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Der Blick in die Vergangenheit und die Zukunft.
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 Beitrag Verfasst am: 21 März 2019 14:08    Titel: Der Blick in die Vergangenheit und die Zukunft.
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(Zu vergeben ist weise - zu vergessen ist unklug)




Egal welchen Weg die Dame für uns erwählt, früher oder später greift der aufkommende Wind nach unserem Körper und zieht ihn an sich. Er lenkt unsere Schritte und lässt uns unser Ziel klarer vor Augen erkennen, ihn spüren und vor allem wird er uns stets daran erinnern was vergangen ist. Es waren Wochen verflogen seitdem der Schnee auf den Grünflächen geschmolzen war. Vereinzelte Flocken hatten sich noch lange Zeit auf den Gesichtern der Claner abgelegt und waren in Windeseile zu einem seichten Tropfen geworden, der die helle Haut benetzte. Schmerzlich bemerkte ich jedoch auch, dass weiterhin zwei Gesichter fehlten die ich stets mit großem Wert besehen hatte. Der Hüne und die Schwester aus meinem Clan waren fort. In manchen Momenten, wenn das Feuer prasselnd und tanzend zum Nachthimmel emporstieg, erinnerte ich mich an das wohlige Brummen des Clanschwertes oder an die langen blonden Haare meiner Schwester, die den Schein der Flammen spiegelten und wenige Facetten davon wie mein eigenes Haar aussehen ließen. Der Gram und die Wut darüber war vergangen, zurückgeblieben war nur die Enttäuschung und der Verlust den ich verspürte. Dennoch füllten die neuen Gesichter im Rudel das Dorf mit unbekannten Geschichten, Erzählungen in denen ich meinen eigenen Gedanken kurzzeitig entfliehen konnte. Auch das Lächeln war auf meine Züge zurückgekehrt, hatte sich heimlich angeschlichen und sich eines Abends wieder auf meinem Mundwinkel gefunden. Mit der Veränderung waren neue Aufgaben gekommen, die mich mehr einnahmen als ich es für möglich gehalten hatte. Vielleicht hatte ich aber auch nur weiter zu mir selbst gefunden, das konnten wohl nur die Ahnen beantworten. Ich hatte instinktiv erkannt welchem Element ich mich zugehörig fühlte ohne vorher je darüber nachgedacht zu haben. Die Schlacht um der Rache Willen hatte es mich gelehrt, es mir eingebläut als hätte ich keine andere Wahl als es zu erfahren. Dieses Beutelchen voller Erde trug ich seit diesem Tag stehts an meinem Gürtel, gleich ob ich mit dem Rudel in den Kampf zog oder in einer stillen Runde am abendlichen Lagerfeuer saß. Trotz seiner zierlichen Größe wog die Erde darin viel schwerer für mich. Sie verankerte mich stets mit meiner jetzigen Heimat, die ich voll und ganz als mein Zuhause akzeptiert hatte. Sie half mir meine Wurzeln nicht zu vergessen und die Standfestigkeit in ihr zu erkennen - vielleicht auch in mir selbst. Sie war der Inbegriff der Beständigkeit und der Fruchtbarkeit, das Element aus dem all das Leben sprießen und stammen würde. Sie verkörperte für mich den festen Stand im Hier und Jetzt und würde immer ein schützendes Bildnis für mich abgeben. Und auch wenn ich verziehen hatte so durfte ich nicht vergessen. Es sollte nicht verblassen was all das Glück, der Kummer und die Stärke die ich bisher erleben musste aus mir gemacht hatten. Ich würde mich stets an das grüne Augenpaar des Bären erinnern, ein jedes Mal wenn ich in mein eigenes Spiegelbild, in meine eigenen Augen sah oder den Bärenzahn an meiner Halskette befühlte. Das Lachen meiner Schwester, die Vernarrtheit in all die kleinen, wuselnden Tierchen, würde in meinem Kopf verharren und mich an eine lebhafte und glückliche Zeit besinnen. Tief drinnen in meinem Rotschopf lagen die Erinnerungen an das Geschehene verborgen. Was also hatte die letzte Zeit aus mir, Yndis Eysgardottr, gemacht?



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 Beitrag Verfasst am: 29 März 2019 13:09    Titel: Sigrblod - der Sieg über den Winter
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(Sie hat nie getäuscht, die Stimme der Natur)




Die Geräusche des Abends hatten sich einhüllend um die Gäste gelegt. Das Feuer knisterte einladend an der Feuerstelle, die Stände ragten in prächtigen Holzmaserungen empor und warteten nur darauf mit den schönsten Waren gefüllt zu werden. Selbst am Hof war ob der vielen Gäste eine nervöse Ruhe eingekehrt. Ein Beobachter hätte die hochgewachsene Rothaarige weiter hinten ausmachen können. Ernsten Blickes verfolgte sie das Ritual und besah die Felder, welche sie seit vielen Monden nun schon bestellte - auch wenn das der Hof ihrer Schwester war. Sie war nun einmal auf einer längeren Reise und die Arbeit durfte auch hier nicht liegen bleiben. Der Name der obersten Hand erklang auffordern und erst daraufhin setzte sie sich mit großen Schritten in Bewegung. Die sonst unordentlich geflochtenen Haare wiesen am heutigen Tage ein gekonntes und hübsches Flechtwerk am Oberkopf auf. Kleine Wermutblätter und einzelne Kornblüten waren verwoben worden und schmückten die feuerrote Mähne, die ansonsten offen über ihren Schultern hing. Das Fell ihres Umhanges schleppte sich lautlos über den Boden während ein weiteres ihren Hals und ihre Schultern bedeckte. Sie wusste scheinbar genau was zutun war, denn als der Geisterwächter ihr die Schüssel voller Blut entgegen reichte, wandte Yndis sich dem Feld zu um ihm etwas vom Opfer darzubieten. Ohne Scheu tauchten die Finger in die rote Flüssigkeit und verteilten sie spritzend und tropfend über der aufgelockerten Erde. Welch ein Kontrast für die Augen, welch tiefere Bedeutung für all die Thyren. Dickflüssig sickerte das Blut durch die einzelnen Sandkörner, verfestigte sich neuerlich mit dem Erdboden. Leise murmelnd konnte man die Thyrin dabei beobachten. Meditativ lief das Blut an ihren Fingerspitzen hinab und darüber hinaus. Die Worte allerdings waren thyrischer Natur, kaum zu vernehmen für die umstehenenden Gäste.




''Euch Geystern schenken wyr das Blut. Stärkt uns're Erde, lasst sye zu neuem Leben erwachen und schenkt yhr Fruchtbarkeyt. Ein Leben für das Leben. Mey dank' euch.'', kam es heiser und flüstern aus meinem Munde. Ich konnte die Blicke in meinem Rücken spüren. Sie gruben sich neugierig hinein und verfolgten meine Schritte und mein Tun. Doch sie verunsicherten mich nicht. Ich wusste um meine Geschwister, welche voller Stolz in ihrer Brust auf diesen Tag gewartet hatten - so wie sie es jedes Jahr taten. Ich wusste um meine Zwillingsschwester, die dazu beigetragen hatte mir dieses Opfer zu ermöglichen. Uns allen, die von den Speisen meines Herds aßen und von meinem Met tranken. Ich lies das Blut von meinen Fingern tropfen und trat vom Feld hinab um die Gesichter der Umstehenden aber vor allem die meiner Geschwister zu betrachten. Meine Blutsschwester, die soviele meiner Züge mit mir teilte. Ketiley, mein ungeahnter Anker in Wulfgard. Olov, mein Ridder und doch nur noch mein Bruder, der jederzeit sein Schwert erheben würde um uns alle zu schützen. Arzgeda, Wächter der Traditionen. Trygve, unser neuer Ridder, welcher voller Herzblut für das Rudel einstand. Und auch sah ich die neuen Gesichter... Eske, die paustbäckige Schwester, die es immer fertig brachte mir ein Lächeln auf die Züge zu zaubern. Gislaug, das Keks hortende Schwert. Hjall, welcher ungesehen und ungefragt zu einem Teil eines jeden meiner Tage geworden war, gewiss aber nicht unbemerkt. Und Helfjor, der Bruder mit dem losen Mundwerk, welcher dennoch stets seine Hilfe anbot. Ich atmete mit einem Lächeln auf meinen Zügen aus und kündigte den ersten Handel des Jahreslaufes an, welcher das Geflecht aus Freundschaften und Bünden verstärken sollte. Der Geruch des Fleisches und des Mets zog verlockend über den Platz während ich dem regen Handel zusah und an meinem Stand lehnte. Mich umgab die absolute Zufriedenheit. An welchem Ort könnte man lieber sein wollen als dort, wo man von geliebten und liebenden Gesichtern umgeben war? Erst in den tiefen Abendstunden fanden meine Füße den Weg zum großen Hof zurück. Die Stille wurde nur durch das Rascheln der Schafe durchbrochen und auch der Anblick war ein weitaus friedlicher als der am anderen Hof. Meine Finger zeichneten den kunstvollen Wurzelrahmen des Spiegels nach, ehe ich ihn von der Bank aufnahm und mit hinab im mein Schlafzimmer trug. Dort in dem gemütlichen Raum, umgeben von Fellen und Pflanzen, stellte ich ihn auf der Kommode ab und betrachtete mich einen Moment im Spiegelbild des Kristallglases. Meine Haare waren noch sanft gelockt vom heutigen Kunstwerk meiner Finger, mein Mundwinkel zeichnete noch immer ein verlegenes Schmunzeln ob des erhaltenen Kompliments. Ein Spiegel zum Geschenk zu erhalten war eine sonderbare und doch besondere Geste. Er würde mir stets mein wahres Ich und meine wahren Empfindungen preisgeben. Nichts konnte den Blick aus meinen eigenen Augen in mein Spiegelbild verändern. Vielleicht konnte es wanken oder undeutlicher werden wenn ich zulange hinein sah, jedoch würde die Thyrin dahinter dieselbe bleiben - immer.





Zuletzt bearbeitet von Bitte loeschen am 29 März 2019 13:41, insgesamt einmal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 04 Apr 2019 12:21    Titel: Seelenbund
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(Der Weise weiß Bindung und Freiheit in Einklang zu bringen)



Während ich in meinen Fellen lag, dachte ich über die vergangenen Wochen nach. Immer wieder schweiften meine Gedanken zu den Geschwistern ab, welche das Dorf verlassen hatten. Und doch konnte ich mit absoluter Gewissheit sagen, dass die Trauer über ihren Verlust langsam aber sicher verblasste. Es war wie eine Wunde die ab und an noch schmerzte jedoch langsam unter der neuen Haut, die eine Narbe bildete, verschwand. Nach und nach drangen jedoch ferne Worte an mein Ohr, als würde ich sie in einem träumerischen Nachhall vernehmen. ''Und so hörte mey die Hufe näher kommen und wusste, dass Anundraf mey erwartet. Denn der goldene Krieger auf seynem Ross nickte dem erhabenen Raben zu, der meyne Seele auf die Halle vorbereytete. Kriegers Gaul brannte in meynen Augen wye die Feuer der Vulkane selbst. Und so dachte mey, dass der Alte im Berg ihn selbst geboren haben muss. Doch seyne Wärme legte sey über mey wie die des heymischen Herdes. Denn mey würde mit den Herren des Feuers reiten, meyne Ahnen wiedersehen und an Thrails Seyte sein.'' Seit vielen Wochen, jetzt wo der Frühling gekommen war, hatte ich mich wieder der Zucht der Kaltblüter angenommen. Und wie sich zeigte, waren die Ahnen mir wohlgesonnen, denn die ersten gesunden Fohlen spielten und sprangen bereits auf der großen und grünen Koppel herum. Ihr wacher Geist machte es schwer in unschöne Gedanken zu verfallen oder einen wankelmütigen Tag zwischen alter Trauer und ehrlicher Lebensfreude zu spüren. Stets unter ihnen war auch meine Stute, obgleich sie nicht mir gehörte. Dennoch verspürte ich schon wenige Wochen nach ihrer Geburt eine tiefe Verbundenheit zu diesem Pferd. Nur Städder hätten mich für diesen Gedanken seltsam angesehen, denn jeder Wolf wusste um die Bedeutung dieser Worte. Seit jeher verstand sie es mir meine Ängste und meinen Kummer durch die Ruhe und die Treue in ihren Augen zu nehmen. Seit jeher hatte ich ihr die Sorge um ihre Fohlen genommen, sie behütet und beschützt wenn sie es selbst nicht konnte. Ich hatte Tage und Nächte auf der Koppel verbracht um auch die komplizierten Fälle mit eigenen Händen aufzuziehen, wenn die Natur einmal nicht dafür geschaffen sein sollte. Doch selbst nach zwei Jahresläufen hatte ich vermieden mich zu sehr an sie zu gewöhnen. Natürlich hatte ich mich an sie gewöhnt, dennoch saß stets die Sorge in meinem Nacken, dass sie sich eines Tages für einen anderen Claner entscheiden würde. Denn wählen würde sie nur ein einziges Mal in ihrem Leben. Erst Ketiley hatte mir die Augen geöffnet und offenbart, dass sie möglicherweise der perfekter Gegenpol war, der meine Schwächen ausglich. ''Ihr werdet einander verstehen ohne dass dey Worte sprechen musst'', hatte sie gesagt und eine Hand an meine Schulter gelegt. Wo auch immer die Schwester hergekommen war, sie war geblieben und hatte einen tiefen Teil in meinem Herzen besetzt. Manches Mal war es gar erschütternd, wie sehr sie in meine Seele blicken konnte und meinen Gram verstand, doch die Dame im Wind würde uns stets unverständliche Wege und Bindungen aufzeigen, die unser Leben bereichern würden. ''Das Kaltblut wird auf den Tag deynes Todes warten und mit dem Krieger zu dey kommen. Er wird auf alle Kaltblüter achten, die von diesen Erden geryssen werden. Sie gallopieren mit in seyner Herde und werden frey sein.'' Ironischerweise hatte ich bei diesen Worten einen Teil des Kriegers in mir selbst gesehen, denn auch ich behütete all die Kaltblüter bis sie ihren Seelenbund fanden. Und so hatte ich meiner Stute nach vielen Monden einen Namen gegeben, welcher einen tieferen Sinn hatte. Halla. Es war ein kurzer Name, nichts aufwändig verschnörkeltes und doch hätte die Bedeutung eine passendere nicht sein können. Er stand für das unerwartete Geschenk welches sie in jeder Stunde für mich gewesen war und sein würde. So unerwartet wie das nachtschwarze Fell ihrer Reinheit waren auch der Zeitpunkt und die Wurzeln ihrer Geburt gewesen. Die lange und wilde Mähne tanzte im Abendwind und zeigte mir die Zeit die verstrich und durch meine Finger glitt. Sie zeigte mir die wunderschöne Wildheit die in ihren Adern floss und die Perfektion welche die Natur erschaffen hatte. ''Stirbt das Kaltblut auf dem Felde, so musst dey seynen leblosen Körper nach Wulfgard an die heymischen Feuer bringen. Dey musst das Holz im Hain so hoch aufhäufen, wie das Pferd es auch im Leben verdyent hätte und dort verharren, bis der Leyb und das Feuer niedergebrannt sind, auch wenn es Tage dauert. Es wird keyn körperlicher Schmerz seyn, doch das Feuer wird deyn Herz zerreißen, eyn Schmerz der in der Seele verbleybt.''
Ich wusste, dass dieser Weg kein leichter sein würde. Ich wusste worauf ich mich einließ. Und ich hatte bereits einige Vorbereitungen getroffen um dem Bindungsritual näher zu kommen. Der Geruch des Kräutergestecks breitete sich bereits in meinem Zimmer aus und ströhmte umher. Wermut, Stechapfel und getrocknete Kornblumen hatten zu einem wunderbar geflochtenen Kranz zusammengefunden, welchen ich mit eigenen Händen verflochten hatte. Die krautigen und fein behaarten Triebe des Wermuts bildeten einen stabilen Untergrund für die schmalen Stängel der Kornblume und die stacheligen Blätter des Stechapfels. Schon lange trug ich diesen Duft an meinen Haaren, wenn ich des Morgens den Hof verließ. Dass er jedoch zu -meinem- Geruch geworden war, war mir verborgen geblieben und erst durch die Worte Hallarsons klargeworden. Und genau diese Eigenschaft machte das Rauchwerk zum vollendeten Begleiter des Rituals, sodass meine Stute den bekannten Geruch wahrnehmen würde. Ich hatte in penibler Manier die vollendetsten Halme des Korns aus meiner Ernte zu einem Strauß zusammen gebunden, auf das auch ein Teil Hallas zum Feuer fand. Jetzt galt es nur noch über die Worte nachzudenken, die den Bund im besten Fall versiegeln würden. Ein Aspekt jedoch bereitete mir die größte Sorge. Üblich war es, dass die Hand welche die Kaltblüter zog, drei Pferde auswählte die am passendsten für den Claner sein könnten. Ich jedoch hatte mich auf diese eine Stute festgelegt und setzte all meine Kentnisse, all meine Hoffnung und Erfahrung auf dieses eine Pferd. Nur die Ahnen und der Tag selbst wussten, wie es kommen würde. ''Der Bund bedeutet Treue, füreynander leben, füreynander sterben.''









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 Beitrag Verfasst am: 08 Apr 2019 12:35    Titel: Erkenntnisse der Zeit
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(Begegnungen sind eine Erfahrung - Loslassen eine Erkenntnis)




Die prasselnden Flammen verschlangen die Holzscheite des großen Lagerfeuers, während ich eingehüllt in die Felle meines Überwurfes, auf einem der Baumstämme saß und den Worten meiner Schwester lauschte. Die flirrenden und tanzenden Funken des Feuers wanden sich durch den abendlichen Wind zum Himmel empor und schienen mit dem dunklen Sternenzelt zu verschmelzen. Und obwohl ich es nicht gewollt hatte, betrogen meine Gedanken mich aufs neue und ließen mich über den Bären nachdenken, der das Dorf verlassen hatte. Heute jedoch erblickte ich meine eigenen Überlegungen in einem anderen Licht. Wochenlang hatte ich mir eingeredet, dass ich dafür verantwortlich war, dass er seinen Weg geändert hatte. Ich hatte mich im Spiegel betrachtet und eine Leere erblickt, die ich durch meine eigenen Gedanken erschaffen hatte. Ein Schuldgefühl welches ich mir eingebläut hatte, eines das kein Wasser dieser Welt abzuwaschen vermochte. Doch ich hatte erkannt, dass ich niemandem schuldig blieb zu beweisen, dass ich gut genug sein würde. Jeder der mich mit ehrlichem Blick ansah, versuchen würde mein wahres Ich zu erkennen und hinter die Fassade zu sehen, würde feststellen können, dass ich es bereits wert war, ganz ohne Veränderung. Wo war also der Stolz geblieben, welchen ich Dank meines Dahs in den Adern trug? Hatte es wirklich erst den Skalden gebraucht um mich davon zu überzeugen oder die vielsagenden Worte meiner Schwester? ''Dem Wolf, den dye Dame im Wynd von uns wegsendet, dem sollten wey verzeihen. Doch der, der es nur tut, weyl er zweyfelt und ney beständig seyn kann, den sollten wey gehen lassen. Und deshalb sollten wey uns mit den Wölfen umgeben, dye sey ney nur um das eygene sondern auch um das Wohl des Rudels scheren. Die ney versunken in yhrem eygenen Pfad sind, sondern den Pfad des Rudels und den eygenen in eyn Gleychgewicht bringen können.'' Die Worte waren so simpel und logisch und doch hatte ich sie erst in diesem Moment wirklich verstanden und bewusst vernommen. Die Ahnen würden ein wachsames Auge auf den Bären legen und vielleicht war auch er endlich wieder glücklich, wo auch immer ihn die Dame hingeführt hatte. Doch nicht ich war es, die gegangen war, sondern er. Mit diesem Zug hatte er seine Absichten besiegelt und einen Schlussstrich hinterlassen. Und Hjall hatte Recht, die Weltenmühlen mahlten die Zeit unerbittlich, der Winter ging und der Frühling kam in ewigem Wechsel. Und die Zeit der Trauer war vorbei. Ich hatte mir genug Vorwürfe und Unsicherheiten gemacht, hatte genügend Zeit damit verbracht an das Vergangene zu denken. Es galt das Geschehene hinter mir zu lassen und das Hier und Jetzt zu genießen. Und zumindest diesen Punkt hatte ich bereits wieder begonnen, denn ich genoss die Zeit ohne wenn und aber. Nicht nur für den neuen Jahreslauf war es ein Neubeginn gewesen sondern auch für mich. Wie der Hirsch, der sein prächtiges Geweih abgelegt hatte, sich wehrlos dem Leben hingab, um im Frühjahr die neuen Knospen, die neue Wehr auf seinem Haupt zu spüren. Richtig ertappt fühlte ich mich allerdings erst als Ketiley mit dem Thema der Segen begann. Ich wünschte mir ein schwarzes Loch in dem ich verschwinden konnte, als ich bereits die Wärme auf meinen Wangen spürte. Völlig hilflos senkte ich den Blick zum Feuer hinab, bemüht niemanden etwas von meiner Scham zu zeigen. Denn still und leise hob sich mein grüner Blick immer wieder beobachtend zur Seite an, das Profil des Hünen studierend. Trotz meiner wachsenden Nervosität, schien der Skalde neben mir die Antworten in scheinbar völliger Ruhe zu geben. Und obwohl seine Stimme in ruhiger Note von ihm ausging, hatte ich auch bei ihm das kurze Straucheln vernommen. Den stillen Zuhörer gebend, konnte ich nicht umhin zuzugeben, dass ich bei diesem Thema eine gewisse Angst empfand, einen gesunden Respekt. Ja, ich würde die Vergangenheit ruhen lassen, jedoch würde ich die Erfahrung nicht vergessen. Auch wenn sie schlecht war, hatte sie mich geprägt und verändert. Musste ich also ein schlechtes Gewissen haben oder mich gar fürchten, dass ich mich von ihm angezogen fühlte? Wenn ich mich der Arbeit auf den Feldern widmete und mein Blick zum Meer hinaus wanderte, dort wo die grauen Wolken sich über der blauen und weiten See brachen, konnte ich seine Augen erkennen. Sah ich einen schwarzen Vogel, der durch die Beerensträucher huschte, dachte ich an die Hautmalerei der Amsel. Und auch im Korn, welches golden das Streicheln des Windes hinnahm, sah ich von Zeit zu Zeit den krausen Bart und die blonden Haare des Kerls. Mein Lachen war mit ihm zurück in das Dorf gezogen und machte nicht den Eindruck, als wolle es so schnell wieder weichen. Konnte man sich also wirklich so schnell an jemanden gewöhnen wenn man sich gut fühlte? Mit diesen Gedanken und einem sachten Lächeln auf den Lippen erhob ich mich von meinem Platz und verabschiedete mich für diesen Abend. In der heutigen Nacht würde mich gewiss ein tiefer und zufriedener Schlaf ereilen. Als ich mich in die Felle kuschelte erkannte ich, dass es manchmal nicht ausreichte wenn man über etwas nachdachte, ab und an würde es jemanden brauchen der die eigenen Augen öffnete, um etwas wirklich zu erkennen und zu begreifen.





Zuletzt bearbeitet von Bitte loeschen am 08 Apr 2019 12:40, insgesamt einmal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 06 Mai 2019 10:46    Titel: Vergangenheit und Gegenwart.
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(Wer wirklich tapfer ist, fürchtet sich nie.)





(Vergangenheit)


Es war ein nebelverhangener Tag als ich mit den Geschwistern in die Höhlen Nahe Schattenwinkels zog. Zwar war ich die Kälte aus dem Norden gewohnt, die frostige Kälte der Grotte zog mir allerdings ungemütlich die Oberarme entlang und festigte sich weiter und weiter in meiner Brust. Ich erinnerte mich daran dass die anderen mit den Kaltblütern unterwegs waren und mein Clansbruder Steyngrimm und ich ihnen nachfolgen sollten. Ich striff mit meinem Bogen durch den Wald, vorbei an den Ruinen eines alten Tunnels und sah mich um während Steyngrimm bereits weit vor mir lag weil ihn der Hunger antrieb. Doch ehe ich reagieren konnte hörte ich die kratzende und widerliche Stimme im Hintergrund, samt einer Klinge die sich zwischen meine Schulterblätter drückte. Er säuselte in mein Ohr und bezeichnete mich als verlorenes Wölfchen, welches sich in naiver Natur von seinem Rudel getrennt hatte. Mehr und mehr dunkle Gestalten lösten sich aus dem umgebenen Dickicht und traten auf mich zu. Verhüllte Gesichter und düster dreinblickende Augen legten sich auf mir ab während sie näherkamen und mich an die Mauer drängten. Auch die Gestalt hinter mir trat nun vor mich und zog seine Maske hinab. Die dunkle Pantherfratze welche zum Vorschein kam ließ mich angewidert zu Boden spuken und sobald er ein wenig Abstand gewonnen hatte, zog ich in ruhiger Geste meinen Bogen und einen Pfeil vom Rücken, welchen ich an die Sehne fädelte. Ich wusste ich war schnell gewesen, die Übung der vielen Jahre hatte mich geschult und so zog ich meinen Ellenbogen zurück und setzte die Spitze des Pfeiles auf den Letharfen an. Ich fragte mich ob er andere Möglichkeiten sah als nur völlig sinnfrei und mit leerem Kopf zu beleidigen, doch möglicherweise konnten diese Ausgeburten auch nichts anderes. Ich zog die Sehne weiter zurück und überlegte wie klug es wäre zuerst auf den kleinsten von ihnen zu schießen, als sich bereits eine lähmende Enge in meiner Brust ausbreitete. Ich spürte wie meine Finger zu zittern begannen und der Pfeil wie in Zeitlupe hinaus glitt und zu Boden fiel, als die Sehne hervorschnellte und dem Letharfen ein wissendes Grinsen aufs Gesicht legte. Die schwarzberobte Gestalt im Hintergrund hatte ihr Augenpaar fest auf mir abgelegt und fixierte mich nicht nur augenscheinlich sondern scheinbar auch körperlich. Während sie alle sich hinter dem Letharfen hielten, ging dieser auf mich zu und zog seine Klinge aus der Scheide. Die Spitze welche sich weiter und weiter durch meine Lederrüstung bohrte und langsam aber sicher an meinem Brustbein aufkam, schmerzte. Selbst mit meiner Körpergröße war ich in dieser elenden Starre gefangen - wie ironisch es doch war. Ich spürte den Druck zunehmen, die Klinge in meine Brust eindringen.. doch mit einem surrenden Pfeil ließ der Druck auf einer einzelnen Stelle nach und verlief in einen sengenden Schmerz der sich hinabzog. Der Letharf der vom Pfeil getroffen wurde rutschte mit seiner Waffe ab und verletzte mich zunehmend, doch immerhin ließ er von mir ab. Als hätte der verlorene Augenkontakt zur Fuchtlerin mir neue Bewegung gegeben drehte ich meinen Kopf und erkannte einen weiteren meiner Brüder. Rekkr war aus den Gebirgen des Eisgrabes gekommen und hatte die Aufmerksamkeit so schnell auf sich gezogen, dass die Gestalten mich scheinbar nicht länger interessant genug fanden. Einen ganzen Moment lang stand ich nur da, die Hand auf meine Brust gepresst, welche das ausfließende Blut einfach nicht in der Wunde halten wollte. Ich hörte die Stimmen meiner Brüder entfernt während ich zu Boden sank und gerade noch erkennen konnte, wie die Horde der Fratzen Rekkr in die Klamm hinauf folgte. Ich dämmerte zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit ohne mich regen zu können doch irgendetwas hatte mich unter den Armen gegriffen, denn ich bewegte mich auf wundersame Weise vorwärts. Mich auf die Bewegung konzentrierend schloss ich die Augen und gab mich der Dunkelheit hin, die mich liebevoll umpfing und davontrug. Die nächste Erinnerung waren die Augen meiner Schwester welche besorgt auf mich hinabblickten, während sie ihre Hände fragwürdigerweise auf meiner Brust abgelegt hatte. Ich versuchte zu sprechen aber der Blutverlust versagte mir die Kraft und meine Stimme. Erneut geweckt wurde ich von den schmerzhaften Stichen an meinem Brustbein, welche mich blinzelnd den Städterkerl Heinrik erblicken ließen. Ich begann mich zu wehren als die Panik sich in meinem Körper breit machte. Ich hatte gespürt das mein Oberkörper nackt war und hier war ein einfacher Städter im Raum. Wie hatten meine Geschwister das zulassen können?! Ich hatte keine Kraft darüber nachzudenken denn meine Augen fielen wieder zu.. Ich sah meine Brüder, ich wusste irgendwo hinter all dem Schmerz war meine Sorge um sie verborgen. Hatten sie es mit ins Dorf zurück geschafft? Erst in den Abendstunden erwachte ich in der Weiberhütte. Der Schmerz lag noch immer wie eine Blase um mich und ich überlegte ob ich bereits in Anundraf angekommen war, als die Augen und die Stimme meiner Schwester mich vom Gegenteil überzeugten. Nach diesem Morgen legte ich meinen Bogen nieder. Viele Monde lang verdrängte ich jeden Gedanken an eine Jagd oder das schmeichelnde Gefühl des weichen Leders auf meiner Haut. Und auch wenn ich nicht mehr kämpfte, den wahren Kampf trug ich in meinem Inneren aus. Gefechte gegen zwei meiner Clansschwestern, welche mich in meinem Schmerz als sterbenden Schwan betitelt hatten und meinen Kummer um den Verlust meines Bogens nicht verstanden. Kriege gegen die Geschwister, welche nicht verstanden weshalb ich mich davon entfernte den Kreaturen wieder zu begegnen. Denn am Ende hatte ich nicht nur mir geschadet, sondern dem ganzen Rudel, indem ich meine Brüder mit in Gefahr gebracht hatte.



(Gegenwart)

Zwei Jahresläufe waren seit meiner Begegnung mit dem Pack des Westens vergangen, obwohl.. sicher waren sie auch in der letzten Schlacht um Schattenwinkel irgendwo gewesen. Das hypnotisierende Blau des Nahe gelegenen Wasserfalls und das Funkeln der umherschwirrenden Glühwürmchen gaben ein wundervolles Bild ab. Das Holz des Feuers war hinabgebrannt und gab die Sicht auf leicht glimmende Glut frei, welche nur einen seichten Wärmequell bot. Und doch war der wichtigste Aspekt meine Gesellschaft. Nach dem Ausritt hatte ich es mir mit dem Skalden gemütlich gemacht, ein wenig Met und etwas Fleisch dabei. Die Themen flogen wie stets so schnell an uns vorbei, dass ich mich anstrengen musste um sie hinterher abermals zu erfassen. Doch im Moment, ehe die Gestalten sich ihren Weg durch den Wald zu uns bahnten, erzählte er mir gerade davon wie schwer er mich hatte einschätzen können. Zuerst besah ich die Gestalten mit hohem Desinteresse, waren sie hier ohnehin in Feindesland und fühlten sich stets sicherer als sie waren. Die bekannte, kratzende Stimme ließ meinen Kopf allerdings zur Seite rucken während mein Körper sich automatisch verkrampfte. Der Kloß in meinem Hals fühlte sich eher nach einem Stein an und machte meinen Beine schwer. Mein Herz setzte kurz auf, als der Hüne neben mir sich auch schon empordrückte um in voller Größe vor ihnen aufzuragen. Auch ich erhob mich schwer und quetschte eine Begrüßung aus meiner Kehle. Die Benommenheit versteckend, verschränkte ich meine Arme stramm vor der Brust und wartete einen Moment einfach ab, denn ich hatte weder eine Rüstung, noch meinen wieder aufgenommenen Bogen am Leib. Die Worte des Letharfen zeigten nur auf, dass er in den zwei Jahresläufen keinesfalls an Klugheit gewonnen hatte, denn wieder fielen ihm keine neuen Beleidigungen ein. Er war einfach nur ein zu klein geratenes dunkles Männchen, vor welchem ich normalerweile nicht einen Funken Schwäche zeigte. Und anstatt sich durch Taten und Handlungen zu beweisen, versteckte er sich hinter Worten, die das Rudel schon sooft gehört hatte, dass keiner sie mehr wahrnahm. Mit dieser Erkenntnis wich die lähmende Angst, die sich vor Jahren dort eingenistet hatte, langsam aber sicher. Wie ein dämlicher, kleiner Goblin griff die Pantherfratze einen Stein und warf sie in die Richtung des Skalden. Was hatte Hjall noch zu mir gesagt? Mit meiner Kraft und meinem Durchhaltevermögen auf Oger einzuschlagen.. konnte ich einem solchen Goblin mit Sicherheit seinen leeren Kopf zertrümmern. Ich suchte also den nahen Bereich welchen ich trotz der Dunkelheit erkennen konnte bereits nach einem Ast ab, als der Letharf scheinbar bereits fertig war zu spielen und seine Entenhorde, die ihm so niedlich hinterherrannte, anwies zu gehen. Zuerst war es schwer in die ruhige Situation von zuvor zurückzukehren, denn statt der Angst spürte ich es in meinen Eingeweiden brodeln. Ich bereute meinen Bogen oder meine Waffen nicht dabei gehabt zu haben um mich für das Gefühl, welches mich so lange Zeit beeinträchtigt hatte, zu revanchieren. Anders als gedacht schaffte Hjall es mich vollends auf sich zu lenken. Einen seiner Arme um mich geschlungen vertrieb er die aufkommende Kälte schnell und ließ keinen Platz in meinem Kopf um über andere Dinge nachzudenken. Sobald ich jedoch in meinen Fellen lag wurde mir klar, mein Zeitpunkt mich zu revanchieren würde kommen. Früher oder später.. dieses Mal jedoch ohne einen Funken des Respektes.




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 Beitrag Verfasst am: 28 Mai 2019 11:10    Titel: Midsommer
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(Beltaine - das Fest der Fruchtbarkeit)




Das kalte Wasser hatte sich um meinen nackten Leib gelegt und führte dazu, dass alle Zellen in meinem Körper sich zusammenzogen. Benommen fuhr ich mit den kribbelnden Finger über die taub werdende Haut und reinigte mich penibel und gründlich an alles erdenklichen Stellen. Nicht dass ich vorgehabt hätte heute Nacht in den Fellen zu landen, doch so war es nun einmal Brauch und Tradition. Ich war bis zu den roten Strähnen in das Nass eingetaucht und beobachtete während meiner eigenen Reinigung die Schwestern. Während Ketiley es uns gleich tat und nebenbei von den Gebräuchen erzählte, schien es Eske eher unangenehm zu sein denn sie versuchte sich mit jeglichen Fragen gefühlt über Wasser zu halten. Gislaug hingegen legte die Feingliedrigkeit eines typischen Schwertes an den Tag, welches am völlig falschen Platz zu sein schien. Absolute Stille ging von ihr aus und während auch ich mich in Schweigen hüllte, schaffte sie es wie ein Kerl zu wirken welchen man in den falschen Körper gesteckt hatte. Nachdem die feine Gänsehaut sich auf all unsere Arme geschlichen hatte legte Ketiley vor und verließ das Wasser - splitternackt. Ich schluckte schwer und streckte meinen Körper aus dem Wasser, schlang die Arme um meine Brust und folgte ihr ans prasselnde Feuer, welches uns schon willkommen hieß. Ich fächerte meine Haare auf und stellte mich nah an die Wärme heran um mir angestrengt über die kalte Haut zu reiben. Die Tropfen versiegten mit jeder Sekunde weiter und bald schon bildete sich ein spannendes Gefühl dort, wo das Wasser getrocknet war. Erst nachdem die Schwester uns alle mit einer roten, nach Erde riechenden Paste bemalt hatte, striff ich das reinweiße Kleid über den Kopf und zog es meinen Brustkorb hinab bis zu den Beinen. Weiß.. so unschuldig. Eigentlich absolut passend wenn es um den Zustand meines Körpers ging, zu meinem eigentlichen Wesen passte es allerdings ganz und garnicht. Nur die Maske konnte einen Teil meines skeptischen Blickes verwehren und so sah ich, bis auf das verräterische Hautbild auf meiner Schulter, schon bald genauso aus wie meine Schwestern. Die weißen Gestalten, welche wir waren, zogen barfuß durch das Dorf und näherten sich dem Festplatz welcher bereits geschmückt war. Die Kerzen brannten und tanzten im sanften Wind des Abends. Die Fressbretter waren gut gefüllt und auch das Met stand bereit. Langsam näherten wir uns dem Ritualplatz und Ketiley hielt uns allen ein Rauchwerk entgegen und bat uns darum ein Element darzustellen. Seitdem ich zur Hand geworden war sah ich mich klar im Element der Erde. Bodenständig und Haltgebend, ein Element welches die Fruchtbarkeit nicht besser hätte versinnbildlichen können und dennoch wählte die Schwester Eske aus und ließ mich meine Stirn runzeln.
''Beltane sey ney nur eyn Fest von Feuer und Wasser... sondern auch von Erde und Luft. Mey würde gerne, dass dey das Element der Luft respräsentierst, weil die Samen, die die Erde uns schenkt von der Dame im Wind über das Land getragen werden und mey finde, dass dey diese Fruchtbarkeyt des Landes und des Rudels am besten darstellst, Sisstr.'' Ihre Worte zauberten mir unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen. Ich wusste nicht wieso, doch in ihren Worten empfand ich ein unmessbares Kompliment welches mir bestätigte, dass ich meinen Platz im Rudel wahrlich gefunden hatte - ganz genau wie sie es mir vor vielen vielen Monden gesagt hatte.

Die Zeit verstrich schnell und der Himmel färbte sich in ein dunkles und sattes Blau, welches die Sterne nur allzu gut hervorhob und ihnen den zustehenden Platz anbot. Wir tranken Met und unterhielten uns ruhig während man die Anspannung in den meisten der Weibern förmlich spüren konnte. Doch das stille Zusammensein wurde durch die stampfenden Schritte der Kerle unterbrochen. Ich ließ meinen Blick an ihnen entlangschweifen und musste feststellen dass ich sie selten so ''nackt'' erblickt hatte. Das blutverschmierte Kilt gab den Blick auf die gut geformten Waden der Kerle frei, selbst Teile der Brust konnte man erkennen, ganz zu schweigen von den Armen. Olov und Trygve kannte ich nun bereits zwei Jahresläufe, doch nie hatte ich mich in meiner Vorstellung als ihr Weib gesehen. Sie waren schlichtweg meine Brüder, ein Teil meines Clans und meiner Familie.. und so prasselte meine Aufmerksamkeit an ihnen ab und blieb auf dem Skalden hängen. Während Olov als großer Jäger bereits begann seine Beute zu häuten um sie mit dem Rudel zu teilen, hatte Hjall die Arme vor der Brust verschränkt. Selbst aus der Entfernung konnte man die feinen Hautmalereien auf ihnen erkennen, welche sich zu Teilen bis zu seinem Oberkörper erstreckten. Ich leerte meinen Krug und erhob mich, strich das ungewohnte Weiß um meinen Körper glatt und trat ebenfalls an den Ritualplatz heran. Nervös gesellte ich mich zu Eske und lauschte allzu konzentriert Ketileys Worten. Erst als sie mit einem Kelch an mich herantrat nahm ich diesen mechanisch entgegen und setzte ihn an meine Lippen, um gleich darauf den bitteren Geschmack meinen Hals hinunter zu zwängen.
''Kerle, hebt eure Weyber zum Krieger yn die Höhe und tragt sie auf euren Schilden'', kam es von der Ahnenruferin und ich hoffte mich verhört zu haben. Mein erstes Beltaine und ich hatte nicht gewusst auf was ich mich einließ, hoffte dass diese Aufforderung nur versinnbildlichend gemeint war.. doch nichts da. Als der Skalde an mich herantrat und sein Schild vom Rücken zog blieb mir der Kloß fast im Halse stecken. Nicht dass ich es ihm nicht zugetraut hatte aber ich war nicht umsonst so in die Höhe gewachsen. Irgendwo in meiner Größe musste genügend Gewicht stecken dass ich zwei von den Städderweibern hätte verschlucken können. Doch sein blaugraues Augenpaar ruhte ruhig auf mir, als er das Schild vor seinen Leib hielt und sich auf ein Knie hinabsinken ließ. Bei den Ahnen wieso?, schoss es durch meinen Kopf als ich ihm den Rücken zuwandte um mich zaghaft auf dem dargebotenen Schild des Bunjamkerls niederzulassen. Gerade hatte ich noch über mein Gewicht nachgedacht, als der Skalde mich samt Schild auch schon emporstemmte. Hätte er nicht geschnauft hätte es mich auch gewundert. Doch während die anderen Kerle sich mit ihren Techniken abmühten, lehnte er die Kante des Schildes auf seiner Schulter ab sodass ich relativ ruhig nach dem sonnengelben Band greifen konnte, welches Ketiley mir anreichte. Die freie Hand hatte ich um den Rand des Schildes geklammert während wir langsam um das Feuer herumgingen und das Muster der Bänder sich weiter um den Eschenstab hinweg verband. Nach der zweiten Runde um den Platz senkte sich meine Sitzfläche sanft hinab und der Skalde ging erneut auf ein Knie hinab, sodass ich mühelos, wenn auch etwas wackelig, wieder aufstehen konnte.

Nachdem das Ritual durchgeführt worden war ging alles schneller als gedacht. Ketiley forderte die Kerle auf ihre Weiber für die heutige Nacht zu wählen - wie auch immer sie sie verbringen wollten. Olovs Wahl fiel auf Ketiley selbst. Hjall schien auch nicht lange zu überlegen und sprach meinen Namen mit fester Stimme. Und als auch der Ridder seine Wahl getroffen hatte, wendeten wir uns alle zum Feuer um, um zu fressen und zu saufen. Man konnte die Grillen und einige Eulen im Hintergrund des Platzes hören, eine gemütliche Ruhe welche es mir erleichterte meine Beine zu mir aufs Fell emporzuziehen um mich sanft an den Skalden zu lehnen. Die Stunden und Themen zogen vorrüber und das Feuer wurde zusehends kleiner und ruhiger. Die Paare verließen den Platz um sich zurückzuziehen und nur Hjall und ich blieben zurück. Und mit der Zweisamkeit kamen auch die stilleren Themen auf, welche man nicht vor den anderen Clanern besprach.
''Jedesmal wenn mey dey sehe macht mey Herz 'nen Sprung. Es fühlt sich richtig an und das is' am wichtigsten'', kam es leiser und die Hand, welche um meinen Rücken geschlungen war festigte sich ein wenig. Während er seine zweite Pranke auf meinem Hals ablegte, neigte er den Oberkörper und seinen Kopf soweit vor, dass er schon bald seine Lippen auf die meinen legte und sich einen kurzen, aber dennoch nicht weniger liebevollen Kuss zu stehlen. Wenn es auch erst das zweite Mal war, dass wir uns in diesem Sinne Nahe kamen, die Berührung fühlte sich nicht mehr ganz so unsicher an, wie noch beim letzten Mal. Und als ich die Augen wieder öffnete und die sanfte Röte auf seinen Zügen erkannte, konnte ich nicht umhin einen Vorschlag für die bevorstehende Nacht zu machen. ''Mhm dey könntest die Nacht bey mir in de Felle verbryngen, nur damit ich mey eyn wenig an dey kuscheln kann. Und alles was noch kommen mag, heben wyr uns für dann auf, wenn es eben soweyt sey.'' Seine Augenbrauen wanderten überrascht empor als sich auch schon ein schiefes Grinsen auf seinen Mundwinkel schlich. ''Wenn mey drüber nachdenke is' es mey so sogar am liebsten, Olov meinte zwar das es 'ne Nacht is' die man vergessen sollte aber anders würd's mey schwer fallen.'' ''Aye, stell ich mey auch schwer vor dann nie wieder drüber red'n zu dürfen. Aber so sind wir beyeinander und halten uns doch irgendwie an de Regeln.'' Nachdem wir das geklärt hatten erhoben wir uns zielstrebig von unseren Plätzen und gingen gemütlich, Hand in Hand, Richtung Hof. Dort angekommen griff der Skalde sich rasch ein frisches Kilt aus seiner Truhe und folgte mir hinein. Und während ich die Zeit damit zubrachte mein Haar grob zu bürsten und das übliche Nachthemd überzustreifen, wusch er sich ungesehen das Blut vom Körper. Ich fachte das kleine Feuer im Raum ein wenig an und besah die Felle, als der Kerl bereits eintrat. Ich konnte den Blick förmlich in meinem Rücken spüren und meine langen Beine kamen mir plötzlich nackter vor als zuvor. Um die Nervosität aber nicht allzu sehr an mich heranzulassen, bot ich ihm sogleich einen Platz auf dem viel zu großen Fellbett an. Es sollte sich herausstellen dass es garnicht mehr so groß wirkte, nachdem der Hüne es sich darauf gemütlich gemacht hatte. Ich zwang mich nicht lange zu überlegen und setzte mich ebenfalls ab um an ihn heranzurutschen. Er hob bereits seinen Arm um mir die Stelle als Liegeplatz anzubieten und so legte ich meinen roten Schopf an seiner Schulter ab und schlang daraufhin meinen Arm ruhig um seinen Brustkorb. Ich konnte die Anspannung in seinem Körper spüren, versuchte aber mich nicht davon anstecken zu lassen. Ich schloss meine Augen und strich beruhigend mit den Fingern über seinen nackten Arm. Wen ich damit beruhigen wollte blieb für den Moment einmal dahingestellt, doch nachdem er seine Nase an meinen Schopf gedrückt hatte um einen tiefen Atemzug zu nehmen, gab ich mich bereits der Müdigkeit hin und schlief schon bald ruhig, fest und vor allem geborgen und sicher ein.




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 Beitrag Verfasst am: 02 Jul 2019 15:55    Titel: Wut und Leidenschaft
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(Und jetzt ist es Leidenschaft statt alter Gedanken..)




Beltaine war schon einige Wochen vergangen, seitdem ich diese gemeinsame Nacht mit Hjall verbracht hatte. Natürlich waren das Gedanken welche ich nie laut aussprechen würde, denn niemand sprach nach diesem Abend noch ein Wort darüber. Dennoch war ich friedlich und vor allem anständig in seinem Arm eingeschlafen, in aller Abgeschieden- und Verschwiegenheit des Festes - und dennoch nicht fern aller Traditionen der Sturmheuler. Ich hatte mich gleich einige Köpfe kleiner gefühlt als ich meinen Rotschopf erst einmal in seiner Armbeuge platziert hatte. Kleiner im Sinne von verletzlicher, fast wie ein kleines Mädchen, dem man jeden Moment das Stofftier entreißen könnte, schließlich hatte ich nie mit einem Kerl die Felle geteilt. Unsere Worte waren seit diesem Abend nicht mehr ganz so vage wie noch zuvor. Stetige Anspielungen begleiteten unseren Tag, denn wir wussten nun schließlich wovon wir redeten und worauf es sich zu freuen galt. Es wurde klarer, dass er nicht nur der Kerl war den ich glaubte zu wollen, sondern genau der, den ich nun einmal wirklich wollte. Nun musste nur der Ridder seinen Kopf endlich mal anstrengen und mit unserer Aufgabe um die Ecke kommen. Doch es war ruhig geworden im Dorf. Einige der Geschwister hatten sich zurückgezogen oder waren mit dem Schiff in Richtung ihrer Eltern aufgebrochen um ihnen vom neuen Heim auf Sturmouve zu berichten.

Welch Glück ich gehabt hatte, dass die Kerle zumindest allesamt zum Markt in Menekur mitgegangen waren. Sonst hätte ich dem Städderweib möglicherweise noch den Kopf abgerissen. Natürlich hatte ich meine Größe und auch meine Stärke nach besagter Nacht wiedergefunden und so konnte ich ihr Verhalten einfach nicht dulden. Einfach irgendwelches Fressen anzugrabbeln, daran zu riechen und es dann wieder zurück in den Korb fallen zu lassen ohne es zu kaufen. Das "Ihh" und "Bah" aus ihrem Mund hatten das Fass dann schnell zum überlaufen gebracht sodass ich kaum an mich halten konnte. Dabei hatte Ketiley doch immer gesagt, dass der Berserkr in Weibern nicht so stark vertreten war. Bei den Waren der Sturmheulern verstand ich allerdings keinen Spaß und schon garnicht bei meinem eigenen Met oder dem Fressen. Ich hatte eine Weile darüber nachgedacht wie Blodvarr den Menekaner genannt hatte, mit welchem ich es zutun gehabt hatte und war nach einigen Arbeiten auf dem Hof bei "schmales Hemd der Menekaner" angekommen - welchem ich nach diesem Abend in aller Gewissheit zustimmte. Die Menekaner wurden in all den Jahren nie müde darüber zu reden, wieviel Wert sie auf Sitte und Tradition legten und dann kam gerade -er- um mich zur Rede zu stellen. Das ich nicht lachte.. Sollte er mir doch erzählen dass er es geduldet hätte, hätte man sein Essen angegrabscht und dann für andere liegen gelassen! Noch immer machte mich diese Situation wütend. Ich sollte mich sensibilisieren.. für wen denn? Die Städder?! Unterstreichend schüttelte ich meinen Kopf als ich den Spaten in den Erdboden schlug um die frische Erde aufzugraben.

Als ich in den Abendstunden die Saat über die Erde streute, kam mir die Melodie der verzierten Lyra Hjalls wieder in den Sinn. Abends nach der Hofarbeit hatte er mich besucht um vor dem zu Bett gehen noch ein Met am Meer zu trinken. Ich erinnerte mich daran dass es ein lauer Abend war, dass wir uns über die Kaluren unterhalten hatten und ich der festen Überzeugung gewesen war, dass er sich ein Lied für die Kurzbeine ausgedacht hatte.. doch wieder einmal sollte der Kerl mich unerwartet überraschen.
"Meyn Herz tost wie der Meereswind, denn Sie beherrscht meine Gedanken und ist eyn seltener und kostbarer Schatz.." Spätestens bei den ersten Worten aus seinem Mund, unterstrichen von der sehnsuchtsvollen Melodie im Hintergrund, war mir klargeworden, dass es sich bei diesem Lied nicht um einen behaarten Kaluren handeln konnte. Ich hatte ihn einen Moment beobachtet, ehe ich meine Augen geschlossen hatte um die Luft des Meeres einzuatmen und stillschweigen und vor allem genießend und mit einem Schmunzeln auf den Lippen zu lauschen. Doch viel zu schnell sollte sein kurzes Ständchen ein Ende haben. "..und wenn Ihr Lachen erklingt im Meereswind, komme ich auf abwegige Gedanken. Und jetzt ist es Leidenschaft statt alter Gedanken.." Das verlegene Grinsen kehrte auf mein Gesicht zurück als ich über den Rest der Zeilen nachdachte und den Tieren noch etwas Heu in das Gatter warf. Selbst sie überlegten wahrscheinlich wieso ich ständig mit so einem dämlichen Schmunzeln im Gesicht herumrannte. Meinen Ärger über das "schmale Hemd" Ahmad und dieses freche Städderweib hatte ich jedoch für den Moment vergessen.





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 Beitrag Verfasst am: 30 Jan 2022 04:10    Titel: So rot wie Mohn
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(So rot wie Mohn)




Einst werd ich die letzten Schritte gehen, vor die Pforten Anundrafs, klopfe an die Eichentore, auf dass ertönt ein lauter Schall. Schieb sanft beiseite jenen Hünen, der knurrend mich von dannen weist. Auf seine Worte "nur für Krieger!" nicke ich und lache dreist. "Hör mir zu du tapfrer Claner, spar dir deinen Spott un' Hohn, mach frei den besten Platz der Tafel, sitzen will ich bei Thrails Thron. Du lebtest für den Geist der Ahnen, hast das Feld in Blut getränkt, als du kämpftest für die Freiheit, warst mit Narben reich beschenkt. Die von deinem Mute zeugen, selbst an diesem heil'gen Ort, doch von Kriegerstolz geblendet, schickst du deine Schwester fort. Ich bin nicht wie du gezeichnet, von Axtstreich und von Feindeshand. Doch sehr wohl bin ich ein stolzer Kämpfer, der den Weg hier zu euch fand. Und wenn du meinen Worten nicht traust, mit eigenen Augen es sehen musst, dann beug dich hier zu mir hinab und reiß mir auf die heile Brust, um mein geschunden Herz zu sehen, das sich pochend dort befindet, doch unter brennend heißer Narben, ungezählter Zahl verschwindet. Die Schlachten die ich überlebte, hätten dich sofort zerstört. Der Krieg des Herzens und des Schmerzes, hast du je davon gehört? Du hast die Sträuße ausgefochten, von denens heut noch Lieder gibt, doch nicht einmal in kühnsten Träumen, hast du so wie ich geliebt."






Zwei Jahre war es her, dass ich Wulfgard das letzte Mal betreten hatte. Vierundzwanzig Monde waren vergangen, seitdem ich das Dorf zusammen mit dir verlassen hatte, seitdem wir das Totem auf dem Marktplatz aufgebaut hatten. Verlassen hatten wir Sturmouve nur, um deinen alten Clan zu besuchen - angekommen war ich allerdings allein. Meterhohe Wellen waren über unsrem Schiff gebrochen, hatten nicht nur die Schilde von der hölzernen Reling gerissen sondern auch einige unserer Brüder und Schwestern mit sich fortgezogen. Mit diesen hilflosen Seelen warst auch du hinaus getrieben und nur kurze Zeit später hatte ich mich atemlos und verzweifelt deinen Namen rufen hören, vergebens. Niemand war im Stande das Meer zu bezwingen, wenn es darum ging ein neues Opfer in seinen Bann zu schlagen, Raugaroth zu besänftigen und ausgewählte Wesen in seinen Schlund zu ziehen. Einige Wochen hatte ich Tag um Tag im feuchten Sand gesessen und auf den tiefblauen Fjord hinausgesehen, in der Hoffnung, dass nur einer von euch seinen Weg an Land finden würde - tot oder lebendig. Heute und hier weiß ich, dass meine Hoffnung an das gar Unmögliche umsonst gewesen waren, damals allerdings verblieb ich viele Monde dort, wo du einst Zuhause warst. Sie alle waren freundlich, liebevoll umsorgt, doch nicht einen Moment unter vielen fühlte ich die Zugehörigkeit wie Daheim. Heimat, dort wo ich noch vor greifbaren Momenten mit dir gelacht und gescherzt hatte, dort wo du dein Met mit mir und ich mein Essen mit dir geteilt hatte. Wo du mich auf dem Felde fandest um bei Rätselstunden die Zeit der Arbeit zu vertreiben oder das Bett mit mir teiltest, nur um auf mich Acht zu geben.

Als es mich dorthin zog wo ich schon immer am liebsten war, dort wo ich bereits als Kind meine Zuflucht gefunden hatte, überquerte ich einige Feldwege und Wiesen, die zu meiner Überraschung etwas trugen, dass du lange Zeit in meinen Haaren gesehen haben musstest. Mohnblumen in voller Blüte, die prachtvollen, blutigen Blätter weit zur Sonne gereckt, bereit ihr Saatgut vom Winde über die saftigen Wiesen wehen zu lassen. Wie oft du mir von ihnen erzählt hattest, wenn dein Finger eine lose meiner Haarsträhnen aufgefangen hatte um daran zu zupfen. So hattest du mich also irgendwann einmal gesehen - doch hier und jetzt schien es eine Ewigkeit entfernt, wie nie wirklich dagewesen. Weit hinaus war ich gegangen, um in den dichten Wald zu gelangen, der schon bald schützend seine Baumkronen über mir ausbreitete. An einem riesigen Eichenbaum war ich hinabgesunken und hatte mich auf dem laubbedeckten Boden niedergelassen. Jetzt wo ich darüber nachdachte hallte ein stummer, nicht mehr wirklich vorhandener Schmerz in meiner Brust nach, eine Wehklage die keine Melodie mehr besaß, da dieses Lied bereits sein Ende gefunden hatte. Der Trommelschlag war noch nicht ganz abgeklungen, doch galt dieser Rhythmus nun nicht mehr dir, sondern der Erinnerung an meine Begegnung mit der Dame im Wind. Ein nervöses, aufregendes Gefühl, wie ein schnell flatternder Vogel in meiner Brust. Ein Nachhall, der noch heute die Erinnerung an schlechte Gefühle vergessen lässt. Dort hatte ich also gesessen und die müden, brennenden Augen für einen kurzen Moment geschlossen. Selten hatte ich die Ruhe so nötig gehabt wie an diesem Tage, müde Glieder, träge Lider, geschundener Geist. Doch nur Momente später hatte das Blattwerk um mich herum zu rascheln begonnen und sich rasch zu einem Windstreich um die Baumkrone verdichtet. Zuerst war mir nicht bewusst gewesen was um mich herum geschieht, doch als ich das starke Gefühl hatte in den Böen ein warmes und irgendwie bekanntes Frauenlachen zu vernehmen, hatte die Dame meine Aufmerksamkeit restlos erlangt. In dem Moment als ich die Augen wieder öffnete, konnte ich bereits erkennen, dass die Blätter, Eicheln und die kleineren Stöckchen zu meinen Beinen sich in die Luft erhoben hatten und in gewellten Kreisen um den Stamm der Eiche und um mich herum tänzelten wie kleine Waldgeister, die an Beltaine an den Bändern festhielten. Erhoben vom schützenden Wind, wie die Kerle die Weiber hinaufhoben und sie auf ihren Schilden trugen. Das Lachen blieb schallend zurück, als trüge ein Echo das Geräusch durch eine Höhle fort, doch als es verstummte, rieselten die Blätter zu Boden und zu meinem Schoß hinab. Ehe alles ganz still wurde, fiel ein einzelner, dünner Ast zu mir hinab und landete auf meinen Schenkeln. Noch Stunden hatte ich an diesem Platz gesessen und darüber nachgedacht, dass wir eigentlich nie wirklich allein waren, weil die Dame im Wind auf uns Acht geben würde und unser Schicksal bestimmte. Gedankenverloren hatte ich meinen Dolch aus dem Gurt gezogen und begonnen am heruntergefallenen Ast zu schnitzen. Als es mehr und mehr Form annahm begriff ich auf einmal, dass ich meinen neuen Weg bereits in diesem Moment dankbar angenommen hatte. Viele Jahre meines Lebens hatte ich das Rudel mit allem versorgt, was ihr Herz begehrte. Fressen, Met und Whisky, Kaltblütern und anderen Dingen, die der fruchtbare Boden Wulfgards zu geben hatte - nun aber, würde ich an anderer Stelle von den Geistern nehmen und auch an völlig anderer Stelle geben.

Vier weitere Monde später hatte ich die übrig gebliebenen Claner davon überzeugt das Schiff wieder auf Kurs zu bringen und unsere Rückreise anzutreten. Es war Zeit gewesen in mein altes Leben zurückzukehren, auch wenn es ein gänzlich anderes sein würde. Ehe wir die Reise antraten, hatte ich mich nochmals auf den Weg hinaus aus dem Dorf gemacht, um einen Blick auf die weite Wiese zu werfen. Die Mohnblumen hatten ihre fragilen Blütenblätter abgelegt und waren verblüht - ihre und auch unsere Zeit war vorüber. Sie würden eine neue Zeit, einen Neuanfang erhalten, ihre Saat würde an anderer Stelle von neuem blühen und gedeihen, ehe sie abermals in prächtigem Rot zur Sonne empor blicken würden, hoffnungsvoll, wunderschön, lebensspendend - jedoch würden weder du noch ich es miterleben. Die Gezeitenmühlen würden ewiglich weiterdrehen, dies hattest du schon früher immer zu mir gesagt. Im Hier und Jetzt, in meiner neuen Hütten mit meiner neuen Aufgabe und dem bald eintretenden Frühling, würde es allerdings nicht weiter um dich gehen, sondern nur noch um mich und das Rudel.
Den Ahnen zur Ehr.








Zuletzt bearbeitet von Bitte loeschen am 30 Jan 2022 04:18, insgesamt 2-mal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 03 Mai 2022 12:37    Titel: So warm wie ein Met am Feuer
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(So warm wie ein Met am Feuer)




Eine Gabe ist der Honig, der uns auf der Zunge schmilzt.
Umspielt die Zunge, fließt die Kehle hinab und erfreut uns,
lehrt uns Sinnlichkeit. Von uns'ren Fingern tropft der Honig,
wie flüssiges Gold, zeigt uns Hingabe am Moment.
Tropfen reiht sich an an Tropfen, wird zum gold'nen Fluss,
ein Glanz gleich gold'nem Geschmeide, er verleiht uns unbändige Lebenslust.





Der Frühling hatte in Wulfgard Einzug gehalten, die rasch wachsenden Gräser verströhmten einen lang ersehnten Duft nach Wachstum und Leben, frisch und belebend, wie nichts anderes auf diesen Welten es vermochte. Die Abende ließen es wieder zu, dass man nur mit einem dünnen Fell um die Schultern auf der Treppe vor seiner Hütte saß und einen warmen Met aus einem Tonbecher trank, der die kühlen Finger und das Herz wärmte. Er rann in warmem Schwall meine Kehle hinab und erfüllte mich mit tiefer Zufriedenheit, gleich einem warmen Leib, zu dem man sich des Abends unter die Felle legte, an den man sich schmiegen und mit welchem man in Geborgenheit einschlafen würde. Die Holztür in meinem Rücken gab mir den zugehörigen Halt meines neuen Heimes, meines Zuhauses, nun da ich den Hof wirklich hinter mir gelassen und einen neuen Pfad eingeschlagen hatte. Das Leben pulsierte in Sturmouve, und dies konnte man nicht nur an den Pflanzen, sondern auch an den vielen neuen, freundlichen und teils noch unbekannten Gesichtern erkennen, die die letzten Wochen in das Dorf eingezogen waren um zu bleiben. Doch mit den neuen Gesichtern, waren auch die alten und vertrauen geblieben, diesen, denen man voll tiefem Vertrauen entgegenblickte und in dessen Nähe man eine nicht zu beschreibende Sicherheit spürte, Wärme, Zuneigung und auch Ruhe, innige und tiefe Ruhe. Es war wie in einem Wald zu stehen und den Geruch der frischen Blätter, des Holzes, des leicht feuchten Mooses und des Windes einzuatmen und sich auf die Geräusche der Umgebung zu konzentrieren. Das Knacken dünner Äste, das Schaben des Rotwildes oder den Gesang der Vögel. Alles Andere war unwichtig und rückte in den Hintergrund, jeder Zwist, jeder Krieg, jedes andere Gefühl, jeder Verlust.

Doch nicht nur an den Gräsern, Pflanzen und dem Zuwachs sah man den neuen Lauf des Jahres beginnen. Mit den sprießenden Keimen des Lebens und den ersten wärmeren Tagen kam eine freche Leichtigkeit in die Gemüter der Kerle, ein längerer Blick hier, ein antastendes Kompliment dort, welches stets mit der Vermutung auf eine Klopperei gegeben wurde und auch ein unterbewusstes Herausputzen des Äußeren. Disathing hatte bereits gezeigt, dass die Weiber besonders hübsch für die Claner sein wollten, mit den ins Haar geflochtenen Blüten oder den Gerüchen nach besonderen Kräutern. Viel deutlicher als das näherrückende Beltainefest spürte ich allerdings die Blicke meiner Brüder auf mir haften. Während der Eine mich liebevoll mit einem wärmenden Feuer verglich, an dessen Seite man verweilen und süßen Met trinken wollte, versuchte der Nächste sich an vorsichtigen Komplimenten zu meinen Haaren, ein Weiterer bot sich als Lösung auf jedes kommende Problem an und lockte den Schalk in meinen Nacken, wo zuvor nur Hjall ihn gefunden hatte, und noch ein Anderer, oder auch einer von ihnen, beschenkte mich mit Kleidern, die ich mein Lebtag nicht getragen hätte. Wenn ich herausfand von welchem der Kerle es stammte, würde man das Hinrahweib in mir erst noch kennenlernen. Ich war versucht mich für das Beltainefest in meiner Hütte einzuschließen und mich mit dem eigenen Bad und Herd zu begnügen, sodass ich der unangenehmen Situation entging, die mich in die Enge trieb und ehrlich gesagt auch nervös machte. Es wäre das erste Beltaine nach Ihm, das erste Beltaine ohne Sicherheit. Und wer wäre so frech einen unserer Kerle abzuweisen? Nur wenige Tage später war ich mir garnicht mehr so sicher, ob es ein Fest geben würde, denn kaum war es ruhiger um das Dorf geworden, drohte einmal mehr etwas die Hütten zu zerstören, als der dunkle Drache die Dächer in Leuchtfeuer verwandelte. Ganz plötzlich war das wärmende Feuer, dass wir Abend für Abend aufsuchten, zur Bedrohung geworden, denn es loderte bedrohlich aus dem Rachen des Ungeheuers. Wir alle wussten, wie es um leidenschaftliche und zornerfüllte Drachen stand, die gewaltige Zerstörungen hinter sich ließen. Man durfte ihnen wenn möglich nicht die Oberhand lassen, was bei seiner Größe einfacher gesagt als getan war.

Ich hatte mich die letzten Wochen in einer Rolle wiedergefunden, die ich mir weder gerne zugesprochen hätte noch wollte. Ich war hineingerutscht, wie im Winter, wenn man über die Holzbrücken stapfte und nicht damit rechnete, dass die Stiefel eine gefrorene Stelle erwischen würden - doch im Nachhinein erkannte ich unzufrieden, dass ich mich als eine Mutterfigur wahrgenommen hatte, die mich hinterrücks triezte, als ich begann mir mehr Sorgen um die Welpen, als um mich selbst zu machen. Ich wollte sie in schützende Felle wickeln und sie vor dem Schlimmsten behüten, mich vor sie stellen und allein mit meinem Schild und meiner Axt verteidigen, wenn es denn nur sein musste. Diese Entwicklung säuerte mich ziemlich an wenn ich ehrlich war, niemand bekam Welpen ehe er nicht einen Partner gefunden hatte, mit dem er gemeinsam in den Kampf zog, Schulter an Schulter im blinden Vertrauen darüber, dass man gemeinsam siegen oder sterben würde. Ich war mir nicht sicher, wie ich damit umgehen sollte. Die Claner hatten ganze Arbeit geleistet, denn die schlimmsten Schäden an den Hütten waren durch unzählige Wassereimer und ihren Kampfesgeist vermieden und zurückgedrängt worden. Eine zähe und abschottende Rauchwolke schwebte über dem kälteren Gebiet Sturmouves, als würde sie durch den Schnee an Ort und Stelle festgehalten und im Kreis herumgetrieben. Ich war bereits in den Morgenstunden umhergelaufen und hatte nachgesehen, an welcher Hütte die Balken ausgetauscht werden mussten und so führte mein Weg mich zu guter Letzt abermals in die Wälder, dort wo die Angst nach einem Verlust des Heimes oder eines Claners nicht so laut in meinem Kopf schrie. Ich war eine Hinrah und hatte Ängste über Kriege, Kämpfe und ihre Verlust schon lange Zeit verdrängt und hinter mir gelassen, dachte ich, denn hier waren sie und pulsierten umso kräftiger in meinen Schläfen. Der warme Met würde mir am Abend ein Ersatz für den fehlenden Leib in den Fellen werden.



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 Beitrag Verfasst am: 22 Mai 2022 13:14    Titel: Beltaine - das Feuer im Eis
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(Beltaine - das Feuer im Eis)



Entzündet die Feuer und seid bereit, ehret das Leben zu dieser Zeit,
gebet euch hin der Lebenslust, die Welten erblühn, erlebt es bewusst.
Altes Leid bleibt nun zurück, schwelgt voll Freude im neuen Glück.
Entzündet die Feuer, die Welt sie erwacht, vorbei ist die lange und kalte Nacht,
grimmer Frost mag nun gehen, bis wir ihn im Winter wiedersehen.




Ich war mir nicht sicher, wie viele Jahre ich nun bereits in Wulfgard mein Heim gefunden hatte, irgendwann hörte man auf die Zeit zu zählen und dennoch, ich hatte schon das ein oder andere Beltainefest in Sturmouve mitgefeiert und mich seiner Vorbereitungen angeschlossen. Während der ein oder andere scheue Blick am eigenen Leib hinab glitt oder sich noch geziert wurde sich zu entblößen, war es für mich längst zu einem natürlichen Ritual geworden mich vor dem Gewässer im Hain zu entkleiden und meine Sachen in aller Ruhe und völliger Nacktheit auf einem Stapel zusammenzufalten und zu meinem Bündel weißer Kleider zu legen. Ich wusste das Wasser würde kalt werden, doch jedes Jahr aufs Neue überkam mich ein überraschender Schauder, wenn ich erst einmal mit den Beinen im Wasser stand und der Spiegel meinen unteren Bauch und folgend meine Brust erreichte, so eilte ich mich meistens, einmal komplett in das Wasser zu tauchen. Erst als ich wieder an die Wasseroberfläche kam und das Wasser aus meinem Gesicht gestriffen hatte, wendete ich mich herum und besah die verschiedenen Gesichter und Körperformen der anderen Frauen. Wenn ich ehrlich war, so war bis zu diesem Zeitpunkt keine unter ihnen meine Vertraute gewesen, gewiss kannte man ihr Äußeres mittlerweile und fühlte sich in Ausnahmen auch irgendwie miteinander verbunden, doch die Wahrheit dieses Abends war, dass ich die meisten unter ihnen kaum wahrhaftig kannte und mich dennoch nackt mit ihnen in diesem kleinen See wiederfand. Es war interessant dabei zuzusehen wie die Dynamik einer Gruppe sich veränderte, sobald sie gemeinsam ins kalte und reinigende Nass des Hains gestiegen waren. Die Blöße und die Scham sich völlig unbedeckt voreinander zu zeigen schien alle Gemüter dazu zu animieren, sorgsamer, rücksichtsvoller und viel milder miteinander umzugehen, sich in Teilen sogar beim Waschen oder Entwirren der Haare zu helfen. Nichts desto trotz kam ich ohne Hilfe und viel Nähe zurecht, wusch mich gründlich und zerrte auch den langen Haarstrang auf, sodass die roten Wellen im Wasser auseinandertrieben. Schon bald hatte ich sie eingefangen und gewaschen, sodass ich die erste war, die tropfend nass an das Ufer stieg um mich Waelkyrige gegenüberzustellen, die mit roter und nach Erde riechender Paste eine Rune des Feuers auf meine Stirn zeichnete - interessante Wahl, das Feuer in meinem Inneren noch zu begünstigen, dort wo ich gewisse Erdung herbeigesehnt hatte. Doch außer einem Kopfneigen entkam mir keinerlei Reaktion und ich las mein Kleidungsbündel auf, um mich an das Feuer zu begeben und mich an offener Flamme und unter freiem Abendhimmel zu trocknen. Momente später trat auch Ylvi an das Feuer heran und erinnerte mich an den Hirsch auf meinem Schulterblatt, den ich bereits so lang am Leibe trug, dass er immer wieder in Vergessennheit geriet. Erst als das reinweiße Kleid mit der silbernen Verzierung weich und glatt an meinem noch warmen Körper hinabglitt, fühlte ich mich in trügerische Sicherheit gehüllt. Ein weiterer Hirsch, der sich nur dezent durch Silbergarn hervorhob und sich meinem eigenen anschloss. Passend zum weißen Kleid begann ich den Kranz Blumen und einen Silberreif in meine sonst offenen Haare einzuflechten, wo der blühende Weißdorn sich vom Rot meiner Strähnen abhob.


Die Erinnerung an vergangene Beltainefeste war noch immer in meinem Kopf vorhanden. Die Vorgabe nie wieder darüber zu sprechen beinhaltete nicht, dass man sich aller Gedanken dazu entsagte und so blinzelte ich einige Momente in die knisternden und züngelnden Flammen um in Gedenken an vergangene Zeiten zu schweigen. Das rasselnde Geräusch der Jäger vertrieb meine nachhängenden Erinnerungen und ich schob die Maske rasch über meine Augen hinab. Reine Dekoration, denn unsere Haare, unsere Figuren und spätestens unsere Augen und auch die Mundpartien würden uns gegenüber der Kerle verraten, die uns keinesfalls zum ersten Mal besahen. Über sie hinwegsehend erfasste ich die Maske des großen Jägers und neigte meinen Schopf respektzollend hinab, ehe ich an den anderen Kerlen auszumachen versuchte, wer den Sieg des Abends für sich errungen hatte und unter der Verhüllung steckte. Da die Suche nach einem bestimmten Gesicht erfolglos blieb, richtete ich meinen Blick zurück auf den Jäger, Hallgeirson, und ich konnte meinen Mundwinkel kaum davon abhalten, verräterisch zu zucken. Beltaine war jedes Jahr wieder ein aufregendes Unterfangen, denn natürlich konnten all die Kerle wählen wen sie wollten, doch es lag an uns zuzustimmen und aus freien Stücken den Abend mit ihnen zu verbringen, wie auch immer er aussehen konnte. In diesem Fall sanken meine angespannten Schultern jedoch ein wenig hinab, denn nachdem ich nun schon einige Zeit mit dem Bunjam verbracht hatte und die Kette aus seinen Händen um den Hals trug, wäre es unwahrscheinlich, dass seine Wahl auf ein anderes Weib der Runde fallen würde. Hochmut kommt vor dem Fall, hätte mein Dah nun gesagt und in vielen Lebenslagen, die auch ich schon erlebt hatte, Recht behalten. Das Zusammenspiel der Elemente pulsierte in meinem Inneren und um meinen Körper herum und peitschte meine tief verborgene Unsicherheit über die Worte meines Vaters meine Kehle empor, wo sie sich zu einem Kloß festigte, den ich hinabzuschlucken versuchte. Doch nachdem die Elemente sich beruhigt hatten und verabschiedet worden waren, setzte der Jäger sich in Bewegung um eher beiläufig und in verrückt vertrauter Geste an meine Hüfte zu tippen und in diskreter Stille seinen Weg fortzusetzen, scheinbar in der Annahme ich würde ihm folgen.
"Mey habe gewählt!", war das Einzige, dass laut und deutlich für die Anderen aus seiner Richtung verklang, ehe ich mich aus der Reihe löste und meiner abendlichen Begleitung folgte. Kaum dass ich neben ihm zum Stehen gekommen war, überbrückte er den Abstand zwischen uns, um den Arm um meine Taille zu schlingen, locker und doch sicher. Erst hier fiel das beklemmende Gefühl der Unsicherheit von mir ab und mir war einmal mehr klargeworden, dass er Recht behalten hatte, was sein Geschenk an mich anging, weswegen ich abgelenkt das kleine Medaillon um meinen Hals berührt hatte. Ein Hirsch und eine Flamme, die für mich und mein feuriges Gemüt standen, der Deckel des Anhängers wie in Eis gefasst - Eis das versinnbildlichen sollte, dass er in der Lage war mich zu beruhigen, zu besänftigen und abzukühlen, wenn nötig. Keine Floskel und kein Geplänkel das im Spaß vorgab eine Lösung für jedes Problem zu sein, sondern schlicht und ergreifend eine Wahrheit, die erneut sowohl meine aufrichtige Zuneigung als auch andere Erinnerungen in mir erweckte. Letztere drängte ich unmissverständlich in den Hintergrund, als wir uns zu den beiden anderen gesellten, die bereits einen Platz auf einer ausgebreiteten Decke gefunden hatten. Ich lehnte mich rücklings an meinen Begleiter an und wurde bereitwillig von seinen warmen Armen umfangen. Erneut hallte der Vergleich in meinem Kopf wieder, weil er nur zu gut passte: Wie warmer Met, der sanft und schmeichelnd die Kehle hinabrinnt, in der Lage Körper und Herz zu erhitzen und Zufriedenheit zu schenken. Ein süßer und erwärmender Kuss, den es sich zumindest an diesem Abend nicht vorzustellen galt.




Zuletzt bearbeitet von Bitte loeschen am 22 Mai 2022 18:33, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Bitte loeschen





 Beitrag Verfasst am: 29 Mai 2022 14:16    Titel: Der Eisdrache Slain
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(Schwarze Schwingen)



Vor grünem Himmel schwarze Schwingen, tauchen abwärts auf ein Feld.
Dort zwischen gebroch'nen Flügeln, Stille herrscht, kein Schrei mehr gellt.
Unheilvoll setzen sie sich, vor die Kriegerschar gelind,
Feuer glänzt auf dumpfem Harnisch, Flügel schlagen wild im Wind.
Reih' in Reih' stehen nun die Krieger, eifrig und zum Kampf bereit,
die rauen Kehlen klingen umher, die Nordmänner sind im Geiste gefeit.


Grüner Schein bedeckt die Leichen, Grabmal das sonst keiner baut.
Die Raben krächzen und sie kreischen, dann ein Festmahl ohne Laut.
Das Licht es sinkt in grauer Kälte, Federnschlag, sie ziehen dann,
als letztes Heer auf diesem Felde und das einzige, das gewann.
Blauer Schein schmilzt in Kristallen, es bahnt der eisig Atem Pfad,
über Feuerschein hinweg, der Flügelschlag trägt sie zur Heimat.




Zwei Tage lang hatten wir auf See verbracht, ehe unser Boot seinen Dienst getan und unter kläglichen Versuchen es zu flicken und unter raschen Ruderschlägen eiskalt noch an der Küste abgesoffen war. Die Überreste knarzten schmerzerfüllt und resignierend und zu guter Letzt sanken sie in das leichenbedeckte Wasser hinab, nur ein weiterer Kadaver von vielen. Wie ich es mit den meisten schlechten Gefühlen tat, schob ich den Gedanken, dass wir noch Wochen hier verbringen würden um ein neues Boot zu bauen, in den Hintergrund. Wenn wir überhaupt solange Leben würden, hier, mitten auf dem Fressbrett der Drachen. Die Nacht im Zelt, zwischen all den Clanern war eine unruhige für mich, nicht dass ich nicht müde gewesen wäre, eher dass es ungewohnt war, mit so vielen Kerlen ein Zelt zu teilen, was mich dazu animiert hatte eher kurz wegzudösen als wahrlich tief und fest zu schlafen, während jemand Wache hielt. Ich versuchte mich auf die Atmung der Anderen zu fokussieren oder darüber nachzudenken wo wir genug Holz für ein Schiff finden würden, doch das Rumoren in der Felswand ließ mich beim besten Willen keine Ruhe finden. Erst als es Mittags und Nachmittags wurde, das Innere des Zeltes sich mehr und mehr leerte, kehrte ich noch einmal zurück um einen kurzen Moment die Augen zu schließen.

Schmerz war ein seltsames Wort, wenn man bedachte, dass man nicht nur den Schmerz einer Wunde oder eines verknacksten Fingers damit beschrieb. Manches Mal konnte man ihn spüren, auch wenn man augenscheinlich völlig unbeschadet davon gekommen war. Man spürte Verlust schon bevor er wirklich eingetreten war, einen bittersüßen und stechenden Vorgeschmack auf das ziepende und leidvolle Gewitter das eintreffen würde, sobald es wahrlich soweit kommen würde. Der Schmerz einer Mutter, der Gram eines Bruders, die Pein eines Gefährten, das Leid eines Geliebten. Nachdem Brynja dafür gesorgt hatte, dass der Höhleneingang bis zum nächsten Abend freigeräumt war und wir wagemutig eingetreten waren, hatte es nicht lang gedauert, ehe das schwarze und verärgerte Ungeheuer sich einen dröhnenden Weg durch die Höhle gebahnt und aufgebracht vor uns platziert hatte, die leblosen Körper der Drachenwelpen prüfend und verzweifelt mit der Schnauze anstupsend. Sie gab uns die Schuld und wer hätte es ihr verübeln können, nachdem sie uns hier vorgefunden hatte, blutig vom Kampfgetümmel mit den untoten Kreaturen, die aus den Leibern der jungen Drachen hervorgebrochen waren. Das Feuer aus den Lungen der Drachenmutter erzählte von tiefem Zorn, brodelndem Ärger und einer glühenden, schmerzlichen Rachsucht, als es in die meisten Ecken der Höhle züngelte und mich betäubend an meinem linken Arm und meiner Schulter erwischte, wo das Fell meiner Rüstung augenblicklich zu schmoren begann und die Ketten der Glieder sich in meine Haut hinabsenkten. Spätestens als der Kerl, der uns in den Kampf geführt hatte zu Boden ging, hinfortgeschleudert vom Maul der schwarzen Drachin, gezeichnet durch die vielen spitzen Zähne, die in der gut bestückten Zahnreihe fast einem fiesen Lächeln glichen, vergaß ich die Hitze auf meiner eigenen Haut und bahnte mir einen Weg hindurch, schob einige der Claner an die Seite, um neben ihm und Ylvi in die Knie zu gehen. Das Dröhnen wurde lauter und während ich dachte, dass es das Dröhnen in meinen Ohren war das alles andere ausblendete, begriff ich, dass die aufkommende Kälte nicht allein dem Moment geschuldet war, sondern vom zweiten, hinzugekommenen Drachen ausging, der zweifelsohne der Eisdrache Slain sein musste. Während der hitzige Zorn der Drachin uns die Schweißperlen auf die Stirn trieb, stobte vom Eisdrachen eine beruhigende Kälte aus, die mich kurz an unsere Heimat erinnerte. Seine tiefe und inbrünstige Stimme hallte verteidigend und hörbar für alle von den Höhlenwänden zurück, ein eisiger Odem, der zur Wehr in Richtung der Schwarzdrachin gesandt wurde und abermals die Temperatur wanken und Zaryssha fliehen ließ. Schmerz, irgendwo in meinem Inneren konnte ich ihn spüren, wenngleich es nicht meine Verbrennung oder die Kälte war, sondern der verwundete Kerl, auf dessen zerfeldderter Brustplatte ich meine Hand abgelegt hatte. Ich spürte die warme Haut und die leichten Erhöhungen des Hautbildes fast noch unter meinen Fingern, wo nun die zerbeulte Platte einige der tiefen Wunden freigab. Als wir ihn von seiner Rüstung befreit hatten, bestätigte Nimuir nur, was bereits durch meinen Kopf gegangen war: Würde nicht das Unmögliche passieren, würde der Kerl heute seinen Platz in Anundraf einnehmen - saufend und feiernd mit den anderen Clanern und unseren Ahnen. Ein gutes Ende, im Kampfe um Gerechtigkeit und Vergeltung zu sterben, die Axt in den Händen um auch in Anundraf kampfbereit auf seine Brüder und Schwestern zu treffen, doch Nimuir rief Slains Namen so natürlich und freimütig, dass es mir einen kalten Schauder über den Rücken jagte, als die dröhnenden Schritte des Drachen nah hinter mir verebbten und ich den riesig, eisigen Leib hinter mir aufragen sah. Kaum dass die Elfe auch dem Drachen erklärt hatte was dem Kerl bevorstand, drang die tiefe Stimme des Wesens zu uns hinab und verkündete, dass dieser Tag nicht heute sein würde und ein kalter Nebel floss aus den Nüstern Slains, umfing die blutigen und tiefen Wunden des Schwertes einen Moment glühend und ließ nur bläulich schimmernde Narben auf seiner Haut zurück. Der Drache hob seinen Kopf und sah durch die Reihen, ehe er sprach:


"Junger Wolf, du hast tapfer gekaempft, wie dein Rudel und jeder hier. Doch haette es nie soweit kommen duerfen. Diese Drachen waren bereits verloren und das wird auch ihre Mutter Zaryssha bald erkennen. Verlagor.. Ich habe ihn bekaempft, ihn verfolgt.. und ihn verloren. Er lebt noch, doch.. lebendig ist er nicht mehr. Verlagor teilt das selbe Schicksal, wie Kryndlagor. Er war es, der diesen Schwarm hier so zugerichtet hat, in seinem Wahn und seiner Verzweiflung wollte er seinen Schwarm zu dem machen, was auch er wurde. Ihr habt euch auf eine gefaehrliche Reise begeben, ungewiss dessen, was ihr hier findet. Doch danke ich euch, dass ihr der Existenz dieser bemittleidenswuerdigen Kreaturen ein Ende bereitet habt. Doch Verlagor selbst, ist nicht euer Kampf, junge Sterbliche. Sollen ihn seine eigenen jagen. Er ist geaechtet und verstoßen von Seinesgleichen, hat versucht sich gegen Kryndlagor aufzulehnen und seinen Platz einzunehmen. Doch nun solltet ihr in eure Heimat zurückkehren, hier gibt es nichts mehr, das ihr erreichen koenntet. Ich werde das Rudel zurueck in die Heimat fliegen."


Wenige Stunden und eine unvergessliche Reise auf dem Drachenrücken Slains später, steuerte er bereits mit ausgebreiteten Flügen die Küste Wulfgards an, während die Berge und Fjorde uns schon von Weitem willkommen hießen. Auf festen Beinen landend, kam der Eisdrache vor unserer Halle zu Boden und senkte den Hals und seine Flügel hinab, sodass wir ohne Probleme hinabsteigen oder rutschen konnten. Ich selbst ließ mich benommen und etwas unbgläubig auf die Treppe der großen Halle plumpsen und begann die Handschuhe auszuziehen. Die Armteile ließ ich bewusst unberührt, denn ich wusste dass es eine Tortur werden würde, sie von meiner Verbrennung zu lösen. Slain sprach noch einige Worte zu uns, ehe wir ihn mit Respekt verabschiedeten und er sich mit einem kraftvollen Abstoß vom Boden in die Lüfte erhob. Einen Moment setzte ich mich nochs ans Feuer zu den Anderen, verdrängte das ungute Gefühl des Kommenden und genoss die Nähe meines Nebenmannes, der viel mehr Glück als Verstand gehabt hatte. Als ich später die Tür hinter mir schloss und in die Stille der heimischen Hütte einkehrte fiel die Anspannung von mir ab. Nochmals schwemmte das Gefühl in meinem Inneren auf, als ich daran dachte, dass es um ein Haar zu spät für ihn gewesen wäre. Dann dachte ich jedoch daran, dass unser Rudel und auch meine Familie stattdessen um eine Person gewachsen waren, die Elfe, die ohne groß zu überlegen und Schulter an Schulter mit uns ins Ungewisse gezogen war und uns vertraut hatte, Nimuir Mithadottr.








Zuletzt bearbeitet von Bitte loeschen am 29 Mai 2022 19:06, insgesamt 2-mal bearbeitet
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