Eine Nachricht für die Hafenmeisterin und den Zunfrat

[Salvia Lyrana Nahimana]

*Durch den schummrigen Sumpfnebel des Morgengrauens werden sich zwei Sumpfohreulen, begleitet von den ersten zähen Sonnenstrahlen, auf den Weg nach Bajard machen.

Die erste wird ihren Platz auf einen der Fensterbänke der Hafenmeisterin finden, wo sie leise schuhuhend verharren wird, bis wohl eben jene Hafenmeisterin sie von der Last des Pergamentes an ihrem Beinchen befreien würde. Zutraulich wird sie sich aufplustern, das Köpfchen hin und her drehen und noch ein Weilchen ihre Ruhe auf der Fensterbank suchen.

Die zweite wird ihr Glück beim Haus den Zunftrates versuchen, in gleicher zutraulicher, aber auch hartnäckiger Manier und sollte sie dort niemanden auffinden, wird sie die Häuser der bekannten Mitglieder abklappern. Leise an die Fensterscheiben tockend, auf den Bänken umhertippeln, bis sich jemand findet, der ihr das Pergament vom Beinchen löst. Auch sie wird dann erstmal verweilen, entweder weil sie auf etwas wartet, oder weil sie sich schlicht erholen muss.

Beide Pergamente sind schlicht gehalten, lediglich mit einem braunen Bändchen zusammengehalten und vom gleichen Inhalt.*

Licht und Schatten mit Euch
Einige Wochenläufe schon vernehmen wir, die Schwesternschaft, dass es zu einem Ungleichgewicht der Dinge in und um Bajard herum kommt. Wir haben Informationen gesammelt, uns verschiedene Standpunkte angehört und sind zu dem Schluss gekommen, dass es eine Aufgabe ist, die Bajard für sich bewältigen muss – jedoch möchten wir Euch einen Hinweis zukommen lassen, der uns von der Schöpfermutter selber gesandt wurde.

Wir bekamen verschiedene Eindrücke geschenkt, alle geprägt von Sehnsucht, Einsamkeit und großer Verzweiflung. Das Bild einer schwarzen Gestalt vor einer dunklen Stadt, unter gewitterverhangendem Wolkenzelt – zusammen mit Einsamkeit und Verbitterung.
Das Bild eines kleinen Waldes an einem Meer, idyllisch und doch geprägt durch das Abbild einer jungen Frau, voller Einsamkeit und Verzweiflung.

Die tiefgreifende Sehnsucht die alles zu Verbinden schien, ließ uns einige Möglichkeiten Schlussfolgern, die wir mit Euch teilen wollen. Die Vermutung liegt nahe, dass eben jener geliebte Seemann der Jungfrau damals nach Varuna in den Norden gegangen ist und dort verschieden ist. Vermutlich lebt sein Geist dort weiterhin, sehnsüchtig, auf der Suche nach ihr und vielleicht sind es jene starken Gefühle, die sich auf die Untoten übertragen, weswegen jene vor Bajard auftauchen – vielleicht wurde mit der Zeit aber auch der Kern des Geliebten durch das Dunkle in Varuna bemächtigt, sodass er ganz bewusst die Untoten schickt, auf der Suche nach seiner Jungfrau.

In all den Sagen, die uns übermittelt wurden, wurde nie berichtet, dass sie wieder zueinander gefunden hätten und vielleicht ist die Lösung, dass man jene Zusammenführung nun nach dem Tode der Beiden vollführt. Wir können Euch nicht sagen, wie ihr das zu bewerkstelligen habt, noch ob es mit großer Sicherheit die Lösung des Ganzen ist. Aber vielleicht könnt ihr mit den Bildern der Schöpfermutter etwas anfangen und somit selber zu einem Entschluss kommen.
gez.

[Ailidia Wintereich]

Der Sumpfohreule wird ein kleines Stückchen Fleisch dargereicht und im Anschluss ein eng beschriebenes, zusammengerolltes Briefchen ans Bein gebunden.


Liebe Schwestern des Waldes,

im Namen des Zunftrats und der Bajarder Handwerkszünfte möchte ich mich bei euch bedanken. Am vergangenen Tag sind auch einige von uns einer Vision ansichtig geworden, die uns in die früheste Vergangenheit unseres Dorfs führte. In körperlicher Entrückung zeigte sie uns die große Liebe, welche die Jungfrau und der Seeman füreinander empfanden. Wir gehen davon aus, dass ihre Geschichte noch viele Geheimnisse für uns bereit hält, doch scheint sie für uns unzweifelhaft mit dem geisterhaften Verlangen der Untoten verbunden.

Wir bereiten uns auf weitere Angriffe vor und harren auf uns noch zukommender Enthüllungen, die uns vielleicht Aufschluss darüber geben könnten, wie wir die beiden im Tode wieder vereinen können.


Für die Zünfte und mit dankenden Grüßen,

Ailidia Wintereich.

[Salvia Lyrana Nahimana]

*Mit einem ungeduldigen Trippeln und Klackern wird die kleine Sumpfohreule das Stückchen Fleisch in seine Einzelteile zerlegen und, zumindest scheint es so, voller Zufriedenheit vertilgen. Den kleinen Brief wird sie sich, wenn auch ein wenig zappelnd, umbinden lassen und diesen dann auch direkt und sicher in den Sumpf zu den Schwestern bringen.

Die Antwort von Ailidia wird für alle Schwestern sichtbar im Gemeinschaftshaus ausgelegt.*