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Die kargen Lande
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Die kargen Lande
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Urian Bunjam





 Beitrag Verfasst am: 03 Jul 2022 15:33    Titel: Die kargen Lande
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"Drei verschlang Raugaroth, der nasse Rachen der See, ein Dämon aus dem Gefolge der Balron, der als einziger den Schiffen über das Meer folgen konnte. Nur wenige Flüchtlinge von diesen Schiffen überlebten, indem sie sich an Treibholz klammerten. Heute leben die Thyren weit verstreut auf vielen Inseln."

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Das Land an den Ausläufern der Wackersteine ist karg und armselig. Nichts wächst hier ausser den zähesten, anspruchslosesten aller Pflanzen, die ihre Wurzeln in mit Sand vermischte Erde treiben. Es ist ein von den Göttern verlassenes Land, wertlos ausser für jene, die kaum mehr als Stolz haben und sich wie die Pflanzen festklammern, stetig in der Gefahr vom nächsten Sturm entwurzelt zu werden.
Die Alten erzählen von reicheren Gründen, von begrünten Tälern, von Wäldern, die so tief sind, dass das Licht der Sonne nie den Boden erreicht und die Jungen staunen fassungslos vor diesen Bildern, während sie verstohlen in Richtung der vom Wind gebeugten Krüppelkiefern spähen. Die in den Sagen beschworene Majestät ist dort nicht zu finden.

Die Wackersteine selbst sind ein von schroffen Hängen geprägter Bergzug, unzugänglich für alle, die nicht wie die Gemsen zu klettern wissen, eine Barriere, die im Sommer schwierig und im Winter unmöglich zu überwinden ist und damit ein natürliches Bollwerk der Welt vor dem kargen Land und seinen verbissenen Bewohnern. Früher gab es einige Festen, die hier strategisch aufgetürmt wurden, Bauwerke von ausserordentlicher Hässlichkeit, die Zweckdienlichkeit über alles andere stellten. Bis auf eine, liegen sie alle in Ruinen, gesprengt nicht etwa von dem Feind gegen den sie erbaut wurden, sondern von Zeit, Wetter und Langeweile.

In der verbliebenen Festung bröckeln Disziplin und Mauern um die Wette, niemand blinzelt auch nur, wenn einige der Hünen der kargen Lande für Tauschhandel vor den Toren auftauchen, auch wenn eine längst vergilbte Dienstanweisung jede Form von Umgang mit dem Feind untersagt. Diese Mauern haben schon so lange kein Blut mehr gesehen, dass die Berichte von Kämpfen bereits so unwirklich sind, wie ein verwirrter Mitternachtstraum.

Daran, soviel ist gewiss, wird sich so rasch nichts ändern und der Grund dafür ist sehr einfach: Was es einst an Stärke zwischen den Clans gab, hat das Land herausgewaschen, ausgeblutet, hat verbündete Clans in ein Rudel hungriger Wölfe verwandelt, in dem sich jeder selbst der nächste ist.

Ohne einen Führer von der Qualität des sagenhaften Thrail, öffnet sich die einst geballte Faust in einzelne, leicht zu brechende Finger.

Das vielleicht grösste Wunder ist, das dennoch Kinder geboren werden.
Eines von ihnen ist Urian, der sich diesen Namen wie es Tradition in den kargen Landen ist, erst mit dem Übergang ins Erwachsenenalter verdient.

Es liegt ein kalter Pragmatismus in dieser Sitte, die das Ritual der Namensgebung gleichzeitig überhöht: Die Ahnengeister des kargen Landes sind den Menschen ähnlich in ihrem Starrsinn, ihrem grimmigen Zorn und der aufbrausenden Natur. Sie schätzen es nicht für ein Leben gerufen zu werden, das vielleicht schon Tage, Wochen, manchmal auch wenige Jahre später flackernd erlischt. Und wie die Menschen sind sie immer hungrig.

Dieser Hunger ist einer der Hauptgründe warum die Clans der kargen Lande gegeneinander in den Kampf ziehen.
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Urian Bunjam





 Beitrag Verfasst am: 03 Jul 2022 20:03    Titel:
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Seit drei Tagen schlagen die Trommeln ohne Unterlass und Pause, verheissen das sich nähernde Unheil für die Männer, Frauen und Kinder hinter den Mauern der provisorischen Befestigung hier in einem der Seitentäler der Wackersteine. Kein Kartograph hat sich jemals die Mühe gemacht für die abschüssige Bruchsteinwiese einen Namen zu erdenken, keine offizielle Stelle hat jemals das dünne Nass getauft, das gut zwei Meilen weiter östlich und gute zweihundert Schritt höher aus den Resten eines massiven Felssturzes quillt. Es ist nicht viel, aber genug für eine karge Wiese, genug für ein festes Lager an dem das Herz des Clans schlägt. Zumindest noch.

Der Vorteil der Belagerten erschöpft sich mit dem höheren Grund, provisorischen Befestigungen und einer verfügbaren Wasserstelle. Auf der anderen Seite können sie drei verschiedene Clanssymbole zählen - es ist das erste Mal seit Menschengedenken, dass sich die sonst stets streitenden Gruppen vereint haben. Natürlich fehlen die Farben der Wikrah, die ausschliesslich dafür bekannt sind Bauern zu sein und daher allein Krieg gegen den kargen Boden zu führen in einem stetigen Ringen um ein Mindestmaß an Ernte. Andere Clans leben hier nur noch in der Erinnerung fort, davongeschwemmt während der Flucht über das Meer oder während dem seitdem stetigen Kampf ums Überleben. Im letzteren Falle sind nur noch ihre Geister hier, flüstern von verblasstem Ruhm und gebrochenen Gleichgewichten.

Auch sie sind hungrig. Und wie die Lebenden warten sie darauf, dass die Nacht mit dem ersten Glanz der Sonne endet.

Urian ist einer von jenen, die bereits beim ersten Scharmützel verwundet wurden und er ist sich grimmig bewusst, dass dies vielleicht der einzige Grund dafür ist, dass er noch lebt. Andere, bessere Männer sind auf dem Feld zurückgeblieben, ihre Leiber liegen unbestattet gerade ausserhalb der Reichweite - die Augen durch Sand und Erde verschlossen als Zeichen der schlimmsten Herabwürdigung, damit Rabe die Seele nicht herauslassen kann. Niemand wird die Begräbnisriten für sie singen, niemand wird die Leiber den Flammen übergeben. Das, mehr als alles andere, zeigt an wie ernst es den Angreifern ist.

Während er in das Dunkel hinausspäht und ein um das andere Mal die niedrig brennenden Feuer zählt, begreift er zum ersten Mal, dass die Zeit seines Clans sich dem Ende zuneigt. All die Entscheidungen der vergangenen Jahre haben hierher geführt, zu dieser Nacht, gefüllt mit dem Klagen von Verwundeten und dem stetigen Dröhnen der Trommeln.
Gleichgewicht, so wurde ihm beigebracht, entsteht nicht wie bei einer Waage durch das behutsame Ausgleichen der Arme, sondern mit Gewalt und Blut, aus dem sich ziehenden, stetig neu verhandelten Moment des Stillstands zwischen zwei sich gegenüberstehenden Kräften. Die Spannung darin muss sich schliesslich entladen und wenn es geschieht, dann führt das Bersten zu Umbrüchen, Umschwüngen. Veränderungen.

Ohne bewusst darüber nachzudenken tastet er nach der Kette aus vielen kleinen Knochen, jeder einzelne von ihnen eine unterschiedliche Erinnerung.

'Wenn die Geister uns stark machen. Warum sind wir dann heute so schwach?'
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Urian Bunjam





 Beitrag Verfasst am: 04 Jul 2022 19:34    Titel:
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Mit dem ersten Licht des neuen Morgen verstummt das Dröhnen der Trommeln. Die Stille wird gefüllt von aufbrausendem Wind, in den sich das heisere Heulen der Ahnen mischt. Sie, deren Leiber von den Flammen verzehrt wurden, sind für das Auge unsichtbare Schemen, manifestiert in einem Rascheln von Blättern, dem Ausstrecken von Dornenranken und unter dem Fuß davonrollenden Kieseln. Sie flüstern in das Ohr der Schamanen - manchmal leitend, manchmal beratend. Manchmal fordernd.

Die Feldzeichen der Clans werden dem Himmel entgegengestreckt und das ist das Zeichen zum Angriff.

Hinter den bröckelnden Mauern treffen die Angreifer auf Verteidiger in einem Aufbegehren beidseitiger Entschlossenheit. Dennoch: Der Kampf währt nur kurz, bevor die waffentragenden Männer und Frauen der Belagerten zu zerschmettert liegen, vereint mit den unbestatteten Toten in der gleichen schmächlichen Ruhe.
Die Wahrheit dämmert rasch: Nur die Verletzten, die Alten, die Schwachen und Kinder wurden zurückgelassen, während jene, die diesen Kampf hätten führen sollen, sich in der Nacht davonstahlen um ihr Schicksal in der kalten Herausforderung der Wackersteine zu suchen.

Die Einigkeit der vier auf das Feld gezogenen Clans droht zu zerbrechen, während darüber verhandelt wird, wie mit den Gefangenen zu verfahren sei: Grimmige Entschlossenheit ist einfach auf dem Schlachtfeld, wenn die Waffen gezogen sind. Aber nur wenige der Frauen und Männer finden Ehre darin ein Scharfrichter zu sein, ein Henker.

Als der Spruch schliesslich gefällt wird, setzt gut die Hälfte der Versammelten den Flüchtlingen in die Berge nach. Die Zurückbleibenden zerstören jedes Andenken an die Vertriebenen, waschen mit Blut den eigenen Schmerz fort und alle Gefühle von Genugtuung.

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Der Pfad durch die Berge ist Urian nur vage vertraut. Er ist allein, soweit ein Mann allein sein kann, der die Geister seiner Feinde um sich weiß und seine Gedanken drehen sich ohne Unterlass im Kreis, während er den im Dämmerlicht kaum erkennbaren Wildwechseln folgt, die ihn in Seitentäler und durch Schluchten tragen.
Das Überleben des Clans steht an erster Stelle und ganz gleich wie ehrenvoll das vermeintlich sein soll: Er spürt den Stich der Scham bei jedem Atemzug. Jene, die sich wie Diebe davonstahlen, kämpfen nun für sich - manche zu zweit, die meisten allein, kleine Ziele, die mit etwas Glück vor den Augen der Verfolger verborgen bleiben und überleben, machtlos wie vom Wind verstreutes Laub.

'Haben wir uns in die Irre führen lassen?'

Die Füße finden ihren Weg ganz von allein während er nach der Knochenkette tastet, die Finger prüfen die allzu vertrauten Formen - jedes einzelne Stück ist mit einer Geschichte und einer Erinnerung verbunden. Und mit Warnungen, die der Grund dafür sind, dass er seit dem Verlassen des Lagers die bemalte Knochenmaske nicht mehr gelüftet hat: Wer von zornigen Ahnen verfolgt wird, der tut gut daran sich vor ihrem Blick zu verbergen.

Die Lebenden sind leichter in die Irre zu führen und trotz der Verletzungen aus dem Gefecht vor zwei Tagen ist er zuversichtlich, dass er den Häschern entgehen kann. Dazu braucht es mehr Geduld als Geschick.

In der Nacht, eingegraben in die stinkende Höhle eines Steppenlandfuchses, träumt er zum ersten Mal von Gerimor.
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Urian Bunjam





 Beitrag Verfasst am: 06 Jul 2022 20:26    Titel:
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"Das sieht mir nach überhaupt nichts aus."

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Am Anfang sind die Träume kaum mehr als formlose Fetzen, fremdartig genug in der Perspektive, dass Urian nicht einmal in der Lage ist sie überhaupt als etwas wie Wahrnehmung zu begreifen. Es liegt Bewegung darin und Wandel, ein Pulsen, wie das Schlagen eines gewaltigen Herzens, das bis zum Horizont reicht. Das Dröhnen ist von der Urgewalt eines Sturms und folgt doch der Regelmässigkeit von Ebbe und Flut - gefangen in einem stetigen auf und ab. Atemzüge.

Während die Tage kürzer und die Nächte kälter werden in den Wackersteinen, harrt er in seinem Versteck aus, verlässt es nur um auf Pirsch zu gehen. Dann und wann riecht er Feuer, aber es gelingt ihm nie auch nur eine Rauchfahne zu finden: Wer auch immer noch hier ist, ist vorsichtig.

Urian legt Schlingen aus und sammelt Dornenzweige, die er zu Brei zerstampft, mit dem wiederum Insekten angezogen werden können: Dicke Käfer mit einem Chitinpanzer, den selbst kräftige Zähne nur schwer knacken können. Er heilt und er träumt, immer im Bewusstsein, dass seine Tage gezählt sind: Sobald die Schneegrenze die Höhle erreicht in der er sich eingenistet hat, ist es vorbei, spätestens dann muss er hinab. In den kargen Landen auf dieser Seite der Wackersteine wartet nur der Tod, auf der anderen Seite das Ungewisse. Es ist nicht schwer zwischen Beiden zu wählen.

Mit den Tagen verändern sich die Träume, gewinnen an Klarheit und Form. In ihnen legt er das Gewand eines Ganters an und lässt sich vom Wind tragen, er schlüpft in das Schuppenkleid eines Fisches, der den Strömungen folgt, er ist selbst ein Fetzen aus Quecksilber und Schatten, der in den farblosen Abgründen wartet, bleich und reglos, gelähmt vom Silberglanz des Mondes, bis er in dessen nachtfinsterer Abwesenheit herumstreift.

An dem Morgen als er das erste Mal Schnee auf dem kargen Grund ausserhalb seiner Heimstatt findet, macht er sich auf den Weg.

Die letzte bemannte Festung passiert er verstohlen im Schutz der Nacht und lernt sogleich das erste Wunder kennen: Eine Strasse. Zwei Tage später erreicht er die Mauern von Aargonstein und fühlt sich vollkommen überwältig, erschlagen von der Masse an Menschen, von der Enge in den Gassen. Ist das die legendäre Hauptstadt, von der er hat murmeln hören?
Tatsächlich leben hier kaum mehr als 3000 Seelen, aber das ist ein Detail, das er erst später einzuschätzen lernt.

Es wäre einfacher sich einzufügen ohne die Maske. Ohne die mit Farbe gezogenen Streifen auf dem Gesicht. Fragen werden gestellt, auf die er keine Antwort geben kann oder keine Antwort geben will und so treibt der Wind ihn weiter, während die Geister seiner Feinde in den Schatten spotten. Aus dem Winter wird Frühling und Sommer, bevor er die Küste erreicht: Er ist, zumindest von aussen betrachtet, ein neuer Mann: Kleidung, die passt. Waffen aus Metall. Ein moderner Hut mit ausladender Feder. Aber darunter ist alles beim Alten und die Kleidung verbirgt die Kette aus Knöchelchen nur. Er bleibt ein Streuner, ein Wanderer, einer der nicht sesshaft wird und nur selten darum gefragt wird.

Ein weiterer Winter und ein weiterer Frühling, bevor er es wagt das Land zu verlassen, sich den hölzernen Planken zu übergeben. Es sind Wochen voller miserabler Todesangst, bis er endlich sein Ziel erreicht. Festes Land. Gerimor.
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