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[Q] Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist...
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 12 Jun 2021 19:40    Titel: [Q] Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist...
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Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…

                              ...silbergrau.


Ängste waren etwas, das es zu überwinden galt. Er machte sich gut darin inzwischen, was das Meer und den Schiffbruch anging. Womöglich war eine längere Überfahrt noch immer eine Herausforderung, aber er würde es sich inzwischen wieder wagen, davon war er überzeugt. Sein anderes Problem, die Tatsache, dass ihm übel wurde, wenn jemand oder etwas blutete, hatte sich seit einer geraumen Weile vollständig gegeben. Es musste so sein und er hatte es geschafft, diese damals noch ausgeprägte Aversion zum sichtbaren Lebenssaft abzulegen und dank seines Willens zu bezwingen. Es war mühevoll und schwer gefallen, sehr schwer, aber es war ihm gelungen und seither zum Glück auch nicht mehr der Rede wert.

Es gab noch eines, was ihm zu schaffen machte – etwas, wovon nur eine weitere Person und der Herr selbst wusste. Etwas, das so richtig untypisch war für jemanden, der dem Tempel diente, sollte man meinen, aber die Dunkelheit machte ihm dennoch sehr zu schaffen, jedes Mal wieder. Auch wenn die Nacht des Panthers Freund war, so war es bei ihm nur bedingt der Fall. Darum war er stets dankbar dafür, dass er nicht im Dunkeln wandeln musste, selbst wenn es doch noch so finster um ihn herum war.
Natürlich hatte er sich bemüht, während der Feiertage im Alatner, den Prüfungen diesbezüglich zu stellen, allerdings gab es da Umstände, die nicht nur bei ihm lagen, die es ihm schwer machten dabei zu bleiben und daran zu arbeiten. Bis heute war es ihm im Grunde nicht sonderlich gelungen daran etwas zu tun. Und noch immer überragte das Unbehagen in der Dunkelheit fast alles, wenn er allein für sich war. Waren andere dabei, vergaß er das gerne, verdrängte es, stellte es nach hinten, wollte sich da auch keine Blöße geben. Wie sähe das auch aus? Er war erwachsen, Vicarius Alataris, und hatte inzwischen das ein oder andere miterlebt, was garantiert schlimmer war als jede simple Dunkelheit. Und das Einzige, was nachhallte davon war tatsächlich der Moment, wo die Kristallkreaturen ihn mit ein, zwei anderen Rabendienern verschleppt hatten und er die Erinnerung an den Tag verlor. Das war eine Art von Dunkelheit, die in ihm sehr unangenehme Beklemmungen auslöste, denn sein Geist bemühte sich darum die Erinnerungen wiederzufinden, aber nichts davon wollte zurückkehren aus eigener Kraft. Zwar hatte die kleine Schwester ihm damals erzählt, was war, aber vermutlich nicht jedes Detail davon und da war ihm Wissen verloren gegangen. Wertvolles Wissen womöglich. Natürlich konnte er sich irren, aber er war doch davon überzeugt, dass er es gerne wissen würde, wenn er sich nur erinnern könnte.

Die Tatsache, dass diese Erinnerungen wohl nie wieder zurückkehrten, sorgte für einen inneren Krampf, der ihm die Übelkeit den Hals hochtrieb und in einem Kloß dort endete, gepaart mit einer guten Portion Zorn, den er seither mit sich rumtrug. Natürlich wusste er schon, wo er diesen auslassen wollte – Schattenwinkel, danach bei der letzten Schlacht, die offenbar bevorstand. Aber er wusste genauso gut darum, dass es ihm die Erinnerung nicht zurückbrachte. Zumindest hatte er von solchen Fällen noch nichts gehört. Vielleicht hatte der Herr ein Einsehen mit ihm und offenbarte ihm das Fehlende noch, wenn es an der Zeit war, aber diese Hoffnung war so klein und gering gehalten, er ging nicht wirklich davon aus, dass das geschehen würde.




Ja, die Dunkelheit war ein Thema für sich. Und auch wenn er das Meer, die Küste, wo er angespült worden war, in der Nacht aufsuchte, so hatte er doch meist wenigstens ein schwaches Glimmen von Licht an der Stabspitze, das ihn über die Finsternis drum herum hinweghalf. Wenn der Mond am Himmel stand und alles in silbriges Licht tauchte, verzichtete er auf dieses Licht. Solang er seine Umgebung noch einigermaßen erkennen konnte, war es in Ordnung. Wenn die Schatten aber zu tanzen anfingen, und ihm etwas vorgaukelten, dann griff er wieder zum Stab.
Das war ihm sonst zu unheimlich. Wie damals im Zimmer mit seinen Brüdern, wenn sie Nachts schlafen sollten, die Schatten so tief waren, das aus einer Jacke plötzlich ein Monster wurde, weil der Geist es einem vorgaukelte. Kindisch, das wusste er sehr genau. Aber sein Verstand ließ sich da dennoch nicht drauf ein, seine Angst schon gleich mal gar nicht einfach so.

Er erinnerte sich noch an einen Moment im Tempel von Rahal, oder war es die alte Ruine gewesen? Als die Schatten sich bewegten, und der Panther sich dabei hier und da zeigte, sogar hervorkam. Auch da war erst völlig beunruhigt gewesen. Erst als er Ihn darin wiedererkannte, breitete sich wieder Sicherheit in ihm aus, Zuversicht und die Angst schwand. Aber war Er nicht an sich immer da? Musste er Ihn erst mit den Augen sehen, um beruhigt zu sein? Und sollte er es nicht von sich aus schon sein, denn die Dunkelheit war ja ein Teil von Ihm?

Im Moment fühlte er sich in der Nacht wie ein auf dem Ast hockender Habicht, der sich nicht wagte abzuheben.




Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 17 Jun 2021 14:42, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 16 Jun 2021 10:03    Titel:
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Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…

                              ...schwarz.


Es hatte ein friedvoller Abend werden sollen, ein Austausch, ein erster Versuch sich wieder anzunähern ohne Streitigkeiten. Für den Anfang war das auch gut gelungen und sie hatten zusammengesessen bei einem Saft und sich ausgetauscht über dies und das. Inzwischen brach draußen langsam aber sicher die Nacht herein, die Schatten wurden länger und die Katzen wurden grau, wie man so schön sagt.
Er genoss den Moment, die fehlende Anspannung der letzten Wochen und Monate, das Durchatmen, aber auch sich dabei Gedanken zu machen, wie und wann es mit dem Wiederaufbau des Tempels vorangehen sollte.
Die Gedanken von beiden, ihm und Jynela, kreisten also mehr um das einkehrende Alltägliche, wobei sie sich auf nichts Spezielles festlegten, sondern den Gesprächsstrang einfach unvoreingenommen und ohne wirklichen Plan weitersponnen.
Irgendwann, die Zeit war schon fortgeschritten, die Schatten in der Küche langsam etwas lebendiger geworden, dank des kleinen Lichts der Kerze, zog das Flackern derselben seinen Blick auf sich. Einen Moment länger ließ er sein Augenmerk darauf haften, als er dann aufsah, musste er blinzeln. Nicht nur, dass er das Gefühl hatte durch einen gräulichen Schleier zu blicken, kurz darauf bildeten sich auch noch Lichtpunkte, die ihm die Sicht erschwerten. Auch, wenn er ahnte, dass es wenig brachte, rieb er sich die Augen und blinzelte immer wieder, kniff die Augen zusammen und kneisterte. Die Stimmung in der kleinen Küche schlug um. Er konnte die Besorgnis aus Jynelas Stimme durchaus heraushören. Im gleichen Maß, wie ihre Besorgnis anstieg, kroch ihm Angst und Nervosität den Rücken hoch. Natürlich versuchte er selbige niederzuzwingen, ersetzte diese Empfindungen mit Zorn, den er irgendwo herholte, wenn auch noch im geringen Maße. Jynela konnte immerhin nichts für die Umstände, wie sollte sie?

Alles Reiben und Blinzeln half nichts, der Schleier nahm eher noch zu, denn ab, die Lichtpunkte vergingen, ließen aber einen regelrecht blinden Fleck zurück, bis es ihm wie trübes Wasser über die Augen sickerte und er die Welt gänzlich unscharf und grau sah. So musste sich wohl Smula fühlen, schoss es ihm durch den Kopf, aber er verwarf den Gedanken direkt wieder.

Till… Kannst du mich mal kurz ansehen bitte?
Als er der Aufforderung nachkam, durfte er sich dessen Gewahr werden, dass sich der Schleier offenbar nicht nur für ihn sichtbar über die Augen gelegt hatte, sondern auch für Jynela. Sie klang ernstlich besorgt, was seine Gereiztheit noch etwas zunehmen ließ.
Till… irgendwas stimmt hier nicht.
Wie wahr gesprochen, und doch so überflüssig in der Bemerkung an und für sich. Kaum, dass er Luft geholt hatte nach ihren Worten für eine Entgegnung spürte er es, nein, IHN. Die Präsenz war für ihn unverkennbar, wie über ihn hereinbrechende Hitze eines hochschießendes Feuer. Es erschlug ihn förmlich, raubte ihm fast den Atem.
Es wird alles gut.
Sie spürte es also auch. Die Erkenntnis sickerte langsam in seine Gedanken. Er verstand, warum sie sich davon beruhigt fühlte, weit schneller als ihn die Klarheit darüber erreichte, dass sie IHN ebenfalls wahrnahm. Natürlich würde alles gut, es war alles gut, bis auf…
Aaaah... deine Zeit wird auch noch kommen, Jynela, die Zeit dich zu beweisen, so nah... so nah... Doch deine.... mein kleiner, braver Vicarius ist jetzt... jetzt... jetzt... JETZT!
Auch diese Prüfung werde ich bestehen.
Er spürte die schwere Hand auf seiner linken Schulter, oder war es SEINE Pranke? Letzteres. Ganz sicher letzteres, denn durch den dünnen Stoff konnte er schon jetzt die Krallen spüren, auch wenn sie noch nicht zupackten. SEIN Lachen breitete sich hallend in der kleinen Küche aus, als befänden sie sich nicht dort, wo sie waren, sondern in den alten Tempelruinen vor der Stadt, oder im Rahaler Tempel selbst, in seinem ursprünglich unversehrten Zustand. Er spürte IHN, nahe, hörte IHN nahe, wusste IHN nahe bei sich, als er fast schon flüsterte, weich, geschmeidig, verführerisch lockend, gleichzeitig aber auch Zweifel sähend.
Sicher...? Ein Diener des Tempels sollte an seinen Ängsten arbeiten, nicht wahr? Bist du dir sicher, dass du sie alle überwunden hast? Bist du dir ganz sicher, dass du all deine Ängste bezwungen hast?
Er spürte seine eigene Unsicherheit aufbranden in der erdrückenden Stille, die sich ausbreitete, die Angst, die irgendwo hinter seiner Gereiztheit lauerte, und er ahnte, worauf das Ganze nun hinauslaufen würde. Er spürte, wie die Krallen sich schmerzhaft in seine Schulter bohrten. Fast schon begrüßte er das, denn es lenkte ihn ab von der Angst, die stetig an seinem Bewusstsein anklopfte.
Nein, es war keine Ahnung mehr, es war mehr ein unbestimmtes Wissen, eines, das er noch nicht wahrhaben wollte. Wie das eben so ist, bis es über einen hereinbricht. Also bemühte er sich mit fester Stimme zu antworten, auch wenn es nur teilweise gelingen sollte.

Sicher, dass ich das werde. Und nein, das habe ich nicht, aber das sollte ich. Das.. werde ich!
ER lachte, amüsiert und voller Süffisanz verfärbt.
HAH! Solltest du....
Die Pranke löste sich von seiner Schulter, der Druck ließ nach, der Schmerz nahm ab. Fast hatte er den Eindruck, dass ER ihm noch über die Wange strich. Erst die Peitsche, dann das Zuckerbrot. Aber er wusste es besser, denn der eigentliche Peitschenhieb würde gewiss noch folgen. Das war noch nicht alles. Nicht, wenn es um das ging, was er vermutete.

Er hatte den Gedanken noch nicht zum Ende gebracht, als die Welt um ihn herum schwarz wurde. Blind. Er sah nichts mehr. Gar nichts. Kein Lichtkörnchen, keinen noch so kleinen Schimmer, nichts. Schwärze. Vollkommende Finsternis.
Keine Dunkelheit, die er vorher erlebt hatte, war so wie das, was ihm nun buchstäblich entgegenschlug. Und gleichzeitig legte sich über seine Augen legten sich blutig rote Milchschlieren.



Sein Geist verweigerte sich mit der Dunkelheit zu befassen, also stürzte er sich direkt auf das, was ihm am Sinnvollsten erschien. Er ließ sich zunächst einmal von Jynela zum Hof bringen, wo er mit Smula reden wollte. Da dem Mädchen lediglich diffuse Schatten und Farbtöne sehen konnte, hatte sie vielleicht ein paar taugliche Ratschläge für ihn, wie er damit umgehen konnte gar nichts mehr zu sehen.
Er erhielt nicht nur ein paar Tipps, sondern auch Hilfsangebote, von dem Mädchen, dem Hausherrn, Jynela, dem Lethoryx – wobei man bei Letzterem eher davon ausging, dass die Hilfe nicht so ausfiel, wie er es sich vielleicht am ehesten erhoffte. Er war halt ganz und gar Letharf und ließ es ihn auch spüren. Der Gegenpol war aber nicht schlecht, wurde nicht von ihm verteufelt, sondern angenommen. Es war womöglich ganz gut, dass er hier als wohlmeinende Hilfestellung eher gefordert, denn an die Hand genommen wurde.

Auch als er in Düstersee einkehrte, dank SEINER Hilfe musste man da wohl sagen, und dort weitere Unterstützung fand, vielen Fragen begegnete, aber wenig Antworten parat hatte, war er mehr als dankbar. Noch viel dankbarer aber fühlte er sich dafür die ganze Zeit über nicht allein zu sein, Stimmen zu hören, die die Finsternis linderten, die ihn umgab, die Geräusche fernhielt, die ihn aufzuwühlen vermochten und die sonstige Stille vertrieben.
Solang sie sprachen, musste er sich nicht damit befassen, und noch wollte sein Geist davor fliehen, seine Angst blieb klein, fühlte sich nicht übermächtig an, wie sonst so oft, wenn er irgendwo allein im Dunkeln gesessen hatte. Irgendwann aber musste er heim, das blieb nicht aus. Auch hier bekam er Hilfe.

Rilytia schlief schon, als er sich den Weg in sein Zimmer ertastete. Er verzichtete darauf sie zu wecken, wollte sie nicht wachrütteln, damit belasten, sie wachhalten und um den Schlaf bringen vor Sorge. Einen Moment lang musste er bei dem Gedanken schmunzeln, denn vermutlich war sie eine der wenigen, die sich am wenigsten Sorgen machen würde. Die gesamte Situation hatte schon etwas Ironisches an sich. Eben jene Ironie war es auch, die ihm bislang ebenso geholfen hatte und hinter der er seine Ängste gut verstecken konnte.

Es gab manches, was er nicht unbedingt mit jedem teilen wollte, das galt auch für seine Ängste. Schwächen konnten doch so leicht ausgenutzt werden, nicht wahr? So saß er also auf seiner Bettkante, als er diese dann endlich gefunden hatte und hatte sich soweit bettfertig gemacht, an Schlaf war für ihn aber noch immer nicht zu denken. Er lauschte in die Stille hinein, in die umfassende, sich langsam schwer auf ihn legende Finsternis, erspürte das Zittern seiner Hände, die Gänsehaut, die ihn überspülte, lauschte dem eigenen schweren Atem und hatte schon jetzt das Gefühl schier verrückt zu werden.
Aus reiner Gewohnheit versuchte er in mehreren Anläufen die Lampe auf dem Nachttisch zu entzünden und das Zimmer zu erhellen. Er roch den brennenden Kienspan, tastete in der Lampe nach dem Docht, verbrannte sich fast die Finger bei den Versuchen, glaubte aber irgendwann die Lampe anzuhaben und schloss das Türchen davon wieder. Es machte natürlich nichts besser. Gar nichts. Er sah nach wie vor nichts als Finsternis. Trotzdem hatte das Ritual für sich etwas Beruhigendes gehabt, er war kurzzeitig abgelenkt gewesen.
Ablenkung. Lesen ging nicht – wie schmerzlich man das doch vermissen konnte, wenn man dessen plötzlich beraubt war. Schreiben ging nicht. Dabei hatte er noch so viel zu verfassen! Er spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, wie gleichzeitig fast schon kindlicher Trotz in ihm aufwallte und die Augen sich mit Tränen zu füllen begannen, Tränen voller Wut und Trotz. Mit einer fahrigen und verärgerten Handbewegung wischte er sie direkt wieder fort, bevor sie der Schwerkraft auch nur folgen konnten.

Wie spät war es? Er hatte das Zeitgefühl verloren, fühlte sich plötzlich erschlagen, erschöpft, müde, dann wieder kroch die Angst in den Vordergrund und machte ihn schier wahnsinnig. Er sprach leise vor sich hin, um den Raum mit seiner Stimme zu füllen, beruhigte sich wieder etwas, betete am Ende. Irgendwann legte er sich hin, betete weiter, leise sprechend, nicht stumm für sich im Kopf, er wollte etwas hören, musste etwas hören. Solange, bis er in unruhigen Schlaf fiel und ebenso unruhige Träume ihn heimsuchten, gefüllt mit finsteren Räumen, einem Lichtschimmer unter der entfernten Türschwelle. Wie er darauf zulief und sie doch nicht erreichte, bis er das Gefühl hatte in der Schwärze zu fallen, einfach nur zu fallen, immer tiefer.


Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 17 Jun 2021 14:42, insgesamt einmal bearbeitet
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Jynela Dhara





 Beitrag Verfasst am: 16 Jun 2021 19:43    Titel:
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Ihre Augen glitten kurz über ihre Seite.
Der Bluterguss, den sie als Andenken an die Schlacht noch mit sich herumschleppte, begann bereits sich zu verfärben. Sie hatte gerade das letzte bisschen Salbe auf die Haut getupft, als unten ein Klopfen ertönte.
Vorsichtig zog sie das Hemd ein wenig herunter und strich es glatt, bevor sie die Treppe mit großen Schritten hinab eilte.

Till stand vor ihrer Tür.

Nur einen Wimpernschlag war da noch dieses leichte Stechen in ihrer Brust, dass sie an die vergangenen Tage und Wochen erinnerte. An die vielen Gespräche, verletzende Worte.
Aber der Wimpernschlag war schnell vorbei und dann legte sich doch ein Lächeln auf ihre Lippen. Immerhin schien er ebenso unverletzt aus der Schlacht zurückgekehrt und sie hatte sicher nicht vor nachtragend zu sein.


Eine Weile später saßen sie gemeinsam am Tisch und unterhielten sich recht ruhig.
Das sanfte Licht der Abendsonne, die in den letzten Tagen doch deutlich an Kraft gewonnen hatte, schien noch einen Augenblick durch das Fenster und erhellte die kleine Küche.
Die Luft roch nun auch endlich nach Sommer, nach Gras und den Rosen direkt vor ihrem Haus.

Die Dämmerstunde begann.

Sie liebte diese Zeit des Tages, wenn die Sonne unterging und die Welt langsam in ein ganz weiches, blaues Licht der Dämmerung getaucht wurde. Wenn sie sich dann noch tiefer über die Stadt legte, wurde es in den Zimmerecken dunkler und der Schein der Kerze löste mit seiner Flamme das Licht des Tages ab.
Für einen Augenblick huschten ihre Augen abgelenkt zur Seite, ihr war es als hätte sich in der Dunkelheit in der Ecke etwas bewegt. Beinahe hätte sie leise gelacht. Ja, die Schatten wurden wirklich lebendig in der Dämmerstunde.

Und dann legte sich ihr Blick wieder auf Till, während sie weiter über die Schlacht sprachen, aber auch über die Ruhe die nun langsam eingekehrt war und ihnen allen ein wenig Zeit zum Durchschnaufen gab.
Es brauchte tatsächlich eine Weile, bis sie etwas stutzig die Augen beinahe forschend auf ihn richtete.

Warum zum Teufel blinzelte er die ganze Zeit?

Natürlich kannte sie das Phänomen, dass man kleine Lichtflecken im Sichtfeld bekam, wenn man direkt in eine helle Lichtquelle blickte. Eine der Grundregeln eines Schützen: Sieh niemals direkt in die Sonne, denn danach wird dein Blick nicht mehr klar sein.
Aber ihr war es noch nie passiert, dass eine doch recht sanfte Flamme einer einfachen Kerze eine solch heftige Reaktion auslöste.
Und ja, sie war heftig.
Der Vicarius wollte gar nicht mehr aufhören sich die Augen zu reiben und sie konnte deutlich seinen Unmut spüren, der mit jedem Moment zu mehr Anspannung führte.
Und damit auch zu mehr Sorge.
Als sie sich ein wenig vorbeugte, um seine Augen deutlich zu mustern, musste sie sich zusammenreißen.
Tills Augen waren immer schon grau wie ein kleiner Sturm gewesen. Im hellen Licht oft nur wie ein sanftes Lüftchen, in der Dämmerung eher wie der leichte Sturm der die Wipfel der Bäume in Aufruhr bringen konnte und wenn er aber einmal seine Emotionen nicht im Griff hatte, wurden sie eher zu einem ausgewachsenen Gewittersturm.

Aber jetzt hatte sich über diesen Sturm ein milchiger Schleier gelegt.

Bevor sie überhaupt weiter reagieren konnte, lenkte sie das Flackern der Kerze ab, die auf einmal immer deutlicher aufzuleuchten schien, an Kraft gewann und die Schatten in den Ecken nun beinahe bedrohlich dunkel wirkten.

Und dann spürte sie es.

Sie spürte IHN.

Wie schon einmal vor langer Zeit nur als Hauch einer Emotion, wie aber auch erst vor kurzem am Mal, als er sogar in Gestalt vor ihnen allen stand und ihr den Atem raubte.
Ein leichtes Kribbeln in ihrem Nacken, Gänsehaut die ihren Körper bedeckte. Sie konnte spüren, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, ihre Brust sich unter kurzen und hastigen Atemzügen hob und senkte.

In jenem Augenblick hatte sie keine Zweifel und auch wenn ihre Stimme nur ein Hauch in der Stille der Dämmerung war, Till konnte sie hören.



"Es wird alles gut."


Ihre Augen blieben auf die Kerze gerichtet, die langsam ein rötliches Licht verströmte und als das leise Lachen ertönte, sich in ihrer Küche ausbreitete, bis in die dunkelste Ecke hinein, mit einer Kraft und Stärke die kein Mensch in sich trug, schlug ihr das Herz bis zum Hals.

Sie hatte nicht eine Sekunde einen Zweifel daran, dass ER wegen dem Vicarius hier war, dass ER der Grund für den milchigen Schleier auf Tills Augen war.
Umso überraschter war sie, als sie auf einmal beinahe wie der verführerische Windhauch eines lauen Sommerabends, der sanft die Haut streift, die Stimme erneut hörte. Aber dieses Mal war es ihr eigener Name, der in ihrem Kopf nachklang.



"Aaaah... deine Zeit wird auch noch kommen, Jynela, die Zeit dich zu beweisen, so nah... so nah…"



Der Nachhall seiner Worte, die Fassungslosigkeit darüber, dass ER ihren Namen aussprach, ließ sie schweigend auf den Knien verharren.


"Doch deine.... mein kleiner, braver Vicarius ist jetzt... jetzt... jetzt... JETZT!"


Innerhalb von nur einem Wimpernschlag verstummte die Stimme und damit auch jedes Geräusch. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sich eine vollkommene Stille über ihr kleines Haus gelegt hatte. Man hörte weder Luna, noch das Schnauben von Cassian im Stall, nicht einmal das Knarren des Holzes, oder das Knistern eines Vorhangs der im Wind bewegt wurde.
Nichts.
Stille.



"Auch diese Prüfung werde ich bestehen."


Sie wollte eben den Kopf ein wenig drehen, zu ihm hinüber blicken als sie auf einmal das leichte Gewicht auf ihrer Schulter spürte, als würde sich eine Pranke darauf hinab senken. Kein vollkommen neues Gefühl für sie und dennoch so anders, berauschend, beinahe übermächtig. Als der Schmerz der Krallen einsetzte, war sie vorbereitet.
Die Worte des Lethoryx hatten sie bereits eines gelehrt: "Schmerz ist nichts, was man fürchten muss, man muss ihn nur verstehen."
Und so verharrte sie regungslos. Lauschte dem leisen Wispern zwischen ihnen beiden.



"Sicher...? Ein Diener des Tempels sollte an seinen Ängsten arbeiten, nicht wahr? Bist du dir sicher, dass die sie alle überwunden hast? Bist du dir ganz sicher, dass du all deine Ängste bezwungen hast?"


Sie wagte es noch immer nicht den Kopf zur Seite zu drehen, als Till SEINER Stimme antwortete. Erst als mit einem Mal die Stimme erneut abbrach, das Echo verstummte und die Präsenz auf einmal schwand, wagte sie es den Kopf wieder zu heben.

Auf dem Tisch stand noch immer die Kerze. Das Licht nun wieder weich und hell, die Schatten in den Ecken weniger bedrohlich sondern wieder jene Begleiter der Dämmerstunde, die man nicht fürchten musste.
Das leise Schnauben von Cassian, der Geruch der Rosen vor dem Fenster und draußen das dunkelblaue Licht, das langsam das Ende der Dämmerung und den Beginn der Nacht ankündigte.

Doch ohne ihn fragen zu müssen wusste sie es bereits. Das alles konnte Till nicht mehr sehen.

Er stand da.
In vollkommener Dunkelheit.
Aber er war nicht alleine.
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 17 Jun 2021 14:41    Titel:
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Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…
                              ...rot.


Irgendwie hatte er die Nacht überstanden, ohne gänzlich verrückt zu werden. Der Schlaf hatte erst Frieden gebracht, die Träume diesen dann wieder geraubt, bis er aufgewacht war, nur um dann wieder einzuschlafen. Viel zu spät kam er am nächsten Morgen aus dem Bett, viel zu spät tauchte er im Tempel auf, jedes Zeitgefühl war verloren. Die allgegenwärtige Finsternis machte es ihm unmöglich sich an irgendetwas zu orientieren. Genauso wie er sich schwer tat den üblichen Tätigkeiten auch nur einigermaßen anständig nachzukommen im Tempel. Ständig hatte er das Gefühl irgendwas umzustoßen, sich irgendwo etwas zu prellen und sich auch ansonsten in völliger Nutzlosigkeit zu ergehen. Es frustrierte ihn zunehmend. Und dabei hielt er gleichzeitig fest, dass gerade erst der zweite Tag mit dieser Blindheit begonnen hatte. Wie zur Hölle machten das Menschen, die ein Leben lang damit zu kämpfen hatten?


Es brachte ihn dazu länger vor dem Altar zu knien, nach einer Eingebung suchend, die ihn der Lösung des Ganzen näherbrachte. Dass die Knie irgendwann anfingen zu schmerzen, bemerkte er erst viel später, so tief war er in Gedanken versunken. Das hatte mitunter auch zur Folge, dass er sogar die Dunkelheit, die ihn umgab, für diese Zeit vergaß und einfach als Teil dessen akzeptierte, was ihn nunmehr eben begleiten würde.
Als ihn dann ein Geräusch aus den Überlegungen herausriss, war dies aber schon wieder vorbei, und für einen flüchtigen Moment wallte erneut Panik in ihm auf, weil er das Gehörte nicht sofort zuordnen konnte. Im nächsten Moment ärgerte er sich über sich selbst, als er die Schritte vernahm, die sich näherten und dann das Rascheln der Kleidung, als – wer auch immer – sich ebenfalls vor den Altar niederkniete, um zu beten. Für einen Moment nahm er den schwachen Duft von Rosenöl wahr, konnte ihn aber dennoch keiner Person zuordnen.
Mit ein wenig Selbstironie gespicktem Humor stellt er für sich fest, dass er sich fühlte, als würde er gerade ganz neu laufen lernen. Er fühlte sich wie ein unbeholfenes Kleinkind.

Am Abend war er dann mit Rilytia zu einem Spaziergang aufgebrochen. Wege neu lernen, Orientierung üben ohne zu sehen. Kein leichtes Unterfangen, wie er schnell merkte. Aber was ihm auch auffiel, war das, was er hörte. Je nach Umgebung und nach Bodenbeschaffenheit änderte sich das Geräusch, das seine Schritte verursachten. Auch spürte er auf der Haut einen Unterschied, wenn sie in de Wald traten oder aus selbigem hinaus. Es war mal kühler, mal wärmer. Im Wald klangen die Vögel anders, als wenn sie sich auf freier Fläche befanden. Manchmal hörte man ein Knacken im Unterholz. Es roch unterschiedlich. Im Wald gab es zuweilen noch feuchte Erde, die die Luft mit ihrem Duft schwängerte, oder altes Laub, auf offener Straße roch es mehr nach Staub und Sommerhitze. Je näher sie der Küste kamen oder einem anderen Gewässer, drängten sich wieder andere Gerüche auf. Alles Dinge, die er sonst nur beiläufig registrierte, nie wirklich besonders aufmerksam verfolgte, oder zuweilen auch gar nicht bemerkte.
Es gab also unzählige Dinge, die ihm Ablenkung bescherten, seine Neugier selbst in dieser Situation zu wecken vermochten, und für ein paar Augenblicke sogar Unbeschwertheit bescherten. Er stellte fest, er begann sich schon jetzt an seine gegenwärtige Situation zu gewöhnen, zumindest in der Zeit, wo es geschäftig zuging und er nicht viel Zeit zum Nachdenken hatte.

Auch sein Schneeball-Gebäck-Experiment war im Grunde genommen erheiternd gewesen, auch wenn er nach der Riechprobe, was man ihm da gereicht hat, ordentlich mit Zucker bestäubt ausgesehen haben musste. Natürlich hatte es ihn im ersten Moment gestört, es war ihm peinlich gewesen, unangenehm. Aber später konnte er darüber dann doch drüber schmunzeln.
Womöglich machte er es seinem Umfeld gerade unerträglich schwer, weil ihn die Situation selbst so reizte und provozierte hin und wieder. Diese Unzulänglichkeiten, die damit einhergingen, belasteten ihn durchaus. Aber hatte er nicht einen starken Willen, der ihn auch damit fertig werden ließ?

Die Suche nach den Taktiken anderer, wie sie mit ihren Ängsten umgingen, brachte nicht den Ertrag ein, den er sich erhofft hatte. Die meisten Herangehensweisen hatten mehr mit Verdrängung zu tun, als mit der Tatsache der Angst wirklich Herr zu werden und vor ihr zu bestehen. Sie stellten ihn nicht zufrieden. Vielleicht waren seine Ansprüche dahingehend aber auch viel zu hoch und er erwartete viel zu viel von sich selbst, was das anging?

Auch teilte er Rilytias Meinung nicht, dass eine Prüfung dazu da war, sie auf egal welche Weise zu bestehen, und wenn sich die Möglichkeit ergab es sich sehr leicht zu machen, um damit durchzukommen, dann sollte man sie doch auch nutzen. Jynelas Auffassung, dass eine Prüfung hart sein musste, war ihm genauso zu eng gesteckt. Seit zwei Tagen rang er schon um Worte, was das anging. Was war für ihn denn eine sinnbringende Prüfung eigentlich? Worin bestand eine solche? Welcher Sinn und welcher Zweck mussten erfüllt sein, damit sie sich für ihn selbst als Prüfung anfühlte, die er als solche für sich akzeptieren konnte?

Sie musste sicherlich hart sein, aber nicht nur. Ganz gewiss musste sie tiefergehend sein, als das bloße lösen von einer Aufgabe an und für sich. Gehaltvoll. Konnte man das so sagen? Angereichert von Tiefsinnigkeit, Intelligenz fordernd, den eigenen Willen auf die Probe stellen, sie musste Antreiben, Voranbringen, eine wahre Prüfung musste vieles, vor allem musste ein Scheitern auch eine Konsequenz in sich tragen, genauso wie das Bestehen derselben – wie auch immer geartet die Konsequenzen haben. In seinem Fall, jetzt, kannte er die Konsequenzen sehr gut.
Mit ein wenig Erstaunen stellte er für sich fest, dass er sich vor beiden möglichen Wegen nicht fürchtete. Er nahm es einfach als gegeben hin, nutzte es aber auch als Motivation für sich in seinem Bestreben seine Angst vor der Finsternis zu besiegen, auch wenn er noch immer buchstäblich im Dunkeln tappte, wie er das bewerkstelligen konnte. Ja, besiegen, nicht kurzfristig verdrängen. Wirklich und tatsächlich besiegen, wenn nicht gar sich die Dunkelheit zum Freund und Gefährten zu machen.

Und waren Eulen nicht auch schöne Geschöpfe?
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 24 Jun 2021 09:36    Titel:
Antworten mit Zitat



Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…
                              ...weiß.


Gewohnheit. Es waren inzwischen einige Tage vergangen und es schlich sich tatsächlich etwas Ähnliches wie Gewohnheit ein, was seine Blindheit betraf. Er fand sich nach und nach besser zurecht. Nein, es war nicht perfekt, so schnell ging das nicht, aber inzwischen war er recht stolz darauf sich zumindest zurechtzufinden und Wege zu finden. Kein Stolpern dabei, kein Fallen, der Stab war ihm eine denkbar gute Stütze dabei und er war froh darum ihn zu haben, aus mehr als dem Grund dessen, dass er mitunter zeigte, was er war. Der Stab war sein Licht, wenn man so wollte, ohne dass er das Licht sehen konnte. Er spürte es mit der Zeit vielmehr durch ihn hindurch in gewisser Weise. Wenn man ihn danach gefragt hätte, wäre es ihm schwer gefallen es zu erklären, aber auch über den Stab konnte er die Bodenbeschaffenheit besser erkennen inzwischen. Er hörte es, er spürte es in der Hand, es war also mehr ein Wahrnehmen mit den verbliebenden Sinnen. Wenn der Untergrund weich und schlammig war nach dem Regen zum Beispiel, die Oberfläche nur leicht angetrocknet, dann roch er es, wenn er damit den Boden aufriss sogar. Genauso war es auch im Gras, das er mit dem Stabende zerstampfte. Der feine Duft, der dann von dem Grün ausströmte, erreichte ihn nicht selten auch an der Nase.

Immer mehr begann er sich auf seine übrigen Sinne zu verlassen und auch die Nächte wurden mit der Zeit erträglich für ihn, normal fast, auch wenn nichts daran normal war, und er sich das auch immer wieder vor Augen führte.
Wo er zu Anfang hätte schreien mögen, heulen, was auch immer, um sich nicht so hilflos zu fühlen, so schwand dieses Empfinden mehr und mehr und machte einer neuen Zuversicht Platz. Das Einzige, was ihm noch immer deutlicher zu schaffen machte, war die Finsternis gepaart mit der Stille der Nacht. Immer dann, wenn er allein in seinem Zimmer war. Auch hieran gewöhnte er sich zwar allmählich, aber deutlich langsamer.

So zogen die Tage dahin, auf der Suche nach einer Lösung für sein Problem, seine Angst. Er bewältigte den Alltag ganz annehmbar, auch die Messe verlief gut, und es hatten ihn einige Vorschläge und Ideen erreicht. Einige davon erschienen ihm hilfreicher als andere, aber für alle war er äußerst dankbar. Natürlich war ihm bewusst, dass er selbst die Prüfung zu bestehen hatte, aber die gereichten Hände waren das, was ihn innerlich so sehr aufbaute, dass er mit Zuversicht weitergehen konnte.

So führte ihn der Weg an diesem Abend wieder zum Feuer vor Rahal, der Ort, den er in letzter Zeit öfter einmal aufsuchte, wo er sich neben Rilytia auf den Stamm setzte. Sie unterhielten sich eine Weile, und wie das schon dann und wann der Fall gewesen war, mehrten sich die Gesprächspartner nach und nach. Auch wenn letztlich keine neue Stimme dazu kam, so doch altbekannte und auch einige länger nicht gehörte Töne. Sie taten wohl, sie gaben Denkanstöße, Ratschläge, waren ihm auch heute eine wertvolle Stütze.
Die Finsternis anzunehmen war ein wohlmeinender Rat der Ahad gewesen. Ein Rat, den er gerne beherzigen wollte, die Krux an der Sache war, dass er noch immer keine Ahnung hatte, wie.

Unterbrochen wurde das Gespräch irgendwann, als ihm der vage Geruch von nassem Fell in die Nase stieg. Es wurde mit der leichten Brise vom Meer aus herübergeweht, so kam es ihm jedenfalls vor. Da zunächst aber noch kein anderer reagierte, dachte er sich noch nichts dabei. Um aber dem Gespräch etwas zu entfliehen und sich irgendwann doch besser drauf konzentrieren zu können, stand er auf. Kurz verstummten alle und er lauschte, konnte aber nichts hören, fragte dann in die Runde, ob hinter ihm irgendwo ein nasser Hund rumlief oder ähnliches. Die Vermutung, dass die Pferde von der guten Frau Gruber danach röchen, sorgte für Empörung derselben.
Scheinbar kratzte das doch an ihrer Stallmeisterehre. Die Pferde seien trocken, sauber, stanken nicht, und so weiter und so fort. Innerlich musste er schmunzeln, aber aus irgendeinem Grund ließ das feuchte Fell ihm keine Ruhe und der Geruch wollte auch nicht mehr aus seiner Nase weichen.
Es führte am Ende dazu, dass die gesamte kleine Gruppe aufbrach gen Westen, wo zunächst der Sumpf wartete, als Helena auf sein Bitten hin nachsah, und mit der Nachricht zurückkehrte, dass der Sumpf im dichten Nebel lag.
Nebel? Und dann eine Brise vom Meer zuvor? Das erschien ihm in der Tat seltsam, denn in der Regel vertrieb Wind Nebel recht zügig, aber hier schien es anders zu sein. Womöglich traute er der lauen Brise auch einfach zu viel zu?

Als die beiden Kinder des Herrn allerdings bestätigten, dass der Neble nicht natürlichen Ursprung sein konnte, fühlte er sich in der eigenen Annahme immerhin soweit bestätigt. Und plötzlich hörte er es, ein klägliches Maunzen? Eine Katze? Groß oder klein? Klein vermutlich. Nun, Katzen sind Katzen, ob groß oder klein, damit ganz gewiss die Tiere, die dem Herrn am nächsten sind. Für ihn stellte sich die Frage nicht, dem nachgehen zu wollen und schritt dann allein voraus. Vergessen alle Ängste, zurückgestellt, dass er nichts sah. Er nutzte den Stab und ging voran, zumal die anderen mitgeteilt hatten, dass der Nebel sehr dicht war. Gleichzeitig wusste er den Lethrixor an seiner Seite, auf der anderen Rilytia, die allerdings im Nebel dann mitteilte, nichts sehen zu können.
Also übernahm er dann die Führung für sie und griff nach ihrem Arm dabei. Er folgte dem Fellgeruch und dem Klagen der Katze, den Kampfgeräuschen, dem steten und regelmäßigem Geräusch der Schaufelräder des Mühlenrads, das durch das Wasser pflügte. Dort irgendwo musste sich das Tier befinden.

Zwei oder drei Mal wollte er Hinweise geben, vergaß dabei, dass der Lethrixor sich in dem Zustand des Nichtsehens vermutlich auch auskannte, zwei oder drei Mal hörte er dann neben und hinter sich ein überdeutliches ‚Shhh!‘. Eine Ermahnung, dass er still sein sollte, damit man besser hörte. Bei der Wiederholung dessen war er kurz am Schwanken, ob er lachen oder schreien sollte. Letztlich aber tat er nichts dergleichen, denn plötzlich hört er ein Rascheln, ein Platschen, als wenn etwas durch das Sumpfwasser lief, dann mehrere solcher Geräusche aus verschiedenen Richtungen. Er roch die Gefahr, spürte sie regelrecht und zog Rilytia direkt an sich heran, sagte ihr, sie solle dortbleiben und packte den Stab mit beiden Händen. Er hörte ihre Angst buchstäblich heraus, als er die Hand von ihr fortzog.
Bislang hatte er noch nicht versucht blind zu kämpfen. Davor scheute er sich noch immer. Vermutlich war das nur zu verständlich. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass er so viel Zeit hatte, es gründlich und ausreichend zu erlernen, daher hatte sich daran noch gar nicht versucht. Womöglich irrte er aber auch und der Herr zeigte ihm just in dem Moment, dass er sich daran machen sollte. In jedem Fall versuchte er sein Glück und schlug mit dem Stab nach dem nächsten Geräusch, das er nicht seinen Begleitern zuordnen konnte. Der Stab platschte daraufhin formschön ins Wasser. Daneben.

Beim zweiten Mal hatte er mehr Erfolg. Er traf einen großen weichen nachgiebigen Körper, das darauffolgende Geräusch ordnete er einem üblichen Sumpfbewohner zu – einer Riesenkröte. Den Stab beließ er einen Moment auf den Leib. Als der sich nicht mehr rührte und plötzlich wieder Ruhe einkehrte, nachdem das kleine Grüppchen dafür gesorgt hatte, wollte er gerade nach Rilytias Arm fassen, als er schon gegriffen wurde. Ihre Nähe schien ihm plötzlich ungemein präsent.
Da war es wieder, das Maunzen. Kläglich, schwach, aber doch besser zu hören, als vorher. Der Lethrixor fand das Tier schließlich und holte es, danach verließen sie den Nebel. Das Tier wurde seiner Verlobten übergeben, auf sein Bitten hin. Nachdem er öfter nachhakte, ob es verletzt war, und keine Antwort erhielt, zog er den Handschuh der freien Hand ab und tastete selbst nach dem Tier, bis er an dessen Flanke eine Wunde spürte, oder vielmehr das Blut, das noch immer floss. Gerade, als er sich erkundigte, ob man das Tier bei Cailen zuhause versorgen könnte, und er die Hand zurückziehen wollte, um den Geruch nochmal genauer unter die Nase zu holen, fuhr die kleine Katze ihre Krallen aus und schlug nach der Hand, trieb die Krallen hinein und zog zunächst auch nicht zurück. Der Schmerz war direkt präsent, der erste Schreckmoment aber schnell vorbei, da er zuvor schon mitbekommen hatte, dass das Tierchen der wehrhaften Sorte angehörte. Als nächstes fühlte er wieder diese unbeschreibliche Nähe, die ihn bei Rilytia zuvor schon abgelenkt hatte. Zeit darüber nachzudenken, wieso und weshalb, oder woher das nun kam, hatte er allerdings keine, denn direkt darauf hatte er das Gefühl, dass der Boden wankte und seine Sinne ließen ihn im Stich. Das Einzige, was er zu sagen wusste, war, dass sich etwas geändert hatte.



Er wurde sich des Verlusts der Nähe zu Rilytia bewusst, irritierenderweise zunächst auch die zur Katze. Und noch etwas änderte sich: Seine Sicht. Die allgegenwärtige Finsternis schwächte ab, er hatte den Eindruck Konturen erkennen zu können. Schwach nur erst und es roch sehr stark und überlagernd nach Blut, als hätte man seine Nase in die Katzenwunde getunkt. Darüber hinaus spürte er Wärme, und er hörte etwas Schwappen – Wasser? Blut? Kein Wasser. Wasser roch anders. Es musste Blut sein. Für einen minimalen Moment fühlte er sich an den alten Tempel erinnert, obschon es hier gänzlich anders zu sein schien.
Dann aber zögerte er nicht länger, nahm ganz gewohnt den Stab zur Hilfe, um voranzugehen, und sich aus dem Gang heraus zu bewegen, in dem er sich befand, gesäumt von marmorner Zier, Säulen, Wände, und am Ausgang links und rechts zwei hohe Statuen.
Kaum, dass er das Ende des Ganges erreicht hat, hörte er eine Stimme sprechen, fast kindlich, nur leise.

Betrete es nicht, das Pentakel, noch nicht. Lausche und denke nach, bevor du Antworten gibst. Alles andere darfst du betrachten, nachdenken, nutze ihn, den Verstand, koste seine Schärfe, wie die Schneide des Messers damals an deinem Bein. Klar, so klar und wähle weise, ehe du antwortest. Sie sind hier, deine Ängste, du weißt wovon wir sprechen?
Wie aufgefordert lauschte er, senkte den Blick ab zu Boden, schloss dabei sogar die Augen. Er ließ sich Zeit, dachte nach, nahm wahr. Er hörte erneut das Schwappen von Flüssigkeit ans Ufer, der Blutgeruch drang erbarmungslos auf ihn ein. Es gab einmal eine Zeit, da wäre ihm speiübel davon geworden. Doch da war nichts.
Das Blut? Ich kann es riechen, es stört mich nicht. Auf dem Weg hierher war keine Angst. Zumindest nicht bei mir.
Ob der Aspekt des Herrn wusste, dass er den Weg vom Sumpf bis auf diese Insel meinte? Vermutlich, er ging jedenfalls davon aus. Wie konnte es das Kätzchen, das keines war, auch nicht? Er hatte geahnt, dass der All-Eine oder eines seiner Aspekte dahintersteckte, denn die kleine Katze wurde ihm vor all dem als mitternachtsschwarz beschrieben, und die Augen als leuchtend orangerot. Es hatte ihn an die Augen des Lethoryx erinnert, die er seit seiner bestandenen Prüfung trug. Noch etwas merkte er, als er sich erneut umsah. Seine Augen gaben noch etwas mehr an Sicht frei. Vor ihm lag ein Glimmen auf der Oberfläche des Sees, der die Insel umgab.
Mehr, da ist noch mehr, Till.
Es ist besser geworden mit der Angst vor der Finsternis, je länger sie anhielt. Und sie hat mein Interesse geweckt, weil mir auffiel, wie viel man überhört oder übersieht? Wenn... man sieht.
Er bewegte sich weiter über die Insel, hielt sich am Rand, fern vom Pentakel in der Mitte, begleitet von dem Schwappen des Sees am Ufer, mal lauter, mal leiser. Da hörte er die nahezu kindliche Stimme wieder leise flüstern, erkannte eine gewisse Spannung darin, Interesse.
Sooo und wie steht es um die dritte Angst?
Der Schiffbruch? Die Todesangst? *hält wieder inne und blinzelt* ich glaube, die Todesangst habe ich bereits bei meiner letzten Prüfung hinter mir gelassen. Auf Schiffen habe ich bereits wieder gestanden und ich habe durchaus vor bald heim zu segeln, um die Familie wieder zu sehen, wenigstens kurz. Sie müssen immerhin meine Verlobte kennenlernen.
Ein hörbar erheitertes kindliches Lachen erklang, das ein Echo warf. Das war ihm bislang noch nicht aufgefallen gewesen. Er musste sich also nicht nur an einem See befinden, sondern auch in einer Art Höhle? Irgendwo musste es Felsmassive am Rand geben. Links, oder rechts, oder oben, was ein Echo werfen konnte, aber sie waren zu weit weg, um sie zu erkennen.
Was ist so amüsant?
Es wäre seltsam, wenn du sie nicht überwunden hättest, ja.
Mh, ja. Ich nehme an, dann stünde ich nicht hier.
Er traf damit mehr eine Feststellung für sich selber, die aber nichts Beunruhigendes an sich hatte für ihn. Selbst im Tod wusste er sich gut aufgehoben. Da war nichts, was an dieser Sicherheit rütteln konnte.
Till?
Als er seinen Namen hörte, leise, geraunt, ernst und vertraulich, wendete er sich dem Pentakel zu. Er spürte schon jetzt, was folgen würde, ahnte es. Eine Entscheidung stand an. War das nicht immer so? Im Grunde schon. Irgendwann kam der Moment, wo man sich entscheiden musste, wo der Abzweig des Weges folgte und man sich entscheiden musste, wo es lang gehen sollte.
Ja?
Seit er hier an diesem seltsamen und fremden Ort angekommen war, war die Angst fort. Vielleicht lag es an der Gegenwart des Aspekts? Der Ort wäre perfekt, stellte er fest. Er war so perfekt dafür geeignet, für das, was Cailen vorgeschlagen hatte. Ein Ort, den er nicht kannte, ein Ort, wo er die Geräusche nicht sofort zuordnen konnte, sollten sie fremdartig klingen, wo die Gerüche überlagert waren von dem Blutgeruch. Ein Ort, der für ihn bestimmt zu sein schien.
Was wird stärker, wenn die Sicht nachlässt...?
Gute Frage. Er schwieg eine ganze Weile. Das Erste, was sich ihm aufdrängte, waren seine Sinne. Aber war das genug? War da nicht mehr? Er gebot sich einen Blick über den Tellerrand zu werfen, hinaus zu schauen auf das, was hinter dem Offensichtlichen lag. Erst dann gab er eine Antwort und wiederholte darin sogar seinen ersten Gedanken.
Ich.
Und fast hätte ich es allein auf meine Sinne beschränkt, die mir bleiben. Aber das ist zu wenig.

Guuuut...
Also hast du dein Augenlicht nicht vermisst?

Sie, er, es? Der Aspekt klang zufrieden im ersten Moment, dann aber lag etwas Lauerndes in der so jung wirkenden Stimme. Irritierenderweise stellte er in dem Augenblick für sich fest, dass er das Geschöpf gerne gesehen hätte, doch es ließ sich nicht blicken. Andererseits hatte er es doch schon gesehen, oder? Mit der Hand, als er über das nasse Fell der Katze gestrichen hatte. Als er es roch, die Feuchtigkeit im Fell, das Blut, und den Schlamm, von dem es zwangsweise etwas abbekommen hatte. Sein Blick ging nach oben, in dem Versuch die Decke des Gewölbes auszumachen, doch da war nichts als Schwärze. Wieder ließ er sich Zeit, dann antwortete er, auch jetzt war der Rat des Aspekts sich Zeit zu lassen nicht vergessen.
Vermisst werden kann nur das, was man kennt. Also ja, ich habe es vermisst, am Anfang sogar schmerzlich, aber wenn es Sein Wunsch ist, dass ich nicht mit den Augen sehen soll, dann soll es so sein. Es gibt viele Wege zu sehen und zu erkennen. Mh.
Noch während er sprach, fiel der Aspekt ihm ins Wort. Auch wenn er sich davon nicht unterbrechen ließ und seine Gedanken bis zum Ende aussprach, so lauschte er doch auf die Worte, dem süßen Singsang, der darin lag. Es war fast wie eine Verlockung dahingehend, die falsche Entscheidung, den leichteren Weg zu wählen. Aber was war unter Seinen Augen und Seiner Führung und an Seinen Prüfungen schon leicht? Da war der Moment der Entscheidung also gekommen.
So... bietet ER dir ein Angebot an, Till. Du kannst zurückgegen, den Weg zur Säule, mit deinem Augenlicht und in dein altes Leben.
Oder aber du trittst ins Pentakel. Auch hier wirst du einen Weg weitergehen, nur ohne diesen Sinn. Unter seinem lodernden Auge, unter seinem Blick. Die Wahl steht dir natürlich frei. Weg zurück, oder Weg voran.

Er spürte die Aufmerksamkeit auf sich ruhen, er nahm war, dass er sehr genau beobachtet wurde. Hätte er es in dem Moment beschreiben sollen, hätte er auf die Impression einer lauernden Katze zurückgegriffen, die ihre Beute umschlich und nur auf den passenden Moment wartete zuzuschlagen.
Ich habe mir gedacht, dass diese Frage kommen wird, weißt du? Es gibt keine Wege zurück. Nicht für Sein Werkzeug, nicht für mich. Ich finde jeden Weg.
Ohne zu zögern trat er in die Mitte des Pentakels, bedacht darauf die Linien nicht durch Unachtsamkeit zu verwischen. Auch jetzt verspürte er keine Angst, auch wenn ihm klar war, dass er gleich sein Augenlicht ein weiteres Mal verlieren würde. Jetzt wusste er, was ihn erwartete, jetzt erkannte er, wie er die Finsternis für sich annehmen konnte. Jetzt erkannte er die Weisheit in der Ahad Worte, die sie ihm kurz vor dieser Reise an seinen Bestimmungsort mitgegeben hatte. Genauso wie er die Weitsicht aus Cailens Worte in sich aufnahm, die von diesem Ort gesprochen hatten. Daraus ergab sich auch ein Erkennen für ihn selbst, was Seine Wahl der Werkzeuge anbelangte.
Er sieht, Till, er sieht dich und jeden Schritt voran. Die finale Prüfung aber steht noch aus, halte dich bereit.
Die Welt verschwamm, Finsternis legte sich über ihn, anders als beim ersten Mal war es dennoch. Er hieß sie willkommen. Und so kehrte er – ohne jedes Zeitgefühl – zurück zu der kleinen Gruppe, die sich bereits wieder am Feuer eingefunden hatte. Wie lange er gebraucht hatte, wusste er nicht, aber das spielte auch keine Rolle.
Er war dankbar ihre Stimmen zu hören, dankbar für ihren Beistand, noch immer, oder sogar noch mehr als zuvor. Bereit seine Eindrücke zu teilen, erzählte er ein wenig davon, wenn auch nicht alles. Nicht zu viel, manches wollte er auch für sich behalten, und über vieles hatte er erst noch nachzudenken, bevor er es teilen wollte. Es gab allerdings eines, was ihn vermutlich nicht so überraschen sollte, wie es im ersten Moment tat.

Und nächstes Mal sehe ich mir an, wie gut Ihr blind kämpft, Vicarius. Ich werde ebenso nicht sehen.
Noch gar nicht! Ich wäre also für Holzwaffen.
Dann wird es Zeit, nutzt die Schwäche um eine Stärke zu entwickeln. Holzwaffen sind etwas um das Feuer anzuheizen, wenn man keinen Abfall dafür hat.
Und für Anfänger in diesem Bereich.
Er hörte, wie sich der Lethrixor entfernte und als er eine Antwort missen ließ, fügte er den eigenen Worten noch hinzu:
Vermutlich bringe ich mich eher selber um, als er mich.
Plausibel.


Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 24 Jun 2021 09:51, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 28 Jun 2021 11:14    Titel:
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Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…
                              ...orange.


Nur ein paar Tage der Schonfrist waren ihm geblieben. Das Zusammentreffen mit dem Aspekt hatte er noch nicht ganz verarbeitet, als er den Weg zum Feuer vor Rahal suchte, um sich einmal mehr dort niederzulassen. Aber dazu sollte es gar nicht erst kommen. Er wurde schon erwartet, vom Lethrixor.
Zuvor war er es noch gewesen, der sich im Gespräch um zwei Menschen gekümmert hatte, die sich gerade im Umgang miteinander etwas schwerer taten. Natürlich war er hier neugierig geworden, was der eine Part davon verheimlichte, aber dennoch bohrte er nicht nach, blieb bei dem, was ihm geboten wurde und versuchte wenigstens einen guten Rat dazulassen, bevor er ging. Ein Rat, mit dem beide hoffentlich etwas anzufangen vermochten.
Und nun verlor der Letharf keine Zeit, ließ ihm nicht einmal die Möglichkeit es sich anders zu überlegen, und nahm ihn mit sich mit. Vor dem Donnerholm, noch im sicheren Bereich, trat dann die Verweigerung seinerseits ein, als er erfuhr, dass der Lethrixor sich vorgenommen hatte, mit ihm direkt dem Banditenpack gegenüberzutreten. Für jemanden, der blind noch nie einen wirklichen Kampf gefochten hatte, keinerlei Erfahrungen darin mitbrachte und schon froh war, sich allmählich überhaupt zurechtzufinden, war das entschieden zu viel des Guten oder Schlechten. Er blieb stehen und lehnte kategorisch und entschieden ab. Wie es zu erwarten war, ließ der Lethrixor eine völlige Aufgabe gar nicht erst zu und forderte eine Erprobung der Fähigkeiten.

Wo er sich zuerst vor den Schatten der Dunkelheit gefürchtet hatte, und was der Verstand ihm vorgaukelte, lernte er nun, wie lächerlich diese Angst im Gegenzug zu der Furcht war, wenn man nicht sah, was einen angriff, von wo es geschah und womit darüber hinaus. Vor allem gepaart mit dem Wissen, dass hier keine Holzwaffen genutzt wurden, außer vielleicht bei den Bolzen der Armbrust – die ihm auch ohne die scharfe Spitze genug anrichten konnten, wenn sie trafen.
Auch das war im Grunde lächerlich, denn rechte Todesangst kannte er schon, zur Genüge, und er hatte sie zweimal überwunden. Mindestens zweimal. Einmal sicher direkt unter Seinen Augen. Eigentlich hätte er nicht einmal überrascht sein dürfen davon. Er wusste ja an sich sehr gut, wie die Kinder des All-Einen an solche Dinge herangingen. Außerdem hatte er sogar ein paar Tage Zeit gehabt, sich mental darauf vorzubereiten. Sein Fehler war es gewesen, das nicht sonderlich ernst zu nehmen.
Trotzdem hätte ihn nichts darauf vorbereiten können, auf dieses überwältigende Gefühl der Angst und Hilflosigkeit. Dabei hatte er gedacht, er wäre darüber hinweg, hätte es geschafft, hätte eine Möglichkeit für sich gefunden, doch wie sehr hatte er geirrt.
So hockte er da, zusammengekauert, den Schild zum Schutz gehoben, in dem Wissen, dass dieser ihn nicht ganz abdecken konnte, es war immerhin kein Turmschild, sondern nur ein Drachenschild. Wo er erst den Stoßdolch zur zusätzlichen Verteidigung gezogen hatte, war er irgendwann umgeschwenkt auf den Stab, auch wenn es schwierig war, ihn nur mit einer Hand zu führen. Aber er hatte die trügerische Sicherheit in sich den anderen irgendwie auf Abstand halten zu können.
Die Sticheleien des Letharfen trafen ihn nicht. Davon hatte er in der ganzen Laufbahn als Templer so viele gehört, dass sie an ihm abperlten wie Wasser an einem gut gewachsten Blatt. Weder vorher noch nachher störten sie ihn sonderlich, noch schenkte er diesen irgendeine großartige Beachtung. Dafür war er sich seiner selbst viel zu sicher geworden.
Nein, der Zorn wurde schlicht aus ihm selbst geboren, vor allem aus der Hilflosigkeit heraus, die er in sich brodeln spürte, und die damit verbundene fast alles überdeckende Angst. Er war aber nun einmal kein Kaninchen, auch wenn er sich gerade wie eines verhielt. Das wusste er. Er hatte auch ein Raubtier in sich, wenn auch ein anderes als das, was man einem Templer vermutlich als erstes nachsagen würde.
Zeit zu fliegen, ging es ihm durch den Kopf, als er den Schild plötzlich fallen ließ und den Stab mit beiden Händen griff und damit auf Unterschenkelhöhe im Kreis ausholte. Er traf auf etwas, hörte das Stolpern und dann das Abrollen des Lethrixors. Für einen winzigen Moment frohlockte er. Zuvor hatte er selbst einiges einstecken müssen und dieser Erfolg gab ihm den nötigen Aufschwung. Es war just der Augenblick, wo die Angst und die Hilflosigkeit verpufften, Raum schafften für Zuversicht.
Was ihm aber auch bewusst wurde, war der stetig vorhandene Wille zu überleben. Dieser hatte ihn in der Angst nicht einmal verlassen.

Trotzdem war er froh, als die Übung ein Ende fand, der Lethrixor endlich nachgab, als er erneut mitteilte, es wäre fürs erste genug. Allerdings wusste er für sich nun auch, dass er diese Übungen fortsetzen sollte, egal, wie lang es dauern mochte, bis er es beherrschte, oder ob er es je wirklich dazu brachte, es sinnvoll anwenden zu können.
Zur’Xeyl hatte Recht: Was, wenn noch einmal ein solcher Nebel aufkam, in dem man die Hand vor Augen nicht sah, und er würde angegriffen werden? Es machte also Sinn sich auch damit auseinanderzusetzen.

Und: Es hatte ihn wieder einen Schritt vorangetrieben, einen sehr deutlichen sogar. Begleitet von einer weiteren kaputten Robe und einigen blauen Flecken mehr, aber immerhin, es ging voran.
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 29 Jun 2021 11:55    Titel:
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Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…
                              ...grün.


Hoffnung. Ein weiteres Gespräch, aus dem sich eine Hilfe herauskristallisierte, die er dankbar annahm. Manch einem fiel es womöglich schwer, sich so sehr auf andere zu verlassen, zu vertrauen, den Schritt zu wagen, sich in andere Hände fallen zu lassen, die einen auffingen. Auch hier lernte er dazu, er lernte, dass das möglich war, im Großen wie im Kleinen.

Er genoß ihre Gesellschaft sehr, die Unterhaltung, sog die Vorschläge regelrecht in sich auf und bedauerte zugleich sie nicht sehen zu können. Es war lange her, dass er sie so, wie sie vor ihm saß, gesehen hatte. Das Bild in seiner Erinnerung war nur noch schwach vorhanden. Meist traf er sie in anderer Gestalt, was für sich genommen auch in Ordnung war, denn es war die, die für sie alle vorgesehen war. Es war nichts Falsches daran. Er kannte sie beide, mochte sie beide, aber diese hier war ihm doch irgendwie lieber, mehr ans Herz gewachsen, womöglich wegen der Anfänge seiner Reise hier auf der Insel.
Ihr Vorschlag war sicherlich mit einem Risiko behaftet, aber was war an dieser Prüfung nicht damit gespickt gewesen bislang? Sollte er jetzt etwa verzagen und davor zurückschrecken? Nein, er vertraute ihr. Das mochte für sich genommen irrwitzig genug sein, aber er hatte keinen Grund es nicht zu tun, hatte er bislang zu keiner Zeit gehabt. Also begann er damit auch gar nicht erst. Da gab es andere, wo er manches Mal das ein oder andere hinterfragte. Hier musste er das nicht. Neben Rilytia war sie so ziemlich die nächste Person, wo er sich einfach fallen lassen konnte, sein konnte, wie er war, ohne sich verstellen zu müssen. Ja, diesen Umstand genoß er in der Tat sehr.

Auch wenn sich ihr Gespräch zumeist um ihren Vorschlag drehte, wich dieses auch mal nach links oder rechts zu anderen Themen aus, so fand der gewohnte Austausch zwischen ihnen statt und er merkte durchaus, wie sehr ihm das gefehlt hatte. Hier war viel zu lange geschwiegen worden. Das lag mitunter sicher nicht an einem allein, sondern an ihnen beiden, waren sie beide doch sehr von ihren eigenen Geschichtssträngen vereinnahmt gewesen in der letzten Zeit. Aber die gegenseitige Versicherung es wieder aufleben zu lassen, war eine schöne Sache, und erfüllte ihn mit einer unbestimmten Vorfreude.

Nun, da sie fort war, der Abend sich zum Ende neigte, ließ er das Gespräch noch einmal an sich vorbeiziehen, auch die kleinen darin enthaltenen Sticheleien, und musste schmunzeln. Sorge aber bereitete ihm etwas anderes an den Worten, die gefallen waren. Nichts, was sich zwischen sie stellte, mehr etwas, das viel zu lange brach lag und endlich in trockene Tücher gelegt gehörte. Er sah allerdings nicht, dass es da voranging. Und auch wenn sie es nicht ausgesprochen hatte, es wurde ernsthaft Zeit, dass etwas geschah. Nicht nur dort, auch an ein paar anderen Stellen.
Trotzdem musste das alles noch einen Moment warten. Nur einen Moment. Zwei Tage, drei Tage, eine Woche, bis Er seine Prüfung für beendet erklärte. Nur noch so lange.
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Morra Thuati





 Beitrag Verfasst am: 30 Jun 2021 15:52    Titel:
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Sumpfger Schlange Schwanz und Kopf
Brat und koch im Zaubertopf:
Molchesaug und Unkenzehe,
Hundezung und Hirn der Krähe;
Zäher Saft des Bilsenkrauts,
Eidechsbein und Flaum vom Kauz:
Starken Zauber eingemischt!
Höllenbrei im Kessel zischt.
(Macbeth)




Die Nasenflügel bebten kurz, als der zunächst noch schwach moosige Kräutersud zu sieden begann und ein dezent grünlicher Dampf wie von Geisterhand über den Gläserrand schwappte, um in lautlos trippelnder Bewegung über den Tisch zu wandern. In nur wenigen Lidschlägen hatte er das Eichenholz vollkommen verschluckend eingehüllt.

Zauberhaft…

Das Wort war auf einmal in den Kopf gesprungen und dort badete es zufrieden im Glanze der seltsamen Atmosphäre, die der Raum bildlich den Augen vermittelte. Trotz dem seltsamen Zwielicht, das hier überall vorherrschte und die Unterwelt in eine bizarre Scheinumgebung hüllte, war der Blick auf die Alchemiestätte nicht verhüllt. Was man hier sehen musste, erreichte die Sinne und was besser ungesehen blieb, verwandelte sich in den grausigen Schatten, der nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen werden konnte und sich dafür bis in die Albträume hinein streckte.
Sie erinnerte sich nur zu genau an den Moment, an dem man sie das erste Mal hier hinabgeführt, nein getragen... geschleppt hatte. An die eigenen Schreie, als der Ausgang hinter ihr zu verschwinden schien und das Tageslicht immer kleiner wurde, bis es hinter dem Gestein weggesperrt war. Schon seltsam, wie fern das Ganze erschien, als wäre es in einem anderen Leben und auf einer anderen Welt geschehen.


Ein leises, glucksendes Blubbern lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den kleinen Pot, der zwar nach wie vor intensiv nach Kräutern und einem Hauch Alkohol roch, doch langsam an Farbe verlor. Sie schob die Tagträume mit aller Kraft von sich und blendete auch das Wispern aus den Ecken aus, das vermutlich wieder einmal nur in ihrem Kopf zu hören war. Jetzt gerade war nicht die Zeit, um sich in den Schemen und der Zwischensphäre zu verlieren oder die Dinge hinter dem Nebel zu betrachten, die sie seit der Begegnung mit dem Flößer auch außerhalb der Traumwelt beobachten konnte.
Das war ihre Prüfung gewesen, ja, doch nun ging es um die eines Anderen.


Dunkelheit…

Ein Teil ihrer Welt aber nicht auf die Art und Weise, die er da gerade erfuhr und auch wenn die Worte, die sie gewechselt hatten, nicht der Aufmunterung galten, sondern aus Überzeugung gesprochen worden waren, so wollte sie doch auch nicht mit ihm tauschen. Sie erahnte nur die Unsicherheit, die zunächst dahinter lauerte und verstand, dass es daher eine gute Prüfsituation war, um einen Diener des Panthers damit zu konfrontieren aber wohin selbiger den Vicarius dann lenken wollte und ob sich nicht doch noch ein Katz-und-Maus-Spiel daraus entwickeln sollte, vermochte sie nicht zu antizipieren und dementsprechend durfte es keine zusätzlichen Wackelfaktoren in das geplante Unterfangen mischen, wenn die Berechnung am Ende stimmig sein sollte.

Behutsam hob sie die Phiole und quetschte den kleinen Korken mit Zeigefinger und Daumen zusammen, bis er sich leise ploppend aus dem Glas löste. Der gewohnt metallische Geruch schwappte ihr entgegen und vorsichtig kippte sie die dunkle Flüssigkeit Tropfen um Tropfen in das Gebräu. Die Lippen formten lautlose Flüsterworte und ein Funken Begeisterung entzündete das Feuer in den Kohleaugen, als mit einem Male ein rötlicher Nebel durch den mittlerweile klaren Kräutersud zog. Er breitete sich darin aus, wandelte die Farbe in kräftiges Karmin und als sie den Behälter schwenkte, glomm er regelrecht auf.
Ah, es war gelungen. Ein Schluck Schlummer und Grenztanz für den Prüfling.
Jetzt lag es an ihm!


Traumzeit…


_________________
"I, myself, am strange and unusual."
Beetlejuice...Beetlejuice... Beetlejuice!
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 01 Jul 2021 15:32    Titel:
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Finale Teil 1


Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…
                              ...bunt.

Die Welt ist voller Farben, auch für einen Blinden. Das sollte er an diesem Abend lernen. Fünf. Fünf war die Anzahl derer, die sich an diesem Abend bereit erklärt hatten, ihm zu helfen, ja, ihn sogar zu begleiten. Wie sehr es diese Begleitung in sich haben würde, hatte er sich selbst nicht einmal ausmalen können. Geschweige denn, dass er befürchtet hatte, dass die anderen dadurch derart in Gefahr geraten könnten. Aber der Herr war nun einmal der Herr, und Er ließ sich die Zügel kaum aus der Hand nehmen. Damit hätte er rechnen können und müssen. Es war seine Prüfung, er musste sie bestehen vor Ihm. Oder er versagte und trug dafür alle Konsequenzen. Da galt es auch die Verantwortung zu übernehmen, wenn er andere mit hineinzog. Wie viel Verantwortung er sich damit aufgeladen hatte, wurde ihm ebenfalls erst später bewusst.

Sie waren gemeinsam zum Tempel gegangen, Ceylin’Tyrs, Cailen, Rilytia, Thyra, Lingor und er. Er hatte ihnen jeweils einen der Tränke übergeben, die er von der kleinen Schwester erhalten hatte und das erläutert, was er dazu wusste – was nicht viel war, aber genügen musste. Außerdem machte er deutlich, dass er der Herausgeberin dessen vertraute. Aus irgendeinem Grund behielt er den Namen für sich, der sich dahinter verbarg.

Er erläuterte ihnen die Verbindung durch den Trank und was dieser bewirken sollte, und dass die passende Menge für eine Person abgefüllt worden sei. Als sie sich dann bereit erklärten und Ceylin’Tyrs klarmachte, dass sie über sie wachen würde, statt ebenfalls zu trinken, nahmen sie das Gebräu auch zu sich. Wie versprochen schmeckte es gar nicht so schlecht. Kaum ausgetrunken, begann er seine Anrufung zum Herrn und hoffte, er wurde erhört.



Er wachte auf, lag weich, bequem in einem Bett und konnte es sich im ersten Moment nicht erklären. Da er nach wie vor nicht sehen konnte, auch jetzt nicht, mutmaßte er sogar, dass er richtig aufgewacht war. Allerdings roch es anders, er war auch woanders, das spürte er instinktiv, aber er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.
Falsch… falsch… warum ist er hier? Falsch!
Er lauschte still von seiner Bettstatt aus, hörte es zischeln und fauchen, ein Flüstern, alles noch sehr verhalten. Den Stab in der Hand umfasste er daraufhin fester und setzte sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und setzte die Füße auf dem Boden. So blieb er erstmal sitzen, lauschte. Er versuchte es mit der Nase, mit dem Gehör, versuchte sich auf seine Umgebung und das was da war irgendwie einzulassen, auch wenn er das Gefühl hatte, dass – egal was da war – seinen Herzschlag mindestens so laut hören musste wie er selbst.
Den Stab nutzte er wenig später, um den Boden abzutasten, ob es vor ihm noch weiter ging, noch mehr Raum da war, fester Boden, ein Weg, eine Tür, eine Wand. Für einen kurzen Moment wurde es still daraufhin, dann zischelte es lauter. Wenig später, spürte er etwas auf seinem Gesicht, eine leichte Feuchtigkeit, wie Nebel. Er legte die Handschuhe ab, stand auf und trat einen Schritt voran, in den Nebel hinein. Dort verhielt er einen Moment und lauschte, spürte vielerlei Präsenzen im klerikalen Gefüge, abertausend schwarze, verzerrte Flecke. Wo hatte sie ihn hingeschickt? Der Nebel war ihm vertraut, erinnerte ihn an sie. Und er bemerkte durchaus, dass der Nebel ihn schützte. Überaus interessant, es fachte seine Neugier an und schob die Angst weit genug zurück.

Nun, da bin ich, offenkundig allein. Und dann doch auch wieder nicht allein.
Dhhuuu bist der Fhalllsche… Dhhuuu solltest nhiiicht hhhieer sein… Wwweeheiiissst dhhuuu wooo du bhiiiist?
Die Stimme, die zu ihm sprach, klang dumpf, eisig, raunte nur. Nein, er wusste es nicht. Woher sollte er das auch? Eine seltsame Unterhaltung entspann sich, in der er dabei blieb ehrlich zu sein, nicht log, aber auch keine Antworten erhielt, die ihm mehr sagten. Sie versuchten ihn zu ängstigen, ihm einen überaus schweren Verlust einzureden, Rilytia auf dem Scheiterhaufen Adorans. Sie beschrieben dieses Bild sehr ausführlich. Im nächsten Moment beklagten sie sich, dass gerade sie es offenbar war, die die Regeln für ihn bog. Welche Regeln? Was genau bog sie? Keine Antwort, nur eine neue Frage an ihn. Und wieder bemühte er sich um ehrliche Antwort drauf.

Ich bin nicht allein. Ihr habt es mir verraten. Du fragst warum? Warum was? Warum ich das weiß? Warum ich mir sicher bin? Oder was für ein Warum meinst du? Ich spüre den Nebel, er ist ein Teil der kleinen Schwester. Ich weiß, was mich hierher brachte, und ich weiß ich bin mit den anderen verbunden. Ich vertraue. Und am allerwichtigsten: Der All-Eine ist stets bei mir.
Jjjhaaaa und neiiiin… Till, sssiieeee nutzzzzzt ihn… jetzt… errrr issst ihr Fluuuuuchhhh und Ssegen… Sssie entkommt ihmmmm nnnicht mmmehhhrrr, aberr jjjaaaa, errr ist immer bheiiii dhiiir und auch DAS rrrettet dhiiich. Weissst du denn, whooo du biiiist?



Rot. Seit der Name des Herrn gefallen war, pulsierte es hier und dort im Nebel vor ihm und um ihn herum. Es vertrieb sogar für ihn die Schwärze. Er hörte die Stimmen kreischen, sie klangen wütend. Irgendwas warfen sie ihm vor das Gesicht, er wusste das, aber nicht, was es war. Wenn er mit der Hand zu seinen Augen fasste, konnte er nichts ertasten. Dann glühte das Rot auf, er spürte, dass sich erneut etwas veränderte. Das Bett verschwand, der Boden war anders, es roch plötzlich … nach Shevanorer Törtchen, guter Wein?! Irgendwo hörte er Vögel zwitschern. Es wirkte auf ihn fast schon ironisch nach dem just erlebten, was ihn mit mehr Fragen zurückließ, als er vorher überhaupt hatte. Für einen flüchtigen Moment fühlte er sich sehr an zuhause erinnert, an seine Familie, seine Mutter vor allem.
So kreuzen sich erneut unsere Wege, Vicarius.
Die vertraute Stimme brachte ihn dazu verhalten zu lächeln, obschon ihm vom Duft der Magen anfing zu knurren. Verrückt. Völlig verrückt.

Schön, deine Stimme zu hören.
Bist du bereit?
Ja, ich denke, das bin ich. Weißt du, wo die anderen sind?
Ich weiß es, und du wirst es sicher auch nachher erfahren. Folge mir.
Er folgte, anfangs sehr langsam, da ihm das Gebiet unbekannt war. Der Blick auf die Katze im klerikalen Gefüge half ein wenig, der Stab war seine zweite Stütze bei dem Unterfangen, denn noch immer war er blind. Es hatte sich nach wie vor nichts daran geändert, und ihm war nur zu bewusst, dass die eigentliche Prüfung nun beginnen sollte.
Das ist deine letzte Prüfung. Du musst durch die Irrwege finden. Dabei werden dir deine Gefährten helfen und du ihnen. Es gilt auch Prüfungen bei ihnen zu absolvieren, je Gefährte eine Prüfung. Solltest du sie übersehen, werden sie verloren sein. Du hast eine Stunde Zeit.
Übersehen. Immer diese Wortwitze. Die Katze war fort. Er stand allein am Eingang eines riesigen Heckenlabyrinths, das er roch, hörte, wenn die Brise durch das Laub raschelte, oder irgendwas hindurchlief, was dort vielleicht wohnte. Mäuse, Ratten, anderes Kleingetier. Noch immer war da der Duft in der Luft, wehte zu ihm hinüber. Irgendwo hörte er leise Musik, woher auch immer sie kam.
Er tastete mit der Hand nach der Hecke und begann zu laufen, den Stab wieder herannehmend, um den Weg zu erkunden. Eine Stunde. In aller Plötzlichkeit wurde ihm die knappe Zeit bewusst. Sie waren fünf! Fünf in einer Stunde und dazu noch Rätsel lösen, die er natürlich nicht kannte.
Da war sie wieder die Angst, Angst darum er könnte versagen, er könnte zu spät sein, zu langsam. Er lief, blindlings, wie auch sonst. Mehrmals geriet er in Sackgassen und musste kehrt machen, hoffen die Orientierung nicht zu verlieren, er zählte, wie oft er sich zur gleichen Seite drehte, sagte sich laut auf, wohin er abbog, zwischendrin rief er ihre Namen und erhielt Antworten. Er machte sich auf die Suche nach ihnen. Nach ihren Farben. Er sah sie alle, alle fünf. Orangegold, Braun, Dunkelrot, Blau und Blaugrün.




Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 02 Jul 2021 10:21, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 02 Jul 2021 11:52    Titel:
Antworten mit Zitat



Finale Teil 2


Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist…
                              grell!

Orangegold.
Er rief einmal mehr, hatte schon eine Ahnung, wer ihm antworten würde. Sie waren offenbar alle in der Nähe, nur getrennt von ihm durch diese Hecken, die ihn in die Irre führen und die Orientierung rauben wollten. Rilytia antwortete, war aber weiter entfernt. Lingor hielt sich hingegen in der Nähe auf, deutlich hörbar und für ihn sogar als Farbklecks zu sehen. Noch eine Umrundung um die Hecke und dann stand er vor ihm.
Nach einer kurzen Begrüßung ließ er sich von dem Bauern die Umgebung beschreiben, zumal dieser ihn schon vor den vielen herumliegenden Steinen warnte. Das Rätsel war in der Tat noch eines der leichteren am Ende. Vier Elemente, vier tönerne Steine, die Lingor für ihn ausfindig machte und ihm gab. Da hörte er schon, wie das Knistern der blitzgeladenen ‚Wand‘ verstummte, nach und nach, immer mehr, je mehr Steine er hielt. Sie fühlten sich angenehm warm an. Was genau es damit auf sich hatte, sollte er aber nicht herausfinden. Er erkannte bloß die Wärme, und dass die Beschaffenheit vielleicht an Ton erinnerte. Kaum, dass er alle vier Steine auf dem Arm geklemmt hatte, fand das Knistern ein Ende, und da tauchte auch fast unmittelbar danach die mittlerweile vertraute mitternachtsschwarze Katze auf, für ihn deutlich erkennbar als ein rotglühender Funke.

Du bist frei.
Ihm blieb nur noch Zeit sich knapp zu bedanken, da war Lingor auch schon fort. ‚Aufgewacht‘, dachte er noch, suchte aber schon den Weg vorbei an der Stelle, wo die Blitze geknistert hatten und legte dahinter die Steine ab, um weiterzugehen.


Letharisches Blau.
Abermals nahm er die falsche Abzweigung und musste eine ‚Ehrenrunde‘ drehen, bis er endlich den Weg zu dem dunkleren Blau fand. Erst als er sie ansprach kam eine Rückmeldung. Zuvor hatte sie sich nicht gerührt, nicht einmal ein Geräusch verursacht. Vermutlich hätte er geschmunzelt, säße ihm die Zeit nicht so im Nacken, und wenn es nicht plötzlich sagenhaft still wurde. Sämtliche Laute verstummten, kein Vogel war mehr zu hören, kein Rascheln. Als hätte ihm jemand die Ohren verstopft. Erst als Ceylin’Tyrs sprach, hörte er einen hellen Glockenklang und das kleine Licht, das neben der Lethra erst dumpf wirkte, begann heller zu strahlen, es zum Vibrieren zu bringen, woraufhin er ein Bild sehen konnte. Ja, sehen, in der Tat. Aber kaum, dass sie wieder verstummte, verschwand es sofort wieder.
Es blieb ihm also nichts anderes, als die Lethoryxae aufzufordern zu reden. Zum Glück kam sie dem Wunsch nach und sprach. Und während sie dies tat, sah er wieder das Bild aufleuchten, begleitet von den Glöckchen, die stetig erklangen, wenn sie einen Laut von sich gab.
Ein hohes Zaungebilde zeigte sich ihm, die Mitte war frei. Dahinter zeichnete sich die weite Welt ab, der Sonnenuntergang, der Himmel, die Ferne, die schmerzlich atemberaubende Schönheit der Wälder, Wiesen und des Meeres. Ihm war nicht aufgefallen, dass etwas an dem Bild fehlte, aber er hauchte sofort das Wort, das ihm dazu einfiel:

Freiheit! Das Bild steht für Freiheit!
Du bist frei.
Erneut war die Katze aufgetaucht und schickte auch die Lethoryxae fort. Und wieder blieb allein kurz Zeit einen knappen Dank auszusprechen.


Blaugrün.
Auf der Suche nach der nächsten Person rief er abermals. Thyra antwortete, schien ihm aber weiter entfernt. Da sah er das Blaugrün ihrer Augen aufleuchten, gar nicht weit fort. Rilytia. Als er sie erreichte, hörte er ihr Lachen, wusste zugleich, es kam nicht von ihr selbst und dennoch war es unverkennbar ihres. Doch hinter ihr war etwas, das trübe Kälte ausstrahlte, über sie schwappen ließ, sie fast zu erdrücken schien. Er hätte nicht zu sagen gewusst, wie er das wahrnahm, er wusste es einfach nur. Abermals halte das Lachen und wurde von der Kälte verschluckt.
Er nahm ihre Hände, sie waren so kalt, forderte sie auf selbst zu lachen.
Nun, es wäre wohl kaum Rilytia, wenn sie nicht auch daraus eine Diskussion entstehen ließ, natürlich eine, für die er gar keine Zeit hatte, so gerne er sie sich auch nehmen würde. Also drängte er weiter, hörte eine Stimme, die ihm sagte, er möge sich erinnern, warum sie, warum er.
Als das Drängen nicht zum gewünschten Erfolg führte, handelte er, drückte ihr einfach einen Kuss auf die Lippen, innig, aber auch den Umständen geschuldet recht kurz.

Ich liebe dich. Du bist mein Anker, meine Stärke, meine Kraft. Gemeinsam sind wir dies noch mehr. Füreinander und für Ihn.
Nicht ganz, was ich erwartet habe, aber ich will es gelten lassen, denn es ist durchaus interessant. Auch du bist wieder frei.
Die Katze. Da war der Funke wieder aufgetaucht, glomm neben ihm und fort war das Blaugrün. Nicht einmal Zeit für einen Dank wurde ihm gelassen. Also eilte er weiter.


Dunkles Rot.
Tatsächlich hatte er angenommen, die nächste würde Thyra sein, doch er irrte. Der weitere Weg führte ihn geradewegs auf das dunkle Rot zu, das ihn so sehr an die Farbe des Tempels erinnerte. Cailen.
Nur zu deutlich spürte er die Zeit im Nacken, auch wenn er nichts sah und nicht mal erahnen konnte, wie viel davon verstrichen war. Es kam ihm vor, als wäre es die Stunde bereits kurz davor zu verstreichen. Entsprechend drängend musste er auch geklungen haben, als er Cailen bat zu beschreiben, was dieser sah. Gleichsam roch er den Wiesenhonig, sah einen rötlichen, segnenden Glanz vor sich, von wo der Duft auch ausströmte. Als Cailen die Blume auch erwähnte, trat er darauf zu, schnupperte daran. Hier kam der Geruch der Shevanorer Törtchen her?! Was war das für ein absurdes Rätsel?

Es riecht… nach Sehnsucht?
Nach den Worten seines Glaubensbruders versucht er es mit Worten, die er aussprach. So wie zuvor schon bei dem Bild, als er Ceylin’Tyrs erreicht hatte. Natürlich hätte ihm klar sein müssen, dass es so einfach nicht sein konnte. Nichts geschah, nichts änderte sich, nichts war da greifbar, keine Katze.
Auch im Austausch mit ihm wollte ihm nichts einfallen. Er war schlicht und ergreifend ratlos, was ihn zunehmend nervös machte, die Angst heraufkriechen ließ es nicht rechtzeitig zu schaffen.
Wenn er sie nun beide verlor, weil er nicht auf die Lösung kam? Was dann?

Cailen war es, der zuerst nach einer der Blüten griff. Erst als es leiser wurde, hörte er wieder das Knistern hinter sich, dass ihm den Weg versperrte. Abermals Blitze? Scheinbar. Und sie wirkten wirrer, als die Blüte den Stiel der Pflanze verließ. Er hatte das Geräusch gehört, das zwangsläufig entsteht, wenn man eine Blume pflückte. Dann tat Cailen noch etwas, und die Blitze verstummten langsam immer mehr.

Was tust du?
Essen.
Hastig schob er sich ebenfalls eine Blüte in den Mund und die Blitze verstummten zur Gänze, während sich ihm das Bild aufdrängte am Abendtisch zu sitzen, auf dem die Küchlein warteten. Er hörte eine warme, sanfte Stimme, die ihm ins Ohr raunte: ‚Du solltest Honigzunge heißen, Kleiner.‘
Rasch bedankte er sich, schon wissend, dass die Katze kommen würde um Cailen zurückzubringen. Er spürte die Woge der Erleichterung, die aber sofort erstickt wurde von dem Wissen, dass ihm noch immer Thyra fehlte. Also bedankte er sich, und hastete regelrecht los, ungeachtet der Blindheit, mit der er geschlagen war, suchte er Thyras Farbe. Braun, da war sie!
Kaum einen Moment später tauchte die Katze auf.


Braun.
Als er sie erreichte, drängte er sie direkt zu beschreiben was sie war. Aber außer der gräsernen Fläche und einem Eingang und einem diagonal dazu liegenden Ausgang befand sich nichts dort. Es war allerdings etwas zu hören, und das klang alles andere als beruhigend für ihn. Ein Schaben und Scharren machte sich immer deutlicher bemerkbar aus den Ecken der umliegenden Hecken.

Ttttiiiillllll… eiiiiigentlichhhh ist deine Zzeit um… Wenn du sssie auch retten willlssssst … dann müsst ihr euch diessss freiiiikämpfen!
Es blieb ihm nur gerade so viel Zeit sich des Stabs zu entledigen, nach Waffe und Schild zu greifen, den Helm aufzusetzen, als er es Dröhnen hörte und ebenso wie ein Baum das Zeitliche segnete. Thyra war es, die sah, was auf sie zukam und teilte es ihm mit: Ein Dämon. Einen Moment später drang ihm schon der Geruch von Schwefel in die Nase. Zeit, Angst zu haben, hatte er nicht. Es gab nur ein Weg und er wusste ja um Thyras Fähigkeiten. Er murmelte ein Stoßgebet zum All-Einen, bemüht darum sie beide darüber wenigstens zu stärken, so gut es ging und dann befand er sich auch schon im Kampf.

Er spürte die schweren Pranken mehr als einmal gegen ihn und den Schild schlagen. Jedes Mal kam der Schmerz unerwartet, ob nun im Schildarm oder dort, wo er getroffen wurde. Es trieb ihm zuweilen den Atem aus den Lungen, er hörte sich selbst aufstöhnen unter der Wucht, trotzdem hielt er irgendwie Stand. In einem machte es der Dämon ihm leicht: Er konnte ihn beim besten Willen nicht verfehlen, wenn er mit der Waffe ausholte und zuschlug. Zum einen machte das Biest selbst einen Höllenlärm und es stank zum Himmel, zum anderen hörte er unablässig die Pfeile sirren und einschlagen, die Thyra auf ihn verschoss.
Wo er den anderen zuvor schon Vertrauen entgegenbrachte, so musste er hier wirklich alles davon in die Waagschale werfen, denn sollte sie verfehlen, konnte es ihn gut und gerne selbst erwischen. Ausweichen würde er dem nicht können.
Es fühlte sich wie eine endlose Ewigkeit an, bis der schwere Körper des Dämons endlich zu Boden ging und die halbe Hecke mitriss. Noch atemlos und mitgenommen versuchte er sie dann mit sich gen Ausgang zu dirigieren, als der rote Funke auftauchte.

Den letzten Schritt musst du trotzdem allein gehen, die Frau ist aber frei.
Fort war sie. Fort die Katze.


Grell!
Seid Ihr auch schon da, Vicarius?
Das Kätzchen klang müde, streckte sich unter dem Haselnussbaum, wo sie an den Wurzeln geruht hatte.

So schnell ich es vermochte.
Was denkt Ihr den durch diese Prüfung gelernt zu haben, Vicarius?
Vertrauen. In die, die mir zur Seite stehen, und in mich selbst. Vor allem. Und ich habe gelernt meine Ängste anzunehmen und sie zu überwinden. Ebenso wie die Dunkelheit, oder die Finsternis, und was ich mit ihr und in ihr bewirken kann. Wie viel mehr sie ist, als zu Anfang gedacht.
Und wo, denkt Ihr, führt Euch Euer weiterer Weg hin?
Ebenso weiter voran, wie er es bis jetzt stets getan hat, und ebenso werde ich auch weiterhin mein Leben in Seine Hände legen. Mit allen daraus folgenden Konsequenzen.
Was war Euer größter Fehler in Eurer Vergangenheit, Vicarius?
Mein größter Fehler? Das bin ich selbst, und auch wieder nicht. Denn ich arbeite stetig an mir und werde das auch weiterhin.
Weise Wrote, Vicarius, aber Ihr habt noch einen weiten Weg vor Euch.
Er nahm es mehr wahr, wie die Katze zum Sprung ansetzte, ihm buchstäblich ins Gesicht sprang, um den Schleier von seinen Augen zu reißen. Schon im nächsten Moment liefen ihm die Tränen ob der plötzlichen Helligkeit, die ihm in die Augen stach, und er musste heftig blinzeln. Was ihm erst später auffallen sollte, war, dass die davongerissene Dunkelheit, die ihm ebenfalls vor den Augen hing – der Flecken, der ihn mit ins Labyrinth begleitet hatte – sich ebenso von diesen löste, sich dafür aber um sein rechtes Handgelenk schlang. Dort ruhte die stetig mahnende Erinnerung nicht etwa, sondern es bewegte sich auch dort, sanft.

Auch Ihr seid nun frei, Clericus. Und versprecht mir das heute Gelernte auf ewig in Eurem Herzen zu tragen. Euer Weg wird sich in der Zukunft ebenso winden und drehen, wie dieser Irrgarten. Das heute Gelernte muss Euch helfen damit zurecht zu kommen.
Es blieb ihm nur noch das Versprechen zu geben und sich leise zu bedanken, als die Welt um ihn herum schon wieder verschwamm.


Als er die Augen aufschlug, aufwachte, blinzelte er verhalten, die Blindheit war fort, er konnte wieder sehen. Es war also nicht nur ein Traum gewesen. Gleichzeitig spürte er die Präsenz des Herrn deutlicher als zuvor noch. Und das erste was er sah...
... das Gesicht Aurianes, das sich in sein Blickfeld schob und ihm einen guten Morgen wünschte. Morgen?! So lange hatte er geschlafen?! Das Wasser, was ihm gereicht wurde, war wohltuend und weckte die letzten Lebensgeister.

Einige waren schon gegangen, er erfuhr von Cailens Missstimmung und verzog etwas die Lippen. Womöglich sollte er noch einmal das Gespräch mit ihm suchen. Alle anderen waren wohlauf gewesen und die, die noch da waren, schickten sich, nun da er auch sicher zurück war, ebenfalls an zu gehen. Morgen war es keineswegs. Es war spät in der Nacht, als er aus dem Tempel hinaustrat, nachdem er sich mit allem gebotenen Respekt und aller gebotenen Ehrfurcht vom All-Einen für diesen Tag verabschiedete vor dem Altar.

Begreifen konnte er all das noch nicht. Aber er spürte eine unendliche Erleichterung und eine ebenso große Dankbarkeit, insbesondere für all jene, die ihn in den vergangenen Wochen der Prüfung unterstützt und geholfen hatten.

Aber eines stand fest: Mit einer Nebelkrähe hatte die Eule noch ein paar Federn zu verlesen.






Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 02 Jul 2021 12:02, insgesamt 2-mal bearbeitet
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