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Ein Unmensch an Ritterin
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Ein Unmensch an Ritterin
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 03 Nov 2006 18:37    Titel: Ein Unmensch an Ritterin
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(Anmerkung: Beiträge mitwirkender Personen gerne erlaubt!)


Ritterkrankheit

Ibert war sich nicht sicher, sollte er einen Medicus rufen? Einfach so um Hilfe rufen? Lieber die Klappe halten? Sie schien ja nicht sonderlich verletzt... wie nach einem Kampf eben, du liebe Güte, sie war nun mal Ritter. Tiefe Dellen in der Rüstung... na schön... aber...
Sie kam mitten in der Nacht - das war nichts Ungewöhnliches - zurück ins Schloß geritten und wäre sie im Steigbügel festhängend hinter dem Pferd hergeschleift worden, die Sorge wäre nicht plötzlicher aufgekommen als jetzt. Daß sie sich scheinbar gerade im Sattel hielt, war der Grund, keine Panik ausbrechen zu lassen.
Scheinbar gerade. Man sagte der Lady gerne nach, sie hätte einen Stock im Allerwertesten, doch irgendwann wusste man, welche Haltung an ihr natürlich war und welche nicht - diese jetzt war es nicht. Das war reine Maske. Sie hätte genausogut auf einem trottenden Pferd und tief über den Sattelknauf gebeugt hereinkommen können... das wäre wohl wenigstens die Wahrheit gewesen.
Der Blick war tot.

Sie konnte oder wollte nicht schlafen. Keine Träume. Kontrollierte sie also eben die Schloßwachen. Wie spät war es eigentlich? Adrian schlurfte ihr im Morgenmantel entgegen. Welche Aussage dies mit sich trug, registrierte sie nicht wirklich.
"Guten Abend, Hoheit."
"Oh ich seh schon, Ihr hieltet es nicht für nötig zu schlafen, und es ist morgen, Ritterin."
Aha. Gut, dann brauchte sie auch nicht zu erwarten, daß hier noch die Nachtwache stand. Währenddessen beantwortete sie ein paar Fragen zu den Aufträgen, die Adrian ihr erteilt hatte, darauf brauchte sie sich nicht zu konzentrieren. Ein paar Zahnräder klickten weiter.
"Möchtet Ihr Frühstück, Hoheit?"
"Nein, ich schleiche die Treppe herab, die weisse Frau zu erschrecken, die durch das Schloss geistert", kam die zynische Antwort. Durch ihre Gedanken huschten die Bilder der Spukgestalt, die Eileen das Gedächtnis genommen hatte. Wieder ein Geist im Schloß? Großalarm auslösen? Die restliche Vernunft und Adrians weitere Worte geboten dem Einhalt: "Sicher will ich Frühstück, was sonst könnte mich zu dieser Stunde aus meinem Zimmer treiben?"
Oh, ihr hätten da ein paar Sachen einfallen können... aber sie ging also und holte ihm das zum Glück schon bereitstehende Frühstückstablett aus der Küche. Es musste wenige Momente wohl ein eigentümliches Bild bieten, wie sie in haargenau dem gleichen Zustand, wie sie wenige Zeit zuvor von drei Erdelementaren, auf die sie nicht weiter geachtet hatte, verdroschen worden war, gerüstet und mit der Fachkundigkeit eines gut ausgebildeten Bediensteten seiner Hoheit von Hohenfels das Frühstück servierte.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Und der Mensch heißt Mensch
weil er vergisst,
weil er verdrängt
und weil er staunt und stählt
weil er wärmt, wenn er erzählt
und weil er lacht,
weil er lebt
du fehlst...

Und der Mensch heißt Mensch
weil er irrt und weil er kämpft
und weil er hofft und liebt,
weil er mitfühlt und vergibt
und weil er lacht
und weil er lebt
du fehlst...

Und weil er schwärmt und glaubt,
sich anlehnt und vertraut
du fehlst.

Oh, es ist schon okay - es tut gleichmäßig weh...


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Musste sie ihm von Adrenalon erzählen? Sie wollte es eigentlich. Sie wusste nicht weiter. Aber Adrian hatte doch weiß-der-Himmel anderes zu tun! Hudgarr hatte den Eisberg schon angekratzt und einen Teil der Probleme erahnt. Sie wusste den... Hauptmann? Politischen Katastrophenkandidaten? Professionellen Drachentöter? Inoffiziellen Reichsausrüster? Schüler? Freund? jedesmal nicht wirklich einzuschätzen, wenn er plötzlich charakterliche Qualitäten offenbarte, die... wie ein jahrelang mißachteter Leuchtturm Rettung in höchster Seenot waren.
Hudgarr hatte recht gehabt.
Seit Adrenalons Rückkehr, seit sie Oberst war, seit er zum Leutnant ernannt wurde, war sie im Dienst so rücksichtslos zu ihm, wie sie es ganz am Anfang ihrer Beziehung gewesen war. Wenn nicht rücksichtsloser. Sobald Uniformen im Spiel waren, versuchte sie krampfhaft, sich von ihm abzuschotten. Bloß nichts Persönliches. Keine Sonderbehandlung. Lieber nahm sie in Kauf, ihn wieder und wieder zu verletzen, als gegen die Vorschriften zu verstoßen - und schaffte das auch ganz hervorragend. Inzwischen kühlte die Temperatur merklich ab, sobald sie beide nur den gleichen Raum des Kastells teilten.

Heute war es eskaliert. Vor zwei Tagen hatte Adrenalon ihr in Sorge und Ernst Worte gesagt, die wie Hammerschläge auf das Ehrendenkmal waren, das sie mit ihrem ganzen Sein dauernd der Ritterlichkeit zu setzen versuchte.
"Ich weiss, das willst du nicht hören... Aber ich denke, das liegt allein an dir selbst. Du kanst weder 'Nein' sagen, noch 'Wichtiges' anderen in die Hand geben, ohne Angst zu haben, dass alles aus dem Ruder läuft.
Dazu kommt dann, dass du eben noch nicht ganz soviel die Fähigkeit hast, dich zu entlasten. Du kannst noch nicht mal Kartenspielen zum Beispiel."
Es war schon fast ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, Darna 17+4 beizubringen. Endurael hatte scherzhaft recht gehabt, als er vermutete, sie denke bei "mit Karten spielen" eher an die Generalstabspläne über Rahal, als an Pik oder Karo. Darna von Elbenau spielte Schach, weil es zum guten Bild eines Ritters gehörte, das zu können. Aber Mensch-ärger-dich-nicht war ihr fremd.
"Du kannst nicht alles damit begründen, dass es 'wichtig' ist. Weisst du, es gibt auch noch andere Menschen hier, die Qualitäten haben, um etwas zu erledigen. 'Ist wichtig' zählt auch für andere, nicht immer nur für dich.
Du bist in dieser Hinsicht... zu egozentrisch. Ich sag dir das jetzt einfach mal so."
Egozentrisch - einfach mal so. Das saß. Ein Ritter hatte selbstlos zu sein, nicht egozentrisch! Das Schlimmste war, sie wusste nicht, womit sie widersprechen sollte.
"Ich teil doch schon auf Hudgarr und dich auf. Hab den Hauswart abgegeben, delegier auch andere Sachen..."
Er schüttelte den Kopf: "Darum geht es doch nicht... Du müsstest dich mal selber hören... Ich teile auf, Ich delegiere, Ich habe, Ich muss... Die Liste lässt sich annähernd unendlich lang fortführen.
Ganz am Ende steht: Ich bin am Ende."

Es gab nichts mehr zu sagen. Sie wusste nichts mehr zu sagen. Wusste sich gegen die Wahrheit der Worte nicht zu wehren. Jetzt hatte sie also nicht nur ihr Wort gebrochen, sondern war auch noch egozentrisch.
Alleine blieb sie in der Kirche sitzen und starrte auf die Marmorkante der Empore, ließ den Tränen stillen Lauf.
Bis Rafael sie so fand.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Es war eine kurze Woge von gänzlicher Zufriedenheit, neben ihm aufzutauchen und dem Erdelementar das schimmernde Schwert gegen den langgeformten Klumpen, der den Arm darstellte, zu schlagen. Genugtuung, in die Farben ihres Hauses gekleidet sich mit Worten an die Göttin zu erkennen zu geben:
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit...!"
Ja, es würde alles gut werden. Auch wenn es unglaublich schwer fiel, Fehler einzugestehen.
"Ich wollte mich entschuldigen, Adrenalon."
"Wofür? Ist doch nichts passiert, was wesentlich wäre."
Sie kannte diesen Tonfall von ihm. Hatte sie es gerade noch im Kastell nicht Hudgarr gesagt? "Natürlich ist er jetzt beleidigt." Beleidigt, daß er mehr als deutlich gemerkt hatte, wie sie ihm Informationen vorenthielt, die sie als vertraulich erachtete. Es war selbst dienstlich ein Fehler gewesen, Hudgarr hatte berechtigte Argumente vorgelegt.
"Er ist nicht beleidigt. Er macht sich Sorgen um Euch und will Euch beistehen, doch Ihr baut eine Mauer auf um Euch. Und er reagiert mit Trotz und so auf die Mauer. Redet mit ihm auch über Selissa. Es macht Euch Sorgen - und Adrenalon merkt es und will Euch helfen... und Ihr blockt ab."
Ihre Gedanken kehrten in die Höhle auf Lameriast zurück, wo Adrenalon nun vor ihr stand - beide gut versteckt in ihren Rüstungen wie zwei Kampfschildkröten, die einander neu taxierten.
"Doch, ich möchte mich entschuldigen. Hau... Hudgarr hat mir erst einiges erklären müssen."
"Er hat dir etwas erklären müssen? Interessant." Es klang spöttisch-verletzt. Aber der Treffer saß gut.
"Wunder geschehen immer wieder", schnappte sie bissig zurück. Sollte sie ihn auch noch loben, daß er ihr vor zwei Tagen die Grundlage ihrer Selbstachtung unter den Füssen weggezogen hatte?

Mit der kalkulierten Wut einer Person, die sich beherrschen musste, nicht in blinde Berserkerrage zu verfallen, widmete sie sich mehreren Gegnern, bei denen Erklärungen zur aktuellen Lage nicht so widerlich schwer fielen:
"Ich sauer. Du tot."
Danach startete sie einen neuen Versuch. Was hatte Hudgarr gesagt? "Nicht so dienstlich." Wie, verflixt nochmal, denn dann?!?
"Luzcilla hat gegenüber diversen Leuten, gegen die sie irgendwie Verdachtsmomente zusammenbringen konnte, Spionagevorwürfe geäußert", brachte sie zwischen zwei untoten Wölfen hervor.
"Und das konntet ihr mir natürlich nicht sagen, denn ich bin ja nicht vertrauensselig."
"Das heißt 'vertrauenswürdig'." Er marschierte weiter, sie blieb stehen, sah ihm hinterher. "Manchmal hasse ich dich, glaub ich...", murmelte sie und folgte ihm.
"Jaha... Vielleicht bin ich ja auch einer von denen", stichelte er weiter.
"Nein, sondern weil das vermutlich eh haltlose Anschuldigungen sind."
"Vermutlich. Wenn ich das schon höre."
"Hudgarr hat recht, ich...", sprach sie im gleichen Moment und verstummte brummend. Adrenalon wandte sich ihr zu.
"Womit hat Hudgarr Recht? Das würde mich wirklich mal interessieren."

"Daß es eine Fehlentscheidung war, dir nicht zu vertrauen. Dich nicht als weiteren wichtigen Stützpfeiler der Garde zu akzeptieren. Aber das sag ich dir jetzt nicht. Du triumphierst doch bloß schon innerlich. Führst dich auf wie Gernot: 'Gebührt es dem Sieger nicht, daß man sich vor ihm verneigt?' Nein. Nicht, wenn der andere sowieso schon am Boden liegt. Rutsch mir doch den Buckel runter."
"Vergiß es", sagte sie kalt und wandte sich ab.
Sie stapfte raus, nach draußen. Klobige Schemen lösten sich aus dem Boden. Die Elementare hatten sich schon wieder neu aus dem verfluchten Erdreich geformt. Egal.
Nicht egal... sie konnte plötzlich nicht mehr einen Fuß vor den anderen setzen. Sich auch sonst nicht rühren. Gar nichts. Drei Elementare, die ihre unselige Magie auf sie niederprasseln ließen. Schmerzen, und sie konnte sich nicht mehr wehren. Wenigstens das war ja vertraut. Sie schloß innerlich die Augen.
"Tötet mich doch bitte einfach."
Den Gefallen taten sie nicht ganz, es reichte nur, Ibert später zu erschrecken.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

"Falls Ihr es noch nicht begreift, gibt es Menschen in diesem Haus die mir nicht nur dafür wichtig sind, sie mit Befehlen herumzuscheuchen - und trotzdem seid Ihr verstockt.. aber gut, wer bin ich, mich aufzudrängen. Ich könnte auch einfach weiter frühstcken, Ihr wollt offenbar nicht reden." Seine Hoheit hob die Schultern. "Und ich foltere meine Ritter noch nicht."
Doch, das konnte er ziemlich gut. Er konnte sehr nett foltern.
Sie wusste nur nicht, wo sie anfangen sollte. Der Mund öffnete sich und schloß sich zögerlich wieder.
"Ja, schon die richtige Bewegung - Mund auf, Mund zu, aber wenn dann noch Töne herauskommen, die Sinn ergeben, könnte man von reden sprechen."
Etwas in ihr kapitulierte.
"Könnt Ihr in solchen Momenten diesen herablassenden Zynismus mal bleiben lassen, Hoheit?", fragte sie mit einem merklichen Tonfall, daß sie auf eine höflichere Formulierung gerade einen feuchten Kehricht gab.
Hätte das ihr Herr Vater gehört...

Doch der Damm war gebrochen. Sie brachte es nicht gleich fertig, über Adrenalon zu reden, doch sie erzählte von ihren Sorgen um Selissa. Nun seit über einem Tag weg, obwohl sie ihr frisch tägliche Aufgaben anvertraut hatte. Adrian empfahl, daß Hudgarr sich umhören solle. Auf die Idee war Hudgarr schon selber gekommen. Wäre es ein normales Gespräch gewesen, hätte jetzt alles gut sein müssen.
Aber der Sockel der überkorrekten Ritterinstatue war ins Bröckeln gekommen und das darauf lastende Gewicht ließ sie wanken, kippen.
"Es tut mir leid, ich wollte nicht so ein Scheusal sein. Aber Ritterin, wenn solcherlei geschieht, redet gleich, seid nicht so verstockt, dass man noch in den Wunden rumstochern muß."
"Es tut mir leid, Hoheit. Adrenalon hat recht, das muß wohl... irgendwie ist das wohl tatsächlich egozentrisch... Hudgarr hat auch recht..."
Langsam sackte sie in sich zusammen.
"Erst einmal seht endlich ein, dass Ihr nicht die ganze Welt auf Euren Schultern tragen könnt. Genau das ist es, was dabei herauskommt."
Jetzt hatte er auch noch recht... verdammter Mist...

Freundlich wollte Adrian ihr das Frühstückstablett heranziehen, doch als er den Kopf zu ihr zurückdrehte, hatte sie auf dem Tisch den Kopf zwischen ihren Armen vergraben, nicht mehr von ihr übrig geblieben als tränennasse Trümmer und ein Häufchen Elend.
"Ich will nicht... Nicht jetzt. Wieso... ausgerechnet... jetzt...und...", brach es wimmernd aus ihr heraus.
Der Tag ging in die Annalen der denkwürdigen Ereignisse der Weltgeschichte ein, als seine Hoheit Adrian von Hohenfels ihr die Hand auf die Schulter legte - und den Mund hielt.
"Ihr braucht mich... und dann... so ein... Mist... Gernot... Wortbruch und... dieser... immer wieder tu... ich Adrenalon weh und... die Zwerge... und... ein Fehler nach dem andern..."
"Guten Morgen", grüßte Rafael, als er hereinkam und einen Schritt später stehenblieb.
Die Worte aktivierten eingetrichterte Mechanismen und ihr Körper richtete sich einer Karikatur ähnlich wie eine Sprungfeder auf. Die Belehrung kam auch gleich: "Und hört endlich auf, Euch vor Freunden zu verstellen."
Rafael setzte sich neben sie. Sie sank wieder in sich zusammen.
"Immer noch nicht besser?", fragte Rafael sie leise, besorgt.
"Ich hab's jetzt auch noch geschafft mit meiner miesen Art, Adrenalon komplett vor den Kopf zu stoßen", brachte sie heraus. Sie hatten ja recht. Nicht nur Adrian war ein Scheusal. Sie enttäuschte hier einen nach dem anderen. Und allen voran den Menschen, den sie gedacht hätte, zu lieben.
"Miesen Art?", entfuhr es Rafael.
"Was genau ist denn passiert?", hakte Adrian nach.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

"Ich seh hier nur Eines, was hilft, was meinst du Rafael?"
"Ich denke das, was ich ihr vor zwei Tagen schon sagte. Aber ich werde sie vermissen."
Die beiden unterhielten sich gerade, als säße sie nicht zusammengekauert auf dem Stuhl dazwischen. Was kam jetzt? Sie furchte die Stirn.
"Es ist nötig...", meinte Adrian bedächtig.
Kalte Angst schlug plötzlich hoch wie eine Sturmflutwelle. Sie musste entfernt werden, war nicht mehr zu gebrauchen.
"Ja, sehr nötig", stimmte Rafael zu.
"Jetzt sagt nicht, ich... Hoheit, ich kann noch... ich erledige doch alles, was...", versuchte sie entsetzt aufzubehren - es hörte sich eher an, als hätte sie Gelmira mit den Gardestiefeln auf den Schwanz getreten.
"Ihr seid gewiss unersetzlich, Ritterin, aber eben darum muss das jetzt sein."
Er wollte sie wegschicken. Sie hatte einfach zuviel Mist gebaut, war nicht mehr tragbar, und musste jetzt eben weg, wie auf Felsenstein. Dabei hatte sie doch alles getan, sich so nützlich wie nur möglich zu machen.
"Ihr schmeißt mich bitte nicht aus dem Schloß...", wimmerte sie, keinen klaren Gedanken mehr fassen könnend.
Adrian seufzte auf. Rafael verzog das Gesicht.
"Nicht so, wie Ihr es wohl vermutet, aber soweit es nötig ist, Euch in Euren Urlaub zu schicken, ja. Rafael wird bis dahin für Euch übernehmen, er braucht ohnehin etwas zu tun und muss sich ans Ritterdasein wieder gewöhnen."

"Aber Seli ist weg. Und Viola hat dieses blöde Ritual vor sich. Und..."
Rafael würde nicht übernehmen können. Viola wollte schließlich nicht ihn bei dem Ritual dabeihaben. Genauso, wie Quarius recht gehabt hatte, daß sie sich eben um Antoris kümmern müsse, ehe ein Junge von einer Ritterin, der er vertraute, enttäuscht wurde. Krampfhaft klammerte sie sich an all diese Dinge, sich gegen das Gefühl der Wertlosigkeit wehrend.
"Und ihr könnt Euch nicht für die Welt aufopfern, irgendwann ist einmal Schluss! Ritterin, die Welt wird auch überleben, wenn Ihr wagt, Euch einmal zu erholen."
"Kaum bin ich weg, wird Varuna abgefackelt oder das Schloß übernommen!" - sie wusste selber nicht, ob es versuchter Zynismus von ihr war oder ob irgendwas in ihr verblendet das auch noch tatsächlich glaubte. Es reichte jedenfalls, daß Adrian sich nur noch an den Kopf fasste.
"Ihr glaubt doch wohl nicht, dass die Pläne so geschmiedet wurden, dass man beobachtete und ausrief 'Die Ritterin ist fort, wir können anfangen?'"
"Und wenn doch, werden wir Euch wohl ab da als Maskotchen ans Schloss festketten müssen", mischte sich Rafael ein.

"Nehmt euch die Zeit. Lasst mich Urlaub nicht auch noch zum Befehl machen."
"Wie wäre es mal mit Fuachtero?"
"Nilzadan hat schon nicht funktioniert", maulte irgendwas in ihrem Hinterkopf herum.
"Ich würde eher Lameriast vorschlagen... nicht so lausig kalt und viel Gelegenheit davonzulaufen wobei... Nein, selbst Lameriast ist nicht mehr so unbeschwert, wie es sein sollte. Wir müssten eine Insel allein für sie entdecken", grübelte Adrian.
"Ihr... übertreibt...?", fragte sie leise kläglich.
"Nur ein wenig, aber eigentlich nicht, nein."
Die Erwähnung der Zeitspanne von einem Monat ließ fast erneute Panik in ihr ausbrechen. Drei Tage waren noch in Ordnung gewesen, da hatte sie ja auch die Brandschutzübung drin unterbringen können!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Sie waren auf eine Idee gekommen. Besser gesagt, Adrian. Rafael verschwor sich nur aus Treuegründen mit gegen sie. Sie hatte sofort packen sollen. Beide Rüstungen hatte sie in den Satteltaschen verstaut.
Mit mulmigem Gefühl sah sie, wie sich das schwere Klostertor hinter ihr schloß. Beim letzten Besuch war nur ungewöhnlich viel Betrieb hier gewesen, daß sich sogar die Heiligkeit gewundert hatte. Das war ja auch nur ein kurzer Besuch.
Als sie wenige Tage hiergewesen war, hatten über zwanzig aufgebrachte Bauern vor den Toren gestanden...

"Nun ruhe dich aus Kind", sprach die sanfte Stimme und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. "Und sprich nicht, als wärest du entsandt, dich zum Sterben darniederzulegen, am Orte, an dem du dein Leben wiederfinden wirst."
Leise, zaghaft wehte eine Erinnerung heran, von licht leuchtenden Blättern gewispert, eine Aufforderung, ein... Befehl...
"Lebe."
"Jawohl, Euer Heiligkeit", antwortete sie kraftlos.

Bett. Schlafen. Sie stellte das Schwert wie gewohnt neben sich. Ein besorgter Blick im Dunkeln Richtung Tür.
Wenn das mal gutging...


(#Ausschnitt Liedtext: "Mensch" von Herbert Grönemeyer)
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 03 Nov 2006 21:07    Titel:
Antworten mit Zitat

Darnas Liste

"Rafael wird bis dahin für Euch übernehmen, er braucht ohnehin etwas zu tun und muss sich ans Ritterdasein wieder gewöhnen."

Sie hatte gerade ihre Sachen gepackt. Hatte sie alles? Beide Rüstungen, ein paar Bücher, Wechselkleidung, Nachthemd... bestimmt irgendwas vergessen. Inzwischen war sie müde.
Morgen - nein, heute, Mist - würde die Gardeausbildung sein und sie würde dafür wohl kaum aus dem Schloß kommen. Jemand musste dann im Kastell bescheidsagen... Rafael.

Sie schnappte sich einen Zettel und Stift, kratzte sich am Kopf. Sie musste das Wichtigste kurz notieren, was zu erledigen war. "Einen Monat... die wollen mich nicht einen Monat wegsperren?!", geisterte ihr wieder durch die trägen Gedanken.

Die ersten Punkte landeten auf dem Papier:

- Freitag, 19:00 Uhr Gardeausbildung, Thema: Formaldienst, korrektes Verhalten bezüglich der Insignien der Garde, Repräsentation & Befugnisse
Antreten im Kastellbesprechungsraum.

Konnte Rafael schon mal gar nicht machen. Und Hudgarr und Adrenalon hätten in ihren Augen schon selber Grund gehabt, an der Lektion teilzunehmen.
Seufzend schrieb sie drunter:
Wenn Absage, Rolosin Vadebor von der AdL mit bescheidsagen.

Weiter im Text. In Gedanken ging sie also durch, was so alles noch auf der offenen Liste stand, auf wen man ein Auge haben musste, was erledigt werden sollte...
- speziell an Rafael: seine Hoheit fragen, was bei Yarin von Wolfenfels bestellt werden soll.
- Yarin von Wolfenfels will in die Garde aufgenommen werden, hätte Einstellungsgespräch bei mir statt Hudgarr erwartet -> an den Hauptmann verweisen
- Selissa suchen. Dazu Kontakt mit Hudgarr und/oder Viola aufnehmen
- Viola soll durch Priora Una Llastobhar einem Ritual unterzogen werden, macht sich Sorgen
- wegen Reperatur des Portals im Garten wollte die Priora einen Bericht verfassen; nicht aus den Augen verlieren
- Viola soll spezielle Informationen in Erfahrung bringen, warte auf Bericht
- Gardeausbildung (Theorie) findet eigentlich einmal wöchentlich statt
- die Zwergenangelegenheit bezüglich Adrenalon und mir regeln (Adrian). Stehe für notwendige Sanktionsmaßnahmen wegen Gesetzesbruch zur Verfügung.
- Aradan im Augen behalten wegen der Geschichte um Lady Asteve/Mirian. Wenn er da noch ein paar Schläge einkassieren muß, weiß ich nicht mehr, wie ich ihm noch helfen soll.
- sollte der Kelos (Hudgarr fragen) zurückkommen, bitte speziell ein Auge auf Antoris Leador werfen


Inzwischen hing sie derweil diversen Gedanken nach, was sie so alles beschäftigte. Irgendwie tat es gut, den ganzen Krempel aufzuschreiben, der sie so mehr oder minder beschäftigte.
- wenn Selissa zurück ist, weitere Knappenausbildung, Annehmen täglicher kleinerer Aufgaben: Rüstungs- und Pferdepflege, Bett machen
- wenn seine Ehren de Dynal da keine Zeit mehr für hat, muß ihr Schreibunterricht anderweitig vorangehen
- versuche seit über einer Woche, Frau Lyval anzutreffen, um ihr die 60 Lagen Ogerleder zu verkaufen und Selissa Kleidung in meinen Farben nähen zu lassen (Frau Lyval hat die entsprechenden Farbmuster)
- Sonntag Ritterweihe - Gesch

Sie strich das letzte wieder durch. War doch Schwachsinn, wenn Rafael den Zettel las! Was noch?

- Cathal fragen, ob mit Selissa und Elias zusammen eine neue Armenspeisung durchgeführt werden soll. Wenn ja, bot Heilerin Adrienne de Bourgo ihre Dienste für das Hospiz an
- im Armenviertel treibt wohl immernoch dieser falsche Almosener Umbrik Habemas seine Veruntreuungsspielchen; hatte Hudgarr endlich mal zwecks einer Hochnahme von ihm und seinen Spießgesellen ansprechen wollen. Wenn dem Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, bitte nach Frau Miella Anderwat sehen, wie es ihr und ihren Kindern geht -> Empfehlung zur neuen Almosenerin
- allgemeinen Alarmzustand der Garde überwachen und so bald, wie gegeben, beenden (Adrian fragen)
- die Sonderwachen an der Residenz Stolzenfels können wohl wieder abgezogen werden
- Leibwache für Lady Eileen organisieren, soweit nötig
- war mit Viola immernoch nicht auf Jagd
- Waffenumgang von Selissa prüfen


Langsam leerte sich der Kopf. War das alles? Sie hatte das Gefühl, ne Menge vergessen zu haben, dabei hatte sie sogar Sachen aufgeschrieben, die sowieso auf der Prioritätenliste sonstwo lagen. Ach...

- Hudgarr Unterricht im korrekten Aufsetzen von Briefen geben. Sonstige Etikette. Vorher Graf de Arg
Auch das strich sie wieder durch. Wozu notierte sie das alles überhaupt? Da stand viel zu viel drauf, was doch eigentlich niemand anderen etwas angi...
"Ganz am Ende steht: Ich bin am Ende", donnerte es anklagend durch ihre Gedanken.

Fast trotzig die letzten Zeilen:
- und was eben sonst noch so alles an Kontrollen und so anfällt

Als sie sich von dem Zettel auf dem Tisch endlich losriß, wehte der Windstoß ihres Umhanges ihn runter auf einen der Steinstühle.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 04 Nov 2006 03:43    Titel:
Antworten mit Zitat

Hier bin ich, nur ich

"Lady... Ihr solltet vielleicht etwas schlafen", meinte Lucenius freundlich.
"Ich habe schon geschlafen. Ich will auch... gar nicht..."
"Die Welt wird nicht untergehen wenn du mal schläfst", ließ sich Rafael sanft vernehmen.
Sie schüttelte den Kopf. "Du verstehst nicht, Rafael", flüsterte sie heiser. "Ich will diese elenden Träume nicht mehr. Ich komm mir bald tatsächlich vor wie eine Hexe."

Wie betäubt hatte sie letzten... Vormittag geschlafen. Bis in den späten Nachmittag hinein. Doch was sie darin an Erholung gefunden haben mochte, machten die verbleibenden Bilder zunichte:
Ihr Gesicht brannte. Blut lief ihre Wangen hinab, aus frischen Schnitten. Verloren. Besiegt. Am Boden. Zu schwach gewesen. Schiefer, kein Granit. Vor ihrem Blick die Stiefelspitzen. Wie thronend stand er vor ihr, über ihr.
"Gebührt dem Sieger nicht, daß man sich vor ihm verneigt?"
Worte, die sie auswendig kannte. Doch die Stimme klang falsch. Sie hob den Blick und sah in das Gesicht von Adrenalon.
"Du bist nichts wert. Hab ich dir schon immer versucht, zu erklären, daß Ritter nichts wert sind. Ich sag dir das einfach mal so."
Sie sah ihn noch an und fragte sich, warum ausgerechnet er es sein musste, als sie ihm das Schwert quer durch den Leib rammte, es wie in Butter durch ihn hindurchglitt.
Es war nicht ihr Schwert. Es war ein Schwert. Das Schwert. Es hatte schon vorher Blut daran geklebt, jetzt klebte sein Blut daran. Sie hatte es nicht gewollt. Sie warf es weg.

Sobald sie spürte, daß sie das Schwert nicht mehr in der Hand hatte, schnellte irgendwas auf sie zu und schnürte ihr die Luft ab, bis sie mit einem erstickten Schrei aufgewacht war.

"Du verstehst nicht, Rafael. Ich will nicht schlafen."
"Wenn Ihr nicht schlaft, Lady von Elbenau ... werdet Ihr irgendwann schwach und könnt kaum mehr sitzen, bitte."
"Weisst du eigentlich, daß Träume, die man erschöpft träumt immer schlimmer werden?"
Ja, wusste sie. In ihren Gedanken lag alles durcheinandergewühlt und offen, und so erinnerte sie sich auch bar aller erwachsenen Vernunft daran, daß irgendwann Gelmir Ancalime sie von ihren schlimmen Träumen als Kind erlöst hatte. Mit seinem Schwert hatte er um sich geschlagen und alle bösen Dinge, die ihr was wollten, zerhauen.
Das war lange her. Und sie war kein Kind mehr, Zeit, erwachsen zu werden. Sie musste das hier irgendwie schaffen, sie wusste nur noch nicht, wie.

"Kommt ... ich würde sagen, ich richte Euch das Nachtlager nebem dem Baum des Lebens ein ... Ich kann nicht sicher sagen, ob Euch das helfen würde, da ich die Kraft des Baumes nur aus Erzählungen kenne, aber ich bitte Euch, es zumindest zu versuchen, Lady von Elbenau", unterbreitete Lucenius mit warmer, fester Stimme ein Angebot.
Rafael nickte, hielt es für gut.
Sie wusste, daß sie nie gewagt hatte, sich dem Baum "einfach so" zu nähern. Sie war schon alleine zu ihm hingegangen. Es ging nicht um Begleitung. Doch sie war immer einem Gefühl von Zurückhaltung gefolgt, natürlichen Respektes, wie sie ihn vor höhergestellten Personen stets an den Tag gelegt hatte - ein vorsichtiges ausloten, ob sie nicht gerade störte oder es einfach nicht wichtig war, den... - ja, es klang albern - den Baum zu behelligen, weil er vielleicht Wichtigeres zu tun hatte.
Und jetzt?
Sie hatte das Gefühl, sie musste dagegen etwas einwenden. Sie fühlte sich mies, schuldig, bloßgestellt. So sich ihm nähern? "Na, wenn nicht jetzt, wann denn dann, Dummkopf?" Dieses Gefühl hingegen war fast noch lauter.

Gerimor. Wieder mal Regen.
Neben dem Baum Stroh, ein kleiner ausgestopfter Sacke als Kopfkissen, eine grobe Decke. Sie zog den blauen Umhang enger um sich. "Nicht das Bett einer Adligen, aber doch eine Schlafstatt", ließ sich der Jungtempler vernehmen. Es war ihr völlig gleich.
Sie sah hinauf in diese wunderschön schimmernde Blätterkrone und mit traurigem Blick legte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht wie ein schuldbewusstes Kind, das seine Mutter zu beschwichtigen sucht.
Sie lauschte den Worten Lucenius', der sich neben sie stellte und Fürbitte hielt:
"Temora, gütige Herrin ... in dieser Nacht wacht über Alathair, über die Kinder Eluives und in jener Nacht, insbesondere auf Darna von Elbenau, eine treue Ritterin und eine der wenigen, die in jeder Stunde den Glauben an Euch bewahrt haben."
Sie senkte beschämt den Kopf. Er kannte sie kaum, woher nahm er das Recht, so über sie zu urteilen? Doch Sie würde wissen, was daran wahr und was daran falsch war.
"Ihre Träume scheinen vergiftet, und so bitte ich, Dich ihrer anzunehmen und ihr einen erholsamen Schlaf zu schenken. Nimm Ihr, wenn Du sie dessen als würdig erachtest, die Qual oder zeige ihr einen Weg, wie sie Deine Prüfung bestehen kann. Ich bin sicher, sie wird den Weg gehen und Deine Prüfung für sie bestehen. Heute Nacht aber gibt sie sich in Deine Arme, hier zum Fuß des Baumes, der die Seelen Deiner sieben Kinder enthält, die sieben reinsten Geschöpfe, den Gründern der Tugenden und Erreichter der sieben Schreine auf Gerimor. Und so wie die sieben Seelen hier vereint sind, so mögen all Deine Gläubigen den Weg im Einklang mit den Tugenden finden."
Er sank auf ein Knie, und daß die Ritterin nicht geistesabwesend ihm gar keine Beachtung neben dem Baum schenkte, bewies sich einzig darin, daß sie dieser Geste fast synchron folgte.
"Ich danke Dir Herrin Temora, das ich meine Worte an Dich richten durfte."

Sie ließ sich nach einer Weile an der niedrigen Ummauerung nieder. Müde. Leer. Was erwartete sie? Gar nichts. Dies hätte verlangt, über Aussichten zu verfügen, wie es weitergehen sollte. Hatte sie aber nicht.
"Wunder kann man nicht erzwingen. Man soll ihnen aber die Möglichkeit lassen, zu geschehen", lautete eine Lehre alter Tage.
Nur etwas Nähe im Licht des Baumes suchen. Sie musste an Antoris' Sonne denken. "Könnte er nur das hier sehen..."
Der penetrante Regen durchnässte sie allmählich, doch es spielte keine Rolle. Sie hatte nicht vor, in die Legenden Gerimors einzugehen als die Ritterin, die am Baum des Lichtes an Schnupfen starb.
Was tat sie hier? Sie sollte vermutlich auch selber beten, hm? Ihr Kopf fühlte sich an wie Watte.

"Herrin..." - sie setzte zu ihrem üblichen Tagesgebet an und verstummte schon nach dem ersten Wort. Nein. Keine ... "Phrasen"... was hatte sie hier zu suchen?
"Ich weiß nicht mal, was ich beten soll", flüsterte sie - ob für sich, oder den Baum, hörte in diesen Momenten auch schon auf, eine Rolle zu spielen. "Ich weiß gar nichts mehr. Ich habe versagt. Was haben sie von mir übrig gelassen? Gar nichts."
Es war nicht einmal eine Anklage. Sie betrachtete den Trümmerhaufen, der sie gerade war und stellte etwas fest. "Ich funktioniere nur noch, Eileen hat recht. Zahnräder einer Uhr. Ein leeres Gehäuse. Adrenalon hat recht - ich und mein verdammtes 'Bild'."
Mit diesen Worten entrang sich doch ein Schluchzen ihrer Kehle - es tat ihr so entsetzlich leid, was er mit ihr durchzumachen hatte. Und sich sträubte, das alles einfach über sich ergehen zu lassen, klar. Das hatte sich schon genauso gezeigt, als sie ihren aberwitzigen Plan mit Luzcilla und Rahal einfach hatte laufen lassen.
Sie schaffte es, ihn immer genau dann am schmerzhaftesten zu verprellen, wenn sie ihn auch gerade am dringendsten brauchte. Es war zu wirr, als daß sie sich einen Reim darauf hätte machen können. Sie konnte es ihm nicht verübeln, es tat ihr leid, und es enttäuschte sie auch immer wieder.
Heute hatte vermutlich er sogar dem Kloster Konsequenzen angedroht, wenn 'sie ihr was täten'. Was dachte er sich eigentlich? Sie lehnte müde den Kopf auf die niedrige Ummauerung. Sie war nicht hergekommen, um zu grollen. Sie selber war es, die unter Anklage stand.
"Alles wurde mir weggenommen, was... 'Ritter eben so tun'... Hab ich... je einmal wirklich an andere gedacht?"
Egozentrisch...
"Oder hab ich nur mein hohles Bild gelebt...?"
Sie verkroch sich in ihren blauen Umhang, auf den mit gelbem Faden der Hirsch gestickt war. Nein, sie war Ritter geworden und sie hatte es sich verdient gehabt. Die Göttin hatte ihr mehr als einmal ihre Gunst bewiesen, sie bewahrt, geschützt. Es konnte nicht sein, daß sie sich restlos für Eigennutz verdammen musste.
"Nein, i... sie waren mir wichtig. Alles, was ich tat. Ich will sie doch nur glücklich sehen. Hab meinen Schild über sie gehalten und meine eigene Deckung vernachlässigt, schätz ich. Das ist... 'selbst'-'los', ja..."
Aufopferung. Doch eine verdorbene Form - es blieb nichts mehr von ihr übrig. Doch war das erst jetzt so? Oder hatte sich nur eine alte Wahrheit offenbart?
"Von mir selbst... scheint es nichts zu geben, was hier jetzt noch stehen könnte. Ich fühl mich nackt ohne Arbeit, verdammt. Ich weiß nicht mehr, was ich bin, Herrin. Ich wollte Ritter sein und mein Traum von dem, was ein Ritter sein müsste, ist als hohle Statue zerschlagen. Hier bin nur ich. Keine Ahnung was - nur ich."

Das leise Geflüster der Frau erstarb im nächtlichen Rascheln der seidigen Blätter, als sie einschlief.


Zuletzt bearbeitet von Darna von Hohenfels am 05 Nov 2006 02:04, insgesamt einmal bearbeitet
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Rafael de Arganta





 Beitrag Verfasst am: 04 Nov 2006 11:50    Titel:
Antworten mit Zitat

Was hatte Darna gesagt, eine Notiz für ihn im Ritterraum in ihren Gemächern?
Er trat hinein, seine Augen suchten auf dem Tisch, der Leer war um den Blick dann schweifen zu lassen und jenes Pergament... jenes lange Pergament auf dem Stuhl zu finden.
„Himmel was ist denn das?“ fragte er sich als er sie an sich nahm und zu lesen begann.
Gardeausbildung ... nun es war längst zu spät um sich darum zu kümmern, aber er hatte schon Adrian Greif bescheid gegeben er möge dem Hauptmann ausrichten, das man die Ritterin im Kloster unbehelligt lassen sollte.
Das diese Anweisung zu spät kam hatte er von Darna selber erfahren, aber er hoffte einfach mal das die Garde was das anging jetzt Ruhe geben würde.

Nächster Punkt
Yarin von Wolfenfels... er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar.
Bestellt? Er wusste nicht einmal das der Mann irgendetwas herstellte, aber gut, er würde den Grafen darauf ansprechen....
Ihn an Hudgar verweisen... er nickte, ging schnell... eine Depesche und gut.
Selissa suchen? Selissa war fort? Davon wusste er gar nichts.
Er hoffte nur das der jungen Frau nichts geschehen war...

So langsam setzte er sich. Viola ... Ritual ... er seufzte. Was hatte er damit zu tun? Was Darna? Gut Viola die Angst nehmen? Das war doch eher Darna möglich da feinfühlig ran zu gehen. Vor allem was für ein Ritual?
Seine Augen glitten tiefer. Was für eine Reparatur?
Angespannt rieb er sich den Nacken.
Er war eindeutig zu lange fort gewesen. Eindeutig.
Er las weiter Bericht von Viola.. .Gut dann musste er sie eh sprechen und konnte das mit dem Beistand wegen diesem? Ritual dazu packen.
Gardeausbildung? Er überlegte nicht lange.
Rolosin heranziehen, der machte das schon, falls er selber keine Zeit fand.
Zwegenangelegenheit ... das wollte Adrian machen....

Sein Blick glitt den Rest des Zettels herab.
Wie lang war der denn noch? Stand da irgendwo auch das Wort Schlafen?
Wohl nicht.
Fast seufzend las er weiter.
Kein Wunder das die Ritterin ausgebrannt war, sie hatte keinen Ausgleich wie er ihr sagte. Für sie gab es nur noch die Arbeit die Pflicht. Wenn sich das nicht bald ändern würde, würde sie wohl für ewig im Kloster bleiben.
Cathal, sie und er waren doch nicht nur Ritter, sie waren doch auch Freunde!
Warum hatte sie denn nicht was gesagt.
Übers Knie gelegt gehört sie dafür, und Cathal...
Er würde den Freund heran ziehen und ihm einen Teil dieser Aufgaben abgeben.

Er las weiter.
Aradan... ja er wusste das der Freund wieder im Lande war, und ebenso seine Frau Asteve. Er hatte sich gefreut ihn zu sehen, gleichsam erschreckt über dessen Miene damals.
Was genau geschehen war wusste er nicht, auch nicht ob Aradan sich ihm so anvertrauen würde wie seiner einstiegen Knappin Darna. Aber sprechen würde er mit ihm.
Er setzte dieses auf seine ganz eigene Liste oben hin.

Kelos stand als nächstes auf der Liste.
Er würde mit Cathal darüber sprechen, und mit Antares. Sein... Sohn hatte auch davon gesprochen.
Ansonsten Antoris einen Besuch abstatten... Cathal.
Himme da stand noch immer nirgendwo etwas von Schlafen.

Selissas Knappenausbilung ..
Er blies die Luft aus seinen Backen.
Das sollte Darna machen wenn sie wieder da war. Sie war ihre Knappin.. obwohl..
Er seufzte gut gut ... er würde Selissa mitnehmen und ihr beibringen was ..
Er seufzte wieder.. GUT!!!
Er stand auf und wanderte mit der Liste in der Hand weiter durch den Raum.
Er würde sich schon der Frau annehmen.

Weiter in der Liste.
Frau Lyval? Woher sollte er wissen wo Darna ihr Ogerleder hatte...
Mit dieser Aufgabe würde er dann Selissa betreuen wenn sie wieder da war.
Wozu waren Knappen denn da? Um auch kleinere Aufgaben für ihre Herrin zu erledigen... und was brauchte Darna im Kloster Kleidung ihrer Farben.
Ein Büßergewand würde doch sicherlich genügen.
Er schmunzelte.
So viel neues brauchte sie da nicht.
Also strich er diesen Punkt kategorisch für sich.

Cathal fragen... hm ja das so und so.
Dieser Umbrik Habemas? War man seiner immer noch nicht habhaft geworden?
Er fügte diesen Punkt für seinen eigenen neuen Knappen hinzu.
Hatte er eine erste ernste Aufgabe.
Stirnrunzelnd las er Alarmzustand...
Himmel er war wirklich zu lange fort gewesen. Was für ein Alarmzustand und vor allem Warum?
Irgendetwas hatte er eindeutig verpasst.
Sonderwachen abziehen ... er schmunzelte. Oh ja ganz bestimmt.
Sein Blick glitt tiefer. Da stand noch immer nichts von Schlafen.
Eindeutig lud sich die Ritterin zuviel auf.
Wo war Cathal?

Leibwache organisieren... er überlegt nun ehrlich.
Eileen würde sicherlich ... geschmeichelt sein wenn ihr auf schritt und tritt eine Leibgarde folgte. Und ihm eher ins Gesicht springen dafür als sich bedanken.
Aber vielleicht fand man eine Dame die man ihr an die Seite stellen konnte.
Das war wohl der bessere Weg gewesen.
Er las weiter, Hudgar nun um ihn würde er sich selber kümmern. Alleine schon Flo zu liebe und... Ach was sollte das Ganze...
Mehr und mehr stand darauf und der Rest...
Das waren Sachen die warten konnten.
Das Pergament zusammenknüllend wollte er es ins Feuer werfen, und hielt inne.
Sollte Cathal es doch noch lesen.

Darna musste einfach verstehen das sie freunde hatte.
Freunde an denen sie immer einen Teil dieser Sachen hätte abgeben können.
Was Gardedinge betraf... Hudgar.
Er war in vorbildlicher Hauptmann.
Etwas ungeschliffen noch, aber er würde seinen Weg machen, dessen war sich Rafael sicher.

Er nahm ein Pergament, Tauchte Feder und Tinte hinein und begann eine Liste für Darna zu schreiben.

Gardedinge mehr auf den Hauptmann verlagern.
Einstellungsgespräche komplett an den Hauptmann abgeben.
Garde überhaupt mehr an den Hauptmann abgeben der auch noch den Leutnant an seiner Seite hat.
Garde nur noch als beratende Oberst und in Kriegsfällen vorstehen...

Er musste unbedingt mit Adrian sprechen was das anging.
Er zog einen Strich.

Weitere Angelegenheit mehr den Knappen heranziehen und mit Aufträgen beladen.
Botengänge, Briefe, Nachrichten übergeben konnten sie ebenso und war Teil ihrer Aufgaben.

Darna musste einfach mehr abgeben. Wenn sie nicht lernte auch mal ab zu schalten würde sie ob der Last auf ihren Schultern unweigerlich untergehen.
Er senkte den Kopf als er unweigerlich Angelinas Stimme in seinem Kopf hörte.
Warst du anders?
Nein, war er nicht. Er war oft genug ebenso am Rande wie Darna auch aber er hatte immer einen Ausgleich gehabt. Menschen die ihn auffingen, die ihm Kraft gaben mit ihrer Liebe.
Angelina... und jetzt... Felicitas.
Es war so wichtig das man auch mal die Tür vor oder hinter allem zumachen konnte, sonst brannte einen die ... wie er es genannt hatte Ritterkrankheit aus.
Immer präsent immer sich mit allen aufgaben beladen.


Er schrieb nun ganz fett und ließ dann das Geschrieben zu ihr in das Kloster bringen


Liebe Darna !!!!

Augen aufmachen und schauen wo die anderen Freunde, Ritter sind.
Auch sie sind in der Lage einige der Aufgaben die du dir zu Hauf aufludest, zu übernehmen
Glaub mir das sie diese genauso akurat erledigen wie du.
Du bist nicht alleine auf der Welt.

Es gibt nur eine Pflicht:
Dein Leben zu erfüllen. Du tust dies, indem du deine Aufgaben annimmst. Ja.
Die Aufgaben kommen auf dich zu.
Folge der Stimme deines Herzens in diesen Herausforderungen.
Nicht die Aufgaben sollen einem über den Kopf wachsen, sondern der Kopf soll über den Aufgaben wachsen.

Das Leben jedoch, besteht nicht alleine nur aus Aufgaben.
Sich damit voll zu beladen ist nur eine Flucht vor dem wahren Leben an sich! Du solltest dich ihm stellen. Auch diese Leben hat schöne Seiten!
Finde deinen Ausgleich. Etwas das die Waagschale des Lebens ausgleicht und dir Kraft geben kann Darna.

Sonst wirst du dein halbes Leben im Kloster verbringen müssen, weil deine Freunde sich so um dich Sorgen, das sie dir Pflichten geben bei denen du abspannen musst.
Jene Pflichten die dir jedoch mit der Zeit nicht wirklich gefallen werden.

Ruh dich aus und mach dir keinen Kopf.
Cathal und ich sind auch noch da.
Wir kümmern uns um deine Liste, auf der du übrigens eines vergessen hast.
Den Punkt.
Schlafen.

Rafael.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 06 Nov 2006 19:24    Titel:
Antworten mit Zitat

Ruhe und Kraft

Immer wieder hatte sie den fiebrigen Schweiß von seiner Stirn gewischt, mit so behutsamen, sanften Bewegungen, daß man sich fragen musste, ob die Erinnerung an eine strenge steife Ritterin nicht bloß Einbildung gewesen war. Wechselte die Verbände.
Manchmal murmelte er Worte. Dann schloß sie die Augen. Sie wusste, was ihn quälte. Wäre es bloß nur Fieber gewesen.

Ein leises Pochen an der Tür, verhalten genug, nur von wachen Ohren gehört zu werden. Sie war nicht wach. Im Dämmerschlaf kniete sie zusammengesunken vor dem Bett, die Arme auf der Matratzenkante verschränkt, den Kopf darauf gebettet. In ihren Händen ruhte seine. Als das leise Klicken der Türklinke doch etwas in ihr erneut genügend alarmierte, um die bleiernen Lider zu öffnen, klangen schlaftrunken erneut die Worte über Darnas Lippen, die schon den ganzen Abend, die meiste Zeit der Nacht den Raum gefüllt hatten, wieder und wieder:
"Es mag sein, daß Frevel siegt, wo der Fromme niederliegt;
doch nach jedem Unterliegen wirst du den Gerechten sehn
lebend aus dem Feuer gehn - neue Kräfte kriegen."
Ein sachtes Drücken seiner Hand, die nächste Bitte an die Gütige, ihm Kraft zu schenken. Tastend legte sich sanft eine Hand auf ihre Schulter, spendete selbst Trost.
"Er wird genesen, wieder an deiner Seite stehen... sei du seine Kraft."
Die Ritterin senkte den Kopf. "Ich sollte wohl gestehen, ich habe kaum mehr Kraft, Euer Heiligkeit...", sie sah zu Adrenalon, "nur, um für ihn zu bitten."
"Darum bist du hier, sie zu finden. Es ist viel Kraft in dir, du verschenkst sie nur in zu viele Richtungen."
Erneut milder Tadel. Darna nahm ihn hin, sah auf die verletzte Gestalt auf dem Bett. Sie blieb bei ihm, würde weiter bei ihm bleiben... "Diese Richtung hier ist richtig", lautete ruhig ihre Überzeugung. Sie war Viola so unendlich dankbar, daß sie ermöglicht hatte, nicht vor Sorge um Selissa sich völlig zu zerreißen.

"Ich sollte dankbar darum sein... Es waren einzig Freunde, die mir meine Fehler aufzeigten." Gütige, was würde oder wäre geschehen, wäre sie in diesem Zustand dunklen Mächten in die Hände gefallen? Es erschrak sie maßlos. Und eine Person gab es, die sie in dieser schwachen Zeit verletzt hatte. Luzcilla.
Sie musste verhindern, zu hassen. Dieses Wissen hallte ihr immer und immer wieder durch die Gedanken. Würde sie sich von Haß und Rachsucht leiten lassen, wäre sie wahrlich besiegt.
Aradan hatte sie deutlich gewarnt - und dennoch sein Angebot unterbreitet. Die Zeit würde erweisen, ob die Ritterin diese Zeit der Schwäche überstand. Sie hatte den besten Schutz genossen, den sie dabei erhalten konnte. Ja, sie war dankbar.
"Und siehst du deine Fehler oder drückst du sie immer wieder fort? Erkenne dich selbst hierin."
Sie schwieg. Diese Frage war nicht leicht. Teils fühlte sie sich hilflos, wie ein Kind, das neu laufen lernen sollte. "Ich... bemühe mich", antwortete sie vorsichtig. Das konnte sie vor sich rechtfertigen, sie bemühte sich. Kein sinnloses Aufbegehren gegen die Zeit im Kloster, gehorsam hatte sie sich gefügt und versuchte, mit jeder sich neu ergebenden Situation anders zurechtzukommen. Manchmal verfiel sie mit Sicherheit in altes Verhalten. Doch selbst das konnte doch nicht jedesmal falsch sein?
"Ich weiß nur... nicht recht, was... was ich von diesem Scherbenhaufen, den sie übrig ließen, neu aufsammeln darf und was ich daraus machen soll."
"Dein Herz wird dich weisen, spüre an welchen Scherben du dich nicht schneiden wirst."
Die Ruhe und Weisheit der alten Frau gab Kraft. Sie konnte fragen, ihre Unsicherheit benennen - und erhielt kostbaren Rat, der bestärkte, richtigen Richtungen weiter zu folgen.
"Mir sind so selbstverständliche Dinge fremd wegen diesem Fluch... ich kenn fast nur Pflicht. Und soll plötzlich in Schlammpfützen springen und das lustig finden - was erwarten sie?"
"Der Fluch ist dir längst genommen, sie wollen dir nur aufzeigen, dass Leben mehr ist. Lerne von ihnen, du musst nicht alles lustig finden - nur lernen, was ihnen schon bekannt ist."

Es galt, vieles neu zu entdecken, zu verinnerlichen... und daran zu wachsen. Sie sah zu Adrenalon. Jedesmal, wenn sie darüber nachdachte, wurde ihr gewahr, daß sie weder in ihrer Freude noch in ihrem Leid von seiner Seite weichen musste - auch er freute sich und litt.
"Ich will bei dir bleiben", wisperte sie in Gedanken.
"Er trägt Wunden, die kann ich nicht lindern, Euer Heiligkeit."
"Ich weiss Kind - sie heilen zu lassen, braucht Zeit und ihre Nähe, aber sie wird sich nicht abwenden."
Schon dies war endlose Erleichterung, auch wenn sie es gleichermaßen gehofft wie gewusst hatte. Nur... wenn er es doch auch endlich zu hoffen wagen würde...
"Ich hab versucht, es ihm zu erklären... schon... seit... Ich weiß nicht weiter."
"Er wird es suchen müssen, die Lösungen liegen in ihr, so er sich nicht abwendet - sie erkennt ihn längst."
"Ich kann ihm nicht mehr als bislang sein Gewissen sein. Ich werde... bei ihm bleiben... so lange... es ... geht..."
Sie mochte es nicht aussprechen. Sie mochte es nicht mal denken. Sie liebte ihn, doch sie würde ihm nicht auf einem Pfad folgen, den er dunkel ließ. Sie konnte und wollte nicht blind vor Liebe das großzügig übersehen, was sie aus tiefstem Herzen verabscheuen musste. Sie wollte Grund haben, vergeben zu können. Bis heute duldete sie nur still, hoffte auf Besserung.
Spürte Alyssa ihre Zweifel, ihr Widerstreben?
"Er braucht dich, sucht in dir die Lösung, führe ihn auf den richtigen Weg, du kannst es."
"Ich hab schon so viel versucht..." Sie schluckte, sank leicht in sich zusammen. Nein. Nicht aufgeben. Nicht jetzt. Er war hier. "Ausgerechnet... im Kloster...", wie er selber schon festgestellt hatte.
Sie sah ihn an: "Und ich werde es weiterhin versuchen."
"Er wird es schon aufgenommen haben, gib nur nicht auf, der Wille zu bewegen ist es, der dir helfen wird."
"Treten müsste man ihn...", lächelte die Ritterin gequält und milde. "Ich will ihm nicht mehr wehtun, Euer Heiligkeit. Ich tu ihm in meiner Dummheit viel zu oft weh. Viel zu oft."
"Und doch bist du auch für ihn da, du musst nur lernen, daß das Leben nicht nur euch beiden Pflicht ist, sondern auch in der Pflicht Nähe entstehen kann."
"Ich habe aus der Pflicht heraus die Nähe abgelehnt...", gestand sie leise ein, "Hudgarr hatte recht, das war falsch."

"Ich werde dich und ihn erst einmal allein lassen Kind, nur soviel.. Viele Lösungen wurden schon unter dem Strahlen ihres deutlichsten Symbols in der Welt erkannt."
Hoffnung. Immer wieder Hoffnung, die der erwähnte Ort vermittelte. Konnte sie Adrenalon dazu bewegen, zu hoffen?
"Lasse ihn genesen, gib ihm Kraft hierin, suche Kraft in ihr..."
Genesen. Sie sah auf seinen Körper, der bleich und nassgeschwitzt auf dem Laken ruhte. Sorge bewölkte neu ihren Blick.
"Wird er es so überstehen oder ist mir erlaubt, für ihn um die heilende Kraft der Gütigen zu bitten? Ihn quält Fieber..."
Nur unbestimmt den Kopf in seine Richtung wendend, "sah" die Alyssa zu ihm. "Er wird es überstehen Kind, doch etwas mag ich für ihn tun..."
Darna beobachtete, wie die Heiligkeit neben das Bett schritt und sich davor niederkniete, das Haupt senkte. Ihren Stab hielt sie in schwebend anmutender Geste über den verletzten Körper, ihre zweite Hand legte sich auf seine Stirn. Der warme, würdevolle Timbre der heiligen Frau füllte mit ihren Worten den Raum:
"Mutter der Tugenden, Bewahrerin der Schöpfung... Kraftspenderin jener, die streiten im Namen deines Strahlens. Demütig ersuche ich dich, herabzublicken auf jenen, der durch Dunkel verwundet niederliegt..."
Ein winziger Moment, in dem Darnas Blick sich verhärtete.
"Bewahre ihn vor dem Schmerz, stärke ihn im Kampf um seine Genesung hierum bitte ich." Von Alyssas Stab begann ein sanftes Leuchten auszugehen, das sich über den Körper legte. "Deine Macht , deine Fürsorge durchstreife ihn, hierum ersuche ich. Nimm Schmerz, nimm Leid von ihm, heile ihn durch deine Gnade, auf dass er genese unter deinem Licht."
Unter dem sanften Schimmern schien der Körper Ruhe zu finden - der Atem wurde gleichmäßiger, tiefer. "Ehre sei dir, gütige Tugendmutter und Dank für deinen Beistand."
"Ehre sei ihr", wiederholte Darna ehrfürchtig, müde und doch erleichtert lächelnd. "Ich danke Euch und der Gütigen, Euer Heiligkeit."
"Ruhe nun auch du, Ruhe wird es sein, wie es dir versprochen ist."

Ruhe. Ja. Auch sie durfte nun etwas schlafen. Keine Träume sollten sie laut den Worten der Heiligkeit mehr quälen, bis sie selber die Kraft hatte, sich ihnen erneut zu stellen und Worte dafür zu finden.
So träumte sie nach Vorschrift: dankenswerterweise... nichts.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 11 Nov 2006 01:40    Titel:
Antworten mit Zitat

Hinter die Deckung

"Was soll ich denken, fühlen? Ich weiß es nicht. Ich könnte gerade schreien vor Wut. Welch Unsinn.
Ich bin keine Spielfigur. Ich fühl mich aber gerade wieder wie eine. Hin und her geschubst. Ich seh den Feind nicht einmal mehr und könnte ihn nicht benennen, der mich attackiert, daß ich hier schon wieder sitze und heule. Dabei gesellt sich das außerordentlich sympathische Gefühl dazu, daß ich doch noch den Verstand verliere, verdammter Mist.
Warum nur, warum?
Es lief alles so gut...

Ich weiß nicht, ob mein ganzes Gerede bei Adrenalon etwas bewirkt hat. Seit zwei Tagen jetzt schläft er wieder fast nur noch. Mit tausend Zungen hab ich auf ihn eingeredet, hab versucht, ihn aus diesem Loch, in das er sich hineinstürzt, rauszuziehen. Hab ihn versucht, zu trösten, zu beschwichtigen, ihm Mut zuzusprechen, hab versucht, ihn aufzuhalten, ihm gar gedroht, wenn ich merkte, wie seine Gedanken in genau die falsche Richtung gingen.
'Ich bin ein Scheusal in Menschengestalt, Darna.' Es hat mich so erschreckt. Er darf nicht werden wie Luzcilla. Die Ähnlichkeiten leugnet er und sieht trotzdem keine Hoffnung für sich. Traut sich nicht, wenigstens ganz leise für sich, für uns, zu hoffen. Es bricht mir das Herz. Weiß er, ahnt er, daß er mich verlieren wird, wenn er diesen Weg geht? Ich soll ihm Kraft geben... Stürzt er sich weiter so stur in die Verzweiflung, sein eigener Ankläger, Richter und Henker zu sein, muß ich mich selber retten. Hat er das begriffen?
'Den Weg der Verzweiflung wirst du alleine gehen, auf dem Weg der Hoffnung werde ich an deiner Seite sein.'
Hat er es begreifen können? Ich werde dir nicht folgen. Ich kann nicht billigen, was du getan hast. Es steht zwischen uns. Schaff es doch endlich weg, statt dich davon erdrücken zu lassen, bitte. Diese Last... kann ich nicht vor dir aufhalten.
Ich hab Angst, Adrenalon. Angst, daß ich dich allein lassen muß, weil du der nächste faulige Apfel in der Vorratskiste wirst, den ich nicht in meiner Nähe dulden darf. Ich will nicht. Will dich nicht loslassen müssen.

Zwei kostbare Tage Ruhe hatte ich gefunden. Angefangen, mich hier wohlzufühlen. Bruder Lucenius hat etwas sympathisches an sich, und er ist im Rahmen seiner Mittel die Sache sehr pragmatisch angegangen...
'Und was kann ich für Euch tun, Lady von Elbenau?', fragte er wieder freundlich und bestimmt. Würde ich es darauf anlegen, hätte ich es wohl schade finden müssen, daß der... Trick... also nicht funktionierte, ihn um Lektorat der Texte zu bitten, die ich gern der Klosterbibliothek überlassen wollte.
Auch wenn es mich erst sehr überrascht hat, hat seine weltzugewandte und doch in sich ruhende Art schnell für sich eingenommen. Er scheint aus eigener Überzeugung heraus das zu leben, was ich als Verbindung von Weltlichem und Geistlichem erachte. Kein Robenträger, der im Dienst der Geistigkeit die Welt vor den Klostertüren vergisst. Es erleichtert, Nähe und Geborgenheit zu fühlen.
Die Wälder sind herrlich, in allen Jahreszeiten. Es war... einfach schön, mit ihm auszureiten und Rehe zu jagen. Seine Frage berechtigt, wann ich das das Letzte mal gemacht hätte - und zwar nicht, um dem Drängeln der Grafenküche nachzukommen, sondern einfach nur so für mich. Das Stellen des Hirschen mit dem verwachsenen Geweih am leichten Waldhang, schwieriges Gelände, unter mir Sandsturm als Teil von mir zu fühlen, geübt diese Einheit von Reiter und Pferd zu bilden, und...
Ritter zu sein.
Ein Bild, nicht um dem Bild zu genügen, sondern Teil eines Bildes zu sein, das schlicht und ergreifend nichts als die Wahrheit widerspiegelt. Ein Bild, das sich dem Beobachter offenbart, weil es eben so ist.
Ich finde keine Worte für dieses Gefühl, mit allem Eins zu sein. Es ist wie eine fesselnde Geschichte, wie ein Rausch.

Im Moment...
leuchtet dieses Juwel an Erinnerung wie ein helles Licht hoch über mir... während ich immer wieder ertrinkend in die Tiefen des Wassers sinke. Trete, strample, mich wehre... und den Grund nicht sehe, keinen Boden unter den Füßen. Ein widerliches Gefühl. Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr.
Wieder war da dieser 'Leuchtturm'. Hudgarr. Auch der Versuch, einen Teil dieser Harmonie an ihn weiterzugeben, gab Ruhe und Kraft. Sich mit ihm verbunden zu sehen, hielt meinen Sturz auf. Ihm zu erklären... wenn ich es überhaupt so nennen darf. Manchmal hege ich fast Furcht, in solchen Momenten käme ein Templer hinein und würde verkünden, was ich erzähle, sei Unfug und Falschlehre. Was ich mir anmaße, überhaupt lehren zu wollen. In diesen Stunden stehe ich auf eigenen Füßen. Nur mit dem ausgestattet, was meine Erinnerung an die vielen Religionsstunden bei Bruder Talarion übrig ließen, was ich hier in der Klosterbibliothek las... vieles davon sind Erzählungen von Geschehnissen. Doch wenn ich versuche, anderen zu erklären, was am Glauben so wertvoll ist, dann ist das nur das Gerüst. Das äußere Gebäude. Und ich versuche nicht mehr und nicht weniger, mein Gefühl weiterzuvermitteln von dem, was richtig ist. Und das steht nun mal nirgendwo geschrieben...
Wie soll ich den Sinn hinter den Dingen sonst erklären?

Etwas verstehen und etwas begreifen. Das sind manchmal zwei sehr unterschiedliche Dinge. Ich merkte, ein paar Dinge hatte Hudgarr bereits begriffen. Es gibt Dinge, die liegen hinter dem, was man mit dem Auge zu sehen vermag. Doch offensichtlich hatte er bereits begriffen, daß es ein Gefühl gibt, daß man die Rüstung eines Ahads nicht sehen muß, um zu wissen, was er ist.
Und plötzlich konnte ich ihn verstehen lassen, daß Alyssa nicht blind ist. Daß Temora sie sehen lässt und wie Temora sie sehen lässt.
'In Rahal lachen sie über sie.'
'Sollen sie lachen...'
Kostbar, in dieser Ruhe zu baden - und den Weg zu dieser Ruhe vielleicht ein Stück aufzuzeigen. War ich zu offen? 'Und warum wollt Ihr Ritter werden, Hauptmann? Ist das die nächste Stufe auf Eurer Karriereleiter? ... Ritter ist kein Beruf, Hudgarr. Ritter zu sein, ist eine Berufung. Wir sind nicht die Armee, die gegen die Ahads aufgestellt wird, um gut ausgerüstete Krieger dort stehen zu haben. Es ist eine Frage des inneren Wesens. Weil ein Ahad ist, wie er ist, und weil ein Ritter ist, wie er ist, sind sie Feinde. Das ist... wie ein Naturgesetz.'
Auf seinem ersten Begreifen konnte ich Erklärungen geben, die ihn mehr verstehen ließen und dadurch hoffentlich weiter begreifen lassen. Dies war ein Stück Geistigkeit, wie ich diese Tugend verstehe, und ich fühlte mich unendlich wohl darin. Ich sah, sein Nachdenken angeregt zu haben, und ein Teil von mir ist lächelnd gespannt darauf, was daraus erwachsen wird.

Nun habe ich Selissa in seine Obhut gegeben. Ich hätte sie am liebsten hierbehalten wollen. Hier bei mir. Hätte sie in die Arme schließen und ihr Wärme geben wollen. Gütige, was war ich Viola dankbar, als sie die Nachricht brachte, daß sie zurück ist. Was haben sie in Rahal mit ihr gemacht?
Bloßgestellt. Sie haben sie in ihre Klauen bekommen und mit ihr herumgespielt, wie eine gelangweilte fette Katze mit einer Maus. Schließlich wieder ausgespuckt. Ich hatte sie gewarnt. Seine Hoheit hatte sie gewarnt. Oh Kind, warum hörst du nicht?! Temora muß ihre schützende Hand über sie halten. Anders kann ich nicht begreifen, wie sie mit diesem offenen Herzen durch die Welt tappsen kann und aus einer Hölle wie Rahal nur leicht zerrupft wieder rauskommt.
Doch das alte Spiel von Licht und Dunkel beginnt. Sie versuchen, sie zu verletzen und in die Wunden ihre Lehren zu pflanzen. Naiv hat sie sich in Bajard ausgerechnet vom Hauptmann der rahaler Garde das Rauchen von Wildkraut aufschwatzen lassen. Wie besoffen kam sie vor den Toren des Klosters an. Knappin... und das kriegt ein fremder Templer zu Gesicht. Welch Blamage.
Ihr Pfeife und Kraut einfach weggenommen zu haben, wird nicht reichen. Es wird Zeit, daß du dich wappnest, Selissa. Es wird Zeit, daß wir dich rüsten gegen Kommendes, ehe die Katze nicht mehr sattgefressen nach dir schielt. Sie haben ein Auge auf dich geworfen. Hüte dich, Ahsai. Ihr habt meiner Knappin mehr als ein Haar gekrümmt... hütet euch.

Ohnmächtiges Entsetzen, daß sie Selissa in einer Zeit erwischten, in der ich selber keinerlei Schutz zu bieten in der Lage war - bin. Fassungslosigkeit, wie noch Naivität ihren schützenden Mantel um sie legt. Ich halte dieses Buch in Händen... 'Glauben heißt dienen'. Lehren Alatars. In meinem Zustand traue ich mich nicht mal, es zu lesen. Ich brauche keine Furcht hegen, daß ich ihm mit dem Lesen verfallen würde. Unfug. Doch ich bin nicht so leichtsinnig und hochmütig, abzustreiten, daß es gerade in Zeiten von Not und Leid in der Lage wäre, seine faulige Saat auszuäen - auch in mir. Saat, die dann nur zu warten braucht, bis sie ihre Wurzeln schlagen kann. Nein.
Es hat dich geschützt, Selissa, daß du nicht lesen kannst... ein letztes Mal geschützt, schätze ich. Wenn ich versuche, zu ergründen, warum du das Buch, ohne seinen Inhalt zu kennen, in deinem berauschten Zustand treuherzig ausgerechnet mir aufgedrängt hast, glaube ich, überall Zeichen göttlicher Fügung und 'tieferen Sinns' zu sehen, oder muß mich gegen Anfälle von Verfolgungswahn wehren.
So oder so ist es kein schönes Gefühl, sich dem Wahnsinn näher und näher getrieben zu sehen.

Ich nehme die rechte Hand von meinem linken Oberschenkel, wo sie wie zufällig ruhte. Kein Zufall. Ich fühle mich nackt, bloßgestellt. Der Verstand sagt mir, daß es Unfug ist, sich gedemütigt zu fühlen, doch auch dieses Gefühl gesellt sich hinzu.

Mein Schwert.

Warum geht es ausgerechnet wieder um diese Waffe? Zeichen meines Standes. Zeichen meiner Würde. Teil von mir. Teil meines rechten Armes. Teil meines allmorgendlichen Gebetes.
'Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit entbiete ich mein Schwert, um zu streiten für alles, was recht ist. Deine Macht erhebe meinen Arm, der in Treue fechten soll für all jene, die seiner bedürfen.'
'Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit würde ich dir vor deinem Altar gern ehrend deine Waffe präsentieren, aber einer deiner Templer und der Klosterwächter haben es mir abgenommen, weil das Gesetz des Klosters selbst die Waffen verbietet, die hier überhaupt erst durch die Weihe zu dem geworden sind, was sie sind: MEIN RITTERSCHWERT, verflucht nochmal, und es liegt jetzt beim PFÖRTNER herum!'

Ruhig, Darna.

In die Erinnerung drängt sich das Bild, vor dem Baum des Lichtes diese Waffe wieder erhalten zu haben, als diese elendige Hexengeschichte endlich vorbei war, als ich endlich erlöst und für alle offen ersichtlich von dieser falschen Anschuldigung befreit war.
Schon wieder ist mir zum Heulen zumute.
Der Griff zur Waffe ein Griff ins Licht. Mit dem Wohlwollen der Heiligkeit. Nein, natürlich hat sie jetzt nichts dazu gesagt, ob ich im Kloster mein Schwert tragen darf oder nicht. Darauf zu kommen, braucht es tatsächlich sehende Augen. Gesetz im Kloster, das für alle gilt. Eine Ohrfeige, die so bitterlich brennt wie das Erlebnis im Berg.
Der Wunsch, wütend zurückzuschreien, welch Rücksicht das Gesetz von Varuna also nimmt, das Templern den Stab als Zeichen ihrer Würde lässt?
Ruhig, Darna.
Ich muß diese sinnlose Wut zügeln, die sich über diesen Templer aufregen will, der es bis zuletzt nicht für nötig hielt, sich vorzustellen, aber schon statt meiner mein Schwert zu Cassian schleppen wollte.
Die sinnlose Wut darüber, sich in diesen Mauern plötzlich wieder fremd vorzukommen. Die Wut, daß als Ritter ein Teil von mir zurückgewiesen wurde. Wut, die die Worte, ob ich nicht glaube, an einem sicheren Ort zu sein, daß ich meine 'Waffe' bei mir führe, als hochnäsig verurteilen will.
'Zum Wohl der Gemeinschaft der Templer'. Natürlich gebe ich die Waffe ab. Und nein, Hudgarr, du wirst deswegen nicht 'zu meiner Sicherheit, weil ich ja meine Waffe nicht mehr tragen darf' das Kloster brüskieren und Wachen vor dem Tor abstellen!

Ruhig, Darna.

Nicht dich wieder von allen Seiten angegriffen sehen. Adrenalon wird gesund und sich besinnen. Selissa ist versorgt und wird... irgendwann... vielleicht... eine ordentliche Knappin werden. Sie ist ein gutes Mädchen. Sie werden sie nicht verderben. Hudgarr kümmert sich um sie. Und er wird lernen, politische Fehltritte zu vermeiden. Der namentlich unbekannte Templer ist hier immernoch Hausherr und wird wissen, was er tut und es nicht böse gemeint haben.

Wenn ich hier sitze... und den dringenden Wunsch verspüre, mir die Hände an die Schläfen zu pressen und nur noch laut zu schreien...

dann...
sollte ich...
irgendwie...
um Hilfe rufen...
oder?"
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 17 Nov 2006 16:39    Titel:
Antworten mit Zitat

Scherbenlese

"Ich weiß nur... nicht recht, was... was ich von diesem Scherbenhaufen, den sie übrig ließen, neu aufsammeln darf und was ich daraus machen soll, Euer Heiligkeit."
"Dein Herz wird dich weisen, spüre an welchen Scherben du dich nicht schneiden wirst."

Ziehe deine Klinge nie im Zorn.
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit entbiete ich mein Schwert, um zu streiten für alles, was recht ist." Untote. Es waren Untote, ein angenehm klares Feindbild. Die Worte kamen ihr routiniert und doch mit allem gebotenen Ernst über die Lippen, eine Verkündigung, während ihr Schwert das restliche Dasein dieser Kreatur zu Boden schickte.
"Es war eine schöne Erfahrung, mit Eurem reinen Geist zu streiten, Knappin." - Aradans Worte. Rein... waren sie das auch jetzt?
"Sagt mir... wieso habt Ihr Wut?", fragte der Templer im flackernden Schatten des Katakombenganges. War es so offensichtlich? Wut... nein. Nein, sie übte sich in Beherrschung. Keine Raserei, geplant und präzise geführte Schläge. Kein Groll gegenüber ihrem Gegner.

Doch ihre Laune war miserabel. Der Streit mit Viola rumorte in ihr, ließ es unter dem Deckel kochen. Eines war ihr so ernst wie nur irgendwas gewesen: sie mißgönnte Viola kein Glück. Aber...
Und dieses Aber war wohl groß genug gewesen, alles genau verkehrt zu machen. Was hätte sie tun sollen, dieses Verhalten auch noch gutheißen? Bah! Und nun? Sie hatte sie genau in Tajaras Arme getrieben.
"Ich hab nie von Liebe meines Lebens erzählt, oder? ich weiß, ich liebe diese Frau und im Gegensatz zu dir habe ich damals auch bei Alvis keine Wochen gebraucht, um festzustellen, daß ich diesen Mann liebe."
"Im Gegensatz zu dir bemesse ich Liebe nicht daran, meinen Körper bei Verliebtheit irgendwem hinterherzuschmeißen. Wie du bei Alvis oder womöglich gar dieser Frau."
Widerwärtig.
"Sagt deine Gottheit nicht selbst etwas von Liebe?"
Abrupt knallte Darnas flache Hand auf den Tisch, als die Woge von Zorn sie kurz wegspülte. Viola - ausgerechnet Viola! - ließ sich auf dieses dreckige, infame Spiel ein, als Ungläubige ihr die Regeln und Gebote ihres eigenen Glaubens im Hals herumdrehen zu wollen?! Sie gerade so herumzudrehen, wie es ihr gerade am besten passte? DAS überließ sie besser den Alatardienern, von denen wusste sie wenigstens, daß sie ihr in den Rücken zu fallen versuchten und konnte sich vorher dagegen wappnen!
"Untersteh dich eine solche Dreistigkeit, in deiner Position mir da was anhand des Glaubens vorhalten zu wollen, Viola Ser'Rhal!"

"Sagt mir... wieso habt Ihr Wut?"
Das fragte er... Wieso musste sie hier ausgerechnet einem Templer begegnen und sich eindringlicher als gewünscht der Prüfung unterstellen, ob sie zornig war? Höflich bleiben. Höflich bleiben. Kein Groll.
"Ein" Templer? Nein... auch noch der Templer, der ihr das Schwert abgesprochen hatte. Nun gut. Das war erledigt, bereinigt. Da stand nur noch eine gewisse Unhöflichkeit im Weg...
"Vielleicht ist es mir inzwischen mal vergönnt, Euren Namen zu erfahren, Euer Gnaden?"
Uff, hoffentlich hatte das gerade nicht so eisig geklungen, wie es ihr selber gerade vorkam. "Beherrsch dich, um Himmels Willen!"
"Ihr habt mich nie danach gefragt...", setzte er an.
"Das ist doch wohl die Höhe, ich hätte bitte WAS nicht? Lügner!"
"Damian Bacthal ist mein Name... junge Ritterin."
Schweigen.
Schweigen von ihr und in ihr. Dann brach der Sturm los.
"Er weiß es nicht. Er muß, darf, kann es nicht wissen. Er hätte es wissen müssen, als er deinen Namen hörte. Nichts. Kein Wort. Schon von Arton nicht, und auch von ihm nicht. Was hast du erwartet, Dank? Ich habe nie Dank verlangt. Damals nicht und heute nicht. Ist auch besser so. Für diesen Mann hast du deinen Arsch nach Rahal und in die Hände von Luzcilla verfrachtet, damit er aus dem Kerker kommt, und er hat nichts Besseres zu tun, als im Kloster über dein Schwert zu meckern. 'Junge Ritterin.' Schweig. Kein Wort. Du belügst dich doch selber, wenn du keinen Dank verlangst und jetzt zornig würdest. Aber miese Laune wird man ja hoffentlich noch haben dürfen. Geh weg. Lass mich in Ruhe."
Rauschen in ihren Ohren.
"Doch hört auf Euer Herz..."
"Brauch ich nicht hinhören, das tut weh. Lass mich in Ruhe."
"Ich muss nun gehen, Ritterin. Es war mir eine Freude, Euch wiedergesehen zu haben."
"Ich geleite Euch hinaus, Euer Gnaden." Höflich bleiben.

Der Ausgang. Sie fühlte sich innerlich ausgelaugt, fühlte gerade gar nichts mehr, und vielleicht war das gut so. Dort, die Treppe...
zwei Höllenhunde davor. Dahinter zwei Frauen. Magierstab. Schwarz, alles komplett schwarz bei der einen. Die andere dunkelrot.
"Wer seid Ihr?", erklang die Frage.
"Wenn du jetzt antwortest, sacken sie dich ein. Du bist doch gerade gefundenes Fressen. Sie werden dich umdrehen, Darna. Was hättest du ihnen gerade entgegenzusetzen? Gar nichts. Antworte nicht. Absurd. Nicht antworten? Du trägst die Antwort auf deinem Leib, Wappenrock, Umhang... welcher Ritter hätte Grund, seinen Namen verschämt und angstvoll zu verbergen? Du bist eine von Elbenau. Du bist geliefert. Du hättest auf Zeron hören sollen, dich ihm anzuschließen. Feiges Zusammenrotten, kann man hier nicht mal mehr alleine ein paar Untote zu Boden schicken?! Zahl den Preis, die Gläubiger stehen vor dir."
Sie nannte ihren Namen und erwartete das Ende.
"Ah.... die Hexe...", klang es von der einen.
"Also... solltet ihr nun gehen."
"Geh. Frag nicht, red nicht, geh. Ich sollte sie zu einem handlichen Päckchen zerkleinern, samt ihren Höllenkötern und sie nach Rahal treten. Du bist noch nicht völlig lebensmüde. Leichtsinn ist kein Mut. Was soll das? Geh."

"Ich muß ins Kloster. Ich hätte gar nicht raus sollen. Morgen die Bestattung. Wieder einen Termin nach dem anderen. Erst für Adrenalon die Krankenpflegerin, dann für Viola. Und dann so ein... Desaster...
'Wie war Euer Urlaub, Ritterin, seid Ihr gut erholt?'
Ha. Ha. Ha.
Hör auf, alles schlecht zu reden. Du hast das alles gewollt. Und hätte dir irgendwas davon egal sein sollen? Viola im Stich lassen? Adrenalon seiner Verzweiflung überlassen? Sollen dir fünfzehn tote Gardisten schnuppe sein? Ich hätte gerne zu Felis Konzert gewollt... Noch ein Termin?! Du tickst ja nicht richtig!"

Sie bemerkte den Mann erst gar nicht richtig, der auf sie zukroch.
"Mylady..."
Sie wandte den Kopf, furchte die Stirn. Was... Als sie das Schreiben in der Hand hielt, sah sie ihn in sich zusammensinken. Entsetzen weitete ihre Augen.
"Was... nein. Haltet aus, ich... Hilfe! HILFE! CASSIAN!"
Tot. Einfach tot. Ungläubig sah sie auf den alten Mann. Was war heute los?
Ihr Blick fiel auf das Schreiben. Sie hätte das "A" bemerken sollen. Sie hätte sie gleich zerreißen sollen. Sie las.
"Cassian... bitte... k..kümmert Euch..." - ihre rechte Hand ballte sich zur Faust, "Ich muß..."
Rauschen.
"Ins Kloster. Ich muß ins Kloster. Was sie mit dem Schreiben bezweckt, ist klar. Einer ihrer miesen Tricks. Selbst der Tote. Mißbraucht. Nur mißbraucht, Mittel zum Zweck. Aber er ist tot. Was lässt sie eine solche arme Seele verrecken, nur um... für ihre Pläne... sie hat alles geplant, alles. Du hast es nicht glauben wollen, daß es kein Zufall war, daß sie ausgerechnet Adrenalon den Dolch in den Rücken jagte, nicht wahr? Vielleicht arbeitet ihr noch Adrian Greif zu und hat ihn ihrem Geheiß gemäß brav hierhergebracht, auf Befehl deiner... 'lieben... Schwester...'
Nein. Trage keinen Haß in diese Mauern. Das will sie nur. Du bist nicht nur schwach, du schwächst andere. Erst Viola, jetzt... Nein."

"Nein, Luzcilla. Nein. So... nicht..."
Sie schloß die Augen, suchte fieberhaft nach irgendwas, das diesen Zorn erstcken konnte.
"Du tust mir leid...", murmelte sie leise. Nochmal.
"Du tust mir leid." "Sie müsste dir eigentlich leid tun, ja. Sie hat dir immer leid getan. Sie ist gefallen. Und sie muß sterben. Muß sie das? 'Mit Alatar kam das Böse in die Welt. Schwert und Blut richten seit diesen Tagen, gerichtet wurde über euch. Ausgestossen sollt ihr sein aus der Welt der Lebenden, und Eluives Vergebung erbitten wir für euch, dass das Verstummen Eurer Misstöne ihre Harmonie schöner erklingen lasse und ihr neu Teil davon werdet. Findet zurück in Temoras Licht und schauet ihre Gerechtigkeit. Möge euer Sturz ins Dunkel mit dem Tod ein Ende finden. Wir, die Lebenden, haben versagt darin, euch den rechten Weg zu weisen.' Ja. Es tut mir leid. Auch ich habe versagt darin, ihr den rechten Weg zu weisen. Sie tut mir leid."
"Du tust mir leid, du tust mir leid, du tust mir leid, du tust..."
"Sie tut dir Leid, ja - wie wahr... Ein ums andere Mal tut sie dir ein Leid an..."

Gerüstet flüchtete sie sich zur Kirche.
Ihr Körper funktionierte ohne ihr Denken und mit dumpfem Krachen schlug der Torflügel, der ihr näher gewesen war und größeren Schwung bekam, ungebremst in die Verankerung seiner Scharniere.
Dort. Vor ihr. Das Temorakreuz. Wie zu einem großen Holzstück an der Wasseroberfläche steuerte sie darauf zu.
"Was fühlst du? Ja, du wirst deinen Zorn besiegen, sicher... hat sie ja auch geschrieben, nicht wahr? Dieses berechnende Miststück. Und wenn doch nicht? Etwa aus Trotz nicht? Hat sie erst recht, was sie will. Dieses berechnende Miststück! Weißt du, wie man das nennt, Darna? Wenn man sich nicht mehr bewegen kann, ohne geschlagen zu werden? SCHACHMATT!
Wagst du, diesem Symbol der Reinheit näher zu kommen? So?"

Sie hielt auf der Stufe inne.
Ein Scheppern, als sie auf die Knie fiel. Krachend schlug in hilfloser Wut die gepanzerte Faust auf den Steinfußboden der Altarempore. Einmal.
"Ich... WILL NICHT!" Zweimal.
"Sieh dich an. ...'Ritterin'... Könnte sie jetzt in deine Augen sehen..." Dreimal.

"Warum schreist du so hier herum, Darna?"
Sie hob den Kopf - selbst diese Bewegung fiel ihr schwer. War das diese Stimme gewesen, die sie hinter sich gerade gehört hatte?
"Adrenalon?"
Er hatte sich hergequält. Die Verbände nässten sich unter austretendem Wundwasser, der Weg vom Bett, vom Zimmer hierher hatte ihn entsetzliche Mühen gekostet, daß ihm der Schweiß auf der bleichen Stirn stand. Bis zu einer der Bänke hatte er es geschafft, jeder weitere Schritt alleine unmöglich.
"Für dich... Du hast doch um Hilfe gerufen, nicht wahr? Sieh ihn dir an. Er liebt dich."
"Ich sollte allerdings jetzt besser ins Bett zurück, als hier auf einer Bank zu sitzen." Hinter allem Humor blanker Ernst. "Himmelverflucht, daß er hier sitzt, könnte sein Tod sein..."
Während sie mehr auf ihn zu taumelte, als zu gehen, hob er die Hand und sah sie bittend an.
"Reiß dich zusammen. Er braucht dich."
"Hilf mir bitte, aufzustehen."
Bilder der helfenden Hand, alte Gleichnisse - anderen die helfende Hand zu sein, zu halten, bis sie auf eigenen Füßen stehen konnten.
"Du kannst doch selber nicht mehr stehen."
Sie schloß die Augen. "Temora..." Lange hatte kein solches Flehen mehr in diesem Bitten gelegen. "Hilf mir. Hilf ihm. Hilf uns."
Müde vertraute sie sich der bekannten Wärme an, die ihren und seinen Körper durchflutete, ihnen Kraft gab, in seiner Wunde ein wohliges Kribbeln verströmte, ein weiteres Aufreißen verhinderte, als sie ihn sicher unter seinem Arm hindurch griff und zum Zimmer zurück halb trug, halb stützte.

Ächzend ließ er sich auf das Bett fallen.
"Und wofür? Die Genesung der letzten Tage - wohl ziemlich zunichte. Danke, Darna."
"Es tut mir leid", flüsterte sie.
"Was tut dir leid?", fragte er zurück.
"Daß du... dich... gequält hast, weil... ich nicht... stark genug bin." Sie schloß die Augen. "War bestimmt auch ihr Plan. Schiefer." "Ich weiß, was sie will. Mich... brechen."
"Damit sie dich umformen kann, ja. Wie die Männer Rahals, sie hat dir doch davon erzählt. Wer nicht gehorcht, wird gebrochen, und am Ende dienen sie ihr, daß sie sich in dieser geistlosen 'Verehrung' gedemütigter Seelen suhlen kann."
Adrenalons Miene wirkte nun verärgert. "Zorn? Der ist bei ihm leicht, zu wecken. Du hast Angst, ihm diesen Brief zu zeigen, nicht wahr? Er wird sie hassen. Wenn du es schon verleugnest, das zu tun - er tut es, bestimmt."
"Red keinen Blödsinn. Ich hab mich nicht gequält. Und wenn sie dich brechen will, dann braucht es schon besseres, als das über mich zu machen."
"Ach ja? Vielleicht. Ja, ziemlich sicher hättest du weit über diesem Brief stehen können - aber zur Abwechslung hat sie mal den richtigen Zeitpunkt erwischt. Diesen Zeitpunkt hast du ja auch lange genug währen lassen. Du hattest gerade wieder gedacht, es geht bergauf, nicht wahr? Schwachsinn."
"Ausserdem... Ich stehe hinter dir. Also komm jetzt ja nicht auf krumme Gedanken. Lass dich ja nicht davon beeinflussen, hörst du!"
"Er hat recht. Wofür willst du all das getan, alles durchgemacht haben, wenn du jetzt aufgibst? Du reißt ihn mit hinab?
Hast du Viola nicht schon genug getreten, daß das jetzt auch egal ist?
Nein, niemals!
Du machst schon wieder alles von dir abhängig, nicht wahr? Wie egozentrisch ist DAS denn bitte, daß du glaubst, Adrenalon würde fallen, wenn du fällst? Ich darf mal lachen. Du bist eben fertig. Meine Güte. Reicht es nicht? Es reicht doch langsam. Was wollen sie alle noch von dir?"


Sie sank langsam nach vorne, mit einem Scheppern der Rüstung und einem leisen Ächzen des Menschen darin ging sie erneut in die Knie. Er versuchte, ihre Hand zu greifen, und sie suchte seine. Immernoch hielt sie das Pergament umkrallt.
"Zeig mal her, den Wisch."
"Tu's nicht! Was soll der Unfug? Er kriegt ihn sowieso, willst du hier Kinderspiele betreiben, ihn ihm vorenthalten? Kannst du ihm endlich mal vertrauen, bittschön?"
Seine Blicke überflogen die Zeilen. Dann senkten sich seine Augenbrauen, er zerknüllte den Zettel erneut und pfefferte ihn in irgendeine Ecke.
"Hättest du auch tun sollen. Und für einen zerknüllten Brief liegt da draußen jetzt eine Leiche herum?"
"Tot...", flüsterte sie kraftlos, "Der Bote... tot. Starb einfach... so. Wie... ein... Spielzeug. Wie geplant. Alles geplant."
"Nimm dir den Scheiß, der da drin steht, ja nicht zu Herzen, hörst du! Denn das ist, was sie will, und wenn du dich dahingehend .. gehen lässt, dann hat ihr Plan seine Wirkung erzielt."
"Ich weiß." Sie war so entsetzlich müde. "Ich weiß. Ich könnt sie jubeln hören... sie braucht mich nur so zu sehen..." Sie senkte den Kopf und fühlte sich gegriffen, gab dem Ziehen nach, mit dem er sie näher zu sich holte. Als sie in seine Augen sah, die ihr so energisch Kraft geben wollten, füllten sich ihre eigenen Augen mit Tränen.
"Wrack."
"Und genau deswegen stehst du jetzt auf und lässt dich nicht hängen! Tust du das, so war auch mein Opfer umsonst, hörst du? Diese Frau verdient es nicht, so zu gewinnen! Und sie wird es nicht, denn gemeinsam sind wir stärker als diese Hure!"
"Ich kann nicht mehr...", wisperte sie, "Viola fort... pfeif auf den Brief, aber..."
"Was ist mit Viola?"
"Alles falsch gemacht heute... fort... hasst mich...", erste Tränen liefen, "Genau verkehrt... und wie... geplant kommt... diese... Hyäne, dieser Aasgeier... und..."
"Jetzt sammel dich mal und red vernünftig, ich versteh kein Wort." Er wählte die Worte bewusst hart - und hatte einigermaßen damit Erfolg.

"Das Ritual hat geklappt. Sie ist... vielleicht sechzehn. Und sie hatte mich gebeten, bei ihr zu sein, weil...", vage hoben sich ihre Schultern. "Weil sie dir vertraut. Weil du ihr immer eine Hilfe warst, wenn sie Kummer hatte. Weil du selbst einen bei dem Ritual ausbrechenden Dämon eher zu Hackfleisch verarbeitet hättest, um sie zu schützen. Weil sie deine kleine Viola ist und du ihr Geborgenheit gegeben hast und geben wolltest."
"Weil ich da sein sollte für sie. Ich gab mein Wort. Sie brachte ein Mädchen... junge Frau mit... Blaue Haare, scheußlich aussehende Robe, eine von Ronyas Frauen von Lameriast... Viola... erklärte mir, daß sie diese Tajara liebe. Nicht aus... Zuneigung, Trost, wie ich erst dachte... sondern wollte mir erklären, daß es Liebe sei, wie zwischen dir und mir..."
"Dabei hast du für ihn noch nicht mal die Beine breit gemacht."
"Und weiter?" - es schien ihn nicht groß zu rühren.
"Nach dem Ritual war sie bewusstlos. Ich brachte sie ins Schloß... nach Hause... und ließ... diese Tajara draußen, sagte ihr, wenn sie so erwachsen wäre, wie sie aussähe, solle sie sich mal klarmachen, daß sie... ein... halbes Kind..." Ihr Reden wurde immer stockender, widerwillig zog sie den Kopf zurück.
"...geschändet hat? Tja. Wo die Liebe hinfällt."
"Als Viola wach wurde, kam es wieder zur Sprache. Und ich... wurde w...", wieder stockte sie.
"Wütend. Das Wort heißt 'wütend', Darna. Und du warst doch noch nett. Bei anderen würde Violas Wange noch übermorgen von der Ohrfeige wehtun, die sie verdient hätte. Nein. Nein, ich würde sie nie im Leben schlagen. Ach nein?"
Auf Adrenalons Lippen zeigte sich ein angedeutetes Schmunzeln.
"wütend, als sie mir was erzählen wollte, daß Temora ja doch auch Liebe predige und ich gar nicht wüsste, wie man lebt und...", sie schüttelte den Kopf, "Nach zwei Wochen redet sie da was von inniger Liebe... zu einer Frau... und..."
Sie seufzte laut. "Ich hab ihr gesagt, daß ich sie vielleicht wieder ernst nehme, wenn sie auch mal ihren Verstand dabei benutzt. Da schrie sie mich an."
"Ich glaube fast, du machst dir da viel zu viele Gedanken."
"Was?!"
"Weißt du, im Endeffekt ist es ihre persönliche Sache. Und wenn sie meint, diese Erfahrung machen zu müssen, dann finde ich, sollte sie es."
"WAS?!"
"Ich will mit dir darüber beileibe nicht diskutieren, aber es steht denke ich niemandem zu, über die Gefühle anderer zu urteilen oder gar zu streiten. Wenn sie meint, dass dies ihr Weg ist, soll sie ihn gehen. Vielleicht hörst du das nicht gern... aber vielleicht solltest du sie langsam laufen lassen."
"Nach drei Wochen kommt sie doch an und heult irgendwas rum. Das kann doch nicht funktionieren, was stellt sie sich eigentlich vor?"
Er lachte leise.
"Genau das meine ich. Lass sie laufen, Darna."
"In ihr Unglück?"
"Dein... 'Mündel'? Deine Schülerin, über die du mehr weißt als ihr eigener Vater? Dieses Kind, für das du deine ganze Erfahrung zusammengekratzt hast, um ihr über diese selbstverbockten Lebenskrisen zu helfen? Von der du deine Gefühle nicht distanzieren kannst, obwohl sie dir ein ums andere Mal Herzattacken und graue Haare beschert? So betrachtet... solltest du sie vielleicht besser in den Wind schießen, ja. Hör auf, so einen Mist zu erzählen! Mir ist Viola nicht egal!"

Es tat alles so weh. Auch diese Beschämnis darüber, überhaupt davon verletzt zu sein, daß den drei Menschen, für die sie sich an Rahal ausgeliefert hatte, diese Tat völlig nichtig war.
"Vielleicht wissen es Damian und Erinna nicht mal. Das kann schließlich sein. Und was, wenn sie nur schweigen, weil sie sich nicht in deiner Schuld sehen wollen? Was wäre das bitte für eine Last? Oder was willst du? Daß sie dir lobhudeln. Igitt."
Sie starrte nur noch stumpf vor sich hin.
"Ich bin müde, Adrenalon." Es war gerade nicht nur ein Zustand, wie man ihn jeden Tag hatte.
"Jetzt hör auf, zu denken, und schlafe. Das ist ein Befehl, Frau Oberst!"
In diesem Moment läutete die Torglocke.
"Erinner ich mich richtig, daß du in einem halbwegs vergleichbaren Moment mal eine Wette gewonnen hattest?"

Hudgarr.
Irgendwie...
"Wer auch sonst, um diese Zeit?"
Das ahnungslos-liebe Lächeln wie immer. Ihr eigener Blick tat ihr schon leid, ohne daß sie ihn sehen musste.
"Temora mit Euch, Hudgarr. Was ist?"
"Oh, welch Redeschwall. Wenn du so weitermachst, könnte das glatt noch ein Gespräch werden."
"Ich habe etwas für Euch und Adrenalon. Damit ihr beide auf die Beine kommt."
"Darf ich in zynisches Gelächter ausbrechen? Darf ich? Bitte."
Sie sah ausdruckslos auf die Krüge, die er in der Hand hielt.
"Was ist das?"
"Karottensaft", erklärte er ernst und militärisch knapp. "Vom Dunkelhof. Ist gesund." Ihre Augen verengten sich. "Dunkelhof. Ich bring ihn um."
"Hudgarr... ich will gerade nichts... absolut gar nichts... mit irgendwas zu tun haben, was in Zusammenhang mit Rahal steht, ja?"
Fragend sah Hudgarr sie an.
"Oh komm, bitte... Aber du wirst ihm jetzt nicht erklären, warum du nichts vom Dunkelhof hälst und was du von dieser netten Gästeliste zu Luzcillas Hochzeit noch heute hälst, richtig?"
"Und damit meine ich diesen Hof, den Luzzzz..." - sie hatte gerade sogar Mühe, den Namen über die Lippen zu bringen.
"Doch, natürlich erklärst du es... was frag ich auch?"
"...den sie frohgemut benutzte, um dort ihre Hochzeit zu feiern und smtliche Ahads und weiteren Diener Alatars dorthin einzuladen."
"Falsch."
"Ach, hervorragend - jetzt also die mitternächtliche Diskussion über die Rechtschaffenheit dunkelhofer Karottensaftes... Und das mit Hudgarr. Der dich entweder gekonnt an die Wand diskutiert oder sturer als ein Esel ist. Eigentlich fällt auch in ersterem Fall beides zusammen."
"Die waren in Rahal, weil sie nicht auf den Hof durften..."
"Und selbst, wenn es nicht so ist - ich will daran gerade nicht erinnert werden, ja?", knurrte sie, "Ich will mit diesem Drecksweibsbild gerade nichts zu tun haben! Gar nichts! Nicht mal die Erinnerung an sie!"
Er schaute auf die Krüge.
"Jetzt wird dich auch noch Karottensaft an Luzcilla Amarth erinnern. Böser Karottensaft!"
"Nehmt das mit oder tut sonstwas damit."
"Schieb dir deinen Karottensaft an unsittliche Stellen, Hauptmann! Und lass mich endlich schlafen!"
"Ich habe sie von Mhyri Famrock, aber wenn Ihr meint sie ist Alatari - bitte."
"Mir. heute. egal", knurrte sie, "Gute Nacht."
Das Klostertor schloß sich vor Hudgarr Nase und beleidigt zog er mitsamt Karottensaft von dannen.
"Damit hast du ihn heute auch noch verärgert. Du kriegst echt schnell Übung, Leute an denen dir was liegt, vor den Kopf zu stoßen! Wenn du darauf einen heben willst, hättest du den Karottensaft behalten sollen!"

Als sie zurück ins Zimmer kehrte, musste sie sich über ihre eigene Geistesgegenwart wundern - sie platzte rein, schmiß die Tür hinter sich zu, sah Adrenalon schlafen und krallte sich noch schnell genug die Türklinge, um das Knallen nicht zu laut sein zu lassen.
"Darna?", flüsterte irgendwo in ihr etwas nur noch leise, tröstend - und mahnend.
So leise, wie es in der Rüstung eines Reichsritters eben möglich war, verließ sie das Zimmer wieder, sah durch die Arkaden des Ganges zu dem sanften Leuchten auf der Wiese.
"hilfe"
Sie schlich dort hin - für weitere Tränen fehlte gerade Kraft. Zum wiederholten Mal an diesem Tag auf beiden Knien umklammerte sie die niedrige Ummauerung des Baumes wie eine Ertrinkende.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 18 Nov 2006 23:44    Titel:
Antworten mit Zitat

Gordischer Knoten

"Wenn ich ihr je gegenüberstehe und meine Klinge im Zorn ziehe, dann hat sie schon gewonnen. Und ich kann mich nicht mehr dagegen wehren. Ich weiß nicht mehr weiter, habe keine Kraft mehr. Die Kraft, die mir zuletzt blieb, verletzte in sinnloser Wut Menschen, die mir wichtig sind.
Ich kann meine Wut nicht mehr kontrollieren, ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Wenn ich so Luzcilla je gegenübertrete, hat das Böse gewonnen. Luzcilla müsste gar nicht siegen, sie hätten durch mein Versagen gewonnen. Wenn ich das ignoriere und einfach weitermache, bin ich eine Gefahr. Eine Gefahr in Ritterrüstung. Rafael hat bewiesen, was geschieht, wenn auf jemanden in dieser Position kein jederzeit einwandfreier Verlass ist...
Gütige... nein! Nein, ich will das nicht!"


Der Gedanke weckte blanke Panik. Etwas Unzuverlässiges in der Nähe des Reichsregenten, und das in ihrer Person?
"Um Himmels willen, niemals!
...
Weißt du, was das bedeutet...?"

Diese letzte Frage kroch stundenlang durch ihren Geist, schlich wie eine Katze um den heißen Brei um die bereits bekannte Antwort, die sie nie im Leben hätte wahr haben wollen:
"Du kannst so nicht Ritter sein."

Ihr durfte man so nicht das Schwert in die Hand geben...
Leeren, gebrochenen Blickes saß sie unter dem Baum. "Du hast versagt." Irgend jemand trat irgendwann zu ihr. Lucenius, wie sie ohne jegliche Regung feststellte. Ein Name drang durch ihre Ohren zu ihr: Aradan.
"Er braucht dich so nicht auszubilden. Er würde ein Monster heranzüchten, ein Gebilde, das mit einem Schwert in der Hand sich der Wut anheimfallen lässt und ihr nichts mehr entgegenzusetzen hat. Er würde es merken. Dich abweisen. Du hast versagt."
Vor Aradans Augen versagt. Doch noch. Er sollte sie so nicht sehen. Nur... Müde griff die Hand zu einer Schnalle, löste sie, löste den haltenden Gurt und hielt dem Jungtempler neben sich den Gegenstand entgegen.
"Gebt ihm das... es... braucht die Ausbildung nicht mehr."
Mehr Worte würde Aradan hierzu nicht brauchen, um zu verstehen.
"Ihr... gebt Euer Schwert weg...?"

Ein Stück Tod.
Bedeutungslosigkeit. Und immernoch, lieber versagte sie so, bevor noch mehr durch sie zu Schaden käme. Und nein, sie wollte auch nicht alles nochmal erzählen. Nicht nochmal. "Ich kann nicht mehr. Lasst mich doch in Ruhe."
Geräusche, Bewegung neben ihr. Rüstung. Grüner Umhang. Aradan. So, wie es in der Natur eines guten Ritters lag, anderen in Zeiten der Not Nähe und Stärke zu geben, war er bei ihr, suchte ihre Nähe, ohne sie mit lästigen Fragen weiter zu bedrängen. Etwas daran tat diesmal weh, das zu erfahren, denn sie wusste es nicht mehr in der Hoffnung anzunehmen, sich ritterlich irgendwann dafür revanchieren zu können. Versagt. Sie schloß die Augen. Das Gebet, das er sprach, tat ihr weh.
Er bat um Stärke, für andere da sein zu können. Sie wollte keine Stärke mehr, sie sah in sich selber nicht mehr die Kraft, mit dieser Stärke rechtens umzugehen. Entsetzlich der Gedanke, in ihrem Wirken Leid zu schaffen und schlußendlich dafür ihre Gunst zu verlieren, verlieren zu müssen.
"Du lehnst sie ab. Siehst du nicht, daß das nur falsch sein kann? Sie anzunehmen, heißt nur, die endgültige Katastrophe heraufzubeschwören. Du kapitulierst, noch bevor was geschieht. Ich will nicht, daß erst etwas geschieht, bevor ich dann kapitulieren muß. Was du tust, ist falsch. Was ich sonst tun würde, wäre auch falsch - schachmatt."

Arme, die sie sicher umschlossen. Eine Hand, die ihr behutsam und tröstend durch die Haare strich. Hätte das Schicksal nur einige Menschen anders zueinander geführt, Aradan hätte ihr Bruder im Blute sein müssen.
"Ich kann nicht mehr."
"Dann ruht Euch aus, ruht in ihren Armen."
"Ich will nicht. Ich will gar... keine neue Kraft. Ich... habe versagt. Würde sie .. falsch einsetzen. Ich hab ihnen schon weh getan. Ich will nicht hassen."
"Shhhhhht..."
Zwei gerüstete Krieger des Reiches, doch jenseits aller metallenen Panzerung lag sie behütet in seinen Armen wie eine kleine Schwester.
"Nehmt mein Schwert, ich... verdien es nicht... länger."
"Shhhhhht..."
Nicht mal für Tränen war mehr Kraft. Wie viele Stunden vorher sie wie lange geweint hatte, wusste sie nicht zu sagen. Leer, es gab nichts mehr in ihr. Hatte sie selbst nicht so beharrlich darauf bestanden, daß der Kelch der Ehre nur durch einen selbst gefüllt zu halten war, aus sich selbst heraus? In ihr war nichts mehr, und alles, worüber sie verfügte, sah sie durch ihre kraftlosen Finger rinnen.
"Kommt zur Ruhe Darna ... hört auf, an all das zu denken, was Euch so immens quält."
"Sie soll nicht gewinnen. Ich darf... nicht... mehr..."
"Shhhht... Gönnt Eurem Geist Ruhe. Nicht mehr denken ... einfach ... nicht mehr denken ..."
Es klang so verführerisch einladend, so unendlich sanft. Sich einfach gegen ihn lehnen und die Augen schließen...
Sein Umhang deckte sie zu und unter dem heiligen Baum hielt er sie, während die Leere in ihr sich im Schlaf verlor und selber endlich bedeutungslos wurde, die sich rastlos schleppenden Gedanken zur Ruhe kamen.

Regen setzte ein und hörte auf. Stille schien das Kloster unter eine dichte Decke zu legen. In großen, klaren Tropfen perlte der vergangene Regen von den Blättern des leuchtenden Symbols der Göttin. Tropfen, die wie stille Tränen fielen. Tropfen, in denen sich das Licht brach und glänzte, ein Auffunkeln, das den Blick des Ritters einfing.
Tropfen, die ihm Bilder offenbarten...

Sein tröstendes Lächeln, als sie erwachte. Zuvor nagender Schmerz pochte nur noch dumpf, hatte etwas Milderung erfahren.
"Ich hätte Euch nie so enttäuschen wollen. Es tut mir so leid..."
"Ihr habt mich nicht enttäuscht Darna ... wir alle Zweifeln, wir alle durchleben sehr schwere Zeiten, aber irgendwann nach dem Regen kommt auch wieder Sonnenschein, selbst wenn es eine Sintflut ist. Man muss nur lang genug schwimmen."
"Ich weiß nicht... vielleicht bin ich schon ertrunken..."
"Die Herrin sieht Hoffnung für Euch, also solltet Ihr dies auch. Nutzt die Zeit im Kloster und findet etwas Ruhe ... hier wird sich erweisen, wie Euer Weg weiter gehen wird, doch egal wie dies ausgehen mag - wisset, daß Ihr Freunde habt, die immer für Euch da sein werden."
Sie lächelte schief und nachdenklichen Blickes. "Jetzt hör ich mir das Gleiche wie Adrenalon an..."
"Vielleicht, weil jene Worte einiges an Wahrheit enthalten ... oder vielleicht weil auch Ihr einmal diese Worte hören müsst."

"Du bist auch ein Mensch, Darna." Fiel es so schwer, sich damit abzufinden?

Und wieder kündigte die Torglocke Besuch an. Immernoch mit den Nerven am Ende sah sie zu Aradan: "Der nächste Karottensaft?", fragte sie sich leise, "Ich mag nicht hingehen... es ist garantiert wieder irgendwas...
Könntet... Ihr ausrichten... ich bin..."
"Nicht zu sprechen, weil Ihr schlaft." Aradan nickte.
"Danke. Wimmel ihn einfach ab und gut."
Es war der Graf. Und seine Gemahlin.

"Darna - wie schön, Euch zu sehen."
"Temora mit Euch, Milady." Sie versuchte, ihre Mimik nicht zu sehr verraten zu lassen, wie sehr sie sich dem Moment entgegensehnte, wo sie seiner Hoheit mitteilen musste, ihm nicht mehr dienen zu können.
"Schön, zu sehen, daß auch Ihr Euch freut", redete Eileen unbeirrt weiter.
Vorne am Tor versuchte Aradan den leicht mürrisch wirkenden Grafen abzufangen. Worte wie:
"Möglicherweise muss ich sie doch von hier fortholen - es hatte mehr als offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg", ließen nichts Gutes schwanen.
Währenddessen versprühte Milady bei Darna ihren Elan, versuchend, sie wohl irgendwie damit anzustecken. Gnadenlos. Keine Fluchtmöglichkeit.
"Oh bitte, lasst mich weg hier."
"Was führt Euch her, Milady?"
"Vielleicht ist es irgendwas, was ich schnell erledigen und hinter mich bringen kann."
"Eine Freundin zu sehen, Darna", lautete die Antwort, "eine Freundin, von der man sagt, es gehe ihr nicht gut. Eine Freundin, um die ich mich sorge und deren Wohlergehen mir am Herzen liegt - genügt das?"
Innerliches Seufzen. Das klang nach nichts, was man Eileen in die Hand drücken und sie damit zum Klostertor wieder rausschieben konnte. Wer war sie, die Fürsorglichkeit der Gemahlin ihres Dienstherrn abzuwiegeln? Die nächste Zwickmühle breitete gehässig grinsend ihre Arme aus: Es war nett von Eileen, daß sie sich sorgte, und sicher wusste sie es zu schätzen, doch der Umgang mit ihr erwies sich jedesmal wieder als Tanz auf dem Drahtseil. Sie hatte noch nie mit dieser kumpelhaft offenen Art etwas anfangen können.
Eileen lächelte sie an: "Ich denke, wir sollten eine Runde ans Meer gehen und die frische Brise geniessen. Ich pass schon auf Euch auf."
"Das nächste Opfer. Ich kenn das doch, sie wird nur das nächste Opfer sein... Lauf weg, Darna. Die nächste Katastrophe lächelt dich an."

"Ich werde nicht zulassen, daß dieser Zorn einen geliebten Menschen verletzt."
"Darna ... Ihr seid nun erstmal nicht zornig. Und Ihr habt auch weder Schwert noch Rüste an Euch."
"Eben deswegen habe ich sie abgelegt."
Dann sah sie Adrian. In Rüstung. Das Schwert an der Seite. Und sie konnte seinem Bild nicht folgen. In ihr schrie es erneut.
~~~
"Ich könnte auch sagen, wenn Ihr etwas nachlässig behandelt, dann fühl ich mich immer noch sicherer wie bei allen anderen."
"Ich wünschte auch, ich könnte dies noch leisten, doch weil ich stets so gehandelt habe, wurde es zuviel. Begreifst du nicht, wie weh es tut, den eigenen Ansprüchen nicht genügen zu können?"
~~~
Wieder beobachtete sie still, wie in ihren Augen Eileen ihren Gemahl herumkommandierte, was er zu sagen, zu tun und zu lassen hatte, ihre eigene abgelehnte Art ihrem ganzen Umfeld aufnötigen wollte, weil sie es für besser hielt.
"Mit Verlaub, Milady, ich habe seine Hoheit noch nie beim Vornamen genannt und werde jetzt nicht damit anfangen, Freund hin oder her."
Das Raubtier in ihr regte sich.
~~~
"Wohin soll es gehen?", fragte Adrian.
"Was du machst, weiß ich nicht - aber wir wollten am Meer spazieren."
"Interessant - wollten 'wir'?"
"Mitgehen natürlich, um mir weiter anzuhören, dass ich besser den Mund halte, Liebes."
Äußerlich schmunzelte sie - es waren die gewohnten galanten Schlagabtausche zwischen dem gräflichen Paar.
Innerlich knurrte etwas.
~~~
"Und daß du mir nicht ins Wasser fällst - mit dem Eisenzeug am Leib zieht dich niemand mehr raus."
"Ich habe ja glücklicherweise dann gerade keins an", versuchte Darna einzuwerfen.
"Ich würde ihn auch aus dem Meer zu retten versuchen, wenn ich auf den Rücken gebundene Hände und einen Stein an den Füßen hätte!"
"Nur Vorteile, nur Vorteile", kommentierte Eileen, "Stellt Euch vor, es gibt Menschen, die tragen sowas ihr ganzes Leben lang nicht und sie überleben auch - oder gerade deswegen. Vielleicht sollte man darüber nachdenken."
"Willst du gerade versuchen, mir ein Leben ohne das Ritterdasein schmackhaft zu machen? Das ist kein Leben. Aber lieber sterb ich, bevor ich Euch zur Gefahr werde."
~~~
"Es ist einfach nicht nötig immer nur an den täglichen Trott zu denken. Wenn man in die Sterne schaut und man ahnt, wo der eigene Platz ist, wird vieles bedeutungslos."
"Mein Platz ist schräg hinter Adrian, doch da bin ich nicht länger duldbar. Hör auf, mir da was vom schönen Sternenhimmel vorzufaseln!"
"Vielleicht etwas, was man lernen muss? Wo man doch nie aufhört zu lernen."
"Komm, erklär mir mehr von der ritterlichen Tugend der Geistigkeit, Unbelehrbare der Wesen, die Ritter irgendwo im Innern doch für unpraktisch halten! Wenn du mir erzählst, es wäre völlig in Ordnung, wenn ich nicht mehr Ritter bin, ist das doch blanker Eigennutz!"
Etwas in ihr fuhr die Krallen aus und zog damit alten Groll hoch.
~~~
"Kein Platz für uns, wir sind überflüssig im Moment, also blicken wir nur zu und achten, daß sich niemand nähert." Adrian wollte gehen. Ihr Kopf ruckte herum.
"Sie redet und redet und redet... jetzt vergrault sie ihn auch noch damit, lässt überhaupt keine Luft neben sich!"
"Hoheit...", platzte es bittenden Tons aus ihr heraus.
"Geh nicht! Lass mich nicht allein mit ihr. Ich dreh ihr noch den Hals um. Um Himmels Willen, nein..." Sie trat einen Schritt rückwärts. Beobachtet von Eileen.
"Vielleicht bin ich ja auch die Überflüssige."
Darnas Kopf ruckte zu Eileen zurück.
"Ich muß mich jetzt nicht auch noch zwischen euch entscheiden... Dich vor den Kopf stoßen und ihn vor den Kopf stoßen, weil ich dich vor den Kopf stieß... nur, weil du nie selber merkst, wann du andere nur noch bedrängst..."
Gehetzt schweifte ihr Blick von einem zum anderen.
"Schlimm, wenn man nicht zwei Herrn dienen kann?", fragte Eileen und deutete gen Osten.
"Da lachst du auch noch drüber..."
"Da ist eine Klippe, wenn Ihr eine sucht."
"Spotte noch..."
Ihre Kiefer pressten sich zusammen, als sie vor ihrem geistigen Auge Eileen an die Gurgel ging und sie ins Meer schleuderte wie ein lästiges Insekt. Entsetzen lähmte ihren Körper. Rauschen in ihren Ohren.
"Ihr seid unter Freunden, hier am Ende der Welt", drang Eileens immer weiter redende Stimme irgendwie zu ihr durch.
In ihr ein Winseln. "Ja. Ja... Um Himmels Willen... niemand anders hier, den ich zu töten versuchen kann... Geh. Geh doch endlich!"

"Ein zwei wütende Beleidigungen vielleicht?" War das immernoch Eileens Stimme, oder das Locken in ihr? "Wenn es hilft, nur heraus damit. Ich vertrag auch einiges, falls du einen handfesten Tobsuchtanfall vorziehst."
Eileen präsentierte sich vor ihr in einer Rolle wie der Leibhaftige persönlich. Sie krümmte sich wie vor Schmerzen.
Adrian, selber im Ungewissen darüber, was kommen würde, hielt Aradan zurück, der sich in Bewegung setzen wollte, als Darna mit einem heiser gekrächzten "Ich will nicht!" in die Knie brach.
"Du solltest dich ausziehen und eine Runde schwimmen gehen."
EILEEN...
"HÖRT AUF!" Scheinbar unvermittelt brüllte sie los.
"...und es gibt Menschen, die wüssten nicht mal, wie man Ritter buchstabiert, wenn sie nicht irgendwann einer geworden wären. Aber es bleiben Menschen - und ich hör nicht auf! Ich gehe sogar noch weiter." Die Worte, bar jeden Kontextes, drangen wie weitere Nadelstiche immer weiter auf sie ein. Jedes klare Denken weit entfernt.
Zusammengekauert in einer Haltung, die etwas lauerndes an sich hatte, funkelte Darna sie mit zornig-stoßweise gehendem Atem an. Aradans Instinkte waren geweckt, und er spannte weiter die Haltung an, schob einen Fuß vor - Adrian streckte ihm Einhalt gebietend seinen Arm aus.

"Es ist ein Maß an Blindheit, daß dir an der Vollkommenheit, die du suchst, schlichtweg fehlt."
Sie wusste die Worte nicht mehr einzusortieren, fast kam sie sich wie vor einem Rahaler befindlich vor, der sie zur Perfektheit alatargefälligen Hasses zu bekehren versuchte. Die ganze Welt hinter einem roten Schleier.

"Ich will nicht... nicht... Ritter sein..." - kaum verstehbares Keuchen.
"Ich will mich nicht selbst verlieren!"
"Du willst kein Ritter mehr sein?" Eileen hob die Brauen.
Ein Laut erklang, der eher zu einem waidwunden Tier als zu einem Menschen gepasst hätte, doch es war Darna, die ihn hervorbrachte.
"Eileen, Liebes bitte könntest du mit Ritter Krenor kurz ins Kloster zurückkehren... Ich würde gern einmal in Ruhe mit ihr sprechen."
"Sie muss da raus Adrian ... es bricht ihr irgendwann das Genick."
"Raus aus deinem Amt, deiner Würde, fort von deinem Platz... hörst du es, sie will dich raushebeln. Dann guckt ihr keiner mehr so kritisch auf die Finger, wenn sie mit ihm umspringt, wie sie will."
Sie presste sich die Hände an die Ohren.

Eileen ging.
Hände an ihren Schultern. Im nächtlichen Licht der Fackel das Gesicht ihres Grafen. Sein Blick sehr ernst, doch auch Ruhe ausstrahlend. Sie suchte sich daran festzuklammern, sah ihn flehentlich an.
"Hilf mir, Herr."
"Es ist genug... Darna, mehr als genug!"
"Es tut mir leid...", antwortete sie leise "Ich wollte sie nicht anschreien..."
"Darum geht es nicht einmal - und irgendwo da drin ist Euch.. das hoffentlich bewusst."
"Ich fange an, sie zu verletzen... Viola, Hudgarr, Eileen... einer nach dem anderen wird darunter leiden, und ich will es nicht..."
"Hört endlich auf damit, zu glauben, es reicht noch nicht, wenn Ihr schon kriecht; nein, es muss noch mehr Last auf die Seele, noch mehr Pflicht, immer mehr und noch mehr Schmerz..."
Sie verstummte, ließ die Dusche über sich ergehen, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
"In niemandem von uns ist soviel Platz! Wir haben Grenzen, Ihr findet Eure grad mehr als offensichtlich. Und anstatt endlich einmal zu erkennen, jammert ihr noch mehr, wem ihr noch alles wehtut."
Er schüttelte sie ein wenig. "Verdammt, Darna. Hört endlich auf, Euch über alle Welt, nur ja nicht über Euren Schmerz Gedanken zu machen!"
"Ich weiß nicht, wie ich ihn loswerde...", stammelte sie ohne Nachdenken.
Er zog sie energisch auf die Füße.
Dann drehte er sie zum Meer. Für einen Moment dachte sie, er wolle sie hineinstoßen.

"Nein was, ich werfe Euch schon nicht ins Meer, ich will, dass Ihr es Euch anseht! Los sagt mir was ihr seht!", forderte er barsch.
Mit klappernden Zähnen fing sich ihr Blick nach kurzer Zeit an den Wellen, die am Ufer brachen.
"Von fern scheinbar ruhig...", meinte sie düster, "Es nimmt kein Ende. Immer wieder, neue Wellen, immer wieder... ich kann nicht mehr." Sie ächzte. "Sie reißen mir die Füße weg. Hoheit."
"Ja, weil Ihr nicht das Meer seid. Also hört endlich auf, Euch einzureden, Ihr könntet auch nur annähernd soviel aufnehmen wie dieses! Also los .. es wartet... und in Euch ist viel zu viel aufgestaut, um Euch nicht zum Platzen zu bringen. Werft es ins Meer, schreit es raus... es muss einmal raus, bei jedem von uns!
Da drin...", seine Hände ruhten weiter auf ihren Schultern, "ist längst zu viel Schmerz, es muss raus!"
"Ich will diese Wut nicht...", sträubte sie sich, "Himmels Willen, ich hab Viola... angebrüllt... und Hudgarr..."
"Aber sie ist da, und Wut hat etwas bösartiges in sich - sie mehrt sich, wenn man sie hineinfrisst. Das Meer kann viel aufnehmen .. auch das .. werft es von euch!"

Es war ein Unterschied, ob Eileen verlangte, daß man sich an ihr abreagierte. Es war ein Unterschied, ob Adrian ihr ein Ventil anbot und als Freund in ihrer Nähe geblieben wäre - oder als Freund ging, als sie ihn darum bat. Sie konnte es nicht verwinden, sich eine solche Blöße zu geben. Das Meer anschreien...
Das war doch albern, oder? Ratlos sah sie sich um. Mitten in der Nacht. Ihre Wut rausbrüllen? Und worüber nun genau? Ihr Blick fing sich an den dunklen Schemen, die das Kloster in die Nacht zeichnete. Davor war der Weg. Davor hatte sie der Bote... abrupt dreht sie sich um.

Zu den drei Personen, die vor dem Klostertor auf Darna warteten, wehte der Wind nur leicht verzerrt mehrere Worte herüber. Manche mochten eine Bühnenrednerin an der Ritterin verloren sehen - man verstand herrlich klar artikuliert jedes Wort:
"ICH REISS DIR DEN ARSCH AUF, LUZCILLA UND DEIN WIDERLICHES FALSCHES LÄCHELN VOM GESICHT, HÖRST DU?! DU MIESES, DRECKIGES MISTSTÜCK! ICH KRIEG DICH, GÖTTERVERFLUCHT UND DANN GNADE DIR..."
Kurz verstummten die Worte - sie dachte wohl nach, wer Luzcilla noch beistehen sollte. Dann setzte das Gebrülle neu ein: "DIR HILFT DANN GAR NICHTS MEHR, VERDAMMT NOCH EINS, DAS SCHWÖR ICH DIR! DU MENSCHENVERACHTENDE BESTIE!
ES REICHT!!! HÖRST DU, ES REICHT!"
Das kehlige Grollen konnte man nicht bis zum Kloster hören, doch die Lady war noch nicht fertig:
"Und lass deine" - es wurde rasch wieder lauter - "WIDERLICHEN AASGEIERFINGER VON ADRENALON, ODER ICH HACK SIE DIR AB!"
Stille.
War das alles?
"DÄMLICHER KAROTTENSAFT!"

"Und, geht es nun besser?", fragte seine Hoheit freundlich. Ihr war kalt. Sie fühlte sich komisch.
"Glaub... schon."
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 22 Nov 2006 02:25    Titel:
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tolle Wut

Sie mochte die Rehjagd. Wirklich. Und nein, sie würde sich dieses Vergnügen jetzt sicher nicht wegen des heutigen Tages verleiden lassen. Aber in just diesen Momenten, wo sie auf ihren Jagdspeer gestützt und von einem skeptischen Blick Cassians begleitet zu ihrem Gästezimmer im Kloster humpelte, hatte sie von diesem Ausritt die Schnauze gestrichen voll.

"Nein, wie kann ich nur auf die infame Idee kommen, einen Kerl in Knochenmaske, Knochenhandschuhen, dunkelvioletter Robe, schwarzem Stab und aus der Hand tropfendem Blut für einen Kra'thor-Kultisten zu halten?!", dachte sie zynisch und öffnete mit zusammengebissenen Zähnen die Tür.
"Ich hätte ihn einbuchten sollen. Ich hätte... grrr, es kann doch wirklich nicht wahr sein, daß ich in solche Situationen reingerate, wenn ich mein Schwert mal nicht griffbereit umgehängt habe?"
Sie setzte sich auf die Bettkante und atmete zittrig durch. "Ach, hätte doch auch nichts genützt, was wollte der Kerl eigentlich? Tut sich Himmel-wer-weiß-wie-wichtig und versucht mit dir im varuner Wald Ratespielchen zu spielen und einen auf geheimnisvoll zu tun. Sein Name sei ja nicht so wichtig, klar, sicher... braucht auch einen Moment Bedenkzeit, um auf klare Fragen dann immernoch keine klaren Antworten zu geben...
Ich sollte mir allerdings vielleicht abgewöhnen, in Lederrüstung Gardeaufgaben durchsetzen zu wollen."

Nachdenklich hielt sie eine Weile einfach inne, stumpf auf den Tisch sehend. Vermutlich war das, was sie erreicht hatte - beritten mit vorgehaltenem Speer ihn vom Boden der Grafschaft zu eskortieren - das Beste, was sich in ihrem Zustand und mit solchen Personen anfangen ließ.
"Schaumschläger. Theradil Morian, wenn das nun sein richtiger Name war... ob es die Mühe wert ist, sich überhaupt umzuhören, wer der Kerl sein soll?"
War das nun doch ein Krieger gewesen? Ein Magiebegabter oder Priester würde wohl keine Plattenhandschuhe anziehen - welcher Wahn ihn auch immer dazu getrieben haben sollte, das zu tun. Die Bewegungen hatten dann aber wenig routiniert ausgesehen.
"Absteigen und mich mit ihm 'duellieren'... ja sicher." Sie schüttelte zu sich den Kopf. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam ihr das alles wie ein Pokerspiel vor, bei dem beide Spieler nach bestem Vermögen geblufft hatten. Sie hatte es sich nicht leisten können, mit dem zunehmend schmerzenden Bein abzusteigen und ohne ihre vernünftige Rüstung nebst Bewaffnung sich irgendwas zu versprechen. Aber vor so einem Maulhelden auf "ihrem" Grund und Boden etwas wie einen Rückzieher machen? Sicher nicht, bevor es nicht absolut Not täte.

Mit einem Zischen zog sie den linken Stiefel aus. "Verflixt", entfuhr es ihr leise. So wild hatte es erst gar nicht gewirkt, als die Zähne dieses durchgedrehten Wolfes ihren Stiefel und das Trolleder darunter durchdrangen. "Ist doch noch gar nicht so schlimm Winter, daß die Reiter anfallen müssten? Blödes Vieh", dachte sie verärgert und besah sich mit verzogenem Gesicht die geröteten Wundränder.
Naja. Ausspülen, verbinden, was sollte sonst zu tun sein. Ärgerlich. Doch inzwischen fühlte sie sich auch ausgelaugt und müde.
"Ich hasse solche Begegnungen", murmelte sie seufzend und zog die Bettdecke über sich, als sie sich schlafen legte.
"Welche? Den Wolf oder den störrischen Wichtigtuer?
Beide."


Irgendwann, viel zu spät am nächsten Tag weckte sie das widerlich schmerzende Bein. Und heiß war ihr, alles verschwitzt...
"Och nö, ich hab mir jetzt in diesem ewigen Regen nicht doch noch eine Erkältung draußen eingefangen, oder? Ich darf ja wohl gar nicht mehr raus..." Einen mauligen, geschmerzten Laut von sich gebend, sank sie zurück in das Kissen.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 25 Nov 2006 17:19    Titel:
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Auftauchen...

Die Krankheit auskuriert. Sie hatte Hudgarr gebeten, ihr mitzuteilen, wenn er den Eindruck gewann, daß die Männer ihr nicht mehr vertrauten, doch sie hoffte auf ihr Gefühl, daß dem nicht so war.
Es war... seltsam, zu spüren - ganz greifbar und wahrhaftig zu spüren - mit welcher Selbstverständlichkeit ihr tatsächlich verziehen wurde, daß sie nicht perfekt war. Sie war krank gewesen, man folgte ihren Befehlen, doch man folgte ihnen auch nicht völlig blind.
Sie hatte einmal vor dieser Macht Angst gehabt... wer sie aufhalten solle, würde sie sie mißbrauchen?
"Du brauchst keine Angst zu haben", lautete die schlichte Erkenntnis. "Sie folgen ihrem Herzen, das dir folgt, solange es gerechtfertigt scheint."
Ruhe und Raum, sich aufzurichten und mit Umsicht und Gelassenheit dieses Vertrauen zu verdienen.

"Es war mal selbstverständlich gewesen, nicht? Das ist es nicht mehr. Es scheint fast beschämend und absurd, daß es neu gelernt werden muß... Ein Teil Unschuld, der verloren ging. Vielleicht ist es eben einfach so. Wie das Kind, das verlernt, vorbehaltlos zu geben und zu nehmen... und genauso neu lernen muß. Es lässt sich wiedererlangen. Steh auf."
Sie ahnte, daß noch vieles vor ihr lag. Sie wusste noch nicht genau wie, doch sie wollte diese Erfahrung irgendwie umsetzen, sie sich bewusst machen - nicht einfach nur überstehen, sondern gezielt aus ihr lernen. Noch würde dies Konzentration erfordern, die sie nicht übrig hatte, es war auch noch nicht abgeschlossen... einiges lag noch offen.

"Auch, wenn sich meine Umgebung beruhigt, werde ich nicht wieder so blind sein, darüber meine eigenen Wünsche zu vernachlässigen."
Sie würde noch mit der Heiligkeit sprechen müssen. Sehr vage bildete sich in den letzten Tagen das Gefühl, daß das Schwert an ihrer Seite darauf wartete, einen Namen zu verdienen. Es war nicht mehr einfach nur ein Gegenstand, doch was es war, würde vielleicht mit diesen seltsamen Träumen zusammenhängen?

Doch diesen Abend nicht. Heute Abend war alles nur wundervoll einfach.
"Manche Lösung wurde schon im Lichte ihres erkennbarsten Symboles in dieser Welt gefunden", hatte ihre Heiligkeit gesagt. Etwas, was Darna Adrenalon so nicht mitgeteilt hatte - er sollte selber erfahren. Und...

Sie hatte ihn noch nie so gesehen. So staunend verzückt, so selig, zufrieden. Nach all dem Kummer, all der Verzweiflung schien hier alles von ihm abzufallen wie eine zu weite, lästige, düstere und falsche Theatermaske.
Sie sah ihn an. "Du hast dich mal gefragt, ob du einen Mörder lieben darfst, nicht? Das hier ist, was an Wahrheit von ihm übrigbleibt. Das hier ist die Antwort."
Sie lächelte und zog sich behutsam zurück, die beiden einander überlassend. Es würde alles gut werden.

Sie sah sich um. Sah auf die Wiese, wo im wundervollsten allen Lichtes behütet eine Gestalt wie neu geboren saß. Sah die Arkadengänge längs, die Säulen... die Ruhe, die zwischen ihnen lag. Draußen eine Welt, die...
"...die auch ohne dich überleben kann, Darna."
Mildes Lächeln. "Ja. Ist doch gut so."
Versonnen wanderte der Blick. Es würde alles gut werden. Für einen Moment schien alles fast unwirklich, als beobachte sie einen eigenen Traum. So fühlte sich die Welt also an, wenn sie nicht mehr da wäre - oder wenn etwas wie sie überflüssig wäre, einfach weil es sie nicht brauchte.
Nichts, was es in diesen Momenten dringend brauchte, nichts, was als sinnvolle Beschäftigung auf sie zu warten schien. Für einige Momente wusste sie nicht, wohin mit sich. Wollte sie darüber etwa unzufrieden sein? Das Lächeln blieb. "Nein, sicher nicht. Wir kämpfen für eine Welt, in der es uns nicht braucht, nicht wahr?
Und was machst du - jetzt, wo es gerade so ist?
Hm..."


Die Ruhe prickelte auf der Haut, als sie hinausging. Kein besorgter Blick von Cassian, als sie die Mauern des Klosters verließ und ihr Pferd sattelte. Keine Rüstung, auch wenn sie noch nicht sicher wusste, wohin sie wollte.
"Was willst du überhaupt?
Ich wäre gerne bei ihm. Aber er wird diesen Raum jetzt für sich brauchen. Das ist schon gut so."

Was fing man mit dem Gefühl an, überflüssig zu sein? Ratlos blinzelte die Ritterin, als das Pferd unter ihr auf Anweisung wartete, die übliche sichere und zielstrebige Lenkung fehlte. Sandsturm war es nicht gewohnt, daß man ihm die Zügel locker ließ - ja, Pferd und Reiter glichen sich häufig.
"Mangelt es an Demut, dich mit der Situation gerade abzufinden?"
Auf einmal war ihr mit sachter Klarheit bewusst, daß die Zeiten zurückgekehrt waren, wo sie in Lagen wie dieser Obhut bei einem der Schreine fand.
"Ich möchte bei ihm sein, ohne ihm den Raum zu nehmen. In seiner Nähe sein, ohne in seiner Nähe sein zu müssen." Wie paradox.

Doch am Symbol des Herzens fand sie, was sie selber suchte.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 27 Nov 2006 20:44    Titel:
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Seite an Seite

Die Totenkapelle der Königin, ein zugemauertes Zimmer in Rahal, die Kirche in Varuna, die Schreine Temoras, die Kirche ihres Klosters... die Orte wechselten. Die Worte blieben gleich, Tag für Tag:
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit knie ich nieder,
um zu bitten um alles, was gut ist.
Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit erhebe ich mein Antlitz,
um meine Augen zu öffnen für alles, was wahr ist."
Auch die Gesten fast jedes Mal dieselben - schmerzlich die Tage, an denen sie bei den nun folgenden Worten nicht die Klinge hätte ziehen und vor sich legen können, den Griff von sich fort weisend, symbolisch der Göttin dargeboten. Hier, heute, in der Kirche des Klosters erfolgte diese Handlung mit der gewohnten Selbstverständlichkeit.
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit entbiete ich mein Schwert,
um zu streiten für alles, was recht ist.
Dein Licht erhelle mein Herz, dein Wort erfülle meinen Geist, deine Macht erhebe meinen Arm, der..."

Sie stockte, als sich in ihr Bewusstsein drängte, was sich seit wenigen Lidschlägen schräg unten vor ihr abspielte, während sie zum Temorakreuz über sich gesehen hatte:
Ein leichtes Glühen überzog die Klinge.

Ein bißchen wurde ihr schwindelig vor Überraschung. Himmel, was war jetzt los? Sie schluckte - sicher gebührte es der Göttin nicht, ausgerechnet jetzt deswegen ihr die restliche Ehrerbietung zu verweigern. Sie versuchte, mit Nachdruck weiterzusprechen, doch es kam etwas stockend:
"...der in Treue fechten soll für alle, die seiner bedürfen."
Wahrheit, in jedem einzelnen Wort. Wahrheit, die selbst die Grenzen dessen sprengte, was sie als sterbliches Wesen zu leisten imstande war - doch Tag für Tag betete sie für diese Dinge: Daß sie die Wahrheit sähe. Daß sie das Schwert ziehe und in Temoras Sinne für Recht und Ordnung streite, eine Hilfe wäre für jene, die ohne Schwert hilflos sein müssten. In einer perfekten Welt würde es sie nicht brauchen und dies war der Grat, auf dem sie wanderte.
Blinzelnd sah sie eine Weile das Schwert an, das sanft weiter vom Licht umspielt blieb, so unendlich kostbar schien.
"Nicht loslassen!", echote es durch ihre Gedanken aus all den Träumen, die sich um die Bedeutsamkeit eines einzigen Schwertes gesponnen hatten.

Sie hatte dieses Schwert losgelassen, hatte in entscheidenden Momenten es aus der Hand gegeben, gezwungen oder freiwillig. Sie hatte dafür gekämpft, es tragen zu dürfen und hatte es jedes Mal neu gewonnen.
In einer perfekten Welt würde sie es nicht tragen müssen.
Doch die Welt war nicht perfekt...
Ihr Herz pochte wie wild, auch wenn sie ihren Atem zur Ruhe zwang.
"Herrin Temora, im Lichte deiner Gerechtigkeit..."
"Ist es dieses Licht? Es ist wunderschön."
"...danke ich dir für diesen Tag."

Als sollten Waffe und Trägerin als eine Einheit verbunden werden, breitete sich das Leuchten vom Schwert auf sie aus, umhüllte auch die Ritterin. Ein zittriges Ausatmen hätte nun doch die Überraschung für jeden klar bemerkbar gemacht, doch war die Kirche sonst leer. Fassungslos sah Darna das Schwert an, ihr Blick ruckte zum Temorakreuz hoch und senkte sich dann rasch, in demütiger Geste das Haupt neigend.
"Was geschieht hier?"
Unbeholfen zog sie das zweite Bein nach, daß sie auf beiden Knien ruhte, für ein paar Momente wagte sie nicht mal, zu atmen. "Was geschieht hier?", hämmerte es immer wieder durch ihren Kopf, doch sie bekam keinen klaren Gedanken zustande. Musste sie irgendwas tun? Weiterbeten? Ihre Sünden bekennen? Musste sie irgendwelchen Dingen schwören, abschwören? Hilfe? Eine Flut von Bildern, Eindrücken, Wortfetzen von Gebeten, Tugenden, Erkenntnissen, Irrtümern, Lehren, rauschte wie ein nicht greifbarer Sturm durch ihre Gedanken, wie altes Laub, das ein warmer Herbstwind spielend durcheinenderpustete.

Für einen Moment schien sich im Licht der Klinge das Antlitz einer weiblichen Gestalt zu zeigen...
"Ich träume." Rafael hatte irgendwie mal was hierzu gesagt, sie stolperte in diesen Gedanken rein, denn er war zu vertraut. Dieses Mal war das Schwert klar zu sehen, sonst in den Träumen war es die Waffe selber, die wie nun dieses Antlitz unklar zu erkennen war, kaum zu erfassen und mit dem nächsten Lidschlag verschwunden wie ein Trugbild, eine Täuschung der Sinne.
Sie hatte diese Art der Nähe aber schon mal gefühlt: am Schrein der Aufopferung, als die zerstörte Glocke neu erklang. Mit dem Bewusstwerden dieses Umstandes und der Erinnerung an die ergreifende Schönheit dieses Momentes kehrte auch eine tiefe und unerschütterliche Ruhe wieder. Dieses Licht...
"Laß warm und still die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht."
Ihr Blick blieb auf die Waffe geheftet, während sie ergriffen weitersprach:
"Führ, wenn es sein kann,
wieder uns zusammen..."
Das Zittern war nicht zu verleugnen, als ihre Hand zum Schwertgriff wanderte. "Nicht loslassen." Ein warmes Gefühl von Geborgenheit, das ihr die Klinge bei der Berührung schenkte. Reinheit. "Es liegt in uns, was wir damit tun. Hier und jetzt ist diese Waffe vollkommen, nichts, was sie dir nehmen soll."
Dankbar schloß sie die Augen, auf die bebenden Lippen legte sich ein Lächeln.
"Wir wissen es: dein Licht scheint in der Nacht."

Ja - dies war Wahrheit.
Sie musterte jedes Detail des Schwertes, als sähe sie die Waffe neu oder zum ersten Mal: die Parierstangen, auf denen die Formen von Hirschgeweihgabeln aufgebracht waren, die winzige Nachbildung ihres Wappens in die Fehlschärfe eingraviert, auf dem Knauf das Symbol des Reichslöwen... und die Klinge. Schlichte, strahlende Schönheit, diamantene Schärfe, von der Macht Temoras erhoben und geehrt.
Die Waffe sollte zu ihr gehören. An ihrer Seite sein. Sie und andere schützen, gemeinsam würden sie eine Einheit bilden. Waffe wie Trägerin glichen sich darin, daß sie sich als Werkzeug dargeboten hatten, Hilfe wie Bedrohung sein konnten - und sie waren akzeptiert, angenommen worden.
Im Strudel der Gefühle spürte sie es mehr, als zu sehen, wie in einem flüchtigen Eindruck sie vor einem Spiegel stand, Luzcilla als ihr dunkles Gegenüber. "Dunkle Schwester." Luzcilla wollte sie zu ihrem Werkzeug machen, ihrer Waffe, Darna auf ihre Seite ziehen.
Der Name ihres eigenen Schwertes so klar, als wäre er schon immer da gewesen, doch erst nun gefunden. "Verborgen, doch nicht versteckt." Der Name ihrer Klinge war, was die Ritterin wählte, an ihre Seite nahm und selber sein wollte, voneinander trennbar dennoch eine Einheit:

"Lichte Schwester"
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