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Die Romantik des Lebens
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Die Romantik des Lebens
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 08 Jul 2020 13:35    Titel:
Antworten mit Zitat


Die Träumenden und die Wünschenden halten den
feineren Stoff des Lebens in den Händen.
(Franz Kafka)

Der Schreibtisch war überhäuft von Papierknäueln, die inzwischen schon die darauf abgelegten Bücher und Schriften überdeckten, und den sonst sehr ordentlichen Platz in ein mittelschweres Chaos stürzten. Davor saß der junge Catulus über ein neues Papier gebeugt, und bemühte sich, die am gestrigen Abend gemachten Notizen aus der Kurzschrift in Wort und Schrift zu verfassen. Es wollte nicht gelingen.

Die Nacht war für ihn lang gewesen. Der Schlaf hatte sich nicht einstellen wollen, also gab er es irgendwann auf, kleidete sich wieder an und brach auf, um die Küste zu besuchen, die für ihn der Anfang von allem hier auf Gerimor war. Er gönnte sich die Dekadenz in einem kleinen Gebet den All-Einen um etwas Licht zu bitten, das sich wie von selbst hiernach um den Stab in seiner Hand legte, den er dafür nutzte, um nicht fehlzutreten in der Dunkelheit. In der anderen Hand hielt er die angebrochene Flasche Wein, die er auf einem Beistelltisch im eigenen Labor zurückgelassen hatte. Bemüht, den Weg zurückzulegen und die wild umherschwirrenden Gedanken frei zu lassen, und einfach mal nicht zu denken, ließ er sich mit der Annäherung des Ziels entsprechend Zeit, atmete mehrmals unterwegs tief durch und hielt sogar an einem der Büschlein inne, an denen einige saftige Walderdbeeren hingen, um sie abzupflücken und direkt zu vernaschen. Auch auf dem weiteren Weg hielt er Ausschau nach ein paar frischen, reifen Beeren und nutzte dazu das Stabende, um hier und da einige Dornenranken oder Büsche auf Seite zu drücken. Irgendwann aber war das Ziel erreicht und er ließ das Licht vergehen und setzte sich auf einen Felsen, nahe des Atolls. Den Stab legte er neben sich auf den Boden ab, öffnete die Flasche und nahm einen großzügigen Schluck daraus.


Das Meer lag still und schwarz da, es plätscherte lediglich leise, wenn die seichten Wellen an die Felsen und das Ufer schlugen. Der abnehmende Mond warf nur spärliches silbriges Licht, das die Wellen hier und da mit einem Aufblinken reflektierten. Es brauchte eine ganze Weile, bis er feststellte, dass der Anblick ihm keine Angst mehr machte. Sie war fort, einfach so. Wirklich? Einfach so? Nein, er hatte daran viel arbeiten müssen, aber nun war es getan. Ein leiser Hauch von Dankbarkeit war da, auch für die Clerica, die ihm bei seiner Ankunft die Aufgabe auftrug sich damit auseinanderzusetzen. Anfangs hatte er geglaubt, er würde daran ewig zu knacken haben. Ihm war allerdings auch klar, dass nicht nur die Auseinandersetzung mit seiner Furcht dazu geführt hatte, dass er nun hier sitzen konnte, und den Anblick und auch die sehr friedvolle Stimmung genießen konnte. Sämtliche Ereignisse, gerade innerhalb des Tempels und mit den Tempelgeschwistern zusammen, hatten viel dazu beigetragen. Auch der All-Eine war Teil davon.
Ganz schleichend, so merkte er jetzt, hatte er damit begonnen sich zuhause zu fühlen.

Sehr bewusst lenkte er seine Gedanken, während er dasaß, dachte an die kleine Schwester. Er hatte sie länger nicht gesehen und fragte sich, wie es ihr ging. Normalerweise wäre er sie besuchen gegangen, allerdings war diese Idee ein Ding der Unmöglichkeit. Wobei, nein. Unmöglich eigentlich nicht, aber äußerst schwierig. Die Überlegung hielt ihn eine Zeit lang fest, nicht nur auf Grund eines Freundschaftsbesuchs. Möglicherweise könnte dieser Einfall auch für andere Dinge gut sein.

Kaum dass der Geist etwas zur Ruhe kam, kehrten die Gedanken unweigerlich immer wieder zum vorangegangenen Abend zurück. Genauso konsequent versuchte er sie zu verdrängen und durch andere zu ersetzen. Zum Beispiel mit der Auflistung an Dingen, die er noch zu erledigen hatte. Statt hier am Meer herumzusitzen und dem Wein zuzusprechen, hätte er sich genauso gut damit befassen können, nicht wahr? Die Erkenntnis ließ ihn etwas steifbeinig aufstehen. Bestimmt hatte er bereits schon einige Stunden hier gehockt und vor sich hin gegrübelt. Der Stab fand sich wenig später in seiner Hand wieder und glomm erneut im schwachen Licht auf. Statt den Heimweg anzutreten, suchte er erst den Tempel auf und ging seinen Pflichten nach, noch weit vor dem Morgengebet. Die Kohlepfannen wurden erneuert, die Kerzen ausgetauscht, Wachs entfernt, gefegt, gewischt. Immerhin verschaffte es ihm ein wenig Zeit, in der er seine Gedanken beiseitelegen konnte, ohne, dass sie sich ihm wieder aufzwangen. Erst nach dem Morgengebet trat er dann den Heimweg an, müde und übernächtigt.

Der abermalige Versuch Schlaf zu finden, ging ebenso in die Binsen, wie der erste, so dass er sich nun am Schreibtisch sitzend wiederfand. Da ihm die Widergabe der Notizen in sinnvollen Sätzen nicht gelingen wollte, griff er nach einem der vergrabenen Büchlein und schlug es auf. Darin gab es nicht viel zu lesen, aber dafür umso mehr zu sehen.
Nachdenklich, bemüht darum die Zeichnungen mit der nötigen Objektivität und Neutralität zu betrachten, versuchte er die Gedanken und Gefühle der Seele dahinter zu erkennen, die sie zu Papier gebracht hatte. Aber auch hier fiel es ihm schwer, sich darauf zu konzentrieren und dem Gesehenen einen Sinn zu geben. So schob er das Buch zugeklappt beiseite und ließ mit einem Aufseufzen die Stirn auf die Tischplatte sinken, wobei er gleichsam die Augen schloss.

Was hatte er sich dabei eigentlich gedacht? Sah das so aus, wenn er eigentlich konsequent sein und zu seinen Aussagen stehen sollte? Ohne es bewusst zu wollen, schwor er die Geschehnisse des vergangenen Abends herauf, die Atmosphäre, das Gesagte, das Gewesene, die Gefühle, der Kontrollverlust. Beim All-Einen, er war 18 Jahre alt. Wie, beim Dunkel, sollte er denn solche Prüfungen bestehen können? Immerhin war er kein totes Stück Fleisch!
Er zog die Oberlippe ein und grub die Zähne für einen Moment hinein, um das Kribbeln darin zu verjagen, dann setzte er sich wieder aufrecht hin und starrte tagträumend aus dem Fenster hinter dem Schreibtisch hinaus. Der Kontrollverlust fuchste ihn gewaltig, weit mehr als der ganze Rest. Das einzige, was ihn noch mehr ärgerte, war das Bewusstsein dafür, dass es ihm wieder passierte, so sehr er sich auch vornahm, dass es nie wieder geschehen sollte und würde. Außerdem: Wem machte er da überhaupt etwas vor? Wem? Und warum? Wohin sollte und konnte das denn führen? Allenfalls in eine Sackgasse, die keinem gefiel, oder?
Da war der Moment erreicht, in dem er sich selbst verfluchte für diese Unzulänglichkeit und erkannte Schwäche. Der Tritt gegen den Tisch als Opfer seines Zorns schlug fehl. Stattdessen stieß er sich das Knie schmerzhaft an der Kante an und schlug infolge dessen mit gesteigerter Wut mit den Fäusten auf das harmlose, wehrlose Möbelstück ein. Der Hund, Fiasko, schlug draußen ein wildes Gebell an, als er die Randale im Haus vernahm, die Hühner schreckten auf und gackerten aufgeregt, dank des Hundes, und für einen Moment hatte der junge Bursche das Gefühl, die Welt geriet noch etwas mehr ins umfassende und fortspülende Chaos hinein.

Nach zweimaligem tiefem Durchatmen war er aufgestanden, hatte sich vor den Hausaltar niedergekniet und verweilte nun dort, gewiss seit einer Stunde, im Versuch ins Zwiegespräch und Gebet zu finden. Unbeirrt setzte er immer wieder an, wenn er scheiterte, weil seine Gedanken abwanderten, bis es ihm irgendwann endlich Gelang in sich selbst die nötige Ruhe dafür zu finden und sich ins Gebet hinein zu versenken.

War es falsch sich lebendig zu fühlen? Aus dem ein oder anderen Gespräch wusste er, dass andere daran wenig fanden. Lediglich er selbst machte es sich damit sehr schwer. Und dann war da noch die Schwärmerei, oder? War es nur eine solche? Und was war das gestern gewesen?
Er gab es auf, setzte sich auf die Fersen und starrte die kleine Statue vor sich an. Eindeutig: Er dachte zu viel.


Ein Mädchen und ein Gläschen
Wein kurieren alle Not;
und wer nicht trinkt, und wer
nicht küsst, der ist so gut wie tot.
(Johann Wolfgang von Goethe)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 09 Jul 2020 11:24    Titel:
Antworten mit Zitat


Es ist ein Flüstern in der Nacht,
Es hat mich ganz um den Schlaf gebracht;
Ich fühl’s, es will sich was verkünden
Und kann den Weg nicht zu mir finden.

Sind’s Liebesworte, vertrauet dem Wind,
Die unterwegs verwehet sind?
Oder ist’s Unheil aus künftigen Tagen,
Das emsig drängt sich anzusagen?
(Theodor Storm)

Geschlafen. Er hatte tatsächlich geschlafen, gefühlt wie ein Stein. Die innere Uhr weckte ihn. Es war Zeit für den Tempeldienst, da war er sich sicher. Gleichzeitig hoffte er, nicht schon wieder verschlafen zu haben. Trotzdem blieb er noch einen Moment liegen, genoss die Bettschwere, die anheimelnde Wärme, kuschelte sich gar noch etwas mehr in Selbige hinein, als er die Augen aufschlug und wartete, dass er wacher wurde. Sein Blick ging dabei unfokussiert voran und sein Geist gaukelte ihm die restlichen Ausläufer eines Traums vor, an den er sich nicht erinnern konnte. Dann, ganz langsam, setzte das Erwachen ein, der Traumnebel klarte auf, der Blick schärfte sich und auch die anderen Sinne klopften an und meldeten sich zu Wort. Das Resultat der Erkenntnis endete in einem hastigen Herumdrehen, verlorenem Halt und in der unsanften Landung auf dem Dielenboden neben dem Bett, dicht gefolgt von einem unterdrückten Fluch. Einen Moment länger lag er still auf dem kalten harten Boden der Tatsachen, hielt den Atem an und lauschte angestrengt in die Dunkelheit auf die gleichmäßigen Atemzüge vom Etagenbett. Als er sicher war, dass er niemanden geweckt hatte, griff er mit der Hand zur Kommodenklappe und holte rasch die Robe heraus, mit der sich wenig später aus dem Schlafbereich stahl. Die Stiefel sammelte er unterwegs ein, dann floh er buchstäblich die Treppe hoch.

Ob Amhras in der Nacht zurückgekommen war, hatte er nicht bewusst wahrgenommen und auch nicht nachgeschaut, bevor er sich davon gemacht hatte. ‚War vielleicht nicht so schlau, Till.‘ Rasch ließ er die Türe hinter sich ins Schloss klicken und trennte den unteren Bereich vom Oberen, brachte auch damit nochmal Abstand in die Sache an sich. Hastig streifte sich die Klamotten über und sah prüfend zum Fenster hin. Es war noch dunkel, gut.
Die Hand griff nach einem Kanten Brot, schnell nahm er noch einen Schluck Wasser zu sich, dann eilte er zum Garten raus. Den Kanten schob er in eine Tasche, die er umgehängt hatte, um sich dann draußen am Zuber einer kurzen Katzenwäsche hinzugeben, bevor er auch hier fluchtartig das Weite suchte und gen Tempel aufbrach.

Erst auf halbem Weg verlangsamte er allmählich seine Schritte. Erst auf halbem Weg fiel ihm auf, dass er rannte und blieb schwer nach Atem ringend stehen, sog tief den Atem ein und schnaufte dann aus. ‚Wovor versuchst du jetzt schon wieder wegzurennen, du Esel?‘ Aus irgendeinem Grund trug der Gedanke die Stimme seines Bruders Fjore. Es klang spottend, belustigt, neckend.
Seine nächsten Schritte führten ihn zur Furt. Er blieb einen Moment lang vor dieser stehen und sah ins stillere Wasser hinein, dicht am Ufer, musterte sein Spiegelbild, das sich zwar nur dunkel abzeichnete, aber er glaubte entschieden, man könnte ihm gerade restlos alles ansehen. Alles, was er je gemacht hatte, insbesondere die jüngsten Taten.
Nun, mindestens einer wusste es ganz sicher. Eigentlich sogar drei, ihn eingeschlossen. Die Erkenntnis noch zu leben und nicht von einer riesigen Pranke erdrückt worden zu sein, sorgte dafür, dass er sich etwas beruhigte.

Die jugendliche Einbildungskraft ist enorm. Sie zwang ihm ein Bild auf, ein Bild eines Panthers, der sich die Pranke über Augen und Schnauze legte und am Leib bebte vor Lachen. Dass diese Fantasterei Blödsinn war, wusste er selbst. Trotzdem trieb es ihm die Röte ins Gesicht, er löste sich vom Spiegelbild und stapfte weiter, durch das Nass hindurch in Richtung Rahal. „Wie der erste Mensch,“ schalt er sich selbst leise schimpfend. „Wie ein dummer kleiner Junge!“

Die tägliche Routine half ihm, sich zu ordnen, sich zu beruhigen, wieder zu sich zu finden. Das Gebet im Anschluss tat das Übrige dazu. Als er einige Stunden später wieder auf dem Rückweg war, atmete er freier, genoss die Sonne im Gesicht und trödelte sogar etwas herum deshalb. Bis auf den etwas holprigen Start in den Tag, fühlte sich sonst alles gut an. Ohne groß darüber nachzudenken, wieso, fand er dafür einzelne Begriffe: Befreit – Frei – Zufrieden – Glücklich – Beschenkt – Lebensfroh…
Irgendwann stockte er in seiner Wortfindung, blieb stehen, mitten in Wald und Wiesenlichtung und blinzelte. Schließlich fing er an zu lachen, richtig tief aus dem Bauch heraus, so sehr, dass er sich ins Gras setzte und dort einfach weiter lachte. Es war nicht so, dass ihn der Verstand verlassen hatte, oder dass er gerade Irre geworden war, auch wenn das ein Beobachter denken musste, so plötzlich, wie es aus ihm herausbrach. Dem buchstäblichen Lachanfall folgte ein Grinsen und ein Kopfschütteln. Das gesamte Verhalten sprach von einem Meisterstück an durchgeknallter Jugend.
Wann genau war er eigentlich so mutig geworden sich auf etwas einzulassen, bei dem er überhaupt nicht kontrollieren konnte, wie es weiter- oder ausging?

Sein Blick irrte zum Himmel hinauf, haftete sich auf den Riss dort und die heitere Stimmung schwand schlagartig. Ja, diese Geschichte war sicherlich ein Teil davon, die dazu beitrug. Keiner wusste, was morgen sein würde, auch er nicht. Niemand war sicher, ob es noch ein Morgen geben würde. Jeder Tag war ein Geschenk im Grunde. Ein Geschenk für das alle hart arbeiten mussten, damit es erhalten blieb. Es rief ihm in Erinnerung, dass sie noch etwas zu finden hatten.
Es weckte die Frage, was er als Einzelner noch zusätzlich tun konnte, um das zu finden, was sie suchten. All die Erlebnisse rund um diese Sache hatten ihn mutiger werden lassen.

Der Tempel. Die neue Familie innerhalb des Tempels. Auch hier waren es die Erlebnisse, die ihn formten und wachsen ließen, ob er nun der Mittelpunkt davon war oder Nebendarsteller, das spielte überhaupt keine Rolle. Alles, der Unterricht, die Weihen, das Ritual, die Visionen, die Gespräche untereinander. Es hatte ihn mutiger werden lassen.

Die Auseinandersetzung mit seinen Ängsten hatten ihn mutiger werden lassen. Der stete Gang zur Küste, das Aufarbeiten des Schiffbruchs, all das Blut, was auf seinem kurzen Weg auf Gerimor schon geflossen war, die Dunkelheit und Abgeschiedenheit mancher Orte.

Die Sehnsucht. Er hatte sie gar nicht bemerkt, sie verdrängt, sie nicht zugelassen. Die ganze Zeit über. Inzwischen ging ihm auf, dass ihm seine leibliche Familie fehlte. Die Umarmungen seiner Mutter, das neckende Schulterklopfen und Hinterkopfgetätschele der Brüder, ja, sogar die strengen Worte des Vaters. Auch das hatte ihn mutiger gemacht. Das Fehlen hatte ihn dazu gebracht, sich den fremden Menschen hier zu öffnen, Freundschaften zu suchen, vielleicht sogar zu knüpfen, und es hatte zu den Ereignissen der vergangenen Tage geführt.
„Es ist gut so. Du kannst nun aufhören, dich wie ein Kind aufzuführen. Bist du nicht mehr“, bestätigte er sich selbst, stemmte sich aus dem Gras hoch und klopfte die Robe aus. Es war Zeit. Zeit sich dem Ganzen zu stellen, es zu akzeptieren, und bei Alatar, das zu genießen, was es zu genießen gab, solang es das gab. Was sollte der Geiz? Es verstieß immerhin nicht gegen die Gebote, Gesetze, Hierarchie oder sonstigen Rahmen und Regeln, die sein Leben sonst bestimmten. Das zu wissen war allein schon so ungemein befriedigend, dass es ihm wieder ein Grinsen ins Gesicht malte, als er den Heimweg wieder aufnahm.


Zwischen dem Begehren und der Befriedigung liegt stets das Bestreben:
Ist dieses redlich und auf vernünftige Überzeugung begründet,
so wird die Befriedigung eine wahrhafte, eine glückliche sein.
(August Friedrich Ernst Langbein)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 18 Jul 2020 11:42    Titel:
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Nichts schmerzlicher kann den Menschen geschehn,
Als das Absurde verkörpert zu sehn.
(Johann Wolfgang v. Goethe)

Stunden lag er wach und lauschte, fast schon angestrengt, ob wieder eine Tür aus den Angeln flog, obschon ihm klar war, dass er das mit Sicherheit hörte, ohne sich anstrengen zu müssen. So war es schließlich auch in der Tempelbibliothek gewesen. Die ganze Situation kam ihm derart grotesk vor, dass er es für sich selbst nicht einmal in Worte fassen konnte. Das Einzige, was dem Absurden einen Dämpfer verpasste, waren seine Schmerzen, und davon hatte er reichlich.

Was sie gewollt hatten, war nicht einmal die Frage. Sowohl Aurianes, als auch sein Notizbuch waren Geschichte. Weg, gestohlen. Der Rest seiner Habe, die er bei sich getragen hatte, lag noch immer verstreut unten am Treppenabsatz herum, vermutete er. Er hatte keinen Blick darauf verschwendet. Die Menschen waren ihm wichtiger gewesen, als er wieder hineingewankt war, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er überhaupt raus gekommen war auf die Straße. So wie er sich fühlte, wäre er eigentlich einfach liegen geblieben, statt zu laufen.

Seine Vermutung dazu ging dahin, dass sie ihn vermutlich einfach rausgeworfen haben und er ein gutes Stück über den Boden gerutscht war. Weg mit dem Unrat. Ob es stimmte, spielte nicht einmal eine Rolle. Es spielte nicht einmal eine Rolle für ihn, ob sie ihm das Notizbuch gestohlen hatten, das angefüllt war von kleinen Kreisen, Dreiecken, Winkeln und anderen Symbolen. Das Ganze war einfach seine Gedankenstütze sich Gesagtes besser zu merken. Fraglich, ob diese Kreaturen damit überhaupt etwas anfangen konnten. Und wenn? Na, wenn schon. Sie würden Dinge finden, die sie kannten, das eigentliche Wissen war nicht verloren. Mochten sie daran ersticken. Mit diesem Gedanken war das innere, trotzige Aufbäumen aber auch schon vorbei.

Es war allzu deutlich geworden, dass sie nichts entgegen zu setzen hatten. Gar nichts. Ach was, weniger als nichts. Genauso wenig spielte es noch eine Rolle das Wissen zu teilen oder nicht. Der ganze gesammelte Wust an Informationen, gab nichts erkennbar Brauchbares her und just war sämtlicher Elan, sämtlicher Antrieb zerschlagen worden, wie er selbst, da überhaupt noch einen Finger zu rühren. Sterben würden sie doch alle sowieso. Warum also Zeit an sowas vergeuden im Weiteren?

Er schloss die Augen, aber sobald er das tat, malte sich der jugendliche Geist die ganze Situation wieder aus, durchlebte es nochmal bis die Erinnerung so abrupt abriss, als wäre nichts vorgefallen, wären die Verletzungen und Schmerzen nicht. Und es gab wirklich keinen, sie waren zu siebt oder zu acht gewesen, der ohne Verletzung davongekommen war. Keiner hatte etwas ausrichten können. Zwei Tempelwachen waren tot, die vermutlich ebenso wenig eine Chance gehabt hatten sich überhaupt zu wehren. Eigentlich war es ein Wunder, dass er noch eine Schonfrist bekam. So wie auf ihn losgegangen wurde, hätte es vorbei sein müssen. Trotzdem war da keine Angst in ihm. Etwas, was er nur am Rande registrierte. Der Schriftzug auf dem Tisch in der Tempelbibliothek leuchtete vor seinem inneren Auge auf. „Vergesst oder sterbt.“ So waren die Worte, wenn er sich recht entsann. Absurd! Ob sie vergaßen oder nicht, sie starben doch sowieso. Die Frage war nur, ob es noch weitere Generationen geben würde, die etwas erleben durften. Wollte er den möglichen Nachfolgern Gelegenheit geben oder nicht? Das war doch die Frage. Die ganzen roten Kristalle, oben und unten, unterstrichen es noch, verlockten eigentlich dazu zu vergessen. Er brauchte sie nur zu berühren, oder? Es wäre so einfach zu vergessen. Inzwischen wusste er aber auch gut genug, dass es damit nicht vergessen war, sondern die Kristalle es für sich behielten, möglicherweise sogar weitergaben. Keine echte Option. aber eine sehr Leichtgemachte, wenn man sich das nähere Nachdenken verbat.

Die Augen gingen wieder auf und richteten den Blick auf die Zimmerdecke über ihm. Langsam hob er eine Hand und wischte sich die Tränen weg, die sich verselbstständigt hatten. Er war frustriert, überaus frustriert. Wozu die ganze Mühe, wenn es sowieso keinen Ausweg gab? Und wo war Er gewesen? Zwei Seiner Diener hatten Ihn gerufen, er hatte Cailen gehört. Es war nicht so, dass der junge Catulus die Verbindung verloren hatte. Sie war zweifellos da. Sonst hätte er die Blutung nicht stoppen können. Aber sonst? Er hatte nichts, wirklich nichts auszurichten vermocht und Cailen, der sogar noch weit mehr Kampferfahrung mitbrachte, ebenso wenig. Sie waren alle nichts als Marionetten, blöde Statisten in einem schon längst festgelegten beschissenen Theaterstück. Und sie alle waren dumm genug es mitzuspielen und das nach ihren Regeln. Immer und immer und immer wieder.

Als der Schlaf sich so gar nicht einstellen wollte, quälte er sich aus dem Bett heraus, so leise wie möglich, immerhin war er nicht allein. Es kostete ihn Mühe sich zumindest die Kettenhose und die Stiefel anzuziehen. Den Rest sammelte er einfach zusammen und band die Fetzen der Robe darum und knotete es fest, damit er nichts verlor. Dann schlich er sich aus dem Schlafzimmer, raus aus dem Haus und machte sich auf den Heimweg. Er wollte sich waschen, er wollte angenehm tragbare Kleidung haben und er wollte etwas schreiben.

Genau in der Reihenfolge ging er dann auch vor, wobei er sich bemühte dennoch leise zu sein, gerade im Bad. Immerhin schlief auch hier jemand im Etagenbett oben, den er nun nicht mit seiner unleidigen Situation und bescheidenen Konstitution belästigen wollte. Er war froh, sich waschen zu können, all das getrocknete Blut loswerden zu können und sich wenigstens wieder sauber zu fühlen. Die neue Seife war damit auch eingeweiht worden und der erste Schritt, dieser aufdringlichen Herzchenform eine andere zu geben, getan. Auch wenn ihm nicht dazu zumute war, es rang ihm dennoch, zumindest ganz kurz, ein schiefes Grinsen ab.
Nachdem er sich angezogen hatte, war er nach oben verschwunden, an den Schreibtisch. Ob die mangelnde Reaktion von Ihm die Rüge dafür war, dass sein Bruder Andeutungen hatte fallen lassen? Aber was hatte er schon wirklich verraten? Im Grunde nichts. Auffällig wurde es erst, als der Ritter sich anfing zu echauffieren und sich die Situation dadurch hochschaukelte. Komisch. Auf den Versammlungen schaukelte sich immer irgendwas hoch. Immer.

Noch während er das Papier und die Tinte bereitstellte, dann die Feder anspitzte, versuchte er zu ergründen, weshalb, was dafür jedes Mal sorgte, und was wiederum dagegen getan werden könnte. Und dann kam der Gedanke auf: Wozu war die Versammlung überhaupt gut gewesen? Was hatten sie denn erreicht? Ach ja, wie immer nichts. Warum? Weil das Relevante nicht benannt werden durfte, und ein Vorankommen in der Sache damit gehemmt war. Soviel zu Seinem Befehl die zu vernichten, die das Sein vernichten wollten. Welcher Befehl stand nun höher? Seiner oder der Seiner höchsten Diener? Und wie sie alle, die dann noch da waren, gesehen und vor allem gespürt hatten, waren sie sowieso in Lebensgefahr. Alle. Die Wissenden müssten sich in Isolation begeben, damit andere nicht in Mitleidenschaft gezogen würden, denn letztlich griffen diese – wie hatte er sie genannt? – die Stillen? Ja, das war es. Sie griffen offenbar wahllos alles an nun, um an das zu gelangen, was sie wollten. Weil der große Schatten aus dem Kristall entkommen war vielleicht? Gab ihnen sicher Auftrieb.

Dann schob er die Gedanken beiseite und schrieb drauf los. Am Ende sollte er mehrere Seiten füllen, die noch vor dem Morgengrauen ihre Wege fanden. Danach führten ihn seine Schritte zunächst dorthin zurück, wo er hergekommen war. Es stand noch etwas aus und er wollte zu seinem Wort stehen. Außerdem wollt er eine heiße Honigmilch. Und etwas loswerden musste er auch. Bei allem Mist, aber sie hatte es geschafft. Tatsächlich.


Vorwärts – auf dem Marsch durch die Frustration.
(Graffito)




Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 18 Jul 2020 11:54, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 19 Jul 2020 12:13    Titel:
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Der Tod ist das Tor zum Leben.
(Nachruf)

Er wusste, sie hatten sich am gestrigen Abend versammelt. Für ihn gab es vorerst wichtigeres zu tun. Die ganze Aufregung am Vortag hatte sich zumindest in ihm selbst gelegt. Geblieben waren die Zweifel. Aber wie sollten sie auch so schnell verfliegen?

Es war kurz vor Tagesanbruch gewesen, als er im Tempel eintrat und die Totenwache übernahm, damit Cailen sich endlich ausruhen konnte. Damit begannen Stunden des begleitenden Betens, die alle den Gefallenen galten. Es war schon seltsam jetzt in den Tempel zu kommen und ihre Gesichter vorne nicht mehr zu sehen, keinen kleinen Morgenschwatz mit ihnen zu halten, bevor das Tagewerk losging, oder sich am Abend von ihnen zu verabschieden. Sie würden ihm fehlen.
Trotzdem, obschon er die Gebete für sie sprach, brachten sie ihm selbst auch Trost, ließen ihn sogar für den Moment die Schmerzen vergessen. Und so versenkte er sich auch bereits in das nächste Totengebet. Eines, für das er sich selbst Zeit genommen hatte, als er am Schreibtisch gesessen hatte. Es war ein Bedürfnis gewesen, eine Art persönlicher Abschied, etwas, wovon er meinte, dass er es ihnen schuldete.

Gefallen im Dienst des Herrn
ist es nun an der Zeit die letzte Reise anzutreten.
Unsere Segenswünsche und unser inniger Dank
für eure Treue, Loyalität und euren Einsatz sollen euch begleiten.

Oh Herr, nimm Dich ihrer Seelen an,
fälle Dein wohlwollendes Urteil
über ihre Taten, Worte
und ihre Ergebenheit Dir gegenüber.

Nimm sie auf in Deine Festung,
lass sie ein in Nileth Azhur,
um an Deiner Seite zu stehen
bis in alle Ewigkeit.

Möge einst der Tag kommen,
an dem sie Seite an Seite mit Dir
erneut für Dich streiten,
damit Dein Wille geschehe, oh Herr.

So soll es sein.

Als sich am Spätnachmittag alle versammelten, begannen wir mit der Waschung der Toten, bereiteten sie gemeinsam vor und verbrachten sie bei Anbruch der Dunkelheit hinüber zum Friedhof, zum Krematorium, wo sie den Flammen übergeben wurden. Auch dieser Akt wurde von Gebeten begleitet, dieses Mal gemeinsam, draußen vor dem Gebäude stehend, bis die Hüllen zu Asche vergangen waren. Jene wurden in eine Urne gefüllt und ins Mausoleum gebracht.

Müde, erschöpft, nach dem Qualm aus dem Krematorium stinkend, begab sich der junge Catulus danach noch zum letzten Gebet in den Tempel. Danach zog er sich zurück ins Tempelgewölbe, an einen stillen Ort, um für sich zu sein.

Abermals trieben die Bilder des Angriffs der Stillen herauf. Sie hatten keine Silbe gesagt, waren nicht mal zu hören gewesen, außer da, wo sie mit brachialer Gewalt zuschlugen. Die einzigen Worte, die sie hinterlassen hatten, waren die geschriebenen auf dem Tempeltisch, umrahmt von einem Haufen roter Kristalle. So sehr er die Ruhe auch brauchte, es trieb ihn noch einmal hinauf, zu der Bibliothek, um zu schauen, ob sie inzwischen abgesichert war. Es sollte wirklich niemand mehr hineingehen, schon gar nicht alleine und schon gar nicht zu nah an die Kristalle heran oder gar in Versuchung geraten einen davon an sich zu nehmen. Keine Magie, nichts. Es war wichtig, dass es nicht vergessen wurde. Womöglich war ein Aushang nötig. Ja, ein Aushang. Gute Idee. Oder ein riesiges warnendes Schild, groß genug, dass selbst ein Blinder nicht übersehen konnte, was los war.

Kaum gedacht, machte er sich ans Werk. Die Arbeit hörte nicht auf, Schmerzen, Erschöpfung, allem zum Trotz, es musste ja weitergehen.


Nach dem Tod ist vor dem Tod.
(Peter Rudl)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 27 Jul 2020 15:21    Titel:
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Denken ist der Beginn der Veränderung.
(Manfred Hinrich)

Nun, was hatte er sich dabei gedacht? Im Grunde halste er sich damit einiges auf, mehr noch, als er ohnehin schon zu tun hatte. Andererseits wuchs er auch an den Herausforderungen, denen er sich stellte. Diese Feststellung traf er nicht zum ersten Mal seit er hier an Land gespült worden war. Nach all dem, was er bis hierher schon mitgemacht hatte, wusste er auch nur zu gut, dass davon noch viel vor ihm lagen, sofern er diese Kreaturen überlebte.
Nachdenklich ruhte sein Blick auf seinem noch jungfräulichen Notizbuch. Es lag vor ihm auf dem Schreibtisch. Der alte Schreibtisch an einem neuen Platz. Der Ausblick war hier ein ganz anderer, zeigte den Weg hinauf gen Weggabelung, wo der Reisende sich entscheiden musste, ob es nach Düstersee oder nach Wetterau weitergehen sollte. Im ersten Moment vermisste er den kleinen Teich, den ständig quakenden Frosch, der darin lebte, musste dann aber über sich selbst schmunzeln. Um ihn zu sehen musste er schließlich nur vor die Haustür zu gehen.

Er musste sich noch an vieles gewöhnen in dem neuen Heim. Die Größe, die Mitbewohner, die ganzen Umstände waren neu, keine kleine Veränderung. An Amhras hatte er sich bereits gewöhnt. Für ihn war es sicherlich eine Verbesserung seiner Situation, immerhin hatte er nun ein eigenes Zimmer für sich, in das er sich zurückziehen konnte, wenn er wollte. Die Herausforderung sah er hier mehr in den zwei neuen Mitbewohnern in diesem neuen, größeren Haus. Ein Kind, dem er sich nicht gewachsen fühlte, und … sie.
Wenn ihn irgendjemand fragen sollte, warum er das gemacht hatte, stand er vermutlich ziemlich dumm da, denn er hatte nicht mal ansatzweise eine Antwort darauf. Weil er sich geschmeichelt fühlte auf Grund ihrer Bemühungen, die sie an den Tag legte? Weil er sich verpflichtet fühlte, auf Grund der Umstände, in denen sie sich befanden? Die beste Antwort war an sich: Weil er töricht war, denn jeden, den er unmittelbar in seiner Nähe behielt, ob wissend oder unwissend, setzte er einer zusätzlichen Gefahr aus. Das hatte der Vorfall in der Tempelbibliothek gezeigt, auch wenn er sich den Umstand dort nicht allein zuzuschreiben hatte. Da teilte er sich diesen mit mehreren.
Andererseits machte es vermutlich nicht einmal mehr einen Unterschied, ob er das tat, denn wenn sie nicht bald eine Lösung fanden, war es ohnehin vorbei mit allem. Weil er also das mitnehmen wollte, was er noch bekommen konnte? Warum darauf verzichten?
Er kam nicht umhin dem Ganzen eine satte Portion Egoismus zuzuschreiben. Genauso musste er zugeben nicht wirklich fair zu sein in dieser Sache. Sie bemühte sich wirklich sehr, und er hatte so seine Probleme sich dem wirklich umfassend zu öffnen. Oder es fehlte ihm am rechten Willen es zu tun. Ihm war nur zu bewusst, dass es nicht mehr lange so weiter gehen konnte und sollte. Allein diese Tatsache ließ ihn aufseufzen.
Du hast dich darauf eingelassen, also trage es auch in voller Konsequenz.

Schließlich konzentrierte er sich auf wichtigere Probleme. Die Kristalle, die er mit ihr gemeinsam nun auch noch an anderen Stellen ausfindig gemacht hatte. Seit dem Angriff in der Tempelbibliothek hielten sich die Nächte allgemein sehr kurz. Wenn er sich nicht gerade selbst vom Schlaf abhielt, taten es die Albträume, die ihn seither verfolgten. Zwar verlor er kein Wort darüber, war sich aber ziemlich sicher, dass zumindest eine Person ahnte, dass er schlecht träumte.
Sich der Angst zu stellen, dass eine weitere Begegnung mit den Kreaturen folgen könnte und höchstwahrscheinlich sogar würde, fiel ihm schwer. Sie hätten alle so einfach ihr Leben lassen können an diesem Abend. Der Gedanke ließ ihn die Stirn runzeln. Warum hatten sie es eigentlich nicht bis zum Ende gebracht? Noch ein Rätsel. Immer mehr davon. Und kaum oder gar keine Antworten.

Da er auch nicht sah, dass es über kurz oder lang welche geben würde, wollte er sich einer anderen Sache widmen. Es standen bald die Feiertage an, also wollte er sich der Planung einer Messe widmen und sie dann mit den anderen Catuli besprechen, um selbige im Anschluss vorzustellen. Es war in der letzten Zeit so oft nach einer Messe gefragt worden, dass er diese für längst überfällig hielt. Zeit also, diese zu halten und die Gelegenheit war denkbar günstig. Also setzte er sich an den Schreibtisch und nahm einen Papierbogen zur Hand für die ersten Notizen dazu. In dem Moment als er das tat, hoffte er gleichsam, dass das Mädchen nicht gleich aus ihrem Zimmer gestürmt kam und durchs Haus krakelte. Sonst musste er sich überlegen, ob es nicht günstiger war, seine Schreibarbeit zukünftig in den Tempel zu verlegen.


Mut ist nicht Freisein von Angst,
sondern ihre Überwindung.
(Deutsches Sprichwort)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 01 Aug 2020 14:03    Titel:
Antworten mit Zitat


Öffne deine innersten Organe,
Und mische dich im Leiden und Genießen
Mit allen Strömen, die vorüberfließen,
Dann dienst du dir und dienst dem höchsten Plane.
(Friedrich Hebbel)

Tempeldienst. Es beinhaltete den Tempel sauber und ordentlich zu halten, gastlich für den All-Einen und Seine Gläubigen. Kerzen gehörten ausgetauscht, Wachs entfernt, die Kohlepfannen neu bestückt und poliert. Der Altar sollte ordentlich und sauber aussehen, die Statue dahinter sowieso. Es wurde gefegt, gewischt, Bücher im hinteren Bereich abgestaubt, und weil er sowieso schon dabei war, schaute er die Lektüre dort auch gleich gründlich durch und notierte die Schriften, die in die Katakomben verbracht werden mussten, vielleicht sogar teilweise neu verfasst werden muss, um der Aktualität zu entsprechen. Letzteres zu entscheiden, lag allerdings sicher nicht bei ihm.
Die Liste der gestellten Aufgaben war lang, allerdings würde er sich für die übrigen erstmal mit den anderen zusammensetzen, um sie aufzuteilen, ganz in Ruhe. Dass er sich hier bereits einfach frei befleißigt hatte, lag schlicht an dem Umstand, dass er gerade eben halt dran war mit dem Tempeldienst.

Nachdem er fertig war im Tempel selbst, ging er noch einmal zum Friedhof, sah dort nach dem Rechten. Da er sich um diesen erst kürzlich gekümmert hatte, nickte er nur zufrieden, zog hier und da etwas Unkraut aus den Fugen und warf ihn achtlos über den Zaun. Dann betrat er das Mausoleum, um auch dort für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen, um das Wachs in dem Andachtsraum zu entfernen und frische Kerzen zum Entzünden bereitzustellen. Es wurde alles abgestaubt, ausgefegt, gewischt, ganz wie im Tempel selbst ebenso. Einen Moment lang blieb er nachdenklich vor der blauen Urne stehen, die Stirn fand sich krausgezogen, dann wandte er sich der Arbeit wieder zu. Als diese erledigt war, verließ er die Stätte der letzten Ruhe wieder.

Der nächste Gang führe ihn in die Katakomben unter dem Tempel. Hier war er heute nicht zuständig für die Reinlichkeit und Ordnung. Sein Weg führte ihn vielmehr in die Bibliothek dort, wo er sich an einen Arbeitstisch setzte und anfing den Aufbau der kommenden Messe zu gestalten.
Er brütete eine ganze Weile darüber, auch über die Länge des Ganzen und was hineinsollte, was Sinn machte, was, wann, wie und wo. Es war ein Erstentwurf, den er dann bereitlegte, damit jemand kurz darüber schauen konnte. Als der fertig war, nahm er sich noch einmal die Bücher zur Geschichte des Bruderkriegs zur Hand. Davon gab es hier das ein und andere. Die Zeit vergessend brütete er eine ganze Weile darüber.

Als er sich vom letzten Buch löste, atmete er tief durch und lauschte eine Weile einfach tagträumend in die Stille hinein und gönnte sich den Moment des Nichtstuns, der Ruhe und auch des Alleinseins. Erst hier ging ihm auf, wie anstrengend die letzte Zeit eigentlich für ihn gewesen war. Eine wahre Herausforderung, die ihm vorher gar nicht so bewusst als solche vorkam. Es spielte sich langsam alles ein, das schon, und mitunter machte er es sich selbst schwer dabei. Trotz all dieser Tatsachen konnte er aber auch nicht umhin festzustellen, dass es ihm zusagte. Er begann sich an die Umstände zu gewöhnen, ganz langsam.
Ganz selten mal erwischte er sich inzwischen auch dabei, dass dieses oder jenes, was sie tat, oder sagte, mitunter sogar eine kleine diebische Freude bereitete, die er noch nicht so ganz zuordnen konnte. Allein damit, es auch zu zeigen, fiel ihm schwerer als gedacht. Bislang hatte er sich für ziemlich offengehalten, musste aber an sich selbst erkennen, dass es Bereiche gab, in denen er das ganz und gar nicht so hielt.

Trotzdem, da reifte ein kleiner Plan heran. Ganz still und heimlich. Einer, der ihn zum Schmunzeln brachte. Man konnte auch sagen, ein kleiner Lichtblick in ziemlich finsteren Zeiten. Denn die Problematiken mit den feindlichen Kreaturen waren nicht vergessen. Ganz im Gegenteil. Trotzdem, so fand er, musste der Geist sich nach wie vor zwischendrin eine Auszeit gönnen, sollte sich mal mit anderem beschäftigen, sich dem Alltag zuwenden zwischendurch. Es ging irgendwie weiter, noch. Und er war fest entschlossen, alles mitzunehmen, was er kriegen konnte, wenn er schon drauf gehen sollte. Dummerweise sah es nämlich genau danach aus. Was hatten sie schon in der Hand gegen diese Viecher? Nichts. Viel gesammelt an Wissen, ja, viel erreicht hingegen nicht. Die essentiellen Informationen, wo sie ihre Schwächen hatten, waren zu dürftig, um ihnen im Moment ernstlich schaden zu können. Das Einzige, was half, war weitersuchen, auch wenn ihm langsam die Ideen ausgingen, wo noch und wie noch. Was er hingegen sehr gut wusste inzwischen, war, wie es nicht ging oder was vermutlich zu nichts führte.

Ob die Idee mit den Drachen etwas brachte? Vermutlich nur, wenn es die Richtigen waren. Aber wenn selbst der All-Eine sich nicht erinnern konnte, wieso sollten es dann die Drachen? Der einzige kleine Hoffnungsschimmer für ihn lag beim Schemen, obschon er diesem natürlich kein Stück über den Weg traute.
Das Einfangen der Schattentiere war eine nette Idee, aber irgendwie sagte ihm sein Bauch, dass es vermutlich weniger Erkenntnis einbrachte. Sie waren nicht so wichtig, wie diese anderen Kreaturen, die Stillen und der entflohene Schatten aus dem Arcana-Kristall. Die Herausforderung hierfür war aber vermutlich eine weitaus Größere, als diese Schattentiere.
Was wusste er denn über sie? Über den Entflohenen nur, dass er gefährlicher war als der Rest, dem sie bislang begegnet waren. Das allein nahm sich schon wie ein Witz aus, wenn er sich daran zurückerinnerte, wie schwer sie zusammengeschlagen worden waren, ohne auch nur ein bisschen dagegen tun zu können.
Tja, und die, die sie zusammengeschlagen hatten? Unmöglich zu sagen, ob es nur die Stillen waren. Möglich aber zu sagen, dass sie mit Sicherheit Teil von der Truppe waren, die sie überfallen hatten. Was er eben auch wusste: Magie und Gebete hatten keine Wirkung gezeigt. Sie zu treffen, dazu war er ebenso wenig in der Lage gewesen und die anderen scheinbar auch nicht.
Vielleicht hatten sie alle die falsche Waffe dabeigehabt, möglich. Vielleicht waren sie auch zu langsam, auch möglich. Zu ungeschult im Kampf? Vielleicht. Oder diese Kreaturen waren einfach übermächtig gewesen, sehr wahrscheinlich. Was konnte sie dann also aufhalten? Selbst wenn man ihnen eine Falle stellte? Diamantstahl? Hexenstahl fiel aus. Das hielt er selbst für zu weich und wozu auch magischen Stahl nehmen. Sie bedienten sich der Magie nicht, sonst hätte das irgendein Magier bereits erwähnt. Was auch immer sie nutzten, es schien etwas ganz Eigenes zu sein.
Was war das probate Mittel gegen dieses Eigene? Was hielt sie womöglich gefangen? Der große Schatten war von Kristall mit göttlicher Macht umschlossen und festgehalten worden. So leicht würde er sich nicht nochmal in einen solchen sperren lassen – und vermutlich war dafür außerordentlich viel Geschick nötig, seitens der Magier, um das erneut zu bewerkstelligen.
Aber… oh, das musste er fragen gehen! Das musste er wirklich hinterfragen!

Mit allem Nachdruck schob er die Gedanken unausgesprochen und ohne Notiz beiseite, räumte erst einmal die Bücher zurück an ihren Platz, dann machte er sich auf den Heimweg. Das wollte er herausfinden, unbedingt! Bald! Schnell! Sie hatten an einem Punkt aufgehört, als sie überfallen wurden, der viel zu wichtig und wertvoll war, um ihn stehen zu lassen.


Unser Werden und Sein ist wie das einer Raupe
– Vorbereitung auf die Vollendung.
(Philipp Rhein)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 18 Aug 2020 15:44    Titel:
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In dem einen Auge leuchtete die Ergebenheit,
in dem anderen die Berechnung.
(Charles Dickens)


Sich neuen Herausforderung stellen, schien ihm inzwischen Alltag zu werden, und wo es ihm im Tempel scheinbar leicht von der Hand gehen wollte, hielt das Private ganz andere Überraschungen offen. Bei allem Bemühen und Wollen, er verstand diese Frau einfach nicht. Dieses irrationale Verhalten, das sie an den Tag legte, wollte ihm nicht eingehen.
Hinzukam der Umstand, dass sie es grundsätzlich schaffte, noch irgendetwas oben drauf zu setzen, wenn er gerade annahm, das war es nun an Unsinn oder anderen Ärgernissen. Immer, wirklich immer, wenn er glaubte, sie hatte begriffen, es war angekommen, präsentierte sie ihm das buchstäbliche i-Tüpfelchen des Gegenteils. So wie das Kleid.

Offengestanden, an dem Kleid gab es selbst nichts auszusetzen. Es war ordentlich, verdeckte ausreichend, um als sittsam durchzugehen, auch wenn es viel Arm zeigte, aber bei dem Wetter, das derzeit herrschte, machte daraus keiner einen Vorwurf. Der Ausschnitt war nicht zu tief, die Länge war hervorragend, es betonte nicht zu viel, kurz gesagt, eigentlich war an dem Kleid wirklich nichts auszusetzen.
Das, was das Kleid so unmöglich machte, waren die Hintergrundfakten dazu. Gut, er hätte es auf sich beruhen lassen können, denn außer ihm wusste ja keiner davon. Keiner, außer dem All-Einen, dessen Halle sie betreten hatte in dem Aufzug und sich frömmelnd zum Unterricht dazu gesellt hatte. Gerade sie! Sie, die es verdammt noch eins besser wissen musste, war sie doch selbst mal Teil des Ganzen dort gewesen!

Die 10 Unheilsnächte waren noch nicht vorbei, die Tage der Entbehrung hielten folglich noch an. Es schien ihr kein Stück zu genügen, dass er bereits versagt hatte und sich darüber in Selbstvorwürfen zerging, sobald er alleine war. Nein, sie setzte auch hier noch das Tüpfelchen oben drauf und forderte es nochmals heraus. Und er hasste sich dafür, dass er darauf überhaupt reagierte, und sie dafür, dass sie wusste, was sie damit anrichtete.
Am meisten verstörte ihn daran, dass er erst tags vorher ihrem steten, zehrenden Drängen, seit sie sich überhaupt kannten, nachgegeben hatte. Er hatte den Widerstand aufgegeben, und dann kam das Kleid. Das Kleid, im Tempel beim Unterricht, mit allen Hintergrundfakten, die dazu gehörten.

Beim All-Einen, war es ihm schwer gefallen sich den ganzen Unterricht über nichts anmerken zu lassen, nicht vor denen, die zum Lernen gekommen waren, nicht vor den anderen beiden Catuli, nicht mal vor sich selbst. Trotzdem: Auch darum wusste der Allmächtige. Das war der schlimmste Fakt überhaupt daran. Wie sehr wollte er um Vergebung betteln, weil sein Wille so erbärmlich schwach gewesen war, und trotzdem versagte er es sich, denn auch das wäre nichts anderes als weitere erbärmliche Schwäche gewesen.
Also bemüßigte er den Geist sich eine selbstauferlegte Strafe zu suchen. Bislang erfolglos, aber das würde sich bald ändern, da war er absolut willens und überzeugt. Und sie? Ihr hatte er die nötige Abreibung gegeben, auch wenn der fade Beigeschmack blieb, dass sie es noch immer nicht verstanden hatte.

Die Nacht hatte sie im Kaminzimmer verbracht, auf dem Teppich, war nicht ins Bett gekommen, und er hatte sie auch nicht geholt, als er selbst das Schlafzimmer aufsuchte, um zu schlafen. Am morgen war sie noch immer nicht da, aber als er hoch ging in die Küche, war das Frühstück bereits fertig.
Sie schien darauf bedacht alles an Fürsorge hineinzulegen, es ihm um Alatars Willen Recht zu machen, sobald er nur zuckte. Das unterwürfige Verhalten ließ ihn innerlich aufstöhnen vor Verdruss, äußerlich zwang er sich dazu keine Regung zu zeigen. Lediglich ein Gespräch wurde zum Abend hin angekündigt.
Dann verließ er das Haus und ging in den Tempel, seinen üblichen Dienst verrichten. Er nutzte die Zeit, um sich zu sammeln, zur Ruhe zu kommen, die Zweifel ob der Richtigkeit der Sache in aller Stille zu betrachten, abzuwägen und sich erneut zu entscheiden.
Letztlich führte es dazu, dass er sich länger im Tempel aufhielt als üblich, dort bestimmt zwei Stunden vor dem Altar kniete, mal betend, mal in Zwiesprache und mal still für sich reflektierend. Die Schmerzen, die sich in den Knien einstellten, nahm er als den kleinsten Teil der Sühne an, die er zu leisten vermochte für sein eigenes Versagen an der Sache. Das Versprechen sich zu steigern und zu verbessern, den eigenen Willen mehr zu stählen, kam ihm flüsternd über die Lippen. Und eine Frage stellte er sich nun doch in aller Gewissenhaftigkeit:

Wie würde es den Zielen des All-Einen von Nutzen sein, wenn er das fortsetzte, was er da begonnen hatte?


Die Kraft zum Entbehren ist des Menschen größtes Glück,
der Drang nach Wollust sein größtes Weh.
(A. Münde)




Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 18 Aug 2020 15:51, insgesamt einmal bearbeitet
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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 19 Aug 2020 10:50    Titel:
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Miteinander reden vertreibt Gespenster.
(Walter Ludin)


Er war erst am Abend heimgekommen, hatte sich seine Zeit genommen die eigenen Gedanken und Gefühle zu sortieren. Der Ärger war auf sie war einem auf sich selbst gewichen. Manch Erkenntnis war nicht dazu angetan den Erkennenden frohlocken zu lassen. Es war nicht ihre Schuld, stellte er für sich fest. Das alles nicht. Im Grunde hatte er es selbst provoziert, allein schon durch den fortwährenden Widerstand, den er versucht hatte zu leisten. Mit Händen und Füßen hatte er sich versucht dagegen zu stemmen, sie von sich zu weisen, das alles fernzuhalten, und dann eben doch auch wieder nicht. Wer Hoffnungen schürte, weil es eben doch schmeichelte und berührte, musste sich nicht wundern, wenn jene trägt und antreibt. Das hatte er reichlich getan, sie dazu angetrieben.

Im Moment des ersten Eingeständnisses verfluchte er sich selbst dafür. Es brauchte länger, bis sich das Verstehen hinzugesellte, die Vergebung ihr gegenüber und auch für sich selbst anzuerkennen, dass es doch eigentlich völlig in Ordnung war sich darauf einzulassen.
Das einzige, was geschehen sollte, nein, musste, war eine Klarstellung darüber, wie es laufen musste, zumindest nach außen hin. Was innerhalb der eigenen vier Wände geschah, ging schließlich niemanden was an, alles andere hingegen aber schon.

Als er heimkam, fand er das Haus zunächst leer vor. Also brühte er sich einen Tee auf, setzte sich an den Küchentisch und wartete. Natürlich lud die Wartezeit dazu ein, sich weitere Gedanken zu machen. Du denkst zu viel.
Er nutzte die Zeit, um sich einige Worte zurecht zu legen, die er sagen wollte, vielleicht sagen sollte. Irgendwann legte er dabei den Kopf auf seinen Armen ab, die wiederum auf der Tischplatte ruhten. Erstaunlich, wie sehr man sich selbst erschöpfen kann an sowas.
Ohne zu wissen, wie lang er am Ende dort saß, hörte er die Haustür sich öffnen. Trotzdem blieb er so sitzen, wie gehabt, sah nicht auf, bis er angestupst und leise angesprochen wurde. Sie begannen zu reden, und sie redeten tatsächlich lange, leise, ohne Aufregung, Streit oder Neckerei. Es war ein ernstes Gespräch, eines der Sorte, die Klarheit bringen konnte und sollte, eines, das ein paar Grenzen aufzeigte, eines, das festhielt, was möglich war und am Ende auch eines, das ihr die Möglichkeit gab, sich für sein Betragen am Vortag zu revanchieren. Er hatte zumindest einmal einen Teil seiner Strafe für sich gefunden.

Es war ganz sicher nicht so, dass es ihm leicht viel sich zu öffnen. Eine Seite, die er an sich selbst noch nicht kannte. Die Erleichterung es am Ende dennoch getan zu haben, konnte er spüren. Nur eines schaffte er noch immer nicht: Er verstand nicht, wieso sie das alles mitgemacht hatte, das aushielt und nicht einfach das Weite suchte. Sicher, sie hatte gesagt, warum, aber er verstand es nicht.
Er hatte überlegt, wie viel er sich gefallen lassen würde, wäre er sie. Die Antwort war simple: Nicht viel davon. Allein dafür konnte er sich selbst nicht ausstehen. Ja, sie hatten ja so Recht, er dachte viel zu viel. Es war einfach an der Zeit das Denken mal beiseite zu schieben und genau das zu tun, was der Bauch diktierte – oder das Herz.

Ihre Antwort war es, die ihn dazu brachte. Oder das, was er glaubte aus dieser herauszuhören:

Gemeinsam würden sie noch mehr erreichen können, wo sie allein scheiterten. Sie wollte dieses Gemeinsame ebenso zur Stärkung des Reiches und für die Ziele den All-Einen nutzen, und wollte sogar eine Vorbildfunktion einnehmen damit, für die, die sich ebenfalls für einen gemeinsamen Weg entschieden hatten.

Der letzte Gedanke brachte ihn zwar im ersten Moment innerlich fast zum Lachen, weil es so absurd klang nach dieser Sache mit dem Kleid, aber andererseits war es eben auch so, dass es ja außer ihm keiner wusste – nun, außer ihm und dem All-Einen. Was Er darüber dachte und davon hielt, wollte er sich selbst im Grunde lieber nicht ausmalen.


Die Nacht war am Ende lang gewesen, der Morgen viel zu früh da. Die kurze Zeit, die geblieben war zum Schlafen war dennoch eine Wohltat. Das Frühstück stimmte ebenfalls versöhnlich und so ließ er sich heute mehr Zeit mit dem Aufbruch zum Tempel. Überschüttet mit Fürsorge kam er sich fast vor wie zuhause. Schlimm, wie sie ihn an mancher Stelle an seine Mutter erinnerte. Eigentlich hatte er dem entfliehen wollen und nun holte es ihn doch wieder ein. Allerdings stellte er gleichzeitig fest, dass es ihm eigentlich gefehlt hatte, auch wenn ihm das Eingeständnis fast schon peinlich war, auch ohne es auszusprechen. Es genügte völlig daran zu denken.
Trotzdem meckerte er nicht darüber, nahm es an und hin, genoss es klammheimlich irgendwie ja sogar, und revanchierte sich mit Worten und Gesten, sehr bemüht sich umgänglich zu geben, was im deutlichen Kontrast zu den vergangenen Tagen stand. Und es war um so vieles leichter…
In der Tat, er hatte viel zu viele nachgedacht über alles.


Grenzen sind etwas, die man nur gemeinsam entdecken,
aufzeigen, beseitigen kann.
(Peter Rudl)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 22 Aug 2020 13:07    Titel:
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Durch Sturm und Ungewitter, durch Müh‘ und Arbeit,
Angst und Elend, durch Todesschrecken, durch Grabesschauer
führt Gott das Geschlecht der Menschen von Stufe der
Erziehung und Bildung, der Prüfung, Reinigung, Veredlung
zur andern in den Tempel der Unsterblichkeit.
(Friedrich Christian Schlenkert)


Manch Erinnerung wird nie verblassen, sondern sich einbrennen für immer. Andere wiederum hüllte der eigene Geist wohlmeinend in Nebel und verklärte die Tatsachen auf ein erträgliches Maß hinunter mit der Zeit.

Zum Tempel waren sie gerufen worden am vorgestrigen Tag, alle, die sie dort dienen. Wenn er sich recht erinnerte, waren sogar alle gekommen von denen, die nicht in ihrer Pflicht woanders gebunden waren. Worum es ging, erfuhren sie erst dort und im Nachhinein musste er sich eingestehen, dass diese Vorgehensweise äußerst klug gewählt gewesen war. Er hätte sonst Fragen gestellt, Fragen zur Vorbereitung, die im Nachgang absurd erschienen wären, denn darauf konnte man sich beim besten Willen nicht vorbereiten. Und in aller Ehrlichkeit zu sich selbst: Hätte er damals gewusst, was ihn erwartet, als er das erste Mal durch die Tore des Tempels schritt, um ein Diener Alatars zu werden, hätte man es ihm damals erzählt, er wäre wieder gegangen und hätte den Mut nicht dazu aufgebracht. Wer weiß, ob er es hätte, wenn er einen Tag zuvor schon gewusst hätte, was kommt.

Aber dort stand er nun, vom Tempel durch die dunkleren Gänge hindurch in die alten heiligen Tempelruinen gegangen, vor dem Altar, umringt von den anderen und begleitet von einem, dem der gleiche Weg bevorstand wie ihm. Wie zumeist hatte er selbst das Gefühl der andere wirkte gefasster, beherrschter, aber die weiteren Gedanken verflogen bereits dazu, der Vergleich endete, als das einleitende Gebet begann, als sie ihre Kleidung ablegten und die Nervosität und das damit einhergehende wachsende mulmige Gefühl ihn zu überschwemmen drohte.

Dann folgte das, was er fast schon erwartet hatte, denn wozu sonst diente die Lehre, wenn sie nicht doch irgendwann Anwendung fand? Sicher, er hatte bis hierher gedacht, dass es einen anderen Zweck verfolgte. Aber in dem Moment, als die Klinge über seinen Arm glitt und eine blutende Linie hinterließ, der Schmerz sich in jede Faser seines Körpers fraß, über das Maß hinaus, was die Lehre selbst überhaupt vermochte, flirrte die Erkenntnis flüchtig wie ein Schmetterling durch seinen Geist. Dicht gefolgt von einer weiteren, die ihm sehr deutlich vor Augen hielt, dass er verbluten würde, sterben musste, wenn er nicht einen Weg fand dem Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig war ihm aber auch klar, dass er sich nicht auf die Gunst verlassen durfte, die er üblicherweise anrief, um ihn zu heilen. Das wäre nicht genug, nicht hierfür. Denn dem ersten Schnitt folgten zwei weitere, und er konnte schon jetzt spüren, wie die eigenen Kräfte nachließen, je mehr Blut von ihm vergossen wurde.

Er wusste nicht, wie er auf dem Boden gelandet war, wie es dem anderen ging, das einzige, was er in dem Moment mitbekam war die eigene Unzulänglichkeit und dass er ganz von selbst zu beten anfing, erst nur im Geiste, dann gemurmelt, aber nicht laut, nicht verständlich für die Umstehenden. Er spürte, dass er gepackt wurde, erkannte irritierend die Kraft hinter der Hand, die ihm half auf die Beine zu kommen und das Geruckel und Gezerre brachte einen kleinen Teil der Lebensgeister zurück, weckte ihn auf, ließ ihn laufen, dankbar um die Stütze.

Die Nervosität war gewichen, hatte einer Angst Platz gemacht, die er schon kannte. Er war ihr inzwischen zweimal begegnet. Beim Schiffsbruch und als die Kreaturen sie angriffen und er unzählige Tritte gegen den Kopf und wohin auch immer sonst erhalten hatte: Er verspürte ganz ohne Frage die gleiche Todesangst. Noch eine Lehre, die ihm helfen konnte, nicht wahr? Er hatte sich mit dem Schiffsbruch auseinandergesetzt. Mehr als reichlich, tat es manches Mal noch immer. Er hatte sie klein bekommen, die Angst. Also schaffte er es noch einmal.

Wie auch immer es ihm gelang, die letzten zwei Schritte torkelte er allein voran und fiel auf die Knie, musste sich abstützen, um nicht mit dem Gesicht aufzuschlagen. Er spürte mehr, wo er sich befand, schmeckte es in der Luft, einen leichten Geschmack nach Eisen auf der Zunge. Hätte er die Zeit gefunden, wäre das Staunen sicherlich groß gewesen, denn die Blässe, die er trug, kam allein vom eigenen Blutverlust, nicht davon, welches zu sehen oder zu riechen. Bei allem, was er gerade fühlte, Übelkeit war nicht darunter. Das war neu, aber auch das war ein Umstand, der erst viel später seinen Verstand erreichen sollte. Denn in dem Moment? Ja, in dem Moment war er mehr darauf aus zu überleben. Der Wille dazu war geweckt, und wurde heftiger, je mehr das Leben aus ihm wich.

Entfernt nahm er wahr, wie der andere betete, laut, stockend, aber unablässig. Er selbst hatte es zwischendrin versäumt weiter zu beten, der Geist war viel zu benebelt gewesen, nun setzte er wieder ein, erneut nur gemurmelt. Dann schrie jemand vom Altar her zu ihnen hinunter. Vage nur nahm er die Beleidigungen wahr darin, die Erniedrigungen. Was ihn aber tatsächlich erreichte, waren die leisen, im völligen Kontrast stehenden, freundlichen Worte in seinem Rücken. Hätte er die Kraft aufbringen können, vermutlich hätte er darüber noch gelacht – nicht etwa aus Gehässigkeit, sondern allein ob der Absurdität. Sie schienen so ungemein fehl am Platz zu sein.
Natürlich war ihm später klar geworden, dass es wohlmeinend war, was ihm zugeraunt wurde, es sollte ihn Anspornen, so wie es auch die Erniedrigung vom Altar her dies sollte. Irritierenderweise schürte aber gerade die Fürsorge darin, die Freundlichkeit daran, seinen Zorn. Es rief Erinnerungen wach, an seine überfürsorgliche Mutter, aber auch an jemanden, der erst kürzlich in sein Leben getreten war, mit viel Radau im Grunde, überragender Hartnäckigkeit, mit einem Überschwang an Gefühl für ihn, das er noch immer nicht ganz begriff – und mit einer Fürsorge, die der seiner Mutter zuweilen so ähnelte, dass es ihn zum einen wohl tat, zum anderen aber auch richtig zornig werden lassen konnte. Und dieser Zorn war es, der nun hochkochte, ausgelöst von einem unwissenden frischgebackenen Catulus, der eigentlich nur sein Bestes wollte.

Seine Stimme gewann an Kraft, auch wenn er nach wie vor nicht laut wurde, nicht so wie sein älterer Bruder im Geiste, der die Worte inzwischen herausschrie. Aber darauf kam es nicht an, da war er sich aus irgendeinem Grund sicher. Die Angst begann zu weichen, sie trat in den Hintergrund, je mehr der Zorn wuchs, je mehr er davon hervorholte und für sich nutzte. Er drückte sich langsam auf, in den Stand, erhob sich aus all dem Blut in dem er hockte. SEINE Anwesenheit spürte er schon davor. Er spürte seine Aufmerksamkeit kommen und weichen. Nun kehrte sie zurück. Erst langsam, aber dann mit aller Macht. Die Schwäche des Körpers wich, sie wurde angefüllt von Kraft, von einer Macht, die er zuvor nie hatte spüren dürfen. Es war, als hätte ihn ein tosender Feuersturm gepackt, als brandete dieser durch ihn hindurch, um alle Schwäche mit aller Macht zu verbrennen, auszuräuchern und zu ersticken, atemraubend, zutiefst erfüllend und bei aller durchgemachten Pein so unendlich lindernd, wie kühles Wasser auf erhitzter Haut. Es heilte, nicht nur die Wunden an den Armen, es heilte auch von innen.

Es war ein Moment, an dem er nichts mehr um sich wahrnahm, niemanden sonst mehr, außer IHN, den All-Einen, Alatar, dessen Namen er nun aussprechen durfte. Es war wie eine zweite Geburt, wie ein Fallen in SEINE Pranken, ein Aufrichten aus eigener Kraft, gewahr werden des eigenen Willens, der mehr vermochte, als er je gedacht hatte. Es war ein Moment, der ihm allein gehörte, und er genoss ihn zutiefst, sog es in sich auf und wollte den kostbaren Augenblick verwahren, immer.

Erst danach verließ er das Becken, hörte, wie der andere es ebenfalls tat. Sie hatten es beide geschafft. Gut. Noch ein Aspekt, der ihm innere Zufriedenheit verlieh, ihn mit Stolz erfüllte. Nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf den anderen, denn sie waren den Weg zuvor und auch hier gemeinsam gegangen, auch wenn sie ihn allein hatten bestehen müssen, jeder für sich. Natürlich war das ein Eingeständnis daran, dass ihm eine gewisse Verlässlichkeit gefiel, auf die er bauen konnte.

All das veranlasste ihn im Anschluss zu warten, alle anderen gehen zu lassen, und zu warten, bis auch die Clerica ihre Gebete beendet hatte, und sie um ein Gespräch zu bitten. Denn in einem hatte da jemand Recht gehabt. Es verhalf ihm zu mehr, wenn auch vielleicht nicht so, wie sie sich das dachte. Letztlich spielte das „Wie“ aber keine Rolle, sondern nur die Tatsache, dass es so war.
Nachdem das Gespräch für die kommenden Tage ausgemacht war, verließ er die heiligen Hallen der Tempelruine. Das nachfolgende Gespräch mit den beiden anderen Vicarii half, um zumindest die ersten Gedanken aufzuarbeiten, auch wenn er sich da selbst stiller gab als üblich, weniger eifrig. Das lag aber wohl mehr daran, dass er diese Kraft, diese Macht, noch immer in sich toben spürte und sich ein daran gewöhnen nicht einstellen wollte.

Die Nacht verbrachte er tatsächlich in den Katakomben des Tempels. Nicht etwa auf der Pritsche schlafend, sondern im kleinen Saal der Andacht, wo sie auch gelegentlich Unterweisungen erhielten, bemüht darum sich zu sammeln, das erhebende Gefühl zu seinem zu machen, die Kraft zu spüren und zu einem Teil von sich werden zu lassen, die Gedanken zu sortieren, und alles noch einmal für sich Revue passieren zu lassen.

Ja, er wäre gerannt, hätte er es vorher gewusst. Jetzt? Würde er wieder davorstehen, bliebe er, und würde erneut kämpfen. Jetzt hatte er das Gefühl eine echte Wahl zu haben, frei zu sein zu entscheiden, frei zu sein im Gedanken und Willen. Frei zu sein von der Todesangst, die ihn bis hierher im Grunde begleitet hatte. Womöglich sogar frei zu sein von den Albträumen, die diese Angst begleitete. Er hoffte es. Denn vor was musste er sich noch fürchten, wenn ER an seiner Seite war?


Verändern ist unvermeidlich, wachsen ist eine Wahl.
(Unbekannt)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 30 Aug 2020 11:35    Titel:
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Im Beurteilen der Gesinnung der Menschen und in der Beobachtung der
Entwicklung der Dinge muss man erfahren sein, muss man tief blicken.
(Lü Bu We)


Diese Stille, die fehlenden Rufe der Tiere, vor allem aber der der Vögel am Morgen, machten ihn zunehmend unruhig, auch wenn er sich bemühte, es nicht nach außen zu zeigen. Nicht für die anderen, auch für sich selbst, zwang er sich die nötige Ruhe und Fassung zu bewahren, dem Tagewerk nachzugehen und nicht den Kopf zu verlieren. Schwer, aber er fand Ablenkung in dem ein oder anderen. Zum Beispiel in denen, die neu in den Westen fanden. Es waren derzeit einige und er konnte zumindest mal von sich behaupten, dass es ihn freute, dass endlich mehr Leben in die Region kam, auch wenn ihm bewusst war, dass es Arbeit bedeutete, sie zu halten.
Wie es oft dabei war, gab es ein paar darunter, die etwas verrückt daherkamen und manch einem Nerven kosteten, und dann wiederum die, die sich direkt unscheinbar einfügten, und irgendwo dazwischen die verschiedenen Grautöne von recht harmlos bis hin zu denen, die man im Auge behalten sollte. Letztere schienen aktuell ein wenig Oberwasser zu haben. Und manch einer amüsierte ihn davon im Stillen zutiefst. Zwischendrin einmal fragte er sich, ob er gerade überschätzt oder unterschätzt wurde, und befleißigte sich selbst darin, es im Gegenzug bei seinen Gegenübern nicht dazu kommen zu lassen, indem er den Lehren folgte, die er ganz zu Anfang als Catulus verinnerlicht hatte.

Was ihm ebenfalls ablenkte, war das Gespräch in der Taverne am Nachmittag. Er hatte sich getraut das Wort Ehre fallen zu lassen und nun saß er vor seinen Notizen, die er hatte mitschreiben können. Es war zwar nicht viel dabei rumgekommen, weil sie unterbrochen worden waren in der Diskussion, aber wenigstens ein paar Eindrücke waren da.
Wie zu erwarten, ging die Meinung ab von der Tugend Temoras. Da gab es sehr deutliche Worte, die gegen sie sprachen, sie abwerteten, als Unnütz deklarierten, dann wiederum ging es um die Frage, welche Ehre denn genau gemeint war, die persönliche Ehre, wenn man so wollte, oder jenes ehrenhafte Verhalten, das andere bewerteten?
Die Aussicht mehr zu erfahren, stimmte ihn zufrieden, auch wenn das noch warten musste. Geduld. Da war sie wieder. Wie gewünscht, würde er sie aufbringen, bis die Zeit dazu da war, darüber in Ruhe unter vier Augen zu sprechen. Ihm war an einem Direktvergleich zur Tugend gelegen.

Gleichzeitig war ihm bei dem Aufenthalt in der Schenke aufgefallen, wo er sonst noch etwas zu tun hatte. Zu lange sollten sie vermutlich nicht warten den Neuzugereisten die hiesigen Gepflogenheiten beizubringen, zumindest in Teilen. Möglicherweise führte das sonst zu unerwünschten Nebeneffekten. Er hatte sich in der Tat erlaubt ein geringfügiges Wagnis einzugehen. Überschaubar. Und in dem vollen Bewusstsein, dass er nachlässig werden sollte in seinen Beobachtungen.

Wann war er selbst eigentlich so misstrauisch geworden? Es musste sich langsam eingeschlichen haben, denn er erinnerte sich noch gut daran, wie er auf Gerimor ankam. Gutgläubig, blauäugig, ganz bestimmt an mancher Stelle viel zu vorlaut und zu wenig zurückhaltend, strebsam, und von Angst geplagt.
Die Angst war nicht vergessen, aber inzwischen hatte er sie gut im Griff, immerhin. Sie überrollte ihn nicht mehr so gnadenlos, wie nach dem Schiffbruch. Vielmehr verstand er es allmählich sie für sich zu nutzen, zu wandeln. Gutgläubigkeit und Blauäugigkeit waren ebenfalls verschwunden, einem Misstrauen gewichen, das ihn zuweilen noch befremdete, aber dennoch von Nutzen zu sein schien. Ehrlich zu sich selbst, gestand er sich ein, noch immer vorlaut zu sein, aber er bildete sich ein, sich auch darin gebessert zu haben und sich oft, wenn auch nicht immer, vorher zu überlegen, ob er sich das nun leisten wollte oder nicht. Es war ganz bestimmt ausbaufähig, aber ein Anfang war immerhin da.

Aber nicht nur die Ausbildung brachte große Veränderungen mit sich. Das tat auch sein Privatleben. Irgendwie hatte sich alles auf den Kopf gestellt und dezent anders entwickelt, als er es so für sich erdacht hatte. Ganz dezent. Also eigentlich völlig anders.
Seit er auch das in die richtigen Bahnen gelenkt hatte, fühlte er sich besser, deutlich zufriedener mit der Situation. Glücklich? Vielleicht erlaubte er sich das noch, wenn es Zustimmung fand. Im Moment hielt er sich zurück damit, verweigerte es sich noch selbst, getreu dem Motto: Investiere nicht jetzt schon alles oder gar zu viel, wenn es doch heißen könnte, das muss ein Ende haben.

Und wenn es so kam? Dass es ein Ende haben musste? Dann würde er gehorchen. Da gab es keinen Zweifel und nichts dran zu rütteln, denn seine erste Aufmerksamkeit galt dem All-Einen, dem Wunsch Ihm zu dienen, und danach folgte lange Zeit erst einmal nichts. Daran hatte sich nichts geändert. Wobei, nein, auch da hatte sich viel getan. Sein Wille dazu war deutlich gewachsen, war größer geworden, stärker, ausgreifender. Auch hier hatte er sich verändert, weiterentwickelt, und war noch lange nicht an dem Punkt angekommen, an dem er sagen könnte, dass er schon zufrieden war.
Konnte er da je zufrieden sein? Vermutlich nicht, aber er konnte sich der Zufriedenheit weiter annähern. Da verhielt es sich ähnlich wie zur Perfektion, nicht wahr?

Was er sich selbst verwehrte, gönnte er dafür von Herzen denen, die gerade zueinanderfanden, oder wo sich die Bande stärkten. Es war eine Wohltat das zu sehen, fast wie Balsam, zumal er ebenso beobachten konnte, was daraus erwachsen konnte und sogar schon begonnen hatte zu entstehen. Natürlich konnte er es sich nicht verkneifen, hier und da ein wenig zu sticheln. Vielleicht war das die kleine Rache dafür, dass man ihn am Anfang so getriezt hatte. Zwar mochten das andere gewesen sein, aber ihm wurde auch bewusst, dass es ihm schon irgendwie einen perfiden Spaß bereitete, hier und da ein klein bisschen Verlegenheit zu verbreiten.
Natürlich war er auch hierbei wieder in einen Fettnapf getreten, der für beide Füße reichte. Die Einsicht brachte ihn dazu klärende Gespräche zu führen und dann war es zum Glück auch wieder gut. Und was lernte er daraus? Es sollte bestenfalls wohldosiert sein. Noch eine Übung auf der Liste der unzähligen Dinge, die er zu schulen hatte.

Darüber hinaus hatte er dafür gesorgt, sich auf das Kommende vorbereiten zu können. Die neue Aufgabe. Ob er sie nun allein oder gemeinsam mit den anderen beiden bewältigte am Ende, er war neugierig und gespannt darauf. Ein Teil in ihm war regelrecht aufgeregt, wie der Jugendliche, der noch immer irgendwo in ihm steckte, wenn auch nicht mehr in der gleichen Heftigkeit, wie zu Anfang noch. Das sorgte natürlich darüber hinaus dafür, dass er sich schwer tat mit der Geduld, die er dafür aufbringen musste. Hier ging es um ein größeres Wagnis. Es klang nach einer Herausforderung. Nach etwas, was nicht an einem Tag erledigt war, nach etwas, an dem er länger zu tun hatte. Also würde es sicher Tage geben, wo sie gemeinsam loszogen, aber auch eben die, wo jeder für sich sein Glück versuchte.

Seine Mutter würde sich vor Angst um ihn die Schürze zerknüllen und ihm in den Ohren liegen. Mit einem flüchtigen Stirnrunzeln bemerkte er, dass er keine Rückantwort von Fjore erhalten hatte. Vielleicht sollte er nochmals schreiben und von den neusten Entwicklungen erzählen?
Gute Idee. Also nahm er am Schreibtisch Platz, nur wenig später, und begann zu schreiben, was ihm in den Sinn kam. Dass er danach nochmal alles neu verfassen würde, war ihm eh klar, denn restlos alles, was da zu lesen war, durfte er nicht erzählen. Die Erstschrift wurde dementsprechend nachdem die Zweite fertiggestellt war, sorgsam vernichtet. Die Zweite gab er einem Boten mit, in einem wachsversiegelten Umschlag mit genauen Instruktionen. Danach hieß es wieder warten und hoffen.


Jeder Tag ist ein Wagnis und wird dadurch erst lebenswert.
(Aristoteles)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 01 Sep 2020 10:59    Titel:
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Wer vergessen ist, ist zeitlos.
(Gregor Brand)


Spätestens jetzt sollte jeder noch so arme Tropf bar jeden nennenswerten Verstandes begriffen haben, dass es alle betraf, gleich welchen Glaubens, gleich welcher Existenzberechtigung, ganz gleich welcher Herkunft, Alters oder was auch immer die Rassen und Völker Ala’thairs für sich als Ausprägung in Anspruch nahmen.
Spätestens jetzt sollte jeder noch so arme Tropf bar jeden nennenswerten Verstandes begriffen haben, dass es keiner Seite alleine gelingen würde, hier zu bestehen, sondern alle gemeinsam dem gleichen Feind gegenüberstanden, den es zu bezwingen galt, ob nun in Einheit gefochten wurde, oder jede Seite für sich die Wege dafür auf sich nahm, die sie zu beschreiten bereit waren.
Spätestens jetzt sollte jeder noch so arme Tropf bar jeden nennenswerten Verstandes begriffen haben, dass alle anderen Fehden, die auf dieser verdammten Welt existierten, nichts zählten für den Augenblick, denn wenn dieser neue, alte Krieg, nicht endlich ein Ende fand, und das mit dem Sieg auf der Seite derer, die Ala’thair bevölkerten und diese Welt ihr Heim nannten, dann gab es nichts mehr auszufechten. Nichts. Weder die Götter, die Bevölkerung, noch die Welt selbst.

Bei allem Vertrauen in den All-Einen fraß die derzeitig empfundene Hilflosigkeit der Gesamtsituation gegenüber sich unweigerlich Bahn bis ins tiefste Mark. Er glaubte, dieses Gefühl trug inzwischen jeder mit sich, der halbwegs intelligent war und die Augen vor allem verschloss, was vor seiner Nase passierte. Konnte man hier noch die Augen verschließen? Nein, das war nicht mehr möglich.

Den größten Teil dieses schicksalsvollen Tages war er dem Tross schweigend gefolgt, hatte das Reden den anderen beiden Vicarii überlassen, die ihre Erfahrungen in anderen Schlachten bereits gesammelt hatten. Nur einmal war er vorgeprescht – als das Knirschen offenkundig aus der Richtung der Tempelbibliothek kam, kurz bevor ein allzu deutliches Beben das ankündigte, was er befürchtet hatte. Als er dort ankam, fand er sich kristallinen Kreaturen gegenüber, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Spinnenwesen, Skorpione, Golems, Funken? Es wirkte wie Nachbildungen der hier existenten Monstrositäten, als bräuchten sie ein Vorbild um daraus ein Abbild zu schaffen. Der Gedanke hielt nur kurz, denn er war nicht allein losgelaufen und ließ nun die Kämpfer an sich vorüberziehen, konzentrierte sich mehr auf den Erhalt derer Leben und rief die in sich ruhende und durch Ihn gegebene Kraft an zur Unterstützung der Streiter. Weiteres Denken war zurückgestellt für den Augenblick, den der Kampf währte.
Ein Riss klaffte zwischen Bibliothek und Tempel. Das Gotteshaus hatte Schaden genommen. Außen waren Säulen weggebrochen, das Dach war in Mitleidenschaft gezogen. Ein Blick ins Innere versprach vorerst, dass dort alles in Ordnung war. Trotzdem gab er sich in diesem Moment nicht der Illusion hin, dass es von Bestand bleiben würde.

Und selbst wenn er diese versucht hätte aufrecht zu erhalten, spätestens als er Berchgard sah, einige Zeit später, wäre sie dahin gewesen, nachhaltig. Auch als sie hier angekommen waren, hielt er sich mit Äußerungen vollständig zurück, verzog aber hier und da missbilligend die Mundwinkel über das ein oder andere, was ihm zu Ohren kam. Er behielt für sich, was ihm aufstieß, war das doch in dem Moment eher zweitrangig, denn vor ihnen auf den zertrümmerten Mauern Berchgards erschien ein Rauchwesen. Auch wenn es für all das stand, gegen das sie kämpften, hatte es etwas Faszinierendes an sich.


Über all den Lärm, die so viele Völker auf einem Flecken machen, bemühte er sich der Kreatur zuzuhören, nur um am Ende festzustellen, dass es nichts verriet, was sie nicht schon wussten. Nichts, außer, dass es von einer Vollkommenheit sprach, die ihn sehr flüchtig aufmerken ließ. Es fügte sich einfach hinzu zu dem Rest an Informationen, die er hatte, wie ein kleines Puzzleteilchen, von denen noch so unendlich viele zu fehlen schienen.
Und dann warf sie eine erneute Welle kristalliner Kreaturen den Streitern entgegen, trennte Ost von West nach Süd und Nord und trieben alle auseinander. Nur mit großer Mühe ließ sich die Gruppe zusammenhalten, während sich eine kleinere abspaltete, begleitet von ihr. Nicht weit genug, also wurde zu weiterem Rückzug gedrängt. Das erste Mal, dass er den Mund aufmachte dazu. Unmöglich sie hier zu schützen, denn neben den Kreaturen entluden sich unzählige Blitze, rot, wie die Farbe der Kristalle, um sie herum.

Es war nicht nur Berchgard gefallen. In Rahal hatte sich ein tiefer Riss aufgetan, ebenso davor an der abseits gelegenen Schenke hinter der Brücke. Vor den Toren der Stadt waren Gardisten gefallen, und es hatte im Grunde gerade erst begonnen.
Mit einem Gefühl der Unruhe war er heimgekehrt, gar schockiert über das Ausmaß des Gesehenen. Tatsächlich hielt er Grenzwarth aktuell für sicherer als Rahal selbst, das allein war schon für sich genommen absurd genug, denn die Stadt war befestigt. Und im Grunde genommen war niemand mehr irgendwo sicher.


Im Verneinen ist kein Leben, sondern bloß
Verschlechterung, Zerstörung und Tod.
( Orison Swett Marden)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 11 Sep 2020 12:44    Titel:
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Das Leben ist Abwehr –
wehre ab, was dich aus deinem Pfade drängen,
aus deiner Gedankenwelt locken,
was dir etwas von deinem Sein stehlen will.
(Levin Schücking)


Seit etwas mehr als einem halben Jahr spitzte sich die Lage zunehmend zu. Gefühlt war viel mehr Zeit vergangen, vermutlich, weil sich die Dinge zu Anfang, bei seiner Ankunft hier auf Gerimor, etwas überschlagen hatten und die Entwicklung danach sich sehr zäh gestaltete. Das galt insbesondere für die Lösungsfindung des Problems am Himmel, wie inzwischen auf Gerimor selbst – und wer wusste schon, wo sonst noch. Da Gerimor nun einmal näher lag, als der Rest der Welt für den Moment, beschränkte sich seine Gedankenwelt erst einmal hierauf. Wurde hier eine Lösung gefunden, galt sie für überall und konnte weitergegeben werden im Zweifel. Fand sie jemand auf dem Festland, so hoffte er, dass diese sie noch rechtzeitig erreichte.

Der Tempel in Rahal war eingestürzt, dem Riss im Erdreich und den roten Kristallen zum Opfer gefallen. Auch wenn es mit Risiken verbunden war, fragte er sich, wie es unterhalb der Stadt aussah und war versucht dieses erneut auf sich zu nehmen, die Gänge zu betreten. Schattenwinkel war auch schon betroffen, auch wenn es dort noch keine Schäden an Bauwerken zu vermelden war. Dennoch konnte man die Ausbreitung dort nicht einfach missachten.
Der Einfall von seinem Bruder im Glauben und seiner guten, wenn nicht gar besten Freundin hier auf Gerimor, gab zu tun und erneut einen kleinen Keim von Hoffnung, dass dies vielleicht helfen könnte, um zumindest gegen etwas zu bestehen von all dem, was ihnen gerade entgegenschlug. Und es brachte neue Gedankengänge hervor, während der Gespräche, die geführt wurden.

Jetzt, da der Gedanke geboren war, wälzte er ihn hin und her in seiner eigenen kleinen Gedankenwelt. War es vielleicht wirklich möglich, dass sich die Schlüssel dort verbargen oder vielmehr, dass die Schlüssel nicht das waren, was sie zuvor geglaubt hatten, sondern etwas ganz anderes, oder sogar viel mehr als nur bloße Schlüssel?
Eigentlich schien es ihm überhaupt nicht abwegig. Und es hatte niemand gesagt, dass es sich um Gegenstände handelte, oder? Es wurde nie definiert, wovor der Weltenverschlinger sich genau fürchtete, nur dass es „Etwas“ gab, wenn er sich recht entsann. Etwas, das in fünf Teile geteilt wurde, wodurch ein jeder direkt von Gegenständen ausging, in denen sich die Schlüssel verbargen.

Es war einer dieser Momente, wo er sein Notizbuch vermisste, auch wenn er die Mär darin nicht aufgezeichnet hatte. Er zwang sich zur inneren Ruhe und führte sich das Erzählte nochmal vor Augen. Der einstige General hatte das gestohlen, was dem Nichts Zugang zur Welt Ala’thair verwehrte, wenn es zum Einsatz kam. Er hatte es aufgesplittet in mehrere Teile. Waren es überhaupt fünf? Oder hatte er sich die fünf nur eingebildet? Vielleicht waren es auch weit mehr? Mehr bestimmt.
Der General wollte selbst nicht zum Schlüssel werden und hat sich selbst entzweit, richtig? So lautete es doch? Also hatte ein Teil einen Splitter bei sich, der andere nicht. Wenn er selbst ein Splitterträger war, dann hatte er gewiss die anderen den Fähigsten gegeben, die er von der Welt Ala’thair kannte. Den Mächtigsten. Sie hatten es nur alle vergessen. Denn dafür hatte er ja bekanntlich gesorgt.

Ganz langsam weiteten sich seine Augen. Der Gedankengang war womöglich gar nicht verkehrt! Die Frage war nicht, wie sie die Splitter finden konnten, sondern wie sie die Erinnerungen wiederherstellen konnten! Die Lösung lag nicht bei den Splittern selbst, sondern bei den verfluchten Erinnerungen der Besitzer, die der General genommen hatte.
Splitter. Von unbekannter Anzahl. Das Rauchwesen hatte vier von den Göttern aufgezählt und andere unbeachtet gelassen. War das ein Hinweis, versteckt oder offensichtlich dargelegt? Waren die Genannten ein Teil davon oder die Nichtgenannten? Vielleicht auch alle?
Wenn dem so war, war eine Zusammenführung vermutlich nicht möglich, aber würde die Gegenpartei ihren Teil dem General übergeben? Auch unwahrscheinlich. In ihrer Engstirnigkeit und in ihrem unendlichen Hochmut hielten sie sich ja ohnedies schon für die alleinigen Weltenretter und lehnten weiterhin jede Zusammenarbeit ab. Enervierend, anstrengend, destruktiv, wenn nicht gar zerstörerisch. Irrsinnig, denn eigentlich wollten sie doch alle das gleiche! Zumindest dieses eine Mal!

Bei Alatar, es erschien alles so logisch! So… einfach! Wer bitte überdauerte denn eine Zeit von 1500 Jahren, wenn nicht die Götter und ihre Herolde? Es machte allein schon deshalb mehr Sinn, sie dort zu belassen, als anderswo, weil diese Kreaturen des Weltenverschlingers und des Nichts überall suchten, ungesehen, unentdeckt, seit mehr als 1500 Jahren. Allerdings musste sie etwas massiv aufgescheucht haben, dass sie ausgerechnet diesen Zeitpunkt gewählt hatten, um endlich zur Tat zu schreiten. Was also übersahen sie noch immer?
Er saß bestimmt eine geschlagene Stunde am Schreibtisch, den Kopf an der Stirn auf seine Handballen gestützt, die Augen geschlossen, und grübelte hin und her und wieder zurück. Der Verschlinger, das Nichts hatte sich damals zurückgezogen mit seinen Armeen von Kreaturen, aus Angst vor dem, was der ehemalige General gestohlen hatte. Was hatte sich verändert, die Angst verschwinden lassen? Die Tatsache, dass sie genug Beweismaterial zu den früheren Kämpfen vernichtet hatten? Oder war da noch mehr?

„Komm schon Till“, murmelte er zu sich selbst und vergrub die Finger im Haaransatz oberhalb der Stirn. „Du kannst dich damit aufhalten, oder eine Lösung finden.“ Eine Lösung, die Erinnerungen zurückzuholen, um die Splitter zu finden. Womöglich kam Kra’thor nicht so einfach dazu sie zurückzugeben, denn er musste sich den Worten des Rauchwesens nach auf der Flucht befinden und sich verborgen halten.
Was half denn bei Amnesie beim Menschen? Das Aufsuchen alter Orte womöglich, was noch? Oh, womöglich hatte der All-Eine seins in Nileth Azhur versteckt? Wenn es so wäre, und man davon ausging, dass jede Gottheit sein Reich hatte, wo könnten die anderen dann wohl sein? Und wie könnte man an diesen gelangen? Selbst dorthin zu gelangen hielt er für Utopie oder auch Blasphemie, außer die Raben wüssten eventuell einen Weg. Sterben war irgendwie eine etwas unpassende Option. Aber vielleicht gab es ja eine Möglichkeit? Dem wollte er nachgehen, fasste er den Entschluss. Was war das Leben schon wert ohne gewisse Risiken einzugehen. Wer sich davor scheute, erreichte nichts. So viel hatte er inzwischen gelernt. Und Stagnation war vom Glaubensprinzip her schon keine Option.
Es dem Älteren überlassen ständig neue Ideen ins Feld zu werfen, wollte er auch nicht. Und diese schien eine sehr interessante Möglichkeit zu sein, etwas mehr in Erfahrung zu bringen. Vielleicht ja sogar eine gangbare, das blieb abzuwarten.


Leben ist Trieb, Wille, Flamme, Angriff.
(Oswald Sprengler)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 26 Okt 2020 15:15    Titel:
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Die Freiheit kann nicht untergehen,
solange Schmiede Eisen hämmern.
(Ernst Moritz Arndt)


Es waren einige Gespräche erfolgt. Er war nicht bei allen dabei gewesen, weder zu Anfang, noch zum Ende, einfach weil es die Zeit nicht zugelassen hatte hier und da. Dennoch verfolgte er das Treiben um die geborene Idee mit Interesse, auch wenn er hier und da Bedenken hatte, und die auch geäußert hatte.
Allen Berichten nach wäre ein Schlag gegen die Kristalle in der Retoure sehr schmerzhaft, ob sich das hier nun anders verhalten würde, musste sich erst noch erweisen. Allerdings hoffte er darauf, dass das, was entstehen sollte, vielleicht gegen irgendeine Sorte der üblen Kreaturen eine Wirkung zeigte. Und wenn es nur irgendeine Wirkung zeigte, die in welcher Form auch immer als positiv oder erfolgreich zu bewerten war, hielt er das allemal für einen glorreichen Fortschritt. Zweifelsohne wäre das sehr zu wünschen, für alle, für Ala’thair selbst.

Nach dem Experiment der Rashar, von dem ihm durch Ryl’xarul in groben Zügen berichtet wurde, da er nicht alles mitbekommen hatte, hielt er selbst es für fragwürdig, ob der Hammer etwas gegen die Kristalle ausrichten würde, außer dass es einen derben Rückschlag gab. Bei der Menge an Kristallen war es darüber hinaus fraglich, ob der eine Hammer eine Lösung darstellte. Über den letzten Zweifel allerdings schwieg er, wollte er doch nicht gleich alle Hoffnung zunichtemachen, die sie alle hegten. Für irgendwas würde die Waffe zu nutzen sein, daran hielt er hoffnungsvoll fest. Für was genau, mussten sie wohl eben einfach herausfinden. Womöglich hatte Cailen da auch schon seine Gedanken und Ideen zu, oder vielleicht die kleine Schwester.

In der Zwischenzeit zermarterte er sich selbst das Hirn, was sonst noch machbar sein könnte, was half, was irgendwie voranbringen könnte und er stolperte immer wieder über die eigene Idee mit einem Ritual ganz anderer Art und Zielrichtung, aber er verwarf sie auch immer wieder genauso schnell vor lauter Unsicherheit, ob das überhaupt Sinn machte oder irgendein Vorankommen versprach. Vielleicht war das Risiko zu hoch? Aber konnte es das sein, wenn es doch um alles oder das Nichts ging?

Wie oft hatte er nun am Fenster gehockt, sich die Landschaft draußen angeschaut und war in Tagträumen versunken, die davon erzählten, dass alles überstanden war? Der Feind besiegt, das Nichts vernichtet oder fortgestoßen für immer? In Träumen ist so etwas immer so unendlich einfach, die Realität, die ihn immer wieder einholte, sah da leider ganz anders aus. Diese ganze Situation überforderte ihn zunehmend, auch wenn er stets bemüht war, nach außen hin anders zu wirken – weniger für sich, als mehr für die Gläubigen, um ihnen Halt und Zuversicht zu bieten, auch wenn er selbst davon wenig in sich spürte. Das Einzige, was ihm ebenso Halt gab, war der Glaube, an dem er festhielt, dem er folgte, der All-Eine und seine spürbare Präsenz, wenn er sich nur darauf konzentrierte.

Wie es in solchen Zeiten vermutlich immer so ist mit den Menschen, hoffte er tief in seinem Innern auf einen Wink vom Göttlichen selbst, ging er doch davon aus, dass jener wusste, was zu tun war. Er glaubte fest daran, allein schon deshalb, weil er den Glauben an einer selbst zu findenden Lösung langsam verlor, egal wie viel Informationen gesammelt wurden. Natürlich sprach da die Verzweiflung aus ihm, und ja, er versuchte jene beiseite zu schieben, versuchte Zuversicht zu finden, sei es in dem Tun der anderen, oder wenn er seine eigene Idee hin und her wälzte und nach Verbesserungen suchte, oder nach irgendeinem Hinweis, dass es sich lohnte sie weiter zu verfolgen. Vermutlich fand er es aber nur heraus, wenn er sich an selbige heranwagte.

Dann kehrten die Gedanken zu dem Hammer zurück, der entstehen sollte. Er wusste, was vermutlich bald folgen würde. Er hoffte sogar sehr bald. Zeit wurde es. Da ihm vorerst nichts Besseres einfiel, bereitete er sich darauf schon jetzt vor, täglich, auf seine Weise.

Nebenbei arbeitete er ab, was er zu erledigen hatte und hin und wieder fand in sein Notizbuch hier und da ein Vermerk in seiner üblichen Kurzschrift hinein zur eigenen Idee. Mal strich er sie wieder direkt durch, mal ließ er sie stehen, mal änderte er sie im Nachgang ab, ließ die alte Idee aber stehen zum Vergleich, und so zogen die Tage eben dahin, bis das Ritual zum Hammer endlich standfinden sollte.

Wenn nichts mehr half, dann sich an Glaube und Hoffnung zu klammern, oder es sich leicht zu träumen.


Die Hoffnung ist ein Wachtraum.
(Aristoteles)


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Till Angerlohe





 Beitrag Verfasst am: 07 Nov 2020 14:20    Titel:
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Zorn hilft nicht gegen Veränderung, und Wut nicht gegen Umbruch,
die Wandlung kommt, den Ärger kann man sich sparen.
(Gerd Peter Bischoff)


An und für sich fing der Abend regelrecht harmlos mit einer Versammlung an, die wenig Unerwartetes, aber viel Unschönes zu Tage förderte. Vorgänge auf dem Festland wurden dargelegt, bevorstehende Vorhaben in Rahal und Umgebung. Einzig die Zuversicht wollte ihn selbst nicht so packen, wie manch anderen, aber er bemühte sich, es für sich zu behalten und nicht nach außen zu zeigen. Und weil er nichts anderes zu tun hatte, außer zuhören, einige Notizen zu machen und einen einzigen Kommentar beizutragen, nutzte er die sonstige Zeit das Verhalten der Anwesenden zu beobachten. Nicht nur das, der ihm am Fremdesten, sondern auch das, der ihm bekannten Menschen und Verbündeter. Allerdings fand er auch hier wenig Überraschendes – auf dem ersten Blick.

Die sollte er erst später bekommen, nach der Versammlung, in dem vorderen Bereich des Axorns, als der Bruder im Glauben, die Maske buchstäblich fallen ließ und er vor ihm stand, wie ein – ja, wie sollte man das beschreiben? So rosig wie ein frisch gebadeter Säuglingshintern? Er kam nicht umhin, die Frage zu stellen, ob er gerade überall so aussähe und als dies bejaht wurde, war er hin und her gerissen zwischen Lachen, Faszination, überwältigender Irritation und Überraschung. Anmerken ließ er sich nur die letzten drei Gefühlschwankungen. Das Lachen verbiss er sich, denn er merkte durchaus sehr schnell, wie zornig es sein Gegenüber machte. Also nicht er, Till, sondern vielmehr die Situation an und für sich.

Dankbarerweise setzte der Letharf nach Aufforderung Maske und Helm wieder auf, denn es blieb zu vermuten, dass die anderen Letharen sich dieser Veränderung gegenüber auch nicht unbedingt positiv gegenüber verhielten.
Die erste Analyse? Ein Traum, der dem Ganzen vorausging und ankündigte, was ihm dann tatsächlich widerfahren war. Der Erste seiner Art, den er erlebte, der sich nicht unter Kontrolle hatte, was seine Emotionen anging, der Erste seiner Art mit rosiger Haut eines jungen Menschen, der Erste seiner Art, der eine Prüfung vom All-Einen auferlegt bekam, die es in vielfacher Hinsicht in sich hatte.
Till stellte Vermutungen an, und sobald es sich um Empfindungen handelte, die seinem Gegenüber nicht gefielen – naturgegeben – behauptete er, er hätte sie ausgemerzt. Nun ja, wohl nicht, nicht wahr? Da waren sie, direkt vor ihm, in all ihrer Vielfalt und Konsequenz. Es war… kompliziert, wie man so schön sagte.
Also wurde damit begonnen einige Empfindungen zu erläutern, ein kläglicher Versuch sie zu erklären, begreiflich zu machen, und zwar jemandem, der sich gegen all sowas grundsätzlich sperrte. Während des Gesprächs kam Till der unweigerliche Gedanke, dass das auch eine Lebensaufgabe sein könnte. Gleichzeitig fragte er sich, ob es der richtige Weg war.
So fiel am Ende sein Rat dergestalt aus, dass dein Bruder im Glauben zügig lernen musste die Gefühle zu beherrschen und nicht etwa versuchen sollte, sie auszumerzen – fürs Erste. Das ist der menschliche Weg. Irgendwas allerdings sagte ihm, dass sie danach zügig zum Letharischen zurückfinden müssten, denn er ging nicht davon aus, dass sein Gegenüber letztlich Mensch sein wollte, sondern das, als was er geboren worden war, ein Letharf durch und durch.

In einem war sich der junge Mann aber jetzt schon sicher: Dieser Anblick war für ihn persönlich ziemlich geschichtsträchtig und würde niemals wieder seine Erinnerungen verlassen, außer er fiele den roten Kristallen anheim und sie saugten es aus ihm heraus, wie die Mücke das Blut aus dem Menschen.
Was blieb, war die Preisfrage: Wie brachte man einem Letharfen Emotionen näher? Vor allem solch menschliche, wie Liebe, Zuneigung, Schmetterlinge im Bauch? Oder auch die ganz alltäglichen, die einem die Entscheidungen des Tages erschwerten? Gewissensbisse, Zweifel, Irritation, Unsicherheit.
Es gab noch zig Fässer voll mehr an Emotionen, die er nicht einmal selbst benennen konnte und sie alle machten einem ja gerne mal das Leben zur Hölle, wenn man es zuließ. Und jemand ohne Erfahrung im Umgang damit? Oder jemand, der nicht wusste, wie man sich geübt in Verdrängung übte, oder wie man diese Emotionen einfach hinnahm und trotzdem entschied? Der konnte schon mal einfach stehen bleiben und Bauklötzchen staunen.

Auf dem Heimweg gönnte er sich trotzdem ein Grinsen. Säuglingsrosane Haut, überall. Und die Vorstellung, dass selbiger wie ein Kleinkind vor einer eigentlich geringfügigen und harmlosen Entscheidung stand und Bauklötzchen staunte, drehte und wendete. Irgendwie hatte dieses Bild etwas… so Suspektes, dass es in ein Possenstück gepasst hätte.

Nein, da war etwas, was der Letharf nicht verraten hatte. Was er partout verschwieg. Möglicherweise war es ihm peinlich, oder nicht bewusst, oder er hatte es verdrängt, oder er verbat sich hinzusehen. Aber wie in allem, da war sich Till sicher, lag die Lösung irgendwo da verborgen, wo es seinen Anfang genommen und sich fortgesetzt hatte. So war es auch in Geschichten immer.
Das wiederum ließ ihn zum Riss hinaufschauen. „Und bei dir ist das auch so. Verdammt sollen wir seien, wenn wir nicht dahinterkommen, wart’s nur ab.“


Aller Rätsel Lösung liegt im Kontext.
(Andreas Tenzer)




Zuletzt bearbeitet von Till Angerlohe am 07 Nov 2020 23:50, insgesamt 2-mal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 09 Nov 2020 16:56    Titel:
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Die Definition der Bewusstheit ist kurz gefasst folgende:
Die ständige Prüfung sämtlicher körperlicher und geistiger Zustände.
(Shantideva)


Wie weit darf man jemandem bei seiner Prüfung, die der Herr ihm auferlegt hat helfen? Eine Frage, die er sich seit ein bis zwei Tagen stellte. Er konzentrierte sich auf den Traum inzwischen und unterdrückte die Labilität seiner Gefühlswelt offenbar mit Rauschmitteln. Es kam einer Verdrängung gleich, um sich auf anderes zu fokussieren. War es nicht eher die Gesamtheit, die er sich anschauen sollte?

Das war das Problem, wenn man sich selbst für jung und unerfahren hielt. Vielleicht sollte er diese Eigenart abstreifen und in etwas anderes wandeln. Selbstvertrauen und eine gesunde Risikobereitschaft auch mal daneben zu treten, zum Beispiel. Wer nichts wagt, macht natürlich keine großartigen Fehler, allerdings lernte man auch deutlich langsamer und Erfahrungen ließen sich so auch nur mittelmäßige machen. Womöglich sollte er aus der Prüfung des anderen selbst eine Lehre ziehen, zu der es keine Aufforderung bedurfte, sondern einfach, weil er für sich erkannte, dass er sich davon etwas mitnehmen konnte, auch für den eigenen Weg.

Im Grunde war es recht leicht zu erkennen, worin die Prüfung bestand, fand er. Ein Traum voller widersprüchlicher und für einen Letharfen untypischer Emotionen, die Haut, die einem Menschen glich, seine zuvor häufig gesuchten Kontakte zu den Menschen, sein deutlich umgänglicheres Wesen… tatsächlich hatte er zwischenzeitlich einige menschliche Züge im Verhalten angenommen, wenn man es recht bedachte. Diplomatischer, weicher? Bei Alatar, das sollte er ihm besser nicht in der Form unter die Nase reiben. Zum einen, weil er das gar nicht missen wollte, und zum anderen war er sich sicher, dass da kein Rauschmittel mehr helfen würde, wenn man ihm derartiges ins Gesicht sagte.

Mit einer unwilligen Geste trieb er den Gedanken fort, griff stattdessen eine Orange und machte sich daran sie zu schälen. Der Duft, den das Obst dabei jedes Mal verströmte, wurde auch jetzt genussvoll durch die Nase eingesogen und sorgte gleich auch für eine entspanntere Haltung trotz der Gedankengänge, denen er folgte.

Wie gut waren Letharen wohl darin sich selbst zu betrachten, sich zu reflektieren, vor allem ganz und gar ehrlich zu sich selbst zu sein und ihrem größten Feind – sich selbst – zu begegnen? Während er so darüber nachdachte, stellte er fest, dass er eigentlich viel zu wenig über das verbündete Volk wusste. Möglicherweise sollte er das mal beizeiten ändern. Dann, wenn wirklich Zeit dafür übrig war. Also nicht jetzt, nicht während des Kriegs gegen diese Invasoren. Höchstens, wenn es sich zufällig ergab.

Nun zur Preisfrage: Wie bekam man einen Letharfen dazu auf sein Innerstes zu blicken, noch dazu einen letharfischen Templer? Wie schaffte man es am besten, dass er sich buchstäblich selbst gegenüberstand, um zu erkennen? Um was genau zu erkennen eigentlich? Genau, sich selbst, und zwar in allen Facetten, Emotionen, im ganzen Sein.
Vermutlich konnte man ihm dabei nur ein Stück weit helfen. Die Augen öffnen, musste er am Ende selbst. Und war es nicht sogar das, was Alatar ihm einflüsterte? „Blind.“ War das Wort, von dem er erzählte, nicht wahr? Also… so durchdacht klang es einfach, umgesetzt war es aber ungleich schwerer. Am besten wäre es doch, er bekäme sein Spiegelbild vorgesetzt, als Begleiter neben sich. So einer, der alles genauso gestaltete und tat, wie er selbst.

Es erinnerte ihn ein wenig an das alte Kinderspiel, womit sein Bruder ihn immer in den Wahnsinn getrieben hatte. Dieses schöne Spiel „Alumener sagen alles nach“. Egal, was er damals gemacht oder gesagt hatte, sein Bruder hatte ihn nachgeahmt in allem, bis ihm selbst, dem Jüngeren, der Kragen geplatzt war und es mal wieder blutige Nasen und danach brennende Hintern gab, weil der Vater sie erwischt hatte und es dann nochmal zusätzlich den Hosenboden voll gab.
Er gönnte sich einen kurzen Moment in der Vergangenheit und in Erinnerungen zu verweilen und grinste dümmlich vor sich hin, dann verzog sich das Gesicht schlagartig sorgenvoll. Er hoffte inständig, es ging ihnen allen gut, auch wenn die Berichte über Shevanor anderes vermuten ließen oder düstere Bilder heraufbeschworen.

Eines nach dem anderen und alles zu seiner Zeit, ermahnte er sich selber und schob beide Probleme beiseite. Vielmehr begann er damit sich der Schreibarbeit mal wieder zu widmen. Es wurde Zeit.

***

Letharf willst du sein? Erkenne dich selbst! Oder ist es doch der Mensch in dir, der dich mehr anspricht? Ist da Mensch in dir? Sag mir wer du bist.



Erkenne dich selbst und lerne damit zu leben.
Verdränge nichts.
(Andreas Tenzer)


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