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So hoch die Wellen schlagen
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 03 Sep 2020 12:40    Titel: Besonderheiten
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Gegenwart
16. Ashatar 263
-Nharam


Wer kannte es nicht.. das endlose Sehnen, wenn man weit der Heimat entfernt war. Süchte nach liebevollen Armen, die sich geschmeidig um das eigene Leid, die Freuden, oder den Kummer schlingen würden. So sehr wir manchmal in den Sog aus Erfahrungen gezogen wurden, sie uns hinab schlangen und uns jeden Atemzug entsagten, nirgendwo auf den Welten würden wir soviel Trost, Zuspruch oder Milde finden wie Daheim. Sah man die Münze allerdings von der anderen Seite an, so konnte niemand so sehr verletzten, wie die Menschen die wir liebten. Nach Hause zu kommen glich dem Zauber des Anfanges, dem herzklopfgleichen Flattern, wenn man sich verliebte. Vorfreude kribbelte nervös in den Armen, schlich sich den Hals hinauf, sodass man Glucksen wollte und setzt sich schlussendlich an den Augenrändern fest, wo sie in den meisten Fällen zu seichten Lachfältchen wurde und das Glück unserer Augen spiegelte.

Ich hatte es also wieder getan. Aufgeregt und einem kleinen Kind gleich sah ich an meiner ewiglichen Geliebten empor, die die gelben Segel wie Goldschmuck trug. Aurelia, oh du wunderbares Geschöpf. Doch hier war nicht der Hafen Adorans, welchen ich voller Stolz besah, als wäre er mein Eigen. Dies war der Hafen Nharams, welcher sich lediglich wie ein Kleid um den Körper unseres Schiffes schlang und nur schmuckloses Beiwerk war, wenn man stattdessen Sie ansehen konnte. Das Knarzen des Holzes im Wind, das heimatliche Pfeifen, wenn er durch die Balken zog und sie liebkoste. Ich war dem trost- und hoffnungslosem Boden entkommen und hatte mich neuerlich der wilden, rauen und wundervollen See hingegeben. Fraglich, ob man mit dieser Dunkelheit dort draußen sein wollte, doch wenn die Menschheit ihren Tod in Vergessenheit finden würde, so würde ich mein Ende jederzeit an Bord der Aurelia wählen. Welchen Aufgabe gingen wir nach, mochten sich nun die ein oder anderen fragen.. welch Abenteuer hatten wir dieses Mal erlebt, welchem Überfall waren wir entkommen? Doch jeden, der mich nach dieser Geschichte fragen würde, würde ich mit einem Kopfschütteln enttäuschen. Sie alle waren gekommen um einen Teil ihrer Familie zu sehen und für wenige Wochen zu entführen - mich. Wir tranken Wein, selbstgebrannten Rum, aßen Oliven oder sonniges, frisches Obst und erzählten von Erlebnissen vergangener Monde. Siverts Haar war unterdessen noch ein wenig heller geworden, als fraßen die Männer ihm die Farbe vom Kopf, Ossel hatte ein Frauenzimmer in Greifenhain kennengelernt, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging - alles war fast wie immer. Verwunderung schlich sich in die Gesichter der Männer, als ich gestand, dass ich kaum männliche Bekanntschaft gemacht hatte. War ich ihnen absichtlich aus dem Weg gegangen um Abel nicht zu hintergehen? Einen Mann, von dem ich wusste, dass er bereits tot war? Eine Lüge, die ich mir solang erzählte, bis ich sie eines Tages selbst geglaubt hatte. In Wahrheit war es meine eigene Feigheit, die mich davon abhielt, mein Herz erneut brechen zu lassen - ob gewollt oder nicht. Die Mannschaft hätte gelacht und mich einen feigen Hund genannt, Angsthase, und so blieb ich bei meiner Aussage, ein zurückgezogenes Leben an der Küste zu führen.

Fünf Wochen lang hielten wir uns in aller Faulheit auf der Insel auf. Selbst Todor, unser Koch, ließ sich zu einigen ruhigen Tagen in der Hängematte überreden, obwohl man ihn gewöhnlich nur mit einer Drohung aus der Kombüse bekam. Einige neue Gesichter hatten meine Lücke an Deck gefüllt. Ein unbedarfter junger Bursche namens Jüder, ein mittelalter Kartenzeichner namens Ottwend, der Ossel bei seinen Arbeiten half und eine ältere Dame, die Gieselle hieß und in der Küche half. Die Mutter aller Katastrophen, wenn man so wollte. Eine.. nein meine lebhafte Truppe, die ich am liebsten alle samt in meine Tasche gestopft und mit Sack und Pack in mein kleines Küstenhaus einquartiert hätte. Man konnte über diese Bande von Chaoten sagen was man wollte, wenn es darauf ankam, so waren sie dieses "Daheim" von dem ich gesprochen hatte, denn auch mein Zimmer unter Deck, war in meiner Abwesenheit noch immer unbewohnt geblieben.



03. Searum 263
- Adoran - Küstenhaus


Jedes Märchen ging einmal zuende, und so saß ich nur eine Woche später auf der niedrigen Treppe meines Haus, ließ den Qualm meines Glimmstängels in den Himmel ziehen, und sah den Bächen zu, die von den Kanten meines Daches zu Boden flossen als ginge die Welt unter. Die Wochen mit meiner Mannschaft waren an mir vorbei gezogen und muteten nun einem Traum an, den ich mir nur eingebildet und nicht wahrhaftig erlebt hatte. Ich hatte in den letzten Monden den Blick für viele Dinge verloren, für die ich sonst so anfällig gewesen war. Doch als ich nun mit dem qualmenden Stängel im Mundwinkel das verschnürte Paket öffnete, welches vor meiner Tür gestanden hatte - konnte ich es plötzlich sehen. Ein Spiegelbild meiner Selbst, gezeichnet wie mich jemand anders sah. Doch wer? Die Frau auf dem Portrait trug dunkles Haar und sah aus überlegenem, verwegenen Blick durch mich hindurch. Ich stemmte meine Hände kurz in die Hüften und vergrub die Finger in den Manteltaschen, um der dargestellten Pose nachzukommen, dann fiel mir der Glimmstängel ein, der passend zum Bild in meinem Mundwinkel hing. Seltsam.. und auch ein wenig angsteinflößend, wenn man bedachte, wie gut der Zeichnende mich beobachtet hatte. Wer war es gewesen? Eine Frau, ein Mann? Ein letzter Zug, ehe ich den Stumpen meines Rauchwerkes in den Regen schnipste und den letzten Schwall Rauch in die Dunkelheit entließ. Mit meinem neuen Schatz unter dem Arm, stieß ich die Haustür mit dem Stiefel auf. Ohne groß zu überlegen trat ich an die Sitzecke heran und besah den noch leeren Nagel in der Wand. Ich war zu nachlässig gewesen um mir den gewünschten Wandteppich zu bestellen, und so erwies sich meine Nachlässigkeit als glückliche Fügung für die seltsame Kostbarkeit.

Der Platz war gefunden, der Künstler jedoch nicht. Gab es die Möglichkeit jemand Unbekannten zu finden, wenn man keinerlei Anhaltspunkte außer einer Zeichnung ohne Signatur hatte? Der Kreis wurde nicht unbedingt kleiner, wenn ich die Menschen besah, die ich bisher kennengelernt hatte. War der derzeitige Zustand Gerimors passend, um seinem persönlichen Begehr nachzugehen? Ich war mir unsicher. Ein bisschen musste es noch warten. Bis dahin würde ich mich sicher noch das ein oder andere Mal genauer betrachten oder darauf hoffen, das jener Künstler sich neuerlich zu erkennen gab. Hoffentlich.





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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 03 Okt 2020 01:27    Titel: Aberglauben
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Vergangenheit
- Ohne Zeitangabe


Der Gedanke, einen Mann mit der rauen See zu vergleichen, hatte sich lange schon in meinem Kopf gefestigt und würde wohl auch nicht so schnell weichen. Man konnte Vergleiche ziehen, bis einem die Ideen ausgingen und wohl auch weiterhin welche finden, mein Kopf sponn sich jedenfalls ständig seine eigenen Ranken. Die Wellen, die an das Schiff schlugen und sich in tausend kleine, sprenkelnde Tropfen im Wind ausbreiteten erinnerten mich an einen Dreitagebart, welcher sanft und dennoch unnachgiebig über die Oberfläche meiner Haut kratzte, rieb, striff. Der sanfte Wellengang des Nachmittages, ein liebevolles Streicheln durch die Haare, hier und da ein zaghafter Griff, welcher sich jederzeit festigen und klammernd festhalten konnte, ebenso wie das friedliche Wasser von Moment zu Moment Besitz vom Schiff ergreifen konnte. Der Wind der durch das Haar fegte, es liebkoste, wie der versprechende Kuss, der nach Mehr verlangen ließ und ein Kribbeln durch den Körper sandte.

Es war einer dieser Nachmittage gewesen, einer meiner früheren Tage auf dem Schiff. Ich erinnerte mich nur noch vage, wie ich auf dieses Schiff gestolpert war, unsicher und ein schüchternes Mäuschen, was sich nur danach sehnte einen Teil seiner Familie um sich zu wissen, sich behütet und Daheim zu fühlen. Eine Mannschaft voller Männer hatte allerdings eine völlig andere Meinung zu Frauen an Bord. Unheil und einen ganzen Topf voll sprichwörtlichem Pech würde es bedeuten. "Unglück", hörte ich es zischen, als der nächstbeste Kamerad die Hände an die Seiten seines Kopfes geschlagen und mir einen verächtlichen Blick zugeworfen hatte. "Wie kann der Kapitän uns soetwas zumuten", keuchte der Nächste und tuschelte angewidert zu seinem Trinkkumpanen. "Könnte sie nicht wenigstens vorgeben ein Kerl zu sein", kommentierte sein Gegenüber und spuckte zur Seite aus, wo der Klecks seiner Rotze sich an die rauen Dielen heftete. "Es gibt nur ein' Frau an Bord, und dass'die Mehrjungfrau, welch' barbusig die See besänftigt", presste der Letzte zwischen den Zähnen hervor. Ich konnte mich daran erinnern, dass ich mich kaum unwohler hätte fühlen können, und hätten wir nicht längst abgelegt, so wäre ich wohl rücklings wieder geflohen. Ins nackte Meer zu springen war jedoch keine Option gewesen - hätte ich das Ziel meiner Reise jedenfalls deutlich verfehlt.

Als hätte das Schicksal mir wie ein mieser Verräter die Karten gezinkt, blieb der erhoffte Wind die nächsten Tage aus. Es schauderte mich noch heute, wenn ich mir die Blicke und Kommentare meiner zukünftigen Mannschaft wieder ins Gedächtnis rief. Soviel Abscheu hatte ich nur selten in meinem Leben am eigenen Leib erfahren und sie hatten es geschafft, dass ich mich das erste Mal auch unwohl in meinem eigenen Körper fühlte, unerwünscht, völlig Fehl am Platz. Auf Deck war es so: Blieb der Wind aus, so fehlte den meisten Männern auch die Arbeit. Höchstens der Schiffskoch bediente sich am reichlichen Hunger der Kerle, ebenso wie der Blaubüdel sich die Ruhe zum Werkzeug machte und kleinere Schwachstellen am Schiff ausbesserte. Süßwasser und Essen an Bord wurde unnötig knapper, und je geringer die Portionen ausfielen, desto ungehaltener und unruhiger wurden auch die Männer. Ein reiner Affenfelsen, wenn man so wollte. Sie suchten einen Sündenbock, jemand der die Verantwortung tragen würde, wenn sie die Frau an Deck nicht einfach für einen Seewurf heranziehen konnten. Sie sahen sich um, der Blick hastig und gedrängt, als würfelten sie in Gedanken bereits ihr Opfer aus. Am zweiten Tag war die Stimmung bereits gespannt, nach fast einer Woche begannen sie sich untereinander zu prügeln oder die Fressluke einzuschlagen, wie sie es gerne nannten. Als die meisten Gesichter mindestens ein blaues Auge trugen, hatten sie ihren Sündenfresser erwählt. Ein junger Bursche, welcher sich beim Besteigen des Schiffs nicht auf die Stiefel spucken lassen hatte - scheinbar eine abergläubische Glücksgeste unter der Mannschaft. Sie trieben ihn bereits von einem in den anderen Arm, rauften ihm den Kopf und schubsten ihn herum, als wäre er eine lose Boje, die dem wilden Wellengang kampflos ausgeliefert war. "Sobald die Landratte von Bord ist, kann es nur bess'r werden", rief der eine und hetzte die Menge auf. "Verräter!" - "Unglücksrabe, schaut nur wie schuldig er schaut!", ein anderer. Ich selbst hatte mich an den Rand der Menge zurückgezogen und war in Wahrheit die Einzige, welche schuldig aus der Wäsche schaute. Dieser Kerl würde sein Leben lassen, in dem er Unmengen an Salzwasser einatmen und daran ersticken würde. Wie grausam konnte eine Horde von Menschen nur sein?

Doch ich war schlauer als sie, rationaler und vor allem geordneter. Ich hatte mein Leben nicht nur mit Saufen und Plankenschrubben verbracht. Ich sah nicht nur die wilde Tummelei um den Jungen, welcher sich Pete schimpfe, ich sah auch den Himmel, und die scheinbar ruhige Wasseroberfläche außerhalb des Schiffes. Und das was ich sah, war die einzige Hoffnung die mich dazu anhielt meinen Mund zu öffnen und die Aufmerksamkeit der Männer auf mich zu lenken. Ich erzählte ihnen lauthals von diesem Mann, dem einen Mann. Dem Mann, welcher es durch ungebrochenen Willen geschafft hatte dem Meer zu trotzen und dem Tode zu entsagen, nicht zu ertrinken sondern sich zu erheben, als Meeresgott des Glaubens und der Liebe zur See. Keine Götter die sich darum stritten, wer der Stärkere, Klügere oder Mächtigere war - nicht solch ein Schmarn von Glauben. Sondern reinem Glauben an das Schicksal des Windes und des Wassers. Getragen vom Willen der Wellen, nur dazu bestimmt die Segel richtig zu setzen und diesem Gedanken zu folgen, auf dass er einen Jeden an das für ihn bestimmte Ziel führte. Es dauerte einen Moment, ehe sie von Pete abgelassen und ihre Aufmerksamkeit eher misstrauisch auf das weibliche Geschöpf an Bord gelenkt hatten, doch nach einer Weile konnte ich die Neugier in ihren Augen sehen. Ich erzählte, dass man diesem Meeresgott Glaukys, wenn man ein echter Seemann war, einen Schluck von seinem Rum zum trinken gab, noch bevor man den Flaschenhals emporhob und den Rand an die Lippen setzte. Ein Zeug von Respekt und Ehre unter Schiffsleuten und Meeresgläubigen. Das man ihm vom Zeit zu Zeit etwas vom Tabak seiner Glimmstängel in den Wind rieseln ließ, sodass er sich am strengen und aromatischen Geruch erfreute und sich an alte Zeiten erinnern konnte.

Mit diesen Worten war ich auf den Rand der hölzernen Reling gestiegen. Der ein oder andere hatte die Augen erwartungsvoll aufgerissen. Ob es dem Gedanken, dass ich sogleich selbst von Bord springen und das Unheil beenden würde, entsprungen war, oder der Neugier an meiner Geschichte, war mir ungewiss, doch auch vorerst völlig egal. Denn ich griff dort oben an den Rand meines Gurtes, schnürte den kleinen Leinenbeutel auf und füllte meine Handfläche mit etwas des Tabaks. Dann, mit etwas Schwung und festem Glauben an das, was ich gesehen hatte, streckte ich meinen Arm voran und ließ den Tabak auf das weite Wasser hinausrieseln. Die Augen waren dem teuren Gut gefolgt, als wollten sie mich jeden Augenblick für diese Verschwendung lünchen, als besagtes Kraut jedoch nicht steif zum Wasser fiel, wurden die Augen von Mal zu Mal größer, denn es ließ sich vom seichten Wind treiben und stieg in kleineren Krautfisseln in die Luft. Der erste unter ihnen, Pete, stieß ein zurückgehaltenes Jubeln, vielleicht auch ein erheitertes Jauchzen aus, als ihm bewusst wurde, dass Wind aufkam und als auch die anderen es begriffen hatten, setzen sich die ersten Beiden bereits hektisch in Bewegung um die Segel zu setzen.

Langsam aber sicher war der Abend an Deck, ebenso wie das Gejaule um Vergeltung ausgeklungen und erst als ich in der Dämmerung einige von ihnen dabei beobachten konnte, wie sie einen Schluck ihres kostbaren Rums über Bord gossen, trat Pete kleinlaut an meine Hängematte heran, in welcher ich mich gemütlich zusammengerollt hatte. "Woher Weib, woher wusst'st du, dass Wind aufzieh'n würd'? - das war ein reines Glücksspiel oder?" Ich besah ihn einen Moment, ehe ich mich aufgesetzt und ihn einen weiteren Augenblick angestarrt und meinen Mund langsam geöffnet hatte. "Aye, doch 'ch bin im Stande die Ganze und nich' nur die halbe Umgebung wahrzunehm'." Mit diesen Worten hatte ich auf das dunkle und kaum zu erkennende Meer gedeutet und nachgesetzt. "Ich hab' die Vögel geseh'n. Wenn es trocken und warm is', dann steigen sie weit zum Himmel und tragen ihre Flüg'l zu den Wolken empor. Wird's jedoch Regen und Wind, gar ein'n Sturm geben, so fliegen sie tief, nahe der Wasseroberfläche. 'S war 'ne Frage der Zeit." Wenn ich mich heute daran erinnerte, so hatte ich ihm höchstwahrscheinlich sogar etwas dreckig entgegen gegrinst, dem Wissen gleich, dass ich nicht nur Pete, sondern wahrlich auch mir selbst den Arsch gerettet hatte. "Also war's alles nur'n Spiel und Fantasterei?", fragte er neugierig, gutgläubig, dass ich nur Stuss von mir gegeben hatte. Mein Mundwinkel zuckte Heute wie Damals. "Ich bin mir sich'r, dass du es nich' auf den Ärger Glaukys ankomm' lass'n willst, aye?", hatte ich erwidert, ehe er den Kopf resigniert geschüttelt und sich der Reling zugewendet hatte. Wir alle wussten, was er dort getan hatte.






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 03 Okt 2020 19:03, insgesamt einmal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 08 Okt 2020 18:59    Titel: Reisen des Undenkbaren
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Gegenwart
- 08. Goldblatt 263


Nur der Reisende erkennt die ergreifende Schönheit des Lebens,
denn nur er hat dessen Widersprüche erlebt. Zwei unendliche Welten hat er erkundet, die Erde und sich selbst.


Als Seefahrerin und Künstlerin verbrachte ich den Großteil meines Lebens damit, Dinge zu malen, die oft bildlich gar nicht darstellbar sind - einzufangen, was ständig in Bewegung und unendlich ist. Durch das Ungewisse wird das Meer sogar noch reizvoller. Egal, wie gut du dich vorbereitest, auf See wird irgendwann das Undenkbare passieren. Der Wind und das Wasser bestimmen deinen Kurs, das Wetter und die See halten Überraschungen bereit, denen du mit Stift und Pinsel nicht gerecht werden kannst. Auf See bin ich dem Tod begegnet und habe unermessliche Angst empfunden, und trotzdem habe ich mich nie so lebendig gefühlt wie dort. Ich habe Dinge gesehen die ich bis heute nicht wirklich erklären, geschweige denn begreifen kann. Mithilfe von Kunst versuchte ich stets, einige dieser undenkbaren Dinge für andere sichtbar oder vorstellbar zu machen. Ölfarbe, Tusche, und Kohle bannten sie ewiglich auf Papier.

Fast zwanzig Jahre lang habe ich auf oder an der See gelebt und gearbeitet, und wenn ich mir eine Zeichnung ansehe oder die Augen schließe und an eine meiner Reisen zurückdenke, so strömen die Erinnerungen herein wie die Flut. Als Künstler, genau wie als Geschichtenerzähler muss man vor allem aufmerksam sein. Man muss sich stets umschauen und den Kohlestift bereithalten, um kleine, grobe Skizzen oder Ideen festzuhalten. Keine Meisterwerke, nur etwas, um der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Einige Zeit später, womöglich erst nach Jahren, wird man sich dank dieser Notiz an einen bestimmten Moment zurückerinnern, an den Tag, die Umgebung, an die Art, wie sich das Segel im Wind blähte oder wie sich das Meer kräuselte. Oder man wird sich in einer Erinnerung verlieren und auf eine neue Reise gehen. Deswegen waren meine Kladden schon immer von unschätzbarem Wert für mich. Sie nehmen uns mit in Vergangenheit und Zukunft. Sollte die Aurelia eines Tages mit mir untergehen oder mein Haus in Flammen stehen, dann würde ich als Allererstes versuchen, meine Skizzen und Notizbücher zu retten. Alles andere kann man schließlich ersetzen.




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 09 Nov 2020 15:31    Titel: Dunkelheit der Geheimnisse
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08. Rabenmond 263
- Adoran Küstenhaus



Augen, grau-blau wie der Rauch;
ich atme ihn ein und trinke ihn aus.



Interessant, wie rasch ein manches Mal Rätsel ihre Lösung fanden. Geheimnisse, die man zuvor nicht zu erhaschen im Stande war, obwohl es genau vor unserer Nase auf uns wartete, lauerte. Andere Male hielt man die ganze Welt in seinen Händen - die ganze eigene Welt zumindest, wenn ich das Häuschen betrachtete, welches von meinen Fingern geborgen war. Ein Abbild meines Küstenhauses, auch wenn man es als krude bezeichnet hatte. Ich sah darin mein Heim auf dem Festland, wenn jenes auf den Meeren zu weit von mir entfernt lag. Ein Zuhause, welchem keine negativen Erinnerungen anhafteten, zumindest bisher. Ein Ort an dem ich manche meiner Erlebnisse und Gedanken endlich hatte hinter mir lassen können. Doch dieses Häuschen erzählte mehr als nur das äußere Erscheinungsbild freigab. Es sprach von den Gedanken, die sein Schöpfer sich gemacht hatte und der Mühe, die unverkennbar darin zu sehen war. Jeder wäre dazu im Stande gewesen dem typischen Seefahrermädchen eine Flasche Rum mitzubringen, doch das hier, war etwas einzigartiges. Ebenso einzigartig wie das Augenpaar, dass voller Aufmerksamkeit auf meinen Worten lag, wenn es nicht gerade in verlegener oder vielleicht auch ausweichender Natur auf anderer Stelle verharrte. Das Schnitzwerk, welches soviel Zeit jenes Augenmerkes auf sich gespürt hatte, hatte ein weiteres Geheimnis preisgegeben, auf dessen Antwort ich längst nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Es hatte zu Tage gefördert, dass das Grau-blau nicht nur hübsch anzusehen war, sondern viel mehr aufzufangen wusste, als ich gedacht hatte - denn noch immer sah das Abbild meiner Selbst in Form eines Bildes zu mir hinab, nur dass ich nicht eine leise Ahnung gehabt hatte, welchen Fingern es entsprungen war. Dieser Umstand hatte sich geändert.

Ich hatte nicht gedacht, dass dieser Abend eine so angenehme Abwechslung sein würde und doch, ich musste ihm zugestehen, dass ich gerne einen weiteren anfügen wollte. Ich war neugierig auf die Höhen und Tiefen dieses Geistes, auf die Dunkelheit, die ich aus meinen eigenen Augen kannte - denn irgendwann im Laufe des Abends dämmerte mir, dass nicht nur eine, sondern gleich zwei gebrochene Seelen in diesem Raum saßen. Dennoch hatte er sich mir anvertraut und ich hatte es ihm gleichgetan. Oder hatte ich mich zuerst offenbart? All das war schon jetzt wieder so verschwommen, als betrachte ich einen Traum, der langsam zu verblassen begann. Er war geflohen, nein, er hatte getürmt gesagt, weil sein Zuhause keine Heimat mehr war. Denn er machte Heimat nicht an einem Ort fest, genauso wenig wie ich, die ihr wirkliches Heim immer in den rauen Wogen des Meeres beschreiben würde. Selbst dass er mit sich gehadert hatte herzukommen, weil er am liebsten jeden Schritt vorausschaubar geplant hätte.

Am Abend schlug ich selbst meine Kladde auf, die ich schon eine Weile nicht mehr in den Händen gehalten hatte und entschloss mich ein weiteres Gesicht hinzuzufügen. Den Rücken an die Bettkante gelehnt, saß ich also auf dem Boden und griff nach den Kohlestiften. Die Kladde hatte ich auf meinen Knien platziert und zusammen mit einer weiteren Flasche Bier, von der ich von Zeit zu Zeit trank, fand ein kantiges Männergesicht auf das Büttenpapier. Eine äußerst gerade Nase, ein nachdenklicher, fast kühler Blick, auch wenn ich beim Zeichnen eher an das gesehene Lächeln dachte, und eine Ansammlung von Wassertropfen, die das Meer nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen sollten. Es sah viel düsterer aus, als ich es beabsichtigt hatte, doch vielleicht spiegelte dieses Abbild nur die Dunkelheit, die ich in den Augen meines Gegenübers erblickt hatte. Als ich seinen Namen auf die Rückseite des Papieres schrieb, wie ich es immer tat, beschlich mich das leise Gefühl ihn mit seinem Namen zu verraten. Doch das hier war kein Schundblatt, welches man durch die Straßen reichte um seine Errungenschaften aufzudecken, die andere Weiber sammelten wie ihre Socken - dies hier war allein für mich, war es immer gewesen und so würde es bleiben.



♦ Natharian Eli Nebelfehn
♦ Maler von Aquarellen und Kohleschraffuren
♦ schlechter Weidenkorbflechter, talentierter Holzhäuschenschnitzer, passabler Pfeilebastler
♦ Alter unbekannt
♦ Geboren in Thasum - Drakon
♦ Eltern unbekannt








Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 25 Jun 2021 23:46, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 29 Mai 2021 12:05    Titel: Von Schuld und Heilung
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29. Eluviar 264
- Adoran Küstenhaus



Was einmal war,
verläßt uns nicht.



Ich hatte es nachgeblättert, in meiner Zeichenkladde - meinem Notizbuch, wann ich das letzte Mal etwas niedergeschrieben und damit eine bestimmte Begegnung in ihr verewigt hatte. Es war einen halben Jahreslauf her. Unfassbar wie schnell die Zeit auf See verflogen war, in der ich das Gefühl für die Gezeitenmühle völlig verloren hatte. Sechs Monde hatte ich in meiner Kabine verbracht, dem alten Raum auf der Aurelia, der schon immer der meine gewesen war. Ich hatte mich daran erinnert, dass es mir gefühlte Ewigkeiten nicht möglich gewesen war dort zu nächtigen. Die Laken hatten mich an die neugierigen Finger meines einstigen Gefährten erinnert, das Kissen auch Monate danach noch nach ihm gerochen, zumindest in meinen Gedanken. Wenn ich mich des Morgens umgedreht und meine Hand auf dem leere Kissen abgelegt hatte, nur um den ernüchternden Stich in meiner Brust zu spüren. Diese Gefühle umtrieben mich schon eine Weile nicht mehr. Dies hatte ich am gestrigen Abend überrascht festgestellt, obwohl es mir vorher nie so deutlich vor Augen geführt worden war. Ich erinnerte mich an die Empfindungen des Verlustes, das Pochen meines Herzens, das Brennen in meiner Kehle, kurz bevor die Tränen die Augen erreichen, und doch versetzte es mir nicht mehr diesen giftigen Stich, der den Brustkorb eng werden ließ.

Wann also hörte die Vergangenheit auf, unsere Gegenwart zu beeinflussen? Wahrscheinlich nie, weil wir schließlich an diesen Erfahrungen gewachsen oder aber auch vollends zu Boden gerissen worden waren. Wir hatten uns Narben zugezogen, sichtbar auf der Haut zu erkennen oder tief in unserem Inneren verborgen, lediglich zu fühlen. Die Zeit war ein Verräter, wenn man bemerkte, wie schnell sie uns aus den Fingern rann und unser Leben an uns vorbeiziehen ließ, was sie uns auf fiese Art und Weise nahm - andererseits war sie die milde Gabe der Heilung, denn irgendwann würde es uns schlicht nicht mehr zu zerstören drohen. Nur ein leiser Nachhall würde davon zurückbleiben, irgendwann. Ein Echo unseres damaligen Ich's, eine bessere oder schlechtere Version unserer Selbst. Eine verblasste Narbe welche nicht mehr brannte, uns jedoch immer wieder an das Passierte erinnerte.

Ich hatte Recht behalten, in meinem Haus an der Küste hatten zwei zerbrochene Seelen gesessen. Nur dass ich durch die Erlebnisse auf der Ladrão einen Teil von mir selbst gänzlich und restlos verloren hatte. Abel's Tod hatte mir nur den letzten Rest gegeben, da er die Person gewesen war, die mich gerettet und mich beschützt hatte, als ich selbst nicht in der Lage dazu gewesen war. Er hatte mich geschützt und Rache an seinem Vater geübt, mich geborgen gehalten und sich letzten Endes im Lichte dieses Schutzes selbst geopfert um seinen Vater zu strafen. War es Liebe gewesen? Tja, diese Frage hatte ich mir Jahre lang gestellt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Rolle mehr spielte. Er war gegangen und ich hatte meinen Vertrauten verloren. Mein Bettnachbar war abhanden gekommen, mein Gesprächspartner verschollen, von mir gegangen, gestorben, dahin gesiecht, über den Jordan gegangen, tot. Soviele Worte, die für den Verlust von etwas vorgesehen waren, doch ich hatte wahrhaften Schmerz und Verlust empfunden und diese waren gewichtiger als das Wörtchen Liebe. Die andere zerbrochene Seele war meiner so ähnlich, dass es mich ein wenig fürchtete. Doch hier war Er es gewesen, der sein Mädchen hatte beschützen wollen. Manchmal lag es nicht in unseren Händen was geschah, wir konnten uns noch so sehr um etwas bemühen, doch die Götter hatten einen anderen Weg für uns vorgesehen. Das Segel drehte sich im Wind und das Schiff kam vom eigentlichen Kurs ab. Schuld gaben wir uns also beide, nur dass ich mich mittlerweile damit abgefunden hatte, dass ich Abelardos Entscheidung nicht hätte ändern können. Wäre ich ihm zuvor gekommen, hätte ich ihn davon abhalten können, so wäre er in einer anderen Nacht verschwunden. Und somit hatte ich ihn gehasst, nicht dafür was er getan hatte, sondern dafür, was er für mich gewesen und was er mir gegeben hatte. Doch ein von Rache beherrschter Mensch hat oftmals keinerlei Kontrolle mehr über sein Handeln, und so hatte ich mich eines Tages von meiner Schuld losgesagt. Natharian allerdings.. und ja, ich mochte es diesen Namen zu nutzen, nun.. er gab sich noch immer die Schuld, was verständlich und nachzuvollziehen war. Es war absurd, doch ich hatte das dringende Verlangen ihm diese Schuld zu nehmen, nur einen Teil davon auf meinen Schultern und für ihn zu tragen, weil ich wusste, dass man solcherlei besser überwand, wenn man es nicht alleine ertrug.

Es war so ironisch, dass man manche Dinge vergaß, von denen man geglaubt hatte, sich ewig an sie zu erinnern. Die Stimme, einen Geruch, ein Muttermal unter dem Auge, das Gefühl der Finger, wenn sie durch den Bart striffen, die Augenfarbe, eine kleine Falte über dem Mundwinkel oder gar das Geräusch des Lachens. Es verblasste und auch das Bild, was man sich von dieser Person eingeprägt hatte verschwamm, weiter und weiter, bis man nur noch einen groben Umriss dieses Menschens hatte, der sich irgendwo im Kopf verankert hatte. Konnte man diese Erinnerungen nur in begrenzter Menge speichern oder wurden alte durch neue, unbekannte Berührungen ersetzt? Ich wusste es nicht und ebenfalls wusste ich nicht, ob ich es wissen wollte. Bis zum gestrigen Abend hatte ich jegliche Art von Berührung jedoch vermieden, hatte keinem Mann auch nur annähernde Zuneigung zukommen lassen. Dann jedoch hatte meine Hand sich wie von selbst in Bewegung gesetzt, nur um eine winzige Art der Verbindung herzustellen und als wäre sein Handeln für einen kurzen Moment mein Spiegelbild gewesen, hatte ich mich mit seiner Hand nahe meines Kopfes wiedergefunden, wo sie eine Strähne meines Haares fast liebevoll hinter mein Ohr gelegt hatte. Eine so.. zufällige, sichtbar unkontrollierte und rasche Geste, der man im Normalfall sicherlich weniger Bedeutung zusprechen würde, die aber einen deutlichen Moment der Intimität geschaffen hatte - dort wo ich ihn nie vermutet hatte. Wie ein Kuss, in dem man nach der ersten Berührung ertrinken wollte. Ich fürchtete mich ein wenig davor ihn wiederzusehen, weil ich in diesem Moment seine Nähe genossen hatte und eine Unsicherheit in mir keimte, die ich nicht gewohnt und die völlig untypisch für mich war. Doch die Vorfreude überwog, deutlich.





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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 12 Jun 2021 09:15    Titel: Vom geduldigen Mond
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11. Schwalbenkunft 264
- Küstenhaus



Der Mond,
ist die Sonne der Nacht.



Laut einer Geschichte, die wahrscheinlich so alt ist, wie die Welten selbst, kamen die Funken der Sonne, dem kühlen und kühnen Licht des Mondes eines Tages näher. Sie genossen die Wärme und Kälte gleichsam, etwas nie dagewesenes, nie gekanntes, spannend und doch so unsicher. Sonne und Mond begannen sich heiß und innig, kühl und erfischend zu lieben, nie mehr wollten sie ohne den jeweils anderen wandeln. Doch der Mond war ein Freigeist und der Wärme seiner Geliebten schon bald überdrüssig - und so geschah es, dass er sich in der Nacht ihrer Vermählung von ihr entfernte, obwohl sie sich hätten miteinander verbinden sollen. Die Sonne war zutiefst verletzt, sodass sie fortan ein Leben ohne ihn vorziehen würde. Nächte später, tat es dem Kühnen leid, doch für alle Ewigkeiten würde er seiner Geliebten hinterhereilen und in stiller Einsamkeit am Sternenzelt verharren. Verdunkle sich der Himmel jedoch, tuschelten die Sterne miteinander. Die Sonne würde es ihm in schwachen Momenten nachsehen und sich für einige Momente mit ihm vereinigen, nur um weiters wieder zu schwinden und den Mond in seiner Kälte zurückzulassen.

Eine Geschichte die mir immer wieder in den Sinn kam, wenn ich des Abends vor meinem Haus auf den Stufen saß und den Qualm meiner Zigarette in die Nachtluft pustete. All die Sterne waren seine Kinder, welche von Mal zu Mal hinzugekommen waren und dem Mond in seiner Abgeschiedenheit Gesellschaft leisteten, über ihn wachten, denn niemals würden sie ihren Platz verlassen. Von allen Punkten, die ich bereits auf der Karte angesteuert hatte, sah man die Sterne am selben, zuverlässigen Fleck. Sie würden uns immer wieder den richtigen Weg weisen. Und auch der kühne Mond war immer zu finden, wenngleich er sich von verschiedenen Punkten aus, verschieden stark preisgab, nicht immer nur seine hellsten, sondern manchmal auch die dunkelsten Seiten offenlegte. Interessant wenn man bedachte, dass mancher Seefahrer erzählte, dass der Mond in Wahrheit eine in silberweißes Gewand gehüllte Frau war, die Männer trügen und bezirzen sollte. Im Normalfall war mir fast nie bewusst, weswegen ich mich in einen bestimmten Gedanken verfangen hatte um in unendlichem Kreislauf darüber nachzudenken und ihn auszuschmücken - heute wusste ich es jedoch, denn auch ich hatte gewartet. Das Warten selbst hatte mich nicht im geringsten gestört, genauso wenig wie ich nun einen Groll hegen würde, versetzt worden zu sein. Viel mehr hatte ich mich einer Ablenkung angenommen, weil ich mich seit Ewigkeiten dass erste Mal wieder gesorgt hatte.

Hatten sie die geplante Zeit nur wegen eines Sturmes nicht einhalten können? War die Ergiebigkeit des Fisches dieses Mal so hoch gewesen, dass sie ihre Zeit einfach verlängert hatten, oder hatte er es schlicht und einfach vergessen? Diese Lösungen waren die harmlosesten und ich wehrte mich, mit allem was mir zur Verfügung stand dagegen, von Schlimmerem auszugehen. Er hatte mir versprochen sich zu melden wenn er konnte, und so würde ich ihm noch ein paar Tage geben, ehe ich mich wahnsinnig machte. Und wieso eigentlich? Wieso tat man sich und seinem Körper so etwas an? Interpretierte ich zuviel in diese Geschichte zwischen ihm und mir? Nein.. dieses Mal nicht, nicht für mich. Ich strich den vorherigen Satz wieder durch, der meiner Kladde eine Unordnung und Unruhe verlieh, die es nur selten gab, wenn ich schrieb. Wieder war mein Kopf zu schnell gewesen. Ich hatte absolut keinen Grund diesem Mann nicht zu vertrauen, daran zu zweifeln wie er sich verhielt, wenn er in meiner Nähe war. Er war nicht Abel und hatte nichts getan, was ein Misstrauen ihm gegenüber rechtfertigen würde. Tamyr du Idiot. Er war vollkommen und komplett anders. Manches Mal kühl wie die raue Küste Aschenfelds, das helle Haar wie der steinige Sand am Meer, das Augenpaar gleich dem Blick in seichte Wolken, die von Regen erzählen - nur um kurze Zeit später von den Strahlen wärmender Sonne erfasst zu werden und aufzuklaren wie ein früher Sommertag. Es gab also nichts dergleichen zu schreiben, was hinterher durchgestrichen gehörte. Natürlich würde ich mir wahnsinnige Sorgen machen, würde ich nichts von ihm hören. Doch wir beide waren Kinder des Meeres, und selbst wenn wir selbst zuverlässig waren, so war die See unberechenbar und nicht vorausschaubar. Ich würde ihm also noch ein paar Tage Zeit geben. Punkt.

Doch genug davon, ich musste mich dringend von diesen Gedanken ablenken. Ich räumte den Platz auf meiner Treppe fast zwei Stunden nachdem ich verabredet gewesen war und hatte mich nach Bajard aufgemacht. Den Weg am Jasminbusch vorbei hatte ich dieses Mal vermieden und so schloss ich die Tür des Geschäftes auf, welches ich mit meinem Bruder erdacht hatte. "Des Krakens Schätze und Geschichten". Bis tief in die Nacht hatte ich Möbel hin und hergeschoben und verschiedene Stücke von den Reisen mit der Aurelia verteilt. Ein bisschen sah es wie Zuhause aus und es gefiel mir sehr, dass ich nun einen zweiten Wohlfühlort mit meinem Bruder geschaffen hatte. Die Erinnerungsstücke meiner Zeit auf See wogen schwer auf meinem Herzen und ich vermisste die Männer meiner Mannschaft, meiner Familie. Die Aussicht darauf, dass sie nun des Öfteren anlegen würden um mir nur den besten Alkohol aus allen Ecke der Inseln mitzubringen, ließ es allerdings ungeduldig hüpfen. Nur die besten Whisky- und Rumbrauer, selbst für Wein gab es einige wenige Anlaufstellen, Sivert kannte sie alle. Außerdem hatte ich Ossel bereits eine Liste mit Namen für die Etiketten und ebenso einen Hinweis mitgegeben, aus welcher Gegend die Fässer kommen sollten.



Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 21 Nov 2021 22:05, insgesamt 2-mal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 16 Jun 2021 21:54    Titel: Unsichtbares Band
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16. Schwalbenkunft 264
- Bajard


Und da wusste ich, dass sich nichts ändert,
das alles bleibt.
Das Spinnrad dreht sich, Runde um Runde.
Ein Schicksal geknüpft an das Nächste,
ein Faden, rot wie Blut,
der unser aller Tun verbindet.
Man kann den Knoten nicht lösen,
aber schneiden kann man ihn, mit scharfer Schneide.
Und doch bleibt etwas zurück, das man nicht schneiden kann.
Ein unsichtbares Band.
In mancher Nacht zieht er daran -
dann schreck ich aus meinem Schlaf und ich weiß,
dass nichts vergeht, das alles bleibt.

Um mich ist nur Dunkelheit, ewig lauernde Schatten.
Seit Tagen ist mir nicht nach Essen zumute,
meine Augen werden schwarz.

Nun steh ich vor Dir.
Ein loses Ende in der Zeit.
So sind wir alle gleich,
egal in welches Haus geboren,
egal in welches Gewand,
ob auf Erden kurz, oder lang gewesen.
Nur ich selber knüpf mein Band,
selbst ob ich Hände reichte, oder Hände schlug,
geht es für uns alle gleich zu Ende.
Die da oben haben uns längst vergessen,
sie richten uns nicht.
Am Ende sind wir ganz alleine,
mein einziger Richter,.. ich.



Mit dem Brief in meinen Händen und den nackten Füßen im Wasser, stand ich am Meer und starrte in die ewigen Weiten des Wassers hinaus. Sie trieben in stetigen Wellen an das Ufer heran, die Schaumkronen auf ihren Häuptern glitzernd, das Antlitz des Mondes in ihren Gesichtern. Der Wind trieb irgendwann einmal alles an die Küste zurück und doch wünschte ich mir in diesem Moment, er würde mich hinausziehen. Weg von hier, fort vom leeren Gefühl meiner Hände, der Kälte meiner nackten Schultern, um mich geborgen in seine Arme zu ziehen und mein Haar zu streifen. Mit welcher Tat in meinem Leben hatte ich verdient, die Ungewissheit in jeder Zelle meines Körpers zu spüren? Wo war Er nur? Er hatte Recht, ich war nicht seine Frau und doch fühlte er es ebenso wie ich - ich wollte es sein. Ich wollte auf die Wärme die von ihm ausging nicht mehr verzichten, gleich wie lange ich darauf warten musste, dass er seine Füße wieder an Land setzte. Ich konnte die Sturmtrauer deutlich erblicken, denn das Meer hatte einen tiefen blau-grauen Ton angenommen, der mich schmerzlich an seine Augen erinnerte, noch immer aufgewühlt durch den herrschenden Sturm und die purpurnen Blitze. Wer schon einmal ein Gewitter auf dem Meer erlebt hatte, der wusste, dass es sich wieder und wieder drehte, um stärker und wütender zurückzukehren. Es war nicht nur reine Ungewissheit, nein, es war Angst. Angst davor etwas zu verlieren, dass ich noch nicht einmal wirklich in den Händen gehalten hatte.

Ich hatte diese Erfahrung schon einmal gemacht, anders, und trotzdem wollte ich es nie wieder fühlen. Dieses Gefühl einer Welle, die den Körper von allen Seiten erfasste, in die Tiefes des Wassers sog und ihn nicht mehr bereit war zu entlassen. Nicht mehr auftauchen zu können weil man taub und dumpf geworden war. Das Leben und fühlen in einer Blase aus.. Nichts. Auch heute war Er nicht gekommen und das letzte Lebenszeichen, welches ich von ihm erhalten hatte, hielt ich in meinen Händen. Einige geschriebene Zeilen, statt der Hand an meiner Wange, einer ersehnten Umarmung und dem schelmischen Funkeln in graublauen Augen. Wenn etwas ausblieb, so sehnte man sich nur umso mehr danach, den letzten vergangenen Moment deutlicher genossen zu haben. Man versuchte sich Worte oder Situationen vor Augen zu führen, die die Lücke bis zum nächsten Wiedersehen ausfüllen würden. Nun musste das Meer nur dieses verdammte Schiff zurück in den Hafen tragen, am besten Gestern, bitte.

Stunden später hatte ich abermals meinen Platz in Bajard eingenommen. Auf die Treppe vor dem Haus gesetzt, die Arme fest um meine Knie geschlungen, damit niemand auseinanderzufallen drohte, würde ich für den Rest der Nacht auf das Wasser am Hafen starren. Heute kein Rum, kein Rauchen, ich wollte einfach garnichts. Umso ungewöhnlicher, dass ich den herannahenden Mann so schnell wie möglich aus meinem Sichtfeld schaffen wollte, als ich feststellte, dass es sich nicht um Ihn handelte. Der Falsche, eindeutig. Am heutigen Abend war ich nicht die Tamyr von Jetzt, ich war das Meermädchen, was ein Jahr lang in Schwarzwasser gesessen und geschwiegen hatte, als hatte eine feine Nadel einen Faden durch meine Lippen gezogen. Sicherlich waren irgendwo schon Dinge aus reiner Willenskraft und dem Glauben an all die Meeresgötter entstanden. Ich wusste nur nicht was ich tun sollte, falls dieser Fall nicht eintreffen würde. Weder vor noch zurück.






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 17 Jun 2021 16:13, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 19 Jun 2021 12:06    Titel: Raue Küste - 19. Schwalbenkunft
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Von dir wollte ich jederzeit beschützt werden.
Für N.N.

Rau und steinig liegt er auf meiner Haut,
gleichsam in einem Traum verborgen,
meine Hände darin vergraben,
der einzige Anker, den ich je kennen werde.
Steiniger Sand, dunkelblondes Haar.
Scharfe Kanten, gleich einer Narbe der Seele,
zerbrochene Muscheln, barfuß auf deinen Klippen,
die tief in das Fleisch des Lebens schneiden.
Sie verblassen nicht, vergehen nicht,
zeichnen den Strand in wahrer Schönheit.

Graue Küste, blaues Wasser,
stetige Wellen brechen sich an Deinen Felsen,
Schaumkronen auf ihren Häuptern, glitzernd,
das Antlitz des Himmels in ihren Gesichtern.
Sturmgrau, Schiefer, Fernblau.
Taubengrau, Rauch, Stahlblau.
Vertrautheit und Sehnsucht.
Wie du mich jetzt ansiehst,
Tiefsee hinter Deinen Augen, blau-graues Licht.
Man kann so leicht darin ertrinken.

Schwüler Hauch, warmer Wind,
zärtlicher Handstrich an meiner Wange.
Deine Haut, gehört zu meiner Haut,
die Zeit steht still, bitte hör nicht auf.
Unendlichkeit gefangen in einem Moment,
das Spiegelbild einer Meerjungfrau.
Ich fühl wie es bricht, doch ich höre nicht auf.
Als hätten wir vergessen auszusprechen,
dass unsere Zeit bereits angebrochen ist.

Ein gefluteter Raum, er ist so tief,
jeder Gedanke ein Labyrinth.
Heut Nacht wirst du wieder versinken,
will ich zu dir, muss ich ertrinken.
Kommst du je wieder zurück?
Das Rauschen des Wassers,
erzählt von Deinem Flüstern,
so nah an meinem Ohr, eine Berührung,
weich wie süßer Rum,
rein wie Tabak und Meeresluft.
Uns're Blicke sind tief, deine Augen sind blau,
ich tauche nicht auf,
nie mehr auf..




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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 21 Aug 2021 14:40    Titel: Sonnenkraut
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21. Ashatar 264
- Küstenhaus



Lange hatte ich schon nicht mehr in diese Kladde geschrieben. Stattdessen war ich dazu übergegangen meine Gedanken, als Briefe verfasst, auf ein Blatt Pergament zu schreiben und sie zusammengerollt in eine Flasche zu stecken. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt und so schickte ich all die langsam verblassende Hoffnung in einem Glas auf das Meer hinaus, den letzten Ort wo Er gewesen war. Doch das Meer war kein Ort und kein Platz, es war eine unendliche Ansammlung von Orten, Legenden, Eindrücken, Mythen und Ewigkeiten. Man konnte die passende Stelle nicht einmal mit genug Hoffnung treffen. Doch mir war danach etwas für mich allein zu schreiben, dorthin wo niemand anders von meinen Gedanken wissen würde außer das ewig geduldige Papier unter meinen Fingern. Es zwischen meinen Händen und an meiner Haut zu spüren beruhigte mich, immer schon. Papier war kein Verräter an Erinnerungen, kein Betrüger an Versprechen - es war einfach was es war, ohne Lügen oder falschen Vorgaben. Ein Ort an dem man alles von sich preisgeben konnte, ohne leise Furcht in sich zu spüren, dass es gleichgültig verraten würde. Und Verrat war ein mieser Lebensgefährte. Er würde sich nie ändern, für kein Goldstück und keine Hoffnung der Welt. Immer würde er sein Messer oben am Nacken oder unterhalb einer herzschützenden Rippe ansetzen, den passenden Augenblick abwarten und letztendlich zustechen. Manches Mal zögerte er einen Moment länger, ein anderes Mal machte er es kurz und schmerzlos, den Tod eines bestimmten Augenaufschlages würde er sich jedoch niemals nehmen lassen. Wenn man es ehrlich und ohne Schminke betrachtete so war es aber nie schmerzlos. Es würde immer ziepen oder auch über längeren Zeitraum einen dumpfen Nachhall von Enttäuschung und Trauer hinterlassen oder sogar eine bleibende Narbe von Erkenntnis ausmachen. Wir waren uns selbst überlassen, dazu bestimmt diese Art von Menschen zu finden und an unsere Seite zu stellen, die sich nicht mit Verrat als ihren Verbündeten einlassen würden. Heute war mir allerdings nicht danach weiter von Verrat zu schreiben, lange genug - um genau zu sein Tag um Tag hatte ich mich mit diesem Thema und den daraus entstandenen Empfindungen herumgeschlagen. Wieso also war ich es, die sich immer wieder schuldig fühlte?

Heute saß ich vor meiner Kladde und drehte die gelbe Blüte zwischen meinen Fingern. Etwas ganz Neues, von dem ich noch nicht wusste, was es überhaupt war. Sonnenkraut, oder auch Johanniskraut genannt. Meine Mutter hatte mir einiges darüber beigebracht. Diese Pflanze, die manche Münder auch Sonnenkönigin bezeichneten, war im Stande die warmen Strahlen in sich aufzunehmen. Die Sonne war der Ursprung aller Dinge, sie gab und ließ Leben gedeihen, doch ebenso war sie im Stande alles zu entflammen und mit sich dem Erdboden gleichzumachen. Der geheimnisvolle Himmelskörper der es schaffte, von seinem Untergangsort im Westen, zum Morgen hin wieder seine Ausgangsposition im Osten einzunehmen. Die Seemänner erzählten davon, dass die Sonnengöttin des Nachts mit einem Schiff auf die andere Seite des Himmels zurückfuhr. Eine romantische Vorstellung irgendwie, die in diesem Fall mit etwas interessantem und spannendem verbunden war. Dennoch hatte ich großen Respekt vor diesem Aufeinandertreffen, dem zweiten Eindruck der sich nach dem eindrucksvollen Ersten festigen würde. Ich hatte es Ihm gebeichtet, Ihm geschrieben dass es etwas gab das neuerdings in der Lage war mich wieder zu fesseln, doch leider hatte ich die dazugehörige Reaktion Seinerseits nicht sehen können. Wieso auch, wäre Er noch da, würde ich Ihm nicht davon berichten müssen weil all meine Aufmerksamkeit Ihm gehören würde. Dieser Umstand hatte sich allerdings geändert, insofern dass Er gegangen und nicht zurückgekehrt war - die Gründe dafür würde ich aber wohl nie erfahren. Die Erinnerungen und Gedanken zu Ihm würden meinen Kopf wohl nie verlassen und auch würde ich Ihm wieder und wieder als meinem stillen Vertrauten schreiben, dazu hatte sich alles zu sehr in meinem Inneren gefestigt. Hier und jetzt war ich aber nicht bereit mich selbst in den Hintergrund zu stellen um ein gutes Gewissen zu bewahren, schließlich war nicht ich es, die gegangen war. Ich hatte mir absolut nichts vorzuwerfen, bisher zumindest. Außerdem war die Neugierde zu groß gewachsen um auf das Aufdecken dieses Geheimnisses zu verzichten. Ich war nervös, doch dieser Umstand lag in dieser einen Farbe begründet, die ich ganz heimlich fürchtete wiederzusehen. Sie hatte mir soviel gegeben und gleichsam genommen, dass ich unruhig darauf hinaussah, was sie als nächstes für mich bereithalten würde. Ich drehte die Blüte abermals in meinen Händen, ehe ich eine davon in meine Kladde legte, gleich neben die Zeichnung die ich angefertigt hatte. Es brachte nichts sich im Vorfeld den Kopf zu zerbrechen, die Zeit würde es am Ende ja doch zeigen. Auch, ob diese Person mit dem Verrat im Bündnis stehen würde oder nicht. Einen Ausweg gab es allemal, immer, zumindest solange die Aurelia mit windgeblähten, sonnengelben Segeln am Horizont fuhr und meine zweite Familie bei sich trug.




Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 21 Aug 2021 17:27, insgesamt einmal bearbeitet
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Tamyr Barasthan





 Beitrag Verfasst am: 19 Jan 2022 11:41    Titel: Mottenflug
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19. Hartung 265
- Küstenhaus



Ich öffnete meine Augen, welche ein jammerndes Brennen von sich gaben, als hätte ich nicht wirklich geschlafen - wie lange hatte ich überhaupt geschlafen? Mein Rücken gab die klägliche Antwort auf das Zeichen meiner Augen und mein Hals versank in schmerzhaftem Sengen, als züngelten gierige Flammen nach ihm. Erst als meinen Oberkörper langsam anhob erkannte ich, dass ich am Boden und in einer kleinen, mittlerweile angetrockneten Blutlache gelegen hatte. Ich tastete mein Gesicht ab, welches am Mundwinkel eine deutliche Schwellung trug und scheinbar auch aufgerissen war, weiters mein Kinn und meinen Hals entlang, die sich beide mit getrocknetem Blut und hautspannenden Wunden schmückten. Langsam aber sicher erinnerte ich mich wieder, diese Brut aus dem Westen - widerliche Kanalratten, nicht wert an der Erdoberfläche zu leben. Mein neugieriger Zeigefinger tastete die Krallenspuren auf meiner Haut entlang, hier und da waren sie tiefer und mussten wahrscheinlich genäht werden, denn ich konnte spüren dass nicht viel fehlen würde, ehe sie wieder aufplatzten. Als läge mein Herzschlag genau unter ihnen, pochte es heiß unter meinen Fingern und den dünnen Blutkrusten. Allein der Gedanke an einen dieser Schläge und mein Magen bedeutete sich willentlich umzukrempeln - ohne Kontrolle über sein Handeln hinterließ er ein flaues Gefühl in meinem Bauch und einen salzigen Geschmack in meinem Mund, welcher mich würgen ließ. Ich war höchstwahrscheinlich nicht eingeschlafen, sondern nach der Mühe mich nach Hause zu schleppen bewusstlos geworden. Immerhin hatte ich es hergeschafft, an all die Zäune und Hauswände gelehnt, die ich auf meinem Weg gefunden hatte. Ich erinnerte mich, dass ich es beim Hospital versucht hatte, doch die Fenster blieben dunkel und so blieb nichts anderes übrig als an einen halbwegs sicheren Platz zu ziehen, ehe ich den Rest meiner Kraft verlor. Kurz vorm Haus hatte ich mich mit letzter Mühe an eine Laterne geklammert und den gierigen Motten beim Flug um den hellen Kerzenschein zugesehen. Ihre Flügel machten interessante Geräusche wenn sie an das Glas stießen, sie klackerten fast, wie sanfter Regen an ein Fenster. Einen Moment lang war ich völlig gefangen gewesen, in diesem einzigen, leisen Geräusch der nahen Umgebung, etwas konstante Stille, die dem schreienden Schmerz meiner Glieder entgegenwirkt hatte.

Ich schob mich weiter hinauf und erfasste, dass ich mich in die Splitter der zerbrochenen Flaschen gestützt hatte. Meine linke Handinnenfläche war von kleinen Schnitten übersäht, die steckenden Scherben hatte ich jedoch noch hinausgezogen bevor ich überhaupt vom Schauplatz des Geschehens aufgestanden war. Die Wut überkam mich erneut und ich musste aufgebracht Schauben. "Zieh tiefen Hass aus deinem Schmerz", hatte eine der Missgestalten mir ins Ohr gesäuselt. Dachten diese Missgeburten eines Elfenabklatsches eigentlich wirklich, dass sie den Hass, Wut oder Schmerz für sich gepachtet hatten? Ihn erfunden? Als ob kein Geschöpf dieser Welten, bis auf sie, jemals etwas solches empfunden hatte? Die beschissenen Narben meiner Handgelenke und meiner Seele erzählten etwas ganz anderes, doch diese Gestalten waren absolut beschränkt in ihren Gedanken und ihrem Wissen, den Blick auf nichts als nur sie selbst gerichtet. Evelin - da konnten sie lange suchen, warum auch immer es wichtig war, die Namen seiner ungerüsteten Opfer zu kennen, sie würden niemanden finden. Da blieb doch die Frage, wer die wahren Opfer in diesem Schauspiel gewesen waren, nicht in der Lage sich richtige Gegner zu suchen. Ich musste zugeben, ich hatte sie zusätzlich provoziert, ihnen die Flaschen die sie mir abnehmen wollten zu Boden geworfen, sie mit Blut bespuckt und ihr ohnehin erhitztes Gemüt wahrscheinlich weiter entfacht - doch sollte man sich soetwas auf lichtem Grund und Boden gefallen lassen, nur weil man tief in sich etwas wie Furcht spürte? Ich erinnerte mich an die Zeit auf der Ladráo, angefasst und bedrängt, beleidigt und geschlagen, doch hatte ich nie aufgehört mich zu wehren. Irgendwann aufzugeben bewies nur, wie schwach man wirklich war, gebrochen und kaputt gegangen, wie eine alte Spieluhr, die nicht mehr funktionierte. Ich war zu stolz um meinen Mund zu halten. Dieser Charakterzug hätte mich auch mein Leben kosten können, doch es lag mir nicht nachzugeben.

Ich zwang mich weiter auf alle Viere hinauf und versuchte aufzustehen. Den Tritt in meinen Rücken konnte ich noch immer spüren, denn er hatte mir die Luft abgeschnürt, als hätte man einen Strick um meinen Hals geschlungen. Unter einem leidenden Stöhnen erhob ich mich vom Boden und wankte, mich an den Wänden abstützend, in die Küche um eine Flasche aus dem Regal zu ziehen. Zurück im Schlafzimmer ließ ich mich dumpf vor dem Zuber zu Boden nieder und griff nach einem sauberen Tuch, dass ich mit der halben Flasche des Kornbrandes tränkte. Ich biss die Zähne knirschend zusammen, als ich das Tuch auf die wunden Überbleibsel der Krallenhandschuhe drückte. Wäre Neroth doch nur hier - er hätte sofort gewusst was zutun war und sich um meine Verletzungen gekümmert. Doch er war fort, ebenso wie ich meine Trauer über seinen Verlust fortgeschoben hatte. Er fehlte mir so. Er hatte mir zwar gezeigt wie man einfache Nähte fertigte und ich hatte auf der Aurelia einige Male dabei zugesehen, wie die Männer verarztet wurden, sich selbst zu nähen war aber wohl eine ganz andere Geschichte. Ich sah also davon ab mir mit einer Nadel zu Nahe zu kommen und fand mich vorerst mit dem Vergnügen der Wundreinigung ab. Erst als ich mich komplett gewaschen und meine dreckigen Klamotten auf einem Haufen am Boden gesammelt hatte, wandte ich mich dem Schrank zu um etwas frisches zum Anziehen aus dem Regal zu ziehen - vorzugsweise etwas ohne Kragen. Das Wasser in meinem Zuber schimmerte in einem durchsichtigen Rot, die eben noch sauberen Stoffstücke lagen durchnässt und blutüberzogen über einem Holzgriff. Eigentlich hatte ich erhofft ich wäre fertig, mit solcher Art Begegnungen. Ich würde wohl nicht drum herum kommen mir einen Heiler zu suchen, der die Nähte übernahm. Erst einmal, wollte ich mich jedoch nur in mein Bett legen und die Augen schließen..






Zuletzt bearbeitet von Tamyr Barasthan am 19 Jan 2022 11:57, insgesamt einmal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 12 Mai 2022 10:05    Titel: Todor Kornel
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Eluviar 265
- Todor Kornel



Wie lange ich meine Kladde nicht mehr für das Zeichnen und das Schreiben über meine Mannschaft in den Händen gehalten hatte. Wenn ich zurückblätterte und nachlas, so war ich versucht mich zu schämen, dass ich Todor, dem Kerl der täglich dafür gesorgt hatte dass wir alle genügend zwischen die Zähne bekamen, zwar in meinem ersten Eintrag erwähnt worden war, ich mir bisher jedoch nicht die Mühe gemacht hatte ihm einen eigenen Eintrag zu widmen. Vor allem da ich diesen zerknitterten Zausel so sehr liebte, als sei er mein eigener Großvater. All die Denkerfalten in seinem Gesicht gaben ihm einen so vertraut, liebevollen Ausdruck und selbst jetzt wo ich es schrieb, konnte ich beinahe sehen, wie das dunkelblaue Augenpaar sich zur Tür der Kombüse hob, wenn man neugierig und auf der Suche nach etwas Essbarem eingetreten war. Wo all die Geschichten einen Hang zu Dramatik hatten, so würde ich mich immer gern an die von Todor erinnern, der scheinbar zusammen mit Sivert aufgewachsen war, da ihre Eltern sich gekannt hatten und seine Familie nur unweit der Grenzen zu Alrynes lebte. Die beiden erwachsenen Männer redeten stets von tiefem Vertrauen, wenn sie übereinander sprachen, nichts desto trotz hatten sie sich eine Weile aus den Augen verloren, als Sivert Alrynes verlassen hatte, um dem Schicksalsschlag und dem Verlust seiner Liebsten zu entkommen. Todor hingegen hatte ein so perfektes Leben geführt, dass man es kaum für möglich halten würde, würde man es hören. Er und seine Frau Imgard hatten eine kleine Bäckerei zusammen, da sie beide für das Zubereiten verschiedenster Leckereien lebten. Angrenzend an die kleine und schmale Ladenstube, war das Haus der Kornels zu finden, das viele Jahre vom Gelächter der heranwachsenden Kinder ausgefüllt wurde, die sich an der Ladentheke die ein oder andere Nascherei stibitzten. Vier Kinder sollten sie ihr Eigen nennen, drei Jungen und ein Mädchen, das ganz nach ihrer Mutter kam und der ganze Stolz ihres Vaters war. Hörte man ihn von seiner Tochter Annalies reden, so rückte alles einen Moment lang in den Hintergrund. Salzwasser begann auf dem Herd zu brodeln, Butter wurde braun und auch Zwiebeln brannten hin und wieder an, denn sobald er von seiner perfekt geratenen Tochter erzählte, die ihm bereits zwei Enkel geschenkt hatte, schien alles andere egal zu werden. Zur damaligen Zeit jedoch, als die Kinder erst in jugendlichem Alter waren, kam es, dass Sivert eines Tages erneut nach Alrynes zurückkehrte und auf gleichem Wege seinen alten Freund Todor besuchte, welcher gerade mehlbedeckt mit den Händen im Teig eines Brotes steckte. Zwei seiner Jungs halfen bereits in der Bäckersstube und auch Imgard war mit dem Bestreichen einiger Teigwaren beschäftigt. Sie beschrieb es mir irgendwann einmal als kleine Mehlwolke die in der Stube aufstieg, als die beiden Freunde sich in die Arme fielen und einander erleichtert die Schulter klopften, als sie feststellen mussten, dass der jeweils andere noch am Leben war.

Sivert hatte in all seinem Kummer und Suff ein Schiff beim Kartenspiel gewonnen und auch wenn er bereits Männer hatte, die seiner Mannschaft anheuern wollten, so fehlte ihm jemand dem er vertrauen konnte, wahrlich. Dass Todor außerdem in der Lage sein würde die Mannschaft mit etwas Genießbarem zu versorgen spielte ihm dabei natürlich in die Hände, doch um den Gedanken Siverts zu verwirklichen, würde Todor seine Frau und seine Kinder zurücklassen müssen, dazu verdammt nur wenige Wochen im Jahr an Land zu gehen, um sie zu besuchen. Irmgard war eine loyale und überaus liebevolle Person, die ihrem Manne sogleich zugestand, dass er gehen und noch ein Abenteuer erleben solle, ehe er zusammen mit den Mehlsäcken im Schrank verstauben würde. Sie hatte gesagt, dass er ihr vier wunderbare Kinder geschenkt hatte und sie sich niemals alleingelassen fühlen würde. Doch Sivert hatte eine andere Idee gehabt, die allen Beiden die Entscheidung einfach gemacht hatte, denn Irmgard war seither ein gern gesehener und furchtbar gern geduldeter Gast auf der Aurelia gewesen, wenn sie sich ein paar Wochen im Jahr zu uns gesellt hatte, um ihrem Mann in der Kombüse zur Hand zu gehen, während die Jungs sich um die Bäckerei kümmerten. Mhm.. wenn ich nur daran dachte, wie wunderbar es geduftet hatte, wenn Irmgard ihre Puddingplunder gebacken hatte. Seit jeher war Todor ein fester Bestandteil unserer Mannschaft gewesen, der Sivert treu und geduldig in allen kommenden Lebenslagen zur Seite gestanden und unser aller Mäuler unermüdlich gestopft hatte. Nur hin und wieder, einige Wochen im Jahr, hatte ich auch eine Mutter an Bord, eine weitere Frau, wenn Irmgard sich zu uns gesellte und ihre große Familie liebevoll umsorgte.


♦ Todor Kornel
♦ Smut der Aurelia
♦ Einstiger Bäckersmeister
♦ Ehemann von Irmgard Kornel
♦ Vater von Gregor, Annalies, Peet & Marte Kornel
♦ Geboren im Jahre 204 an der Grenze Werlentals



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