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Wuestenrose oder Skorpion?
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Wuestenrose oder Skorpion?
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Nihal Jamini Omar





 Beitrag Verfasst am: 16 Dez 2019 22:07    Titel: Wuestenrose oder Skorpion?
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»Das Glück ist ein Mosaikbild, das aus lauter unscheinbaren kleinen Freuden zusammengesetzt ist.«
- Daniel Spitzer


Das dumpfe Geräusch eines auf den Boden fallenden Buches riss sie unsanft aus ihren Tagträumen und im ersten Moment irrte ihr dunkelolives Augenpaar verwirrt über die Umgebung, als würde sie die Quelle der Störung finden wollen. Ganz langsam, kriechend wie eine Schnecke, schlich sich eine Falte auf die gebräunte Stirn und ihr Blick landete schließlich auf ihren leeren Händen und in Folge dessen auch auf das Buch, welches vor ihr am Boden lag.
Ein flüchtiges Blinzeln huschte über ihre Mimik und für einen kurzen Augenblick kam sie nicht drum herum, sich im Raum umzusehen, auch wenn sie wusste, dass sie allein hier war und es kaum eine Möglichkeit gab, dass sich hier jemand zu ihr gesellen würde. Mit einem Seufzen neigte sie sich nach vorne um das Buch wieder aufzulesen und sorgsam die Falte aus der Seite zu streichen, welche den Absturz von ihrem Schoß nicht ganz ohne Schaden überstanden hatte.
Das hellbraune Buch mit der verschnörkelten Aufschrift „Sandkorn der Weisen“ wurde schließlich wieder zugeklappt, kurz ein wenig gedrückt und dann hinter ihr auf dem Schmucktischchen abgelegt, auch wenn ihre Finger noch einen Moment auf den Namen der Autorin harrten. Nur flüchtig, ganz kurz, wie ein Blumentopf den man mit einem Schwung aus Versehen zu viel Wasser gegeben hatte, schwappte etwas Bedrückendes in ihr empor und erst als sie die Augen schloss und sich aufdrückte, konnte sie das Gefühl wegdrängen.

Es war nun einige Wochenläufe, gar Mondläufe vergangen seitdem Hanieh und Zhenzrael das Sonnenreich auf Gerimor verlassen hatten, aber sie vermisste sie wie am ersten Tag der Abreise. Manchmal beschlich sie der Wunsch, sie wäre den beiden gefolgt, immerhin war sie ihre Schwester, eine die von klein auf an ihrer Seite gewesen war und Zhenzrael ihr Maleem, der ihr so vieles beigebracht hatte. Sie verstand es nicht so ganz, warum Zhenzrael darauf bestanden hatte, dass sie in Menek'Ur bleiben sollte. Sie sah die Hintergründe nicht, die vor ihr verdeckt blieben, verstand nicht, warum er nicht wollte, dass sie bei ihrer Schwester blieb.
Sie war allein hier, im Schleier, der nach ihrem Weggang noch leerer wurde, … nachdem die klimpernden Geräusche ihrer Fidah verhallt waren und das Rascheln von Blättern ausblieb. Keine morgendlichen Moccas zusammen mit Hanieh im Sonnenaufgang, keine Erledigungen oder Aufgaben mehr von Zhenzrael. So simple Dinge, Kleinigkeiten, die ihr den Tag versüßt hatten, zwischen all der Arbeit, die ihr nun fehlten. Sie vermisste es am Abend einfach neben ihrer Fidah in das Bett zu fallen und ihr von ihrem Tag zu erzählen, offen und ehrlich, ohne darauf achten zu müssen, was sie sagte oder wie sie sich verhielt. Selbst die Ratschläge vermisste sie, wo sie jene doch manchmal gar belächelt hatte, oder die elendigen Botengänge im Namen des Sanjaks Zhenzrael. Was würde sie dafür tun, endlich wieder eingebunden und umher geschickt zu werden. Wie ironisch. Selbst eine Natifah wie sie, würde wohl niemals mit dem, was sie hatte, zufrieden sein. Kein guter Charakterzug. Zhenzrael würde die Lippen kräuseln, Hanieh die Augenbrauen zusammenziehen.

Es war ein kleiner Lichtblick, dass Sabri wieder öfters im Schleier anzutreffen und auch der Omars-Sohn von seiner Reise zurückgekehrt war. Es fiel ihr nicht ganz einfach, das Gefühl von Neid und Enttäuschung zu verbergen, als Zafir ihr berichtete, dass er bei Zhenzrael gewesen war. Nicht nur weil er die Leitung des Schleiers von diesem übernommen hatte, sondern schlicht, weil er die Gelegenheit hatte so nah bei ihrer Familie zu sein, wovon sie in diesem Moment nur träumen konnte. Jedoch konnte sie sich auch nicht so richtig über diese Nachricht freuen, selbst wenn ihre Erziehung und ihr Inneres sie darin belehrte, dass es richtig so war. Der Schleier war immer eine Art Kind gewesen, welches sie zusammen mit ihrer Schwester wieder aufgebaut hatten. Aus dem Nichts, aus der Durrah, aus unendlich alten Geschichten und Vorurteilen. Natürlich war da Zhenzrael gewesen, der in der Öffentlichkeit als Leiter fungiert hatte, aber eigentlich hatten die Schwestern sich um den Schleier gekümmert. Wie ein Kind, um das man sich kümmern musste.
Nun saß der Sohn aus der Familie Omar, der Rais Efendi des Sonnenreiches, in Zhenzraels alten Büro, wo noch so viele Dinge an diesen erinnerten. Die Räucherschalen mit Baldrian und Opium, die unordentlich gestapelten Bücher, bei denen Nihal immer das Bedürfnis entwickelte sie zu ordnen, es aber immer verboten bekommen hatte, ja selbst die Schlange war noch da und wurde weiterhin von Nihal gefüttert. Er versicherte ihr, dass sich die Grundbausteine des Schleiers nicht ändern würden, das er den Weg weiter gehen wollen würde, aber das beklemmende Gefühl in ihrem Inneren konnte er damit nicht besänftigen. Es war, übertrieben ausgedrückt, wie eine feindliche Übernahme – auch wenn der Omars-Sohn bestimmt kein Feind war, war das Verhältnis zu ihm jedoch so distanziert und von Regeln der Höflichkeit überschattet, dass es ihr schwer fiel. Das Familiäre fehlte, die Vertrautheit, das Wissen, das man gegenseitig immer für einen da sein würde. Jeder Schritt, jedes Wort, jede Geste musste in seiner Gegenwart überdacht und sorgfältig gewählt werden – denn einen Omar zu verärgern oder gar in Ungnade bei diesem zu fallen, würde niemals ein gutes Ende finden.

Und dann war da dieser Abend, an welchem sie grundlegend dem yazirischen Blut in ihrem Adern die Schuld dran gab. Der Abend, wo ihr selbst nun noch ganz beklommen und nervös wurde, wenn sie daran dachte. Eine feine Gänsehaut kroch über ihren Nacken und ihre Arme, welche sie mit einem unwirschen Griff der zarten Hände versuchte wegzuwischen.
»Niemals ungefragt das Wort erheben, niemals den direkten Blickkontakt aufnehmen.«
Es waren die Worte ihrer Mutter, die ihr nun wieder so präsent schienen, wie schon lange nicht mehr, vermutlich einfach, weil sie sich dabei erwischt hatte, diese Regeln zu brechen. Unbewusst, ohne das sie es eigentlich wollte und in den Moment, als sie inständig hoffte, ihr Gegenüber hätte es nicht mitbekommen, wurde ihr aber klar, dass es ihm ganz und gar nicht entgangen war.
Verdammtes Skorpionfeuer.
Auch die Worte des Kaluren drängten sich wieder in den Vordergrund ihrer Gedanken. Die Worte, die davon erzählten, dass man innerhalb seines Volkes offen und ehrlich das Aussprechen würde, worum es ging - ohne Floskeln, ohne Herantasten, ohne darauf zu achten, wie es dem Gegenüber treffen könnte. Hatte sie in den Moment, als er ihr davon erzählte, noch gedacht, was für eine schreckliche Umgangsart das sein musste, erwischte sie sich nun bei dem Wunsch, das ein kleiner Hauch davon auch in ihrem Volk präsent sein würde. Sie wurde aus dem Verhalten ihres Gegenübers an diesem verdammten Abend nicht schlau. So viele Fragen, so viele Unsicherheiten und letztendlich, vermutlich eben genau deswegen, dieser unglückliche Regelbruch. Wie froh sie war, als die eiserne Tür sie endlich voneinander trennten und die Spannung nach und nach aus ihrem Körper weichen konnte – nicht aber die Gewissensbisse. Diese harrten hartnäckig, wie alter Schmutz an einem Topf.

Ein erneutes Seufzen drängte sich über die Lippen, als sie erneut damit begann den Abend durchzugehen, obwohl sie beschlossen hatte, es nicht mehr zu tun. Das hellbraune Buch vom Schmucktischchen greifend, drückte sie sich schließlich auf um das Frauenschlafzimmer des Schleiers zu verlassen. Einen Moment horchte sie in die schwach beleuchtete Dunkelheit hinein... Stille... dann stieg sie die kalten Steinstufen in das Erdgeschoss empor, wo ihr direkt bewusst wurde, dass der Tag bereits in die Abenddämmerung abgesunken war. Mit wenigen Schritten befand sie sich in der vertrauten Küche, wo wenige Handgriffe vollführt wurden, damit sie sich mit einer dampfenden Tasse Datteltee am Tisch niederlassen konnte.
Sie wusste, dass sie irgendwie damit zurechtkommen musste, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte und auch war sie sich bewusst darin, dass sie dem Omar nicht ausweichen konnte. Er hatte sie als seine Assistenz bestimmt, es festgelegt, ohne das sie da etwas sagen konnte – wobei selbst wenn sie es gekonnt hätte, hätte sie geschwiegen. Einen Omar verärgert man nicht.
Und wenn es eine Prüfung war?
Nur eine Prüfung der All-Mara?
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