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Wie das Leben eben so spielt...
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Lingor Melia





 Beitrag Verfasst am: 16 Feb 2022 09:29    Titel:
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Erschöpft stemmte er sich mit den Händen auf seinen Oberschenkeln ab und rang nach Atem. Wenigstens fror er jetzt nicht mehr. Jynela wusste, wie sie ihn fordern konnte und auch wenn ihn ihre kleinen, liebevoll gemeinten Sticheleien über seinen lahmen Arsch zum Schmunzeln brachte, wusste er doch, dass sie Recht hatte. Zwar hatte sich seine Agilität und Wendigkeit in den letzten Wochen verbessert, doch war dafür auch hartes Training nötig gewesen. All die früheren Klagen über den schlimmsten Muskelkater seines Lebens wirkten jetzt so furchtbar lächerlich. Doch wusste er ja, wofür es machte, wusste, wozu es gut war. Wer vorankommen wollte, musste an sich arbeiten. Und er hatte in seinem Leben oft genug gespürt wie es war, wenn die eigenen Unzulänglichkeiten den Wünschen und Zielen Grenzen setzten.

. - ~ - .


Möglichst unauffällig und betont ruhig ging der junge Mann durch die schmalen Gassen des Arbeiterviertels, sah sich hier und dort um und verließ sich auf seine Nase, im wahrsten Sinne. Hier in den Hinterhöfen standen oft genug Bleche zum auskühlen oder Terrinen mit kalten Braten oder Fleischkeulen herum. Doch waren die Bäcker und Köche auf zack. Wenn er nicht erwischt werden wollte, musste er schnell sein; und das war nun wirklich nicht seine Stärke.

Als er um die nächste Kurve bog, sah er direkt das Objekt seiner Begierde, nein, es waren sogar zwei: ein Apfel war wohl aus einem Korb gerollt und lag nun hinter etwas Laub an einer Häuserwand. Das war einfach und würde auch keine Probleme hervorrufen. Der junge Krieger ließ ungeschickt seine Tasche auf Höhe des Apfels fallen und räumte die kleine rote Frucht direkt mit ein, als er sie aufhob. Am liebsten hätte er sofort seine Zähne hineingeschlagen, doch konnte er sich zusammenreißen.

Auf seinem weiteren Weg näherte er sich dem alten, etwas schmuddelig wirkenden Backblech, gut bestückt mit scheinbar frisch gebackenen, kleinen Zimtschnecken. Es war eher selten, dass süße Backwaren in diesem Teil der Stadt angeboten wurden, war schlichtes Brot doch einfach wichtiger, aber wer wusste schon, wer der Auftraggeber war. Und letztendlich war es Lingor in dem Moment egal, womit er seinen schmerzenden Magen füllen würde.

Er beschleunigte seinen Schritt, machte seine Hand bereit und schnappte sich im Vorbeigehen eine der Hefeschnecken und spurtete direkt los. Und das keine Sekunde zu früh, denn er hörte direkt den tobenden Bäcker aus dem Fenster zur Hinterhofgasse rufen, dann wie eine Tür grob aufgestoßen wurde. Mühsam versuchte er beim Rennen die Zimtschnecke in seine Tasche zu stopfen, denn das Ende der Gasse näherte sich immer schneller und er würde beide Hände brauchen, um sich an der Wand hochzuziehen und über die mannshohe Mauer zu springen.

Es waren nur noch wenige Schritte und er spürte regelrecht, wie der Bäcker ihm auf den Fersen war, als Lingor sich das Gebäckteilchen schlichtweg im Ganzen zwischen die Zähne schob und seine Kraft einsetzte, um über die Mauer zu kommen. Hastig schwang er seine Beine darüber und ließ sich auf der anderen Seite in die Tiefe fallen. Er hörte den Bäcker noch rufen, doch war er definitiv außer Gefahr.

Mühevoll atmete er durch, griff sich an die schmerzenden Seiten auf Nierenhöhe und seufzend verschwand die Zimtschnecke nach einigem Kauen in seinem Magen. Es war eigentlich ärgerlich, dass er das arme Ding so runterschlingen musste. Ihm wäre es lieber gewesen, das Gebäck langsam zu genießen, aber immerhin füllte es so seinen Bauch gleichermaßen.

. - ~ - .


Vor einem Jahr noch wäre er nie auf die Idee gekommen, dass er mal sein Essen stehlen musste. Eigentlich wusste er bis dahin auch nicht, wie es war, wirklich wahrlichen Hunger zu haben. Hunger, der Kopfschmerzen und Übelkeit hervorrief, der einen verrückt machte und den Kopf zumeist voll beschäftigte, wenn er Überhand nahm.

Denn bis zu seinem 16. Lebensjahr hatte er ein völlig anderes Leben gelebt. Zwar hatte es seitdem er denken konnte Differenzen mit seinem Vater gegeben, dennoch hatte es ihm nie an etwas gefehlt. Er war im Reichtum aufgewachsen, war von Kindesbeinen an in allem geschult worden, was ein junger Adeliger an Wissen brauchte, hatte verschiedene Hauslehrer und wurde gefördert. Sein Weg war vorbestimmt. Der Knabe mit dem oft stolzen Blick würde seinem Vater folgen, der den höchsten Rang in der Legion Meranthals besetzte. Es stand völlig außer Frage, dass er ein begnadeter Krieger sein würde, der seinesgleichen sucht.

. - ~ - .


Es hatte eine Weile gebraucht, bis er diesen Schritt gemacht hatte. Er war ganz bestimmt kein Dieb, dazu war er zu gut erzogen worden. Doch neue Gegebenheiten forderten andere Mittel und irgendwann war es ihm schlichtweg egal, ob er stahl, um seinen Magen zu füllen.

Das Leben unter freien Himmel war schwierig für ihn, alleine schon deshalb, weil er es einfach nicht gewohnt war. Sein Vater war nicht die Art Mann gewesen, der mit seinem Sohn mal über Nacht zum Angeln gegangen wäre, zum jagen oder sonstiges. Lingor hatte sein Leben immer im Anwesen seiner Eltern verbracht, bis er dann im Alter von 12 Jahren endlich zur Akademie durfte. Doch auch in der Zeit davor war sein Leben vom Lernen und von Pflichten geprägt gewesen. Freunde hatte er keine, draußen zum Spielen war er nie.


Als er ging, hatte er nicht viel mitgenommen. Natürlich etwas Gold, ebenso ein paar Schmuckstücke seiner Eltern, sein Schwert, eine leichte Lederrüstung. Ansonsten war seine Planung eher stümperhaft, einfach aufgrund mangelnder Erfahrung und vermutlich ebenso wegen einer naiver Weltansicht. Er war sich sicher, dass er nicht lange unterwegs sein würde und dass er, sobald er in eine Region kam, wo der Name Melia nicht mehr so viel Gewicht hatte, rasch eine Akademie finden würde, die seine Ausbildung beenden und ihn zum Soldaten machen würde. Von da an hätte er es leicht, zumindest in seiner Vorstellung. Er war sich sicher, dass er das Talent hatte und sämtliche Voraussetzungen erfüllte, um zu brillieren. Er brauchte nur andere Umstände, um seine Ziele in die Tat umzusetzen.

Das Gold war früher verbraucht als er gedacht hätte. Er hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie kostspielig das Leben war. Und wenn man wie er gewisse Standards gewohnt war, sah man nicht direkt die Notwendigkeit, von diesen abzuweichen. Dazu kam die noch immer andauernde, leichte Überheblichkeit, die er an den Tag legte. Er war nach wie vor der Meinung, dass ihm eine bessere Behandlung zustünde; und sowas kam selten gut an. Für Tavernenbesitzer war ein derartiges Verhalten ein gefundenes Fressen, um dem arroganten Möchtegern-Krieger das doppelte an Gold für Speise und Unterkunft abzunehmen.

Das Erste, das er beim Pfandleiher versetzte war ein Ring seiner Mutter. Kein besonders schöner, aber mit einem stechend roten Rubin. Danach folgten Manschettenknöpfe seines Vaters, verziert mit seinen Initialen.



Als er bei den ersten beiden Akademien abgelehnt wurde, schwand langsam seine Zuversicht. Erst kam Wut auf, die dann nach einer gewissen Zeit ebenso wich und Existenzangst Platz machte. Das Einzige, was er noch besaß, war das Schwert aus silberweißem Stahl, das er zum Geburtstag bekommen hatte und die leichte Rüstung aus Leder und er war sich sicher, dass es ihm niemals so schlecht gehen konnte, dass er beides versetzen würde.

In den ersten Nächten unter freiem Himmel hatte er kaum ein Auge zubekommen. Und wenn nicht gerade der Hunger ihn plagte, so war es nach und nach der Entzug vom Alkohol, der sich bemerkbar machte. Ihm war nie wirklich bewusst gewesen, dass er in dieser Richtung ein Problem hatte, doch spürte es dieses jetzt deutlich. Er fror entsetzlich trotz des sommerlichen Wetters, verlor an Kraft und kam dennoch kaum mehr zur Ruhe. Sein Kopf arbeitete unentwegt.

Er war mittlerweile einige Wochen unterwegs, schleppte sich jeden Tag immer ein Stück weiter in der Hoffnung auf Besserung. Er lebte von dem, was er unterwegs auftreiben konnte, sein Stolz war ungebrochen. Er war zum Krieger geboren und nichts anderes würde er akzeptieren!

Der Herbst kam dieses Jahr unerwartet früh. Die Tage wurden kälter, regnerisch und kurz. Er hatte sich in der kleinen Stadt, in der er als nächstes gestrandet war, umgehört und in Erfahrung bringen können, dass es eine Akademie gab, an der Soldaten ausgebildet wurden, doch waren die Auswahlkriterien hoch. Es mussten gewisse Vorkenntnisse mitgebracht werden, ebenso war körperliche Unversehrtheit eine Grundvoraussetzung.

Er wurde rasch vorstellig und wie kaum anders zu erwarten, meisterte er das Einführungsgespräch gekonnt. Er hatte Ahnung von militärischer Struktur, war bereits vier Jahre auf der Akademie in Meranthal gewesen und hatte gewisse Grundkenntnisse.

Doch folgte danach die Musterung. Sicherlich war er nervös, doch hoffte er, dass seine Statur und sein Auftreten seine anderen Probleme überlagern würden. Doch war der Heiler der Akademie gut in seinem Handwerk und es brauchte kaum zwei Blicke um zu erkennen, in welcher Verfassung Lingor war. Er hatte leichtes Untergewicht, die Haut war fahl von schlechter Ernährung und dem Entzug vom Whisky. Ebenso bestätigte sich sein Verdacht rasch, dass der Medicus sein Nierenproblem direkt erkennen würden, sollte er diesen Bereich berühren und abtasten.

Es brachte Lingor letztendlich nichts, dass der Leutnant, mit dem er das Gespräch führte, es bedauerte, ihn nicht aufnehmen zu können und er hatte Mühe seine Enttäuschung zu verbergen. Als er die dicken Mauern der Akademie hinter sich ließ, kam zum ersten Mal das Gefühl von Angst auf. Was sollte er jetzt noch tun?
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Lingor Melia





 Beitrag Verfasst am: 18 Feb 2022 19:08    Titel:
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Der neuerliche Rückschlag zog ihn in ein nie gekanntes Tief. Nicht nur, dass es ihm gesundheitlich immer schlechter ging, er hatte schlichtweg keine Perspektive mehr. Er war sich sicher, wenn ihn schon die ersten beiden Akademien wegen fehlendem Gold abgelehnt hatten und die letzte aufgrund seiner Verfassung, standen seine Chancen schlecht.

Die lederne Rüstung war das nächste, was er zu Gold machte. Zwei Wochen später folgte schweren Herzens das Schwert. Es war kaum mehr sein körperlicher Zustand, sondern mehr sein Gemüt, das ihm nun zu schaffen machte. Das Schwert war ihm heilig gewesen, er hatte Hochachtung vor dem Mann gehabt, der es ihm geschenkt hatte, seinem Lehrmeister. Er war ein wahrlich fähiger Gardist, der fair handelte und Prinzipien hatte. Jetzt hatte er das letzte Andenken an die Zeit auf der Akademie aus seinen Händen geben, das letzte Stück aus seinem alten Leben war verschwunden. Und ebenso auch das letzte Stück, dass ihn vielleicht wieder auf eine eben solche hätte führen können.

Dennoch löste es sein Problem nicht. Das Gold, das er für das Schwert bekommen hatte, würde nicht ewig reichen. Im Gegenteil, er hatte bemerkt, dass die Münzen nie so lange reichten, wie man es sich erhoffte.

Er kam irgendwann zu dem Punkt, an dem er keine andere Wahl mehr hatte, als sich neu zu orientieren. Er musste einsehen, dass er seine Ziele neu ordnen musste, dass er es nicht schaffen würde, den direkten Weg zu gehen. Den einfachen Weg. Zu viele Stolpersteine hatten sich ihm vor die Füße gelegt, als dass er hätte so weiter machen können.

Was wäre denn, wenn er versuchen würde, erst einmal ein einfaches, solides Dach über dem Kopf zu bekommen. Er könnte ein wenig Gold verdienen, auf die Beine und zu Kräften kommen und dann würde er sicherlich einen Platz in einer Akademie ergattern können. Was machte da schon ein halbes Jahr? Er war schließlich jung und hatte Talent.

Lingor war mittlerweile weit genug entfernt von Meranthal, wie weit genau konnte er nicht einmal sagen. Er war kreuz und quer durchs Land gezogen, hatte alles an Dörfern und Städten mitgenommen, die auf dem Weg lagen. Allerdings wurden seit ein paar Wochen keine Augenbrauen mehr gehoben, wenn er sich mit seinem Nachnamen vorstellte. Und wo er anfangs noch hier und dort prekäre Details über das Leben und den Tod seines Vaters aufschnappte, wenn er die Ohren in den Tavernen offenhielt, brachte die Erwähnung seiner Heimat irgendwann nur noch vages Interesse auf.

Die erste Anlaufstelle war eine Kurierstation, doch war dort keine Arbeit zu vergeben, solange er nicht mit einem eigenen Pferd wiederkam. Der örtliche Buchbinder lehnte ihn ab aufgrund mangelnder Erfahrung in dem Bereich, der Bibliothekar traute niemanden, der nicht aus der Umgebung war, dem Apotheker war er zu jung, der Rest hatte schlichtweg keine Arbeit für ihn.

Er war nun schon einige Tage auf der Suche, bis er vom Wirt der Taverne, in der er Abends saß, einen Tipp bekam: Der Rotfuchs-Hof vor der Stadt nahm immer wieder mal junge Burschen auf, doch das allerdings eher über die Sommer- und Erntemonate. Jetzt aber stand bald der Jahreswechsel vor der Tür.

Seine erste Reaktion war eine konsequente Ablehnung. Er? Ein Knecht? Beim besten Willen nicht! Letztendlich war er noch immer adelig, auch wenn hier niemand seinen Namen kannte. Da würde er nicht den ganzen Tag für ein Stück Brot und ein Strohbett auf einem Hof schuften. Und wie sollte ihn das auch weiterbringen? Gutes Gold würde er dort nicht verdienen, um sich seine neue Ausrüstung besorgen zu können. Ganz davon ab, dass die Arbeit dort vermutlich so sehr forderte, dass er keine Chance haben würde, sich zu erholen.

Lingor versuchte es noch ein, zwei Wochen weiter an verschiedenen Stellen Arbeit zu finden, doch hatte er kein Glück.

Er war sich seiner Lage durchaus bewusst. Er hatte kein Gold mehr, der Winter stand vor der Tür, auch wenn dieser in den hiesigen Landstrichen sehr milde ausfiel, es gab niemanden, der ihn einstellen wollte. Es war nicht so, dass er noch groß eine Wahl hatte.

Es war nur ein Weg von wenigen Minuten, bis er den Hof mit dem Fuchsschild über dem Haupttor erreichte. Der Weizen stand hüfthoch auf dem Feld, in einem kleinen Gatter gackerten aufgeregt ein Dutzend Hühner. Zu sehen war sonst niemand und ihm widerstrebte der Gedanke zu rufen oder gar zu läuten. Alles in ihm wehrte sich dagegen, noch weiter hier zu bleiben oder gar nach Arbeit zu fragen. Niemand in seiner Familie hatte jemals derart Arbeit verrichtet, seine Mutter und er hatten nicht einmal was in der Küche des Herrenhauses zu suchen gehabt.

Sein Kopf hielt ihn die Nacht über wach. Er war sich bewusst, dass er keine Alternativen mehr hatte und doch war der Schritt, auf einem Hof zu arbeiten, echte Überwindung.

Die nächsten Nächte hatte er wieder einmal unter freiem Himmel verbracht. Die wenigen Münzen, die er noch hatte, investierte er in einfache Kost. Hunger war mittlerweile zu seinem ständigen Begleiter geworden, stetig klamme und abgetragene Kleidung ebenfalls. Seine Haare wucherten ihm inzwischen fast bis zum Kinn, der Bartwuchs wurde dichter und forderte Pflege, die er nicht leisten konnte.

Es war wieder der Wirt, der ihm auch von der Stelle auf dem Rotfuchs-Hof berichtet hatte, der ihm ins Gewissen redete. Er kannte den Burschen nun schon ein paar Wochen, konnte beobachten, wie er immer magerer wurde und zudem mehr und mehr resignierte. Er zeigte Lingor in aller Deutlichkeit, aber mehr in einem väterlichen Ton, wie es um ihn stand und redete lange auf ihn ein. Und es war ja auch nicht so, dass er es nicht selbst wusste.

Sein eigener Stolz bröckelte deutlich, als er wenig später erneut den Weg zum Rotfuchs-Hof antrat. Diesmal war die Hofbesitzerin anwesend, eine rechte betagte Dame mit Haaren auf den Zähnen. Sie beäugte den Neuling kritisch, geizte nicht mit zynischen Bemerkungen über den Zustand des jungen Mannes und dennoch hatte er das Glück, dass sie derzeit keinen Knecht hatte und ihn wohl unterbringen konnte und würde.

Das Zusammenleben mit der Gutsherrin war nicht sonderlich herzlich, doch erwartete er das auch nicht. Der Tag war klar strukturiert, der Lohn spärlich, es gab strikte Regeln, an die er sich zu halten hatte. Gisela hatte ihn auf dem Heuboden des Stalls untergebracht. Er hatte es zwar trocken, aber nicht sonderlich warm. Ihm war es untersagt, alleine im Haupthaus zu sein, es sei denn, er sollte etwas für Gisela erledigen. Der Tag begann stets um 4 Uhr und endete spät, je nachdem wie langsam Lingor arbeitete.

Es traf sich, dass er im Winter auf den Hof gekommen war, denn das Arbeitspensum, das dort von ihm verlangt wurde, hätte der verwöhnte Busche im Sommer nicht geschafft. Immer wenn er gerade eine Aufgabe ausgeführt hatte, kam Gisela direkt mit drei neuen zu ihm.

Es war schwierig, sie zufrieden zu stellen. Es schien, als hätte ihr das Leben so übel mitgespielt, dass sie keinerlei Freude mehr daran hatte und verbittert war. Ihr Mann war schon vor einigen Jahren gestorben, der Kinderwunsch des Paares wurde nie erfüllt. Sie schaffte es ohne Hilfe kaum, den Hof soweit zu führen, dass er in Schuss blieb. Aber mit Hilfe fiel auch etwas ab, das sie beiseitelegen konnte.

Lingor hasste jede einzelne Minute an jedem einzelnen Tag, den er auf dem Hof verbrachte. Er war für diese Art von Arbeit nicht geschaffen und das wollte er auch gar nicht. Er tat sich schwer damit, sich die Hände dreckig zu machen, ein Frühaufsteher war er auch noch nie gewesen. Und dass die Hofherrin wie die Katze auf der Lauer lag um ihm seine Fehler vorzuhalten, tat dabei sein Übriges. Oft genug führten die unterschiedlichen Einstellungen der beiden Bewohner des Rotfuchs-Hofes zu Streitereien, mehrmals hatte Lingor in seiner Wut seine Arbeit hingeschmissen und war gegangen. Sicherlich war das Verhalten Giselas nicht immer einwandfrei und sie war in ihrer Art und ihren Leben vermutlich festgefahren, doch stand Lingor noch immer sein Stolz im Weg.

Und dennoch hielt er durch, auch wenn sich seine Befürchtungen immer mehr bewahrheiteten. Er war abends so erschöpft, dass er sich nicht mehr aufraffen konnte, das Training fortzusetzen, von dem er sich geschworen hatte, es niemals aufzugeben. Auch reichte der knappe Lohn natürlich nicht, um wieder an Rüstung und Schwert zu kommen.

. - ~ - .


In den ersten Monaten machte er nichts anderes außer arbeiten und schlafen. Je wärmer es wurde, desto mehr Arbeit gab es. Und da der letzte Knecht schon einige Zeit den Hof verlassen hatte, bevor Lingor aufgetaucht war, gab es viel aufzuholen. Die Herbststürme hatten viel an Ställen und Scheunen beschädigt, aber auch die Weidezäune waren brüchig und morsch. Also kamen zu seinen täglichen Hofarbeiten nun noch die Instandhaltung und das Holzhacken hinzu.

Er hatte zwar auch in dem Bereich keine Erfahrung, aber er merkte schnell, dass ihm das Holzhandwerk lag. Er mochte das Material, das Gefühl dafür, wenn er es verarbeitete, den Geruch und war letztendlich stolz, wenn er etwas erfolgreich repariert hatte. Das war auch das, was Gisela wahrnahm. Sie bemerkte, dass der dauerhaft schlechtgelaunte Knecht sich ein wenig wandelte, ein erstes Lächeln nach vielen Monaten folgte und teilweise Freude an der Arbeit entwickelte und honorierte dies mit einem Entgegenkommen ihres eigenen Verhaltens.

Und je freundlicher sie ihm begegnete, umso mehr kam er aus sich heraus. Oder war es andersrum? Es zeigte sich jedenfalls, dass beide Rotfuchs-Hofbewohner nicht so kratzbürstig waren, wie es auf dem ersten Blick schien. Beide hatten ihre Schwächen, doch hatten beide einen Weg hinter sich, auch wenn sich dieser bei beiden von der Länge her stark unterschied.

Es war deutlich zu merken, wie beide mehr aufeinander zugingen. Des Öfteren lud Gisela ihren Knecht ein, mit ihr zusammen zu essen, später bekam er sogar die Erlaubnis, in ihrer Küche zu werkeln. Und so ungeschickt er sich anfangs dabei auch noch anstellte, entwickelte sich alsbald ein Talent in dieser Richtung. Er erlernte die Grundzüge an Herd und Ofen, kümmerte sich fortan um die Verpflegung. Es ging bergauf. Nur etwas, nur sehr langsam, aber stetig.

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Der Winter war vorbei und mittlerweile war Lingor voll und ganz integriert auf dem Hof, zumindest soweit es seine Nieren zuließen. Er erledigte seine Aufgaben ohne dass es noch Anweisungen bedurfte, erkannte die Wichtigkeit, war zuverlässig und fleißig. Immer seltener dachte er an seine ursprünglichen Ziele und an den Grund, warum er das alles hier machte. Allerdings merkte er auch, dass es ihm gut tat, wenn er helfen konnte, ebenso wenn er sah, welch große Hilfe er für die in die Jahre gekommene Hofbesitzerin war.

Es war bereits Sommer, als Lingor merkte, dass Gisela immer ruhiger und nachdenklicher wurde. Er ließ ihr ein paar Tage Zeit, bis er sie darauf ansprach. Sie eröffnete ihm, dass sie einen Brief ihrer Schwester erhalten hatte, die aufgrund einer Erkrankung ihre Unterstützung brauchte. Ebenso hatte sie wegen ihres Alters schon oft mit dem Gedanken gespielt, den Hof aufzugeben und in die Stadt zu ziehen. Vieles war dort schlichtweg einfacher. Was sie dabei allerdings beunruhigte war, dass der Hof dann zurück an die Stadt gehen würde, denn sie war nur Pächterin des Anwesens. Und je nachdem, wer nach ihr den Hof pachten würde, hätte eventuell schon genug Personal und Lingor würde vielleicht wieder auf der Straße sitzen.

Es dauerte ein paar Tage, bis Giselas Entscheidung feststand. Sie war vernünftig und sprach mit dem Statthalter und kündigte die Pacht des Hofes, doch war der Plan, dass Lingor der nächste Pächter wurde. Sie hatten das ein paar Abende lang groß und breit besprochen, Gisela hatte ihm die Bücher gezeigt und erklärt und ihm noch einige wertvolle Tipps gegeben, damit er nicht nur den Hof bewirtschaften, sondern auch führen konnte.

Doch wie so oft, kam es anders. Auch wenn Lingor mittlerweile wohl einigermaßen passabel den Hof am Laufen halten konnte und nun, nach 8 Monaten Arbeit, einiges an Erfahrung mitbrachte, war er mit seinen 17 Jahren in den Augen der Stadtverwaltung gänzlich ungeeignet, den Hof zu übernehmen. Und daran scheiterte ihr Plan letztendlich.

Diese Fügung machte Lingor nachdenklich. Vielleicht war es einfach Schicksal, ein Schubs in die richtige Richtung. Nämlich die, die er ursprünglich angestrebt hatte. Er war schon viel länger auf dem Hof, als er es vorgehabt hatte. Vielleicht sollte er wieder seinen Weg einschlagen, den Weg des Kriegers. Es ging ihm deutlich besser, der Entzug war durchgestanden, seine Nieren tobten nicht mehr, seitdem es wärmer geworden war. Er hatte zudem ein paar Münzen auf der hohen Kante. Das war seine Chance.

Er begleitete die betagte Hofherrin in die Stadt, um die letzten Formalitäten zu erledigen, als er einen Streit zwischen einer Frau und einem Burschen mitbekam. Lautstark diskutierten sie auf offener Straße, der Knabe war eher gleichgültig und bockig, die Frau energisch und selbstbewusst. Und doch schwang ein wenig Angst in ihrer Stimme mit…

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Lingor Melia





 Beitrag Verfasst am: 04 März 2022 22:49    Titel:
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Der junge Bursche, etwa in Lingors Alter, machte irgendwann auf dem Absatz kehrt und ließ die Frau stehen. Es war schwer auszumachen, was sie gerade mehr beschäftigte: Die Wut oder die Verzweiflung.

Sie war einfach und praktisch gekleidet und wenn das nicht gereicht hätte, konnte ein aufmerksamer Beobachter schnell sehen, dass sie körperliche Arbeit gewohnt war. Die Knie der Lederhose waren aufgeraut, ihre Hände ebenso. Die Sonne hatte sich auf ihrer Haut verewigt und helle Strähnen in die hüftlangen, brünetten Haare gebrannt. Lingor schätzte sie auf Anfang 30.

Sie fluchte leise vor sich hin, als sie zu einem kräftigen, braunen Hengst ging, einen Apfel aus der Packtasche nahm und frustriert hineinbiss. Lingor wurde in seiner Kindheit immer gesagt, er solle sich nicht in Sachen einmischen, die ihn nichts angingen, aber Gisela sah das wohl anders. Neugierig sprach sie die junge Frau an und erkundigte sich nach dem Vorfall.

Es stellte sich raus, dass der junge Bursche, der soeben das Weite gesucht hatte, der Knecht des Hofes war, den die Dame mit ihrem Mann zusammen bewirtschaftete. Und dieser hatte soeben hingeschmissen und weigerte sich, weiter für das Ehepaar zu arbeiten, dabei hatte er sein Wort darauf gegeben, über die Erntemonate zu bleiben und den Hof zu unterstützen.

Lingor spürte direkt den Blick, den Gisela ihm zuwarf und schmunzelte. Nannte man das nun Schicksal? Er hatte ohnehin noch keine konkreten Pläne, würde in wenigen Tagen sein Dach überm Kopf verlieren.

Es zeigte sich, dass der Hof der Dame zwei Stunden zu Pferd entfernt war. Er kannte die Gegend grob, war dorthin mal ausgeritten, hatte den Hof aber nicht gesehen. Das sollte allerdings kein Hindernis sein. Noch während Dorothea ihren Apfel aß, bot er an, die Knechtstelle zu übernehmen, bis sie einen geeigneten Ersatz gefunden hatten. Oder bis er mit seinen Zielen ein Stück weiter war. Egal, was zuerst eintreten würde, beide Seiten würden davon profitieren.

Einzelheiten wurden rasch geklärt. Lingor half Gisela noch mit den letzten Vorbereitungen für ihrem Umzug in die Stadt, ebenso mussten auf dem Rotfuchs-Hof noch einige Dinge erledigt werden. Der Abschied war herzlich zwischen Hofherrin und Knecht und mit einem weinenden und einem lachenden Auge setzte sich die alte Dame in die Kutsche, die sie direkt in den Ruhestand bringen sollte.

Lingor hatte sich ein Zimmer im Gasthof genommen und wollte direkt morgens aufbrechen, um seine neue Stelle anzutreten. Er war erstaunt, dass die gesamte Familie schon vor dem Haupthaus bereitstand, um ihn zu begrüßen. Dorothea und Claas Ammerberg hatten drei Kinder, ein Mädchen und zwei Jungs, der ältere von beiden war nun zehn Jahre alt.

Er wurde herzlich empfangen und bekam eine große Führung über das Anwesen, das deutlich größer war als der Rotfuchs-Hof. Das Ammerberger Landgut umfasste das Haupthaus, zwei Scheunen, einen Viehstall und mehrere kleinere Schuppen, die sich bis weit über die Felder und Weiden verteilten. Schlagartig verstand Lingor Dorotheas Verzweiflung, als sie plötzlich ohne Hilfe dastanden. Für ihn selbst gab es ein eigenes Zimmer in dem ausgebauten Dachgeschoss in einer der Scheunen. Dort hatte Claas, oder vermutlich sein Vater vor ihm, drei Zimmer hergerichtet, um zwei Knechte unterbringen zu können und ihnen dazu einen kleinen Waschraum spendiert.

Lingor war direkt begeistert vom Landgut, der Umgebung, der Freundlichkeit der Besitzer, allgemein vom ersten Eindruck, der sich ihm offenbarte. Er spürte eine Vorfreude auf den nächsten Tag, die er so kaum kannte. Er wusste, dass er zum arbeiten hier war, sicher, aber er konnte es kaum erwarten, seine neu erlernten Fähigkeiten und Kenntnisse zu testen und einzusetzen. Er hatte keinerlei Vergleiche zu anderen Knechten, er hatte ja bisher nur bei Gisela gearbeitet und sonst niemanden kennen gelernt, aber er brannte darauf, sich beweisen zu können, auch wenn es nun wirklich nicht das Gebiet war, in dem er ursprünglich brillieren wollte.

Es zeigte sich, dass seine Ausbildungszeit bei Gisela recht brauchbar gewesen war. Die alte Bäuerin war nur im Laufe der Jahre etwas festgefahren und machte sich in manchen Bereichen mehr Arbeit, als es notwendig war. Doch war es ein Leichtes für Lingor, umzudenken und Neues zu lernen.

Es brauchte nur wenige Tage, bis er sich eingewöhnt hatte. Wo er anfangs noch unsicher war, in welchem Maße er sich und seine persönliche Meinung einbringen konnte und durfte, zeigte sich recht rasch, dass er nicht nur als Angestellter gesehen wurde, sondern ebenso zum Hof und der Familie gehörte, wie der Rest auch. Er wurde anständig für seine Arbeit entlohnt, wenn es ihm an Etwas fehlte, das er für seinen Alltag brauchte, musste er sich nur melden. Er saß gemeinsam mit der Familie Ammerberg am Esstisch und verbrachte, sofern er dies wollte, seine Freizeit mit ihnen.

Es war nur selten, dass ihm der Trubel auf dem Hof zu viel wurde. Es lief auf dem Landgut einfach völlig anders ab als noch auf dem Rotfuchs-Hof: Es gingen von früh bis spät Leute auf dem Gut ein und aus, ob es nun Freunde der Familie waren, Kunden oder Lieferanten. Dazu tollten oftmals die Kinder durch den Garten, wenn das Wetter stimmte und die Zeit dazu war. Ruhig war es nie.

Die meiste Zeit genoss Lingor es, der Einsamkeit ein wenig entkommen zu sein. Doch immer wieder kroch die alte Panik in ihm empor, eben jenes Gefühl, dass damals oft Besitz von ihm ergriffen hatte, wenn er sich bedrängt fühlte, wenn zu viele Menschen um ihn waren oder wenn er das Gefühl hatte, alle Augen seien auf ihn gerichtet. Früher hatte ihm der Whiskey dabei geholfen, doch diese Möglichkeit schloss er nun aus. Jetzt stand es ihm allerdings frei, einfach zu gehen, wenn es ihm zu viel wurde. Er war ein Teil der Familie, niemand nahm es ihm übel, wenn er Ruhe brauchte.

. - ~ - .


Lingor war schon ungefähr ein Jahr auf dem Landgut, als die Familie sich nochmals vergrößerte. Ein junger Mann, etwas älter als Lingor selbst, stand eines morgens auf dem Hof und suchte Arbeit. Er stellte sich mit dem Namen Filip vor und war ein offener, geselliger Kerl, der den Fleiß allerdings nicht gepachtet hatte. Da sich das Landgut im letzten Jahr allerdings so gut entwickelt hatte und die Arbeit eher mehr als weniger wurde, hatten sich Claas und Dorothea entschieden, ihn mit aufzunehmen und ihn im zweiten Knechtzimmer unterzubringen. Filip war schon viel herumgekommen, hatte einiges zu erzählen und auch wenn eher Lingor den älteren Knecht anlernte, obwohl es wohl sonst andersrum war, so lernte er auch eine Menge von ihm.

Filip wusste eigentlich immer auf alles einen Rat und teilte diesen auch nur zu gern mit. Er hatte sich rasch in die Familie integriert und die beiden Knechte wurden gute Freunde, was für Lingor eine völlig neue Erfahrung war. Sicherlich hatte er Jungs im gleichen Alter auf der Akademie gehabt, doch war der Umgang dort völlig anders und vor allem er als Sohn des obersten Heerführers wurde anders behandelt und musste besonders viel Disziplin zeigen. Er hatte schon dort schnell gelernt wie es war, gemieden zu werden, ein Gefühl, mit dem er nur schlecht zurechtkam.

Doch Filip war da anders. Ihm war es egal, woher er kam, wie sein Nachname war oder ob er mit „einem goldenen Löffel im Arsch“ geboren wurde, wie er es formulierte. Für ihn zählte das Jetzt. Und jetzt war Lingor ein junger Mann von 17 Jahren, nicht sonderlich kräftig, mit achtlos zurückgebundenen Haaren, die gerade so seinen Nacken erreichten und einem stetig dichter werdenden Bart. Er arbeitete 14 Stunden am Tag als Knecht auf einem Hof, schaufelte Mist, schwang die Sense und so langsam lernte der ehemalige Kriegerschüler wie es war, offen und frei aus sich heraus zu kommen, ohne dass die Etikette ihn in Ketten legte. Er lernte zu lachen und das Leben zu genießen, gute Leute um sich zu haben. Und das sah Filip genauso.

Die beiden jungen Männer lernten sich rasch kennen und ergänzten sich gut und so verschieden sie auch waren, wurden sie dicke Freunde. Lingor konnte sich nicht dran erinnern, wann oder ob er jemals so unbeschwert durchs Leben gegangen war. Er mochte die Geschäftigkeit auf dem Hof, die Familie, seine Arbeit dort und auch die Art, wie er aufgenommen wurde. Er hatte einen herrlichen Sommer und einen goldenen Herbst dort verbracht und selbst den Winter hatte er genossen. Es war ein Gefühl von Angekommen sein, von Zugehörigkeit und von Familie, so wie er sie sich immer vorgestellt hatte. Dorothea behandelte die beiden Knechte nie wie Angestellte und auch die drei Kinder der Gutsbesitzer sahen in Lingor und Filip eher eine Mischung aus großem Bruder und Onkel.

Manchmal noch dachte Lingor an seine alten Pläne. Manchmal kam ihm noch das Schwert in den Sinn, das vermutlich schon kurze Zeit später einen neuen Besitzer gefunden hatte, kaum dass die vereinbarte Auslösefrist abgelaufen war. Er genoss das Leben, das er nun führte sehr, doch konnte er nicht abstreiten, dass die Flamme, die einst groß und heiß für seine Leidenschaft im Kampf gebrannt hatte, noch immer da war. Nur klein, sie flackerte, manchmal drohte sie auszugehen, aber sie war da. Und dennoch blieb er auf dem Landgut, anstatt es erneut bei einer Akademie zu versuchen.

Es waren die ersten wirklich warmen Tage im neuen Jahr und Filip bestand darauf, dass Lingor ihn in die Stadt begleitete, als sie Feierabend hatten. Es sollte ein Fest stattfinden und Filip hatte sich vorgenommen, einen Wochenlohn gegen Alkohol und Tabak zu tauschen. Das war der Abend, an dem sie Tabea kennen lernten.
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Lingor Melia





 Beitrag Verfasst am: 21 Jul 2022 21:51    Titel:
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Keuchend kam der Trabant auf dem trockenen Boden auf, rollte sich über die Schulter ab und nutzte den eigenen Schwung, um auf die Trainingspuppe zuzustürzen und dieser eine zu verpassen. Und auch hier hielt er sich nicht lange auf, sondern sprintete gleich weiter, nahm die Kurve zum nächsten Hindernis und erklomm die hölzerne Rampe mit zwei langen Schritten. Er spürte, wie das Blut in seinen Adern pulsierte und trotz der noch sehr frühen Stunde und einem dementsprechend milderen Klima lief ihm der Schweiß unter der Kettenrüstung den Rücken runter.

Das war der 14. Durchlauf für heute Morgen. Er hatte den Hof heute Hof sein lassen und war direkt hergekommen, um sein Training durchzuziehen. Die Sonne war noch nicht zu sehen, als er die erste Runde begann, nun war sie schon komplett über den Horizont gestiegen. Langsam schlich sich die Hitze des Vortages wieder ein und er hatte sich vorgenommen, dann bereits mit dem Parkour durch zu sein.

Er war zufrieden mit sich. Er hatte deutliche Fortschritte gemacht. Das war vielleicht nach außen hin nicht wahrnehmbar, doch jemand, der ihn kannte, konnte sicherlich sehen, dass er an Agilität gewonnen hatte. Er schaffte den Parkour flinker als noch vor 3 Monaten, bewegte sich nicht mehr grob und klotzig, sondern war flinker und beweglicher geworden. Das zeigte sich auch bei dem Training in den Höhlen, wenn er zum Krummdolch und Bogen griff, um sich damit weiter zu schulen. Das Durchhaltevermögen war nicht das Problem und er wusste auch, dass er an Geschwindigkeit und Wendigkeit noch zulegen konnte, aber er merkte nun, dass seine Aufmerksamkeit manchmal nicht mit seinem neuen Tempo mitkam. Er brauchte zu lange, um sich auf neue Situationen einzulassen und dementsprechend zu reagieren. Doch war dies nur ein weiterer Punkt auf seine Liste von Dingen, die er lernen und verbessern wollte. Und was war schon ein Leben ohne Ziele?

Eins seiner anderen Ziele bestand schon seit längerem und war immer wieder mal aufgeflammt, wenn er daran gedacht hatte. Es war nicht wirklich wichtig für sein persönliches oder berufliches Fortkommen, sondern hatte er einfach nur Interesse daran. Im Alter von fünf Jahren hatte sein Vater es für unumgänglich erachtet, dass Lingor den Umgang mit dem Klavichord lernen sollte. Und so hatte er jeden Tag Unterricht und konnte schon bald einfache Melodien spielen, die zu ganzen Stücken und später zu kleinen Meisterwerken wurden. Dass er selbst Musik geschrieben hatte, fing erst auf Gerimor an, denn hatte er zwischen dem Verlassen seines Elternhauses und seiner Ankunft auf der Insel keine Gelegenheit, der Musik weiter nachzugehen.

Jetzt sollte es die Laute werden. Vor ein paar Monaten hatte er einem Freund eine Lehreinheit im Zeichnen gegeben und sollte im Gegenzug erste Griffe an der Laute gezeigt bekommen, doch wurde nie etwas daraus. Auch kannte er sonst kaum jemanden, der ihm den Umgang mit dem Instrument zeigen konnte, bis Jynela ihm mit einem einfachen Satz einen so offensichtlichen Hinweis gab, dass er schmunzeln musste: „Du bist verdammt musikalisch, Lingor. Probier es eben mal selbst.“

Die nächsten Tage verwendete er seine Freizeit dafür, eine Laute zu bauen. Es war nicht seine erste und sicherlich nicht die schönste, aber sie funktionierte und ließ sich stimmen. Der Klang war passabel und nachdem er die Saiten mithilfe des Klavichords gestimmt hatte, nickte er zufrieden.

Es folgte ein völlig ahnungsloses Klimpern, nichts was wirklich einer Melodie oder gar einem Lied glich, doch war das seine Art, sich mit dem Instrument vertraut zu machen. Und wer weiß, vielleicht hatten so auch mal die großen Meister der Musik begonnen?

. - ~ - .




Schon vom weiten hörten sie die laute Musik, die vom überfüllten Marktplatz rüber hallte. In Filips Augen stand die Vorfreude und er ging direkt einen Schritt schneller. Lingor war eher etwas nervös, wenn auch neugierig, was ihn erwarten würde.

Schon zwei Straßen, bevor sie den Festplatz überhaupt erreichten, kamen den beiden Menschen in festlichen Gewändern entgegen, mal mehr, mal weniger fein, doch sah man ihnen an, dass sie sich Mühe gegeben hatten. Die beiden Knechtgesellen konnten allerdings nur damit aufwarten, dass sie Kleidung ausgesucht hatten, die sauber und lochfrei war. Lingor hatte zudem noch den Wildwuchs aus seinem Gesicht entfernt und sich die kinnlangen Haare gekämmt.

Kaum waren sie am Platz angekommen, hielt Filip nichts mehr auf den Füßen und er stürzte sich direkt auf die Tanzfläche und mischte sich unters Volk. Lingor stattdessen ließ den Blick schweifen. Er kannte den Ort hier, war hier jede Woche, um Einkäufe zu erledigen und Besorgungen zu machen. Es war ein Marktplatz wie vermutlich jedes Dorf ihn hatte. Jetzt allerdings erstrahlte er unter Dutzenden bunten Laternen, Blumengestecken und Stoffbändern. Und man hatte eine kleine Bühne aufgestellt, auf der zwei Männer und eine Frau standen, Violine, Laute und Schellenkranz im Anschlag.

Es war Musik, wie er sie noch nicht oft gehört hatte. Sie war heiter, flott, dem Anlass angemessen. Die Menschen um ihn herum lachten, bewegten sich zu der Melodie, tranken, plauderten miteinander. Lingor brauchte eine Weile, um alle Eindrücke in sich aufzunehmen und hielt sich vorerst unscheinbar und ruhig am Rande des Geschehens. Hin und wieder sah er Filip vorbeihuschen, tanzend und scheinbar bester Dinge und nach und nach bröckelte seine angespannte Haltung und er gewöhnte sich an die Flut von Eindrücken und der großen Anzahl von fremden Menschen.

Es dauerte nicht lange, bis er angesprochen wurde. Es war einer der Hofherren der Nachbarhöfe, der sich nach Dorothea und Claas erkundigte und schnell waren der ältere Herr und der junge Knecht im Gespräch. Ein Bier folgte dem nächsten, nach und nach gesellten sich noch andere Bekannte mit dazu und aus einer netten, höflichen Unterhaltung wurde bald schon eine ungezwungene Plauderei, etwas, dass Lingor kaum kannte, zumindest nicht mit Leuten, die er nur flüchtig kannte oder die schlichtweg älter waren als er.

Der Abend verstrich rasch und auch wenn Lingor selbst nicht merkte, wie er aufblühte, so erkannte es Filip direkt, als er nach einiger Zeit mit zwei Gläsern wieder zu ihm kram, verschwitzt, strahlend und mit einem Mädchen am Arm. Die braune Flüssigkeit schwappte leicht, als eins der Gläser seinen Weg auf den Tisch fand und Lingor zum Trinken aufgefordert wurde. Direkt kam ihm der unverwechselbare Geruch von Rum entgegen und grinsend hob er das Glas und leerte es in einem Zug, nachdem er es gegen Filips geklonkt hatte.

„Salve, ich bin Tabea! Aber sag ruhig Bea, das ist mir lieber!“ Er konnte kaum schnell genug seinen Namen sagen, da hatte die junge Frau schon seine Hand gegriffen und ihn mit auf die Tanzfläche gezogen. Und dort blieb er, bis die Musiker die letzten Töne spielten, bis der letzte Rum geleert war… und Bea ihn bat, sie nach Hause zu bringen.
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Lingor Melia





 Beitrag Verfasst am: 03 Jun 2023 19:50    Titel:
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Da war sie wieder. Diese Stille, die er so sehr hasste. Die Stille, die sich so sehr von allem anderen Unterschied. Es war nicht mehr so, dass er das alleine sein nicht ertrug, im Gegenteil. Er konnte Stunden alleine im Garten sitzen, zeichnen, seinen Gedanken nachhängen, sich einfach der Ruhe hingeben, aber das hier war anders.

Es hatte viel Zeit und eine Menge Arbeit gebraucht, bis es an dem jetzigen Punkt war. Für ihn war es einfach Tatsache, dass er ein Problem mit dem Alleinsein hatte. Er hatte es akzeptiert und lebte damit. Jynela war es, die ihm zeigte, dass es immer eine Möglichkeit gab, an sich zu arbeiten. In vielerlei Hinsicht.

Als sie ihm vor ein paar Tagen sagte, dass sie aufs Festland musste, machte sich zum ersten Mal nicht diese Panik breit, die davor die Male immer direkt in ihm aufkam. Er wusste, dass er dazugelernt hatte, dass er zurechtkommen würde. Er wusste aber auch, dass er sie wahnsinnig vermissen würde.

Um sich abzulenken hatte er ein paar Pläne gemacht. Die Pantherklaue könnte mal wieder geöffnet werden, auf dem Hof mussten Teile des Zauns erneuert werden, er wollte sich um neuen Whiskey und Rum kümmern. Das Training und der Dienst kamen ohnehin dazu und darüber hinaus wollte er Konrad ordentlich auf die Nerven gehen und ihn mit in die Höhlen schleifen. Alles klang nach einem guten Plan, der hoffentlich halten würde, bis Lingors Verlobte wieder einen Fuß auf Gerimor setzte.

Es brauchte nur zwei Tage und einen Brief, um eben jenen Plan zu durchkreuzen und ihn zweifeln zu lassen, dabei hatte ihm der Abend, an dem Jyn abgereist war, unglaublich gutgetan. Er erinnerte ein wenig an alte Zeiten.

. - ~ - .


Die Zeit verflog nur so. Rasch war der Sommer dem Herbst gewichen, das Laub wurde bunter, die Ernte stand an. Filip und Lingor hatten verflucht viel Arbeit, aber eben so sehr genossen sie ihr Leben. Schnell waren aus den beiden jungen Männern Freunde geworden, „Ein Kopp und ein Arsch!“, wie Gisela früher wohl gesagt hätte. Oft reichte ein schelmischer Blick zum jeweils anderen, um Pläne zu schmieden und umso schneller wurden sie oftmals ausgeführt. Dorothea und Claas schüttelten zumeist nur den Kopf, amüsierten sich im Stillen aber doch über die beiden Knechte, auch wenn sie es nur selten zeigten. Aber es brachte frischen Wind auf den Ammerberghof, es belebte, erheiterte und ließ die Stimmung steigen. Alles in allem war die Atmosphäre sehr locker und jeder profitierte davon. Die Gutsherren hatten anständige Arbeitskräfte, die Knechte Spaß am Leben und an der Arbeit, der Hof florierte. Und für Lingor war es die beste Zeit seines bisherigen Lebens.

Er war Anfangs noch skeptisch gewesen, was Filip anging. Eines Tages stand er da, nahm kein Blatt vor den Mund, hatte dabei aber eine unglaubliche charmante Art, die man einfach mögen musste. Dazu hatte er keinerlei Berührungsängste, war selbstbewusst und extrovertiert. Es stellte sich rasch ein, dass Lingor ihn sich zum Vorbild nahm und Filip hatte keinerlei Probleme damit, den drei Jahre jüngeren Mann mitzuziehen und ihm ein wenig mehr vom Leben zu zeigen als Arbeit, Ausbildung und Unterdrückung.

Bald schon waren die beiden, zu Anfangs noch recht unterschiedlichen, Jungs in der Umgebung bekannt. Sie ließen kaum ein Fest aus, waren aber ebenso auch hilfsbereit, wenn irgendwo Arbeit anstand. Oftmals wurden die Namen Lingor und Filip in einem Atemzug genannt und wären sie vom äußerlichen Erscheinungsbild nicht grundverschieden gewesen, hätte man sie vielleicht sogar für Brüder gehalten. Lingor hatte mittlerweile an Gewicht zugelegt, hatte Muskeln aufgebaut, die Haut war dunkler geworden durch die Arbeit an der Sonne. Seine Haare trug er mittlerweile bis fast auf die Schultern und waren durchzogen von vielen hellblonden Strähnen, ebenfalls von der Sonne verursacht. Filip dagegen war noch ein Stück größer als der ohnehin hochgewachsene Lingor, jedoch stämmiger, robust könnte man sagen. Dazu hatte er dunkelbraunes, kurzes Haar und so dunkle Augen, dass niemand genau sagen konnte, ob noch etwas Braunes in ihnen war, oder nur Schwärze einem entgegen blickte, zumindest bildeten sie einen starken Kontrast zu Lingors grünem Augenpaar.

Doch nicht nur Filip und Lingor schlossen Freundschaft, denn auch Tabea, die sie auf dem Fest im Sommer 258 kennen gelernt hatten, verbrachte viel ihrer Freizeit mit den beiden Männern. Und wo es erst aussah, dass sie mehr Gefallen an dem Dunkelhaarigen gefunden hatte, war bald schon Lingor in ihrem Fokus.

Der Herbst verabschiedete sich, der Winter setzte ein. Nun wurde es hier nicht so kalt, dass es keine Arbeit mehr auf den Feldern gab, doch hatte sich bewährt, die Acker über den Winter mehr ruhen zu lassen, um eine üppigere Sommerernte zu haben. So hatten die beiden Knechte viel mehr an Freizeit als sie gewohnt waren und konnten Claas und Dorothea sogar überzeugen, ihnen für zwei Monate freizugeben, um durchs Land zu reisen. Bea schloss sich ihnen an und zu dritt marschierte das Dreiergespann Anfang Alatner 258 los, um ihr hart verdientes Gold unter die Leute zu bringen. Nicht einen Gedanken verschwendete Lingor mehr an seine ursprünglichen Ziele, sämtliche Wünsche von einer akademischen Laufbahn waren aus seinem Kopf getilgt worden.

Jeder der drei genoss diese Reise auf seine Weise. Während Bea sich am liebsten die Mode der Ortschaften ansah, durch die sie kamen, knüpfte Filip an jeder Ecke gern Kontakte, tauschte sich aus, flachste mit Männern herum und umwarb die Frauen. Dieses Offene, Extrovertierte war genau seine Art und Lingor wünschte sich oft, das ebenso auf diese Art hinzukriegen, doch fehlte da immer noch der Sprung über seinen Schatten. Er hingegen genoss es, neue Landschaften kennen zu lernen, hier und da einen netten Abend mit seiner Freundin und seinem besten Freund zu verbringen und einfach in Ruhe das Leben zu genießen.

Wenn er nun daran zurückdachte, wie sein Leben noch vor wenigen Jahren verlaufen war, könnte es keinen größeren Kontrast geben. Sicher gab es einiges, auf das er nun verzichtete, aber der Tausch war ihm recht. Er arbeitete nun hart, verdiente sein eigenes Gold, hatte Freunde, war verliebt und solange er es nicht wollte, nie alleine. Völlig vergessen war mittlerweile das Schwert und das Kriegerdasein.

. - ~ - .


Die ersten Worte von Jyns Brief hatten ihn auflächeln lassen. Mehr noch, sie hatten jegliche Stille genommen, ihm Auftrieb gegeben. Er hatte ihr ihre Abreise nicht übelgenommen. Nicht nur, weil der Kuss kurz zuvor ihn besänftigte, sondern weil ihr Abgang einfach so typisch Jyn war, dass er auf ihre Art perfekt war.

Es waren die letzten Zeilen des Briefes, die Lingor beunruhigt, nein fast schon geschockt zurückließen. So sehr er sich bemühte, er schaffte es nicht seinen Verstand dazu zu bringen, logisch und rational zu denken. Doch hoffte er, dass die Zeit ihm da helfen würde. Oder noch besser ein Freund.
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Lingor Melia





 Beitrag Verfasst am: 12 Jun 2023 17:35    Titel:
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„Wenn ich morgen nicht zurück bin, holt mich in Adoran ab!“ Er erntete nur einen verwirrten Blick der Blondine, auf das schlichte „Werden wir nicht“ des Amigos ging er gar nicht erst ein. Er wollte Nägel mit Köpfen machen.

Der Plan wuchs schon länger und er hatte sich eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Zwei Wochen, in denen er mehr oder weniger geduldig warten würde, ehe er handelte. Und die waren nun vorbei.

Er hatte in der Taverne nicht viel getrunken, zumindest nicht mehr als die letzten Tage. Whiskey vertrug er sowieso gut, daher war sein Verstand noch klar, er war konzentriert und aufnahmefähig als er das Kräftemessen verließ.

Haarfärbemittel, Kleidung, die hölzernen Absätze und die Corsage hatte er sich schon zurechtgelegt. Er war nur kurz zu Hause, um den Beutel mitzunehmen. Umziehen würde er sich auf dem Hof und den Bürgerbrief direkt dortlassen. So musste er nicht ohne ihn durch die ganze Stadt.

Er nahm die Kutsche nach Bajard, um dort dann umzusteigen nach Adoran. Er hatte mit deutlich mehr Nervosität seinerseits gerechnet als er vor dem Stadttor der Ketzerhochburg die Kutsche verließ und sich umsah. Noch vor ein paar Jahren wäre so ein Ausflug für ihn fast undenkbar gewesen. Er war einfach schrecklich schlecht darin sich zu verstellen, zu lügen und zu schauspielern. Doch hatten die Veränderungen der letzten Jahre wohl auch das gebessert bei ihm.

Sein Herzschlag war nur leicht erhöht, er hatte sein Ziel vor Augen, und so ging ein hochgewachsener, sehr schlanker Mann mit langen blonden Haaren mit strammen Schritt gen Berchgard, nur um kurz vorher nach rechts zum Hort des Wissens abzubiegen. Die Wache wurde freundlich gegrüßt, eher er eintrat.

Er hatte sich vorgenommen, systematisch vorzugehen, Regal für Regal. Sein Ziel war schlichtweg Kartenwerk, vielleicht auch Aufzeichnungen über Länder hinter dem alumenischen Reich, wenn es sowas denn gab. Sie hatte geschrieben, dass sie durch Feindesland müsste, um dorthin zu kommen, daher schloss er das alatarische Reich und alles was danach kam, erstmal aus. Es hätte geholfen, wenn sie den Namen, der im alumenischen Reich für ihre einstige Heimat benutzt wurde, geschrieben hätte, aber er verstand gut, warum sie es nicht getan hatte. So blieb ihm nur, Buch für Buch zu durchforsten.



Die erste halbe Stunde war er noch etwas unruhig, doch ebbte das Gefühl langsam ab. Er erwischte sich dabei, Zeit zu vergeuden, Dinge zu lesen, die gerade nicht wichtig waren. Zudem bereute er die Wahl seiner Verkleidung. Der lange blonde Zopf fiel ihm ständig nach vorn, klemmte sich zwischen Bücherseiten und behinderte ihn. Sie hätte seine Aufmachung vermutlich gehasst.

Nach einer Stunde näherte er sich langsam den letzten Regalen, das Ergebnis war ernüchternd. Und auch die Frage an den doch sehr schläfrigen Bibliothekar, der eisern seinen Dienst im Hort absaß, brachte ihn nicht weiter.


Nicht eine Karte war zum Vorschein gekommen, nicht ein Hinweis auf ein Land, das irgendwo hinter Schwarzwasser oder Greifenhain lag. Enttäuschung wäre ihm recht gewesen, aber es machte sich Verzweiflung breit. Wie sollte er sie finden, wenn er nicht ansatzweise einen Hinweis hatte. Es gab lediglich die Möglichkeit nach Weidenheim zu reisen, Tero zu suchen und ihn um Informationen zu bitten. Es war nur fraglich, ob er kooperieren würde oder ob die Loyalität zur Scharfschützin tiefer war. Dennoch zog er diese Möglichkeit in Betracht. Es war zwar keine gute Möglichkeit, aber immerhin war es eine.

Den Hort verließ es so leise wie er ihn betreten hatte. Er wollte weiterhin kein Aufsehen erregen und wie er es erwartet hatte, hatte niemand zu dieser späten Stunde Interesse an Büchern und Wissen.

Diesmal wählte er die Kutsche vor Berchgard, legte während der Fahrt seine Verkleidung ab, stieg zwei Mal um und kam dann gen Mitternacht in Düstersee an. In der Rumtreiberei brannte noch Licht, daher setzte er zum Klopfen an und gab Entwarnung. Danach setzte er seinen Weg zum alatarischen Hort fort, mit dem gleichen Ergebnis.


Auch wenn ihn beide Ausflüge nicht weitergebracht hatten, hielt er am Plan fest. Der folgende Tag wurde zum Packen genutzt, es wurden ein paar Zettel geschrieben. Am nächsten Morgen würde er normal zum Dienst erscheinen, danach den Hof versorgen und daraufhin würde der Besuch bei Konrad folgen. Er wusste, dass er ihn verstehen würde und er wollte nicht, dass er sich verpflichtet fühlte, ihn zu begleiten. Aber Bescheid sagen musste er.

Er hatte sich bereits erkundigt, wann das nächste Schiff gen Weidenheim ablegen würde. Am zweiten Tag der Woche würde es zur Mittagsstunde Rahal verlassen. Und er war fest entschlossen, einer der Passagiere zu sein.
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