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Die Romantik des Lebens
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Die Romantik des Lebens
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 29 Nov 2020 20:18    Titel:
Antworten mit Zitat


Die stärkste Waffe der Welt ist
die entflammte menschliche Seele.
(Ferdinand Foch)


Zwei Tage war es nun her. Schon. Und noch immer fühlte er sich völlig überwältigt. Es hatten sich einige zusammengefunden. Die Verbündeten, als da wären die Rashar, die Letharen und die Rabendiener, und auch die Gemeinde des Westens. Viele Geweihte standen dort zusammen, aber auch viele, die dem Aufruf und dem Glauben gefolgt waren. Die Waffe, ein Hammer, geschmiedet in der Hitze des Feuers der Ahamani von einem Menschen. Ebenfalls gemeinsam. Bei der Herstellung der Waffe waren zwar nicht so viele zugegen, aber von jedem Verbündeten mindesten einer. Mehr Besuch war dort auch nicht nötig, es war mehr ein Beiwohnen des Ganzen, als ein wirklich aktives Mitwirken. Dennoch war die Waffe dort schon faszinierend gewesen. Aber das Ritual am Folgetag, wo sich so viele versammelt hatten, das sollte wirklich einfach alles übertreffen, was der junge Templer je erlebt hatte. Wo währen der Waffenweihe – wenn man es denn so nennen wollte – der Zusammenhalt zu wachsen schien und das Gefühl der Verbundenheit und des Zusammenstehens wuchs, so wurde das noch ins unermessliche gesteigert kurz vor dem Ende des Rituals.

Jeder gab ein Teil seines Blutes, ein Teil seines Lebens dazu, alle drei Glaubensrichtungen vollzogen ihren Teil des Rituals dazu und am Ende wurde die Waffe in das Gegebene getaucht. Und was dann geschah, war für den jungen Templer schier unbeschreiblich. Trotzdem saß er gerade an seinem Schreibtisch und versuchte es in Worte zu fassen.


    Grenzwarth,
    28. Rabenmond 263

      Des All-Einen Geleit und schützend Pranke über euch,

      Honigzunge, ich hoffe, es geht euch gut. Ich vermisse euch ungemein und bete jeden Tag für euch, und um eure Sicherheit. Es erreichten uns jüngst erst üble Nachrichten aus der Heimat und diese ließen mich in Sorge zurück. Eine Antwort von dir habe ich auch noch nicht bekommen, so dass ich davon ausgehen, dass sie verloren ging unterwegs oder mein Brief dich nicht erreicht hat, so dass du dich eher dazu genötigt siehst, alle in Sicherheit zu wissen bei euch, als dich um den Briefverkehr mit mir zu kümmern. Ich kann es nicht verdenken und bete einfach, dass das Ausbleiben von Nachrichten nicht etwa damit zu tun hat, dass es euch übel ergangen ist oder gar noch schlimmeres passiert ist.

      Ich möchte auch schreiben, um euch Mut zu machen. Zwar kann ich nicht ins Detail gehen, aber ich will darlegen, was mir vorgestern Unglaubliches und Wunderbares und darüber hinaus auch noch Unsagbares widerfahren ist. Mit und Fug und Recht kann ich behaupten, dass mir so etwas noch nie widerfahren ist und ich bin mir nicht sicher, ob ich es dergestalt nicht so schnell oder überhaupt nochmal geschehen wird.
      Wenn ich dir sage, dass es absolut überwältigend ist, dem All-Einen persönlich zu begegnen, sagt das bei weitem nicht einmal annähernd das aus, was ich ausdrücken möchte. Ich, nein wir, standen IHM selbst gegenüber, spürten seine allumfassende Präsenz, fühlten, was ER fühlte und ich kann es nur so beschreiben: ER erfüllte mich mit einer Art Mitreißung, die noch immer anhält. Ich schwöre dir, falls irgendwer bis zu diesem Zeitpunkt gezweifelt hat, oder vor Angst fast eingegangen ist, wegen der ganzen Misere rund um den Riss, seither dürfte es wirklich für jeden nachhaltig fortgewischt sein. IHM zu begegnen war genau das, was uns fehlte, und ich bete dafür, dass ihr dies auch noch einmal erleben dürft, denn nichts ist erfüllender, als SEINEN Blick auf sich zu spüren und es auch noch zu sehen.

      Und ich kann dir versichern, Honigzunge, es ist nicht alles. Wir durften auch die Gegenwart des Rabenfürsten und der Tochter des Allmächtigen erfahren. Alle DREI waren sie dort, alle DREI haben uns beehrt mit IHRER Anwesenheit, mit IHRER überwältigenden Gegenwart und all dem, was SIE ausmacht. Kannst du dir vorstellen, wie schwer das auf uns gelastet hat, und wie erhebend es zugleich gewesen sein muss? Und wenn du sagst, du kannst es, dann leg darauf noch einmal das doppelte an Empfindung, ach was sag ich, das dreifache, obenauf. Mindestens.

      Es gibt keine Worte dafür das zu beschreiben. Und es gibt keine Worte dafür, wie viel Zuversicht es gespendet hat. Ich kann nicht einmal mehr einen leisen Zweifel in mir finden, so erfüllt fühle ich mich. Und ich kann euch versichern, wenn es mich in den Tod führt, dann laufe ich im Moment gewiss lächelnd in selbigen.

      Honigzunge, ich schwöre dir Stein und Bein, mit den DREIEN an unserer Seite werden wir alles erreichen. Gib es ruhig weiter an alle. Verbündet euch mit den Kindern des All-Einen, der der Ahamani und auch mit den Geweihten des Rabenfürsten, steht zusammen und wankt nicht. Sucht Schutz und Zuflucht in der Gemeinschaft, und geht erstarkt aus ihr hervor. Das ist der Weg, um die Existenz unserer Welt zu retten.

      Und so wir das alles überstanden haben, sehen wir uns wieder, schließen uns in die Arme und feiern zusammen, die ganze Familie. Das wird dann der Moment sein, wo ich euch jemanden vorstellen möchte. Ich bin sicher, es wird erlaubt sein, auch seitens des Tempels. Zwar werde ich dies erst in ein paar Tagen – quasi als Geburtstagsgabe – erfahren, aber ich bin zuversichtlich. Der erste Geburtstag ohne euch. Ich vermisse euch schmerzlich, sogar die Überfürsorge unserer Mutter. Bitte grüß sie alle von mir, gib ihnen all meine Zuversicht und den nötigen Mut mit auf den Weg. Der All-Eine ist mit uns, und mit IHM SEINE Tochter und der dunkle Fürst. Wir werden bestehen.

      Apostel




Als er die Feder weglegte und die Zeilen betrachtete, lächelte er fast schon zufrieden. Der Brief würde seinen Weg zu einem Boten finden und dann blieb nur zu hoffen, dass sie lebten und den Schrieb auch erhielten. Sicher war dies nicht. Aber die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.


Ehrfurcht ist Respekt mit weit geöffnetem Mund.
(Unbekannt)




Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 15 Apr 2021 08:49, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 02 März 2021 15:20    Titel:
Antworten mit Zitat


Treue Freundschaft lebt in dem, der Freundschaft gibt,
nicht in dem, der Freundschaft nimmt.
(Peter E. Schumacher)


Es war schon eine Weile her, dass er sich die Zeit mal für sich selbst nahm, um einiges Revue passieren zu lassen, was in den vergangenen Monden passiert war. Tatsächlich hatte sich seit dem Herbst einiges getan, weiterentwickelt und verändert, einiges schien aber auch derzeit zu stagnieren. Für ihn, so stellte er fest, gab es keinen Stillstand. Das konnte er getrost als gut bezeichnen, aller anderen Umstände zum Trotz. Zufrieden war er dennoch nicht ganz.
Mit etwas Sorge legte sich der Blick auf die noch neben ihm Schlafende. Ja, es war recht früh am Morgen, noch bestimmt eine Stunde hin, bis der Hahn auf dem Nachbarhof krähte. Für gewöhnlich ließ er sie ohnedies schlafen, solang wie sie wollte. Meist aber wachte sie auf, wenn er aufstand, da konnte er sich ja noch so leise davonstehlen wollen. Die Honigmilch stand zum Frühstück auf dem Tisch, sobald er mit der Morgentoilette fertig war.
Gerade dachte er aber noch nicht ans Aufstehen. Er saß vielmehr mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes gelehnt und beobachtete etwas gedankenverloren ihren Schlaf und überlegte, wie er sie unterstützen konnte. Wie zumeist fiel ihm nicht viel mehr ein, als er ohnehin schon versuchte zu tun. Er bemühte sich darum Zuversicht zu vermitteln. Was ihren Weg anging auf der Burg, da hatte er einfach keinen wirklichen Einfluss drauf.

Ein flüchtiges Schmunzeln zog sich über seine Miene. Wenn der Alltag sie nicht gerade im Griff hatte, gab es hier und da immer mal ein Fettnäpfchen, das sie wirklich mit Schwung ansteuerte. Meistens waren dies die Momente, wo sie in Diskussion gerieten. Die letzte davon hatte sie gedankenlos und vertrauensvoll ausgelöst, wobei sie für das Endresultat nicht einmal wirklich die Verantwortung trug. Dass sie dann den ganzen restlichen Abend und die Nacht in ihrem Zimmer verbrachte, sich mit Süßigkeiten vollstopfte und das Kissen vollheulte war mitnichten seine Absicht gewesen. Zugegeben, sein Gewissen hatte sich da auch mehr gewissenlos gezeigt dem Verhalten gegenüber. Bei sich sah er die Schuld dafür nämlich nicht wirklich. Auch jetzt noch nicht. Die ausgelebte Weltuntergangsstimmung teilte er an der Stelle ebenso wenig. Und zum Glück, auch rückblickend betrachtet, war sie auch schnell wieder Schnee von gestern. Es brauchte ein bis zwei Tage, da war die Welt wieder in Ordnung.
Die empfundene Peinlichkeit blieb allerdings. Sie hielt bis heute an bei ihm. Und es wurde darum nicht besser, als er erfahren hatte, dass noch jemand von den Umständen im Detail wusste. Das war so ein Moment, in dem er sich so schwer zusammenreißen musste, nicht irgendwem – egal wem – einfach eine mitzugeben, einfach nur weil er es konnte. Der Zorn war damals so plötzlich hochgebrodelt, dass er tatsächlich Mühe hatte, ihn nicht einmal im Ansatz zu zeigen. Denn letztlich war ihm auch klar, dass das, was da passiert war, eigentlich nur einen natürlichen Gang genommen hatte. Konnte oder durfte er das denn wirklich vorwerfen? Eher nicht.
Außerdem zählte er die zwei zu seinen Freunden. Was machte es da wirklich aus? Im Grunde nichts, oder? Er hoffte einfach, es würde bei den beiden bleiben und nicht noch der oder die nächste hinzukommen. Dabei war ihm allerdings auch allzu klar, dass ein Geheimnis eigentlich nur gewahrt bleib, wenn es ausschließlich einer wusste. War es einmal geteilt, bestand immer die Gefahr, dass es weiterging, bei allem Vertrauen, dass man selbst anderen entgegenbrachte.
Umso mehr legte er persönlich Wert darauf, ihm anvertraute Dinge für sich zu behalten, sobald darum gebeten wurde, auch wenn er hier differenzierte, was wirklich so persönlich behaftet war, dass er selbst vor der Blondine neben ihm schwieg. Dazu gehörten in jedem Fall die Gespräche, die im Tempel geführt wurden. Die blieben genau dort, wo sie stattgefunden hatten.

Es war noch gar nicht so lang her, das letzte Gespräch im Tempel. Ein kleines Weilchen ließ er es sich noch einmal durch den Kopf gehen. Ein angenehmes Gespräch, wie er fand, trotz der Zweifel, die er hatte heraushören können, trotz des zaghaften Zögerns, das darin lag. Es war nicht nur um den damaligen Gast gegangen. Er hatte auch von sich erzählt. Tatsächlich hatte er das Gefühl, dass es die Stimmung etwas gelöst und aufgelockert hatte, die Schwere herausgenommen und etwas mehr Leichtigkeit hineingebracht hatte.

Dieser Gast verweilte nun einige Wochen im Reich, war trotz aller Ängste geblieben, hatte seinen Platz gefunden und schien sich wohl zu fühlen. Trotzdem waren da noch einige Zweifel, Ängste und Sorgen geblieben, einige waren fort, neue hinzugekommen vielleicht, ein neuer Freund gewonnen.

Freunde, so fand er, waren wichtig. Die Pflege der Freundschaften war es ebenfalls. Es trug zur Festigung bei und band aneinander auf eine gewisse Weise. Gleichwohl war niemand jedermanns Freund. Aber Freunde, wahre Freunde, sorgten dafür, dass man sich zuhause fühlte, geborgen und aufgenommen, angekommen sogar. Er hatte noch sehr gut in Erinnerung, wie es war, als er hier ankam und keinen kannte. Es war schwer zu Anfang. Sowohl Bande zu knüpfen, als auch Fuß zu fassen. Nicht, dass die Menschen es ihm hier absichtlich schwer gemacht hätten, das taten sie auf keinen Fall. Aber er war ein Fremder und es brauchte nun einmal seine Zeit zueinander Vertrauen zu fassen, sich kennenzulernen, jemanden zuzulassen oder hineinzulassen in den eigenen Kreis.

Inzwischen – so sah er das – hatte er nicht nur einen Kreis. Es gab da mehrere. Und dann waren da natürlich noch die anderen Bürger und Suchenden, die im Reich unterwegs waren. Er bemühte sich dem Ganzen irgendwie gerecht zu werden als Diener des Herren. Manchmal fiel es leicht, manchmal schwerer. Es gab auch Tage, nach denen er etwas länger in der Abendandacht verweilte, um seine Gedanken und Gefühle zu sortieren.

Vieles hatte sich verändert, er selbst hatte sich sehr verändert, wenn er es genau betrachtete. Als er ankam war er zurückhaltender, deutlich schüchterner gewesen, viel stiller. Zwischenzeitlich war er womöglich etwas zu vorlaut geworden in mancher Hinsicht. Es mochte nicht schaden, wenn er sich wieder ein wenig mehr zurücknahm. Aber die Nähe zu den Leuten, die wollte er nicht aufgeben. Er merkte schon, dass es gut so war, dass sie darauf ansprachen, es willkommen hießen, dass sich jemand unter sie mischte, aufmerksam war, achtsam und wertschätzend mit ihnen umging und um Zusammenhalt bemüht war.
Natürlich machte er da auch hin und wieder Fehler, wenn die Zunge mal wieder allzu locker saß, aber die Nachsicht, mit der ihm begegnet wurde, brachte ihn zuweilen tatsächlich zum Lächeln. Gleichzeitig fragte er sich, ob er sie nur wegen der Robe erhielt, legte den Gedanken aber zumeist auch ziemlich schnell wieder ab. Nein, einige seiner Freunde waren herrlich ehrlich. Manchmal zwickte diese Ehrlichkeit auch sehr, aber das war gut so. Er bemühte sich es genauso zu vergelten.

Darüber hinaus hielt er Kontakt zu den Kindern des All-Einen. Rudimentär zwar nur, aber hin und wieder hatte er mit ihnen zu tun. Entweder weil sie ihn fragten, ob er etwas beibringen oder erklären mochte, oder weil er selbst Lektionen nahm im Kampf.
Sein Vorhaben sich den Freibeutern anzunähern, nahm hingegen eine etwas eigenwillige Wendung, die ihn in der Tat überraschte. Gerade jetzt, wo sie sich allesamt weniger blicken ließen, suchte einer von ihnen Kontakt. Unverhofft kam oft. Daran sah man es einmal mehr.
Allerdings schlief der Kontakt zu den Rashar dafür gerade etwas ein. Womöglich sollte er daran etwas ändern. Da er momentan kaum jemanden von seinen Mittemplern sah, fühlte er sich mehr denn je verantwortlich dafür, Präsenz zu zeigen, wo es nur ging. Gleichzeitig zauderte er damit aber auch herum, da er nicht den Eindruck erwecken wollte, alles an sich zu reißen. Aber konnte man ihm das wirklich vorhalten dafür, dass er Sein Werk vorantrieb und sich um das bemühte, was in Seinem Sinne war?

Da war noch die stete Frage, wie es weiterging, wann es vor allem weiterging, dass etwas gegen die Kristalle, die Viecher, den Feind getan wurde. Tatsächlich wartete er inzwischen auch nur noch darauf, dass eine Nachricht käme, die besagte, irgendetwas würde wieder getan oder versucht werden, wo er unterstützen konnte. Denn eine eigene Lösung für das Problem hatte er nach wie vor nicht, und sein Geist war inzwischen so müde vom Grübeln darüber, dass er sich angefangen hatte auf andere Dinge zu konzentrieren. Vermutlich kam die Grübelei zurück, wenn die Not wieder wuchs, oder endlich eine Lösung in Sichtweite kam, die man greifen konnte.
Bis dahin tat er das, was er eben mitunter am besten konnte. Mit den Leuten vor allem reden, reden, reden. Und zuhören. Viel zuhören.

Irgendwann stahl er sich dann doch leise aus dem Bett davon und hoffte einmal mehr, die Schlafende nicht zu wecken. Leise tapste er barfüßig ins Bad und widmete sich der Morgentoilette. Es war Zeit fertig zu werden, denn die Morgenmette war nicht mehr weit hin. Außerdem hatte er sich für den Tag einiges vorgenommen.
Da gab es noch einen zweiten Band zu schreiben, ein Konzept zu erstellen, weil man auf die Catuli derzeit da ohnehin nicht hoffen konnte, und Bücher zu füllen sowieso. Er hatte ohnehin schon keinen Dunst mehr, wann das alles gemacht werden sollte. Da war noch das Buch, das er zu schreiben hatte. Es war an sich fertig, aber er war nicht zufrieden damit. Eigentlich mochte er es am liebsten direkt wieder verfeuern. Es fühlte sich so wenig an, so unvollständig, so gehaltlos, so unbefriedigend. Wenn man denn ein Buch hassen konnte, dann tat er das bei diesem. Das war aber auch ein allzu bescheidenes Thema! Noch viel ärgerlicher war daran, dass er die hinlängliche Meinung seiner Mittempler dazu nicht so ganz teilte. Er ging damit eher kontrovers um. Womöglich sollte er das einfach mit im Buch aufnehmen. Dann wäre er vermutlich zufriedener damit, auch wenn es vermutlich Unmut wecken könnte. Aber damit entsprach es ihm dann wenigstens.
Ja, darüber sollte er mal gründlich nachdenken, nahm er sich kurz darauf vor. Erst einmal Frühstück, dann die Morgenmette und der Tempeldienst, dann alles, was sich noch so in den Weg warf.

Auf dem Weg nach oben fiel ihm auf, dass er schon lange nichts mehr von Ravena und der kleinen Schwester gehört und gesehen und gehört hatte. Er vermisste die Besuche, die Treffen im Grünen und die Unterhaltungen. Allein die Feststellung ließ ihn schon wieder aufseufzen.



Freundschaft,
das ist wie Heimat.
(Kurt Tucholsky)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 19 März 2021 16:15    Titel:
Antworten mit Zitat


Entwicklung und Wandel gehen Hand in Hand.
(Dieter Uecker)


Die Sorge um ihn war schon irgendwie rührend, wenn auch unbegründet. Ja, er war in letzter Zeit wieder ruhiger geworden, fand damit im Grunde zu seinem ursprünglichen Wesen zurück und besann sich auf die Zeit als Catulus zurück, oder auch auf die Zeit seiner Ankunft. Anfangs war er doch zurückhaltender gewesen und vielleicht war es auch nicht verkehrt zumindest auf halbe Strecke wieder dorthin zurückzukehren.
Dass er sich eines Kommentares bei seinen Freunden verweigert hatte zu den neusten Entwicklungen hatte allerdings nicht einmal etwas damit zu tun. Vielmehr wollte er nicht riskieren etwas auszuplaudern, was in einem Vier-Augen-Gespräch besprochen worden war. Darum begnügte er sich damit, sich schlicht und ergreifend im Stillen daran zu erfreuen, was er miterleben durfte. Womit er nicht gerechnet hatte, dass sich daraus eine Verstrickung ergab, die in Sorge um ihn endete. Nicht, dass es dafür ernsthafte Gründe gab. Natürlich machte er sich Gedanken um die gegenwärtige Situation wegen der angreifenden Invasoren, und natürlich machte er sich Sorgen um die eigene Familie, von der heute endlich eine Antwort gekommen war. Noch hatte er sie nicht gelesen. Das leicht flaue Gefühl in der Magengegend hinderte ihn noch daran.

Zunächst befasste er sich jedoch damit, die Termine mitzuteilen, die festgelegt worden waren für etwaige Gespräche. Gleichsam trug er sie für sich ein, damit er keinen davon versäumte. Zu tun hatte er wahrlich genug, um sich von den Sorgen abzulenken. Und wenn doch einmal ruhigere Momente eintraten, sorgte der Blondschopf schon dafür, dass es nicht lang so blieb.
Noch immer zögerlich nahm er sich dann aber doch den Brief von zuhause vor. Er brach das Wachssiegel und schlug den Papierbogen auf. Die Schrift war unverkennbar Fjores. Immerhin hatte sich das nicht geändert. Wenn es Post zu versenden gab, trug sie meistens seine Handschrift.


    Istelgo,
    Ende Hartung 264

    Möge der Herr uns alle beistehen,

    wie du siehst, kleiner Apostel, sind wir nicht mehr zuhause. Dort konnten wir nicht mehr bleiben, was allein dem Desaster zuzuschreiben ist, dass eine ganze Horde von Kristallkreaturen durch unser kleines, beschauliches und völlig uninteressantes Kaff marodiert ist. Wir mussten fliehen und alles zurücklassen. Aktuell befinden wir uns in einer der größeren, befestigten Städte Seranyths, aber wer weiß, wie lange das noch so bleibt. Das Sicherheitsgefühl ist vage, aber immerhin geht es uns sonst soweit gut. Wir sind bei Freunden von Vater untergekommen, haben warme Mahlzeit, einen Notschlafplatz und die Möglichkeit uns zu waschen. Als Gegenleistung helfen wir dort aus, wo wir gebraucht werden und uns nützlich machen können. Gold verlangen sie keines, da wir derzeit unserem Geschäft nicht nachgehen können, außer Mutter. Sie hat ihre Kräuter einfach irgendwie immer und überall dabei, oder findet sie unterwegs.

    Wir sind dir alle im Übrigen sehr dankbar für die frohe Kunde, selbst wenn die Details fehlen, die dazu geführt haben. So tut es sehr gut zu wissen, dass der All-Eine uns nicht verlassen hat und fest an unserer Seite steht und kämpft. Da die Zeiten sonderbar sind, sind wir umso erfüllter davon, dass auch der Herr der Raben und die Tochter unseres Herrn uns ebenso beistehen. Wenn ich ehrlich sein darf, glaube ich auch nicht, dass wir das ohne IHRE Unterstützung schaffen könnten. Es sind Zustände, die einem Angst und Bange machen, bis zum Gefühl einer gewissen Lähmung hin.
    Den Krieg gegen den Feind aus Alumenas kennen wir ja zur Genüge, aber dies hier hat doch einen ganz anderen Geschmack, wenn du mich fragst.
    Dein Brief facht in jedem Fall die Hoffnung an, all das zu überleben, zu überstehen und irgendwann zuhause alles wieder aufbauen zu können. Wir werden uns hier nach Kräften bemühen am Leben zu bleiben!
    Übrigens, noch eine kleine frohe Kunde unsererseits, allen Widrigkeiten zum Trotz: Du bist Onkel geworden. Unser Bruder und seine Frau haben einen strammen Jungen bekommen. Er trägt nun den Namen Arman. Vaters Freund sagte, es bedeute Hoffnung, und sie fanden den Namen passend und angebracht. Eines ist jedenfalls sicher, er kann schon wunderbar und kraftvoll seinen Zorn in die Welt hinausbrüllen, der kleine Fratz. Vor allem wenn er hungrig ist. Und der Charmeur wickelt jetzt schon, zahnlos wie er ist, alle um den kleinen Finger. Er ist ein Lichtblick in diesen dunklen Tagen.

    Ah, ich soll dir von unseren Eltern übrigens ausrichten, dass sie sehr stolz sind zu hören, dass du deinen Weg offenbar weitergehst und das auch noch mit Erfolg. Und ich soll dich schelten, dass du das nicht einmal im Brief erwähnt hast, sondern wir es durch den Boten erfuhren, der den Brief von dir aushändigte mit den Worten: Eine Nachricht von Vicarius Angerlohe!
    Till, wirklich, schäm dich! Dass du Catulus bist, das wussten wir, aber dass du noch höher in Seiner Gunst stehst inzwischen, das hast du wahrlich nicht erwähnt! Du hättest unsere Gesichter sehen sollen! Wir fragten den Boten sogar, ob er sich nicht vertue! Das war sehr peinlich!
    Aber ich verrate dir was: Bei allem Gemecker darüber, dass du nicht den Weg gingst, den sie für dich erdacht haben, sind sie jetzt so stolz, dass ihnen die Brust schwellt. Immer, wenn wir irgendwen treffen, bei denen dein Name auch ein Begriff ist, wird damit angegeben wie nichts Gutes. Manchmal so arg, dass sogar ich anfange mich ein wenig fremdzuschämen. Und du weißt, das will was heißen!

    So, aber nun muss ich Gerno helfen und wieder mit anpacken hier. Ich hoffe inständig, dir geht es ebenfalls weiterhin gut und du bist und bleibst bei bester Gesundheit. Lass von dir hören, egal, wie lang der Brief bis hierher braucht. Sollten wir weiterziehen, werden wir dafür sorgen, dass der Bote uns schon findet!

    Seine schützend Pranke über dich,

    Honigzunge


Der Fels der Erleichterung musste wirklich im ganzen Haus zu hören sein, der da gerade vom Herzen rumpelte. Auch wenn die Nachricht bald schon anderthalb oder gar fast zwei Monde alt war, so tat sie wohl und er gab sich der Hoffnung hin, dass die Lage sich seither nicht verschlimmert hatte. Onkel also. Arman. Hoffnung. Ein wenig musste er schmunzeln. Es hatte etwas Abergläubisches an sich, den Namen entsprechend zu wählen, aber verdenken konnte er es ihnen ganz sicher nicht.
Alles, was half, war gerade gut. Tja, und die Schelte, die brachten ihm tatsächlich rote Ohren und Wangen ein. Peinlich, in der Tat. Sowohl das Versäumnis seinerseits, als auch die stolze Angeberei. Aber er war nun einmal der Jüngste. Und seine Mutter hatte deshalb ein ganz spezielles Verhältnis zu ihm gehabt, immer schon.
Ihm fiel auf, dass er noch gar nichts von Rilytia erzählt hatte. Möglicherweise sollte er das doch mal angehen in dem nächsten Brief. Aber erst einmal wollte er das Gelesene sacken lassen, bevor er sich an die Antwort setzte. Und im Moment scheute er sich auch noch davor, davon zu erzählen. In der Regel zog das einen Rattenschwanz an Verpflichtungen nach sich, denen er gerade noch gar nicht nachkommen konnte. Er kannte doch seine Eltern!

Dabei fiel ihm ein, dass er noch jemanden heimsuchen wollte, um etwas fertig zu stellen. Vorbereitungen wollte er auch noch treffen für eine bestimmte Sache und er wollte darüber hinaus noch ein Gespräch in eigener Sache führen. Da blieb abzuwarten, wann es soweit kam, aber er wollte es jedenfalls in Kürze mal angehen.
Ja, genug zu tun hatte er eindeutig.


Sorgfältigkeit erhält, was Fleiß verdient.
(Samuel Smiles)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 03 Apr 2021 20:22    Titel:
Antworten mit Zitat


Abstand festigt die Freundschaft.
(Gerlinde Nyncke)


In der Stille des Hauses ließ er den vorangegangenen Abend Revue passieren. Natürlich war er, nach allem, was in der letzten Woche so losgewesen war, mit gemischten Gefühlen hingegangen. Im Nachhinein stellte er fest, dass er sich ungewollt distanzierter verhalten hatte, als in der letzten Zeit üblich. Dennoch hatte er das Gefühl, dass es eigentlich allen an diesem Abend ganz guttat, dass er es so hielt. Fast allen. Manchen war es vielleicht nicht einmal aufgefallen.

Bei der Ankunft hatte er gegrüßt, seinen Teil in das kleine bereitstehende Kistchen hineingetan und sich dann abseits beim kleinen Schrein-Altar aufgestellt. Auch das war keine bewusste Entscheidung gewesen, aber hielt es für angebracht und angemessen. Still und in sich gekehrt beobachtete er die Ankunft der Gäste. Was ihm auffiel war das absolute Fehlen der anderen Völker und Verbündeten. Schade.

Er war mit dem Verlauf der Segnung zufrieden, auch jetzt noch. Ihm kamen ganz von allein die späteren Worte seines Glaubensbruders in den Sinn. Hatte er es gestern Abend womöglich falsch verstanden? Wenn er länger darüber nachdachte, konnte auch etwas anderes gemeint sein, aber auch da sollten sie sich wirklich bald zusammensetzen. Ohnehin, vielleicht sollte er generell mal wieder etwas mehr Austausch mit ihm suchen. Das war alles ein wenig eingeschlafen und daran trug er sicherlich auch eine Art „Mitschuld“, wenn man es denn so nennen wollte oder konnte.
Es durfte schließlich auch sein, dass man mal unterschiedliche Interessen verfolgte.

Auch nach der Segnung war der Verlauf des Abends allgemein als entspannt zu bezeichnen. Es gab Vorträge auf der Bühne und er selbst hatte sich mit an den Tisch gesellt, auf einen der letzten freien Plätze gesetzt und beschlossen bei Saft oder Tee zu bleiben. Dass der eine Tee dazwischen ein wenig Alkohol in sich hatte, kümmerte da eher weniger. Seine Aufmerksamkeit legte er mehr auf den Neuzugang, später auf die kleine Tischenden-Runde allgemein. Gedanken darüber machte er sich erst einmal keine. Warum auch? Es schienen alle Gäste ihren Spaß zu haben, sich zu amüsieren und den Abend zu genießen.

Eine Weile lang saß er dann da und lauschte der Geschichte zum ‚Lächeln‘ und stellte für sich fest – ihm war gerade weniger danach zumute, und das aus diversen Gründen. Zwar hatte er den Abend über auch gelacht, geschmunzelt, gegrinst, ein wenig mitgefeiert, aber der innere Grundton war ein anderer, auch heute noch. Es wollte alles nicht recht zusammenpassen. Natürlich war ihm nur zu klar, woran es lag. Das Ende des Vorabends war auch alles andere als glücklich gewesen für ihn. Da er aber niemandem die Stimmung verderben oder gar für Angespanntheit sorgen wollte, war er dann doch kurzentschlossen aufgebrochen. Es war ohnehin schon spät geworden und er hatte nicht vorgehabt, es sich selbst oder anderen gnadenlos zu verleiden.

Dafür war das Gespräch vorm Zubettgehen angenehm gewesen und es hatte auch etwas hervorgebracht, von dem er wirklich überzeugt war. Tatsächlich hatte er für sich festgestellt, dass ihm manches zu viel geworden war; nicht auf andere bezogen, sondern auf sich selbst. Bemüht darum weiterhin etwas mehr zu sich selbst zurückzufinden, war er auch am frühen Morgen zum Meer gegangen, hatte sich dort ans Ufer gesetzt und die aufgehende Sonne genossen, die ihm in den Rücken schien und das Wasser in eine spiegelnde Fläche tauchte. Er hörte in der Ferne ein paar Möwen kreischen, und ein kleines Segel tauchte am Horizont auf. Wobei – es wirkte vermutlich nur klein ob der Distanz. Vor einem Jahr noch hatte dieser Ort in aufgewühlt, mit Angst erfüllt und ein bedrückendes Gefühl hinterlassen, als er wieder ging. Jetzt konnte er den friedvollen Anblick genießen.
Er wusste genau, wem er das zu verdanken hatte. Wenn sie ihn nicht auf diese Aufgabe und Herausforderung gestellt hätte, wäre er vermutlich noch heute nicht so weit. Trotzdem wurde ihm etwas mulmig, wenn er daran dachte, dass er noch auf ein Schiff zu steigen hatte in näherer Zukunft. War er wirklich soweit? Es war immerhin etwas anderes auf einem Schiff zu stehen, das vor Anker lag, oder auf einem, das ausfuhr. Ganz sicher würde es für ihn eine Herausforderung werden. Mehr noch als das eigentliche Ziel, das ihm erstaunlicherweise weniger Befürchtungen heraufbeschwor.

Trotzdem blieb ein kleiner fader Beigeschmack. Sie ahnten, was zu tun war, um der Kristalle und der Feinde Herr zu werden. Es bedeutete aber auch einen Gott zurückzuholen, der nicht eben auf ihrer Seite stand und das Potential des Ostens wieder zu mehren.
Es hielt die Frage bereit, wie es danach wohl um die Ziele des Herrn stand, und ob der Kampf sie zu verwirklichen schwerer werden würde. Zweifellos war es aber so, dass es einiges zu tun geben würde in Zukunft. Nicht nur in diesem Punkt.

Ohnehin, es schien ihm allmählich, dass eine Zeit des Umbruchs gekommen war und einiges auf den Prüfstand zu stellen. Angefangen bei den ganz menschlichen Dingen, wie Freundschaften, Bekanntschaften und der Wertigkeit dessen, was er darstellte.



Vorbild wirkt mehr als Vorschrift.
(Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 15 Apr 2021 09:29    Titel:
Antworten mit Zitat


Ekstatische Zustände lassen sich nicht mit Worten beschreiben;
sie sind wie Musik.
(Mark Twain)


Wie erhebend den Dreien wieder zu begegnen, ihren Worten zu lauschen, Erkenntnis, Hoffnung und Zuversicht darin zu finden, und endlich zu ahnen, wie der weitere Weg aussehen kann. Es ist nun einige Tage her und noch immer bin ich ergriffen von dem, was geschehen ist. Wie viele können schon von sich behaupten dabei gewesen zu sein, wenn ein Gott wieder erwacht? Natürlich ist er keiner, der auf unserer Seite steht, und genau das hat mich mit Skepsis erfüllt, mit Sorge gar, denn was danach folgen würde, hatte uns weder jemand offenbart, noch ging ich davon aus, dass es überhaupt jemand könnte, außer Alatar selbst. Doch er hatte geschwiegen, was die Zukunft anging. Möglicherweise, sprach eine ganz leise Stimme im Hinterkopf, wusste er es auch selbst nicht.
Nun aber hatten sie Erkenntnis gebracht und ich vermute, Ahamani ist daran nicht ganz unschuldig.
Verstand ich die Botschaft richtig, so hatte es auch eine Auswirkung auf den Sternenvater und wie er uns nun gegenüberstehen würde. Nun, sagen wir, er stand gewiss in unserer Schuld, nicht wahr? Wenn ein Gott das überhaupt stehen konnte, heißt das. Nach menschlichem Verständnis konnte man es wohl so bezeichnen. Und im Grunde wollte er sie ja damit begleichen, dass er zu Kräften kam und Ala’thair rettete? Wie auch immer. Sich allein auf ihn zu verlassen erschien mir bei weitem nicht das Richtige zu sein. Es konnte nur als ein Teil des Ganzen betrachtet werden.
Denn eines war ebenfalls sicher: Sie hatten noch eine Aufgabe zu bewältigen, die es ganz sicher in sich hatte, selbst wenn der Feind nun geschwächt war.

Unser Problem waren noch immer die Kristalle, weniger die Kreaturen. Wenn wir gut zusammenstanden, waren die Kreaturen das geringere Übel. Mit dem Hammer alleine würden wir dem Zeug nicht Herr werden. Es war sicher eine Teilmöglichkeit, allerdings eine, die das Zeug allenfalls zu Staub zerschlug, und wie wir wussten, war auch der Staub gefährlich. Vielleicht war es einfach erforderlich die Mächte noch einmal zusammenzuführen. Ein Segen auf etwas, was sich gut verteilen ließ, wie … Flüssigkeit vielleicht?

Nicht selten ging der Blick wieder zum Himmel empor, wo der Riss deutlich abgenommen hatte, auch wenn er noch nicht geschlossen war. Fast war das Sternenzelt wieder hergestellt. Der Rest würde vermutlich folgen, wenn Horteras genug an Kraft gesammelt hatte. Die stille Frage, die er sich aber stellte war: Wenn sie alle besiegt hatten hier auf Ala’thair, der Riss geschlossen war, war die Gefahr damit ein für alle Mal gebannt? Vermutlich nicht. Denn es blieben die Unsichtbaren. Sie hatten es schon einmal geschafft 1500 Jahre zu überdauern, oder? Sie würden wieder damit beginnen im Kleinen und Stillen Informationen zu vernichten, oder? Wie also konnte man dies verhindern? Geschichten, die mündlich weitergetragen wurden, schienen das einzige Mittel. Schriftliche Werke vernichteten sie ja gerne.
Unwillkürlich ging die Hand zum neuen, noch ungebrauchten Notizbuch an der Kordel. Er trug es immer mit sich, wagte aber noch immer nicht, es zu nutzen. Seither waren auch die Berichte dürftiger geworden, kürzer, oder blieben aus, war ihm aufgefallen. Zumindest von seiner Seite. Er musste wohl wieder mehr Mut fassen, was das anging.

Vielleicht lag es daran, weil die Zuversicht gewachsen war, weil es Hoffnung gab, und weil alles begann seinen Weg zu gehen. Vielleicht auch, weil er seine Familie vermisste. Gegen Nachmittag warf er sich in die ältesten Klamotten, die er hatte. Sie hatten zum Glück sogar eine bräunliche Farbe. So ging er letztlich in den Garten und machte sich daran ihn vorzubereiten für einen kleinen Kräuterbereich. Es erinnerte ihn am ehesten natürlich an seine Mutter, vor allen anderen. Da stand noch ein Antwortbrief aus und so schlecht wie die Nachrichten derzeit zugestellt werden konnten, sollte er sich wohl bald daran setzen sie zu verfassen. Für den Moment aber ging er mehr in der Gartenarbeit auf, erinnerte sich an das, was meine Mutter ihm zur Pflege der Kräuter beigebracht hatte und bemühte sich es nach bestem Wissen und Gewissen anzuwenden. Es tat gut, sich auf etwas derartig Friedvolles zu konzentrieren für einen Moment, stellt er nach einer Weile mit Belustigung fest. Früher hatte er es gehasst. Unkraut jäten, sähen, ernten, was auch immer mit dem Garten und den Heilkräutern seiner Mutter zu tun hatte, er war am liebsten weit weg gewesen, wenn es hieß: „Till, komm mit und hilf mir.“
Seine Mutter würde sich ins Fäustchen lachen, wenn sie davon wüsste. Vielleicht sollte er ihr das Vergnügen einfach mal gönnen, wenn er die Antwort verfasste.

Die Hände verdreckt von der Erde, die Hose schmutzig vom Abwischen und im Dreck knien, betrachtete er sein Werk als alles eingepflanzt war, was er sich besorgt hatte dafür. Zufrieden griff er danach zum Wasserglas und trank erst einmal durstig, bevor er alles mit hineinnahm. Nachdem er sich frisch gemacht und wieder sauber angezogen war, setzte er sich an den Schreibtisch. Zeit, den Brief nach Haus zu verfassen.


    Grenzwarth,
    15. Wechselwind 264

      Des Herren schützend Pranke über euch alle,

      es tat gut von euch zu hören und noch besser, zu wissen, dass ihr wohlauf seid, auch wenn der Verlust unseres Heims die Freude etwas trübt. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir den Angriffen des Feindes inzwischen mehr entgegen zu setzen haben, als noch zu Beginn. Wir werden bestehen und sie zurückschlagen und dann könnt ihr zurückkehren, wenn das nach wie vor euer Wunsch ist und ihr nicht doch woanders eine neue Heimat finden wollt. Lasst es mich in jedem Fall wissen, denn ich habe mir fest vorgenommen euch zu besuchen, sobald es wieder möglich ist. Hast du die Veränderung am Riss gesehen? Wir sind auf einem guten Weg, Honigzunge.

      Dass ich versäumt habe euch von meiner Weihe zu berichten ist hoffentlich verzeihlich. Sie liegt auch schon eine geraume Weile zurück und war deshalb aus meinem Fokus gerückt, weshalb ich vergas es zu schreiben. Es gab so viel Dringlicheres in der Zeit, das mich beschäftigt hat. Ich gelobe Besserung.

      Ganz wichtig: Bestell unserem Bruder und unserer Schwägerin alles Gute von mir zur Geburt vom Sohnemann. Ich bin gespannt ihn kennenzulernen, wenn ich euch dann besuchen komme. Die Namenswahl gefällt mir jedenfalls außerordentlich gut. Es ließ auch mir das Herz etwas weiter aufgehen in diesen dunklen Stunden, wie der ganze Brief von dir ebenso. Du willst nicht glauben, welche Last abgefallen ist, als ich lesen durfte, dass es allen gut geht.

      Du kannst Mutter berichten, dass ich unseren Garten hier hergerichtet habe. Er würde ihr gefallen. Und noch mehr gefiele ihr wohl, dass es mir tatsächlich Freude bereitet hat, ihn mit Kräutern zu bestücken und mit ein paar hübschen Pflanzen, die das Ganze noch etwas auflockern. Gönn ihr den Spaß zu frohlocken, ja? Ich habe jedenfalls festgestellt, dass ich doch viel gelernt habe bei ihr, und noch viel wichtiger, auch vieles davon behalten habe, was mir jetzt zu Gute kommt. Richte ihr meinen Dank dafür aus, sei so gut.

      Und nun etwas, was du bitte auf jeden Fall für dich behältst! Wenn ich zu Besuch kommen sollte, also, sobald es möglich ist, werde ich das nicht allein. Ich möchte euch dann jemanden vorstellen. Aber sag das bitte bloß noch nicht den Eltern! Du weißt wie sie sind! Sobald sie es wissen, muss es gestern passiert sein und das ist einfach nicht möglich derzeit. Ich gebe dir rechtzeitig Bescheid, wenn es soweit ist. Ich vertraue darauf, dass du solange den Mund halten kannst!
      Ihr Name ist Rilytia. Sie ist hier geboren, in Rahal, und darüber hinaus Mitglied im Orden der Arkorither. Was ihre Persönlichkeit angeht, muss ich sagen, es ist sinnvoller sie kennenzulernen, als es zu beschreiben. Denn die ist wirklich schwer in Worte zu fassen, wenn ich ehrlich sein soll. Jedenfalls sorgt sie für einige … sagen wir … Turbulenzen hin und wieder. Manchmal für sehr unterhaltsame, manchmal für sehr ernüchternde. Es wird also keinesfalls langweilig. Es gibt auch Momente, da erinnert sie schwer an Mutter, vor allem wenn sie wieder ihre überfürsorglichen Anwandlungen zeigt. Die können manches Mal recht putzig sein, gelegentlich bringt es mich an den Rand meiner Geduld, ähnlich wie bei Mutter. Du weißt genau wann, nicht wahr? Ich sehe dich grinsen! Hör auf zu grinsen! Ich wette, du grinst schon seitdem du realisiert hast, dass der kleine Bruder jemanden an seiner Seite hat und jetzt ufert es aus. Wehe dem! Ach was, wehe dir!

      Ich habe noch so viele Dinge mehr zu erzählen, aber nicht mehr die Zeit alles zu Papier zu bringen. Du wirst dich also gedulden müssen. Nur so viel: Es gibt noch wen, der mir ziemlich wichtig geworden ist. Ich erlaube mir „Schwester“ zu ihr zu sagen. Alles andere darfst du erstmal erraten oder musst dich gedulden, bis ich Zeit finde nochmals zu schreiben. Womöglich aber warte ich erstmal auf deine Reaktion auf dieses Schriftstück. Es gibt allzu viel zu tun derzeit. Also passt auf euch alle auf, bleibt mir gesund und heil, und haltet zusammen.

      Apostel

Als der Brief verfasst, kuvertiert und gesiegelt war, machte er sich auf einen Boten ausfindig zu machen und das Schriftstück auf den Weg zu bringen. Es war an der Zeit sich wieder den Aufgaben und Pflichten zu widmen.


Der freie Wille: Vor der Vernunft ist er nicht zu erweisen,
aber doch muss man ihn fordern,
sonst hört alle Selbstverantwortung auf.
(Wilhelm Busch)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 29 Apr 2021 14:39    Titel:
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Leichte Sorge redet, schwere verstummt.
(Lucius Annaeus Seneca)


Es waren sicher noch ein bis zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang. Die morgendlichen Pflichten im Tempel waren bereits erledigt, so dass er frei davon war. Sich gedanklich treiben lassend, zog es ihn zum Parkour der Garde. Es war an der Zeit sich einmal auszuprobieren. Bestenfalls ungesehen. Und damit er sich für den Anfang leichter bewegen konnte, trug er nur einfaches Leder.
So gerüstet und mit einem Wasserschlauch bewaffnet, den er irgendwo am Heckenrand ablegte, machte er sich an die Bewältigung der einzelnen Stationen. Zeit, sich dabei irgendwelche anderen Gedanken zu machen, fand er dabei nicht. Dazu war das Ganze zu ungewohnt für ihn und er musste sich doch sehr auf das konzentrieren, was er da tat, um nicht etwa irgendwo hängen zu bleiben oder buchstäblich auf die Fresse zu fliegen, baden zu gehen oder auf halber Strecke den Abgang zu proben.
Tatsächlich gab es Passagen, wo er entschieden länger brauchte, als erhofft oder gedacht, oder gar zwei Anläufe. Am Ende angekommen, entkräftet und außer Atem, gestand er sich ein, dass das wirklich nicht unbedingt seins war. Vielleicht ein Grund mehr da etwas mehr Zeit hinein zu investieren. Letztlich konnte es kaum schaden. Da er sich nun auch sicher war, nicht gänzlich peinliche Momente zu präsentieren, war es ihm auch egal, ob er wen antraf hier – was ja mehr als wahrscheinlich war inzwischen.

Mit dem Wasserschlauch bewaffnet, setzte er sich zum Atem schöpfen an die Küste zum Meer hin und schaute auf die noch schwarzen Wassermassen hinaus. Für einen Moment fühlte er sich unangenehm an die Nacht erinnert, in der er am diesseitigen Ufer gestrandet war. Über ein Jahr war es nun her. Inzwischen war so viel passiert, dass es schwer war alles noch in Erinnerung zu rufen. Man konnte getrost sagen, die Ereignisse hatten sich zwischendrin schon hier und dort etwas überschlagen.
Und jetzt? Jetzt hatte er Sorgen, die er sich vor einem Jahr noch nicht mal ausgemalt hatte, geschweige denn davon ausgegangen war, dass er sie je haben würde. Die Sorgen beinhalteten nicht mehr nur den Riss am Himmel und die dazugehörigen Konsequenzen. Es ging auch um andere, viel kleinere Dinge, die ihm den ein oder anderen Gedanken abrangen und hin und wieder schwer in den Schlaf finden ließen. Zumeist ging es dabei nicht um ihn selbst, sondern mehr um die, die um ihn herum waren.

Dennoch, es gab auch die Momente, woran er sich mit einem Lächeln erinnerte. Bestandene Prüfungen zum Beispiel. Oder Tage, an dem das Lachen laut und weit zu hören war. Ihm fehlte seine Familie, also hatte er sich dafür eine Art Ausgleich gesucht. Er hatte hier auch eine gefunden, wenn man so wollte. Sie setzte sich zusammen aus Freunden, aus einer reichlich unerwarteten Liebschaft und einer dazugewonnenen Schwester, die vom eigenen Blut her zwar keine war, aber halt so eine Art von Schwester, die er sich gewünscht hätte, wäre seine Mutter nochmal schwanger geworden. Mochte sein, dass andere das für eine Kinderei halten, für ihn fühlte es sich richtig so an. Ein Stück weit hatte er ihr damit auch eine Familie geben wollen, die sie selbst in der Form nicht mehr hatte.

Sie beschäftigte einiges gerade, so schien es ihm. Was genau, das wusste er nicht, oder nur in Teilen. Was ihn daran ärgerte, war vor allem die Tatsache, dass sie es in sich hineinfraß und dass er nicht helfen konnte. Eigentlich war letzteres ein Umstand, der für ihn Alltag war, denn hin und wieder bestand die Hilfe einfach nur aus Zuhören und Dasein – so ganz generell, nicht nur bei ihr. Das kannte er, damit konnte er auch gut umgehen, normalerweise. Aber gerade nervte es ihn. Die eigene Meinung brannte unter den Nägeln wie Zunder, und am liebsten wollte er sie loswerden. Nein, nicht in ihre Richtung, sie kannte seine Gedanken dazu schon. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er damit mehr zerstörte, als rettete. Außerdem war er gebeten worden, nichts zu sagen, also hielt er sich daran, auch wenn es ihm schwerfiel.

Also musste er das vielleicht anders angehen, ihre Anspannung als Fokus nehmen, und vielleicht eine Möglichkeit suchen, diese zu lösen. Nun die Preisfrage: Wie war das womöglich zu bewerkstelligen? War es das überhaupt für ihn? Das musste noch rausgefunden werden.

Mit einem Seufzen stemmte er sich irgendwann wieder hoch und machte sich auf den Heimweg. Beim All-Einen, schon jetzt zeigte sich der erste Muskelkater! Er hatte zu lang in der Kälte gehockt. Eindeutig. Das war den Muskeln nicht gut bekommen. Um dem etwas entgegen zu wirken, verfiel er in einem lockeren Laufschritt. Wenn er eines hatte, dann wenigstens die Ausdauer, um bis nach Grenzwarth zu laufen, wenn er es mit dem Tempo nicht übertrieb.
Statt aufzuhören, als er zuhause ankam, schnappte er sich den Hund, und lief mit ihm weiter, wobei er hier nun doch zwischendrin pausierte, wenn Fiasko mal das Bein hob oder einen Busch heimsuchte. Den Lederball hatte er ebenso mitgenommen und auf der Wiese, etwas weiter weg von daheim, nutzte er den Platz und ließ das Tier den Ball holen, und spielte ein ausschweifend mit ihm.
Wer am Ende erschöpfter war, Hund oder Herr, hätte er nicht zu sagen gewusst. In jedem Fall war er froh, als er heimkehrte und sich erst einmal ein ausgiebiges Bad gönnen konnte, nachdem die Tiere versorgt waren.
Und kaum kam der Körper zur Ruhe, meldete sich der Kopf wieder zurück mit all den üblichen Grübeleien. Mit einem Schmunzeln fiel ihm wieder ein, dass ihm irgendwann mal zu viel des Grübelns bescheinigt worden war. Inzwischen stand für ihn fest, dass es eben zu ihm gehörte, wie die Vorliebe für Orangen oder Lachs, Drei-Groschen-Romane und so weiter. Er vermochte es nicht zu ändern oder abzustellen. Es war nun einmal wie es war.

Es war nicht so, als gab es nicht noch genug anderweitig zu tun. Manche Dinge davon waren sicher Nebensächlichkeiten, andere Dinge wiederum nicht. In jedem Fall wollte er in Kürze Thyra aufsuchen, nachdem er nun das Gespräch mit Cailen geführt hatte, um in Erfahrung zu bringen, wann sie üblicherweise Zeit fand, um dies dann auch mit Cailen abzustimmen. Dann konnte es endlich mit der Konzeptplanung losgehen, was die Tempelwache betraf. Das wurde Zeit, fand er, auch wenn es einiges an selbiger im Anschluss brauchen würde, dafür Leute zu finden. Trotzdem gefiel es ihm, dass es nun endlich in Form gegossen werden sollte und damit ein Anfang gemacht würde.

Etwas träge mühte er sich aus dem Wasser heraus, trocknete sich ab, zog sich an und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, den er letztlich mit hochnahm an den Schreibtisch. Er wollte sich nochmal den zu schreibenden Büchern widmen, damit es auch dort endlich voranging. Ein wenig jedenfalls. Es eilte nicht, aber gerade hatte er ein wenig Zeit und es half dabei den Kopf auszuschalten, der schon wieder anfing darüber nachzudenken, wie er wo wie helfen konnte. Sich zu beschäftigen minderte das Gefühl in Sorgen zu ertrinken. Es war ohnehin überdramatisch das zu denken. Kinkerlitzchen, im Grunde. Wenn man mal von dem Problem mit dem Riss und dem Anhang dazu ansah. Mit diesem Gedanken nahm er die Sorgen als das, was sie waren – täglich Brot – und konzentrierte sich auf die Arbeit.


Die Sorge ist das tägliche Brot der Seele.
(Carl Peter Fröhling)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 29 Mai 2021 16:46    Titel:
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Wahrheit ist etwas sehr Relatives,
weil es immer darauf ankommt,
aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet.
(Unbekannt)


Allein in den vergangenen Wochen hatte er so viel Neues von dem verbündeten Volk, den Rashar, gelernt, dass er noch immer Zeit benötigte, all das Gehörte für sich zu sammeln, niederzuschreiben und zu sortieren. Kunlehre, Gebote, Tugenden, Male. Wäre er bei dem Vortrag vom Hort nicht so müde gewesen, hätte er sich vermutlich zu allerlei Fragen und Anmerkungen hinreißen lassen. Darauf hatte er allerdings verzichtet und lieber nur allgemein interessiert zugehört.
Das alles nun aufzuarbeiten war dagegen eine Heidenarbeit, mit der er nicht gerechnet hatte. Ungemein spannend fand er die Überschneidung der Begrifflichkeiten mit einer ganz anderen Glaubensrichtung und den dortig aufgeführten Tugenden. Trotzdem fanden diese Begriffe hier eine ganz eigene, andere, Interpretation.
Die Gegenüberstellungen der Religionen und Glaubensinterpretationen, die er als Aufgabe seitens des Tempels erhalten hatte, weckten in ihm inzwischen das Interesse, die Nachforschungen hier zu erweitern und zu intensivieren. Während er die alten Unterlagen durchblätterte, kam ihm in den Sinn, dass er dazu womöglich mal eine gesamte Abhandlung schreiben könnte, so nach und nach. Allerdings hatte dies eine noch tiefergehende Recherche zur Folge, für die ihm derzeit keine Zeit blieb. Es war aber etwas, was er sich auf seine höchstpersönliche Agenda setzen wollte.

Rasch wurde das Notizbuch hierfür hervorgezogen und der ein oder andere Punkt in der Liste der zu erledigenden Dinge ergänzt. Als er den Punkt ganz oben auf der Liste sah, verzog er etwas die Lippen. Es gab einfach Umstände, mit denen er völlig unzufrieden war, aber daran selbst kaum etwas ändern konnte. Da nutzte es nichts, sich darüber zu ärgern. Hinnehmen und weitermachen, war da die Devise, und die eigene einzusetzende Energie auf ein Minimum beschränken.

Bei all dem, was seine Liste hergab und tatsächlich noch ausstand zu tun, stieß er einen tiefen Seufzer aus. Zumal ihm bewusst war, dass das bei weitem noch nicht alles war, was da auf sie zukam. Es waren mehr so die Dinge, die nebenbei liefen oder laufen mussten, solang das Kristallgezücht nicht endlich entfernt war von dieser Welt. Dieses wiederum sorgte zuweilen dafür, dass sich seine Gedanken regelrecht überschlugen. Die neusten Meldungen waren nicht sonderlich dazu angetan, erfreut zu sein. Andererseits stellten sie ein Ende in Aussicht, wie auch immer es geartet sein würde.
Dreizehn war die Zahl. Am 13. begann es, am 13. sollte es enden. Dreizehnfach die Kraft des absoluten Endes. Was hieß das? Dass sie uns um das dreizehnfache überlegen waren? Uns allen? Auf ganz Ala’thair? Wie viel davon bekam dann Gerimor zu spüren? Wie viel das Festland, die anderen Inseln? Besorgniserregend, aber nicht zu ändern. Alle mussten standhalten, das Vertrauen musste bis über jede Grenze hinaus reichen, über die Götter selbst noch hinaus.
Es war einer der Momente, wo ihm wieder nur zu bewusst wurde: Selbst wenn Zusammenarbeit zwischen Ost und West nicht gewünscht war, so musste jede Seite trotzdem auch auf die andere vertrauen, dass sie sich mindestens genauso hart ins Zeug legte. Es blieb einem gar nichts anderes übrig an dieser Stelle. Es mochte so einigen nicht schmecken, aber genau das war es, worauf es hinauslaufen würde. Egal, wo die Schlacht stattfand auf diesem Eiland, vermutlich trafen sie aufeinander, weil das Ziel es eben doch war alles von dem Gezücht auszumerzen, was sich ihnen entgegenstellte. Hier wie auch andernorts. Das Ziel war es, den Weltenverschlinger vernichtend zu schlagen, auf dass er seinen verdammten Hintern nie mehr herzubewegen wagte.
Tatsächlich war er überzeugt, dass der Zorn eines jeden ausreichte, auf dass der Sieg bei den Bewohnern dieser Welt lag. Selbst im Osten dürften sie inzwischen genug davon gegenüber dem Gezücht verspüren (und natürlich wieder die eigentliche Grundlage dessen, warum sie siegen wollten, pervertieren, aber sei’s drum. Das Ergebnis zählte in dem Fall ausnahmsweise einmal mehr.).

Dieser Tage zog es ihn tatsächlich noch öfter zu den erreichbaren Schreinen, Malen, oder seinem Tempel. Er empfand Ehrfurcht für die Kraft, die die Götter dort oben am Firmament aufbringen mussten, um alles in Schach zu halten, insbesondere und zuvorderst natürlich für den Herrn selbst. Daraus schöpfte er für sich selbst auch die nötige Zuversicht, dass sie siegen konnten, siegen würden. Keine Zweifel. Aus der Not eine Tugend machen.
Nach wie vor hatte er viel zu lernen, was derart epochale Schlachten anging, aber immerhin hatte er nun einiges an Wissen dazu gewinnen können bei all den Planungen und Vorbereitungen. Das zu durchschauen fiel ihm noch immer schwer, aber ganz allmählich fügte sich zumindest das ein oder andere zusammen.

Von der Familie hatte er länger nichts gehört, aber das war wenig verwunderlich. Immerhin dauerte es inzwischen lange, bis ein Brief den anderen erreichte. Vermutlich war seiner noch nicht mal bei ihnen eingetroffen. Diese Sorge musste er mit sich herumtragen, da blieb nichts anderes übrig. Er hoffte das Beste und vertraute darauf, dass sie in Sicherheit waren und blieben. Hoffnung. Seinen Neffen wollte er so gerne einmal sehen, aber auch das würde warten müssen.

Tja, und dann stand da noch etwas an, dessen Vorbereitung er nun bald abgeschlossen hatte – immerhin. Zeit wurde es. Er hoffte, dass er es vor der großen Schlacht noch umsetzen konnte. Irgendwie. Und hoffentlich ungestört. Auch wenn er letzteres weniger glaubte. Trotzdem wollte er es versuchen.


Die Tugend erfordert Ehrfurcht, und Ehrfurcht ist unbequem.
Die Tugend fordert Bewunderung, und Bewunderung ist nicht unterhaltend.
(Denis Diderot)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 13 Jun 2021 12:30    Titel:
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Hoffen ist Leben im Zweifel.
(Unbekannt)


Die Nacht war lang gewesen, der Schlaf hatte sich nicht so recht einstellen wollen, wurde immer wieder unterbrochen vom plötzlichen Erwachen und lauschen in die Dunkelheit. Die Stille im Haus war umfassend, die Dunkelheit fast schon allgegenwärtig. Also machte er mal wieder ein kleines Licht in der Lampe an, um die Schatten zu vertreiben. Er wusste, sie alle wussten, was heute bevorstand und doch wussten sie eigentlich viel zu wenig davon, was auf sie zukam. Es war mehr eine finstere Vorahnung, denn Wissen und Klarheit. Nicht zum ersten Mal betete er für die Familie daheim.
Und wie stand es um ihn selbst? Hatte er seinen Frieden gemacht?
Ja, im Stillen, ganz für sich. Er hatte vorher getan, was er sich vorgenommen hatte. Die Verlobung war geschlossen. Ein, zwei Briefe sorgten für Weiteres. Der kleine Lichtschimmer am Ende war die Einladung eines kleinen Mädchens, das an Morgen glaubte und darauf vertraute, dass sie es schafften, dass sie siegen würden. Die kleine Runde am gestrigen Abend mit ihren Festplänen tat noch etwas hinzu. Es wartete eine Zukunft auf sie. Wie auch immer sie aussehen mochte, aber sie sollte stattfinden. Aufgeben war zu keiner Zeit eine Option gewesen, jetzt erst recht nicht.

Sie wussten alle darum, dass es die letzte Schlacht sein würde. Es gab nur Sieg als Option. Eine Niederlage war nicht akzeptabel. Dafür kämpften sie alle. Westen, Osten, ganz Ala‘thair und die Götter selbst. Dafür hatten sie Horteras zurückgeholt, dafür waren sie zeitweise sogar Abwege gegangen, die sonst undenkbar schienen.
Tatsächlich widmete er einige Gedanken auch dem stattgefunden Austausch im vergangenen Jahr. Die Academia Arcana, die inzwischen nicht mehr existierte, die Menschen und Völker, die dort zusammengekommen waren, egal welcher Nationalität, ob Freund oder Feind, der dortige Austausch. Das, was daraus erwachsen war und darüber hinaus ging. Was kam danach? Zweifellos würde es weitergehen wie vor dem Nichts, oder? Im Grunde war das in mancher Hinsicht schwer bedauerlich und schien auf die eine oder andere Art unnötig, dann aber kam die Gewissheit im nächsten Moment zurück, dass einige davon noch immer nicht verstanden hatten, dass der Herr sie nur befreien wollte, sie retten, ihre Seelen, ihr Denken, ihren eigenen Willen. Der Kampf darum würde sich also fortsetzen.
Interessanterweise kam ihm dazu die Begegnung am gestrigen Abend in den Sinn, und was ihm berichtet wurde, warum es diese Person im Reich gehalten hatte. Wahrlich keine dumme Herangehensweise, die er da zu hören bekommen hatte. Tatsächlich hatte er damit wieder etwas gelernt.

Lernen. Das Leben war eine einzige Schule des Lernens. Jeden Tag gab es etwas Neues, und das sollte nun nach heute beendet sein, wenn sie verloren. Es gab tatsächlich keine andere Option als den Sieg. Er wusste sehr genau darum, wie sehr der Herr der Schatten und Dunkelheit gerade für seine Diener focht, und auch, dass er nicht alleine kämpfte. Die Drei. Noch ein Wandel der Zeit, die das Nichts vollbracht hatte. Etwas, was über Jahre niemand sonst bewerkstelligte, war daraus erwachsen, scheinbar wie von selbst.

Still saß er auf der Bettkante seines Bettes. Ja, seines Bettes. Allein. Natürlich wäre er gerne nun bei ihr gewesen, aber die Auflage der Erhabenen war klar und deutlich gewesen, was die Verlobungszeit anging und sie waren beide gewillt sich daran zu halten, auch wenn es in Nächten, wie diese, mehr als schwerfiel. Im Grunde war der Weltenvernichter sogar für diese Beziehung verantwortlich, und eine beiläufig gemachte Äußerung eines Menschen, der ihm wichtig war.
„Wir sollten genießen, was uns offensteht, wer weiß, wie lange wir das noch können.“
So oder so ähnlich hatten die Worte gelautet. Zwar bezog sich das damals mehr auf den Genuss von einem kalten Bier oder ähnlichem, aber er hatte es auch für sich noch weiter gefasst begriffen.

Es entkam ihm doch ein leises Lachen. Wie viel Gutes dieser Weltenvernichter eigentlich gebracht hatte, ohne die Absicht dahinter zu hegen, war schon erstaunlich und höchst amüsant im Grunde, denn es trug genau zu dem bei, was dieser nicht hatte erreichen wollen. Eine solche Gegenwehr, dass seine Pläne ins Wanken gerieten.
„Wir sollten dennoch nicht in Hochmut verfallen. Seine Armee mochte geschwächt wirken, aber ich bin sicher, wenn er uns alles, was er hat entgegenwirft, wird es schwer genug den Tag zu überstehen“, murmelte er vor sich hin.

Mit einem Seufzen erhob er sich und setzte sich an den Schreibtisch, schlug das vernachlässigte Tagebuch auf und begann ein paar Zeilen zu schreiben. Dabei ließ er sich nicht von Schwermut treiben, denn er war zuversichtlich, dass sie gewinnen konnten, ja, gewinnen würden. Zweifel erlaubte er sich nicht. Hoffnung allein war zu schwach. Er vertraute auf den Allmächtigen, auf die, die mit ihm kämpften, irritierender Weise sogar auf die feindlichen Parteien, dass sie alle gemeinsam diese Schlacht für sich entscheiden würden.

1500 Jahre war das Geschwür nun mindestens auf Ala’thair gewesen und hatte hier und da sein Unwesen getrieben. Es war an der Zeit das zu beenden. Ein für alle Mal. Die Entschlossenheit, der Glaube der Zusammenhalt, und die Einigkeit wider des gemeinsamen Feindes war der Schlüssel zum Sieg. Nichts anderes. Dabei spielte es für heute keine Rolle, welchem Glauben sie folgten, keine Rolle, auf wessen Seite sie standen, denn es gab nur eine: Die gegen den Weltenvernichter und seiner Getreuen.



Ein wunderbarer Augenblick
vom stillen Glück erkoren
im Morgenrot der Zuversicht
wird immer neu geboren.
(Ingrid Riedl)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 14 Jun 2021 11:06    Titel:
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Wer Sieg erlangt, aber nicht weiß,
wodurch er den Sieg vollenden kann,
der ist dem gleich, der gar nicht siegt.
(Lü Bu We)


Das Begreifen brauchte Zeit. Sie lebten noch. Atmeten, schmeckten die hereinbrechende abendliche Luft, die langsam etwas auffrischte und die noch leichte Wärme des Tages hinter davon wehte. Noch vor der Schlacht war ER ihnen erschienen, war unter sie getreten, erst ein Panther im Schatten, dann – zum ersten Mal – sah er ihn in einer nahezu menschlichen Gestalt.
Der Moment war aufwühlend und bewegend zugleich gewesen, und fast hätte er vergessen, dass er sich hinknien und den Blick senken sollte. Fast wäre er ins Starren verfallen, völlig selbstvergessen. Aber eben nur fast. Gebannt lauschte er den Worten, und er bildete sich ein, dass es nicht nur ihm so erging, sondern allen Anwesenden. Der Widerwillen zur Zusammenarbeit mit dem Alltagsfeind war deutlich zu hören, die Notwendigkeit allerdings ebenso. Befehl war Befehl. ER führte, SEINE Werkzeuge folgten ohne zu Murren und Klage. Niemand war glücklich über diese Umstände, am Wenigsten SEINE Kinder vermutlich, trotzdem gab es keinerlei Widerspruch.

Als ER den Aufbruch befahl, das Panthermal die ersten Risse bekam, denn die darin gesammelten Kräfte sollten sie im Kampf stärken und unterstützen, zögerte niemand. Die Aufgabe war klar, und sie folgten. Für einen kurzen Moment gönnte er sich den Gedanken, dass er dieses ‚gemeinsame‘ Ende schon als Catulus vorausgeahnt hatte, und damit nicht allein gewesen war. Als sie auf die Armeen der Völker und Lichtenthaler trafen, inzwischen in Begleitung des dritten Schlüsselträgers, suchte sein Blick die gegnerischen Reihen ab und fand, was er suchte. Nur für einen Bruchteil ließ er den Blick dort verweilen, dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die zu beschützenden Schlüsselträger. Die nachfolgende Auseinandersetzung war schon fast als obligatorisch zu bezeichnen. Vergeudete Zeit, die sie nicht hatten, verschwendeter Atem, den sie für Wichtigeres brauchten.
Souveränität traf auf kalten Zorn. Wäre es eine andere Situation als diese gewesen, hätte er womöglich gelächelt, so aber war er nur zum Reißen gespannt und bemühte sich seine eigene Nervosität und unterschwellig stets präsente Angst zurückzustellen, wachsam zu bleiben und auf das zu konzentrieren, was sie voranbrachte, sie hoffentlich siegen ließ.

Der Kampf war hart und lang gewesen, keine Zeit mehr um sich über andere Gedanken zu machen. Die eigenen persönlichen Befindlichkeiten waren ohne Belang, spielten keine Rolle in dem sich ewig anfühlenden Moment der Schlacht. Nur am Rande hatte er mitbekommen, was mit den Schlüsselfragmenten genau vor sich gegangen war, was genau das Resultat am Ende daraus war. Aber war das wichtig? Er würde es erfragen, vielleicht. Wichtig war in diesem Moment nur, dass sie überlebt hatten, gesiegt, die Schlacht zu ihren Gunsten geschlagen und der Weltenverschlinger und seine Armee vernichtet, ebenso sein Protektor oder General – mochte man ihn nennen wie man wollte.
Nur eins blieb aus, die erwartete Euphorie über den Sieg. Das Begreifen. Vorerst jedenfalls. Nur Erleichterung war da, dass es vorbei war. Eine noch leise, vage Erleichterung. Die große, kraftvolle Erleichterung würde vermutlich erst mit dem Begreifen folgen. Und eine unglaubliche Müdigkeit machte sich schlagartig in ihm breit. Es war vorbei, überstanden, der andauernde Kampf gegen das Nichts hatte endlich ein Ende gefunden.

Vielleicht war es nicht verwunderlich, dass er nach einem ausgiebigen Bad und einer Bestandsaufnahme des eigenen Leibs fast schon ins Bett fiel und direkt einschlief.


Seid im Sieg nicht überheblich!
(Platon)

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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 02 Jul 2021 12:00    Titel:
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Querverweis: Quest "Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist"


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 15 Jul 2021 12:57    Titel:
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    Wenn man ein Problem in den Griff bekommen will,
    muss man es einfach anpacken.
    (Ernst Ferstl)


Als er nach Monaten wieder vor dem zerfallenen Tempel Rahals stand, auf dem Tempelplatz, der selbst kaum in einem besseren Zustand war, und den Blick auf das ehemals ehrfurchtgebietende Gebäude sah, konnte er sich einen tiefen Seufzer nicht verkneifen. Das Einzige, was ihn an diesem Anblick aufmunterte, war die Tatsache, dass es nicht von Bestand sein würde, wie es hier aussah. Sie waren heute gekommen, um mit den Aufräumarbeiten zu beginnen. Danach ging es weiter mit der Instandsetzung.
Gesagt klang es so einfach und so kurzweilig, aber ihm war bewusst, dass es Zeit brauchen würde. Lange Zeit. Sobald das Gebäude stand, hoffte er aber dennoch, die Worte der Tetrarchin und der Clerica konnten dann in die Tat umgesetzt werden und er hier die Tätigkeit dann neu aufnehmen, und diesen Tempel als seinen Wirkbereich ansehen. Auch das war ihm Trost bei diesem Anblick und stärkte die Vorfreude, sowie die Motivation mit anzupacken.

Also packte er mit an. Er hatte die Robe des Tempels gegen einfache, robuste Kleidung getauscht, Schmuck entsprechend abgelegt und die Ärmel hochgekrempelt. Die Handschuhe zog er sich direkt am Anfang schon über, um die Steine und das Holz besser packen zu können, ohne befürchten zu müssen, sich sonstiges in die ungeschützten Hände zu rammen. Danach nahm er sich die Schaufel und schuftete mit den anderen zusammen, um den Tempelplatz frei zu bekommen vom Schutt und die tiefreichenden Risse im Boden aufzufüllen damit.
Die Arbeit war schweißtreibend und äußerst anstrengend und es brauchte auch nicht lange, bis ihm die Muskeln brannten. Dennoch machte er weiter, erfrischte und stärkte sich zwischendurch einmal mit einem Happen zu essen und einem Saft. Danach beließ er es bei einem Schluck Wasser hin und wieder.

Den Unfall, der sich ereignete, bekam er selbst nicht einmal wirklich mit, wurde dessen allerdings im Nachhinein gewahr, als zum Feierabend gerufen wurde. Rahal wurde schließlich auch nicht an einem Tag gebaut und ihm war klar, dass hier noch viel zu tun war, noch Tage lang zu schuften war, bis der Platz einigermaßen frei geräumt und auch die Tempelanlage abgetragen war, damit der Neuaufbau stattfinden konnte. Trotzdem war das Gefühl am Ende etwas ernüchternd, denn in Anbetracht der Masse, die noch vor ihm lag, hatten sie noch gar nichts getan. Zumindest kam es ihm so vor, obwohl wirklich viele fleißige Hände auch tüchtig angepackt hatten.

Da an dem Abend kein Heilkundiger zugegen war, hatte er sich dann dem Verletzten angenommen, ihn heimgeschafft, die Wunde gereinigt und zu guter Letzt aus der Not heraus um des Herrn Hilfe gebeten hierbei. Das rudimentäre Wissen, dass er sich dank seiner Mutter angeeignet hatte, beschränkte sich auf die Säuberung der Platzwunde und darauf, dass sie geschlossen werden musste. Darüber hinaus war ihm klar, dass Lingor sich garantiert eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Um dem aber entgegenzuwirken und das Ganze möglichst zügig zu richten, entschied er sich dazu, dass ein wenig göttliche Hilfe dem sicher zuträglich war und er damit die ihm gegebenen Kräfte nicht ausnutzte. Es würde eine Ausnahme bleiben, den Umständen geschuldet.

Die Wunde war am Ende geschlossen, die Schmerzen gelindert, den Rest musste eine gesunde Mütze voll Schlaf und etwas Ruhe schaffen. Er ging aber davon aus, dass die Übelkeit fort sein dürfte, ebenso der Schwindel, wenn nicht gar die Kopfschmerzen. Lange würde Lingor damit jedenfalls nicht mehr zu tun haben.

Als der Mann versorgt war, verließ er diesen und seine Tochter und machte sich selbst auf den Heimweg. Nach der Prozedur nicht nur körperlich erschöpft, sondern auch mental. Das heiße Bad tat noch sein Übriges dazu. Fast wäre er im Wasser eingeschlafen vor Erschöpfung, und womöglich noch abgesoffen. Schönes Ende! Aber nein, er hatte es noch hinaus und bis ins Bett geschafft. Kaum, dass er lag, schlief er schon tief und traumlos.

Am nächsten Morgen tat ihm buchstäblich jeder Muskel weh, auch welche, von denen er nicht einmal Kenntnis gehabt hatte bis zu diesem Moment. Auch sein Geist schien noch wie in Watte gepackt. Dennoch rappelte er sich auf zum Frühstück, zum Dienst im Tempel. Im Gepäck hatte er die einfache Arbeitskleidung, die er später anlegte, um dann direkt wieder zum Tempelbezirk in Rahal aufzubrechen.
Bewaffnet mit Picke und Schaufel machte er sich dort wieder ans Werk. Auch jetzt fanden sich dort wieder helfende Hände. Wenigstens einige Stunden am Tag plante er nun fest mit ein, bis das Dilemma behoben war, das stand fest für ihn. Gegen den Muskelkater half am ehesten weiterzumachen. Also tat er das.

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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 29 Jul 2021 14:22    Titel:
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    Der Atem ist das Pferd, der Gedanke der Reiter.
    (Aus Tibet)


Seit einigen Tagen arbeitete er inzwischen mit seiner neuen Errungenschaft. Sein Name lautete Taheto, Krähe. Zugegeben, die Namenswahl war etwas Sentimentales, irgendwie. Aber die Fellfarbe erinnerte ihn an jemanden, und so war dieser Aspekt mit in den Namen hineingeflossen.
Der Bursche hatte ihm etwas Mühe gemacht. An Gewicht hatte er den Hengst mit Hilfe von Weizenbündeln im Leinensack gewöhnt. Danach fiel es ihm zunächst schwer den Mut aufzubringen selbst aufzusteigen, denn das war neu, sowohl für Reiter als auch Pferd. Allerdings musste er es irgendwann tun, also hatte er die Arschbacken zusammengekniffen und es in Angriff genommen.
Was blieb dazu zu sagen? Es war ein regelrechter Höllenritt beim ersten Mal und der Dämon hatte es geschafft ihn abzuwerfen, auch wenn er sich dafür sehr viel Mühe geben musste. Von dem blauen Fleck würde er eine Weile haben. Zum Glück war es nur zu einem Fleck gekommen und nicht zu Schlimmerem. Mit einem Ächzen war er aufgestanden, hatte die Zügel nicht losgelassen und schwang sich direkt wieder in den Sattel. Beim zweiten Mal behielt er dann die Oberhand. Viel mehr passierte an dem Tag auch nicht mehr. Er blieb im Sattel sitzen, als der Hengst sich wieder beruhigt hatte und ließ ihm die Zeit sich damit abzufinden, ohne mehr von ihm zu verlangen.
Taheto ging eine Weile lang mit ihm als Gepäck auf dem Rücken dahin, bockte noch einmal hier und da, bis er es aufgab und zu grasen begann. Das war der Moment, den er zum Absteigen nutzte, das junge Tier lobte und mit einer Karotte belohnte.

Und so zog es sich nun schon einige Tage hin. Immer wieder das gleiche Spiel, wobei die Ausflüge und die Zeit, die er im Sattel verbrachte, länger wurden und das Pferd immer weniger versuchte ihn abzuwerfen. Ganz allmählich wuchs das Vertrauen, das Zutrauen, und sie fanden immer mehr zueinander. Zumindest nahm Till das an, glaubte daran.
Am dritten Tag wurde er sogar begrüßt, wenn auch auf eine eigenwillige Art und Weise. Als wollte das Tier von vornherein klarstellen, dass er keine Lust auf das Kommende hatte, schnappte er einmal wenig freundlich nach seinem Arm, als er gestriegelt wurde. Getroffen hatte er zum Glück nur leidlich. Das Hemd war davon etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Viel Angenehmer gestaltete sich das Aufsteigen vorerst auch nicht an diesem Tag. Irgendwann aber hatten sie sich dann beide wieder im Griff und es ging im gemächlichen Schritt voran.
Nur ein wenig mehr Druck mit den Schenkeln und im nächsten Moment raste der Hengst wie ein Derwisch los, so dass er selbst Mühe hatte sich im Sattel zu halten. So ein Dämon!

Von einer Einheit konnte man hier wahrlich noch nicht sprechen. Beide waren sie immerhin Anfänger in dieser Angelegenheit. Der Hengst darin jemanden zu tragen und sich dabei anständig zu benehmen und der Reiter darin ein Pferd einzureiten und ihm Dinge beizubringen. Und trotzdem: Er genoss es, es entspannte ihn, auch wenn er sich dabei die ein oder andere Blessur zuzog, sich ein ums andere Mal irgendwo prellte oder auch mal gezwickt wurde zum Dank. Die Krönung war der lässige Versuch des Gauls, seinen Hinterhuf auf seinem Stiefel zu stellen, so ganz beiläufig und nebenbei. Till war sehr überzeugt von der Absichtlichkeit hinter dieser Missetat und schüttelte den halben Tag lang den Kopf darüber.
Ans Aufgeben dachte er dennoch nicht. Es war für ihn ein regelrechter Freizeitspaß, wenn man es genau nehmen wollte.

Wenn er nicht gerade mit Taheto beschäftigt war, ging er mit den Hunden los und ließ den Gedanken freien Lauf. Neben den Aufgaben und Pflichten im Tempel war dies momentan sein Ausgleich, den er für sich ganz allein genoss. Was sonst noch an Zeit übrig blieb, investierte er in Gespräche mit Rilytia oder aber auch mit anderen, die er traf, aufsuchte, besuchte, oder die sich anderweitig ergaben. Es tat wohl, dass die andauernde bedrückende Zeit unter dem Kristallwahnsinn ein Ende hatte und ein Durchatmen möglich war, auch wenn da noch die Aufbauarbeiten zu bewältigen waren. Aber selbst die beinhalteten ja so etwas ähnliches wie einen Neuanfang.

Alles in allem bewegte er sich just in einer Zeit der Zufriedenheit, so konnte man es wohl umschreiben. Er war zufrieden, weitestgehend jedenfalls, oder was ihn selbst und ganz persönlich betraf. In mancher Hinsicht, was das Reich betraf, war es nicht ganz, in anderer dafür aber auch sehr. Auch hier ging ein Wandel vonstatten. Einer, den so mancher in der nächsten Zeit wohl noch mitbekommen sollte.
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 09 Sep 2021 15:09    Titel:
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Querverweis: "Reise, Reise"

Querverweis: Quest: "Blutrote wilde Rosen"


Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 09 Sep 2021 15:10, insgesamt einmal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 21 Apr 2022 21:10    Titel:
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    Ohne Abschied gibt es kein Wiedersehen.
    (Walter Ludin)


Schweigend stand er an der Küste und sah dem Schiff nach. Die Dunkelheit schluckte ihn gekonnt in der dunklen Robe. Selbst die weißen Haare waren nicht zu sehen, da er die Kapuze hochgeschlagen hatte. Genau wie sie wollte er nicht gesehen werden.
Ein wenig enttäuscht war er darüber schon, dass sie sich heimlich davongestohlen hatte, ein wenig aber konnte er es auch nachempfinden. Trotzdem hätte er vorher gerne noch ein paar Worte gewechselt. Es war auch mehr Zufall gewesen, dass er sie bei der Abreise erwischte, oder anders gesagt, dass er kurz nach ihrem Fortgang die Liste gefunden hatte mit Tätigkeiten, die noch zu erledigen waren. Tempelvorstand, Inquisitor, Archivar.

Der Archivar brachte ihn in der Tat zum Schmunzeln. Ihm hallten noch immer die Worte der Tetrarchin in den Ohren, als sie ihm fast selbige langzog, wenn er nun weiter mitschreiben würde. Das war noch ganz zu Beginn der Ausbildung gewesen, bei der Bruderschaft. Der Besuch, bei dem es zum ersten Mal tiefergehender um die Unsichtbaren gehen sollte.

Jetzt stand er da, die Liste gut verborgen in den Tiefen der Robe und schaut dem Schiff nach, das just abgelegt hatte und dessen Lichter in der Dunkelheit stetig kleiner wurden. Dass er es so gut sehen konnte, verdankte er dem Herrn und dem Umstand, dass Er es ihm gewährte. Etwas Wehmut legte sich wie ein weiterer Mantel um ihn. Er hatte dieser kleinen Frau viel zu verdanken und in ihm kamen einige Erinnerungen hoch aus den vergangenen Jahren des Lernens. Er würde ihre Ratschläge vermissen, von denen er überzeugt war, dass er sie dann und wann immer noch brauchte. Vermutlich täuschte er sich darin aber auch. Er erinnerte sich an die Strafe, die sie Cailen und ihm aufgebrummt hatte, als es mit ihm durchging, dank dieses verräterischen Individuums, an dem sie Stunden an Zeit vergeudeten, nur um sich dessen dümmlichen Beleidigungen anzuhören. Und weil Cailen ihn danach – eigentlich ja zurecht – anging. Zurecht allerdings nur dem Ansinnen nach. Es war nicht an ihm gewesen den Jüngeren zu schelten. Und danach hatten sie beide den Salat. Der Disput, der daraus erwuchs, sorgte dafür, dass sie sich gegenseitig bestrafen durften. Unrühmlicher Moment in einer glanzvollen Ausbildungszeit. Sehr unrühmlich.

Die guten Erinnerungen überwogen bei weitem. Sie hatte Zusammenhalt vermittelt und gelehrt, hatte sich eingesetzt, wo es von Nöten war, war streng in erforderlichem Maße, und hat ein wahres Händchen bewiesen mit den verschiedenen Charakteren im Tempel umzugehen. Er hoffte inständig, auch jetzt noch davon zu lernen und sich etwas abschauen zu können, besonnener zu werden, wo es noch fehlte, strenger, wo es notwendig war. Sie war ihm ein Vorbild gewesen, auch wenn er nie die Gelegenheit bekommen hatte, es ihr mal zu sagen. Nun ja, oder die gehabten Gelegenheiten dafür nicht genutzt hatte. Wie klang das auch? Ihr seid mein Vorbild, Clerica Dimyones! Er wurde in der Zeit der Ausbildung so schon immer als Streber bezeichnet und getriezt wegen seinem Eifer. Das hätte es wohl kaum besser gemacht.
Was hatte er sich darin gesonnt, wenn Ihre Miene Zufriedenheit zeigte, oder wenn ein Lob fiel. Wie dankbar war er gewesen, dass sie der Hochzeit beiwohnte, und auch den unzähligen Messen und Gelegenheiten, wo sie gemeinsam auftraten.
„Zeit für ein Gemälde“, befand er ganz für sich dort stehend. Mit einem Schmunzeln wandte er sich ab, als die Lichter am fernen Horizont verloschen waren und er dem Meer, dass ihn vor einigen Jahren ausgespuckt und an Land gespült hatte – wortwörtlich – dem Rücken kehrte.
„Und einen Brief hinterher zu schicken. So kommt sie mir nicht davon. Und nach Hause schreiben muss ich auch noch.“ Ohnehin gab es einiges zu tun. Der Aushang wollte gemacht werden, die Unterrichte mussten fortgesetzt werden. Es stand die Ehrung der Gefallenen an. Eine Hochzeit wollte gehalten werden und dann war da noch seine Frau, allen voran, in all ihrer derzeit überschäumenden Emotionsflexibilität. Wieder ein Schmunzeln, trotz aller Wehmut, die ihn vermutlich noch ein paar Tage begleiten würde. Das Leben war gut zu ihm. Trotz aller Schwierigkeiten, die da waren auf dem ganzen Weg. Es war gut zu ihm. Und der All-Eine war es ebenfalls, auf seine Weise.

Wenig später streunte ein Schatten in Richtung Wetterau, um sich ein Bild von der gegenwärtigen Lage zu machen, bevor er heimwärts strebte. Sie war in schweren Zeiten für sie da gewesen, sie ging in schweren Zeiten. Das schien sie zu begleiten, diese kleine energische Frau mit diesem überaus ausgeprägtem Charisma. Ja, sie würde fehlen.
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 21 Jul 2022 13:56    Titel:
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    Gemeinsam sind wir stark,
    um das Schlechte zu ächten.
    (Hubert Joost)




Eine Weile lang ging es geschäftig neben dem Glaubenshaus zu. Das kleine Stück Land wurde vermessen, die Handwerker begannen mit dem Bau eines kleinen beschaulichen Gebäudes, das sich am Ende als Mausoleum und Leichenschauhaus in einem entpuppen sollte. Sie schachteten den Boden aus für ein Kellergewölbe, gefolgt von dem oberirdischen sichtbaren Teil des Hauses. Fast jeden Tag war er selbst vor Ort, um die Bauarbeiten zu kontrollieren und mitzuverfolgen, Fragen zu beantworten, aber auch zu stellen.
Mit seiner Anwesenheit macht er deutlich, dass Schlampereien nicht geduldet wurden und jeden Tag, wenn er dann heimkehrte oder einem Termin nachging und damit die Baustelle verließ, fragte er sich im Stillen, wann er den Sprung gemacht hatte, derart autoritär aufzutreten. Dieser Frage folgte die nächste, wann die Menschen begonnen hatten, ihn so auch wahrzunehmen. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er sich darum abplagte und es schwer fiel diesen Stand zu erhalten, als er die Mehrheit noch sehr nah an sich herangelassen hatte, das Duzen erlaubte, und sich verhielt wie einer von ihnen allen. Es war eine gute Zeit gewesen, aber es hatte sich einiges geändert inzwischen.

Er hatte sich mehr zurückgezogen, war ruhiger geworden, stiller, zeigte sich hin und wieder, wenn es von Belang war, und hielt sich aus dem übrigen Klüngel derzeit eher heraus. Es tat ihm gut so, wie es war, aber es änderte natürlich hier und da auch den Umgang mit der Bevölkerung etwas. Das galt beiderseitig der Fall. Er hielt es nicht für schlecht, oder bedenklich. Überhaupt nicht. Es überraschte ihn manchmal nur etwas, wie die Reaktionen inzwischen stellenweise ausfielen, mehr positiv als negativ.

Für ihn war es ein guter Moment, als das Richtfest von den Handwerkern gefeiert wurde. Natürlich spendierte er ihnen ebenfalls etwas zu trinken zu dem Tag, gab auch einiges für Speisen aus. Alles in allem schienen sie damit gut zufrieden zu sein. Noch zufriedener waren sie alle, ihn eingeschlossen, als die letzte Tür eingesetzt war, die Kerzen aufgestellt waren, die Urnen und Sarkophage ihren Platz gefunden hatten und die Totenruhe dort im Gemäuer einkehrte, wie es sein sollte.

---

Neben den Bauarbeiten taten sich natürlich auch noch andere Dinge im Reich. Es gab genug zu tun. Das gab es an sich immer, selbst in ruhigen Zeiten. Nach dem ersten Angriff der Drachen war die übliche Beschaulichkeit eingekehrt. Ärgernisse kamen allenfalls in einem sehr geringen Ausmaß vor. Er hatte noch etwas auf seiner Agenda stehen, was er unbedingt bald angehen musste. Zu lange wurde da schon herumgetrödelt. Mit mäßiger Begeisterung schob er es dennoch noch einmal beiseite und wandte die Aufmerksamkeit den jüngsten Ereignissen zu. Nachdem Menek’Ur gefallen war, schienen die Drachen nicht mehr zu interessieren weitere Vernichtungsstreifzüge zu unternehmen. Warum das so war, wusste keiner zu sagen.
Doch traute niemand diesem Frieden für den Moment, und wie sich irgendwann zeigen sollte, zurecht. Mitten in die friedliche Idylle hinein, brach plötzlich ein zentriertes Gewitter los, das sich nicht vom Fleck rühren wollte, dort, wo einst die Angurenfeste gestanden hatte.
Drachen brachen aus den Wolken hervor und griffen an und das Desaster nahm seinen Lauf. Dieser Abend sollte eine Wendung bedeuten, eine Wendung, die noch einiges an Schwierigkeiten offenhielt.
Gespräche fanden hiernach statt, Informationen wurden ausgetauscht, Pläne geschmiedet. Wie sich dies letztlich auswirken sollte, das würde sich noch zeigen.

Dies alles war im Grunde schon alltäglich geworden für ihn. Sicher, das Problem, was sich auftat und sich gegen das Reich oder die Götter, die dort inzwischen gemeinsam agierten, richtete, war ein Neues, aber die Herausforderung kam erst mit der Umsetzung des Planes.



Inzwischen hatten sie die Höhlen gefunden, in denen sich dieser seltsame Lich verborgen halten sollte, der offenbar auch Bürger des Reiches überfallen und irgendwie in Verbindung mit dem Drachen gestanden hatte, vielleicht. In jedem Fall hatte dieser besagte Lich dafür gesorgt, dass das Reich und die Verbündeten aufgebrochen waren, um ihn zu jagen, zu vernichten und sich danach um das nächste Problem zu kümmern: Der noch immer vorhandene übergroße Golem. Eigentlich hatte er davon nur eine Hand gesehen. Wobei das „nur“ eine mächtige Untertreibung war, denn die Hand war allein schon größer als irgendwas, was ihm vergleichsweise einfallen wollte.
Die Größe allein beeindruckte ihn schon nachhaltig und sollte ihn auch Tage nach diesem Ausflug nicht loslassen.



Was ihn allerdings noch mehr beeindruckte für den Moment, war die Messe, der er beiwohnen durfte. Das war neu für ihn, für die Kinder des Herrn sicherlich ebenso. Die erste Messe, die ein Mensch im Axorn miterlebte, dabei sogar mitwirkte, und diese auch lebend verließ. Die junge Menschenfrau, die dort ebenfalls zugegen war, überlebte es nicht. Sie war das Opfer, das dem Herrn gebracht worden war.
Zweifellos hatte er den Eindruck, dass mit allem etwas seichter umgegangen wurde, ob seiner Anwesenheit, was sicherlich bedauerlich war, aber die Unterschiede waren dennoch mehr als erkennbar und er saugte alles in sich auf, sämtliche Eindrücke, um sie später aufzuschreiben oder erzählen zu können, wenn er Gelegenheit dazu bekam. Allen würde er das sicher nicht unterbreiten, aber es gab mindestens einen, der dafür ein offenes Ohr haben dürfte und bei dem er sicher war, dass es nicht Kreise zog, die nicht gewünscht waren seitens der Kinder – seinem Glaubensbruder Cailen. Kurz spürte er ein flüchtiges Bedauern, dass dieser nicht ebenfalls dabei sein konnte, denn er war sicher, es hätte ihm zugesagt, aber einer von beiden musste an diesem Tag den Rat vertreten.
Was sich nach dem dargebrachten Opfer ereignete sollte ihn zum einen etwas verwirren – wie zum Beispiel der mit dem abgetrennten Arm schmusende Letharf – und zum anderen hochgradig einnehmen, beflügeln, faszinieren, gefangen nehmen und zu guter Letzt in seiner eigenen Gedankenwelt grübelnd zurücklassen.
Der All-Eine trat in ihre Mitte, begleitet mit all der untrüglichen, ehrfurchtgebietenden Präsenz, die ihn umgab. Es war – wie immer – atemraubend, niederschmetternd und erhebend zugleich. Seine Worte waren deutlich, Sein Wunsch klar formuliert. Es gab keinen Raum für Interpretation oder Zweifel.
Es war altbekannt und doch ganz neu zugleich, versprach aufregende Zeiten, und auch schwierige. Ganz klar löste es sehr gemischte Gefühle bei ihm aus, auch wenn auf Grund der umfassenden Präsenz des Herrn das Hochgefühl im Moment deutlich überwog.



Es waren einige Tage seither vergangen, er hatte Zeit gehabt nachzudenken. Alsbald würde es die nächste Ratsversammlung geben, wo er vortragen konnte – und auch sollte; wahlweise bezeugen, sofern die Kinder des Herrn sich schneller um das Weitertragen kümmerten, als der Rat tagte.
Noch immer waren die Gefühle gemischt. Nicht ein Quäntchen deshalb, was der Herr verlangte, sondern deshalb, weil er nicht einschätzen konnte, wie die Reaktionen dazu ausfallen würden.
Zweifellos blieb es spannend. Seine Frau würde ihm vermutlich eine Nase drehen, weil er sie nicht mit eingeweiht hatte.
Hier fand er allerdings, dass sie anderes zu bewältigen hatte. Bis zur Geburt konnte es nicht mehr allzu lang dauern. Mit schwacher Belustigung stellte er fest, dass ihn das genauso wenig nervös machen wollte, wie die Hochzeit. Wie auch schon da, war das Umfeld viel aufgeregter. Manchmal fragte er sich, ob das heute auch so wäre, hätte er den Weg in den Tempel nicht eingeschlagen. Allerdings war die Frage müßig, denn er war es und er bereute es keinen Moment seines Lebens bislang. Nicht einen. Das dies die richtige Entscheidung war, daran gab es für ihn genauso wenig Zweifel.
Es war gut und genau richtig so. Und alles andere fügte sich. Das tat es immer.
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