf ein wenig verdreht, doch je mehr
Zeit verging, desto mehr Zeit hatte dieses Gefühl zu reifen und
sich zu festigen. Ich habe Dich geliebt, auch wenn Du nicht mehr
mit mir gesprochen hast, weil Du fort warst. Doch ich bin mir zu
schade geworden auf Jemanden zu warten, dem es allem Anschein
nach Gleich ist. Niemand sollte mir mehr wert sein als ich Selbst
und glaub mir, ich habe in vielen Lebenslagen zu lang gebraucht,
um es zu begreifen. Du möchtest nicht in meinem Leben sein? -
Ich habe es begriffen und danke Dir für diese lehrreiche Lektion.
Du hast bekommen was Du scheinbar so dringend erhalten wolltest,
Freiheit, Ruhe, Einsamkeit, denn ich werde Dir keine weiteren Briefe
mehr schreiben. Hier ist er, der lang ersehnte Schlussstrich unter
dem dünnen Faden Hoffnung. Solche kommen nicht über Nacht
sondern bauen sich mit Einsicht und Zeit auf, zuerst malt man sie
nur mit einem Kohlestift, so dünn, dass man sie mit dem
Hemdsärmel wegwischen könnte. Dann traut man sich sie kräftiger
zu zeichnen, dann noch ein wenig dicker - und irgendwann nimmt
man sich eine Tintenfeder zur Hand, damit zumindest das Pergament
diesen kurzfristigen und im besten Falle längerfristigen Entschluss
nicht vergisst, erinnert und auch mahnt.

Zum Abschluss meines Briefes:
Das Küstenhaus wie Du und ich es kannten gibt es nicht mehr,
Dein Geruch, den ich mir noch viele Monde einzubilden glaubte, ist
verflogen, denn mein Haus ist nun ein Anderes. Der Stil ist der
Gleiche geblieben doch irgendwie hat es sich verändert, ich habe es.
Ich danke Dir für all die Momente die ich mit Dir teilen durfte,
ich habe sehr viele Dinge erkannt, die ich vorher nicht über mich
wusste und auch hinterher sehr viele Momente durchlebt, von
denen ich nicht glaubte sie in mir zu beherrbergen. Dunkle und
helle, dunklere und ganz finstere. Doch nun, bleibt Deine letzte
Möglichkeit mich persönlich zu finden. Solltest Du es aller
Erwartung nach nicht tun, so wird dies das Letzte sein
was Du je von mir hören oder lesen wirst.

Machs gut mein Meeresrauschen, Küstenknabe und
grau-blaue Sturmtrauer, Salz auf Deiner Haut.
In Liebe






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 19 Sep 2022 15:14, insgesamt einmal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 11 Apr 2023 15:11    Titel:
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 11 Apr 2023 15:45    Titel: Tagebucheintrag 1 - 11. Wechselwind
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11. Wechselwind



Liebes Tagebuch, all ihr Geister der Vergangenheit,

bevor ich dieses neue Buch beginn', möcht ich die Frage
beantworten, die in unser aller Köpfe lauert. Nein, ich
schreibe nicht wieder, nicht mehr um die Briefe ins Meer
zu schmeißen, in der aussichtslosen Hoffnung dass
irgendjemand sie finden wird. Die Zeit, sie rennt, vor allem
aber liefen die Gedanken aus meinen Augenrändern,
würde ich nicht erneut beginnen, sie niederzuschreib'n.
Papier ist geduldig un' so wird dieses Buch weder über mich
urteilen, meine Zeilen bewerten oder irgendwas des
Geschriebenen an eine andere Seele geben. So viele Monde
habe ich nicht mehr geschrieben, meine Schreibfeder, meine
Zeichenkladde und auch die zusammengehefteten Briefe
waren in einer staubigen Truhe verstaut, die ich zusammen
mit den Erinnerungen an's Küstenhaus eingelagert habe.
Die Begegnungen mit Zukunft und auch der Vergangenheit
fluten mich seit einiger Zeit von vielen Seiten, ich habe soviel
zu erzählen, soviele Momente noch einmal zu überdenken
und die Deutung vieler Worte zu verstehen.

Eigentlich hatte ich beschlossen all das zu verdrängen, all
die Ärgernisse über Menschen, Vergangenheit oder die
unschönen Erlebnisse, sogar die schönen. Nichts davon wollt'
ich noch spüren, habe es sogar drauf angelegt taubt dafür zu
sein, mich den Dingen gegenüber leblos zu fühlen. Doch man
kann nicht offen sein, ohne verletztlich zu werden. Man kann
auch nicht sommertags in einem See schwimmen, ohne nass
zu werden. So ist das Leben, es fordert uns so manches ab.
Entscheidungen, Wagnisse, immer und immer wieder
Vertrauen, Geduld und am Ende immer wieder auch ganz
schön viel Mut. Für jeden Anfang, der auf ein Ende folgt,
jeden Schritt hinaus und hinüber zu allem was zählt, uns weh
tut oder auch gut. Vielleicht muss man sich nur oft genug
und immer wieder auf's Neue für sich selbst entscheiden.
Dieses Mal habe ich gespürt, als ich diese Entscheidung
getroffen hatte, ich fühlte mein Selbstbewusstsein zu mir
zurückkehren, merkte sogar, wie ich wieder mutiger wurde
und auch meine freche Ader wieder angenommen hatte.
Anders als erwartet spürte ich diese Veränderung nicht an
mir selbst, sondern an meinen Gegenüber.

Heute schreibe ich an und für niemanden anders als Mich.
Etwas das ich zu lang nicht mehr getan habe, an mich zu
denken. Nicht weil ich es irgendjemandem Recht machen
wollte, mich zu den falschen Menschen hingezogen fühlte,
die nur darauf warteten, mir das Messer in ihren Händen in
den Rücken zu rammen, oder weil ich dachte dass es mir
mit ihnen besser gehen könnte. Ganz oft habe ich überlegt
worauf ich eigentlich warte, bessere Zeiten? Vielleicht hätte
es gereicht, wenn irgendjemand vorbeigekommen wäre und
mir gesagt hätte, dass schon alles wieder gut werden würde.
Jemand, der es auch wirklich und wahrhaftig so meint.
Zwischenzeitlich hatte ich einfach aufgehört zu glauben, so
wie man aufhört zu rauchen, ich hab aufgehört an irgendwas
zu glauben, womöglich schon viel länger als ich es selbst
zugeben würde. Keine Meerjungfrauen, kein Zauber der See,
vor allem aber nichts anderes als strikte Tagesabläufe und
Arbeit. Was aber, wenn es nur diesen Regenbogenfisch brauchte,
ein 'was wäre wenn?' oder ein 'was wünscht du dir wirklich?'
Ich würde noch ein wenig darüber nachdenken. Zuerst hatte
ich einen Brief zu beantworten und ich konnte mich beim besten
Willen nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen
persönlichen Brief erhalten hatte. Ein Brief, ein Abendessen
und wenn es nach mir ginge, auch eine Massage für meine Schläfen,
ein wenig Ruhe und etwas mehr Zeit. Eins nach dem Anderen.






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 27 Feb 2024 11:19, insgesamt 2-mal bearbeitet
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