[MMT] Ich sehe was, was du nicht siehst

[Jynela Dhara]

Die schwere Tür des Hauses öffnete sich ohne jegliches Knarren und genauso leise wurde sie wieder ins Schloß gezogen.
Cassian bewegte nur den Kopf ein wenig, als sie herantrat um ihn zu satteln und folgte ihr trotz der späten Stunde ohne zu zögern, als sie ihn am Zügel gen Osttor führte.

Rahal schlief.

Zumindest bekam man den Eindruck, wenn man zu jener Zeit, wo bald schon der Morgen wieder grauen würde unterwegs war. Jene wenigen Stunden in denen die Nachteulen zu Bett gingen und die arbeitende Gesellschaft noch nicht aus den Federn war.
Wenig später trieb sie das Pferd an, jagte durch die Dunkelheit in Richtung Osten.


In dieser Nacht waren es sicherlich nur die Hufe ihres Pferdes, das leise Schnaufen des Tieres, die man vernehmen konnte. Immer wieder hielt sie an, schlug eine andere Richtung ein.
Für einen Beobachter war sie lediglich ein dunkler Schatten, vermutlich würde man sie für einen Jäger halten wenn man einen Blick auf den Bogen auf ihrem Rücken erhaschen konnte. Sollte ihr jemand begegnen, würde sie das Pferd schlicht antreiben und verschwinden.


In der Dämmerung war sie wieder zurück und an jenem Morgen würden in einigen Briefkästen im Reich kleine Pergamente liegen.
Wenige Worte, eine kurzfristige Einladung.
Die Zeit drängte.

[Konrad Vylen]

Den Auftrag der Scharfschützin im Kopf, hatte Konrad am Morgen des 31. Hartung 266 in seiner Jagdhütte am Rand von Grenzwarth die wichtigsten Dinge zusammengepackt. Seine Reiseutensilien hatte er ausnahmslos auf Tauglichkeit geprüft, stumpfe Klingen nachgeschliffen und kaputten Stoff geflickt. Bogen, Pfeile, Beil, Messer, Reisekleidung, Fernrohr, Feuersteine, Bärenfell und eine einfache Matte. Es durfte wegen der mehrtägigen Dauer der Reise nicht zu wenig, aber auch auch nicht zu viel Gepäck sein. Er würde sich situativ entweder wachsam und geduldig an einem Platz aufhalten oder eben auch unauffällig und schnell bewegen müssen.

Pfeil, sein Wolfshund hatte gewinselt und gejault als Konrad das Haus am Bitterforst hinter sich gelassen hatte, nur zu gerne hätte ihn sein Weggefährte auch auf dieser Reise begleitet. Konrad warf einen letzten Blick zurück, als er der Straße aus Grenzwarth heraus in Richtung Düstersee und weiter zur Festung der Bruderschaft folgte.

Er würde im Lauf des Tages noch die letzten, notwendigen Abstimmungen mit der Scharfschützin treffen und nach der Sitzung der Bruderschaft am späteren Abend nach Osten aufbrechen. Sein Weg würde ihn über den alatarischen Bitterforst, durch freies Territorium unterhalb Varunas und schließlich durch das Markweiher Lehen Adlerklamm führen. Mit den ersten Sonnenstrahlen würde er wohlmöglich schon den Nebelpass passiert haben und auf das letztendliche Zielgebiet seines Auftrags zusteuern.

Konrads Herz schlug höher. Der Herzschlag belebte seinen Geist und schärfte seine Aufmerksamkeit. Ein für ihn bekanntes Gefühl, wann immer man ihn als Kundschafter aussandte und er in seinem Element war.

[Jynela Dhara]

Als sie von der Marine den Weg in Richtung Kommandantur einschlug, war ihre Miene ernster denn je.
Sie war an sich mit all ihren Gedanken und ihrer Konzentration bei dem Auftrag gewesen, den man ihr übertragen hatte. Die Planungen waren bereits im Gange, ein erneutes Treffen stand bevor um noch einmal die Details durchzugehen und die Gefahrenstellen wenigstens zu minimieren.

Und dann kam der Bericht der Diener Krathors.

Artefakte.
4 Reiche.
Ein Ziel.

Mit einem leisen Fluchen marschierte sie gen Kutsche. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt war es damit geworden und der Gedanke war einfach beunruhigend.
Noch spielte ihnen die Zeit aber in die Hände. Die Frage war nur, was würde in einigen Tagen sein?
Was wenn man sich dann auf die Antwort des Angriffs vorbereiten musste?
Wie sollten sie genug Leute entbehren um die Marine zu unterstützen, wenn gleichzeitig mit einem Angriff auf Rahal zu rechnen war.

In der Kutsche sitzend verdrängte sie für einen Moment eben jene Gedanken und nahm ihr kleines Notizbuch heraus. Eine kurze Liste war es, aber den ersten Punkt konnte sie bereits abstreichen.
Bisher war Vylen noch nicht von seinem Auftrag zurückgekehrt, sie erwartete ihn aber nun jeden Abend und hoffte, dass er sie mit weiteren Berichten versorgen konnte.


~*~

An gestrigen Abend war sie noch eine ganze Weile unterwegs gewesen. Von Rahal über Bajard und die Tempelanlage zur Loge und wieder zurück.
Am Abend würde sie nun noch einmal die Leute zusammen holen, mit denen sie aufbrechen würde.
Die Zeit bis dahin wollte sie jedoch nutzen und begann schon einmal ihre Tasche zu überprüfen und anschließend in der Werkstatt noch den ein oder anderen Glaspfeil zu befüllen. Routiniert und konzentriert arbeitete sie die letzten Punkte auf der Liste ab.

Wie hatte er gestern gesagt:

Die Ruhe vor dem Sturm.

Jetzt konnten sie nur hoffen, dass der Sturm nicht am Ende ganz Gerimor überrollen würde.