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Saheeb Masari - Salz und Familie
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 26 Jan 2006 21:57    Titel: Saheeb Masari - Salz und Familie
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Saheeb Masari war ein relativ junger, ansehnlicher Mann, stattlich, aber dennoch Durchschnitt für einen Menekaner. Von klein auf war er recht frech gewesen, hatte mit seinen Brüdern und Freunden viel Unfug betrieben und allerhand angestellt. Sie hatten dort in einem Haus einen Kuchen mitgehen lassen, da eine kleine Schlägerei angezettelt und hier wieder beim Herumtollen ein paar der älteren Menekaner angerempelt. Saheeb war nie der Anführer ihrer kleinen Bande gewesen, aber das minderte seine Abenteuerlust und seinen Drang, Unsinn anzustellen, in keinster Weise.

Saheeb war der Zwillingsbruder von Zaina Masari, und genau wie sie damit ein Sohn von Fateen und Yasemeen Masari. Er war ein Junge unter vielen der Familie und tolle häufig mit seinen Halbbrüdern herum, machte Unsinn, wie schon erwähnt, oder saß auch einfach mal nur am Strand von Menek'Ur und aalte sich in der heißen Sonne.

Faszinierend fand Saheeb seit jeher die Salzmine der Menekaner. Dieses weiße Gold, die Tränen der Eluive, die so rein und unschuldig glänzten im Licht der Kerzen und im Licht der Sonne, das Salz der Menekaner faszinierte ihn von dem Augenblick an, da sein Vater, ein Salzschürfer und daher nicht gerade armer Mann, ihn mit in den Berg nahm. Als kleiner Junge noch war er immer mitgegangen und hatte verträumt und wie bezaubert die Wände angestarrt, hatte das Salz miz seinen Händen befühlt und so über die Jahre eine Bindung zu dem weißen Gold geschaffen, die er nicht für mögich gehalten hätte. Noch vor seiner Schulzeit hatte ihm sein Vater auch einige der grundlegenden Schürftechniken beigebracht und ihn ab und an auch mal die Picke schwingen lassen.

Auch erinnerte er sich noch an seine Schwestern, Zaina, Aalina und Amira. Vor allem an Zaina und Aalina. Er konnte sich noch genau an einen dieser Tage erinnern, als er wieder einmal mit seinen Freunden durch die Stadt spaziert war. Zaina und Aalina mussten ihnen gefolgt sein, auch wenn sie es nicht bemerkt hatten, scheinbar recht interessiert an den Dingen, die man eben so bespricht, wenn Jungens unter sich sind. Und als sie schließlich auch über die Größe unter Männern zu sprechen kamen und wie es wohl mal wäre mit einer Frau, kurz, Gespräche, wie sie vor allem unter Jungs in dem Alter normal sind, konnten die beiden sich einfach nicht zurückhalten. Die Jungs fanden es wohl sehr amüsant - Saheeb eher weniger, als er sich anhören musste, was die beiden Schwestern kichernd und gackernd über ihn und ihre Ansicht seiner Dinge zu berichten hatten. Woraufhin die beiden Mädchen auch nichts mehr zu lachen hatten - kurzerhand schleifte er sie beide zum nächsten Wasserfass, steckte sie hinein und nagelte den Deckel zu. Das ganze war so unbequem für die beiden, dass ihr Vater kommen musste, um sie herauszuschneiden.

Die Haue, die Saheeb dafür bekam, würde er wohl nie wieder vergessen. Und als wäre es der letzte Streich seiner Jugendzeit gewesen, begann kurz darauf auch schon seine Schulausbildung. Nicht lange währte sie, vielleicht vier oder fünf Jahre. Er lernte in dieser Zeit alles, was er brauchen würde, Lesen und Schreiben, er lernte die Handelssprache in Auszügen, bildete sich in seiner Heimatsprache weiter, lernte Den Umgang mit Zahlen und Preisen und - was das wichtigste war! - die Kunst der Rede. Handeln und Feilschen, die Fähigkeit, andere Leute mit der eigenen Rede und den eigenen Worten zu überzeugen, würde ihm viele Probleme ersparen und noch viel mehr Gold einbringen.Saheeb sah den Wert dessen, was man ihm beizubringen versucht war, konnte aber nicht umhin, sich mit seinen Halbbrüdern und Freunden ziemlich zu langweilen in der Schule. Aber auch diese Zeit ging vorüber und er verließ die Schule als klügerer Mann als zuvor.

Er ging nun häufig mit seinem Vater in die Mine, übte fleißig das Salzschürfen, mahlte die rohen Salzkristalle zu feinem Salzmehl, lagerte es trocken und lernte auch, es als das zu schätzen, was es war: ein Geschenk Eluives an die Menekaner, das ihnen Reichtum verschaffen sollte. Aber auch ein kostbares und heiliges Gut, mit dem man nicht leichtfertig umging. Häufig stand er nun auch alleine in der Mine, arbeitete bis spät in die Nacht und musste zum Teil sogar heimgeholt werden, ehe er dort übernachtete. Dabei war er nicht immer nur am Salzschürfen. Zeimlich oft konnte man ihn auch beobachten, wie er einfach nur an eine Salzwand gelehnt dastand, die Picke neben sich gelehnt, und in die Mine blickte. Dabei hatte er wieder genau den gleichen, kindlichen Blick mit den großen Augen, den er als kleines Kind gehabt hatte, als sein Vater ihn das erste Mal mit in die Mine genommen hatte. Die Mine war sein Leben, auf eine gewisse Weise.

Dann kam die Sache mit Zaina. Sie war plötzlich verschwunden, niemand wusste, wo sie war, keiner hatte sie gesehen. Es hatte einen Zwischenfall gegeben bei einem Tanz, sie war rausgerannt - und seitdem nicht mehr aufzufinden. Zaina war seit jeher Fateens Lieblingstochter gewesen. Sie alleine durfte ihn begleiten zum Salzschürfen von allen Töchtern. Ihr erlaubte er im Grunde, den Jungen beim Unterricht zuzusehen. Als sie weg war, geriet Fateen in Wut zugleich aber auch in Trauer. Auch Saheeb war in Trauer, er mochte Zaina wie keine andere seiner Schwestern. Gut, Aalina und Amira waren auch zwei goldige Mädchen, aber mit Zaina verband er noch etwas anderes, innigeres. Sie war seine Zwillingsschwester, das spürte er. Aber zu seiner Trauer musste er auch noch die Wut und den Zorn seines Vaters aushalten. Einige Zeit hielt er das durch, bis es ihm zuviel wurde. Mit 21 Jahren blieb er immer häufiger von zuhause weg, schlief bei der Mine oder bei Freunden, vergnügte sich anderweitig. Mit 22 schließlich kam er gar nicht mehr nach Hause, spazierte immer häfugier am Rande der Wüste entlang und suchte sich selbst. In dieser Zeit suchte er den Weg in sein Inneres und seine eigene Kraft. Und als er sie nach einem Jahr gefunden geglaubt hatte, kehrte er schließlich wieder zurück - nach Menek'Ur, der goldenen Stadt in der gelben Wüste.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 01 Feb 2006 00:10    Titel:
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Kaum hatte er auch nur die Grenze der Stadt erreicht, liefen ihm Menekanerinnen über den Weg. Menekanerinnen, wie es sie schönere kaum gab - braun gebrannt, mit eleganten und fließenden Bewegungen, hübsch und schön, wie jeder Menekaner das Weibliche der Insel liebt. Erst auf den zweiten Blick erkannte er die Bedrohung, die hinter den liebreizenden Erscheinungen zu stecken schien.

Denn das nächste, was ihm geschah, war, dass sich zwei Arme um ihn schlangen und ihn halb erwürgten. Er kannte diese ganz besondere Art, mit der ihn nur eine auf der ganzen Insel zu begrüßen wusste, und seit langer Zeit hatte er diese Begrüßung verschmerzen müssen. Und doch trafen ihn gemischte Gefühle, als er sich herumdrehte und nach scheinbar endlosen Jahren Zaina, seine Zwillingsschwester, wieder zu Gesicht bekam.

Sie war wunderschön geworden, daran bestand kein Zweifel. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie noch ein halbes Mädchen gewesen und hatte dennoch schon manchem Manne den Kopf zu verdrehen gewusst. Nun war sie eine erwachsene und selbstbewusste Frau, schön, zierlich - vielleicht ein oder zwei Köpfe zu klein, aber dafür umso frecher. So kannte er seine Zwillingsschwester, und so mochte er sie. Und er mochte sie wirklich! Von all den Schwestern und Halbschwestern, die er je hatte, war ihm Zaina doch immer die Liebste gewesen. Und das hatte er sie auch mehr als einmal spüren lassen. Die Geschichte mit dem Wasserfass war nur der Höhepunkt einer Verehrung gewesen, die er seiner Schwester zukommen ließ.

Und doch fühlte er sich so fremd. Seine Schwester war groß, erfahrener als er, kannte sich besser aus. Er selbst hatte sich schon in den letzten Jahren kaum mehr um seine Heimat gekümmert, die Leute dort... er hatte seine Freunde vernachlässigt, hatte seine Brüder nicht mehr getroffen und auch mit seinen Schwestern nicht mehr gesprochen. Seinem Vater war er aus dem Weg gegangen. Zuletzt hatte er Menek'Ur den Rücken zugekehrt, zuviel Leid bargen die steinernen Mauern für ihn.
Nun war er zurück, doch die Heimat, in die er zurückzukehren gehofft hatte, war nicht mehr die gleiche. Seine Freunde - fort. Seine Brüder - man hatte nichts mehr von ihnen gehört. Sein Vater, seine Mutter - sie lebten zurückgezogen. Vermutlich wusste Fateen noch nicht einmal, dass sein Sohn wieder zurück gekehrt war. Die Schwestern, die er so lange nicht gesehen hatte, sollten ihren Platz einnehmen. Saheeb fühlte sich alleine, verlassen und fremd.
Natürlich mochte er Aalina, Amira, Zaina... und sie hatten ihn wieder willkommen geheißen. Hatten sie das? Hatten sie ihn nicht einfach nur begrüßt, weil er eben ihren Nachnamen trug? Ihr Blut? Was band sie eigentlich, außer einem Namen und einer Abstammung?

Zaina war geduldig gewesen, das stimmte. Sie gab ihm Kleider, eine Truhe für die Mine und führte ihn ein wenig ein in einer für ihn nun völlig fremden Stadt. Wieviel sich doch verändern konnte in so kurzer Zeit? Wieviel war schon ein Jahr? Doch wenn Saheeb die goldenen Mauern, die Ziegel, die Häuser aus Sand so betrachtete, überkam ihn nicht das alte Gefühl. Heimat. Es fehlte. Menek'Ur war ihm fremd geworden, seine Heimat war die Wüste.

Unabhängig. Er wollte sich loslösen von den anderen, wieder einmal. Ihm war die Fremde einerlei, er fühlte keine Bindung zu einer Stadt, in der er nicht groß geworden war. Doch, er war hier groß geworden. Aber es hatte sich alles geändert. Nicht nur Menek'Ur hatte sich geändert. Auch Saheeb war nicht der Alte, der kleine Junge, der er einmal war.

Noch immer pfiff er hübschen Frauen hinterher, redete gerne und lange mit ihnen oder begleitete sie zu einem Bad. Noch immer gab er sich brüderlich und verständnisvoll, versuchte, wieder eins zu werden mit den ganzen Fremden, den unvertrauten Gesichtern, den großgewordenen Schwestern. Aber es fiel ihm schwer. Lieber stand er in der Salzmine und schürfte das weiße Gold - sein Anblick hatte sich nicht verändert. Für das Salz verspürte er noch das gleiche wie vor den Jahren der Trennung. Ebenso für den Sand. Fremd war ihm die Stadt, fremd waren ihm vor allem die Menschen.

Er würde versuchen, wieder Anschluss zu finden. Er würde sich anstrengen, der Bruder zu sein, der er die letzten Jahre einfach nicht sein konnte. Er nahm es sich fest vor.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 01 Feb 2006 19:58    Titel:
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Der Emir... verjagt? Geflüchtet mit den treuesten Anhängern, die noch zu ihm standen?

Saheeb war häufiger in der Mine zu Berchgard anzutreffen, als ihm lieb war. Der heilige Berg im Land der Wüste bot ihm nicht alle nötigen Materialien, die er für seine Arbeit brauchte - vor allem das schwarze Gestein, oder Kohle, wie die Bewohner der Insel es nannten, hatte es ihm angetan. Er brauchte es dringend, um den Quarzsand, den er im Sand häufig fand, einzuschmelzen. Er brauchte es dringend, um Eisen und Kupfer zu schmelzen, Stoffe, mit denen er zumindest in der Lage war, Werkzeuge und Kleinigkeiten zu schmieden.

Die Reise nach Berchgard aber kostete ihn jedes Mal ein halbes Vermögen. Mit nur einer handvoll Goldstücke war er nach Hause zurückgekehrt und wollte dort leben. Einen Auftrag hatte er bekommen, 5 Säcke mit rohem Salz und 5 Bündel mit Flaschen sollte er fertigen. Das Salz war kein Problem, er würde lange Zeit in der Mine stehen müssen und das kostbare weiße Gold schürfen. Doch die Flaschen? Den Sand hatte er schnell beisammen, er war eifrig und fleißig bei der Arbeit. Kein Wunder, immerhin war der Auftraggeber eine hübsche attraktive Frau - eine von Saheebs großen Schwächen. Aber um den Sand zu schmelzen musste er einige Male nach Berchgard und wieder zurück, denn schwer waren die schwarzen Brocken und beschwerlich das Schmelzen des Sandes.

Der Kapitän des Schiffes, mit dem Saheeb die Überfahrt nach Gerimor antreten musste, wusste, wie man andere hereinlegt. In dem Bewusstsein, dass sein Schiff die einzige Verbindung zu anderen Insel darstellte verlangte er horrende Preise für die Schifffahrt. Und Saheebs Goldbeutel wurde kleiner und kleiner. Die Kutschfahrt hätte er sich sparen können, hätte er den Weg nach Berchgard gewusst. Er wusste ihn nicht, was seinen Goldbeutel zum weinen brachte.

Nun stand er in Berchgard, schürfte sich Hände und Arme auf bei der beschwerlichen Arbeit im Stollen und sammelte allerhand Erze und Kohlebrocken. Gerade, als er wieder einmal die örtliche Schmiede verließ, um seine frischen Eisenbarren ins Lager zu bringen, stand Madeeha vor ihm. Die bezaubernde Kundin, für die er so lange in Berchgard schuftete.

Er freute sich, sie zu sehen. Genau genommen machte sein Herz einen kleinen Sprung. Mit einem amüsierten Lächeln nahm er dies war - war es die pure Freude, ein anderes Kind der Wüste hier zu sehen? Oder war es eben diese hübsche Tochter der Wüste? Nein, er hatte sich solche Gedanken zu verbieten. Sachlich bleiben, Saheeb!

Zurück zur Geschichte. Madeeh schien sichtlich erleichtert ihn zu sehen, vor allem, ihn unversehrt und in einem Stück zu sehen. Das verwirrte Saheeb nun mehr als nur ein bisschen. Die schweren Barren ins Gras legend ließ er sich von ihr berichten, was vorgefallen war.

Der Emir? Geflüchtet? Verjagt aus seinem Reich? Von Verrätern in den eigenen Reihen?

Saheeb wollte seinen Ohren nicht trauen. Der EMIR! Madeeha meinte, nur Menekaner aus den Häusern Masari, Yazir und Bashir seien dem Emir treu gefolgt. Vor allem das Haus der Ifreys musste Verrat begangen haben. Das Haus der Ifrey... Wo war der Emir? In Sicherheit? Wieviele waren sie?

Dann erst kam ihm sein Haus in den Sinn. ZAINA! AALINA! AMIRA! Wo sind sie? Sind sie wohlauf? Sie sind doch nicht unter den Verrä... nein, niemals. Jeder, nicht seine Schwestern. Dennoch war er erleichtert, seine Vermutung von Madeeha bestätigt zu wissen. Er würde zum Emir stehen. Zu seinem Haus. Er würde seinem Haus Ehre bereiten und mit kühlem Kopf und Verstand handeln - etwas, dass die Verräter vor langer Zeit beseite gelegt haben mussten. Nur einer regiert die Menekaner - der Emir.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 01 Feb 2006 20:37    Titel:
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Wieder stand er alleine in der Mine zu Berchgard. Wieder wusste er nicht, wohin der Emir, seine Schwestern, alle verratenen Menekaner hingebracht worden waren.

Mit festen, wuchtigen Schlägen führte Saheeb die schon halb verschlissene Spitzhacke über den Kopf und ließ sie dann mit Kraft in den steineren Boden fahren. Nach einigen Schlägen bis tief in die Erde und ein wenig Aufstochern lagen die Gesteinsbrocken wie ein kleines Museum vor ihm. Andächtig legte er die Hacke beiseite, vorsichtig, aber dennoch hastig. Dann kniete er sich ohne Rücksicht auf das teure Gewand, das seine Schwester ihm gegeben hatte, in den Dreck der Mine und begutachtete die Steine.

Da! Der war tiefschwarz, das konnte ein Kohlebrocken sein! Nein... doch nur ein Stein, den man im Dunkel des Stollens kaum erkennen konnte. Und hier? Glänzte dieser Brocken nicht metallisch? Doch nur ein Stein, der seltsam den Schein einer fernen Lampe widergespiegelt haben muss.

Wieder und wieder sortierte er wertlose und unbrauchbare Brocken aus dem Geröllhaufen. Manchmal kamen ihm auch wirklich Kostbarkeiten unter, hier ein großes Stück Kohle, das er beinahe übersehen hätte im Dunkeln, da ein schweres Stück Erz, scheinbar aus einer Ader herausgeschlagen. Sorgfältig säuberte er die Fundstücke vom Dreck, soweit es mit den Händen eben ging, ehe er sie in einen kleinen ledernen Beutel steckte. Der Beutel war abgerissen, an manchen Stellen aufgescheuert - man sah ihm deutlich an, dass Saheeb häufiger seine Fundsachen darin deponiert hatte. Nachdem alle Fundstücke verstaut waren, schnürte er den Beutel mit einem kleinen Seil wieder zusammen und hängte ihn an seinen Gürtel. Wieder verwertbares Metall für seine Arbeit gefunden.

Während er so monton seine Arbeit fortsetzte, hier den Boden aufgrub und einige Brocken mitnahm, dort wieder nur wertloses Gestein herumliegen ließ, schoßen ihm die Gedanken nur so durch den Kopf.

Was bedeutete das eigentlich für ihn, dass der Emir nun hier auf Gerimor gefangen saß? Der Graf höchstselbst hatte wohl die anderen mit sich genommen. Saheeb war absichtlich nicht mitgegangen, er brauchte seine Ruhe, brauchte die Mine, um sich abzureagieren. Nun hatte er endlich den Kopf wieder frei, konnte seine Wut und seinen Zorn ebenso wie seine Enttäuschungen einfach in die Schläge seiner Picke legen und damit im Boden versiegeln.

Der Emir, fernab von der Heimat. Seine Schwestern, sein ganzes Haus, das Haus der Masari, hielt ihm treu die Gefolgschaft. Was war eigentlich in den letzten Tagen nicht alles passiert?

Vor einer Woche hatte er das selbstgewählte Exil verlassen. Vor einer Woche war er zurück gekehrt aus der Wüste. Was hatte er eigentlich erwartet? Dass man ihn freudestrahlend empfangen würde? Ein heimgekehrter Bruder aus dem Exil? Dass er spannend wäre? Interessant?

Seine Heimat hatte sich verändert, das hatte er in den ersten Minuten seiner Ankunft gespürt. SEine Schwestern hatten sich verändert, die Leute, die in der Stadt der goldenen Sonne wohnten, hatten sich verändert. Aber er hatte damit gerechnet. Er selbst war anders geworden. Strenger mit sich selbst, aber häufig auch kindischer. Er hatte es eingerechnet, aber nicht vermutet, dass es ihn so treffen würde.

Und nun? Er war schon wieder im Exil. Diesmal zusammen mit dem einzigen Mann, den er je verehrt hatte, dem Emir. Dennoch, es war ein Exil, und wieder war er fort von seinem Zuhause. Vielleicht war es sein Schicksal, nicht mehr nach Hause zurück kehren zu können? Vielleicht war es sein Schicksal, ständig von seiner Familie und seiner Heimat getrennt zu bleiben.

Trübsinnige Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen und alsbald auch seine Arme und Hände lähmten. Plötzlich war er sich seiner nicht mehr sicher. War es die richtige Wahl gewesen, nach Hause zurück zu kehren? Ja... das war es wohl. Noch blieb ihm die Hoffnung.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 05 Feb 2006 22:25    Titel:
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Zaina hatte ihn gefunden, als er wieder einmal auf dem Weg in die Mine war. Besser gesagt hatte er sie gefunden. Noch genauer gesagt war er beinahe über sie gestolpert. Sie hatte sich gerade mit einer jungen Dame - sie hieß Alliestra, soviel erfuhr Saheeb kurz darauf - unterhalten und schien sogar so in ihr Gespräch vertieft, dass sie ihn nicht einmal bemerkte, als er beinahe vor ihrer Nase stand.

"Zaina... bist du es wirklich?" Erst jetzt bemerkte sie ihn. Sie wirkte aufgelöst... nein, nicht aufgelöst... eher unruhig... anders als sonst. Angespannt. Irgendwie nicht mehr die lustige und lebensfrohe Schwester, die er wieder kennen gelernt hatte und die er aus seiner Jugend kannte. Sie war ernster und reifer geworden. Wäre die Situation nicht so schlimm, er wäre stolz auf sie gewesen.

Auch Nadeeda war zugegen, hatte sich von hinten an die beiden "herangeschlichen" - nein, sie war ganz normal gekommen, hatte Saheeb nur argwöhnisch fixiert. Saheeb hatte sie nicht einmal bemerkt, so froh und zugleich nervös war er, seine Schwester wieder zu sehen. Er wollte wissen, wie es ihr geht, was sie macht, wo sie ist, ob der Emir in Sicherheit ist... Tausende von Fragen, Unsicherheiten, Ängsten und Wünschen. Die fremde Dame namens Alliestra fragte doch allen Ernstes, ob man ihm, Saheeb Masari, trauen könne! Saheeb Masari, ein Verräter? Wenn diese Frau noch einen Funken Ehre im Leib hatte, sollte sie...

"Sie hat mehr für uns getan, als du." - Kühl und klar legte Nadeeda die Fakten auf den Tisch. Und wie ein kalter eisiger Dolch durchzuckte diese Wahrheit ihn. Was hatte er für den Emir getan? Für die Menekaner? Er war ins Exil gegangen, ins selbsterwählte. Hatte dem Volk den Rücken gekehrt, um seiner eigenen Seele die Ruhe zu gönnen, die er brauchte. Er war nicht bei der Versammlung gewesen, er hatte in der Mine gestanden, um seinen Auftrag zu erfüllen, um wieder zu arbeiten, sich wieder einzugliedern in eine funktionierende Gesellschaft - die im gleichen Moment zusammen brach.

Diese Frau... er wusste nicht, was sie getan hatte für den Emir und seine Anhänger, aber sie genoß ihr Vertrauen. Zainas. Nadeedas. Und ihm? Sogar Zaina schien ihrem Zwillingsbruder zu misstrauen. Es erfüllte ihn mit einer Traurigkeit, die er nicht gekannt hatte - Nadeedas Worte waren schmerzhaft gewesen, ja, aber Zainas Unsicherheit über seine Loyalität brachte seine Seele zum Bersten.

Die Sache musste aus der Welt geschafft werden. Und das gleiche schien seine Schwester zu denken - für sie war nur eine Frage wichtig für diesen Augenblick: "Wie stehst du zum Emir?"

Eine einfache Frage. Für den Emir und für das Haus Omar, das von Saajiid abstammt und damit das führende Haus der Menekaner darstellt? Oder für die Verräter, die den Emir töten oder stürzen wollten? Saheeb war von Kindesbeinen an Loyalität zum Hause Omar gepredigt worden. Der Emir befiehlt, der treue Menekaner dient. Und Saheeb würde dem Emir dienen, und wenn seine ganze Familie, selbst seine Schwester gegen ihn stehen würden. Was blieb ihm also zu sagen?

"Der Emir ist ein Nachfahre des ehrenvollen Saajiid - muss man mehr sagen?" Ernst, ehrenvoll und mit einer überstolzen Stimme sprach er diese Worte. Mehr Erklärung hatte er nicht nötig. Und seine Schwester schien das genauso zu sehen. Sie nahm ihn etwas beiseite und erklärte ihm den Rest, das, was Madeeha ihm in der Kürze der Zeit nicht sagen konnte. Es war nicht viel Überraschendes, aber auch nichts Erfreuliches. Der Emir war in Sicherheit, soweit es eben ging. Und Zaina würde ihn zu den anderen führen, damit auch er bei den Treuen untergebracht war.

Wie würde sich alles entwickeln... das Volk der Wüstenkinder war gespalten und es schien keinen Weg der Einigung zu geben. Saheeb stand hier, auf dem Festland, verbannt aus seiner Heimat wie all die anderen, die hier im Kloster untergebracht waren. Auf Menek'Ur herrschten Verräter, Menekaner, deren Herz verdorben sein musste von einer bösen Kraft, anders konnte sich Saheeb diesen Frevel nicht erklären. Müde und erschöpft legte er sich in das Bett, und noch lange kreisten seine Gedanken wieder und wieder um den gleichen Punkte, bevor er in einen unruhigen und tiefen Schlaf fiel.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 08 Feb 2006 13:23    Titel:
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Tagelang nun schien die Lage unverändert. Und wieder stand Saheeb alleine in der dunklen und muffigen Mine zu Berchgard, in Gedanken versunken seine Arbeit verrichtend.

Mühsam und mit langsamen, schwerfälligen Schlägen hob er unentwegt die Spitzhacke über den Kopf und ließ sie auf den Boden darnieder fahren. Beim Aufprall spritzten kleine Steinchen in alle Richtungen und mit einem knirschenden Geräusch grub sich das spitze Metallende in den grauschwarzen Minenboden. Saheeb rüttelte und zog ein wenig an der Hacke. Der Boden begann, sich ein wenig zu lösen, aber noch hatte er nicht weit genug das Metall in die Erde getrieben. Angestrengt zog er die abgenutzte Hacke wieder aus dem Boden, wobei der metallene Aufsatz bedenklich auf dem hölzernen Griff wackelte. Lange würde die Hacke die ständige Belastung nicht mehr aushalten - es war Zeit, dass er sich um ein neues Arbeitsgerät kümmerte.

Wieder sauste die Hacke auf das Gestein nieder. Ein paar der umherfliegenden Steinchen trafen Saheeb im Gesicht, nichts schlimmes, nur ein paar kleine Kratzer an seinen Wangen. Mit bleichen Knöcheln hielt er den Griff des Werkzeuges umgriffen, dessen metallener Kopf nun tiefer in dem Erdboden vergraben lag. Wieder rüttelte er ein wenig an der Picke, und tatäschlich begannen sich feine Risse abzumalen - der Boden hatte sich gelockert. Mit Gewalt zog er nun die Spitzhacke zum Anschlag, drückte dann wieder dagegen, zog sie wieder zu sich... bis sich einige Brocken aus dem Gestein gelöst hatten. Saheeb war zufrieden, der Boden hatte sich diesmal leichter gelockert, als er es gewohnt war.

Er wischte sich mit dem Handrücken seiner verschmierten und dreckigen Rechten über die Stirn, wo ein schmutziger Strich aus Schweiß und Kohle zurückblieb. Glücklicherweise sah man den Dreck auf der Haut eines Menekaners schlechter, als dies bei einem Menschen üblich gewesen wäre. Dann zog er die Spitzhacke wieder aus dem Boden, ging neben dem firsch ausgehobenen Geröll in die Hocke und legte das Werkzeug vorsichtig und behutsam neben sich. Er würde sehr bald eine andere Hacke brauchen, vielleicht auch eine Schaufel. Er würde bestimmt nicht warten, bis beim nächsten Schlag sich das Metall vom Holz löste und ihn am Ende schwer verletzte. Es fiel ihm schwer, sich von seinen Werkzeugen zu trennen, die ihn immer ohne Murren begleiteten und ihm dienten. Aber was sein musste, musste sein.

Vorsichtig fuhr Saheeb mit den ausgestreckten Fingern seiner rechten Hand durch das Geröll. Es war eine Ansammlung von Dreck, Staub, Steinen und Gesteinsbrocken. Er breitete seine Ausbeute vor sich aus, begutachtete die Stücke sorgfältig und hielt stets Ausschau nach einem metallischen Glänzen, nach einem verräterischen Blitzen im Schein der nahen Laternen. Wann immer er glaubte, fündig zu sein, nahm er den Brocken zur Hand, säuberte ihn mit schnellen, streichenden Bewegungen seiner Finger und wendete ihn ein wenig. Manchmal murrte er unzufrieden, war es doch wieder nur wertloser Stein, der für nichts und niemanden verwendbar war. Selten jauchzte er fast erfreut, als er ein Stück Erz, verunreinigt mit allerhand Dreck entdeckte. Hie und da erkannte er auf den dritten Blick noch ein Stück Kohle, die im Halbdunkel der Mine und sehr schwer auszumachen waren.

Nachdem seine Beute aussortiert war und die glänzenden Erze und die schwarzen Kohlestücke fein säuberlich neben ihm lagen, kramte er aus seiner Tasche, die er irgendwo an eine Felswand gelegt hatte, einen ledernen Beutel. Der Beutel war abgenutzt und an einigen Stellen abgewetzt. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie oft Saheeb ihn schon benutzt haben musste. Sorgsam verstaute Saheeb seine Fundstücke in dem Beutelchen, zog die abgerissene Kordel an der Öffnung wieder zusammen und packte die Ausbeute wieder in seine Tasche. Die Spitzhacke wurde auch aufgehoben und an einem extra hinzugefügten Riemen an der Seite der Tasche befestigt. Dann legte er die Tasche wieder um und marschierte erschöpft und müde aus der Mine.

Seine Schritte führten ihn zu der Lagerstätte gleich neben dem Bergmassiv, in der auch er eine Truhe mit seinem Namen stehen hatte. Den Menschen, die er auf dem kurzen Weg ebenfalls beim Umgraben des Berges antraf, nickte er kurz zu. Er war zu müde, um groß zu sprechen. Und er sprach nicht gerne mit Menschen. Es fühlte sich nicht besser oder edler als die Bewohner Gerimors, auch wenn er ihnen deutlich weniger durchgehen ließ. Er mochte sie nur nicht besonders. Schon ihre Sprache ging ihm nur schwer über die Lippen und war ihm viel zu anspruchsvoll. In den Jahren, in denen sein Vater ihn zur Schule geschickt hatte, hatte er die Handelssprache lernen müssen. Viele Worte und Sätze machten für ihn keinen Sinn. Ihre Kultur machte keinen Sinn. Er hatte ab und an schon Schwierigkeiten, manche der Menekaner richtig zu begreifen, ihr Handeln und Denken, aber bei Menschen fiel ihm das noch schwerer.
Ihm war durchaus bewusst, dass er auf diese Menschen unhöflich, vielleicht sogar arrogant wirken musste. Das war eigentlich nicht seine Art. Saheeb blieb im Regelfall freundlich und nett, solange man ihm kein Leid zufügte oder ihn in seiner Ehre kränkte. Und arrogant... in dem einsamen Jahr, dass er in der Wüste verbracht hatte, weit ab von seiner Heimat, von der Stadt Menek'Ur, in der er groß geworden war, war ihm bewusst geworden, dass er keinen Grund hatte, arrogant zu sein. Dass es der Wüste und der Sonne, der Mutter selbst, gleich war, wer er ist, wer er war, wer er sein würde. Wenn er je arrogant gewesen wäre, jetzt war er es nicht mehr.

Mühsam ließ er die Tasche von seiner Schulter gleiten und auf den Boden fallen, als er im Keller des Lagerhauses ankam. Aus einer Manteltasche zog er einen kleinen, schlecht gearbeiteten Schlüsselbund hervor. Sein erstes Werk. Er hatte es als kleiner Junge einmal angefertigt. Der Bund war nicht besonders gut gearbeitet und recht unförmig, aber es war sein erstes Schmiedewerk und er hing daran. Zwei Schlüssel zierten den Bund im Moment - einer zu seiner Truhe am Salzberge, einer für seine Truhe zu Berchgard, vor der er nun stand. Der Schlüssel fuhr in das Schloß, leicht knarzte es, als Saheeb ihn herumdrehte. Behutsam öffnete Saheeb den Deckel seiner Truhe. Darin stapelten sich all die Erze, all die Kohle, die Bruchsteine, das Eisen, dass er bisher gesammelt hatte. Alles, was er seit den Unruhen auf Menek'Ur geschürft hatte in endlosen Arbeitsstunden. Wieder kippte Saheeb den Lohn für stundenlanges Arbeiten in die Truhe. Erze, Kohle, Barren... es mochte ihn alles nicht erfüllen. Er vermisste die weißen Salzwände, die Tränen Eluives. Er vermisste es, wie sich der Salzstaub auf seine Haut legte, den Geschmack des Salzes auf seiner Zunge. Er wollte nach Hause, nach Menek'Ur, wieder ankommen.

Müde klappte er den Deckel wieder auf die Truhe und schloß ab, ehe er sich mit dem Rücken an die Truhe lehnte und starr auf die andere Wand starrte. Die Lage schien doch so aussichtslos. Er konnte nicht nach Hause. Der Emir war hier, Saheeb würde ihm dienen, so lange er hier weilte. Und selbst, wenn der Emir nicht gewesen wäre - Menek'Ur, das Land der Sonne, war besetzt mit Verrätern. Menekanern, deren Herz ein böser Dämon verdorben haben musste. Er kannte nicht viele von ihnen, aber in Gedanken an das, was sie dem Emir und seinem Volk angetan hatten, kochte die Wut wieder in ihm hoch. Wieso nur hatte das passieren müssen? Besaßen diese Kinder der Wüste so wenig Ehre im Leib? Niemand durfte sich gegen den Emir stellen. Jeder hatte ihm zu dienen, ihm, dem Nachfahren des Saajiid, des Mannes, der die Menekaner in das gelobte Land geführt hatte, der ihnen die Tränen Eluives offenbart hatte. Es wollte einfach nicht in Saheebs Kopf, dieser Verrat, dieser Frevel. Und mit jedem Tag, den er länger in der Mine stand, den er länger wieder heimkehrte in den Rückzugsort der Menekaner, wurde ihm das Leben bitterer. Er sehnte sich nach Hause. Nach Frieden. Nach einer Uhr, die Zeit zurück zu drehen und die Dinge zu ändern.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 26 Feb 2006 20:08    Titel:
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Der Emir ist tot, es lebe der Emir.

Die Nachricht vom Tod des Emirs, des erhabenen Said Omars, erschütterte ihn zutiefst. Solange Saheeb zurückdenken konnte, saß dieser weise und gute Mann auf dem Thron, der ihm und seiner Familie gebührte, der das Erbe Saajiids bedeutete. Mit dem Tode Saids an einer Bruchstelle der menekanischen Geschichte wie dieser brach auch Saheebs Glaube in eine Ordnung der Welt zusammen. Seine Gedanken drehten sich immer wieder um den Verrat, das Geschick des menekanischen Volkes. Nun war der Mann, der den Willen der Eluive verkörperte, tot. Dahin gerafft in fremden Ländern, einsam, wie ein Opfer der vergangenen Unruhen.

Für Saheeb bedeutete das Trauer. Nicht einfach nur Trauer um einen Menschen oder ein Staatsoberhaupt. Er war seinem Emir von Kindesbeinen an treu ergeben gewesen. Sein Vater Fateen hatte ihn stets gelehrt, dem Hause Omar und seinem Herrscher Achtung und Verehrung entgegen zu bringen, so wie auch er selbst es stets getan hatte. Und so stand auch fast das ganze Haus Masari geschlossen und eins hinter dem Mann, der nun bleich und kalt in einem fremden Lande verstorben war.
Der einzige Weg für Saheeb, den Schmerz und den Gram zu bewältigen, war Arbeit. So stürzte er sich geradezu in die Mine, schürfte, sammelte, ackerte mit einem Fleiß, der trotz allem nicht einmal für ihn typisch war. Die Arbeit tat ihm gut, sie gab ihm das Gefühl, dass er noch exisiterte, noch lebte. Er spürte sich selbst. Und es lenkte ihn ab.

Am Sonnentag war es schließlich so weit. Der neue Emir, Aasim Omar, sollte die Würde zugeteilt bekommen, die ihm zustand. Ein neuer Herr würde sich an die Spitze des menekanischen Volkes schwingen, um ihm Glück und Wohlstand zu bringen. Der Verlust des Emirs war die eine Sache - doch die Ernennung eines neuen besserte Saheebs Laune wieder massiv. Ein neuer Emir konnte Veränderungen und Einigkeit mit sich bringen. Ein neuer Emir war vielleicht in der Lage, die Spannungen zu überwinden, die das Volk entzweit hatten. Hoffnung und wiederkehrende Lebensfreude machten sich in dem treuen Salzschürfer breit, als er die Stufen des Palastes hinaufstieg und sich in die Reihen der wartenden Menekaner einreihte.

Dann die erste Überraschung. Der Emir rief die Führer und Oberhäupter der menekanischen Häuser zu sich. Zwar waren auch Aalina und Najiya als Vertreter ihrer Familie anwesend, doch war Saheeb der einzige männliche Anwesende. Fateen, dem die Ehre gebührt hätte, als ihr Vater auch den Titel des Oberhauptes zu vertreten, hatte sich schon seit langem aus der Stadt und dem Land zurückgezogen. Lebte einsam und zurückgezogen mit Yasemeen von den Reichtümern, die er mit den Tränen Eluives anzuhäufen in der Lage gewesen war. Mit Würde, wenn auch überrascht und vielleicht etwas überfordert, übernahm so Saheeb diese Aufgabe und trat in die Reihe der anderen Oberhäupter. Und so fiel es Saheeb zu, dem neuen Emir, seinem Herrn, die Treue des Hauses Masari zu schwören und den Siegelring des Erhabenen zu küssen.
Weiterhin fiel ihm die Ehre zu, dem Emir gemeinsam mit den anderen Familienführern den kostbaren Turban umzuwickeln, der auch nach außen hin die Herrschaft Aasims kenntlich machen sollte. Nur ansatzweise vermochte Saheeb sich vorzustellen, was sein Vater wohl bei Saids Inthronisierung empfunden haben mochte.
Ruhig, aber erfreut nahm er im weiteren Verlauf der Zeremonie auch die Ernennung Aalinas zur "Hofschneiderin" sowie Najiyas zur "Hofheilerin" oder "Hofalchemistin" zur Kenntnis. Es freute ihn zutiefst, dass sein Haus in der Lage sein würde, dem Emir gute Dienste zu leisten, wo immer er sie brauchen würde.

Die größte Überraschung ereilte ihn eher nebenbei. Nach dem offiziellen Teil eröffnete der Erhabene das Fest mit den Köstlichkeiten, die Tenaya Yazir, die neue Hofköchin, zubereitet hatte. Eher nebenbei fragte der Emir Saheeb bei Kaktusschnaps und Bananenbrot über sein Handwerk und seine Fähigkeiten aus, ehe er ihm das Ziel der Fragen offenbarte.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 12 Jul 2006 14:48    Titel:
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"Eluive, die Zeit vergeht, und keiner weiß, wohin. Wohin wird uns das alles nur bringen..."

Ungewissheit machte sich in den letzten Tagen immer wieder in Saheeb breit. Ein Gefühl der Unzufriedenheit, der inneren Unausgeglichenheit überkam ihn, wie ein schleichender Tod, der einem die Atemluft zum Leben nimmt. Es war so viel zu tun und so viel zu erledigen, aber wie konnte er gewissenhaft und angestrengt den Arbeiten nachgehen, die er zu erfüllen gedachte, wenn er doch gar nicht bei der Sache war?

Seit der Inthronisierung des neuen Emirs war viel Zeit vergangen, und nicht minder viel war passiert. Saheeb war zum Beauftragten für den Handel mit Salz und anderen Gütern beauftragt worden, ein Amt, das ihn ehrte und vor allem mit Stolz erfüllte. Damit konnte er sich auch zum Beraterstab des erhabenen Herrschers zählen, eine Stellung, die so mancher Menekaner gerne inne gehabt hätte. Zudem durfte er sich um Dinge kümmern, die ihn betrafen - hatte er nicht lange Jahre seiner Jugend die Handelsschule besuchen müssen? Hatte man ihm nicht genau für das Feilschen und Handeln die Sprache der Festländer beigebracht? Und wer konnte noch so schnell im Kopf mit Zahlen umgehen wie Saheeb?

"Ich werde meine Aufgabe gewissenhaft erfüllen, zum Wohle des Emirs und zum Wohle des ganzen Volkes."

Zumindest hatte er sich das so vorgestellt. Aber die Lage war wirklich prekär. Zu einem Treffen mit der rahalischen Ministerin war es nie gekommen - wieso, wusste Saheeb selbst nicht. Er hatte immer auf eine Antwort auf seinen letzten Brief gewartet, einen Terminvorschlag, was auch immer. Vermutlich war wieder einmal ein Brief bei der Reise nach Menek'Ur verschollen, es wäre nicht das erste Mal gewesen. Und vielleicht war es auch eine glückliche Fügung Eluives, denn war es nicht Rahal, gegen die man eine ganze Weile später vor Bajard zu Felde zog?

Dann waren da Varuna und Berchgard, die Grafschaft, mit der man Handel zu treiben gedachte. Die unglückliche Rolle des menekanischen Volkes im Krieg zwischen den beiden Göttermächten hatte die Beziehungen zu den alten Freunden mehr als gespannt, ein freundschaftliches und treues Handelsabkommen war mehr als undenkbar.

Und seit die kleinen und kinderartigen Zwerge sich angemaßt hatten, dem stolzen und ehrbaren menekanischen Volk den Krieg zu erklären, war die Lage noch deutlich gespannter als je zuvor. Mit Berchgard war ein Handel kaum möglich, seit die Mine in die Hände der stinkenden Erdwühler gefallen war. Und das, obwohl die Menekaner den Zugang zu einer Mine so dringend gebraucht hätten!

Aiwa, das Problem mit den Minen blieb bestehen. Rahals Mine stand nach dem Konflikt bei Bajard keinem Menekaner mehr offen, die Anguren verweigerten die Kooperation. Die Zwerge brauchte man gar nicht erst zu bitten und die elfische Mine lag nicht nur weit von jedem Hafen entfernt und damit ökonomisch ungünstig, sie lag auch noch mitten im heiligen Wald der Baummenschen. Wenigstens waren diese in der Lage, Handel mit einem ehrbaren Volk zu treiben, ein gegenseitiges Entgegenkommen, dass die freundschaftlichen Bande zwischen den beiden Völkern Eluives verstärken sollte. Wenigstens diese Beziehung schien sich zu festigen und zu funktionieren, und Saheeb hoffte oft, dass sich daran so schnell nichts ändern würde.

Aber die wachsenden persönlichen Probleme, mit denen der junge und durchaus gutaussehende Menekaner zu kämpfen hatte, entfernten ihn immer mehr von seiner politisch-ökonomischen Arbeit. So musste seine Schwester Aalina erst verheiratet, jetzt auch noch gezähmt werden. Zaina sollte ebenfalls mit Saalih aus dem Hause der verräterischen Ifrey verheiratet werden, etwas, wofür die Verhandlungen zwischen dem künftigen Gatten und dem Oberhaupt der Masari noch ausstand. Und dann blieb da immer noch Charis, seine ehrlichen Gefühle für sie und das schlechte Gewissen, dass ihn hin und wieder überkam, wenn er an sie dachte.

Mit einem leichten Lächeln las er erneut den Zettel mit ihrem kleinen Gedicht, das sie ihm zurück geschrieben hatte. Sie hatte gewusst, wer ihr so liebevolle und peinliche Zeilen geschrieben hatte, sie hatte gewusst, dass nur Saheeb es sein konnte. Und ihre Zeilen ermunterten ihn. Wieso war das alles nur so schwer? Manchmal verfluchte er sich und Aalina, die genau in diesem Moment sein Gewissen so schwer belastete. Er verfluchte Zaina, die ihn nicht verstand, weil sie es nicht konnte, weil er ja nicht mit ihr sprach. Er verfluchte die ganzen glücklichen Paare, die in Menek'Ur umher rannten und abends die letzten warmen Strahlen der Sonne genossen. Nein, eigentlich verfluchte er nur sich. Er musste wieder den Kopf freibekommen, vorher würde er nie den Mut finden, bei IHR zu klopfen und ihr entgegen zu treten.

Wenn es niemanden gibt, dem du deinen Kummer, deine Sorgen und all dein Leid anvertrauen kannst, so schreib es nieder. Das wird dich erleichtern.

Vielleicht war dieser Ratschlag seiner Mutter gar nicht einmal so verkehrt. Aiwa, er konnte es versuchen. Wieso nicht einfach niederschreiben, was ihn bewegte? Schon wenige Minuten später saß er auf einem kleinen Kissen vor dem dunklen Holztisch, die Beine im Schneidersitz verschränkt und vor sich ein kleines, unbeschriebenes Buch. Mit einer kleinen Feder nahm er etwas Tinte aus einem Fässchen und begann dann, mit eleganten und sauberen Lettern zu zeichnen:

Ein Leben für Familie und Salz - Tagebuch des Saheeb Masari.

Tag 1

Es mag seltsam sein, dass ich nun beginne, ein Tagebuch zu schreiben. Einige meiner jüngeren Schwestern hatten ihr Leid und ihren Liebeskummer vor Jahren in kleine Büchlein eingetragen und diese verschlossen und heimlich aufbewahrt. Ich glaube, ich habe mich mein Lebtag über sie lustig gemacht. Wie kann ein kleines Buch, so unschuldig und leer, einem Menschen helfen? Wenn doch gar nichts darin stand?

Nun sitze ich hier und habe selbst genug Probleme, die zu lösen ich nicht mehr im stande bin. Ich brauche jemanden, der mir zuhört und mich versteht, und doch gibt es keinen. Deswegen will nun ich versuchen, es meinen Schwestern gleich zu tun und nieder zu schreiben, was mich bedrückt.

Alles begann vor einigen Wochen...
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 21 Jul 2006 22:19    Titel:
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Unnatürlich heiß war es an diesem Abend, als Saheeb nach einem langen Arbeitstag durch die Wüste spazierte. Natürlich ging er nicht weit in das sandige Gebiet hinein, er hatte nur wenig zu Trinken bei sich und die Gefahr, sich zu verlaufen, bestand selbst bei einem Menekaner. Dennoch liebte er es, wenn die Mauern der goldenen Stadt hinter ihm nur noch schwach zu sehen waren.

Doch diesmal kam es anders. Er hatte den Punkt erreicht, an dem er sich gefunden zu haben glaubte und machte kehrt, um zurück zu kehren, nach hause, in die goldene Stadt. Doch hinter ihm war der Himmel verschleiert mit den Wogen des tanzenden Sandes, der von einem heraufbrausenden Sturm in die Luft geschleudert wurde. Schneller und immer schneller wogten die Massen und zogen wie ein fester und undurchdringlicher Vorhang von der Stadt aus auf Saheeb zu.
Dieser presste sich den Mundschutz fest vors Gesicht. Es war nicht der erste Sandsturm, den er miterlebte, doch noch nie war er alleine und ohne schützendes Gepäck gewesen. Mit letzter Kraft warf er sich in den Sand, um den wirbelnden Massen zu entgehen. Der warme spitze Sand fegte über ihn hinweg und schnitt tief in seine Hände und Füße... bis es schwarz wurde vor den Augen des jungen Menekaners und er einige Meilen von der nächsten menschlichen Ansiedlung entfernt im Sand liegend das Ende des Sturmes nicht mehr miterlebte.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 11 Sep 2006 19:14    Titel:
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Die Stadt erstrahlte in einem neuen Glanz und die langen und weiten Straßen, die in rötlichem Glanze funkelten, luden zu langen Spaziergängen durch all die Gassen und Winkel der Häuser ein, die sich ergeben hatten bei der Planung der Stadt.
Nach einer Woche nun hatten die meisten der stolzen Menekaner ihre Häuser bezogen und begonnen, sich wieder ihren Ansprüchen gemäß einzurichten. Und auch Saheeb hatte sein Haus spärlich mit Teppichen, Vorhängen und einigen Möbeln bestückt, um es zumindest ein wenig wohnlich zu haben. Es standen auch noch wichtige Gespräche mit einigen Händlern, eine Reise quer durch das Festland zur Erschließung neuer Handelsbeziehungen und ein wichtiger Auftrag des Emirs an, doch die Reise, die er nun beginnen wollte, ließ sich nicht länger aufschieben.

Noch eben hatte er sich von seiner Schwester Zaina verabschiedet, ehe er die Taschen, die er bereits fertig gepackt in seinem Haus stehen hatte, gefüllt mit Nahrungsmitteln, mit Wasserschläuchen und Kleidern, vorsichtig am Sattelzeug seines treuen Lamas Haani befestigte und zusammen mit diesem jene lange Reise in die Wüste antrat, die ihm so sehr auf dem Herzen lag - eine Reise zu seinen Eltern, um über ihren Verbleib nach dem Sturm Kunde zu erlangen. Tagelang würde er nun durch die Wüste marschieren und frühestens am Ende des Wochenlaufes in der Lage sein, die goldene Stadt Menek'Ur, den Prachtbau der Wüste, wieder zu erblicken.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 04 Nov 2006 17:10    Titel:
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Erneut war eine lange Zeit vergangen, in der Saheeb vergebens versucht hatte, sich wieder ein Stück weit mit sich und seiner Umwelt in Einklang zu bringen. Das merkwürdige und unehrenhafte Gebahren seiner Schwester lastete noch immer schwer auf seinen Schultern, erfüllt ihn mit Schmerz und einem anderen, tiefen Gefühl, das er nicht fassen konnte. Und auch dem Statthalter gegenüber konnte er nicht mehr unbeschwert und frei gegenüber treten, ohne zugleich Saalih und Zaina vor seinem geistigen Auge zu sehen, wie sie sich unglücklich, aber friedlich getrennt hatten.

Alles, was er gebraucht hätte, wäre etwas Ruhe gewesen. Ruhe, um wieder zu sich und seiner Familie zu finden. Sich wieder klar zu werden über das Wohl seiner Familie und was das Beste für das Volk, für seine Familie, für Zaina und vor allem für ihn wäre. Und dann kam diese Tochter des Hauses Omar und beschuldigte ihn offen und ohne mit der Wimper zu zucken, er würde seine Familie nicht lieben und wäre verbittert?

Es hatte eigentlich recht harmlos begonnen. Saheeb war, immer noch außer Rand und Band, weil der Weg in die Mine versperrt schien, in das kleine Händlerviertel geeilt, in dem Khawlah aus dem Hause Yazir eine kleine Bank etabliert hatte, die im Normalfall recht häufig genutzt wurde. Doch schon vor dem Eingang erblickte er Kemail, der mit einer Dame aus dem Inneren des Bankgebäudes zu sprechen schien. Im Grunde musste Saheeb Kemail dankbar sein, denn ein leise geflüstertes "Rasha Omar" machte ihn noch vor einem möglichen Faux Pas darauf aufmerksam, dass er es mit einer Tochter des Hauses Omar zu tun hatte. Anderenfalls hätte er sie sicherlich zwar beachtet und mit Komplimenten überschüttet, wie das eben der Fall war, doch bei adeligen Damen war das übliche "Zeremoniell" eindeutig zu wenig. Tiefe Verneigung, höfliche Anrede, Respektsbekundungen waren es, die man erwartet.

Eine Dame aus dem Hause Omar. Hatte der Emir eine Tochter? Oder eine Schwester? Sie wirkte erstaunlich jung, jünger als er selbst, und dennoch selbstsicher und elegant. Nun gut, das war von einer Adeligen nicht anders zu erwarten, man hatte sie sicherlich darauf gedrillt. Unweigerlich musterte er sie, nur für einen kleinen Augenblick. Sie war recht hübsch, doch. Aber halt, das konnte er sich nicht erlauben. Zum einen hatte er es hier mit einer Omar zu tun, einer Adeligen - etwas Ferneres und Unnahbareres konnte man sich kaum vorstellen. Und zum anderen war da immer noch Charis, die nachwievor seine Seele in Ketten hielt. Nein, solche Gedanken schickten sich nicht und waren nicht angebrachtt.

Was folgte, war also das übliche Begrüßungsschema. Tiefe Verneigung. Bloß nicht zu früh aufrichten. Edle aus dem Hause der Omar, das wäre eine passable Begrüßung, aiwa. Und dann möglichst nicht allzu sehr auffallen, sich in einer ruhigen Minute angemessen vorstellen und ein möglichst gutes Bild hinterlassen. Aiwa, das wäre genau das, was ein Staatsmann und händler nun vorziehen würde. Und genauso kam es dann auch. Denn während die edle Rasha aus dem Hause Omar von Kemail und der inzwischen ebenfalls anwesenden Sharie belagert wurde, hielt Saheeb ein kleines Schwätzchen mit der Bankiersdame. Hauptsache, man fiel nicht auf. Vielleicht hatte er kein Glück und die hübsc... die ehrenwerte Dame würde einfach verschwinden, ohne dass er sich vorstellen konnte. Aber vielleicht war Eluive auch einmal auf seiner Seite, man konnte ja nie wissen.

In der Tat schien sie ihm gewogen, denn die Edle hatte ganz offenbar ein Buch vergessen, dass sie nur kurz zuvor in der Bank abgelegt hatte. Nun befreit von den neugierigen und schmeichelnden Blicken der anderen Menekaner bot sich Saheeb vermutlich eine gute Gelegenheit, das Gespräch zu suchen. Alleine die Tatsache, dass er jemanden darum bitten musste, sich vorstellen zu dürfen, war ihm fremd. Doch er wäre kein guter Repräsentant für sein Haus und seine Familie gewesen, hätte er sich hier einen Fehler gegönnt.

Bis dahin lief alles gut. Die Dame schien ihm gewogen, gewährte ihm eine Vorstellung und lächelte sogar leicht. Eine hübsche Nase hatt... ach nein. Vielleicht hätte Saheeb die Ruhe doch gut getan, die er sich so lange ersehnt hatte, aber als die Frau zielsicher seine Pflichten als Beauftragtem für den Handel ansteuerte, drehten bei ihm die Sicherungen durch. Der kühle Diplomat und Händler in ihm war wie weggeblasen, und mit einem mal war er auf direktem Konfrontationskurs mit einer Person, die weit über ihm stand und ihm von einer einfachen Verbannung bis zum Tode alles antun konnte. Was bildete sich diese Person ein, von ihm zu verlangen, er solle seine Sorgen lieber beseitigen, die ihn plagten, damit er seiner Pflicht wieder gut und uneingeschränkt nachkommen konnte? Sollte er seine Schwester beiseite fegen, besser noch, den Sand mit ihrem Blut tränken, damit er seine Arbeit besser machen konnte?

Was folgte, zog nun an Saheeb nur noch wie ein Schleier vorbei. Eine Diskussion über das Leid der Familie, die Segen einer Familie, Einsamkeit und der Vorwurf, dieser unerhörte Vorwurf einer Person, die Saheeb in seinem Leben noch nie gesehen hatte und die vermutlich bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr nicht mehr gesehen hatte als die Räumlichkeiten eines Palastes, er würde seiner Familie nicht genug Liebe und Achtung einräumen. Zumindest so ähnlich hatte sie es behauptet. Er? Seiner Familie keine Liebe entgegenbringen? Das Wohl der Kinder des Hauses Masari lag ihm mehr am Herzen als sein eigenes und er hatte es in Kauf genommen, sich mit seiner Zwillingsschwester zu entzweien, um ihr Glück zu erhalten. Er hatte für diese Familie jahrelang auf jedes eigene Glück verzichtet und nun warf ihm diese... diese... diese FRAU vor, er würde seine Familie nicht lieben? Nur, weil ihm klar geworden war, dass Familie immer auch ein Stück Leid mit sich brachte?

Den erbosten Kemail, der ihm Schmähworte vom Eingang der Bank zurief und wütend davonrannte, als Saheeb meinte "Ein Leben ohne Sorgen, das bedeutet ein Leben ohne Familie" nahm er nicht einmal mehr wirklich wahr. Sie mochte eine Omar sein, und sie mochte die Schwester oder Tochter oder Cousine, was auch immer, des Emirs selbst sein. Aber wie konnte sie sich anmaßen, ihn derart vorzuführen?

Sie hatte sich entschuldigt. Sie, die keineswegs in einer Lage war, sich jemals entschuldigen zu müssen, hatte sich bei IHM, einem vorlauten Menekaner entschuldigt, der nicht in der Lage war, mit seinen Gefühlen und Sorgen umzugehen. Langsam zog sich der rote Schleier von seinen Augen und Saheeb erkannte, was er wirklich erreicht hatte. Er hatte einen Fehler begangen und sich vielleicht sein Ende eingehandelt. Vielleicht würde diese Rasha Gnade walten lassen und über diesen Fehler hinweg sehen, ohne ihn anzuschwärzen, anzuklagen. Aber es war schon längst zu spät. Es blieb ihm nur noch eines. Er würde versuchen müssen, ihr zu zeigen, was er wirklich meinte.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 09 Nov 2006 22:59    Titel:
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Es waren Dinge geschehen, die Saheeb nicht verkraften konnte, Dinge, die ihm tief in seiner Seele Zweifel und Unruhe verschafften. Der plötzliche Sturm, die Gefahr in der Mine und der Tod eines Jungen, der kaum älter als sechzehn gewesen war... womit hatte sein Volk verdient, was da über sie hereingebrochen war?

Dann Zainas Verhalten, das allem widersprach, was er über seine Schwester zu wissen geglaubt hatte. Es war seine Aufgabe gewesen, die Dinge wieder in ein rechtes Licht zu rücken, die Ehre seines Hauses aufrecht zu erhalten. Dies war ihm gelungen, doch hatte er keinen Beitrag dazu. Allein Saalih hatte, vielleicht aus Liebe, vielleicht auch einfach nur, weil er erkannt hatte, dass alles andere keinen Sinn mehr hatte, nachgegeben. Und er? Saheeb? Das Oberhaupt eines großen Familienhauses Menek'Urs? Hatte daneben gesessen und das ganze stumm abgenickt.

Er hatte niemals gelernt, die Liebe zwischen Zaina und Fadi zu dulden. Zu sehr zog und zerrte ein Gefühl in seinem Herzen, das er noch immer nicht zuließ und dem er mit aller Kraft die Oberfläche versagte. Er hatte versucht, mit der neuen Situation umzugehen, doch er war gescheitert. Er behandelte Zaina, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen, und doch verdammte er sich und sie an jedem Abend, in dem er wieder einsam in seinem Bette lag und über sein Leben nachdachte.

Dann das Gespräch mit dieser Omar, die ihn brüskierte, ihn vorführte, ohne es zu wollen und ohne es zu wissen. Er hatte sich dem Herrscherhaus gegenüber unmöglich benommen und damit in einer Weise seiner eigenen Ehre entsagt, die er nicht verstehen konnte. Was war nur los mit einem Mann, der alles getan hatte, um seinem Volk und der Familie der Omar redlich dienen zu können? Wohin hatte die erhabene Mutter ihn geführt? War es noch ihr Schutz, der über ihm lag? Immer mehr Zweifel zehrten an Saheebs Kräften, laugten ihn aus. Nur selten noch hatte er sein Heim verlassen - die Begegnung mit anderen Menekanern schmerzte ihn, zu groß war seine Sorge, noch mehr falsch zu machen.

Zuletzt der Gnadenstoß, ein gewaltiger Hieb von einer mächtigeren Faust - es war ein einfacher Tag wie jeder andere gewesen, und Saheeb hatte einen Spaziergang unternommen, um wieder auf andere Gedanken zu kommen. Ohne Ziel lief er durch die rotgepflasterten Straßen der Stadt, zwischen all den hohen und goldenen Häusern hindurch, hinunter bis zum Hafen. Was konnte es schöneres geben, als den Blick auf die Wellen der See zu richten, dem Glitzern der Sonne zu folgen? Doch... was war das dort gewesen? Am Strand, etwas tiefer im Wasser, ein toter Körper. Der Körper eines Mädchens. Eines Mädchens, dass er nur zu gut kannte, und die Wut, der Zorn und der unentwegte Hass auf Eluive stieg in ihm empor, stärker, als es je zuvor der Fall gewesen war.
Nun war es geschehen. Sie hatte ihm das genommen, was ihm noch wichtig war im Leben, Charis, den Stern seines Lebens und die Blüte Menek'Urs lag tot vor ihm im Sande. Sie musste angespült worden sein von der Flut oder niemand zuvor hatte seinen Blick hierher gerichtet. Behutsam trug er sie aus den Fluten, hielt sie dabei fast zärtlich im Arm. Ihr Gesicht war leblos und blau angelaufen, die Lippen aufgequollen. Tränen rannen dem jungen Menekaner in Sturzbächen über die Wangen, als er dort hockte, den Leichnam an die eigene Brust gedrückt und behutsam wiegend.

Vielleicht würde dies die richtige Wahl sein. Zuviele Fehler waren begangen worden, zuviel war geschehen, was nicht hatte sein dürfen. Er hatte Fadi einen Brief hinterlassen, er hatte seiner Schwester Zaina geschrieben. Aalina und Amira würde von ihr erfahren, was gut für sie wäre. Und so zog Saheeb davon, begleitet von einem Lama, einem Tier der Wüste, beladen nur mit Wasser und einigen Lebensmitteln. Die Spur führte tief hinein in die Wüste bis hin zum abgeschiedenen Heim der beiden Eltern, ehe sie von den Winden des Sandes verweht wurden. Eine Reise ohne Widerkehr, ein Leben in Abgeschiedenheit.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 10 Nov 2006 23:01    Titel:
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Die Reise durch die Wüste dauerte mehrere Tage, und vielleicht war es Zufall, vielleicht auch der Schutz der erhabenen Mutter, die auf ihren Sohn achtete, der nicht mehr an sie glauben wollte, doch keine der Blutharpien schien Saheeb zu bemerken. Stattdessen zog sich die Reise quer durch sandige Öde und endlose Dünen hinweg über zehn Tage ohne ein anderes lebendiges Wesen außer einiger Schlangen und Käfer, die im Sande Schutz vor der glühenden Sonne suchten.

Während am Tage die Hitze gnadenlos auf das Haupt des jungen Menekaners herabbrannte, zogen in den Nächten kalte, eisige Winde über die Einöde hinweg, die ihm Atem und Schlaf raubten. Doch sein treues Lama, Haani, das er vor Urzeiten, so schien es ihm, von Khalida geschenkt bekommen hatte, stand ihm treu zur Seite. Ohne auch nur einen Moment lang zu murren folgte es ihm, der zielsicher und zielstrebig durch den Sand marschierte. Er brauchte keine Karte, keine Sterne - den Weg dorthin, wohin er wollte, würde er finden, und niemand, nicht einmal der strafende Zorn der Mutter würde ihn davon abhalten können.

Und es war gut, dass er seinen Weg kannte, denn ein Meer aus Tränen verschleierte seinen Blick, während die Füße über den staubigen Sand wanderten. Salzige Bäche rannen seine Wangen herab, bahnten sich den Weg über eine Schicht aus Staub und Sand, über die markanten, dunklen Wangenknochen hinweg bis hin zum Kinn, von wo aus eine Spur aus kalten Tränen auf den Sand fiel. In seinem Kopfe fielen Gedanken und Worte, Zahlen, Bilder, Gefühle und Gerüche in einem fort ineinander, vermischten sich zu einem endlosen Chaos und vernebelten Geist und Sinne.

Das Gesicht der ertrunkenen Charis, ihr bläuliches, sanftes Gesicht, die entstellten Lippen, die geschlossenen Augen... womit nur hatte sie es verdient? Sie war ein wundervoller Mensch gewesen. Leicht und unbeschwert, frech und humorvoll... sie hatte sein Herz mit ihrer leichten und fröhlichen Art zum Springen gebracht, ein Gefühl, das er nicht mehr gekannt hatte, seit er zurückgekehrt war nach Menek'Ur. Wofür nur war er zurückgekehrt? Er hatte den Platz einnehmen wollen, den sein Vater verlassen hatte, er hatte Verantwortung übernehmen wollen. Er hatte Sehnsucht gehabt nach dem, was er einst Familie genannt hatte. Was war von all dem noch übrig?

Er lebte in einem Haus aus Frauen, Frauen, die sich verliebten und die von ihm gingen. Keine einzige würde er halten können. Aalina hatte er bereits verloren - auch wenn er es nie wahr haben wollte, er hatte nichts mehr mit ihr zu tun. Sie war seine Schwester, aber sie war eine Tochter des Hauses Yazir und eigenständig geworden. Amira? Sie war jung und hatte mit Saheeb sowieso nicht viel zu tun, lebte sie doch im Harem und war häufig im Palast zu gange. Najiya war unauffindbar geworden und der Verdacht, sie ebenfalls im Sturme verloren zu haben, wurde zur bitteren Gewissheit. Und Zaina?

Zaina hatte er in dem Augenblick verloren, als sie ihm ihre Liebe zu einem Mann gestanden hatte, den sie nicht lieben sollte. Es war zum Eklat gekommen, sie hatten sich gestritten und wieder versöhnt, doch dieser Bruch war nicht mehr zu heilen. Saheebs Befürchtung, die Frau verlieren zu können, die ihm am meisten von allen bedeutete, hatte sich immer mehr bestätigt. Aus irgendeinem Grunde hatte ihn ihre Liebe zu Fadi zerrissen. Es war eine Liebe, die stärker schien als ihr Ehrgefühl, stärker sicherlich auch als das Band, das sie beide verbinden sollte. Und es war daran zerbrochen. Er fühlte sich ihr so fern. Der klägliche Versuch, sich ihr anzunähern, alles zu vergessen, sie zu behandeln wie immer, so zu tun, als wäre es niemals geschehen - es war eine einzige Kaskade aus Selbstbetrug und Widersinn gewesen. Damit hatte er nur seinen Kummer verschluckt, tief in sich gesogen. Nie hatte man ihm die Ruhe gegönnt, alles zu verarbeiten. Und dann stand mit einem Male der Brief ins Haus, Fadis Brief, dass er mit ihm sprechen wolle - eine Werbung, das stand für Saheeb gar nicht in Frage.

Basierend auf solchen Geschehnissen sollte er seine Sorgen einfach beiseite räumen? Sie beseitigen, nur damit er weiterhin seinem Volk zur Seite stehen konnte? Die Edle aus dem Hause Omar hatte unmöglich wissen können, wovon sie da eigentlich sprach. Sie hatte keine Ahnung, was er durchgemacht hatte, keine Ahnung, was sie von ihm verlangte, nur um ihm ihre eigene überlegene Situation zu präsentieren. Wer war sie schon? Eine edle Dame, die niemals aus ihrem vergoldeten Palast gekommen war, eine Frau, die ihn nicht kannte. Wieso nur machte er sich solche Vorwürfe, weil er ihr die Meinung gesagt, weil er ihr widersprochen hatte?

Er hätte niemals zurückkommen sollen. Die Wüste ist ein segensreicher Ort, an dem Sünden und Vergehen schnell vergessen und verziehen werden. Wer sollte hier auch aus welchem Grunde Neid und Missgunst hegen? Die Wüste schenkt und nimmt in einem Zuge und ihre endlose Weite ist von einer solch stillen und klaren Ruhe, dass niemand sich ihrer Kraft entziehen konnte.

Diese und tausend andere Gedanken wirbelten Saheeb im Kopf herum, stets gezeichnet von den Bildern der Verluste, die er hinzunehmen hatte - die tote Charis, der arme Junge aus dem Minenstollen, Najiya, seine Schwestern. Kurz kam ihm Sahar in den Sinn... ein erfreulicherer Gedanke. Beinahe huschte ihm ein Lächeln über die Lippen, als er sich an seinen Ausrutscher im Innenhof der Masari-Residenz erinnerte. Beinahe war er Fadi angegangen, aus keinem anderen Grunde als je zuvor, purer Eifersucht, doch bevor er etwas falsches tun konnte, hatte ihn Sahar unsanft, aber deutlich mit einem Tritt gegen das Schienbein abgehalten. Was hatte sie über Freundschaft gesagt? Man muss einem anderen tragen helfen? Und der muss sich Tragen helfen lassen? Wieso erkannte er die Wahrheit in den Worten anderer immer erst, wenn es zu spät war.

Zehn Tage waren vergangen, die Vorräte an Wasser und Lebensmitteln so gut wie aufgebraucht, als ein Sandsteinhaus am Rande der Wüste sichtbar wurde, glänzend wie aus weißem Marmor im Licht der Sonne und hoch wie eine Festung. Das Heim seiner Eltern, von Fateen und Yasemeen Masari. Mit einem fast erleichterten Stoßseufzer band er Haani vor dem Hause an. "Bleib brav hier, aiwa? Ich geh kurz meinen Eltern Salam sagen."

Das Haus stand wie üblich offen - wer sollte hier auch eindringen, meilenweit von jeder Ansiedlung entfernt. Der Eingangsbereich, eine große Halle ausgekleidet mit Teppichen und Fliesen in den schillerndsten Farben, strahlte geradezu unter dem fließenden Licht, das durch die Fenster und Türen einfiel. Saheebs Blick wanderte langsam, Stück für Stück über die steinernen Tische an den Wänden, auf denen zahlreiche Vasen und Krüge standen. Er war wieder zurück.

"Mutter? Vater? Seid ihr da?"

Es war nur ein leiser Ruf gewesen. Fast fürchtete er, sie könnten wirklich zuhause sein und ihn hören - sie wussten genau, wenn Saheeb kam, war etwas passiert. Und tatsächlich erklang aus einem Stockwerk über ihm das Schellen eines zerberstenden Tonkruges, das Trippeln leichter Schritte ehe die Mutter die Treppe herabgestürzt kam.

"Saheeb! SAHEEB! Du bist es! Was ist geschehen, mein Junge! Was machst du hier?"

Und noch bevor der junge Mann antworten konnte, war sie ihm schon um den Hals gefallen. Für seine Mutter wirkte sie noch immer erstaunlich lebendig und lebensfroh, obwohl sie fernab jeden Lebens wohnte. Es musste schrecklich einsam sein, doch inzwischen verstand Saheeb, wieso sie die Einsamkeit gesucht hatten.

"Nichts ist, Mutter, nichts... es ist alles in Ordnung. Zaina geht es gut, sie ist glücklich mit Fadi. Aalina und ihren Kindern ist nichts geschehen... und selbst Amira scheint es an nichts zu mangeln. Ich bin einfach nur so zu Besuch."

"So zu Besuch? Mein lieber Junge... Fateen! FATEEN! Dein Sohn ist hier!"


Ihre Stimme machte deutlich, dass sie genau erkannt hatte, dass etwas nicht in Ordnung war, aber sie respektierte, dass Saheeb nicht darüber sprechen wollte. Als dieser die vertrauten Schritte des Hausherren wahrnahm und schon wenig später die Gestalt seines Vaters aus einer Tür hervorkommen sah, stahl sich seit langem wieder ein unbeschwertes Lächeln auf seine Lippen. Seine Familie. Seine Familie war nie die in Menek'Ur gewesen. Dies hier war seine Heimat, bei seinen Eltern, fern des ganzes Stresses, des Unglücks und des Leids. Hier, so war er sich sicher, würde nicht einmal Eluive ihn finden und strafen können, hier war er behütet durch einen Schild, den nur das Elternhaus zu spenden in der Lage war. Tief atmete er die Luft der Freiheit ein, ehe er mit seinen Eltern in die Küche ging, um zu erzählen. Von Zaina. Von Aalina. Von Amira. Von Ismaael. Und... vielleicht auch von sich.
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Saheeb Masari





 Beitrag Verfasst am: 11 Nov 2006 12:26    Titel:
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Erholt und erfrischt fühlte Saheeb sich, als er am folgenden Morgen aus einem weichen, großen Bett aufstand, sich genüßlich streckte und dehnte und einen Blick aus dem großen Fenster warf, das wie ein großes Tor den Blick auf das nahe Meer ermöglichte. In all dem Sand und dem Salz, die ihn so lange begleitet hatten, hatte er fast vergessen, wie schön das Glitzern des Lichtes auf den einzelnen Wellen des Wassers sein konnte, wie beruhigend das Rauschen und Plätschern der Brandung war. Und über diesem Szenario erhob sich langsam die goldene Scheibe der Sonne, majestätisch und elegant, wie man es von ihr gewohnt war. Ein Schauspiel ohne gleichen war es, dem er hier beiwohnen durfte, und mit einem Schlag war ihm wieder bewusst, wieso er eigentlich hergekommen war.

Während er noch immer mit nachdenklichem Gesicht und beiden Armen hinter dem Rücken verschränkt hinaus in die Freiheit starrte, trat seine Mutter behutsam ein, eigentlich mit dem Wunsche, ihn zu wecken. Die nachdenkliche Art ihres Sohnes, eine Ader, die sie gar nicht von ihm kannte, bereitete ihr Sorgen und Kummer. Etwas Schreckliches musste geschehen sein, um Saheebs Geist so zu verwirbeln - doch selbst jetzt schien er nicht gewillt, seine Eltern mit seinen Sorgen zu belasten. Langsam und vorsichtig trat sie an ihn heran, legte eine Hand auf seine Schulter, woraufhin er leicht den Kopf zu ihr umwandte. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen, jenes sanfte, verstohlene Lächeln, das ihn unglaublich charmant wirken ließ - aber es war aufgesetzt. Eine echte Mutter erkannte so etwas.

"Saheeb... dein Vater und ich, wir essen nun. Willst du dich nicht zu uns gesellen? Ein wenig erzählen von dem, was in der Stadt vor sich geht?"

"Aiwa, Mutter... ich komme gleich. Geh nur schon vor, ich will nur noch... einen Blick..."


Damit wandte er den Blick auch schon wieder Richtung Fenster, hinaus auf das Wasser. Wasser war ein seltsames Element, mit dem ein Menekaner nicht umgehen konnte. Nicht richtig zumindest. Das Wasser war atemberaubend, ruhig, elegant, majestätisch und erhaben, wer die Wellen beobachtete, fand zu sich selbst. Und zugleich war es tödlich, wie ein Felsbrocken, der auf einen fiel. Das Wasser des Meeres, das er oft am Hafen der alten Stadt bewundert hatte, nun hatte es ihm das genommen, was seinem Herzen den letzten Halt geben sollte. Noch immer wollte es nicht hinein in seinen Kopf, auch wenn er die Bilder klar vor Augen sah - Charis war nicht mehr. Das fröhliche Geschöpf, das nichts mehr liebte als Datteln, das wie ein Äffchen auf jede Palme kletterte, war ein Opfer der Fluten geworden. Welch grausamer Geist musste der Mutter innewohnen, wenn sie derartiges zuließ?

Mit einem Stoßseufzer wandte sich Saheeb vom Fenster ab, die Arme um sich selbst geschlungen. Ihm war kalt, und das an einem sonnigen Tag inmitten der Wüste. Eine Kälte aus dem Inneren war es, die ihn frösteln ließ, die sein Herz in festem Klammergriff hielt. Aber ihm war nicht wohl dabei, sich seinen Eltern zu offenbaren und sein Herz vor ihnen auszuschütten. Sie hatten die Abgeschiedenheit und die Ferne gesucht, um von all dem Trubel nichts mehr mitzubekommen, und es war nicht gerecht, genau dies nun zu ihnen zu tragen.

Langsam stieg er die sandsteinernen Treppenstufen zum Erdgeschoß hinab, in dem das ansehnliche Esszimmer zu finden war - kein palastartiger Raum, war er doch nur für zwei Personen gedacht, aber dennoch gemütlich, geräumig und edel eingerichtet. Den Reichtum, den Fateen durch seine Arbeit in den Stollen des Cantar angesammelt hatte, wussten sie geschickt zu zeigen, keineswegs aufdringlich, aber dennoch vorhanden. Kostbare Gefäße aus Keramik, Ton und anderen Materialien zierten die hölzernen Kommoden und Wandschränke, Gläser standen, der Größe nach sortiert, auf der Küchentheke und dienten damit als Zierde. Der Esstisch selbst war ebenfalls aus Holz, einem Gut, das teuer und luxuriös in Menek'Ur war, vor allem so weit ab von jedem Hafen und jeder Zivilisation.

Die beiden Bewohner, Fateen und Yasemeen, saßen sich am Tisch gegenüber und unterhielten sich gerade leise über irgendetwas, als Saheeb eintrat. Ruckartig unterbrachen sie ihr Gespräch und lächelten ihm zu. Während Fateen ihn mit einer gutmütigen, einladenden Geste zu sich an den Tisch winkte, lächelte Yasemeen ihm aufmunternd zu.

"Setz dich zu uns, mein Sohn... das Mahl reicht für uns alle. Weißt du... wir haben gerade über dich gesprochen. Warte, lass mich aussprechen. Du siehst aus, als hättest du Kummer, und du weißt, dass wir als deine Eltern immer für dich da sind. Du kannst dich natürlich wieder jahrelang in die Wüste verkriechen, um dort deinen Kummer mit der Welt aus dem Weg zu räumen - du kannst dich aber auch uns anvertrauen. Denk darüber nach. Und jetzt setz dich und iss."

Die Worte seines Vaters waren wie ein fester Hieb in seinen Magen, gefolgt von einem wohligen Gefühl der Wärme. Er machte ihnen alleine durch seine Anwesenheit Sorgen, die er nicht vorgehabt hatte. Er hätte nie kommen sollen. Aber doch hatte er seine Eltern noch immer unterschätzt. Und mit einem Mal schien das Licht der Sonne viel heller und viel fröhlicher durch die zahlreichen Fenster ins Haus und auf den Lippen des jungen Mannes erschien wieder ein jungenhaftes, freches Lächeln.
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