FAQ Login
Suchen Profil
Mitgliederliste Benutzergruppen
Einloggen, um private Nachrichten zu lesen
        Login
Ein Plätzchen unterm Sternenzelt
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Allgemeines Rollenspiel » Ein Plätzchen unterm Sternenzelt
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Karawyn





 Beitrag Verfasst am: 16 Nov 2022 23:11    Titel: Ein Plätzchen unterm Sternenzelt
Antworten mit Zitat



Sie liebte den Morgen in Schwingenstein, wenn die Vögel gerade erst in ihren Nestern erwachten und die ersten noch müden Gesichter aus den Fenstern blickten, dem neuen Tag entgegenfieberten oder ob der kecken Sonnenstrahlen beschlossen, sich doch noch ein paar Stunden zurück in ihr Bett zu wagen bis der Hofhahn sie erneut wecken würde. Die Schneiderin saß auf ihrer Veranda, die Hängematte, die sie mit festen Ringen zwischen der Wand neben ihrer Haustür und einer der hölzernen Pfeiler befestigt hatte, im morgendlichen Herbstwind hin und herschwingend und betrachtete die aufgehende Sonne. So sehr der Anblick des nächtlichen Himmels mit all den Sternen ihr Frieden gab, so gern sie im Mondlicht tanzte, so gern hatte sie doch auch den sich anbahnenden Morgen mit all seiner Geschäftigkeit die früher oder später Mensch wie Tier erwischte und mitriss, bis der Tag sein Ende fand.

Die kleine Siedlung, die sich ins Bergmassiv schmiegte, nah am Rittersee und nicht allzu weit entfernt vom Meer war ihr über viele Jahre ans Herz gewachsen und so kannte sie die wechselnden Nachbarn, das Blau der Klosterwache, die hochherrschaftlichen Herren und Damen und Herren die dort ein- und ausgingen und manchmal auch für das eine oder andere Kleinod bei ihr einkehrten…

Manchmal, wenn sie die warme Sonne und den Sand unter den Füßen ihrer Heimat vermisste, ließ sie sich zum Rittersee treiben, setzte sich dort in den kleinen Streifen Sand, den sicher bei der Gründung der Siedlung die Bewohner dorthin geschafft hatten und grub die nackten Zehen in das goldene Weiß aus Sand. Egal wie dunkel die Gedanken waren, wie sehr sie manche des Nachtvolkes vermisste, weil diese zu weit in der Ferne weilten, hier, an diesem Platz konnte sie nicht lang Trübsal blasen. Zu viele Geschichten fanden hier einen Anfang, zu viele Erinnerungen an Feste des Nachtvolkes, sei es das Hasenrennen, Eislaufen auf dem gefrorenen Gewässer oder die zahllosen Abenden voller Wunder in den Augen jener, die den Mären und Sagen des Sternenkinder lauschten.

Kurzerhand griff die Schneiderin nach einem ihrer zahllosen Notizbücher, in denen sich Zusammenfassungen für Märchen, Skizzen von Kostümen, Pläne für einen Maskenball und andere ihrer Ideen sammelten, stieg aus der sich nun wilder hin und her bewegenden Hängematte und sprang kurzerhand über den Zaun. Es waren nur wenige Schritte, nur ein kurzer Lauf hinüber an den See und Karawyn winkte im Vorbeieilen noch rasch Tulena, die bereits ihr Pferd sattelnd ihren Tag auf dem Feld begann.


„Hat dich der Hafer gestochen, Vollmond…solltest du nicht noch schlafen?“, kam es von der Rothaarigen mit einem herzlichen Lachen und die dunkelhaarige Schneiderin mit Locken, die wie dichter maronenfarbener Efeu bis zu ihrer Taille baumelten, umarmte die Bäuerin rasch.

„Ich will zum See, das Licht auf dem Wasser ist um diese Zeit besonders schön, ich habe eine Idee für die Geschichte einer kleinen Nymphe die dort in den Tiefen leben könnte…“

„Irgendwann wirste selbst mal eine Nymphe, das glaub mir…aber ich hab selbst einmal wieder Lust auf einen der Geschichtenabende…schade dass wir in der Taverne immer unter einem Dach sitzen, da fehlt mir der Blick auf die Sterne etwas.“

Tulenas Worte, so unbedarft sie gesprochen waren, rüttelten einen bis dahin noch tief und fest schlummernden Gedanken in ihr wach. Der freie Sternenhimmel, Geschichten…Gemeinschaft. Die meisten Mitglieder des Nachtvolkes kannten die liebgewonnene alte Tradition, sich in warmen wie kalten Tagen in einem Zelt zu treffen um einander dort Geschichten von Reisen und fernen Ländern, von Wesen so alt, dass sie nur Mären sein konnten und von unglaublichen Wundern zu erzählen doch ein wenig war die Tradition mit der Taverne eingeschlafen.

Schon vor Jahren hatten sie eigentlich eine kleine Zeltstadt mit einem kleinen Häuschen in der Mitte mitten in Schwingenstein bauen wollen und doch, hatte die Zeit und die Gelegenheit sich nie auf ihre Seite gestellt. Zuerst hatte die Erlaubnis gefehlt, dann hatte es Kämpfe gegeben, Wesen von außerhalb all dem, das sie kannte, hatten ihre gierigen Klauen nach den Bewohnern Gerimors ausgestreckt und so oder so war der erste Schritt schließlich nie genommen worden.

Heute aber, so beschloss der Vollmond, sollte der beste Tag für einen Anfang sein: Der Himmel so klar und blau, dass sich das Meer sicher in ihn verlieben konnte, die Herbstblätter bunt wie Juwelen aus den sagenumwobenen Schätzen, die die Drachen in den Sagen hüteten, das Flüstern des Windes in den Ästen der Bäume wie der Beginn eine Melodie…

Karawyns Herz schlug ihr bis zum Hals.

Tulena ein weiteres Mal stürmisch umarmend rannte sie, den Blick und das milde Kopfschütteln der Bäuerin nicht bemerkend in Richtung des Sees und begann mit den ersten Skizzen…

Eine Bühne und ein Hochseil, das darüber gespannt war…

Kurz schmerzte die Erinnerung an den Sternenfänger, der einst das Herz des Mondes gefangen hatte und nun selbst zu einem der leuchtenden Himmelslichter am samtigen Nachtblau geworden war.

Ein Zelt mit Kissen und Decken, in die man sich auch bei kaltem Wetter schmiegen konnte um an langen Abenden nicht zu frieren.

Eine Feuerstelle, an der man Stockbrot zubereiten konnte, so wie ihre Freundin Anney es immer geliebt hatte.

Und ein Häuschen mit Platz für einen jeden von ihnen

Karawyn wusste, dass die anderen den Vorschlag anhören, ihn hoffentlich für gut befinden und ihre eigenen Ideen hinzufügen würden.
Ein Platz für sie alle, dort am Rittersee.

Karawyn begann zu summen, eine der ersten Melodien, das sie nach ihrer Ankunft auf Gerimor gelernt hatte und das weder besonders komplex noch mit einem Text versehen war…sie wechselte an dessen Ende zum nächsten und zum übernächsten Lied und bald waren die Bilder fertig.

Dieses Mal…würde es gelingen!



_________________
Wir können nicht immer die Musik wählen, die das Leben für uns spielt, aber wir können wählen wie wir dazu tanzen.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nayri Nimmermeer





 Beitrag Verfasst am: 20 Nov 2022 15:03    Titel:
Antworten mit Zitat

Schnipp, schnipp...

Die Schere gleitete durch den robusten Stoff, der sich auch etwas starr in
den Händen anfühlte. Mehrfach gestärkt und gewachst, gebügelt und auch
versiegelt. Sie arbeitete mit solchen Materialien wirklich nicht sehr oft und
liebte eher die zarten, geschmeidigen Stoffe. Schmunzelnd erinnerte sie
sich an den Moment, als sie Karawyn vor einigen Jahren nervös darum bat,
die Arbeit an dünnen Spitzen und kostbarer Seide mit ihr anzugehen.
Ach, alleine der Gedanke wie teuer das feine Gewand in ihren Händen da
gerade war, ließ sie damals zittern aber sie hatte diese Werke lieben gelernt.
Vor allem Seide, Spitze, Samt und die Kreation hübscher Kleider lag ihr so
sehr am Herzen. Die Schneidermeisterin hatte ihren Lehrling gut ausgebildet
und Nayri dankte ihr eigentlich täglich dafür. Natürlich meistens innerlich,
Karawyn hätte bestimmt komisch dreingeschaut, wenn sie ihr jeden Tag
mit Inbrunst den Dank gebeichtet hätte.
Kopfschüttelnd widmete sie sich wieder dem Stoff.

Schnipp, schnipp...

Mit der weichen Schneiderkreide hatte Karawyn ihr auch hier geholfen
und die abgemessenen, riesenhaften Planen bereits vorsichtig skizziert.
Nun war es Nayris Aufgabe diese am heutigen Tag zurecht zu schneiden,
damit diese dann bald zusammengenäht werden konnten.
Zum "Sternenzelt"!
Bei dem Gedanken leuchteten ihre Augen vor Freude auf und ein Lächeln
erhellte auch ihre Gesichtszüge. Welch ein wunderschöner Gedanke und
endlich würde damit auch ein Gebäude, ein Heim des Nachtvolks wieder
bestehen. Sie selber kannte nur die Geschichten, hatte von Auftritten
mit einem Hochseil gehört, von Flammenspuckern und Messerwerfern.
Würde das bald alles Teil ihres Alltags?
Aber wie sollte sie hier ihren Beitrag leisten?
Sie war keine geborene Schaustellerin, konnte weder so wunderschön
elegant tanzen oder auf Seilen balancieren wie Karawyn, keine Lieder
schreiben und Geschichten erzählen, wie Morra. Konnte die Karten nicht
legen oder spannende Zukunftsvisionen zeichnen, wie Nephele und auch
Tulenas und Idas bezaubernde Gabe sich um Leute mit Speis und Trank
zu kümmern und jeden einzubeziehen hatte sie nicht.
Viel zu schüchtern und zu befangen.
Kein besonders gute Schaustellerin, nein.

Schnipp, schnipp...

Aber dafür war jetzt ihr Moment gekommen, um ein bisschen zu strahlen!
Das Sternenzelt war nur ein Teil der neuen Heimat und dafür benötigte
man die Künste erfahrener Schneiderinnen, um mit dem Material auch
richtig umzugehen. Es sollte ja Bestand haben. Für Karawyn alleine wäre
das aber eine Aufgabe von fast einem Vierteljahr gewesen und dann
hätte sie sich nicht um die Planungen kümmern können, wie sie es jetzt
tat. Also war Nayris Arbeit nicht nur wichtig, sondern auch essenziell!
Außerdem, selbst wenn sie das große Geschichtszelt fertig gestellt hatten,
dann blieb da noch so viel für das Haus selbst:
Vorhänge, Kissen, Gardinen, Handtücher, Decken, Sesselpolster und wenn
sie die Langeweile danach noch erreichen konnte, dann würde sie helfen,
die vielen, starken Hanfseile vom Seiler zu holen und die Hängeleitern
und das Hochseil zu knüpfen.
Ja, die nächten Tage würden nicht langweilig werden und sie, Nayri,
konnte endlich auch ihre Frau stehen und Teil der Gemeinschaft sein,
wie nie zuvor.

Schnipp, schnipp...

Die Schere gab ihr Recht, Nadel und Faden stimmten zu!


_________________
„Das kleinste Ding ist auch zu ehren:
Eine Nadel mag einen Schneider ernähren.“
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ida Holtzer





 Beitrag Verfasst am: 01 Jan 2023 18:18    Titel:
Antworten mit Zitat

Es war gut, dass der Winter ausblieb. Die fast schon milden Temperaturen erleichterten die Arbeit auf der Baustelle. Gut nur, dass es weit mehr zu tun gab, als ein Werkzeug in der Hand zu halten, wenn auch dann und wann selbst jenes ihr nicht erspart blieb.

Das Zelt stand schon eine Weile, bat ihnen Unterschlupf und einen gemütlichen Ort sich kurz zu erholen, eh die Arbeiten weitergingen. Sternenzelt, wie unglaublich passend. Tulena oder sie selbst brachten kleine Erfrischungen und Häppchen, woran sich jeder stärken konnte.

Das schlimmste was passierte war wohl als sie eine Säge zur Hand nahm... wie kamen ihr da doch die Erinnerungen an die Werkstatt daheim, an ihren Vater und ihre Brüder Ewan und Erikur. Und an das Werkstattverbot, dass man ihr gegenüber ausgesprochen hatte.
Jenes war seit dem letzten Besuch wieder aufgehoben, aber die Erinnerung hing ihr nach... all das was schon schief gelaufen war.
Der viel zu kurze Balken, der eine Seite der Bühne stützen sollte war auf ihrem Mist gewachsen, sehr zum Unmut einiger Baumeister, die dann ihrerseits einen neuen Balken herrichteten und ihr einen Eimer in die Hand drückten: Mörtel mischen.

Die ersten weiteren Bedenken schwanden rasch, nachdem Tulena ihr erklärte, es wäre auch nicht viel anders als einen Teig anzurühren.
Und tatsächlich, nach der Anleitung war sie mit der Masse vor sich recht zufrieden. Nun hieß es auf dem zuvor planierten Boden Stein für Stein das Haus aufzuschichten. Oft gingen ihre Blicke zu den Seiten, genau beobachtend was die anderen taten. All die Sachen die schief gehen konnten. Was wenn das Haus nun krumm und schief würde? Immerhin das Zelt stand schon sicher, die Bühne war in anderen Händen und was konnte man mit Steinen schon schief machen?

Was ihr etwas zuspielte war wohl ein mittlerweile eingeübtes Geschick und vielleicht die Gedanken, dass sie vor sich auch nur eine Torte aufschichtete.
Eine lange, sich aufteilende, mannshohe Torte.
Mit einem wohl sonst in den Arbeiten bei ihr selten gesehenem Lächeln widmete sie sich weiter der Aufgabe. Sie wollten fertig werden eh der Winter vielleicht wirklich hereinbrach und das Wetter wechselte.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Morra Thuati





 Beitrag Verfasst am: 20 Jan 2023 17:15    Titel:
Antworten mit Zitat

Die Gliedmaßen fühlten sich zu leicht an, als habe man ihnen ungemeint essenzielles Gewicht gestohlen und ein Blick an den Armen herab suggerierte ihr zumindest, dass die blasse Hautfarbe im zusätzlich fahlen Mondlicht dafür sorgte, das sie auch wortwörtlich beinahe durchsichtig wirkte.

Wirkte...?

Surreale Angst ließ sie zittern, obwohl doch der Winter noch immer nicht gedachte mit seinem eisigen Griff nach der Welt zu haschen. Schlecht für alles, was da eine Ruhepause brauchte, um nicht im hell glimmenden Funken des lebendigen Frühlings zu verglühen, doch gut, wenn man daran gedachte Zelte aufzubauen - und folglich spielte das in diesem einen Fall dem Nachtvolk ein klein wenig in die Hand.

Gut so, denn bisher waren sie nur sehr schleppend vorangekommen, obwohl immer wieder helfende Hände in Freundschaft und Anerkennung dargeboten wurden. Karawyn hatte mitunter gesundheitlich kämpfen müssen, war das Kind der Südsee noch immer schlecht gewappnet, wenn es um kühleren Regen in langen Phasen ging. Da brauchte es nicht einmal Schnee, Frost und Eis. Ida und Nephele arbeiteten an der Baustelle, wo es nur ging. Nayri und Tulena blühten regelrecht auf und sie...?

Sie war keine Hilfe... mehr.

Der Rabenmond hatte so unendlich viel gegeben und doch mehr genommen, als sie zunächst umreißen und begreifen konnte oder wollte. Sein Knochenmond hatte sie gezeichnet, die länger werdenden Schatten hatten sie gefunden und der Nebel sie geholt.
Den Alatner hatte sie in der Mühle verbracht und nur mit viel Mühe langsam wieder ein wenig Kraft in die Glieder gebracht, sich diverse Illusionen selbst eingeredet, bis die Wangen wieder rosiger wirkten und die Kohleaugen die eigene Glut erneut fanden.
Dennoch fiel sie weit über einen Mondlauf aus und auch jetzt saß sie lange auf dem Schemel, den Karawyn ihr angeboten hatte, als sie bemerkte, wie schlecht es noch um ihre körperliche Verfassung stand.

"Es ist die Blutarmut, oder?"

Zumindest die passende Ausrede lieferte man ihr gleich mit und sie nickte mit einem entschuldigenden, peinlich berührten Lächeln, schlug den Blick nieder und knibbelte verlegen an den Zaddeln des Schultertuchs.

"Ach, das ist nicht so schlimm, Möhrchen. Wir haben doch schon Einiges geschafft und nun ist's für heute nur noch das Zelt."

Betreten hatte sie eine ganze Weile zugesehen, während die Mädchen die Zeltplanen ausbreiteten und als sie da mit jedem Handgriff die prachtvollen Stickereien eröffneten, erwachte die Begeisterung im Herzen.

STERNE!
Zauberhaft, schimmernd, schillernd und leuchtend, erstreckten sich über die Zeltdecke und zierten den weiten Eingang. Mittig erstrahlte der Halbmond und versprach selbst jetzt schon den süßen Geschmack von tausendundeiner Geschichte, Märchen, Gedichten und Liedern.
Der Gedanke belebt nicht nur Geist, sondern zündete Kraft in Armen und Beinen - ehe sie recht begriff, was geschehen war, hatte sie die Zeltstangen zusammen mit Ida und Nayri herangeschleppt und unter Karawyns Anleitung bereits die Eckpfeiler des Geschichtenzelts in den Boden gerammt. Als sie Tulena beim Schleppen des schweren Mittelbaums erblickte, griff sie auch hier beherzt mit an, nur um beim Aufstellen selbigen erschrocken zu realisieren, dass die Kräfte wieder aufgebraucht waren und sie zuerst zu zittern, dann zu straucheln begann.
Erst als sie fürchtete, dass das Holz ihr entgleiten und wahlweise sie erwischen oder aber die Plane reißen würde, da verließ ein leises Wimmern die Lippen und sie wünschte sich kurz weit... weit... weg.

"Ein Teil von dir... bleibt."

Heimweh, ein Schmerz, der in dieser Form bisher nicht bekannt war, peinvoll, traurig, lähmend - und langsam kippte der Mittelbaum ihr entgegen.
Kurz nur spürte sie die zarte, lebendige Wärme im Rücken, ehe zwei Arme seitlich an ihr vorbeilangten, schlanke Hände sich gegen das Holz drückten und das Unglück abwandten.
Sie wartete nicht, bis der Baum wieder ganz im Lot war und lenkte den Blick staunend beiseite und erhaschte einen Hauch Frühling, der aus den perfekten Seelenspiegeln zu ihr drang und die Kälte in den Gliedern vertrieb, das Zittern abebben ließ.

Als der Mittelbaum stand, die Zeltschnüre gespannt und die Heringe fest im Boden saßen, da griffen die rettende Hände behutsam, fast zu vorsichtig und zaghaft nach ihrem Arm und führten sie zurück zum Schemel.

"Du... du kannst sicher auch helf'n, wenn du aufschreibst, was noch so an Steinen und Krams gebraucht wird, hm?"
Nur knapp die Anmerkung, Buch und Stift drückte man ihr in die Hand und dann war die Erscheinung auch schon wieder verschwunden, doch die süße Sorge darin und der hauchzarte Ton, mit welchem die Worte gesprochen worden waren, verströmten weitere Wärme und schoben den Heimwehschmerz noch ein klein wenig weiter weg.

So saß sie mit offenen Augen träumend unter dem Sternenzelt des Nachtvolks und wünschte, sie könnte ihre Gedanken und Träume endlich teilen.


_________________
"I, myself, am strange and unusual."
Beetlejuice...Beetlejuice... Beetlejuice!
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tasgall





 Beitrag Verfasst am: 21 Jan 2023 12:12    Titel:
Antworten mit Zitat

Zeig mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist
- Christian Morgenstern


Stein auf Stein und dazwischen der Lehm.
Besser spät als nie und besser heute als morgen.
Er wollte sich für den eigenen guten Rat gern ein bisschen beglückwünschen, doch um sich selbst auf die Schulter zu klopfen, waren die Hände gerade zu sehr mit lehmigem Matsch besudelt und es hätte wohl auch seltsame Blicke gegeben, wenn er da oben auf der der Leiter die letzten Ziegel richtete und sich dabei auf die Schulter patschen würde.
Erstaunlich, was die zarten, weiblichen Geschöpfe bisher so geleistet hatten.
Allen voran, was den Hausbau anging, Tulena, die er nicht mehr so ganz unter "zartes Geschöpf" verbuchen wollte, denn die starken Arme der Bäuerin hatten das Fundament und einen Großteil der Wände über Monate nun gemeistert. Nur hier und dort konnte er ein bisschen helfen, Holz klopfen und die Balken zurechtsägen, die wiederum Tulena ausgemessen hatte.
Auf die Frage hin warum oder eher woher sie dieses Wissen denn hatte, da sah sie ihm lange nachdenklich entgegen und irgendwann meinte sie knapp aber nicht kühl, sondern eher versonnen:

"Weißt du, die Radenbrucks hatten mal einen Weiler..."

Er schwieg und wollte nicht drängeln, doch nach einigen Momenten, da begann sie während der Arbeit ein wenig zu erzählen und berichtete davon, dass sie mit ihrem Mann gemeinsam einen Hof bewirtschaftet hatte und dass die ganze Familie mit einer Schwägerin, zwei Nichten und deren Partnern nach und nach den Weiler aufgebaut hatten.
Immer wieder sprach sie ein bisschen mehr von sich und dem Leben, dass sie in den letzten Jahren auf Gerimor geführt hatte und er lauschte, hörte zu und fragte nur selten bohrend nach.
Währendessen arbeiteten sie im Laufe der Tage und dann auch Monate weiter an dem Häuschen, sahen am Abend stolz auf das Tagwerk und atmeten erleichtert aus, dass der Winter so mild war. Der Frost hätte die Arbeit mit dem Lehm erschwert und sich in die Ziegelsteinritzen gedrückt, bevor die Wände hätten trocknen können. Wie durch ein Wunder aber verschonte sie der Schnee weiterhin und so saß er nun am Dach und richtete die letzte Ziegelreihe, der Schulterklopfdrang war auch überwunden.

"Heeda, Tas, klettere die Leiter mal herunter und komm her!"

Tulena schwenkte da unten ein Bierchen und dem Ruf folgte er beinahe geschwind. Als sie beide unten standen, die Flaschen leise gegeneinander prosteten und den Blick wieder hinauf lenkten, da war ihm erst bewusst, wie viel sie geschafft hatten und dass er es nicht erwarten konnte, dieses Haus zu betreten, in welches so viele Geschichten und Erinnerungen bereits hineingeflossen waren.
Bald schon war es soweit, bald.
 Nach oben »
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Allgemeines Rollenspiel » Ein Plätzchen unterm Sternenzelt
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.




phpBB theme/template by Tobias Braun
Copyright © Alathair



Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
Deutsche Übersetzung von phpBB.de