Land ich Sicht - Eine neue Zukunft am Horizont

[Sewarion Carneth]

Eine Weile schon verbrachte er nun auf See. Er hatte aufgehört die Tage zu zählen, und verbrachte die meiste Zeit nun damit sich Sorgen darüber zu machen, ob dieses - durch und durch - löchrige Gefährt sein angestrebtes Ziel jemals heil erreichen würde.
Mit Holz kannte er sich aus, und diese Ansammlung - welche ihn sicher über die große See befördern sollte, und eher den Anschein erweckte nur durch getrockneten Möwenkot zusammengehalten zu werden - vermittelte nicht gerade einen vertrauenswürdigen und verlässlichen Eindruck.
Ein gestopftes Loch hier, ein Gestopftes dort, feine Risse, durch die immer wieder ein klein wenig Wasser ins Innere drang...ein ewiges Knarzen und Ächzen der Planken, bei nur der kleinsten Bewegung...


Werde ich jemals den Hafen erreichen?
Wenn ich mich hier so umsehe, schwindet meine Hoffnung darauf zusehends. Ich darf mir dieses Schiff einfach nicht genauer ansehen.
Allerdings erweckt die Crew in mir auch nicht das Gefühl der Sicherheit oder des Vertrauens. Halsabschneider, das sind sie. Haben mir jede Münze aus der Tasche gesaugt, damit sie mich auf dieser Überfahrt mitnehmen.
Aber ich hatte kaum eine andere Wahl, wollte ich weg von dieser Insel und meinen Weg in die Freiheit und mein eigenes Leben finden. In den sauren Apfel hatte ich nun also zu beißen, und so ertrug ich es....

...Tag um Tag...


Die Kälte wird langsam unerträglich, ich habe das Gefühl dass selbst meine Knochen langsam unter ihr zu leiden hatten.
Das Aufstehen am Morgen fällt zunehmend schwerer, die Gelenke sind wie steif gefroren, meine Finger schmerzten bei jeder Bewegung, und selbst meine Kleidung war durchweg feucht.

Um so glücklicher war ich, als ich es von oben aus dem Krähennest rufen hörte: "Land! Land in Sicht!".
Schwerfällig, verließ ich mein notdürftiges - spärlich mir Stroh gepolstertes - Bett, und schleppte mich zur Reling und sah in die Ferne. Eng in meinen Umhang gehüllt, der nahezu das letzte wärmespendende Kleidungsstück war das mir geblieben ist, als ich versuchte die Münzen für die Überfahrt zusammen zu bekommen.

So sehr das Wetter und die Kälte mir auch zusetzte und bereits zugesetzt hatte, entfachte der Anblick des Landstriches am Horizont ein neues Feuer in mir. Aufregung keimte in mir auf, breitete sich von der Magengegend in alle Richtungen aus, und schien meinen fast erfrorenen Körper mit neuem Leben und neuer Kraft zu füllen.

Es war also geschafft. Schon in Kürze würde ich den ersten Fuß auf das Festland setzen, den ersten Schritt in mein neues Leben, und in eine noch ungewisse Zukunft machen.

Was sie für mich bereithalten wird, das weiß ich nicht, doch blicke ich ihr mir freudiger Erwartung entgegen...

[Sewarion Carneth]

Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, diese Reise unbeschadet überstanden zu haben, aber mein erster Fuß...jetzt auch der Zweite, berühren erstmals den unbekannten, festen Boden.

Der erste tiefe Atemzug füllte meine Lungen mit der frischen, winterkalten Luft der neuen Heimat.
Trotz des Umstandes, dass sie hier noch immer geschwängert war, mit dem salzig fischigen Geruch der weiten See, ist sie doch weit erträglicher als noch zuvor auf dem schaukelnden - dem Sinken nahen - Schiff, welches mich hier an diesen Ort gebracht hat.

...Bajard...

So nennt man ihn. Ein kleines Dorf an der südlichen Küste, welches durch seinen Hafen ein Dreh- und Angelpunkt für Reisende und Handeltreibende darstellt.
In regelmäßigen Abständen laufen Schiffe, den kleinen aber doch gut organisierten Hafen an, vollbeladene Lasttiere stiegen schwerfällig über die Planken an Land und bescheren dem Markt einen beständigen Fluss immer neuer Waren, aber auch andere Reisende wie mich.

So einladend diese weitreichenden Möglichkeiten für den Handel auch auf mich wirkt, kann ich ehrlich gesagt die See nicht mehr sehen, und diese salzige Luft nicht mehr riechen.

So liegt es nicht fern, dass mein nächstes Ziel weiter im Landesinneren liegt.
Ich suche die nächstbeste Taverne auf, bestelle mir einen Schnaps, der meinem Körper helfen soll gegen diese durchdringende Kälte des Winters anzukämpfen, und Schnaps ist dafür, erfahrungsgemäß wirklich gut geeignet.

Ich befragte die Tavernenbesitzerin nach möglichen Zielen für meinen Weg ins innere des Landes, und so erzählte sie mir bereitwillig von den umliegenden Örtlichkeiten.
Es blieb mir nicht verborgen, dass sie mir den Weg gen Westen schmackhafter machen wollte, als den Weg in den Osten, doch auch ohne ihr unterschwelliges Zutun, hätte ich wohl diesen Weg eingeschlagen.

Grenzwart war die nahegelegenste Ortschaft in westlicher Richtung, doch mein Ziel hieß Düstersee.
Sie schwärmte geradezu von der dortigen Taverne, und zudem gebe es dort wohl beziehbare Unterkünfte, für die Zeit bis man in den neuen Landen Fuß gefasst hat.

Alles in allem, genau das wonach ich suche. So machte ich mich nach einem ausgiebigen Mahl, mit meinem wenigen übrigen Hab und Gut auf den Weg gen Düstersee.
Eingewickelt in meinen Wollumhang, und der Gugel über Kopf und Mund gezogen, versuchte ich der eisigen Kälte auf meinem Weg zu trotzen.