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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Glaubst du an ein Leben vor dem Tod?
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Mairi Kaija





 Beitrag Verfasst am: 24 Jan 2024 13:01    Titel:
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Angst liegt nie in den Dingen selbst, sondern darin, wie man sie betrachtet.


Gerimor
Cirmiasum 266


Ich vermisste Lesen und Schreiben. Das erstere mehr, auch wenn ich die Stimme, die mir an manchen, zu seltenen Abenden die Zeilen ruhig vorlas, immer bevorzugen würde. Trotzdem wusste ich mir zu helfen, wenn es sein musste, zumindest bei meinen eigenen Notizen. Hätte man mir vor ein paar Jahre gesagt, wozu wir eigentlich im Stande sind, hätte ich den Kopf geschüttelt. Heute nahm ich es einfach an und nutzte, was mir gegeben war.
Mir fehlte der Schlaf, um meine Gedanken richtig zu ordnen, also mussten sie irgendwie auf Pergament, nachdem ich versprochen hatte, mich nicht selbst weiter zu geißeln, wollte ich wenigstens versuchen, meinen Fokus auf etwas anderes zu lenken, als auf jene Erinnerung, die mir die Erholung raubte. Die Erinnerung an den viel zu kalten Körper, die leblosen Arme. Jedes Mal, wenn sie mich in meinen Träumen oder Gedanken heimsuchte und mich hochschrecken ließ, stieg die Panik in mir auf. In manchen Nächten tastete ich das Bett neben mir ab, bis mir einfiel, dass es leer war und ich mich zumindest etwas entspannen konnte. In anderen, in denen es nicht hätte leer sein sollen, ich aber trotzdem die vertraute Wärme nicht gleich finden konnte, versuchte ich zumindest nicht zu klingen, als sei mir die Kehle zugeschnürt, als ich den Namen in den Raum fragte. Ich machte mir immer wieder klar, dass es vorbei geht, das tat es immer und viele Sommer hatte ich zumindest halbwegs Ruhe gefunden, weil nur die Erinnerung allein bei mir war, ohne die Sorge, die Angst, die sich jetzt mit darunter mischte. Es war einfacher vorher, sicherer. Dafür auch so viel leerer.

Ich lenkte meinen Blick wieder auf das Pergament, das inmitten der vielen anderen Zettel und Notizen lag. Die Schrift wollte schon wieder verschwimmen, sich in das schummrige Grau mischen, das mein Alltag geworden war, doch fasste ich erneut meine Gedanken zusammen und richtete den Fokus wieder auf das, was ich vorhatte. Es war ein kurzer Impuls, der mich innehalten ließ, ich erinnerte mich nur nicht, warum, also zwang ich den Kohlestift wieder zum Papier hin… Ich schaffte es nicht einmal, den Namen fertig zu schreiben, als die Warnung der schon lange vermissten Stimme durch meine Erinnerung blitzte und mich genauso schnell und heftig traf, wie der Griff, der mich von meinem Kissen zerrte und mich unsanft auf steinigem, unebenem Boden wieder aufkommen ließ. Ich spürte, wie die Steine die Haut an meinen Handballen und Knien aufrissen, als ich durch die Heftigkeit noch ein Stück weiter rutschte und wie ein dumpfes Dröhnen durch meinen Kopf hallte, als jener unsanft den Kontakt zum Boden fand. Für den Moment konnte ich das Brennen der Abschürfungen kaum spüren, als die Erinnerung an die Stimme des Freundes klarer wurde „Denk ihren Namen nicht einmal.“ Ich fühlte den zu festen Griff erneut, es war der gleiche, der mich vor Jahren einmal gepackt und meine Wut damals geschürt hatte, doch wehrte ich mich dieses Mal nicht. Stattdessen versuchte ich, so viel Ruhe wie möglich bei mir zu halten, als ich die Schmerzen und alles, was mich ablenken wollte, so gut es ging in irgendeine Ecke meines Bewusstseins schob, wo sie so wenig wie möglich störten. Sie taten es trotzdem, als ich versuchte, meine Umgebung zu erfassen und ihr bloßer Anblick mich zusammenzucken ließ. Es war eine Sache, ihre hässliche Fratze so zu sehen. Es war eine ganz andere, sie mit meiner Sicht zu erfassen und auch wenn sie zumindest zu einem Teil Wesen meines Gottes waren, versetzte mir ihre Erscheinung ein Stechen im Kopf, das mein Bewusstsein langsam schwinden ließ, bis das vertraute Grau dem Schwarz wich.
Naturgemäß hat man kein Gefühl für Zeit, wenn man weder Licht zur Orientierung hatte, noch wusste, wie lange man auf dem kalten Boden verbracht hatte. Mein erster Gedanke war, dass es viel zu kalt war. Ich fror, eine Tatsache, die mich nicht sonderlich überraschte. Nur langsam wurde mir wieder bewusst, dass ich nicht dort war, wo ich hätte sein sollen, dass mein Körper sich nicht anfühlte, als hätte ich gerade nach einem angenehmen Bad auf den Kissen in dem kleinen Raum meines Hauses mit den Büchern und Zetteln gesessen. Eigenartig, welche Dinge einem zuerst in den Sinn kamen in Situationen wie diesen. Es würde aussehen, als wäre ich einfach verschwunden. Ich rappelte mich zumindest in eine sitzende Position auf, auch wenn meine Hand dabei schmerzte. Nur vorsichtig strich ich mit den Fingern über das Armband, das an Ort und Stelle saß. Der Kratzer, der die feinen Gravuren durchtrennte, ließ meine Augen brennen, vor allem aber die Wut in mir auflodern. Ich würde es ihm erklären, wenn ich hier raus war, doch um überhaupt dazu zu kommen, brauchte ich Ruhe und vor allem die sorgfältig zurechtgelegte Maske, die alles darunter verbarg. Ich nehme an, dass sie mehr Gegenwind erwartet hatte, dass sie davon ausging, dass ich mich wehren würde und ihnen das Leben schwer machen. Stattdessen ließ ich ihre Drohung oder vielmehr Warnung auf mich einprasseln, genauso wie alle Schläge, Tritte und was sie sich sonst noch so überlegte. Sie hätte mich einfach töten können und ich hatte dem nicht sonderlich viel entgegenzusetzen. Noch nicht. Aber auch das verkniff ich mir zu denken, geschweige denn zu sagen. Wer wusste schon, wieviel sie in mir lesen konnte, auch wenn ich allmählich eine Ahnung bekam, dass ich ihre Fähigkeiten in der Hinsicht vermutlich überschätzte.
Sieh es als Warnung, Menschlein, für dein Einmischen.
Aber es hatte zumindest ein Gutes: Ich konnte ihre hässliche Fratze endlich sehen, als sie sich einmal mehr in mein Gedächtnis einbrannte und ich fragte mich, ob es sie interessieren würde, dass ich mich einmischte, wenn sie der Meinung wären, ich wäre keine Gefahr. Manchmal neigte ich dazu, mich selbst zu unterschätzen. Ich ließ nach ihren schneidenden Worten noch Stunden, vielleicht sogar einen oder zwei Tage vergehen, bis ich mich traute, an mein Zuhause zu denken. Sie hatte klar gemacht, was sie wollte und war seither verschwunden. Offenbar lag es in der Natur derjenigen, die es gewohnt waren, die Oberhand zu haben, dann irgendwann die Aufmerksamkeit zu verlieren. Vielleicht war es ihr auch schlichtweg egal, ob ich aus diesem Drecksloch verschwand. Arroganz war kein guter Begleiter, wenn man sich Feinde machte. Ich nutzte das, was mir gegeben war, um an den Ort zu kommen, den ich Heimat nannte, versorgte meine Wunden so gut ich es eben konnte und stieg zumindest des Sauberwerdens wegen für einen Moment in das warme Wasser meines Bades. Es war kein angenehmes, erholsames Bad. Dafür brannte meine Haut an diversen abgeschürften Stellen zu sehr. Wieder wanderte mein Finger über den kleinen Kratzer im Metall des Armreifs. Es war jetzt ein Jahr. Und auch wenn große Versprechungen und übertriebene Gesten zu solchen Tagen nicht zu meinem Repertoire gehörten, machte die Tatsache, dass die Alben mir vor allem diesen einen Tag genommen hatten, es umso schlimmer. Irgendwann, irgendwann würden sie dafür teuer bezahlen.

Keine halbe Stunde später fand ich mich wieder in der wohltuenden Nähe, die gleichzeitig die Wärme mit sich brachte, die ich dringend brauchte und wollte. Ich bemerkte, noch während ich redete, dass meine Erklärungen mir nicht mehr so schwer fielen, dass sie nicht mehr ständig den stummen Begleiter der Angst bei sich hatten, dass jedes Wort zu viel vielleicht doch die Abneigung schüren konnte. Es war nur eine Eigenschaft von so vielen, die ich so sehr liebte, doch ohne seine Sicherheit, die er ausstrahlte, würden wir nicht hier stehen. Es erschütterten ihn keine Erkenntnisse, zumindest ließ er davon nichts an die Oberfläche, ich glaubte aber auch nicht, dass es irgendwo in seinen Gedanken brodelte, als er den Grund erforschte, warum ich Amagar auch half und mich damit einmal mehr schubste zu einer Beschäftigung mit mir selbst. Wollte ich nur eine Schuld begleichen? Nein. Half ich ihm, weil ich mich ihm verbunden fühlte? Ja. Liebte ich ihn? Vielleicht, auf eine Art, die mit der jahrelangen Verbindung aus gegenseitigem Retten und der ewigen Jagd, der Rache, der Revanche und der Dankbarkeit zu tun hatte. Es gab aber auch eine Sache, bei der ich die absolute und unumstößliche Sicherheit in mir trug. Ohne vielleicht oder möglicherweise. Ich gehörte hierhin. Genau dort, wo ich jetzt von der Wärme umfangen wurde, die ich so sehr liebte. Wo ich mich sicher fühlte und nicht nur die Decke um mich gelegt wurde, sondern das Zündholz gereicht, um mein eigenes Feuer wieder zu entfachen. Ich würde nicht gehen, für keine Schuld, für kein Versprechen der Welt.
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