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Von Narren und Helden
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Von Narren und Helden
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 03 Jul 2018 14:08    Titel: Von Narren und Helden
Antworten mit Zitat

Es ist viel zu warm in dem kleinen Zimmer und daran ändert auch das weit aufgerissene Fenster nicht das Geringste: Die Hitze des Tages hat sich unter den Dachbalken versammelt und das Holz aufgewärmt.
Das hier ist kein Ofen, soviel versteht der Mann, aber es fühlt sich ein wenig danach an, als wäre er direkt in das Maul eines solchen geschoben worden und müsste nun langsam rösten.

'Für meine Sünden, zweifelsohne.'

Das kleine Zimmer ist, da gibt es nichts zu beschönigen, ein Saustall. Ungetragene und schlimmer noch ungewaschene Kleidung findet sich allerorten, die Reste mitgebrachter und nur zur Hälfte verzehrter Speisen warten nur darauf Käfer und Ratten anzuziehen und irgendwo dazwischen findet sich eine Schüssel mit schmutzigem Wasser in der ein Hemd eingeweicht darauf wartet endgültig zu zerfallen.

In diesem Zimmer fehlt ganz eindeutig die Hand einer Frau.

Diese Hand findet sich - wenn man so möchte - gerade im Schädel des aus dem Fenster starrenden Mannes, arbeitsam und fleissig, während die abkühlende Luft von draussen mit der stehenden Wärme hier drinnen kämpft.
Angesichts der Dunkelheit wäre es nicht ganz korrekt von Tagträumerei zu sprechen, aber um der Wahrheit die Ehre zu geben, gibt es auch nicht viel Besseres.

Die Wolken ziehen, die Zeit vergeht, es wird kühler und der Mann starrt noch immer aus dem Fenster, als wäre dies hier sein Wachturm und irgendwo dort zwischen den in der Dunkelheit zu Klumpen verformten Büschen sammeln sich Freund oder Feind.

Freund oder Feind.

Manchmal sind die Grenzen reichlich fliessend und dafür ist die ganze Sippe ein ausgezeichnetes Beispiel. Es erfordert Geschick und Klugheit die bereits in Unruhe befindlichen Waagschalen auszugleichen, damit der grosse Zweck gewahrt bleibt. Damit die Suche ein Ende finden kann.

Geschick und Klugheit.
Beide waren noch nie seine Stärken.


Zuletzt bearbeitet von Kilian Fanras am 03 Jul 2018 14:21, insgesamt einmal bearbeitet
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Emilie Merat





 Beitrag Verfasst am: 04 Jul 2018 10:18    Titel:
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Freund oder Feind.

Ich starrte an die Zimmerdecke und es wirkte so, als wolle sie mich erschlagen, ersticken, unter sich begraben. Ich wusste nicht ob es an der neuen Umgebung lag oder an der Hitze oder an der Tatsache, dass diesem Raum einfach das Licht fehlte. Es wirkte alles beengt und verborgen, geheimnisvoll und doch so klar. Jeder der es nicht wusste würde sich fragen: Was geht da nur vor sich, in diesem dunklen Zimmer welches das Licht genommen bekam, durch Leinendecken und allem anderen was ein Tavernenzimmer zu bieten hatte. Jeder der es wusste würde wohl kurz stehen bleiben, einen mitleidigen Blick ziehen lassen und dann, verhalten schweigend, weiterziehen. Verhalten schweigen... Lächerlich, man musste über das Offensichtliche nicht schweigen und doch traf es mich immer wieder wie ein mentaler Schlag in die Magengegend als sich jemand nicht an diese Diskretion hielt.

Geschick und Klugheit.

Als ich mich in die Höhe drückte, ihn zurück ließ, so wie ich ihn vorgefunden hatte und endlich den Gang betrat, wo die Sonne durch die Fenster in den Raum strömte und es für mich nicht mehr wie der Vorhof zu Krathors Reich wirkte, atmete ich einmal tiefer durch. Ich ließ die Last in seinem Zimmer, das Grauen und die Ungewissheit, ich ließ alles dort zurück und bereitete mich auf den neuen Tag vor. Ich wusste nicht ob es klug war einfach so zu tun als könnte man seine Probleme hinter eine Pforte verbergen, aber ich wusste leider auch nicht was ich sonst hätte tun sollen. Wer kann einem denn schon beibringen was klug ist? Das erkannte man meistens erst wenn es zu spät war und vielleicht hatte man Glück. Aber vielleicht eben auch nicht.

"Für meine Sünden, zweifelsohne."

Amalina stand an der Wand gelehnt und lächelte mir entgegen. Sie wartete, sie wartete jeden Morgen und ich wusste nie wie viele Stunden schon. Sie war gut gelaunt oder gab es zumindest vor zu sein. Sie wusste was ich da tat, was ich da verbarg, vermutlich war sie daher so bemüht. Sie fühlte sich schuldig und das zurecht. Aber letztendlich: Man hat immer eine Wahl.
Und so begann sie damit von den Familienfehden zu sprechen, berichtete davon wer heute das Wortduell beim Frühstück gewann und das Ruth wieder so gemein zu ihr war und ich nickte nur, hörte zu und war eigentlich wo ganz anders. Ich hatte das Gefühl die Tür ging heute nicht richtig zu und aus einem Spalt wurde ich von einer vergifteten Luft verfolgt, den Schwächen.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 04 Jul 2018 14:15    Titel:
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Alles ist neu auf dieser Insel und doch ist alles gleich.

Ein Haus ist ein Haus ist ein Haus und auch wenn die Aufteilung der Stockwerke und die Position der Türen und Fenster dem Mann bisweilen Zweifel am Geisteszustand des Architekten entlockt, bleibt die Grösse des Erstaunen überschaubar.
Es liegt kein Kitzel daran sich umzuschauen und dass er es doch tut, ist den Menschen geschuldet.

Und Menschen kommen in allen Varianten und Färbungen - lautstark und leise, unverhohlen und listenreich, nachgiebig und eisenhart - in einem Kaleidoskop, das den Mann jeden Tag aufs Neue fasziniert. Nichts ist gewiss, wenn man es mit Menschen zu tun hat und diese banale Einsicht ist bereits genug um die Gedanken des Mannes sich neu ausrichten zu lassen.

Zurückgeblieben in der alten Heimat sind die allzu lebhaften Erinnerungen an Auseinandersetzungen und Eroberungen, an aufrechte Liebe und bittere Verachtung - gern einmal miteinander vermischt. Sie verblassen bereits vor den Eindrücken hier: Dem Lächeln in manchen Zügen, der Erinnerung an gerundete Weichheit unter den Fingern und einen aus aufrechter Empörung erwachsenden Hieb.

Alles ist neu auf dieser Insel und doch ist alles gleich.

'Diesen Pfad habe ich schon einmal beschritten.'

Die Begeisterung glüht bereits als kleine, warme Flamme, noch gut verborgen unter einer Schicht erkalteter Asche. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie wieder vollends zum Leben erwacht ist.
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Emilie Merat





 Beitrag Verfasst am: 05 Jul 2018 09:25    Titel:
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Alles neu auf dieser Insel und doch alles gleich.

Ich öffnete die Tür, ließ das Licht draußen und setzte mich wieder auf den Bettrand wo er lag. Ich war mir nicht sicher ob er sich seit dem Morgen bewegt hatte und ich konnte auch nicht fragen, weil er mir sowieso nicht antwortete. Also saß ich da, wartete bis die Glieder schwerer wurden, ich nach hinten fiel - wie immer, meine Lider den Geist aufgaben - wie immer und ich ins Land der Träume fiel - wie immer. Nur das ich eben nicht träumte. Man sagte das so aber ich träumte nicht. Ich wachte nicht auf und dachte an verwirrte Welten die mir ein Lächeln oder die Panik ins Gesicht trieben. Ich machte die Augen zu und dann nach einigen Stunden wieder auf.

Es war alles gleich geblieben. Ich hatte mein dunkles Tor mitgenommen, meinen Dreck an den Füßen, meine Krankheit. Aber es störte mich eigentlich nicht so sehr. Wenn man nicht darüber sprach, wenn man das Thema ruhen ließ wie einen guten Teig, dann störte es mich nicht. Dann blendete ich es aus, lebte und dachte an das große Chaos erst wenn ich es wieder zu Gesicht bekam. Aber es gab Menschen die einem das nicht gönnten. Sie hämmerten auf einen ein, wollten das man es heraus spuckt, darüber sprach, sich den Problemen stellte. Aber nicht mit mir, dachte ich - wie immer.

"Diesen Pfad habe ich schon einmal beschritten."

Ich erinnerte mich noch daran wie er meine Hände griff, vor einem Jahr, wie er mich ansah und mir zulächelte, vor einem Jahr und mir sagte das es uns bald besser gehen würde. Das es nicht so schlimm werden würde, dass ich es nur zulassen müsste und dann würde er es ebenfalls tun. Er lächelte mir noch zu, vor einem Jahr und ich fing an ihn zu mögen, vor einem Jahr. Und nun, nun war alles anders und doch alles gleich.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 11 Jul 2018 18:49    Titel:
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"Du hast eine Pflicht. Du hast eine Verantwortung. Leben ist eine Bürde, an der wir wachsen, Kilian. Du bist keine Ausnahme."

Der Junge hört zu, aber seine Gedanken sind andernorts, viel eher am beständigen Murmeln des Baches interessiert, der gerade hier rascher fliesst, über vielerlei Stromschnellen hinweg, die das glitzernde Band schäumend zerreissen. Er ist ein Träumer und die Lektionen von der Wichtigkeit des Leben sind an ihn verschwendet. Während der Vater weiter über das Gleichgewicht der Welt sinniert und die Rolle, die er für seinen Sohn darin sieht, beobachtet jener die Bienen.

Sie wirken frei und arbeiten doch. Ohne Unterlass und Eigensinn stemmen sie sich auch jetzt in der Blüte des Sommers bereits dem noch fernen Versprechen des Winters entgegen und der Junge kann nicht anders, als sich darüber zu wundern.

"Wir alle haben unsere Gaben. Manche führen und manche dienen. Manche zerstören und manche schaffen. Einige sind selbstlos und andere denken voller Gier nur an sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse. Hörst du mir zu, Kilian?"

Der Jüngling lächelt, in den funkelnden Augen zeigt sich die gewitzte Fassade eines Heuchlers, der weiss, wann er zu nicken und wann den Kopf zu schütteln hat. Es ist dieses Lächeln auf das er nun vertraut, um die feine Zornesfalte auf der Stirn der Gegenüber zu glätten. Dann setzen die Finger sich wieder in Bewegung, nehmen das Schweigen als Zustimmung um die gerade erst begonnene Eroberung unbekannten Terrains neu zu beginnen.

In diesem Augenblick, das spürt er ganz deutlich, ist alles wahrhaftig: Die hochfliegende Liebe genauso wie das viel profanere Verlangen und die Begeisterung, die beides miteinander verbindet. Ein Blatt fällt im Aufkommen einer Böe, rot und prachtvoll und der Jüngling weiss, dass alles endet.

"Du bist der niederste Abschaum, ein Gaukler mit einem einzigen Trick und ich würde dir so gern das Grinsen aus dem Gesicht schneiden, damit alle, die nach mir kommen, gewarnt sind. Aber nun lächelst du nicht mehr, oder?"

Die Worte sind wie dumpfe Schläge, gerade am Rande der Wahrnehmung, die an der durch die Brust gerammten Klinge gebunden ist. Der Schmerz ist von einer zuvor nie gekannten Macht und wenn es je den Wunsch gab in Würde zu sterben, so ist dieser schon lange hinter gellenden Schreien zugrunde gegangen. Es liegt etwas Befreiendes in dieser vollkommenen Niederlage, im Aufgeben vor dem Unvermeidlichen. Alle Verpflichtungen sind nur leere Worte.
Und das ist, woran er sich später erinnert, wenn er über die Narbe streicht. Ein Überlebender wider alle Wahrscheinlichkeit, der das falsche gelernt hat.

"Man ist nicht mehr nur eine Person, sobald man verheiratet ist. Man kann nicht mehr nur an sich denken, Kilian. Man dupliziert sein Leben und wenn man .."

"Unsinn. Das sind alles hanebüchene Rechtfertigungen."

In diesem Moment ist er von der Antwort überzeugt. Später, als er allein im Regen sitzt, nicht mehr so vollständig und daran hat das unaufhörlich rieselnde Nass gewiss einen Anteil. Der Mann ist alt genug um richtig und falsch zu verstehen, aber das Wissen ist nur von begrenztem Wert vor der allzeit drängenden Dummheit. Sie will mehr und dieses "mehr" ist ohne Maß und Ende. Zurückweisung versteht sie nur als Aufforderung den Widerstand zu überwinden und nur selten schmerzt die Narbe einmal, wenn die Gedanken sich auf diese schiefen Pfade begeben.

"Wir alle haben unseren Platz. Unser Schicksal, Kilian. Und das meine ist es, auf deinem Grab zu tanzen."

Der Mann hört zu, aber seine Gedanken sind andernorts.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 12 Jul 2018 15:06    Titel:
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Es ist das Jahr 256 und der Tod Horteras' liegt noch in der Zukunft wie die heisere Mahnung eines ungeliebten Orakels. Der Frühling ist von ungewöhnlicher Kraft, das Leben wächst nicht nur, es wuchert regelrecht und all dem eiligen Streben wohnt eine sonst unbekannte Note von Vergänglichkeit bei, eine Warnung vor dem, was dem Sehenden schon längst gewiss ist:
Alles stirbt. Nicht einmal die Götter sind ewig.

Der Tod hat auch die vier Menschen hierher geführt, abseits der ausgetretenen Pfade haben sie sich auf einer Lichtung versammelt, wo das Gras mehr als kniehoch steht. Alles ist bunt, ein wilder Reigen von Gelb und Blau und wie dahingetupftem Rot, überall dort, wo das Blut sich nicht durch die auf die Wunde gepresste Hand zurückhalten liess.

Das Duell hat vor kaum einer Minute ein Ende gefunden und in gewisser Weise spiegelte es perfekt den Anlass, der die Viere nun letztlich auf dieser Lichtung zusammengeführt hat: Ein kurzer, fast schon beiläufiger Zusammenprall, ein Aufwallen von Lust und Zorn und am Ende: Tränen.
Und der eigentliche Verursacher ist auch dieses Mal nicht der, der sich nun reuevolle Gedanken machen muss.

Dass er diese Herausforderung ohne Kratzer überstanden hat, ist weniger eigenen Fähigkeiten zu verdanken, als mehr dem Übermaß an Scham und Stolz, die den betrogenen Ehemann in diese Richtung zwangen. Immerhin: Jener hat mit der Forderung sein Gesicht gewahrt und - nicht zu vernachlässigen: Er wird überleben. Die Wunde ist gewiss mehr als ein Kratzer, aber nicht lebensgedrohlich und schon in ein oder zwei Jahren wird er vielleicht vor dem Kaminfeuer mit den Erlebnissen des heutigen Tages prahlen.

Was nun Kilian betrifft, so würde er zähneknirschend wohl eine gewisse Schuld an den Umständen einräumen, aber niemand fragt ihn: Der Mann, der ihn als Sekundant und Zeuge zum Duell begleitete ist der ältere Bruder und dessen Haltung verkündet zweifelsfrei die Missbilligung dieser ganzen Angelegenheit. Dazu hat er allen Grund: Ein Mann lebt durch seinen Ruf und einen Luftikus, einen Frauennachsteller in der Familie zu haben ist nur Öl auf das Feuer alter Neider und neuer Konkurrenten.

Es gibt soviel Wichtigeres. Die Familie. Das Erbe. Die ganze, ausgebreitete Zukunft.

"Alles stirbt." verkündet Kilian aus dem Nichts, während er die geborgte Klinge gereinigt zurückgibt an den Besitzer und das Bedürfnis ihn zu rütteln, ihm eine Schelle zu geben, ihn irgendwie zur Vernunft zu beuteln, wird beinahe übermächtig in seinem älteren Bruder.
"Geh mir aus den Augen."

Zwei Wochen später opfert sich Horteras für die Welt.
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Emilie Merat





 Beitrag Verfasst am: 13 Jul 2018 17:10    Titel:
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Alles stirbt.

Ich stand eine ganze Weile einfach da, hielt das Kissen in der Hand und betrachtete seine schlafenden Züge. Ich rief mir die Versprechungen in den Kopf, erinnerte mich an die Vorhersagen, an dieses Schicksal und daran wie ich mich vor Jahren einmal mit meiner Schwester unterhielt. Wie sie mich fragte ob ich jemals heiraten würde wollen und wie ich ihr antwortete, dass nur Narren ihre Freiheit so verkaufen würden. Dann versuchte ich mich zu erinnern wann ich mich dazu entschieden hatte ein Narr zu sein und ich konnte den Tag nicht festlegen, die Unterhaltung nicht und auch nicht an den Moment wiederfinden wo ich mich an Amalinas Stelle meldete, wie als ginge es um die Aufgabe irgendwo Kartoffeln holen zu gehen. Ich hatte meine Freiheit aufgegeben, ich hatte verloren, wie Horteras einst. Ich war der riesige Blutfleck der auf dem Land thronte wie ein Mahnmal, nur weniger bedeutend und weniger für die ganze Welt. Ich war der Blutfleck in diesem Zimmer, in diesem Raum, der so düster war das ich nicht einmal einschätzen konnte auf welcher Zahl der Zeiger stand. Und ich, dieser rote, penetrante Fleck, mahnend und grell, stand da. Noch eine Weile, dann beugte ich mich vor, drückte zu und lauschte.

Dann blinzelte ich, öffnete die Augen und drehte den Kopf etwas. Ich hatte mich seit einigen Stunden nicht bewegt, ich saß einfach nur auf dem Bettrand, hielt seine Hand ohne das er es verhindern konnte und harrte. Ich musste eingeschlafen sein und mein Herz raste als wäre das alles nicht nur in meinem Kopf geschehen. Als hätte ich ein Verbrechen begangen was nicht nur gegen die Regeln und Normen der Umgebung sprach sondern auch gegen die Meinen. Ich hatte Gedanken für die ich mich sogar schämte, obwohl es eben nur Gedanken waren. Solche die eben jeder hatte, unhöfliche Ströme im Kopf, die irgendwas von sich gaben was man nie laut aussprechen würde. Die sieht aber komisch aus, was sind denn das für Schuhe, wieso redet der mich nun an, was eine nervige Unterhaltung...

Dann merkte ich einen Druck an meiner Hand. Berührungen die ich nicht mehr kannte und die mich dazu brachten steif zu werden. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit weiter, fokussierte nun den Liegenden und zum ersten Mal nach einem Jahr sah er mich an und ich konnte nicht sagen was er wollte, was es bedeutete oder warum er es tat. Erst als der erste Tropfen der Schande mein Kinn hinab fiel, auf meine freie Hand tropfte, die in meinem Schoß lag, begriff ich weswegen. Ich erzählte ihm eigentlich alles, aber dieses Mal schwieg ich.

Alles stirbt, oder auch nicht.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 15 Jul 2018 18:30    Titel:
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"Ach Sir Heinrik. Gefunden habe ich sie schon."

Das Gespräch dreht sich - wie kann es anders sein - um die Liebe, um die wahre Liebe noch dazu und was jene angeht so ist vor allem wohl insbesondere der ein Experte, der bislang von ihrer Berührung noch nichts mitbekommen hat.
Die Runde ist klein aber erlesen, ein wenig wie ein mit Kunst angerichteter guter Eintopf aus den besten Zutaten, in den dann unversehens eine tote Ratte gefallen ist und Kilian Fanras fühlt sich ein wenig wie genau dieser bedauernswerte Nager.
Nicht so tot natürlich, aber ähnlich unpassend.

Andere, vielleicht zarter besaitete Naturen könnten einen solchen Moment der Selbsterkenntnis zum Anlass nehmen doch etwas über ihren bisherigen Lebensweg nachzudenken und vielleicht auch darüber, ob die eingeschlagene Richtung vielleicht in Richtung eines bereits aufgestellten Galgens läuft.
Und solche wie Kilian zucken voller Selbstüberzeugung die Schultern und schieben alles auf die Umstände wie falsch gewählte Farbe des Hemdes, etwas zu kleine Schuhe und dergleichen mehr.

Die Dinge sind - ganz klar - niemals seine Schuld, es sei denn es gilt ein tränenreiches Geständnis abzulegen, in dessen versöhnlicher Folge dann doch noch jemand die Unschuld verliert und sich am nächsten Tag fragt, was genau da eigentlich schiefgelaufen ist.

Es wäre falsch ihn als Heuchler abzustempeln, wie es bereits eine nicht geringe Zahl enttäuschter Liebschaften getan haben und vermutlich auch noch tun werden. Ihn als notorischen Herzensbrecher zu bezeichnen ist ebenfalls nicht weniger weit von der Wahrheit entfernt, aber wenn das Gefühl von Demütigung und Zurückweisung heisser brennt als die Cirmiasums-Sonne, ist es einfach nicht mehr die Zeit für kühle Analysen und sorgsame Einsichten.
Kränkung fordert Vergeltung, vielleicht sogar Rache und die beiden ausgefochteten Duelle sind nur die Spitze eines ganzen Berges und es ist nicht gerade Gold, was ihn wie pochende Adern durchzieht.

Ein Mann ist ein Mann ist ein Mann.
Wenn sein Herz bei einer Sache ist, dann wird es gefährlich.

Und nun also Adoran, diese Stadt voller einsamer Frauenherzen in allzu hübscher Verpackung, wie ein ganzer Baum voller reifer Kirschen, der nur darauf wartet mit beiden Händen abgeerntet zu werden.
Aber so einer ist er nicht.
Andere mögen wahllos jagen, aber er folgt unbeirrt dem leuchtenden Stern der wahren Liebe.

Was ist es seine Schuld, dass er jeden Tag über einem anderen Bett aufgeht?
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Emilie Merat





 Beitrag Verfasst am: 16 Jul 2018 08:45    Titel:
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Ich hatte bereits viel von ihr gehört und noch zu wenig gesehen, doch ich brauchte nicht lange um sie regelrecht anzuhimmeln wie ein kleiner Junge einen Ritter, der sein Schwert streckte und große Reden hielt, es war fast schon beschämend. Sie hatte Schneid und Verstand und was mir besonders auffiel, was besonders Gewicht für mich hatte war, dass sie sich mit allen hätte wappnen können und es zeitgleich vermutlich nicht brauchte zu betonen wer sie war, was sie für einen Stand hatte und das man ihr bitte die Welt zu Füßen legen möge, weil sie eben das und das wäre. Ich glaube sie hatte diese Art die keinerlei Titel benötigte. Sie wäre auch so angesehen ohne all das, sie war eine Führerin. Wenige waren für genau diese Aufgabe geschaffen, bei ihr hegte ich keinen Zweifel, vielleicht sehr naiv, hatte ich doch erst einmal mit ihr gesprochen. Ich wusste nicht woher diese Schwärmerei kam, vielleicht irrte ich mich auch und stellte sie nur so hoch in meinem Ansehen, weil sie Kilian Paroli bieten konnte. Ich hatte noch nie erlebt das ihm das Wort im Halse stecken blieb, weil er keine passende Antwort mehr parat hatte. Vielleicht war es nur das oder aber Helisande von Gipfelsturm war eben genau das, was ich sonst nur aus den Büchern kannte. Eine Respektperson, wo man Respekt empfand, weil man es wollte, weil man sich selbst dafür entschied. Nicht etwa wie bei Familienoberhäuptern, denen man in den Hintern kroch aber wo man am liebsten einen Dolch mitgenommen hätte. Wo man treu und loyal sein musste, weil es eben Familie war. Es war etwas vollkommen Anderes. Es war neu.

Dieser Abend war der erste Abend nach unserer Ankunft, wo ich mich wirklich ein wenig Zuhause fühlte. Ich hatte nicht das Gefühl auf der Flucht zu sein oder auf der Suche. Ich fühlte mich so als hätte man hier nun endlich einen Ort gefunden wo man bleiben könnte und vor allem wo man auch leben könnte. Ich fühlte mich nur noch halb fremd. Wenn auch ein Thema den ganzen Abend überschattete, das mich wieder ein wenig in die Enge trieb.

Die wahre Liebe.

Sie hatten in der Taverne darüber gesprochen und ich hatte mich bemüht nur mit dem halben Ohr zuzuhören aber all die Worte die fielen ließen meine Gedanken schweifen, schwinden oder wanken. Ich wusste nicht was es war, ich konnte nicht behaupten mitreden zu können. Ich war niemand der irgendwelche Gedichte von einem Mann hören wollte oder anderen kitschigen Kram, so wie ich ihn nannte, der meistens so penetrant aufdringlich wirkte, dass sich mir sofort der Gedanke in den Kopf schlich, es wäre nur eine schön verpackte Lüge. Ich nahm an, dass die Wahrhaftigkeit in der Liebe nichts von alledem benötigte. Sie würde sich vermutlich anders offenbaren, nicht mit Zwang oder Geschenken, einfach mit der Liebe selbst - die man in keinem Material hätte aufwiegen können.

Die wahre Liebe.

Ich sprach auch mit Fräulein Tiefenbruch darüber. An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit und doch noch am selben Tag. Ich hielt mich ziemlich zurück mit meinen Worten doch als sie davon sprach konnte ich die Wahrhaftigkeit sehen, die Liebe in ihren Augen und ich konnte regelrecht fühlen wie ihr Herz kräftig schlug, als sie von diesem einen Mann sprach. Ich empfand Neid und Sehnsucht nach diesem Gefühl und doch hätte man es sich nirgends wünschen können, es musste eben geschehen oder auch nicht. Und so ging ich dann, mit Neid und dem Willen nach alldem und zeitgleich mit der Scheu vor all dem Falschen. So ging ich dann, meinen Ehering wieder anlegend, in dieses verdammte dunkle Zimmer zu meinem Mann der schlief und wo nicht im Ansatz mein Herz gegen meine Brust donnerte und doch war das hier keine Lüge. Es war alles ehrlich in diesem Raum, alles klar. Doch es widerte mich an.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 16 Jul 2018 13:50    Titel:
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"Liebe lache lebe!"

Das Lachen ist, wenngleich leise, doch von überwältigender Kraft, erwachsend aus einer Präsenz, die alles andere in den Hintergrund rücken lässt. In der Erinnerung gibt es überhaupt nichts anderes: Die Zeit hat die Details ausgewaschen, alle Farben getilgt und selbst die Formen verschlungen. Alles was blieb ist das Lachen und die bittere Scham, die sich darum geschlungen hat. An manchen Tagen fürchtet er auch das noch zu verlieren.

Es ist das Jahr 248 und Kilian ist schon lange alt genug, um den Tod in all seinen Facetten gesehen zu haben, aber erst heute begreift er. Die Wucht all der abrupt an Bedeutung gewinnenden Lektionen teilweise schon vor Jahren geführter Gespräche, reisst ihm den Atem von den Lippen und schnürt ihm die Brust zu.
Das Gefühl zu ertrinken, zu ersticken, wo die Flut sich doch schon seit Jahren nähert, langsam aber zuverlässig wie ein düsterer Gast der jedem Abendessen, jeder Unternehmung, jedem Gespräch beiwohnt: Ungeliebt aber unvermeidlich.

Andere haben die Zeit genutzt, um zu zweifeln und zu klagen, um zu zürnen und schliesslich zu akzeptieren. Sie sind bereit für die Trauer und der Jüngling schämt sich für die wütende Eifersucht die darum in seinen Eingeweiden brennt und diese letzten wertvollen Momente beschmutzt.

Jahre später ist die Erinnerung an das leise Lachen neben der Scham das einzige, was geblieben ist: Die Familie zerstreut, von Ehrgeiz getrieben oder von Gleichgültigkeit an irgendwelche Gestade geweht. Selbst das einst so vertraute Gesicht ist verwandelt wie ein unvollständiges Mosaik, mühsam zusammengehalten und rekonstruiert aus bröckelnder Erinnerung, die nur ein einziges, viel zu altes Bild hat um sich zusammen zu halten.

"Liebe lache lebe!"

Er hat geliebt, gelacht, gelebt, aber heute spürt er ein überwältigendes Gefühl von Ohnmacht und Vergeblichkeit, einen Zweifel der die lebende Seele selbst packt und sie zum Firmanent hin klagen lässt. All das kondensiert in einem einzigen brodelndem Gedanken, einem Gefühl in dem die Erkenntnisse sich bündeln wie im Brennpunkt einer Lupe: Verrat.

Nichts daran ist neu, aber die Macht des Gedanken hat über die Zeit nicht an Kraft verloren, er ist noch gnadenloser und schwerer abzuschütteln, als ein geifernder Bluthund, der japsend und bellend einer Schweissfährte folgt.

Er befreit sich schliesslich auf die gleiche Weise wie immer: Mit reichlich Handarbeit unter Herausbeschwörung anderer, sehr viel jüngerer Erinnerungen vermischt mit durchweg pikanten Tagträumen.

Und schliesslich Friede. Für ein weiteres Jahr.
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Emilie Merat





 Beitrag Verfasst am: 18 Jul 2018 10:51    Titel:
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Du machst deine Pläne als gäbe es mich nicht!
- Bis gestern gab es dich auch nicht.


Ich beugte mich nach vorne und wischte behutsam mit dem Leinentuch über seine Züge. Als wäre er eine Puppe aus Porzellan, fein bemalt mit teuren Ölfarben die bei zu viel Druck, zu viel Hingabe, verwischen würden. Ich trug dabei ein dünnes Lächeln, es war eine Art entspannende Beschäftigung geworden. Wie stricken oder häkeln. Es holte mich auf den Boden der Realität zurück und dahin wo ich hingehörte. An seine Seite, mit dem Tuch in der Hand. Nicht sonderlich romantisch aber genau das was man geschworen hatte. Temora wäre stolz, wenn sie nicht so viel zutun hätte und einmal zu mir sehen würde, ich glaube sie wäre tatsächlich zufrieden. Ich opferte mich auf, für ihn, der vermutlich nie wieder einen Schritt aus dem Haus setzen würde.
Opferbereitschaft. Die Seele, die bereit ist sich selbst für den Glauben und die Errettung Leidender zu opfern ist wahrhaftig mutig. Mutig? Ein Wort welches so nah an dem Wort Dumm stand. Solch eine Seele wird bereit sein das eigene Leben zu riskieren, genauso wie jedes materielle Gut das sie besitzt, wenn der Grund edel genug ist. Edel? Ich hegte Zweifel. Gut, sie wäre vermutlich nicht stolz. Man könnte es sich schön reden, könnte die Welt mit diesen Worten schmücken, ihr damit erklären warum man war wie man war aber letztendlich wäre es eine Lüge gewesen. Lügen, so viele Lügen, eingeschlossen in diesem Zimmer.

Du machst deine Pläne als gäbe es mich nicht!
- Bis gestern gab es dich auch nicht.


"Heute gibt es dich nicht mehr." Ließ ich ihn an meinen Erinnerungen teil haben und er sah mir einfach nur entgegen wie er es immer tat. Ohne Emotionen oder andere Hinweise. Manchmal fragte ich mich ob er eventuell den Wunsch verspürte, dass ich ihm den Gnadenstoß gab und ob er einfach bereits wusste das ich diesen Wunsch ablehnen würde und er ihn deswegen nicht irgendwie an mich richtete. Ich nahm immer einen Dolch mit hinein, in dieses Zimmer, ließ ihn immer an meinem Waffengurt hängen, offen und provokant. Ich redete mir ein, jedes Mal, dass ich vergessen hatte ihn abzulegen und es nun sowieso zu spät wäre. Aber das war eine Lüge, ich wusste das und er vermutlich auch. Er war klug, er war immer klüger als ich. Keine Kunst.

Also begann ich, statt den Gnadenstoß anzusetzen, von meinem Tag zu berichten. Von der Veranstaltung an irgendeinem Ort dessen Namen mir entfallen war. Ich dachte mir irgendwas aus und sagte ihm, ich würde es bald besser wissen, die Orientierung würde mir bald die Hand reichen. Ich erzählte ihm von Kilian, wie er Blumen kaufte, vermutlich für hunderte Frauen oder nur für eine, man wusste es nie so genau. Dann erzählte ich ihm von Amalina und das sie erwachsen geworden wäre und ich das irgendwie nicht mitbekam und mir auch nicht sicher war ob mir das gefiel, weil ich mich sorgte das sie mir dadurch entglitt. Und ich erzählte ihm wie ich dreißig Kronen weniger besaß, durch ein unglaublich tolles Kleidungsstück, welches ich ihm nicht zeigte weil ich selbst bereits empfand, dass es doch gar nicht so toll war. Ich wollte es nicht zugeben. Meinen Bericht über Elana ließ ich etwas ausschweifen. Sie war neu, neue Dinge interessierten ihn, bildete ich mir ein. Ein junges, verwahrlostes Mädchen. Sicher mit einem guten Herzen oder zumindest hegte ich die Hoffnung. Sie freute sich über einen Besen, etwas vollkommen banales an und für sich aber es machte sie glücklich. Wer sich noch über die einfachen Dinge freuen konnte, gehörte zu der guten Sorte Mensch. So musste es sein.

Dann sah ich ihm wieder eine Weile schweigend entgegen, griff nach seiner Hand und drückte einmal sanft zu. Mein Lächeln gewann an Festigkeit. Hoffnung. - Die gute Sorte Mensch.


Zuletzt bearbeitet von Emilie Merat am 18 Jul 2018 10:54, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 18 Jul 2018 18:50    Titel:
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Es überrascht gewiss niemanden, dass der Mann auch diese Nacht nicht allein schläft, aber der Anlass dafür ist weniger romantischer Natur, als vielmehr den Gegebenheiten einer vielköpfigen Sippe geschuldet, die gerade erst dabei ist Fuß auf diesem noch unvertrautem Kontinent zu fassen.

Und während die einen davon träumen sich mit Ruhm und Ehre zu bedecken, andere die Vorstellungen gut gefüllter Geldspeicher pflegen, gehört die Nachtruhe Kilians vollkommen der Stille.
Er schliesst die Augen und er öffnet sie. Erhebt sich ohne über Traumbilder nachsinnen zu müssen und spaziert nach draussen in das erste Licht eines neuen Morgens.

Natürlich träumt er. Aber niemals im Schlaf.

Der Morgen ist frisch und daran hat der aufkommende Wind seinen Anteil, die Brise aus Süd trägt den Geruch von See und Tang und Fisch mit sich. Erst später, wenn die Sonne wieder höher geklettert ist, wird sich der Geruch erwärmten Holzes dazugesellen und der feine Gestank von Verzweiflung, der in den Ritzen zwischen den zusammengenagelten Treibholzstücken brütet.

Es riecht nach Heimat und der Mann gefällt sich darin einfach gar nichts zu tun, darauf zu warten, dass die Sonne höher klettert und das kleine Frösteln aus den Glieder treibt, während er die vergangenen Tage Revue passieren lässt. Wenn man nur vage hin sieht, scheint alles in Ordnung. Alles läuft in gewohnten Bahnen. Aber der Mann weiss es besser: Unter der Oberfläche verlaufen Strömungen und formen sich Spannungen, Dynamiken sind am Werk, die er weder einschätzen noch begreifen kann, auch wenn er ihre Auswirkung erahnt. Und nichts lässt ihn sich lebendiger fühlen als genau das.

Alles ist unbekannt. Alles ist neu. Mag sein, dass etwas zu Bruch geht oder ein Bach über die Ufer tritt, wenn man nur an der falschen Stelle staut, aber ist es das nicht wert?

Er grübelt über dieser Frage, während die Luft sich erwärmt und die Stadt in seinem Rücken zum Leben erwacht. Lange, so weiss er, kann er hier nicht mehr ungestört sitzen und diese Gewissheit lenkt die Gedanken schliesslich zu einem beinahe vergessenen, beinahe übersehenen wunden Punkt hin - dem Quell eines feinen Schmerzes über den das Begreifen unversehens stolpert, während er noch Gesichter sortiert und Einsichten vergleicht.

"Heute gibt es dich nicht mehr." flüstert er dem Morgen entgegen und schnippt einen Stein hinab auf den Strand. Es wird Zeit. Die Blumen dieser Stadt wollen gegossen werden und er hat schon eine ganz Bestimmte im Auge.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 19 Jul 2018 17:50    Titel:
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Es verspricht ein schöner Tag zu werden und der Aal liegt ausgezeichnet in der Hand des Mannes, zuckt nur gelegentlich einmal, wenn der Druck der Finger ein wenig zu gross wird. Er ist, das lässt sich durch einen einzigen Blick feststellen, von beeindruckender Dicke und überragender Länge, genug um für Bewunderung oder Entsetzen zu sorgen - je nachdem, wem man damit vor dem Gesicht herumwedelt, aber dergleichen liegt heute nicht im Ansinnen des Mannes.
Er starrt auf das Meer hinauf, vorbei an der traurigen Entschuldigung eines Strandes, wo angeschwemmte Holzreste mit trocknenden Algen und glattgeschliffenen Steinen wetteifern, vorbei an der Schaumkrone, die die sich brechenden Wellen markiert bis zu den grob zusammengenagelten Planken, die ein Spassvogel mit der Parodie eines Segels versehen hat und holt dann aus.

Der Aal fliegt, vorbei an überrascht kreischenden Möwen und verfehlt die Bretter um gute drei Schritt.

"Du hast es vergeigt, Kilian!"

Rauhes Vergnügen schwingt in der Frauenstimme mit, eine Kratzigkeit, die zu der gesamten Erscheinung passt: Ein wirrer Schopf von Haaren, eben lang genug um die Ohren zu bedecken, sehnige Agilität, die bei jeder noch so kleinen Bewegung vibriert, wie die Sehne eines gespannten Bogens. Die Züge sind fein genug, um keinen Zweifel am Geschlecht aufkommen lassen, auch wenn die mitgenommene Bluse mit kaum mehr als einer vagen Andeutung gefüllt ist, aber das stört den Mann nicht.

Es ist Sommer und er ist verliebt, der Kopf voller Unsinn und Hoffnungen und einer nie gekannten Leichtigkeit, während er hinter ihr über das Kliff tollt, von Stein zu Stein springend ohne es mit der traumwandlerischen Sicherheit der Begleiterin aufnehmen zu können. Sie ist schnell und sie ist fordernd, lässt ihn atemlos zurück und in einem fortwährenden Zustand der Faszination.

Dies, so weiss er aus der Tiefe einer Erfahrung, die noch niemals die Liebe gekostet hat, ist das Wahre.

Später, als die Aufregung abgeklungen ist, betrachtet er sie aus der Nähe und findet die Spuren der Jahre im Antlitz der Geliebten. Sie ist, so weiss er, uralt: Mindestens achtundzwanzig Jahre und das ist für ihn eine halbe Ewigkeit.

"Ich war immer ehrlich mit dir, Kilian. Als dieser Sommer anfing, sagte ich dir, es würde nicht andauern. Ich würde mich langweilen. Du hast es nicht vergessen, oder?"


Er schüttelt den Kopf - wie hätte er auch nur ein einziges Wort von diesen Lippen vergessen können?
Er schüttelt den Kopf, auch wenn er den Stich der kleinen Lüge spürt, die darin liegt: Er glaubt ihr kein Wort. Er wird der Eine sein, der alles ändert. Der eine, für den die Liebe ewig ist, wahrhaftig und vollkommen. Dafür braucht es nicht viel mehr als Glaube und Zuversicht und die tapfere Ignoranz des kleinen Funkens von Mitgefühl, der ihm aus ihren Augen entgegenscheint.

"Es ist schon fast soweit."

-------------

Ein anderer Strand gute zehn Jahre und einen Kontinent entfernt, ein Morgen, genau wie damals, nur dass es heute keine Aale zu werfen gibt, keine traurige Boote zu versenken und keine Liebste, die sich neben ihm im Sand rollt.

Aber er hat nicht vergessen.

"Heute gibt es dich nicht mehr." flüstert er und schnippt einen Stein hinab auf den Strand.


Zuletzt bearbeitet von Kilian Fanras am 19 Jul 2018 19:14, insgesamt einmal bearbeitet
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Emilie Merat





 Beitrag Verfasst am: 20 Jul 2018 09:29    Titel:
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"Er ist ein verliebter Trottel. Er sieht das Feuer gar nicht auf welches er zusteuert. Man kann mit ihm reden und reden und ihm theoretisch auch einen Dolch nach dem Anderen in die Brust rammen, er versteht es einfach nicht. Er glaubt an die wahre Liebe, vermutlich auch an das Schicksal. Aber guck uns beide an, Gaius, guck uns beide an, wir beide wissen das es sowas wie Schicksal und Glück nicht gibt und wenn doch, dann war es zweifelsohne die Schuld deiner Sünden dass es bei uns nicht mehr einkehrt. Was hast du verbrochen, mh? Warum straft man dich so und vor allem mich? Kannst du mir das mal erklären? Nein, kannst du nicht weil du wieder einmal keinen Ton sagen wirst, du wirst einfach starren und starren, vielleicht rümpfst du auch die Nase weil sie dir juckt oder du drehst den Kopf um Wasserglas und deutest mir an das du Durst hast. Ja, danke, ein wundervolles Leben. Was hast du verbrochen?"

Ich hätte nicht mit Alkohol im Blut zu ihm gehen sollen, ich redete zu viel.

"Bemühst du dich überhaupt noch? Hebe doch einmal das rechte Bein, ich bin mir sicher du könntest es. Oder das Linke, auch das würde mit etwas Mühe funktionieren. Gibt es irgendeinen Schurken da draußen der dir das Leben nehmen würde sobald du heraus gehst und ist es hier einfach sicherer? Schwachsinn, einen schwer kranken Mann würde ein Söldner vermutlich auch im Bett töten. Du warst nie ein netter Mann, Gaius, ich glaube da hätte keiner ein schlechtes Gewissen. Aber weißt du was mir Sorgen macht? Das du wie jemand aussiehst der nicht einmal mehr kämpft. Wer nicht kämpft hat schon verloren. Dummer Spruch, habe ich in irgendeinem Buch gelesen. Da, die Bücher dort in der Ecke, da irgendwo steht es drin. Du kannst sie sehen, sie sind hier weil ich Nachts nicht schlafen kann und mich irgendwie beschäftigen muss. Mit dummen Büchern die vollkommen tiefgründige Sprüche zeigen. Bücher für so Leute wie Kilian, mit Gedichten und anderem romantischen Zeug. Es ist fast schon eine regelrechte Beleidigung das in deinem Besitz nur romantische Bücher liegen, ab und an irgendwas über Götter aber sonst eben nur dieser Kram und du nicht einmal im Ansatz, nicht einmal im kleinsten Ansatz so bist!"

Ich hätte nicht mit Alkohol im Blut zu ihm gehen sollen, ich redete zu viel.

"Du magst diese Art von Romantik nicht."

"Ich mag diese Art von Romantik nicht, aber darum geht es hier nicht. Es geht darum das du dich nicht bemühst, du hast aufgegeben. Du liegst hier und lässt dich von irgendeiner Magd waschen der man die Zunge raus geschnitten hat, ganz zufällig. War es Tarlesin? Keine Ahnung ob ich ihm sowas zutrauen würde aber ihr habt füreinander doch schon viel dummes Zeug gemacht. Sind also schon zwei Frauen denen du zur Last fällst und deinem Bruder vermutlich auch, ich hoffe er hält dir jedes Mal predigten wenn er hier rein kommt und lächelt dich nicht nur dumm an wie ich es eigentlich immer und immer und immer wieder mache!"

Ich hätte nicht mit Alkohol im Blut zu ihm gehen sollen, ich redete zu viel.

"Emilie..."

"Niemand hätte dich heiraten dürfen! Du hättest die Ehe lösen müssen als du merktest mit dir geht es in diese Richtungen. Du hast Opfer aufgezwungen, die keiner wollte und nun sitzen wir hier und ich sehe zu wie die Welt sich weiter dreht und ich in diesem düsteren Zimmer hocke und mit dir irgendwo im Jahr 260 festhänge! Hyram, weißt du was er gesagt hat? Ich werde halt immer meine Schwester haben. Ich bin gar nicht die Frau die man an der Seite eines Mannes sieht, ich bin halt einfach die Schwester meiner Schwester. Mit dicken Schenkeln weil die Reger das sagt!"

"Emilie, schweig jetzt!" Seine Stimme wurde lauter und die paar Male davor hatte ich sie noch nicht einmal wirklich wahrgenommen. Er hatte gesprochen, die ganze Zeit, nach einem Jahr, er hatte mit mir gesprochen. Aber es erfreute mich nicht. Ich saß da auf dem Bett, starrte ihn an und wünschte er hätte niemals den Mund aufgemacht. Denn bestätigte das nicht alles was ich sagte? Was sagte ich eigentlich alles? Mein Kopf brummte so sehr. Ich würde nie wieder den Alkohol anrühren. Zitat einer Frau, die ihn vermutlich morgen wieder in der Hand hatte.
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Kilian Fanras





 Beitrag Verfasst am: 22 Jul 2018 18:24    Titel:
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"Verpiss dich aus meinem Leben."
"Du bist ein Arschloch und ich will dich niemals wiedersehen."
"Hau einfach ab."
"Armbrust auf 30 Schritt."


Zurückweisung hat viele Gesichter und vielleicht sogar mehr Worte, als Poeten sie für die Liebe und ihre Irrwege erdacht haben. Einen Grossteil davon, so sinniert der Mann in einem der seltenen Momente eingehender Nachdenklichkeit, hat er über die Jahre vermutlich zu hören bekommen.
Die Erfahrung hat ihn ein Gespür entwickeln lassen für die Momente in denen alles zu Bruch geht, aber welchen Wert hat das Wissen darum dass der Sturm aufzieht, wenn es keinen Weg nach links oder rechts gibt? Die Böen kommen, soviel ist gewiss.

'Erforsche das Unbekannte.'

Während er durch Adoran stromert, dem Verlauf der wie auf einem Reissbrett entworfenen Strassen hierhin und dorthin folgend, kehren die Gedanken immer wieder zu jenem Satz zurück, zur abgeschliffenen Erinnerung an diesen fernen Sommer und den Schmerz, der damals Wurzeln schlug. Wurzeln, die durch die Jahre hindurch bis ins Heute reichen.

"Erforsche das Unbekannte."

Der Mann erprobt die Worte auf der Brücke herüber in den ländlicheren Osten Adorans, lauscht dem Klang der Worte und der schwachen, geradezu banalen Herausforderung die darin mitschwingt. Niemand wird verstehen, was sie für ihn bedeuten. Und niemand wird danach fragen.

Im Schatten der Bäume werden die Schritte zügiger, ausgreifender, ohne jemals hastig zu werden: Der Mann hat heute kein Ziel ausserhalb der grossen Stadt und die blauen Flecken der letzten Unternehmung sind eine stete Erinnerung daran, es ein wenig langsamer angehen zu lassen.

Und dann wieder: Ein Strand. Die Linie der Bäume weicht zurück und enthüllt den hellen Sand - ein Halbrund, gegen das unablässig sanfte Wellen rollen ohne die Kraft etwas vom Ufer mitzureissen. Menschenleer zu dieser Stunde, aber das aufmerksame Auge findet die Spuren von Besuchern allzu leicht und verheisst. Wie der ausgetretene Pfad schon verhieß: Er ist gewiss nicht der Einzige, der sich hierher verirrt.

Zurückweisung hat viele Gesichter. Trauer und Zorn. Wut und Enttäuschung. Eifersucht und Verleugnung. Er liebt sie alle.
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