[Samhain]Du fällst im Schatten der Tage als Stille und Stich

[Alev Wikrah]

Valja Wikrah

Lad' mich nicht ein, denn da wo ich hingeh', regnet es bloß
Die Wand ist lang und zu hoch
Der Graben tief und zu groß
Doch irgendwo aus dem Nichts
... ein Blick, für den es sich lohnt

Mit den kürzer werdenden Tagen und den länger werdenden Schatten kroch ein kleine Verstimmung in das sonnige Gemüt der jungen Wikrah. Samhain, das Fest der Ahnen, stand vor der Tür, der Tag, an dem sich die Tür nach Anundraf einen Spaltbreit öffnete.

Abseits der höchst erfreulichen Aspekten des Festes, den beleuchteten Kürbisfratzen, den Gruselgeschichten, der Erlaubnis sich zu verkleiden und die Clanner zu erschrecken, dachte Alev dieser Tage hin und wieder an ihre Mutter.

Immer wieder blitzte ein und dasselbe Bild in ihren Gedanken auf: Als sie Valja zum letzten Mal gesehen hatte, warf sie ihr in freudiger Erwartung der anstehenden Hatz ein Zwinkern über die Schulter zu, das sagen wollte: Wir sehen uns bald!

Daraus war dann leider nichts geworden.

Alev hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, schleunigst an etwas anderes zu denken, wenn ihr mit der Erinnerung an ihre Mutter schwer ums Herz wurde, aber nun wölbte sich mit Samhain ein blasser Hoffnungsschimmer über den Horizont, der über den großen Graben, der sie von Anundraf und Valja trennte, eine kleine Brücke spannte.

Sie hatte von den Schamanen des Rudels in Erfahrung gebracht, dass es im Hain einen Tunnel gab, der es mit entsprechenden Opfergaben ermöglichte, in Kontakt mit den Ahnen zu treten. Nicht sicher war allerdings, ob sie ihre Mutter oder ihre Urahnen treffen würde, oder ob überhaupt jemand mit ihr sprechen wollte.

Ihre Fragen waren in der Reihenfolge ihrer Relevanz: Wie geht's dey? Sey zufrieden mit mey? Kannst dey bitte auf mey neuen Freunde in Wulfgard aufpassen? Sey normal, dass mey no' ney größer sey? Wo sey de' Mütze für de' Winter?

Alev kam sich unbedeutend und klein vor und schämte sich ein bisschen für den Wunsch nach einer neuen Mutter.