Ivan Ivanson, Clansschwert der Tryant

[Alev Wikrah]

Vor langer Zeit - um nicht zu sagen nie - da lebte in einem abgelegenen Dorf ein Thyre namens Ivan Ivansson und den Ahnen gefiel es, das Tryantschwert noch auf seine alten Tage hin einer Prüfung zu unterziehen.

*
Ivan hatte den Zenit seiner Kraft zu dieser Zeit längst überschritten. Immer öfter zog es ihn zu dem kleinen Ahnendenkmal im Hain, das an sein Weyb erinnerte. Ihre gemeinsamen Welpen hatten mittlerweile selbst Welpen und obwohl Ivan ihr Heranwachsen mit Stolz und Zufriedenheit erfüllte, spürte er, dass sein Einfluss auf die Familie und des Rudel schwand. Als er noch in der Blüte seines Könnens stand, hatte ihn diese Vorstellung geängstigt, nun aber sehnte er sich nach Ruhe und Frieden und nach gut abgehangenem Fleisch und einer Pfeife, die nicht kohlte.

Den Wachtdienst am Tor des Dorfes versah er stets mit der Gelassenheit, die sein Alter und die damit verbundene Routine mit sich brachte. Es war seit Monaten das übliche Kommen und Gehen. Er überprüfte die Fuhrwerke und ihre Waren, plauderte mit den Reisenden aus Nah und Fern und hörte sich gleichmütig die Geschichten an, die mit ihnen ins Dorf kamen.

In der Woche vor Samhain trug es sich nun zu, dass, als Ivar seinen Dienst in den Abendstunden versah und er nicht mehr damit rechnete, dass zu so später Stunde noch jemand den Weg heraufkam, er das Knirschen kleiner Steinchen unter sich nähernden Schritten hörte.

Da er sich nie erlaubt hätte, während seines Wachtdienstes unaufmerksam oder gar schläfrig zu sein, hatte er guten Grund seinen Ohren zu trauen. Er spähte im spärlichen Licht des Halbmondes in die Nacht. Gerade glaubte er die Schritte noch von Fern zu hören, da zeichneten sich die Umrisse einer gehörnten Gestalt in einer tiefschwarzen Roben vor dem dämmrigen Hintergrund ab. Er erkannte Arme wie Äste, die sich in den Fingern verzweigten und sah, wie die Gestalt mit gekrümmter Hand auf ihn deutete.

Ivan hatte seinen Schild angehoben und rief: Wer kommt an unsere Tore zu dieser Stunde?
Ich komme vor Samhain, um das Dorf und seine Bewohner heimzusuchen! Du trittst nun beiseite!, antwortete die Gestalt mit gleich mehreren Stimmen.

Aus den gekrümmten Fingern der Gestalt begannen dichte Schatten zu wabern, die das spärliche Licht des Mondes aufsogen und die Fackeln am Tor zum Erlöschen brachten. Abgesehen von dem silbrig glänzenden Geweih, das die Gestalt auf dem Kopf trug, fand sich Ivan in völliger Dunkelheit wieder.

Keinen Spielraum für lange Verhandlungen erkennend, warf sich Ivan mit dem schildbewehrten Arm und erhobenem Schwert gegen die Gestalt, um sie zu verjagen.

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Es war aber ein Alptraumgeist, der das Dorf vor Samhain heimsuchen wollte und er brachte in der Dunkelheit fluoreszierenden Staub mit, den er Ivan ins Gesicht blies, als dieser zum Angriff stürmte. Der Geist hatte die Dosierung ordentlich unterschätzt, denn der Hüne kämpfte sich noch ehe er in seine Träume schlüpfen konnte, aus dem Schlaf. Er schüttelte tapfer alle Müdigkeit aus seinen alten Gliedern und war mit einem Griff nach der Axt auf seinem Rücken erneut zum Angriff gestürmt. Der Hieb hätte den Geist gespalten, doch an seine Stelle war ein dichter, in der Dunkelheit wabernder Schatten getreten. Als Ivan sich umdrehte, blickte er in das vernarbte Gesicht des Geistes und noch ehe er erneut zum Angriff übergehen konnte, schickte ihn der Geist mit einem entsetzlichen Wimmern erneut in den Schlaf.

Im Traum begegnen die beiden einander vor einem Abgrund. Diesseits des Abgrundes fand sich Ivan auf einer Schneeebene wieder und der pfeifende Wind zerrte an seinen Haaren. Auf der anderen Seite erkannte Ivan hingegen einen grünen Hain im Frühling. Der goldene Glanz einer rasch aufgehenden Sonne sickerte in den Dunst zwischen den Baumriesen und auf dem moosbedeckten Waldboden sah er sein Weib stehen.

Geh hinüber und ich lasse das Dorf in Ruhe!, raunte ihn der Geist an.

Der Anblick seines Weybes jenseits des Abgrundes entwarf vor dem inneren Auge des Hünen die Vorstellung langer Spaziergänge durch den Hain und nun, in greifbarer Nähe, war der Wunsch, sich wieder an ihrer Seite zu wissen, beinahe übermächtig. Er wollte gerade die schmale, leicht gewölbte Steinbrücke über den Abgrund betreten, da kam ihm in den Sinn, dass der Geist womöglich gelogen und das Rudel seinen Worten zum Trotz heimsuchen könnte.

Sein Schwur, das Rudel mit seinem Leben zu beschützen, den er vor vielen Jahren geleistet hatte, war ihm noch so heilig wie am ersten Tag und zog sich wie ein golden glänzender Faden ohne Risse durch sein ganzes Leben.

Wie weit muss ich gehen, bevor du mich in den Abgrund stößt? Vier Schritte, sechs Schritte?

Als Ivan sich wieder dem Geist zuwandte, erkannte er die Gesichtszüge von Lavthor, dem Verräter. Dem Jarl, der in seiner Jugend das Rudel tyrannisierte und nun zurückkehrte, um seinen Frieden erneut zu stören. Wutentbrannt warf er sich auf den Geist und schlug ihn mit einem einzigen Hieb seiner Axt den Kopf von den Schultern.

*
Im nächsten Moment erwachte Ivan vor den Toren des Dorfes. Vom Geist keine Spur ...