Licht und Schatten

[Marika Varys]

Nachdenklich blätterte die junge Frau in dem Buch auf ihrem Schoß - von draußen war das Rauschen der Wellen zu hören. Das Hafenviertel war immer in Bewegung, das hatte sie an ihrer kleinen unscheinbaren Hütte hier immer gemocht, hier war es viel ruhiger - das Leben auf der Insel gefiel ihr. In Erinnerungen schwelgend fuhr sie mit dem Finger über die schon seit Jahren getrocknete Tinte:


1. Tag des Crimiasum im Jahr 260

"Das Bewusstsein, das wie ein Strom sein kann, in den Bäche münden und der sich dann wieder verzweigt, wurde zu einem armseligen Rinnsal. Die Welt um mich verdorrte und verkümmerte ohne sich augenscheinlich zu verändern - aber für mich veränderte sie sich - Meine Welt war zusammengeschrumpft auf das Bett zum Schlafen.“






"So hat alles angefangen“ - murmelte sie, strich sich eine rote Locke aus der Stirn und betrachtete den neben ihr zusammengerollten, schlafenden Fuchs nachdenklich. Dieser zuckte im Traum mit den Ohren und bewegte unruhig die Pfoten.

Es gab Tage, an denen sprudelte sie so sehr vor Energie, dass sie alles wollte - alles, sofort und am besten gleichzeitig. Die Welt explodierte nahezu vor Farben und Emotionen und die Gefühle der anderen schienen ihr so nah, dass sie beinahe schon plastisch greifbar waren, die Welt war bunt; hell - zum Teil schon zu grell — manchmal überfordernd.

Und dann wiederum gab es die Tage an dem die große schwarze Wolke kam und sie niederdrückte. An diesen Tagen kam sie einfach ganz ohne Einladung— die Leere, das Nichts, eine tiefe Gleichgültigkeit - legte sich über sie wie eine schwere Decke - bleischwer zog sie das Gewicht hinab, begrub alle Gefühle und lies von der strudelnden Lebhaftigkeit, der alles einnehmenden Neugierde nichts mehr erahnen.
Vor Jahren hatte der lange und müßige Kampf begonnen - und nun endlich hatte sie die Kraft gefunden zurück zu kehren. Langsam - ganz langsam ein Leben mit ihrem inneren Schatten zu führen und sich selbst zu erlauben Balance zu finden.



Licht und Schatten.