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Der Lebensweg eines Kriegers
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Der Lebensweg eines Kriegers
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Richard Arenberg





 Beitrag Verfasst am: 05 März 2021 03:25    Titel: Der Lebensweg eines Kriegers
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Sein Blick lag gedankenverloren auf den Flammen des Lagerfeuers im Vorhof des Klosters. Die klirrende Kälte drang unter seine Plattenrüstung, versuchte sich durch die Schichten des Gambeson in seinen in die Jahre gekommenen Körper zu graben. Er merkte kaum etwas davon, zu tief waren seine Gedanken auf der Reise in die Vergangenheit, wanderten zu einem anderen Lagerfeuer, das er mit einem ihm Entfremdeten teilte, er selbst Anfang zwanzig, breitschultrig gebaut, kräftig und in seinen besten Jahren, der andere etwas älter, untersetzt, bulliger - die Ähnlichkeit sichtbar an den Gesichtszügen und der Augenpartie.

Der glasige, doch im Untergrund kraftvolle Blick des Mannes wanderte an den Flammen empor zu ihm herüber, dessen Finger der Schneide des Langschwerts entlang streichend, rauh und tief seine Stimme... „Kleiner, ich hab‘ dir gesagt, dass du auf der falschen Seite kämpfst. Hast du immer schon, du bist nichts weiter als ein Lakei in der Armee von selbstgefälligen Scharlatanen. Denen bist du scheißegal. Schau dich an! Kräftig wie ein Bulle und ausgestattet mit Verstand gehorchst du jedem Befehl, so dämlich er auch ist, wirfst dich in die Klinge, wenn’s der Kommandant oder der Herzog dir befiehlt! Du holst nichts aus dir raus, aus deinem Potential.“

‚Was ist los mit dir, was ist nur mit dir passiert?‘, schoss es Richard durch den Kopf, während er den anderen musterte, dessen Blick begegnete. Er spürte den unterschwelligen Zorn des Anderen, spürte, wie ihm selbst das Herz schneller schlug beim Anblick des Mannes, der für ihn lange Zeit ein Vorbild gewesen war… Was ist nur mit dir passiert…

„Vater macht sich Sorgen, Arik. Das Regiment in Bruchstein hat ein Kopfgeld auf dich und alle anderen hier ausgeschrieben, 20 Kronen für den, der ihnen deinen Kopf oder Leichnam liefert. Hast du eine Ahnung, wie’s Mutter damit geht, dass dein Gesicht und das der Männer hier an den schwarzen Bretter der Stadt hängt? Was ist nur los mit dir?“, sprach er nun aus, was ihm schon seit Monaten durch den Kopf ging, seit er davon gehört hatte, dass sein Bruder sich einer Bande von Gesetzlosen angeschlossen hatte, die durch die kriegsgebeutelten Lande zogen und brandschatzten, mordeten, vergewaltigten. Der Herzog hatte Truppen des Regiments ausgeschickt, die Bande von ‚Mördern und Vergewaltigern‘, wie er sie nannte, bis auf den letzten Mann auszurotten. Nur durch Glück und einen Hinweis, den er in einer Taverne in der Stadt aufgeschnappt hatte, hatte er seinen Bruder gefunden, war das Risiko eingegangen.

Die Späher der Gesetzlosen hatten ihn entdeckt, als er sich dem Lager näherte, er hatte danach verlangt, seinen Bruder zu sprechen, der beim Anblick Richards mehr als zerrissen war. Richard spürte, wie der innere Widerstreit sich in seinen Blicken offenbarte, Arik konnte ihm kaum mehr ins Gesicht schauen, er wusste von den Abwegen, auf die er sich begeben hatte, und zugleich musste er sie innerlich vor sich rechtfertigen, musste ein Gebäude aus Halbwahrheiten aufbauen, um nicht dem Abgrund entgegenzublicken, an dem er sich befand.



[Arik, älterer Bruder]

„Junge, Junge… du hast einfach keine Ahnung vom Leben, du hast nicht gesehen, was ich geseh’n hab! Du lebst in einer Welt, in der alles nach Prinzipien, Regeln und Gesetzen funktioniert, aber das einzige Gesetz ist das Gesetz des Stärkeren. Es gibt kein anderes Gesetz, der ganze Dreck, den Vater dir erzählt hat, die ganzen Gebete, haben keinen einzigen meiner Kameraden im Krieg gerettet, verstehst du? Ich hab‘ Kriegskameraden, die sich bettelnd durch die Straßen Bruchsteins schleifen, weil der Herzog und Seinesgleichen sich keinen Deut dafür interessieren, was mit ihnen passiert – die haben ausgedient! Und für die mach ich das… nehm’s von denen, die Schuld sind an dem ganzen Elend, und geb’s jenen zurück, die’s bitter nötig haben.“

Es schmerzte Richard in seinem Inneren, die Verzweiflung und den Schmerz seines Bruders zu spüren, und den Zorn, mit dem er all das überdeckte… Arik war wild gewesen, sein Wesen manches Mal zügellos, hatte eine Kraft und einen Antrieb, den Richard oft bewundert hatte, er hatte seinen Bruder geliebt dafür, wie er war, wie er mit anderen umging, wie er mit ihm umging… es war ein Stich ins Herz ihn so zu sehen, so zu hören… ein Mann, der nicht merkte, dass er gebrochen war, der verzweifelt versuchte, irgendwie seinen eigenen Schmerz loszuwerden und dafür die Welt in Brand steckte…

Sein Blick ruhte auf Arik, in ihm selbst wallten nun Verzweiflung und Unverständnis auf, er nahm einige tiefe Atemzüge, der Blick streifte über die Gestalten, die an einem anderen Lagerfeuer saßen, sich gedämpft unterhielten, ab und an streifte ein Blick zu ihnen herüber, was das Unwohlsein in Richard nur noch mehr verstärkte – wie konnte es sein, dass es Männer gab, die zu dem imstande waren, was diese Männer taten. Wie konnte es sein… dass sein Bruder dazu imstande war, Leute abzuschlachten und auszurauben. Bei diesem Gedanken fokussierte sich sein Blick auf seinen Bruder.

„Arik. Hör‘ auf damit. Geh‘ irgendwohin, wo dich keiner kennt, leb dein Leben. Aber tu das unseren Eltern und unserer Schwester nicht an, verstehst du das? Tu… mir… das nicht an!“

Und es zerriss ihn, diese Worte auszusprechen, …und im Blick des Anderen zu erkennen, dass es auf dem Weg, den er beschritten hatte, für ihn kein Zurück gab, dass die Weggabelung, an der es noch einen Ausweg gegeben hätte, weit zurück lag. Seine Worte prallten wie Pfeile an einem steinernen Wall ab - hatte er geglaubt, noch zu seinem Bruder vordringen zu können, wurde diese Hoffnung allzu rasch im Keim erstickt.

Einige Zeit noch hatten sie am Lagerfeuer gesessen, Arik hatte ein paar Geschichten aus alten Zeiten ausgepackt, ein paar andere Männer hatten sich noch dazu gesellt und über die Geschichten gelacht, ihre eigenen ausgepackt, einmal noch erlebte Richard die Kraft seines Bruders, wie er ihn von früher kannte, ehe er sich daran machte, das Lager zu verlassen. Arik wusste, dass Richard ihn und die anderen nicht verraten würde, und bürgte für ihn.

Es war das letzte Mal gewesen, dass er seinen Bruder gesehen hatte. Und als Richard dem Kommandanten des Regiments Bericht erstattete, wo die Gesetzlosen sich aufhielten, wusste er, dass es auch für ihn keinen Weg zurück gab. Es würde Prinzipien geben, die für ihn wichtiger waren als alles andere. Und jene Prinzipien hatte er seit er denken konnte verinnerlicht. Er hatte immer gewusst, was richtig und was falsch war, und hatte früh gelernt danach zu handeln. Nichts in ihm drängte ihn, diese Grenzen zu dehnen, zu überschreiten, sondern die stete und kraftvolle Zuneigung, die ihm schon früh zuteilwurde, stärkte ihn nur noch mehr in der Einhaltung dieser Prinzipien, die seinem Wesen entsprachen.

In der Stadt hieß es ein paar Tage später, dass man den Trupp der Gesetzlosen gerichtet und den größten Teil von ihnen in den Wäldern abgeschlachtet habe. Doch konnte niemand ihm sagen, ob unter den Getöteten auch sein Bruder war – es hieß, einzelne der Gesetzlosen konnten entkommen. Seither hatte Richard nichts mehr von seinem Bruder gehört.

Er lebte fort mit dem Wissen darum, dass er nie mit Gewissheit wissen würde, was mit ihm geschehen war. Dass das Vorbild, das Arik ihm war, in seiner Lebendigkeit, seiner Kraft, seinem unbändigen Lebenswillen, nur mehr in seinem Geiste weiterlebte… und er ein jedes Mal, wenn er an einem wärmenden Lagerfeuer saß, die Erinnerung an seinen Bruder wachrufen konnte, wie er war, bevor er auf Abwege kam… und wie der Schmerz ihn veränderte.

Metallene Schritte drangen an sein Ohr, brachten ihn zurück in die Gegenwart - er hob den Blick an und musterte die ruhige, stolze Klosterwächterin Wendla, mit der er sich über das Wichtigste des vergangenen Wachdienstes austauschte… seine Wache begann und es sollte eine kalte Nacht werden. Doch das war er gewohnt, außer dass die Rückenschmerzen etwas zugenommen hatten in den letzten Jahren, insbesondere wenn es kalt war. Er musste kurz schmunzeln im Gedanken an die Gebrechen des zunehmenden Alters und den Tribut, den sein Leben als Soldat, Gardist und Bauer ihm abgefordert hatte. Er nahm seinen Wachposten ein, legte ein paar Kohlen im Kohlebecken nach und ließ für heute die Bilder der Vergangenheit ruhen…



Zuletzt bearbeitet von Richard Arenberg am 05 März 2021 13:27, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Richard Arenberg





 Beitrag Verfasst am: 09 Mai 2021 19:08    Titel:
Antworten mit Zitat


Während seines Wachdienstes bei frühlinghaften Temperaturen und einem entspannten Gespräch mit einem seiner Mitstreiter bei der Klosterwache kam ein Bote - wohl aus Adoran - bei ihm an und überreichte Richard ein Schreiben, das in einer ledernen Umkleidung aufbewahrt wurde, um es wetterfester zu machen für die Reise über das Meer.
Vor dem Kaminfeuer, einige Stunden später, öffnete er das Schreiben, sein Herz klopfte schneller als sonst und die Stirn furchte sich im Versuch, die Anspannung und Freude, auch die Zerrissenheit auszuhalten, die ihn ein jedes Mal durchdrang, wenn er die Schrift seines Sohnes sah - doch das Schriftbild war anders als in anderen Briefen, er hielt das Schreiben in der Hand und las die Zeilen…


    „Geliebter Vater.

    Ich hoffe inständig, dass dieser Brief dich erreicht und dass du bei guter Gesundheit bist und in guter Gesellschaft. Deine letzte Nachricht hat mich erreicht und es freut mich sehr, dass du einen Ort gefunden hast, wo es dir gut geht, wo du umgeben bist von Dienern der Schildmaid und ehrenhaften, respektablen Männern und Frauen. Ich weiß nicht ob es mir zusteht, aber ich bin stolz auf dich.
    Umso schwerer fällt es mir, diese Zeilen an dich zu richten. Alissa, meine geliebte Frau, ist bei der Geburt unseres zweiten Kindes, unseres Sohnes Albert, gestorben. Albert kam gesund zur Welt und ich bete zur Mutter und der Schildmaid, dass Alissa in deren Obhut ist und einen Platz erhält, der ihrer Güte und ihrer Mutterliebe würdig ist. Ich hoffe, dass sie sehen kann, wie ihre Kinder aufwachsen, von einem fernen, besseren Ort als dieser Welt. Diese Vorstellung ist das Einzige, was mir in dieser Zeit Trost gibt.
    Wenn dieser Brief dich erreicht, werden wahrscheinlich ein paar Wochen vergangen sein. Nichtsdestotrotz - und es tut mir weh, dies von dir zu erbitten - schreibe ich an dich in der Hoffnung, dass du den Weg zurück in unsere Heimatstadt findest und mir in dieser Zeit beistehst.
    Ich kann deinen vergangenen Schmerz erst jetzt nachvollziehen, wenn ich diese Zeilen schreibe und begreife, was es bedeutet, das Wichtigste im Leben zu verlieren. Und dieser Schmerz ist fürchte ich erst der Anfang.
    Alissa war in den letzten Jahren mein Fels in der Brandung, wie du und meine geliebte Mutter es über all die Jahre davor waren - und ich hoffe Alissa konnte von mir dasselbe sagen.
    Nun muss ich für unsere geliebte Lilia und unseren Sohn Albert da sein. Sie würde von mir verlangen, dass ich ihn liebe und ihn in keinem Moment seines Lebens je spüren lasse, welcher Schmerz mit seiner Geburt für mich und seine große Schwester einherging.
    Ich hoffe, dass meine Bitte nicht zu viel verlangt ist und dass ich dir meinen Sohn Albert so bald wie möglich vorstellen kann. Er hat deine Augen.

    Dein Sohn Martin.“


Nach den letzten Worten schloss er die Augen, allein das Knistern des Feuers und das leise Heulen des Windes, der durch enge Spalten unter dem Dach des Klosters streifte, drangen an sein Ohr, er nahm einen tiefen Atemzug, während innere Bilder an ihm vorbeizogen, ein Stich in seinem Herzen, als er an seinen eigenen Verlust dachte. Die Wunde, deren naht mit dem Lesen des Briefes wieder aufgegangen war und ihm Tränen in die Augen drückte, die salzig seinen Mund erreichten.
Er hätte alles getan, um seinem Sohn denselben Schmerz zu ersparen. Alles. War es doch ein Schmerz, der noch Jahre später eine Leere hinterließ, die man mit nichts wirklich füllen konnte. Man konnte Neues wagen, andere Wege gehen, neue Menschen kennenlernen. Doch einen zutiefst vertrauten, geliebten Menschen zu verlieren war für ihn die Hölle.
Er würde es nicht aussprechen. Er würde niemanden damit belasten wollen, mit seinem Schmerz.
Dass sein Sohn in dieser Offenheit zu ihm sprach, war seiner Mutter zu verdanken. Sie hatte ihn das gelehrt, während er selbst ihn gelehrt hatte, stark zu sein, auszuhalten und weiterzugehen.
Am nächsten Morgen würde er mit dem Kommandanten sprechen. Beak würde verstehen.

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