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Der Pfad der Abenddämmerung
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Der Pfad der Abenddämmerung
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Aduial Lir'erthad





 Beitrag Verfasst am: 29 Mai 2020 16:03    Titel: Der Pfad der Abenddämmerung
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Das Zwielicht des Abends brach sich in rot schimmernden Fluten an den erhabenen Hängen der Ered Luiner Berge und tauchte sie in ein atemberaubendes Farbspiel aus dem roten Leuchten der herabsinkenden Sonne und den hohen schneebedeckten Gipfeln. Das sanfte Rauschen des Windes zog durch das grüne, geschützte Tal, dass von einem immerwährendem Frühlingstraum kündete. Der Gesang der Nachtigallen erhob sich zum harmonischen Duett mit den Weisen des Windes, um die heran brechende Nacht zu begrüßen – und mit ihr das Erklingen eines weiteren Seelenliedes, dass in den Weltengesang geboren wurde. Noch leise und zart erklingend, sollte es bald von Träumen, Hoffnungen und Sehnsucht erzählen und die Sinfonie der Eledhrim um eine weitere Strophe bereichern.
Stets mit dem Rhythmus des Liedes schwingend, ohne eine starke, eigene Akzentuierung in sich zu tragen oder auszubrechen, erklingt sie in jüngeren Jahren in einem höherem Allegro und schließt sich den unbeschwerten Kapriolen an, ehe sie in fortschreitender Weise dem gemäßigtem Tempus harmonisch anpasst.

Aduial Lîr'erthad – Kind des Überganges von Tag und Nacht, deren Haut und Haar den Glanz der Sonne in sich trägt und die azuritblauen Augen das Flüstern der sternenumwobenen Nacht.

Wie kann man Zeit messen, wenn man selbst dieser wenig Bedeutung beimisst?
Die Jahre verflogen im geschützten Tal, dass vom beständigen erquickenden Hauch des Frühlings erfüllt war. Das Tagwerk, dass keine mühsame Pflicht, sondern ein stetes, selbstverständliches Erkunden der Fähigkeiten war, die einem einen Pfad inmitten des Herzens des Volkes wiesen. Mühsal, Not und Gefahr waren ein Wort, dass natürlich bekannt war, denn trotz der geschützten Lage war das Volk des Fuchses nicht weltfremd oder gar kindlich naiv. Sie schützten sich nur, bewahrten ihre phanodaingefällige Lebensweise, die sie mit dem ersten Heraustreten aus dem Licht in sich trugen. Mit offenem, reinen Herzen lauschten sie dem weisenden Raunen der Sterne und wussten um ihre Aufgabe die Harmonie des Liedes zu bewahren...wussten um die Gefahren, denen sie sich mehr als einmal meisterlich zur Wehr gesetzt hatten...wussten um jene aus deren Augen der Glanz des Lichtes gewichen war. Es war nicht nötig sich wider der Vernunft mehr als nötig der Außenwelt zu öffnen, konnten sie sich doch autark versorgen.

Erstmalig nach wohl 100 Jahren näherte sich Aduial dem Rande des ihr endlos erscheinenden Nebelwaldes – sie war einem Trupp von Maethyr zugewiesen, die unter der kundigen Führung eines Taurandir der Lindil den Saum des Nuya'tan observieren sollte. Die Edain des jungen Menschenkönigreiches, deren Enklave vor Ort Lichtenthal genannt wurde, bereiteten dem Rat der Eledhrim Sorgen mit ihren immer wieder proklamierten Grenzansprüchen. An ihrer Seite war auch Silithim, ein gleichaltriger Ithron mit silbernem Haar und sternengleichen Augen, dem man oft eine impulsivere und abenteuerlustige Ader (in Elfenmaßstäben) nachsagte. Aduial sah auch jetzt, als sich ihre Blicke kurz in einer flüchtigen, aber unergründlich intensiven Begegnung trafen, dass der Glanz der Neugier in ihm erwacht war und er den Wachrundgang an die äußeren Grenzen des Waldes genoss. Auch wenn sie ihn stumm für seinen Übermut tadelte, so spürte sie jedoch etwas ansteckendes von ihm ausgehen...

Sie hatten den Überfall auf ihr Lager schon lange kommen sehen.

In einer gut geschützten Senke am Rande eines winterlichen Buchenwaldes hatten sie sich in die natürlich Begebenheiten eingefügt und dort wochenlang eine beobachtende Stellung bezogen. Der Camvaethol hatte diese Erkundungsmission angeordnet, um auf den nördlichen Festlanden Gerüchten ungewöhnlicher Vorfälle nachzugehen. Was der genaue Beweggrund für die Mission war – ob im reinen Eigeninteresse des Volkes oder auf Bitten von Verbündeten, wusste Aduial nicht. Aber es machte für sie auch keinen Unterschied. Es war die Anordnung des Camvaethol gewesen, der sie mit weiser Umsicht führte. Und ihr Auftrag war klar: Sie sollten hier unerkannt Informationen sammeln, ohne die unfernen Weiler der Edain mit ihrer offensichtlichen Präsenz zu stören. Ein nahe sprudelnder Bach versorgte sie mit frischem Wasser, während ihre heimischen Rationen den quantitativ sparsamen Ansprüchen ihres Volkes genügte. Fey'nalia, eine Yara der Lindil verstand es ihren Speiseplan selbst in diesen winterlich kargen Zeiten mit Abwechslung zu füllen. Doch ihr eingespielter Trupp verstand es auch längeren Entbehrungen zu trotzten.

Nach einigen Tagen hatten sie recht rasch von Angriffen von Goblinoiden und Orken gehört und ihre Witterung mit ihrer feinen Wolfsnase im Unterholz aufgespürt. Doch die Spuren waren ein paar Tage alt und sie schienen sich dem Buchenwald seit ihrer Ankunft nicht weiter zu nähern. Vieles war ungewöhnlich. Die Angriffe auf die bäuerlichen Weiler der Menschen folgten einer scheinbar ausgeklügelten Taktik an Intervallen und Vorgehen und der Blutzoll der erstgeborenen Kinder Eluives war bereits groß. Zudem warnte sie intuitiv eine innere Stimme, dass etwas Dunkles in der Ferne lauerte und ihre stille Ankunft bemerkt hatte. Die täglichen Erkundungen wurden oft in der Gestalt der Seelentiere durchgeführt, auch wenn sich vor allem die Lindil in ihrer Truppe darauf verstanden sich den Blicken der Landbevölkerung zu entziehen. Normalerweise preschte sie frei und ausgelassen durch Wälder und Auen und genoss es an der Seite ihrer Gefährten und ihres Seelengefährte Silithim dem Wolf in ihr freien Lauf zu lassen – er hatte diese Seite in ihr geweckt oder doch eher zum Vorschein gebracht. Ein Silberwolf und einer mit ockerfarbenem Fell, Teil ihres Rudels. Doch bei dieser Mission legte sie dem Wolf die Zügel der Vernunft an, denn ihr Fell sträubte sich – etwas stimmte hier nicht. Silithim hatte ihre beunruhigten Gedanken gespürt und auch ihre daraus resultierende Vorsicht und Mahnung zur Vernunft, doch es schien ihn manchmal dazu anzustacheln ihr ergänzender Gegenpart zu sein. Wo sie die Stimme der Vernunft in ihrer jahrzehntelangen, erst zart gewachsenen und nun tiefen Verbindung war, da war er die Ausgelassenheit. Wie zwei sich umdrehende Planeten in ihrem eigenen kleinen Universum hielten sie sich in der Waage und bereicherten das Leben des anderen auf eine existentielle Weise, die mit Worten kaum zu beschreiben war. Sie teilten Hoffnungen, Sorgen und Gedanken, ohne sie aussprechen zu müssen und es kam ihnen nie in den Sinn, wie es wohl sein würde ohne den anderen zu sein...

Sie hatten den Überfall auf ihr Lager schon lange kommen sehen.

Die Anzeichen und Spuren, die sie verfolgt hatten wiesen auf die Ausläufer der Berge hin – dort mussten die primitiven Geschöpfe ihren Unterschlupf haben. Sie hatten sich dem vermuteten Standort nicht weiter genähert, denn sie sollten nicht unnötig intervenieren. Doch es galt noch das Geheimnis zu lüften, was diese Angriffe zu einem Besonderen machte. Etwas schien sie zu lenken.
In der vierten Woche griffen sie an.

Das Getrampel im Wald war unüberhörbar. Äste brachen und das Unterholz krachte, das Schnaufen und kehlig anspornende Brüllen warnten die Eledhrim und ihre wachhabenden Posten schon eine Meile voraus. Routiniert bezog der Erkundungstrupp die vorher taktisch festgelegten Positionen auf Bäumen und im Dickicht. Ihr Nestor, Galad'elen bezog eine offene Stellung am kleinen, in einer Erdkuhle ausgehobenem Lagerfeuer. Er sollte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aduial hockte mit gezogener Klinge im Dickicht neben ihrem Seelenpartner – sie konnte spüren, wie er bereits begann einen Zauber zu weben.
Schließlich waren sie da, eine handvoll Orken und etwa ein dutzend geifernde, gedrungene Goblinoiden. Systematisch registrierte sie die Bewaffnung und die Rüstung der Feinde: Schartige, angerostete Klingen in den Händen der Goblins, gänzlich in Stofflumpen gehüllt, während die Orken ausnahmslos wuchtige Keulen trugen, an deren eisenbewehrten Dornen unangenehm, undefinierbare Körpersekrete eingetrocknet waren. Vermutlich auch Blut der Edain. Sie brachen in einem unkoordinierten Getümmel in die Senke ein und fixierten sofort den einzig einsehbaren Eledhrim, der am Feuer hockte. Kreischend und teils auf allen Vieren, rannten die Goblins auf ihn zu. Ein Prickeln in Aduials Nacken verriet ihr, dass der Zauber gewoben war. Wenige Wimpernschläge später drang ein dichter Nebel aus dem Boden, der die Waldsenke gänzlich einhüllte. Das erste Sirren eines Pfeiles erklang, der von der Sehne gelassen wurde – das Signal. Federnd katapultierte sich die Edhil aus der Hocke nach vorne und beschrieb mit der fein geschwungenen Diamantstahlklinge einen tiefen, horizontalen Bogen - „Bärenpranke“. Ihre Klinge schnitt durch Fleisch und das gurgelnde Quieken verriet ihr, dass sie einige aus der Goblinvorhut erwischt hatte. Ohne zu zögern ging sie fließend in die defensive Positur des Habichtes [Hut Pflug] ein und nutzte die durch den Nebel gestiftete Verwirrung, um sich näher zu Galad'elen zu stellen. Ein erneutes Sirren brachte einen Goblin oder Ork mit einem erstickten Röcheln zu Fall. Kreischend löste sich die ins Stocken geratene Meute der Goblins und trat die Flucht nach vorne an. Das reflektierende Schimmern des rostigen Langdolches warnte Aduial vor und sie hob die Klinge zu einem offensiv entgegnenden Stich nach schräg unten an, die sie unter den Namen „Biss der Kobra“ gelernt hatte. Der Kobra Biss spießte das kleine Wesen förmlich auf, ehe die Klinge ebenso rasch wie sie vorgeschnellt war, wieder zurückzogen wurde. Ein weiterer Pfeil, diesmal von hinten, schnellte an ihr vorbei – der Nestor griff zum Bogen. Zwei weitere Goblins schälten sich mit angsterfüllten Augen aus dem Nebel, doch ein jäh aufzuckendes, elektrisierendes Gleißen macht ihnen den Prozess. Und schon war Silithim an ihrer Seite, an dessen Schwertspitze das Nachglimmen des Blitzzaubers verglühte.

Wenige Herzschläge hatte der ungleiche Kampf angedauert, als die Angreifer zerschlagen die Flucht antraten. Mit etwas Abstand verfolgten die vier Eledhrim die Fliehenden. Ein stummer Ruf wurde von den Verfolgern gesendet, während sie mühelos Schritt hielten. Ein Rascheln in den Wipfeln der Bäume kündete vom Kommen weiterer Gefährten an – den Baumdrachen. Fey'nalia saß bereits auf ihrem Vertrauten Mondschweif, während die anderen Galadh'rusc zu ihren elfischen Pendants aufschlossen, damit sich jene im Lauf auf sie schwingen konnten. Aduial hielt sich am buschig dichten Fell von Orithiel fest, während sie ihre Klinge bereits in die Schwertscheide gesteckt hatte und nun den Boden vom Rücken nahm. Ohne ihren Baumdrachen weiter lenken zu müssen, überließ sie ihm die weitere Verfolgung über Äste und Waldboden und legte einen Pfeil aus dem Köcher locker an die Sehne, während ihre azuritfarbenen Augen aufmerksam die Umgebung im Auge behielten. Das ungute Gefühl war nicht verflogen und dieser Angriff war eindeutig nicht ein kopfloser Überfall gewesen. Sie spürte, dass Silithim in Gedanken bei ihr war und sie spürte kurz den Blick seiner sternengleichen Augen auf sich, als er auf Fael, dem Schwestertier von Orithiel an ihr vorbeipreschte. Fey'niala schickte einen weiteren Pfeil auf seine todbringende Reise, um die Angst der Fliehenden weiter anzufeuern, die von Todesangst getrieben voran rannten. In Richtung der nahen Berge. „Sie wollen, dass wir ihnen folgen, dass ist eine Falle“, sprach Galad'elen ihrer aller Gedanken in zweistimmigen Sindarin aus, „wir sollten auf der Hut sein.“ Wie auf ein unsichtbares Kommando hin fächerten die Baumdrachen aus, um kein einheitliches Ziel zu bieten, während ihre drachenartigen Pfoten gedämpft aus dem hügeliger werdenden Boden trommelten – der Wald weit hinter ihnen.

Einige Minuten später standen sie in der Nähe eines Höhleneinganges, der in den zerklüfteten Fels stach, wie eine schwarze Wunde. Sie hatten die restlichen Überlebenden nach in die Gebeine der Erde fliehen lassen. Nun kannten sie den Unterschlupf.
Sorgsam wurde die Umgebung in Augenschein genommen, während Silithim und Fey'niala von den Rücken ihrer Baumdrachen stiegen. „Den Spuren nach stark frequentiert, was darauf hinweist, dass dies der Hauptunterschlupf ist“, kommentierte die Lindil, während Silithim mit verengten Brauen zum Eingang hinsah. Das leichte Zucken seiner Augenlider verriet Aduial, dass ihr Geliebter sein inneres Auge öffnete und das Lied auf Hinweise untersuchte. Ein zärtlicher Gedanke trieb in ihrem Bewusstsein nach oben, ehe ein zischender Schatten den Moment ihrer Ablenkung strafte. Eine von Schatten verhüllte Gestalt ließ eine Armbrust sinken. Hasserfüllte, rotglühende mandelförmige Augen und eine nachtblaue Haut – dann wandte sich die Gestalt ab und wurde gänzlich vom Schatten der Höhle verschluckt. Aduial wusste nicht, was sie als erstes registrierte. Das Geräusch des Geschosses, das mit einem dumpfen Laut in die geschuppte Haut von Fael auftraf und das direkt darauf folgende Röcheln, Silithims erschrockenes Erstaunen und der mental von Fael weitergeleitete Schmerz oder der Anblick des Bolzens, der in Faels Halspartie steckte. Daraufhin überschlugen sich die Ereignisse. Fey'niala schickte dem Angreifer einen Pfeil entgegen, der jedoch schon verschwunden war, während Aduial ihren Schild vom Zaumzeug des verschreckten Orithiel löste, um weitere Geschosse ablenken zu können. Galad'elen ging sofort neben Fael auf die knie, die mit allen Vieren von sich gestreckt auf der Seite lag. Einzig Slithim stand starr da und schaute fassungslos auf Fael, die ihn Jahre lang auf ihrem Rücken getragen hatte und deren Mutter ihm und Aduial bereits verbunden war und sie so sehr früh eine Verbindung zu ihren Kindern aufbauen konnten, die sie in ihrem Beutel trug. Aduial lenkte ihren Fokus auf die Höhle und schärfte intuitiv ihre Sinne, doch der Lethar zeigte sich nicht erneut, dennoch hielt sie den Schild weiter defensiv in der Hand. „Möge dein Licht den Glanz der Welt erleuchten“, hauchte der Nestor und verkündete so mit trauriger Stimme das Ableben der tapferen Fael. Aduial blinzelte betroffen und spürte das Klagen Orithiels, der sich an die Seite seiner Schwester gesetzt hatte und sie mit seiner Schnauze antippte, als wolle er sie nur aus dem Schlaf wecken. Doch die Maethor versuchte sich gegen die Trauer abzuschirmen, nochmal würde sie nicht den gleichen fahrlässigen Fehler begehen. So spürte sie auch nicht die kalte Flamme der Wut, die impulsiv in Silithim entflammt war, die sie hätte vorwarnen können. Mit der freien Hand versuchte sie zur Seite zu greifen und ihn festzuhalten, als er einen Schritt nach vorne machte, konnte jedoch nur noch in den sich entmaterialisierenden Silithim greifen, der sich mittels eines Teleportationsgewebes an den Rande der Höhle versetzte. „Silithim, nicht!“, rief sie ihm sowohl in Sindarin, wie auch durch ihr wieder entschirmtes mentales Band zu. Doch ihr Seelenpartner hörte nicht auf sie, besessen vom Wunsch den Mörder von Fael nieder zu strecken. Die Stimme der Vernunft in ihr plädierte eindeutig zu bleiben: Sie hatten den Unterschlupf ausfindig gemacht und herausgefunden wer hinter den gezielten Überfällen steckte. Der Tod von Fael war mehr als betrübend, jedoch war ein kopfloses Hinterherrennen in eine Falle lebensmüde und verstieß zudem gegen die Auflage des Camvaethols nach Möglichkeit nicht direkt zu intervenieren. Die Gefühle in ihr schrien jedoch mit jeder Faser ihren Seelenpartner nicht alleine in die Falle rennen zu lassen, als wäre es ein Überlebensinstinkt, der gleich einer auf sie gerichteten, todbringenden Klinge anschlug. „Wir leben und sterben gemeinsam...“, kam es leise und tonlos von Aduial Lîr'erthads Lippen, als sie den gegenseitig bekundeten Schwur wiederholte, den sie bei der Zeremonie der Seelenverschmelzung geleistet hatten. Sie zog ihre Klinge und packte den Griff des Schildes fester, ehe sie ihm mit bangem Herzen nachfolgte. Ihre Gefährten hielten sie nicht auf, als wüssten sie dass sie nicht anders konnte. Sie erwartete nicht, dass sie ihr folgten.

Sie atmete tief durch, als die Dunkelheit der Höhle sie umschloss. Wie sie es gelernt hatte, schob sie alle Zweifel und behindernden Emotionen beiseite und besann sich ganz darauf die Klinge zu sein. Einen Herzschlag später wich die Dunkelheit, als sie sich den Lichtverhältnissen angepasst hatte. Nüchtern konstatierte sie, dass ein kleiner Rinnsal Wasser hier entlang floss und den Boden etwas rutschiger machte. Bei einem wahrscheinlich folgenden Kampf galt es das bei den Bewegungen zu beachten. Der poröse, braune Stein des Ganges verengte sich zunehmend und machte ihre lange, grazil geschwungene Klinge nutzlos. Sie würde damit nur am Stein hängen bleiben und ihren Schlagradius begrenzen. Sie zog stattdessen ihren Langdolch und eilte mit maximal angespannten Sinnen weiter voran. Als sie sich einem enger werdenden Durchgang näherte, wurden ihre Blicke automatisch von dem großen Zeichen angezogen, dass man offensichtlich mit Blut in den Felsen oberhalb des Durchganges gezeichnet hatte:
eine Pranke und das Auge eines Panthers, dass einen drohend anzublicken schien und wohl den Zweck hatte sein Gegenüber einzuschüchtern. Erneut besann sich die Maethor auf die stille Flamme der Konzentration und wurde so auf den schlecht einsehbaren abspaltenden Gang hinter sich aufmerksam. Das Blutzeichen verfolgte also die gleiche Taktik, die sie beim Ansturm auf ihr Lager mit dem Lockvogel des Nestors benutzt hatten. Sie sollte vermeiden, dass man seine Aufmerksamkeit in die Umgebung lenkte. Aduial versuchte sich nichts von ihrer Entdeckung anmerken zu lassen und schritt scheinbar unbeirrt unter dem Blutzeichen hindurch und folgte weiter dem Gang, während sie die Augen kurz schloss und auf Geräusche hinter sich achtete. Ja! Da war ein fast unmerkliches Geräusch von Schritten. Silithim war sicher in seiner Wut blind gerade aus gelaufen, ohne sich der Gefahr im Rücken bewusst zu sein. Ob der Lethar hinter ihr lauerte oder eine weitere Horde von Goblins und Orken? Der Gang wurde wieder breiter und öffnete sich vor ihr absehbar zu einer größer werdenden Kaverne. Sie steckte den Dolch wieder in den Waffengurt und wechselte auf ihre Klinge. Ihr Schritte verschnellerten sich zu einem Lauf, als Lichtblitze vor ihr aufblühten und sie meinte das Prickeln von Magie wahrzunehmen. Gleichzeitig spürte sie ein übel erregendes Ziehen in der Bauchgegend. Konnten dass die Dissonanzen von Magie sein, die dem Lied und der Schöpfung höhnten? Verstärkung des Letharen? Ein Letharenmagier?

Die Schritte hinter ihr wurden nun unmerklich deutlicher und schneller, als hätten sie sich ihrem Tempo angepasst und Aduial meinte da auch noch das Getrappel anderer, nicht so bewusst gedämpfter Schritte wahrzunehmen. Vor ihrem inneren Auge ging sie rasch die möglichen Szenarien durch, ehe sie in den Sprint nach vorne überging. Die Wand neben ihr flog an ihr vorbei und sie stand am Anfang der unterirdischen Höhle. Silithim und eine nachtblaue, kleinere Gestalt schienen sich ein magisches Duell zu liefern. Ansonsten war niemand auf den ersten Blick in der Höhle zu sehen. Rasch schritt sie zur Seite, aus dem Sichtfeld heraus, den man vom eben beschrittenen Gang aus hatte und hob die Klinge zur begrüßenden Schwertposition des „Adlers“. Wie erwartet tauchte der Lethar mit raschem, weich abgefedertem Laufschritt aus dem Gang auf und Aduial riss ihre Klinge mit dem „Sturz des Falken“ auf ihn herab. Jedoch musste er dies geahnt haben, denn er warf sich mit erstaunlicher Wendigkeit aus der direkten Flugbahn des Schwertes und lenkte die Klinge parierend mit einer Waffe ab, die an einen breiten Dolch erinnerte. Perfekt an einen Kampf in engeren Höhlenverhältnissen ausgewählt – sie durfte sich also nicht von ihm zurück in den Gang locken lassen. Sie setzte dem in die Defensive geratenen Lethar mit einem Schildstoß nach und hob die Klinge zu einem erneuten Bogenschlag, mit dem sie die Goblins im Lager empfangen hatte. Der leicht gerüstete Lethar setzte zu einem spielerischem Rückwärtssalto an, um auch dem zweiten Angriff zu entgegen und außer Reichweite ihrer längeren Waffe zu kommen. Doch ihr folgender Schlag hatte nicht ihm gegolten, denn sie lenkte die Klinge zur Seite. Und auch diesmal rannten die Goblins direkt in ihr Verderben und sie konnte zwei Köpfe sauber vom Rumpf trennen. Ein weiterer Lichtblitz des magischen Gefechtes tiefer in der Kaverne erhellte die Höhle – war da ein anerkennendes Lächeln in dem boshaft verzerrten Antlitz des Vergifters? Aduial wich rasch zurück und hob das Elfenschwert und Schildwehr in schützender Weise vor ihrem Körper. Ein Pulk an weiteren Goblins und stets später folgender Orken, sechs an der Zahl, strömten in die Höhle. Kalkulierend schätzte sie ihre Chancen ein und verwarf einen 'stehenden Kampf' sofort. Ein warnender Ruf Silithims machte sie noch vor dem erneuten Aufbranden der Übelkeit in ihrem Magen auf das grüne Flammengeschoss aufmerksam, dass aus dem Herzen der Höhle in ihre Richtung gelenkt wurde. Die Edhil warf sich zurück und landete hart, in die Knie gehend, und kauerte sich hinter ihrem Schild zusammen. Sie roch das verbrannte Haar, dass davon kündete, dass sie nur gestriffen wurde. Was man von den ihr nachsetzenden Goblins nicht behaupten konnte – sie endeten erneut als Kanonenfutter und schmorten unappetitlich verendend auf dem Höhlenboden. Der Lethar! Doch jener hatte die Chance nicht genutzt und hielt seine beiden Kurzklingen lässig wirkend in der Hand und schien sie spottend anzusehen, als wäre er sich seiner Sache sicher. Er trat etwas nach vorne und legte einen Fuß auf den Brustkorb eines noch lebenden, halb verbrannten Goblinoiden, der sich versuchte hatte aufzubäumen und vermutlich zu fliehen. Zack. Ohne den Blick von Aduial abzuwenden, die sich wieder aus der Hocke hoch gedrückt hatte, beendete er das Leben des kleinen Wesens ohne mit der Wimper zu zucken. War da gar eine sadistisch wirkende Genugtuung in seinem Blick? Der Gefallene raunte etwas in einer Sprache, die sich wie spitze Nadeln in das Gemüt Aduials bohrten. Sie musste an einen giftigen, und zornig roten Strudel denken, der ätzende Präsenz sich bei ihr einnisten wollte. Sie riss sich von dieser Metapher los, als die Orken ihre Keulen hoben und mit röhrendem Brüllen auf sie losstürmten – der Letharf, eindeutig ein Männchen, blieb stehen. Trotz ihrer vielen Jahre an Leben hatte sie noch nie das zweifelhafte Vergnügen einer so nahen Konfrontation mit ihren einst gefallenen Brüder gehabt und so konnte sie schlecht abschätzen, was er vorhatte. Wollte er ihren Kampfstil analysieren? Der Diamantstahl fuhr in tänzerischer Verträumtheit durch die Luft, als führe sie einen Pinsel über ein eingerahmtes Stück Leinwand, um ein Kunstwerk aus Blut und Stahl zu zeichnen. Sie bemühte sich ihre Reserven zu schonen und ihm nicht all ihre Kampfstile und Schwertpositionen zu offenbaren. Als der letzte Ork ohne einen Eingriff des Letharfen oder seiner liedkundigen Begleitung gefallen war, verneigte sich ihr zurückhaltender Gegner auf übertriebene Weise und sprach wieder etwas in seiner nervenzehrenden Sprache. Aduial presste die Lippen fest zusammen, um dem Drang zu widerstehen ohne Taktik vor zurennen. Mit kühl wirkenden Augen behielt sie ihn im Blick, um seine nächste Bewegung vorher sagen zu können. „Liebste, halte Dich bereit...“, hallte seine vertraute Stimme durch ihren Kopf und sie könnte spüren, dass sein Zorn abgeflautet war und er zutiefst bereute, dass er sie in Gefahr gebracht hatte. Auch sein stummer, unendlicher Dank, dass sie ihm wie selbstverständlich gefolgt war schwang mit seinen Worten mit. „Jetzt!“. Aduial, die all ihre Reserven anzapfte und sich ihrem Feind entgegen nach vorne warf, um ihm mit dem „Sturmlauf des Ochsen“ zu attackieren, bemerkte wie der Letharf wie erstarrt wirkte, als würden ihn unsichtbare Luftstränge fesseln. Die Überheblichkeit aus seinem Blick war gewichen und regungslos musste er mit ansehen, wie die Klinge voran in seine Brust getrieben wurde, um sein Todesurteil zu fällen. Langsam und kraftlos, wie eine Puppe glitt er von der Klinge herab und fiel zu Boden. Ein trockenes, halb von seinem Blut ersticktes Lachen, drang aus seinem Mund. „Patt...“, gurgelte er in einer verzerrten Form der Handelssprache. Erschrocken sah Aduial zur Seite: Eine grüne, hell auflodernde Wand aus gefräßigem Gift hüllte ihren Seelenzwilling ein … und verschlang ihn. Sie spürte seinen Schmerz, der aber ebenso rasch abebbte, wie sein versiegendes Leben. Stattdessen fühlte sie noch einmal eine Berührung, als würde er hinter ihr stehen und sie umarmen. Ein Abschiedsgruß, ehe seine Seelenmelodie entschwebte. Sie spürte die Verlockung, den Zug ihm zu folgen und ein Teil des Ganzen zu werden, um dem Schmerz der Trennung zu entgehen und wieder im Weltenlied eins mit ihm und allem zu werden. Doch etwas hielt sie fest, während der Schmerz des Verlustes an Stärke gewann und ihr ganzes Bewusstsein berannte, ehe die Ohnmächtigkeit sich wie ein schwarzes, gnädiges Tuch um sie legte.

Die Sonne erschien am östlichen Horizont und flog wie im Zeitraffer ihrer abendlichen Bahn entgegen, Sterne spiegelten sich in den apathisch zurückgezogenen Augen Aduials. Tage, Wochen oder gar Monate vergingen, während sie umsorgt von den Nestor und Faernestor reglos auf einer Bettstatt lag. Ihre Gefährten Fey und Galad waren ihnen doch gefolgt und hatten den Erzlethyr vertreiben können und sie zurück nach Ered Luin gebracht.
Sie konnte nicht vor und sie konnte nicht zurück. Sie war in sich selbst und dem Widerspruch gefangen ihre körperliche Hülle aufzugeben und der Seelenmelodie Silithims in den Weltengesang zu folgen oder zu bleiben. Äußerlich blass und reglos gebrochen wirkten, rasten in ihrem eigenen Kosmos die Gedanken. Der Planet, der nun einsam am Sternenhimmel herabfiel, ohne den Halt seines Zwillings. Ein glühender Komet, der vergehen würde? Sie spürte, dass sie etwas hielt. Etwas das so wichtig war, dass sie ihm nicht folgen konnte. Noch nicht. Doch diesen Gedanken zuzulassen, der ihr wie ein Betrug an ihm vorkam, musste reifen und an die Oberfläche dringen.
Sie entschied sich zu leben – sie wusste nur noch nicht wofür. Was ihr Anker war.
Sie blinzelte und der Faernestor wurde sofort auf die Erwachte aufmerksam.
Die Melodie der Nachtigall und des Abendzwielichts war noch nicht vergangen...

Die azuritblauen Augen ruhten mit abgestumpften Glanz auf ihrer zerbrochenen Klinge, die sie Jahrhunderte lang an der Seite ihres Seelenzwillings geführt hatte und nun auf einem lindgrünen Tuch ausgebreitet vor ihr lagen. Ihr Körper war schwach, doch sie konnte sich bereits wieder erheben und kurze Spaziergänge machen, die sie zumeist in grüblerische Einsamkeit zu verträumten, frühlingsgekleideten Blumenauen führten. Das Schwert erinnerte sie an ihren Schmerz und war auch ein Gleichnis für den Zustand ihres instabilen Körpers und Geistes. In ihrem Inneren, tief verborgen, wusste sie, dass sie die Klinge wieder zusammensetzen müsste um zu genesen. Sie wusste nur nicht, ob sie dafür bereit war...

Die Gestalt eines jungen Edhil erregte ihre Aufmerksamkeit und zog sie aus dem Sog des Grübelns. Er wanderte von Strauch zu Strauch und schien dort zu lauschen. Aduial legte die Stirn etwas in Falten und vergaß für einen Moment die Schwere ihrer Gedanken.
Was tat er da? Sein Tun war eine willkommene Wohltat der Zerstreuung, um sich nicht für den Augenblick nicht mit sich selbst auseinanderzusetzen. Sie gab dieser Fügung nach und erhob sich. Der Edhil zupfte derweil mit größter Behutsamkeit gezielt etwas von einem Strauch und raunte sanft etwas, ehe er unvermittel den freundlichen Blick hob und zu Aduial sah.
„Mae Govannen, Gwathel – ich denke sie ist soweit“
Sie hob die feingeschwungenen Brauen an, spürte in ihrem Inneren den seichten Zug der Neugier, der die trüben Tiefen ihrer Empfindungen wie ein heller Sonnenstrahl durchbrach. Noch schwach und jung.
„Eine Seidenspinnerraupe in ihrem Kokon...“
Der Edhil hob die flache, rechte Hand etwas an und präsentierte ihr den Seidenkokon.
„Sie ist geschlüpft, hat sich reichlich am Quell des Lebens gelabt, ehe sie sich in die dunkle, sanfte Ruhe ihres Kokons zurückzog. Hörst Du es...?“
Er lächelte versonnen.
„Ich kann es hören. Die leise Melodie des Wandels. Die Raupe ist nun bereit aus ihrem Kokon zu schlüpfen und die Flügel zu spannen. Komm, wir helfen ihr...“
Mit sanft zupfenden Bewegungen und ohne sich an der eher passiven Reglosigkeit seiner goldenen Schwester zu stören, öffnete er den Kokon und half der Eingemotteten sich zu befreien.
„Es ist ein Geheimnis der Hemdain ihren Klängen zu lauschen. Wenn sie soweit sind, helfen wir ihnen und gewinnen die Seide aus dem Kokon, ohne dass wir sie verletzten – hier, setz sie doch auf einen Ast, damit die Flügel trocknen können.“
Ehe sich Aduial versah, hatte sie den Seidenspinner auf ihrer Hand. Er hatte ein edles Perlgrau mit einem leichten bräunlichen Einschlag auf den Flügeln, die sich langsam zu entfalten begannen. Vorsichtig setzte sie ihn auf das Ästchen des Strauches ab und wartete, bis er mit den Füßen Halt gefunden hatte.
„Wenn Du magst, Gwathel, dann zeige ich Dir gerne wie wir die Seide aufbereiten, um daraus Gewänder herzustellen. Würde dich das interessieren?“
Aduial nickte stumm, den Blick weiterhin auf dem Seidenspinner haltend, der sich bereit für den ersten Flug seines zweiten Lebens machte. Der sanfte Lichtstrahl gewann an Stärke, erhellte ihr Seelenlied.
Sie wartete, harrte aus und dann, als er die Flügel hob und in die einbrechende Nacht flog, da spürte sie, dass sie bereit war. Bereit für ihr zweites Leben.


Zuletzt bearbeitet von Aduial Lir'erthad am 29 Mai 2020 16:04, insgesamt einmal bearbeitet
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